Verfügungen über Einlageforderungen in der Krise der Kapitalgesellschaft: Aufrechnung, Drittzahlung, Abtretung und Pfändung [1 ed.] 9783428551736, 9783428151738

Die Arbeit untersucht Verfügungsmöglichkeiten über und die Pfändbarkeit von Einlageforderungen im Kapitalgesellschaftsre

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German Pages 315 Year 2017

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Verfügungen über Einlageforderungen in der Krise der Kapitalgesellschaft: Aufrechnung, Drittzahlung, Abtretung und Pfändung [1 ed.]
 9783428551736, 9783428151738

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 109

Verfügungen über Einlageforderungen in der Krise der Kapitalgesellschaft Aufrechnung, Drittzahlung, Abtretung und Pfändung

Von

Tobias Buddemeier

Duncker & Humblot · Berlin

TOBIAS BUDDEMEIER

Verfügungen über Einlageforderungen in der Krise der Kapitalgesellschaft

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 109

Verfügungen über Einlageforderungen in der Krise der Kapitalgesellschaft Aufrechnung, Drittzahlung, Abtretung und Pfändung

Von

Tobias Buddemeier

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15173-8 (Print) ISBN 978-3-428-55173-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-85173-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Das Vollwertigkeitsgebot bei Verfügungen über und Pfändungen von Einlageforderungen ist nach heute überwiegender Ansicht ein wichtiger Baustein des Kapitalschutzes. Es postuliert, der Gesellschaft im Sinne einer realen Kapitalaufbringung den vollen Einlagebetrag auch in den Fällen zukommen zu lassen, in denen die Einlage nicht tatsächlich an die Gesellschaft gezahlt wird. Die vorliegende Arbeit möchte dagegen zeigen, dass diese – weit über hundert Jahre geltende – Rechtsfortbildung verfehlt und im Kapitalschutzrecht nicht richtig beheimatet ist. Die Arbeit wurde von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Mitte Februar 2017 Berücksichtigung finden. Wer eine Doktorarbeit anfertigt, kommt dabei wohl selten völlig ohne fremde Hilfe aus, so war es auch bei mir. Ich möchte daher allen aus vollem Herzen danken, die zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben: Meinen Eltern danke ich für ihre stete Unterstützung, ohne die ich die Arbeit nicht hätte anfertigen können. Herrn Prof. Dr. Verse schulde ich ebenfalls großen Dank. Er hat nicht nur mit dem ThemenAnstoß Treffsicherheit bewiesen, sondern die Arbeit auch in allen Phasen der Entstehung gefördert und insbesondere für meine Anliegen stets die Tür offen gehalten. Herrn Prof. Dr. Oechsler möchte ich herzlich für sein in Spitzengeschwindigkeit erstelltes und überaus originelles Zweitgutachten danken. Einen Dank richte ich ferner an meine ehemaligen Lehrstuhl-Kollegen, insbesondere Herrn Paul Schneider, Nicolai Fischer, Markus Mandel und Rachid René Wiersch, die sich mehr als einmal zu meiner Unterstützung in das Kapitalschutzrecht hineingedacht und die Thesen kritisch diskutiert haben. Last but not least danke ich Herrn Christoph Kramer für die Durchsicht des Manuskripts und die daraus resultierenden weiterführenden Hinweise und Anregungen. Hamburg, im Februar 2017

Tobias Buddemeier

Inhaltsübersicht § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kapitel 1 Das Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

41

§ 2 Gang der Spruchpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 § 3 Analyse der Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Kapitel 2 Aufrechnung

95

§ 4 Kritik der herrschenden Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 § 5 Vorstellung des eigenen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 § 6 Verfügungsbezogener Ansatz und Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 § 7 Verfügungsbezogener Ansatz und die Zwecke des Garantiekapitals . . . . . . . . . . . . . . 186 § 8 Insolvenzbezogene Zulässigkeitsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Kapitel 3 Die Drei-Personen-Konstellationen

236

§ 9 Kritik der herrschenden Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 § 10 Verfügungsbezogener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Schlussbetrachtung

281

§ 11 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Ausgangspunkt: Fehlende Vollleistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Die einzelnen Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3. Meinungsstand im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 a) Das richterrechtliche Vollwertigkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 b) Zweifel und offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Untersuchungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Vollwertigkeitsgebot als richterliche Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Richterrecht im Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 b) Besonderheiten der Vollwertigkeitsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Gläubigerschutz in Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Kapitaldebatte, MoMiG und Entwicklungsperspektiven . . . . . . . . . . . 31 b) Vollwertigkeitsrechtsprechung auf dem Prüfstand . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Rechtsvergleichende Umschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Italienisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 c) Französisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Kapitel 1 Das Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

41

§ 2 Gang der Spruchpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Meinungsstand vor Errichtung des RG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Kein Aufrechnungsrecht des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Gegenstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Rechtsprechung des Reichsgerichts vor 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Aufrechnungsrecht des Aktionärs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Aufrechnung durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Gesetzliche Regelung der Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Kein Aufrechnungsrecht des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Aufrechnung durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

10

Inhaltsverzeichnis II. Entwicklung des Vollwertigkeitsgebots bei der Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Leitentscheidung RGZ 54, 389 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Geringe Entscheidungsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Erwägungen zum Vollwertigkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Weitere Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Etablierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Konturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 aa) Vollwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 bb) Fälligkeit und Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) Drei-Personen-Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) „Aufrechnung“ mit Forderungen Dritter und Drittleistung . . . . . . . . . 54 bb) Keine Umgehung durch Leistung auf Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . 55 d) Übertragung in das Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 aa) Aufrechnung und Befreiungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 bb) Umgehung durch Hin- und Herzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 III. Übertragung auf Abtretung und Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Ausgangspunkt: Kein Vollwertigkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Früher Standpunkt des RG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 b) Kontroverse im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Änderung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Vollwertige Gegenleistung bei kaufweiser Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . 59 aa) Wirtschaftlich angemessener Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 bb) Missverständnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Übertragung auf die Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Ausnahmen bei „Zweckfortfall“ der Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Vollbeendigungsgleicher Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Masselosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Exkurs: Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Schutz auf „Primärebene“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Schutz auf „Sekundärebene“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

§ 3 Analyse der Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Ratio des einseitigen Aufrechnungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Sicherung der Risikokapitalbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Erhaltung der Einlageforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Parallele bei der Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Nicht erfasste Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Dispositionsfreiheit der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Risikotrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Reale Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

Inhaltsverzeichnis

11

II. Aufrechnung als abgekürzte Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Übernahme des paiement abrégé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Compensation légale nach Art. 1289 ff. code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Abgekürzte Zahlung in der Rechtsprechung des RG . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Hintergründe des Rechtstransfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Compensation légale in der Rechtsprechung des II. Zivilsenats . . . . . . . . 77 b) Entscheidung des Kassationshofs v. 4. 3. 1867 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 c) Bedeutung des französischen Zivilrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Vollwertigkeit als Ergänzung der paiement abrégé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 III. Aufrechnung als Einbringung einer Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Schleichender Paradigmenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Der forderungsbezogene Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Kommentierung von Pinner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Mögliche Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Unterschiede der Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Rechtsfolge und Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 IV. Plausibilität der Einbeziehung sämtlicher Drei-Personen-Konstellationen . . . . . 86 1. Leistung auf Anweisung an einen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Notwendigkeit der Zahlungsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Fehlende Trennschärfe der Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Abtretung und Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Kontinuität zur Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Aufstieg des forderungsbezogenen Ansatzes als Hintergrund . . . . . . . . . . 90 c) Rechtspolitische Zweifel am Prioritätsprinzip (Wertenbruch)? . . . . . . . . . 91 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Kapitel 2 Aufrechnung

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§ 4 Kritik der herrschenden Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Vollwertige, fällige und liquide Gesellschafterforderung . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Vollwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Im engen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 bb) Im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 cc) Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Nebengebote (Fälligkeit, Liquidität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

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Inhaltsverzeichnis bb) Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Umgehung durch Hin- und Herzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Voraussetzungen des Umgehungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Gefährdung der Einlageforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) „Zweckfortfall“ der Kapitalgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Anrechnung analog § 27 Abs. 3 S. 3 AktG, § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG . . . 111 c) Differenzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Zivilrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Einseitige Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Grundgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Tilgungs- und Befriedigungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Aufrechnungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 III. Erste Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Zulässigkeit und praktische Bedeutung des Aufrechnungsvertrags . . . . . . . . 118 a) Disposition der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Dominanz des Aufrechnungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Zum zweifelhaften Vorverständnis der Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Erfüllungsbezogene Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 IV. Zum forderungsbezogenen Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Aufrechnung als Sacheinlage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Geld- und Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Aufrechnung als Ausnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Aufrechnung als verkappte Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Tatbestand beim Hin- und Herzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Konsequenz des forderungsbezogenen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Grenzen des Analogieschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) De-facto-Legitimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) Rechtspolitische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Inhaltsverzeichnis

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3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 V. Zum zahlungsbezogenen Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Aufrechnung als reale Zahlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Begrenzte Aussagekraft des paiement abrégé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Fingierte Doppelzahlung oder einseitiges Zahlungsverbot? . . . . . . . . . . . 134 2. Weitere Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Risikozuweisung an den Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Haftungsfreiraum der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 § 5 Vorstellung des eigenen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. These eines verfügungsbezogenen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Wirksamkeit der Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Bestehen einer Gesellschafterforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Wirksame Erklärung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Anwendungsbereich des § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Abgrenzung zur einseitigen Aufrechnung durch den Gesellschafter . . . . . 144 aa) Eindeutige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Autonome Entscheidung der Gesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 cc) Vertragliche Einräumung eines Aufrechnungsrechts . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Genehmigung durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 III. Kapital- bzw. Vermögensbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Einlageforderung als Vermögensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Aufrechnung als Auszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Gleichlauf von Aufrechnung und Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Wirksamkeit der Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Inhalt des Rückgewähranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Haftung der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 IV. Unternehmerische Sorgfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Modifizierte Fortführung der Rechtsfortbildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Vollwertigkeitsgebot als Konkretisierung unternehmerischer Sorgfalt (Möhring) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Einwendungsbehaftete Gesellschafterforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Gleichsetzung mit Hin- und Herzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Kein Verstoß gegen die Befreiungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 VI. Zur Forderungsbewertung beim dept-equity-swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

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Inhaltsverzeichnis

§ 6 Verfügungsbezogener Ansatz und Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I. Grundsatz der realen Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Mindesteinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Präventivkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Unzulässigkeit der Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Leistung von Resteinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Gesellschaftsautonomie bei der Fälligstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Kaduzierung und sonstige Sicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 4. Entwertungsrisiken bei Resteinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Verjährbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Insolvenz des Gesellschafters und Illiquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 5. Schlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Lückenhaftigkeit realer Kapitalaufbringung in der Diskussion . . . . . . . . . 176 b) Verfügungsbezogene Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II. Hin- und Herzahlen (§ 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG) . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Erforderlichkeit effektiver Zahlungsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Anwendbarkeit bei Resteinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Sach- und Dienstleistungen des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 § 7 Verfügungsbezogener Ansatz und die Zwecke des Garantiekapitals . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Zur Betriebsmittelfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Sichtweise des RG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Zur Haftungsfondsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Sichtweise des BGH und der heute h.M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Abkehr vom Ausgangspunkt der Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Zum Fremdgläubigervorrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Keine reale Vermögensstrukturerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. November-Urteil und Korrektur durch das MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 IV. Zur Seriositätsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Risikobeteiligung des Gesellschafters (Drygala) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

Inhaltsverzeichnis

15

§ 8 Insolvenzbezogene Zulässigkeitsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 I. Geschäftsleiterhaftung für Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Zahlungen bei Insolvenzreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Normzweck und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Zahlung durch Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Insolvenzverursachende Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Normzweck und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Zahlung durch Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 II. Gesellschafterhaftung aufgrund Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Normzweck der §§ 129 ff. InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Rechtshandlung und Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 c) Insiderstellung des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 d) Inkongruente Deckung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Befriedigung durch Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 3. Vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 c) Erleichterte Anfechtung gem. § 133 Abs. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 4. Schenkungsanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Unentgeltlichkeit bei der Tilgung von Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . 227 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 5. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Wirkung der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Kapitel 3 Die Drei-Personen-Konstellationen

236

§ 9 Kritik der herrschenden Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Vollwertigkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Leistung an einen Dritten auf Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Abtretung und Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

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Inhaltsverzeichnis 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b) Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Zivilrechtliche Grundlagen und erste Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. Leistung an einen Dritten auf Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Leistungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Abgrenzung zu § 267 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Sonstige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Abtretung und Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 b) „Drittaufrechnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 III. Übertragung der Kritik zur Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Bruch mit allgemeinen Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Abstraktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Insbesondere zur Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 2. Zum forderungsbezogenen Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Gläubigerbefriedigung als Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 b) Einbeziehung von Umgehungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 c) Zulässigkeit von Verwendungsabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 3. Zahlungsbezogener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Geschäftsleitung und Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 IV. Garantiekapital als Haftungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 1. Sichtweise der heute herrschenden Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 a) Abkehr vom Ausgangspunkt der Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 b) Zur Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 c) Ordnung der masselosen Liquidation (Konzen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

§ 10 Verfügungsbezogener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Anweisungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Erklärung durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) Tilgungsbestimmung im Deckungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Geschäftsleiterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 II. Abtretung und Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 1. Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

Inhaltsverzeichnis

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2. Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b) Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 3. Exkurs: Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) Meinungsstand und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Schlussbetrachtung

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§ 11 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 I. Entwicklungsschritte der Spruchpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 II. Kritik an der vorherrschenden Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 III. Verfügungsbezogener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

§ 1 Einführung I. Untersuchungsgegenstand Die hier angestellte Untersuchung geht der Frage nach, inwieweit Geldeinlageforderungen einer AG oder einer GmbH Gegenstand von Verfügung und Pfändung sein können. In ganz unterschiedlichen Konstellationen und aus unterschiedlichen Gründen kann sich das Bedürfnis ergeben, dass die Gesellschaft über die Einlageforderung anders als durch Einziehung verfügt oder ein Gläubiger die Einlageforderung pfänden lassen will (2.). Die volle Bedeutung der Fragestellung erschließt sich vor dem Hintergrund, dass Geldeinlagen nicht in voller Höhe zu leisten sind, wenn sie im Zuge einer Gründung oder einer Kapitalerhöhung von den Gesellschaftern übernommen werden (1.). Die vorherrschende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum setzt solchen Verfügungen sowie der Pfändung freilich enge Grenzen (3.). 1. Ausgangspunkt: Fehlende Vollleistungspflicht Die hier behandelte Problematik betrifft in der Praxis ganz überwiegend Geldeinlageforderungen i. e.S.1 Anders als Sacheinlagen (§ 36a Abs. 2 AktG, § 7 Abs. 3 GmbHG) müssen Geldeinlagen im Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister lediglich zu bestimmten Mindestquoten geleistet sein („Mindesteinlage“). Zwingend ist lediglich ein Viertel des geringsten Ausgabebetrags der Aktie zuzüglich eines etwaigen Agios (§ 36a Abs. 1 AktG) bzw. ein Viertel des Nennbetrags des Geschäftsanteils (§ 7 Abs. 2 S. 1 GmbHG) sofort zu leisten. Bei der GmbH-Gründung muss ferner § 7 Abs. 2 S. 2 GmbHG genügt sein, wo vorgeschrieben ist, dass insgesamt soviel eingezahlt werden muss, dass der Gesamtbetrag der eingezahlten Geldeinlagen zuzüglich des Gesamtnennbetrags der Geschäftsanteile, für die Sacheinlagen zu leisten sind, die Hälfte des Mindeststammkapitals i.H.v 25.000 Euro (§ 5 Abs. 1 GmbHG) erreicht. Abweichendes gilt für die Gründung der UG (haftungsbeschränkt), die stets Bargründung ist und bei der die Einlagen anfänglich in voller Höhe zu leisten sind (§ 5a GmbHG Abs. 2)2.

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Allerdings ist eine Reihe anderer Forderungen gleichzubehandeln, dazu unter 3. b). Das Vollleistungsgebot gilt auch für Kapitalerhöhungen gegen Einlagen, solange das Stammkapital nicht das Mindestkapital der reguären GmbH erreicht, Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 5a Rn. 13 m. w. Nachw. 2

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§ 1 Einführung

Werden zunächst lediglich die Mindesteinlagen erbracht, verbleibt der Gesellschaft hinsichtlich der Resteinlage nur ein Anspruch3. Im Folgenden wird dieser Anspruch als (Rest-)Einlage bzw. als ausstehende Einlage (§ 272 Abs. 1 S. 3 HGB) bezeichnet. Bei der AG ist es gem. § 63 Abs. 1 S. 1 Sache des Vorstands, die Aktionäre zur Leistung dieser Resteinlagen aufzufordern4. Die Aufforderung bewirkt, dass die Einlageforderung fällig wird5. Aufgrund des Grundsatzes der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) kann die Hauptversammlung diese Entscheidung nicht beeinflussen, indem sie etwa in der Satzung oder durch Beschluss Fristen vorgibt6. Das GmbH-Recht sieht dagegen einen Einforderungsbeschluss der Gesellschafter (§ 46 Nr. 2 GmbHG)7 vor, mit dem die Einlageforderung fällig gestellt werden kann8. Häufig ist in der Satzung die Fälligkeit der Resteinlagen geregelt. Möglich ist es auch, dem Geschäftsführer oder einem anderen Organ der Gesellschaft die Einforderungskompetenz zu übertragen9. Ist die ausstehende Einlage nach diesen Grundsätzen fällig geworden, wird sie im Folgenden auch als rückständige Einlage bezeichnet (vgl. § 16 Abs. 2 GmbHG). Von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, die Einlage nicht sofort in vollem Umfang leisten zu müssen, wird in der Praxis auch häufig Gebrauch gemacht10. Wenn der Kapitalbedarf der Gesellschaft bei der Gründung oder – seltener – bei der Kapitalerhöhung noch nicht den gesamten Betrags des (erhöhten) Grund- oder Stammkapitals erreicht, kann es sinnvoll sein, die Mittel zunächst bei den Gesellschaftern zu belassen. Die Gesellschaft gewinnt dann mit der ausstehenden Einlage 3

Vgl. § 54 Abs. 1 AktG, § 14 S. 1 GmbHG, dazu Joost, in: FS Hüffer, S. 405. Vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsregelung wird die Aufforderung in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht, § 63 Abs. 1 S. 2 AktG, d. h. zumindest im Bundesanzeiger (§ 25 AktG). 5 Cahn, in: Spindler/Stilz, § 63 Rn. 18; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 63 Rn. 21. Zuvor ist sie nicht einmal erfüllbar, denn kein Aktionär soll sich durch eine vorschnelle Einzahlung einen Vorteil bei der Gewinnverwendung oder dem Stimmrecht verschaffen können, Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 63, Rn. 29; Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl. 1988, § 63 Rn. 16; Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 23. 6 Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 63 Rn. 23 m. w. Nachw. Hingegen können Satzung oder Kapitalerhöhungsbeschluss die Höhe des vor Anmeldung zu zahlenden Betrags (§§ 36 Abs. 2, 36a Abs. 1 AktG) heraufsetzen, da das Aktienrecht insofern keine abschließende Regelung trifft (vgl. § 23 Abs. 5 S. 2 AktG), instruktive Zusammenfassung zum Ganzen in DNotIReport 2007, 74 ff. 7 Die betroffenen Gesellschafter unterliegen nach h.M. keinem Stimmverbot, BGH NJW 1991, 172, Liebscher, in: MünchKomm/GmbHG, § 46 Rn. 68 m. w. Nachw. 8 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 20 Rn. 3; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 46 Rn. 16; Wicke, § 46 Rn. 6; teilweise wird für den Eintritt der Fälligkeit zusätzlich verlangt, dass der Geschäftsführer die Einlage anfordert oder der Inferent auf anderem Wege vom Beschluss Kenntnis erlangt, dazu Liebscher, in: MünchKomm/GmbHG, § 46 Rn. 72. 9 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 46 Rn. 29 m. Nachw.; aus der Rspr. z. B. OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1257. 10 Vgl. etwa Rosner, AG 2011, 5 ff. 4

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eine leicht zu realisierende Liquiditätsreserve11. Im Aktienrecht wird die dauerhaft teileingezahlte Aktie insbesondere von Versicherungsgesellschaften zur Risikovorsorge genutzt12. Die Bilanz der Allianz SE etwa weist für das Geschäftsjahr 2013 ausstehende nicht eingeforderte Einlagen i.H.v. 230 Mio. Euro aus13. Da das Gesetz bei der Leistung der Resteinlagen freie Hand lässt, kann es vorkommen, dass Einlagen in erheblicher Höhe14 über Jahre oder Jahrzehnte15 nicht geleistet werden. 2. Die einzelnen Fallgruppen Da Einlageforderungen über einen langen Zeitraum hinweg unerfüllt ausstehen können, kann sich aus unterschiedlichen Gründen das Bedürfnis ergeben, dass AG oder GmbH in anderer Weise als durch Einziehung des geschuldeten Betrags über die Forderung disponieren. Die größte praktische Bedeutung hat die Aufrechnung der Einlageforderung mit Forderungen des die Einlage schuldenden Gesellschafters. Wie schon die Begründung zur Aktienrechtsnovelle von 1884 hervorgehoben hat, kann der Gesellschafter eben „leicht aus irgendeinem Rechtsgeschäfte“16 Gesellschaftsgläubiger werden. Die Frage, inwiefern eine Aufrechnung solcher Ansprüche mit ausstehenden Einlagen möglich ist, ist daher so alt wie das Kapitalgesellschaftsrecht17. Das Gesetz regelt lediglich, dass eine einseitige Aufrechnung durch den Gesellschafter unzulässig ist (§ 66 Abs. 1 S. 2 AktG, § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG). Eine einseitige Aufrechnung durch die Gesellschaft bzw. eine im Einvernehmen von Gesellschafter und Gesellschaft erklärte Aufrechnung („Aufrechnungsvertrag“, „Verrechnung“) ist dagegen nicht ausgeschlossen. Von der die Aufrechnung kennzeichnenden Zwei-Personen-Konstellation sind solche zu unterscheiden, in denen ein vom Einlageschuldner verschiedener Dritter hinzutritt. In den hier hauptsächlich interessierenden Fällen handelt es sich dabei stets um einen Gläubiger der Gesellschaft, der entweder von Seiten der Gesellschaft oder des Gesellschafters mittels der ausstehenden Einlage befriedigt werden soll oder der Befriedigung aus der ausstehenden Einlage sucht. Ist der Gesellschafter zur Leistung der ausstehenden Einlage bereit, kann der Gedanke auftreten, dass die 11

Vgl. Schwaiger, in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 2 Rn. 99. Zöllner, AG 1985, 19; Schinzler, Namensaktie, insbes. S. 6 ff. und passim. 13 S. 23 des Geschäftsberichts 2013, abrufbar unter: https://www.allianz.com/v_140008794 7000/media/investor_relations/de/berichte_und_finanzdaten/geschaeftsbericht/geschaeftsberich te_allianz_gesellschaften/gesellschaften/azv_gb_2013.pdf. 14 Vgl. z. B. BGH DStR 1993, 1528. 15 s. dazu etwa LG Wiesbaden ZIP 2013, 2060: Die Gesellschafter hatten zunächst im Jahr 1995 auf das Stammkapital der (Komplementär-)GmbH die Mindesteinlage, die Resteinlage dann erst – nach Verjährungseintritt – im Jahr 2012 geleistet. 16 Aktenstück Nr. 21 v. 21. 3. 1884, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 430. 17 Vgl. bereits das Urteil des Preußischen Obertribunals v. 12. 3. 1863; Entsch. Bd. 49, 380, dazu noch unter § 2 I. 1. a). 12

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Einlage unmittelbar an den Dritten gezahlt wird („Drittzahlung“). Dabei interessiert hier vor allem der Fall, dass diese Zahlung auf Anweisung der Gesellschaft bzw. im gegenseitigen Einverständnis von Gesellschaft und Gesellschafter vorgenommen wird (im Folgenden daher auch „Anweisungsleistung“). Denkbar ist freilich auch, dass der Gesellschafter ohne Anweisung der Gesellschaft an den Dritten zahlt18. Durch die Anweisungsleistung kann vermieden werden, dass die Einlage umständlich zunächst an die Gesellschaft und erst in einem weiteren Schritt an den Dritten gezahlt wird. Insbesondere wenn eine rasche Befriedigung des Gesellschaftergläubigers erforderlich ist, z. B. weil dieser auf pünktliche Zahlung pocht und bereits mit der Kündigung bestehender Kredite droht, kann diese Variante interessant sein. Neben der Möglichkeit der Drittzahlung besteht eine zweite Möglichkeit darin, dem Gläubiger die Einlageforderung gem. § 398 BGB abzutreten. Der Gläubiger kann die Einlageforderung als Leistung an Erfüllung statt annehmen, oder – praktisch wichtiger – sich die Einlageforderung erfüllungshalber zedieren lassen. Zwar erhält der Gläubiger durch die Abtretung im Unterschied zur Drittzahlung nur einen Anspruch, den er erst noch realisieren muss. Die Abtretung hat aber den Vorteil, dass sie selbst dann noch eine Befreidigung des Gäubigers ermöglicht, wenn der Gesellschafter die Einlage gar nicht oder jedenfalls nicht gerade an diesen Gläubiger leisten will und die Gesellschaft die Einlage nicht einziehen kann, etwa weil ihr zu einer Prozessführung die erforderlichen Mittel fehlen. Die Abtretung der Einlageforderung muss allerdings nicht zwingend erfüllungshalber bzw. an Erfüllung statt auf eine bestehende Verbindlichkeit der Gesellschaft erfolgen, obgleich in der Praxis die deutlich überwiegende Zahl der Fälle so liegt. Die Gesellschaft kann bspw. die Einlageforderung auch kaufweise (§§ 433 ff. i.V.m. § 453 BGB) oder treuhänderisch zedieren19. Der Unterschied liegt darin, dass in diesen Fällen der Dritte nicht bereits Inhaber einer Geldforderung gegen die Gesellschaft ist, sondern gem. § 433 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 453 BGB Abtretung der Geldeinlageforderung verlangen kann. Solche und andere Varianten20, in denen die Einlageforderung nicht an Erfüllung statt oder erfüllungshalber auf eine bestehende Gesellschaftsverbindlichkeit abgetreten wird, werden hier allerdings nicht näher untersucht21. Die dritte Konstellation liegt in der Regel so, dass weder der Gesellschafter die ausstehende Einlage an den Gläubiger leisten, noch die Gesellschaft jenen mit ihrem sonstigen Vermögen befriedigen kann oder will. Die in Zahlungsschwierigkeiten befindliche Gesellschaft mag z. B. andere, vermeintlich „wichtigere“ Gläubiger bevorzugt befriedigen. Der Gesellschafter-Geschäftsführer, der selbst noch die 18

Eingehend dazu unter § 9 II. 1. Zu entsprechenden Fällen vgl. OLG Celle NZG 2001, 228 (229); OLG Hamburg AG 2007, 500; OLG Köln BeckRS 2007, 12056 (zu § 31 GmbHG), die hier interessierenden Urteilspassagen werden wiedergegeben in OLG Köln NJOZ 2009, 1334 (1343 ff.). 20 Z. B. Sicherungs- oder Inkassozession. 21 Der Grund liegt darin, dass sich die hier befürwortete Auffassung (dazu unter §§ 5 ff.) jedenfalls nicht ohne weiteres auf diese Fälle übertragen lässt. 19

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ausstehende Einlage schuldet, mag wenig Veranlassung sehen, noch „gutes Geld“ in die scheiternde Unternehmung zu investieren. Hier kann der Gläubiger mittels der Einlage seinen Anspruch tilgen, indem er die Forderung pfänden und sich überweisen lässt (§§ 829, 835 ZPO). 3. Meinungsstand im Überblick Bereits das RG hat die Fälle der Aufrechnung, Drittzahlung, Abtretung und Pfändung zwar im Grundsatz zugelassen. In ständiger Rechtsprechung hat es dabei allerdings stets besondere ungeschriebene Voraussetzungen verlangt22. Der BGH hat diese Rechtsprechung unter grundsätzlicher Zustimmung der jeweils herrschenden Auffassung im Schrifttum weitergetragen. Bei diesen Rechtsgrundsätzen, die im Zentrum dieser Untersuchung stehen, handelt es sich also um von der Rechtsprechung „geschaffenes“ Recht23. a) Das richterrechtliche Vollwertigkeitsgebot Die Grundproblematik von Aufrechnung, Drittzahlung, Abtretung und Pfändung – mithin aller hier untersuchten Fallgruppen – wird von der Rechtsprechung seit jeher darin gesehen, dass der Gesellschaft die ausstehende Einlage nicht wie geschuldet zufließt. Die Einlage wird nicht durch Einziehung realisiert und damit das Einlageforderungsrecht sozusagen nicht seiner „Bestimmung entsprechend“ ausgeübt. Die traditionelle Auffassung geht aber davon aus, dass die bestimmungsgemäße Leistung der Einlage für die Gesellschaft prinzipiell zwingend sei. Im Grundsatz müsse wegen des Gläubigerschutzes die Einlage entweder – bar oder unbar – gerade an die Gesellschaft fließen. Aufrechnung, Drittzahlung, Abtretung und Pfändung werden daher nur dann zugelassen, wenn sie wirtschaftlich einer Leistung der Einlage des Gesellschafters an die Gesellschaft entsprechen. Eine solche Gleichwertigkeit mit der Leistung der Einlage an die Gesellschaft liegt nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn die (aufgerechnete) Forderung des Gesellschafters bzw. die Forderung des Gläubigers, auf die entweder der Gesellschafter zahlt (Drittzahlung), die Gesellschaft die Einlageforderung abtritt oder aufgrund der der Gläubiger die Pfändung betreibt, wirtschaftlich werthaltig ist.

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Dazu umfassend in § 2 f. Allein deswegen wird hier von Rechtsfortbildung gesprochen. Die Vollwertigkeitsrechtsprechung dürfte aber auch als Rechtsfortbildung im engeren Sinne einzuordnen sein und nicht lediglich als als bloße Gesetzesauslegung (zum Teil werden auch solche Vorgänge als „Rechtsfortbildung“ bezeichnet). Zur Abgrenzung von Auslegung und Rechtsfortbildung vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 187 ff.; Wank, ZGR 1988, 314 (316 ff.). Näher zu dieser Unterscheidung im Zusammenhang mit der Rechtsfortbildung des II. Senats Ulmer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, S. 113 (Rn. 6 ff.); vgl. auch Mühl, in: FS R. Fischer, S. 509 (514 f.); Weber, Rechtsrückbildung, S. 20 f. 23

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Rechnet also bspw. die Gesellschaft ihre Einlageforderung zu einem Nominalwert von 100 mit einer Gegenforderung des Gesellschafters auf, die zwar denselben Nominalwert hat, wirtschaftlich aber nur i.H.v. 50 werthaltig ist, liegt die Gleichwertigkeit mit der Zahlung der Einlage nach dieser Auffassung nicht vor. Die Überlegung besteht darin, dass der Gesellschafter nicht die eigentlich geschuldeten 100 in voller Höhe, sondern nur ein um 50 vermindert werthaltiges wirtschaftliches Surrogat geleistet hat. Um die erstrebte Gleichsetzung mit der Zahlung zu erzielen, verlangt die Rechtsprechung im Einzelnen, dass die Gesellschaftsverbindlichkeit in den verschiedenen Falllgruppen jeweils vollwertig, fällig und liquide ist24. Dies fasst man unter dem Stichwort des Vollwertigkeitsgebots25 („Vollwertigkeitsprinzip“26, „Vollwertigkeitsgrundsatz“) zusammen. An der Vollwertigkeit fehlt es insbesondere, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, bleibt die Einlageforderung in allen Fallgruppen bestehen. Aufrechnung und Abtretung sind also nichtig, Drittzahlung und Pfändung lassen die Einlageforderung ebenfalls nicht erlöschen. Da das vorstehend skizzierte Vollwertigkeitsgebot allenthalben mit dem Kapitalschutz begründet wird, kann es nicht überraschen, dass neben Einlageforderungen auch sonstige Forderungen betroffen sind, die die Aufbringung und Erhaltung des Grund-27 bzw. Stammkapitals sicherstellen sollen. Erfasst sind alle Forderungen, auf die die Befreiungs- und einseitigen Aufrechnungsverbote (§ 66 Abs. 1 AktG, § 19 Abs. 2 GmbHG) analog angewendet werden28. In diesem Sinne ist der BGH etwa in der „Babcock“-Entscheidung folgerichtig davon ausgegangen, dass auch der (aktienrechtliche) Differenzhaftungsanspruch nur gegen eine vollwertige Forderung des Gesellschafters aufgerechnet werden kann29. Nach dem OLG Hamburg30 etwa kann der Anspruch der Gesellschaft gegen das Kreditinstitut wegen unrichtiger Bestätigung der Einlagenzahlung (§ 37 Abs. 1 S. 4 AktG) ebenfalls nur gegen vollwertige

24 Beispielhaft für die Leistung der Einlage an einen Dritten auf Anweisung der Geschäftsleitung BGH NJW 1986 (989 f.); NJW 1992, 3300 (3302); Bayer, in: MünchKomm/ AktG, § 66 Rn. 87; Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 66. 25 So die überwiegende Bezeichnung, vgl. etwa OLG Hamburg, NJOZ 2006, 3513 (3525); Haas, in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 11a. 26 Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 354; C. Berger, ZZP 107 (1994), 29. 27 Bzgl. Kapitalerhaltung besser: der aktienrechtlichen Vermögensbindung, vgl. Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 66 Rn. 1. 28 Dazu Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 4 ff.; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 66 Rn. 3; Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 47 f.; Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 44 ff. 29 BGH NZG 2012, 69 (Tz. 36). Gleiches muss im GmbH-Recht gelten; auch hier erstreckt die h.M. den Schutz des § 19 Abs. 2 GmbHG auf den Differenzhaftungsanspruch, Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 9 Rn. 5 m. w. Nachw. 30 NJOZ 2006, 3513 (Ls. 5); zustimmend Pentz, in: MünchKomm/AktG, § 37 Rn. 37 a.E.

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Gegenleistung abgetreten werden31. Die GmbH-rechtlichen Ausfallhaftungsansprüche (§§ 21 Abs. 3, 24 GmbHG) können ebenfalls nur unter den genannten Einschränkungen – so jedenfalls die einhellige Auffassung der Literatur – abgetreten oder gepfändet32 werden. Diese Einbeziehung kapitalschutzrechtlicher Ansprüche unter das Vollwertigkeitsgebot findet nun allerdings überraschenderweise bei dem kapitalerhaltungsrechtlichen Erstattungsanspruch der GmbH (§ 31 Abs. 1 GmbHG) keine Fortsetzung. Zwar kann nach ganz h.M. dieser Anspruch – ebenso wie der aktienrechtliche Parallelanspruch (§§ 62 Abs. 1 S. 1, 57 Abs. 1 AktG) – nur gegen eine vollwertige Forderung des Gesellschafters aufgerechnet werden33. Bei der Abtretung an Erfüllung statt oder erfüllungshalber soll nach Ansicht des BGH34 dagegen ein anderes gelten. Hier soll es nicht darauf ankommen, ob das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung aller Verbindlichkeiten ausgereicht hat, ob also die Gläubigerforderung vollwertig gewesen ist. Erforderlich sei lediglich, dass die Forderung des Gläubigers im Betrag bestehe und fällig sei. Nach dem BGH folgt dieses Ergebnis unmittelbar aus § 31 Abs. 1 GmbHG35. Da der Anspruch der Wiederauffüllung des – zum Nachteil der Gläubiger geschmälerten – Gesellschaftsvermögens diene, werde seinem Zweck gerade entsprochen, wenn die Gesellschaft die Forderung einem Fremdgläubiger zuwende. Das Entgelt bestehe in jedem Fall darin, dass die Gesellschaft in Höhe der abgetretenen Forderung Befreiung von der Verbindlichkeit erlange. Zudem sei die GmbH nicht gehindert, die Forderung zunächst einzuziehen und den Betrag anschließend zur Tilgung der Gläubigerforderung zu verwenden; die Abtretung laufe wirtschaftlich auf dasselbe hinaus und müsse deswegen zulässig sein. Das GmbH-rechtliche Schrifttum hat in der Mehrzahl dieser Entscheidung zugestimmt36, allerdings wollen gewichtige Stimmen ohne Einschränkung am Voll31 Für die Aufrechnung kann dann nichts anderes gelten; s. auch BGH NJW 1991, 1754 (1759), wonach das einseitige Aufrechnungsverbot entsprechend anzuwenden ist, was allg. Ansicht entspricht, vgl. statt vieler Röhricht, in: Großkomm/AktG, § 37 Rn. 32. 32 Ebbing, in: Michalski, § 24 Rn. 86; Emmerich, in: Scholz, § 24 Rn. 22; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 24 Rn. 34; Schütz, in: MünchKomm/GmbHG, § 24 Rn. 89. Bei der Aufrechnung kann nichts anderes gelten. 33 Für die AG statt aller Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 66 Rn. 8 ff.; für die GmbH: BGH NJW 2001, 830; NJW 2006, 3279 (Tz. 8, ausdrücklich anerkannt wird in beiden Entscheidungen allerdings lediglich das einseitige Aufrechnungsverbot); Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 31 Rn. 26; Habersack, in: Ulmer, § 31 Rn. 64; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 31 Rn. 44. 34 NJW 1978, 160 (Ls. 3); NJW 1995, 326 (330); NZG 2000, 883 (884); vgl. auch NZG 2000, 888 (890); OLG Stuttgart NZG 1998, 683 (685). 35 NJW 1978, 160 (162 f.). 36 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 31 Rn. 8; Ekkenga, in: MünchKomm/GmbHG, § 31 Rn. 19; T. Fleischer, in: Henssler/Strohn, § 31 GmbHG Rn. 7; Fronhöfer, in: MünchHdb GmbH, § 51 Rn. 58; Heidinger, in: Michalski, § 31 Rn. 9 f.; Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, § 31 Rn. 4; Schmolke, Kapitalerhaltung, § 31 Rn. 30; aufgeschlossen auch Hueck/

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wertigkeitsgebot festhalten37. Obwohl die in BGH NJW 1978, 160 gefundene Begründung gleichermaßen auch für das Aktienrecht Geltung beansprucht38, wird sie vom aktienrechtlichen Schrifttum überwiegend abgelehnt39. In erster Linie wird auf den Wertungswiderspruch zum Kapitalaufbringungsrecht hingewiesen: Da Einlageund Erstattungsforderung mit der Verwirklichung von Kapitalaufbringung bzw. -erhaltung demselben Ziel dienten, sei eine unterschiedliche Behandlung nicht zu rechtfertigen40. b) Zweifel und offene Fragen Der die BGH-Entscheidung zu § 31 Abs. 1 GmbHG ablehnenden Auffassung ist jedenfalls darin zuzustimmen, dass eine unterschiedliche Behandlung von Einlageund Erstattungsforderung in der Tat widersprüchlich erscheint. Es ist nicht erklärlich, warum die Kapitalaufbringung anders zu beurteilen sein soll als die Kapitalerhaltung41, hinter der in der Sache ja nichts anderes als eine „Kapitalwiederaufbringung“ steckt. Wenn die Gesellschaft die Erstattungsforderung ohne die Geltung des Vollwertigkeitsgebots abtreten kann, weil sie prinzipiell den aus der Erstattungsforderung zu beanspruchenden Betrag einziehen und an den Gesellschaftsgläubiger zahlen könnte, bleibt dunkel, warum bei der Einlageforderung nicht dasselbe gelten sollte. Mit Blick auf die breite Zustimmung, die die Entscheidung des BGH zur Abtretung des Anspruchs aus § 31 Abs. 1 GmbHG erfahren hat, erscheint es als vielversprechend, das Vollwertigkeitsgebot erneut insgesamt einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Diese sollte sich nicht auf Abtretung und Pfändung der Einlage- und gleichgestellter Forderungen begrenzen. Die vom BGH angestellte normative „Alsob-Betrachtung“, der aus der Erstattungsforderung geschuldete Betrag könne auch erst von der Gesellschaft eingezogen und sodann zur Gläubigerbefriedigung eingesetzt werden, lässt sich nämlich a priori auf alle oben vorgestellten Fallgruppen übertragen. Dies gilt zunächst für die Drittzahlung: Wenn die Gesellschaft, anstatt die Einlage einzuziehen und diese an den Gläubiger weiterzuzahlen, die Einlageforderung dem Dritten auch mittels Abtretung zuwenden kann, sollte die Einlage Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 31 Rn. 6; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 31 Rn. 6 („mit guten Gründen“); Verse, in: Scholz, § 31 Rn. 29 („in der Tat viel für sich“). 37 Ulmer, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 363 (382 f.); kritisch Westermann, in: Scholz, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 9; zuletzt auch noch Habersack, in: Ulmer, 1. Aufl. 2005, § 31 Rn. 13, nunmehr aber dem BGH folgend (Ulmer, § 31 Rn. 13). 38 Vgl. Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl. 1988, § 66 Rn. 47. 39 Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 83; Gehrlein, in: Großkomm/AktG § 66 Rn. 64; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler, § 66 Rn. 65; Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl. 1988, § 66 Rn. 47; anders Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 42 Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 54, der die Ansicht des BGH zumindest im Ergebnis für zutreffend hält. Soweit ersichtlich hat sich die Rspr. zu dieser Frage noch nicht explizit geäußert. 40 Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 83; Gehrlein, in: Großkomm/AktG § 66 Rn. 64; vgl. auch noch Habersack, in: Ulmer, 1. Aufl. 2005, § 31 Rn. 13. 41 So auch etwa Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, § 92 Rn. 270.

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auch unmittelbar – vom Gesellschafter an den Dritten – gezahlt werden können. Auch bei der Aufrechnung ließe sich das Vollwertigkeitsgebot mit derselben Überlegung bezweifeln. Wenn es auch hier zuträfe, dass die Gesellschaft die Einlage vom Gesellschafter einziehen und – ohne Geltung des Vollwertigkeitsgebots – an diesen zurückzahlen könnte, wäre das Vollwertigkeitsgebot bei der Aufrechnung ebenfalls nicht zu halten. Eine Untersuchung erscheint umso dringlicher, als dass der genaue Inhalt des Vollwertigkeitsgebots bis heute unklar geblieben ist. Es besteht in Rechtsprechung und Schrifttum kein Einvernehmen darüber, wann eine Forderung wegen der Liquiditäts- oder Vermögenslage der Gesellschaft nicht mehr als vollwertig anzusehen ist. Es lässt sich vereinfachend sagen, dass in einer Unternehmenskrise Aufrechnung, Anweisungsleistung, Abtretung und Pfändung nicht rechtssicher vorgenommen werden können. Diese Konsequenz der Vollwertigkeitsrechtsprechung mutet vor allem hinsichtlich der Pfändung schon recht merkwürdig an. Denn der Eintritt einer Krise der Gesellschaft ist gerade der typische Fall, in denen die Pfändung der Einlageforderung für die Gläubiger praktisch relevant wird. Das Vollwertigkeitsgebot führt indessen gerade in einer solchen Situation zur Unwirksamkeit der Pfändung.

II. Untersuchungsbedarf Der Untersuchungsbedarf bzgl. der Vollwertigkeitsrechtsprechung ergibt sich neben den skizzierten Ungereimtheiten noch aus anderen Gründen. Bereits der äußere Ablauf dieser Rechtsfortbildung lädt nachgerade zu weiterer Nachfrage ein (1.). Auch muss bedacht werden, dass sich das Kapitalschutzrecht fortentwickelt hat, seitdem die Spruchpraxis gegen Ende des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts aufgenommen und ausgeformt worden ist42 (2.). Auch eine kurze rechtsvergleichende Umschau lässt es schließlich reizvoll erscheinen, diese Rechtsfortbildung auf den Prüfstand zu stellen (3.). 1. Vollwertigkeitsgebot als richterliche Rechtsfortbildung Wie bereits erwähnt besteht eine Besonderheit des Untersuchungsgegenstands darin, dass er bis heute wesentlich durch Rechtssätze geprägt wird, die allein auf Gerichtsentscheidungen fußen. Freilich sind diese Grundsätze nicht in einer oder auch nur einigen wenigen Entscheidungen einmal festgelegt, sondern über einen langen Zeitraum hinweg schrittweise vom RG entwickelt worden43. Vergleicht man die äußeren Rahmenbedingungen dieser Rechtsentwicklung mit anderen Rechtsfortbildungen, wird schnell erkennbar, dass hier Aufarbeitungsbedarf besteht. 42 43

sein.

Vgl. die eingehende Darstellung der Entwicklung in § 2. Im folgenden Abschnitt wird die Entwicklung der Rspr. in allen Einzelheiten darzustellen

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a) Richterrecht im Kapitalgesellschaftsrecht Vor allem die Fortentwicklung des GmbH-Rechts44, in geringerem Maße auch diejenige des Aktienrechts45, geht auf das rechtsfortbildende Wirken der höchstrichterlichen Rechtsprechung zurück. Beispielhaft genannt seien die Anerkennung von Treuepflichten zwischen den Gesellschaftern46, die Begrenzung der Beschlussmängelanfechtung wegen Informationspflichtverletzungen47, oder die Anerkennung eines die Haftung begrenzenden Geschäftsleitermessens bei unternehmerischen Entscheidungen48. Die Rechtsbildung verlief nicht immer geradlinig, wie namentlich die Wandlung der Spruchpraxis vom qualifiziert faktischen Konzern49 bis hin zum deliktsrechtlich verorteten existenzvernichtenden Eingriff50 veranschaulicht. Das letztgenannte Beispiel steht exemplarisch für eine gewisse Aufgeschlossenheit des II. Zivilsenats gegenüber Kritik aus dem Schrifttum und bildet somit geradezu ein Lehrstück eines Dialogs zwischen Rechtsprechung und Rechtswissenschaft51, der gerade auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts als besondere Errungenschaft deutscher Rechtskultur gelobt wird52. Andere Rechtsbildungen sind nicht nur unter dem Eindruck der Literaturkritik weiterentwickelt, sondern durch das Schrifttum überhaupt erst entscheidend vorbereitet oder geprägt worden53. Auch Wechselspiele – mitunter „Zwiesprache“54 – mit dem Gesetzgeber als drittem Akteur55 haben die Rechtsfortbildung befeuert56. So hat der Gesetzgeber mit dem MoMiG etwa auf das berühmte, die Darlehensgewährung durch die Gesellschaft an die Gesellschafter stark eingrenzende November-Urteil des BGH57 reagiert (§ 57 44

Fleischer, in: MünchKomm/GmbHG, Einl. Rn. 125 ff.; K. Schmidt, JZ 2009, 10 (15 ff.). Zusammenfassend Lutter, in: FG 50 Jahre BGH, S. 321. 46 BGHZ 65, 15; 103, 184; 129, 136; dazu Henze, ZHR 162 (1998), 186; s. bereits RGZ 132, 149 (163); 146, 71 (76). 47 BGHZ, 149, 158 (165); 160, 385; s. Tröger, NZG 2002, 211. 48 BGHZ 135, 244; dazu Kindler, ZHR 162 (1998), 101. 49 BGHZ 115, 187. 50 BGHZ 122, 123; 149, 10; 173, 246; zusammenfassend Habersack, in: Emmerich/Habersack, § 318 Anh. Rn. 34 m. umf. Nachw. 51 Aus Sicht der Richterschaft jüngst wieder Goette, RabelsZ 77 (2013), 309 (314 ff.). 52 R. Fischer, in: FG Kunze, S. 95; Fleischer, in: Proprium der Rechtswissenschaft, S. 50 (55). 53 Vgl. etwa zum Bezugsrechtsausschluss die Untersuchung von Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 349 ff.; zum Recht der Vorgesellschaft Ulmer, in: FS Ballerstedt, S. 279 ff.; ders., ZIP 1996, 733 ff. 54 K. Schmidt, Kodifikationsidee, S. 73. 55 Vgl. R. Zimmermann, RabelsZ 77 (2013), 301; vor allem im Gesellschaftsrecht tritt als vierter Akteur auch die (Kautelar-)Praxis auf, vgl. dazu Raiser, in: FS Hoffmann-Becking, S. 909 ff; Ulmer, ZGR 1999, 751 (755). 56 Dazu eingehend Fleischer/Wedemann, AcP 209 (2009), 597 ff. 57 BGHZ 157, 72. 45

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Abs. 1 S. 3 AktG, § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG). Im MPS-Urteil58 wendete der BGH sich daraufhin von den Grundsätzen des November-Urteils selbst für Altfälle ab. Ein regelrechter „Zick-Zack-Kurs“ hat sich auch in der Frage der Passivierung von Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus zugetragen59. Wie diese Beispiele andeuten, bedeutete Rechtsbildung über einen langen Zeitraum hinweg vor allem, dass neue Rechtsgestaltungen anerkannt und ausgeformt wurden60. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts setzte hier und dort jedoch eine gegenläufige Tendenz ein, das fortgebildete Recht in Richtung auf den einstigen Rechtszustand zurückzunehmen. Mittlerweile spricht man bündig von „Rechtsrückbildung“61. Es versteht sich, dass sich nicht jede Spruchpraxis immer trennscharf einer der beiden Kategorien zuordnen lässt. Während eine Rechtsbildung in der Gesamtheit zu einer Fortbildung des Rechts führt, können einzelne Schritte auf diesem Weg einer Rechtsrückbildung gleichkommen62. Ein relativ eindeutiges Beispiel von Rechtsrückbildung bildet die Begrenzung der Kontrolle des Bezugsrechtsausschlusses63. Zunächst hatte der BGH die maßgeblich in der berühmten „Kali und Salz“-Entscheidung64 zugunsten des Schutzes der Mitgliedschaft entwickelten materiellen Schranken eines Bezugsrechtsausschlusses bei einer regulären Kapitalerhöhung auch für den Ermächtigungsbeschluss bei einem genehmigten Kapital verlangt65. Die Siemens-Nold-Entscheidung66 rückte dann von diesem von der Praxis verbreitet als zu streng empfundenen Standpunkt ab, indem sie den Kontrollmaßstab deutlich reduzierte67. Ein junges und nicht weniger eindeutiges Beispiel von Rechtsrückbildung bildet die Aufgabe der „Macrotron“-Grundsätze68 durch den BGH69, die vormals ein besonderes ak58

BGHZ 179, 71. Dazu Fleischer/Wedemann, AcP 209 (2009), 597 (606 ff.). 60 Vgl. R. Fischer, in: FG Kunze, S. 95 (96). 61 Erstmals – freilich noch „ein wenig ironisch“ – H.-P. Westermann, NJW 1997, 1 (9); dann Fleischer, in: MünchKomm/GmbHG, Einleitung Rn. 131; Wicke, MittBayNot 2011, 23 (26); Weber, Rechtsrückbildung, passim. 62 Vgl. Fleischer, in: MünchKomm/GmbHG, Einleitung Rn. 132, der die Rspr. zum qualifiziert faktischen Konzern als Rechtsrückbildung einstuft. 63 Zusammenfassung der Entwicklung bei Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 203 Rn. 61 ff.; Weber, Rechtsrückbildung, S. 67 ff. 64 NJW 1978, 1316. 65 ZIP 1995, 648 („Holzmann“). Die Ermächtigung zur Kapitalerhöhung musste hiernach von vornherein auf bestimmte Tatbestände begrenzt sein, die in ihren Einzelheiten so konkret feststanden und offengelegt werden konnten, dass bereits eine Beurteilung der Angemessenheit und Erforderlichkeit des Bezugsrechtsausschlusses möglich war, vgl. Scholz, in: MünchHdb AG § 59 Rn. 31. 66 BGH ZIP 1997, 1499. 67 Zu den Einzelheiten Wamser, in: Spindler/Stilz, § 203 Rn. 79 ff. 68 BGH NZG 2003, 280. 69 NZG 2013, 749; in Reaktion auf BVerfG NZG 2012, 826. 59

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tienrechtliches Schutzregime der Mitgliedschaft in Fällen eines Delistings (vgl. § 39 Abs. 2 BörsG) etabliert hatten70. b) Besonderheiten der Vollwertigkeitsrechtsprechung Vergleicht man die genannten Beispiele der Rechtsfortbildung mit der hier untersuchten Spruchpraxis, fällt vor allem auf, dass mit dem RG nur ein Akteur wesentlich in Erscheinung getreten ist71. Ein „Hin und Her“ zwischen Rechtsprechung, Gesetzgebung und Literatur72 hat bei der Vollwertigkeitsproblematik niemals stattgefunden. Der gesamte Regelungskomplex beruht auf Fallrecht eines Gerichts. Nicht einmal der BGH hat sich am schöpferischen Prozess dieser Rechtsfortbildung wesentlich beteiligt. Ihm war nach seiner Errichtung ersichtlich daran gelegen – einer allgemeinen Tendenz entsprechend73 – die tradierte Rechtsprechung des RG fortzuführen74. Der Beitrag der beiden anderen potentiellen Akteure fällt dagegen überhaupt nicht ins Gewicht. Der Gesetzgeber hat dieses Richterrecht niemals kodifiziert oder ausdrücklich verworfen. Die zeitgenössische Rezeption der Vollwertigkeitsrechtsprechung des RG durch das Schrifttum beinhaltet oftmals nicht viel mehr als eine Wiedergabe und Zusammenfassung des gerichtlichen Standpunkts. Eingehendere und kritische Beiträge lassen sich kaum ausmachen75. In Verbindung mit der relativ hohen Anzahl der das Vollwertigkeitsgebot bestätigenden und fortentwickelnden Entscheidungen entstand so relativ schnell eine schier erdrückende „herrschende“ Meinung, die sich durch später vereinzelt aufkommende kritische Stimmen nicht mehr erschüttern ließ. Die Ursprünge der Vollwertigkeitsrechtsprechung reichen also zeitlich sehr weit zurück und sind dennoch vergleichsweise kaum untersucht. Es existieren zwar wertvolle und instruktive Vorarbeiten76. Auffällig ist aber, dass es bislang an einer Darstellung fehlt, die sämtliche Fallgruppen gleichermaßen in den Blick nimmt. Das ist erstaunlich, wenn man sich etwa vor Augen führt, dass andere Klassiker des Kapitalschutzrechts in der Regel durch das Schrifttum gut ausgeleuchtet sind – man denke etwa an die Analyse der Rechtsprechung zur verdeckten Sacheinlage77. 70

Vgl. dazu Klöhn, NZG 2012, 1041 (1042 ff.). Eingehend dazu unter § 2 f. 72 Einen Überblick zur Rechtsbildung im GmbH-Recht durch diese drei Akteure gibt Raiser, in: FS Hoffmann-Becking, S. 909 ff. 73 (Zum GmbH-Recht) R. Fischer, in: Pro GmbH, S. 137 (140); Stimpel, in: 25 Jahre BGH, S. 13 (23); Ulmer, in: 50 Jahre BGH, S. 273 (277). 74 Freilich nicht ohne teils gewichtige Modifikationen, dazu eingehend unter § 4 I., § 7 II., § 9 I., IV. 75 So auch allgemein für die zeitgenössische Rezeption der Rspr. des RG Ulmer, in: 50 Jahre BGH, S. 273 (277). 76 Vor allem K. Schmidt, ZHR 157 (1993), 291 ff.; Frey, Einlagen, 35 ff., 47 ff; Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 355 ff.; s. auch Cahn, Vergleichsverbote, S. 49 ff. 77 Vgl. dazu noch die Nachw. in Fn. 113. 71

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Eingedenk der bereits unter I. aufgezeigten offenen Fragen erscheint es daher allemal lohnenswert, die tradierte Vollwertigkeitsrechtsprechung erneut kritisch zu überprüfen. Möglicherweise führt dies am Ende zu der Einsicht, dass der Rechtsrückbildung im Kaptalgesellschaftsrecht ein weiteres Kapitel hinzugefügt werden muss. 2. Gläubigerschutz in Bewegung Nicht nur der äußere Ablauf der Rechtsfortbildung, sondern auch deren Inhalte lassen es als reizvoll erscheinen, die Spruchpraxis erneut auf den Prüfstand zu stellen. Das Vollwertigkeitsgebot soll die reale Kapitalaufbringung sichern und ist damit als Baustein des durch das Garantiekapital vermittelten Gläubigerschutzes einzuordnen. Während zu Zeiten des RG Grund- und Stammkapital noch eine zentrale Bedeutung für die Finanzierung der Gesellschaft hatte78, haben zwischenzeitlich Kapitaldebatte und MoMiG möglicherweise die Rahmenbedingungen dieser Rechtsfortbildung verschoben. a) Kapitaldebatte, MoMiG und Entwicklungsperspektiven Im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht baut der Gläubigerschutz traditionell bekanntlich – spätestens seit dem GmbHG 189279 – in der Hauptsache auf den Grundsatz des („festen“) Mindestkapitals. Abweichend von der im Übrigen grds. bestehenden Finanzierungsfreiheit80 müssen die Gesellschafter ihre AG oder GmbH in einer gewissen Mindesthöhe mit Eigenkapital ausstatten (vgl. § 7 AktG, § 5 Abs. 1 GmbHG) und dürfen dieses nicht wieder abziehen81. Ausgangspunkt dieses gesellschaftsrechtlichen, rechtsformspezifischen Ansatzes ist die Überlegung, dass die Gläubiger einer Kapitalgesellschaft in besonderem Maße schutzbedürftig sind. Denn die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft grds. nicht mit ihrem Privatvermögen82. Das „garantierte“ Eigenkapital soll den Gläubigern in vielfältiger Weise zugutekommen83. Zunächst wird gewährleistet, dass die Gesellschaft bei Eintragung über einen gewissen Grundhaftungsstock verfügt84 und damit in der kritischen Anlaufphase wenigstens in einem Mindestmaß finanziert ist.

78 Der Wert von 25.000 Reichsmark entspricht dem heutigen Wert eines Einfamilienhauses, Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189; vgl. auch Priester, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 159 (161) („noble Villa“). 79 Zur historischen Entwicklung des Mindestkapitals zu einem Instrument des Gläubigerschutzes eingehend M. Krüger, Mindestkapital, S. 48 ff. 80 Dazu Wiese/Schneider, in: MünchAnwHdb GmbH, § 5 Rn. 2 ff. 81 (Für die AG) Bayer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, S. 708 ff. 82 Statt vieler Roth, in: Roth/Altmeppen, Einl. Rn. 22; Jungmann, ZGR 2006, 638 (644); eingehend Grimm, Finanzverfassung, S. 31 ff. 83 Allgemein zur Aufgabe des Eigenkapitals Baums, ZHR 175 (2011), 160 (166 ff.). 84 Brändel, in: Großkomm/AktG, § 1 Rn. 76.

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Darüber hinaus entfaltet das Mindest- bzw. Garantiekapital wie jedes Eigenkapital85 eine Verlustpufferfunktion86, da die Eigenkapitalgeber in der Insolvenz erst nach den Fremd- und Hybridkapitalgebern bedient werden. Die Gläubigerschutzfunktion des Garantiekapitals bedingt, dass Kapitalaufbringung und -erhaltung mit einer gewissen Verbindlichkeit betrieben werden müssen. In einer vielzitierten Entscheidung hat der BGH ausgeführt, der Grundsatz der Aufbringung und Erhaltung des Nennkapitals sei ein „besonders wichtiger und streng durchgeführter Grundsatz“ im Recht der Kapitalgesellschaften87. Er gehöre zum „Kernstück“ des (GmbH-)Rechts und vertrage keine Aushöhlung88. So bestand lange Zeit ein Großteil der Arbeit des II. Zivilsenats darin, das Kapitalschutzsystem auszubauen und vor Umgehungsversuchen abzusichern89. Oftmals gelang dies erst in jahrzehntelangem Ringen um die richtige Lösung. Spitzenplätze nehmen insofern etwa die Entwicklung und Behandlung der verdeckten Sacheinlage90, der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen91 oder der Existenzvernichtungshaftung92 ein. Das Kapitalschutzregime gewann dadurch zwar mehr und mehr an Geschlossenheit, zunehmend wurden jedoch Überregulierung93 und Plausibilitätsverlust94 beklagt. Die in der Reformdiskussion unterbreiteten Vorschläge waren breit gefächert: Sie reichten von punktuellen Entflechtungen des Kapitalschutzes über dessen erhebliche Deregulierung bis hin zu einer grundsätzlichen Abschaffung des Mindestkapitals95. Die ausschlaggebenden Gründe, die letztlich den Gesetzgeber mit dem MoMiG96 die Reform angehen ließen, sollen hier nicht erneut aufgearbeitet werden97. Die den

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Habersack/Verse, § 6 Rn. 17. Koll-Möllenhoff, Grundkapital, S. 45 f. 87 BGHZ 105, 300 (302). 88 BGHZ 28, 77 (78). 89 Überblick dazu etwa bei Bayer, ZGR 2007, 220 (224 ff.). 90 Zusammenfassend Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 7 ff. 91 Bündige Zusammenfassung bei Grimm, Finanzverfassung, S. 87 ff. m. umf. Nachw. 92 Die Existenzvernichtungshaftung ist gerade als Ergänzung der lückenhaften Kapitalerhaltung, mithin als „dritte Säule des Kapitalschutzes“ zu verstehen, statt vieler Goette, ZHR 177 (2013), 740 (747). 93 Vgl. etwa Martens, ZIP 1992, 1677 (1680); Noack, DB 2007, 1395; Roth, ZIP 1999, 861 (865 f.); mit Zurückhaltung auch Röhricht, ZGR 1999, 445 (476 ff.). 94 K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1073). 95 Dafür z. B. Haas, DStR 2006, 993 ff.; Micheler, ZGR 2004, 324 (332 ff.); W. Schön, Der Konzern 2004, 162 (165 f.); Triebel/Otto, ZIP 2006, 1321 (3122); M. Krüger, Mindestkapital, passim (insbes. S. 212 ff.). 96 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23. 11. 2008 (BGBl. I S. 2026). 97 Dazu etwa Niggemann, Reform des Gläubigerschutzsystems, S. 52 ff.; Thole, Gläubigerschutz, S. 30 ff. 86

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Kapitalschutz betreffenden Reformpunkte waren bekanntlich einschneidend98. Zwar wurde das Institut des Mindestkapitals als solches nicht angetastet, wohl aber erheblich dadurch relativiert, dass der Gesetzgeber mit der UG (haftungsbeschränkt) eine Unterform der GmbH schuf (§ 5a GmbHG), die theoretisch mit einem Stammkapital von einem Euro gegründet werden kann. Ferner wurde der Kapitalschutz grundlegend durch die Entschärfung der Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage, der Legalisierung des Hin- und Herzahlens der Geldeinlage, die Neuregelung der Darlehensvergabe an Gesellschafter und die Überführung des Eigenkapitalersatzrechts in ein primär insolvenzrechtliches Schutzregime reformiert. Die Reform hat damit zwar einige als überstreng oder unnötig kompliziert empfundene Auswüchse des Kapitalschutzes beseitigt bzw. vereinfacht und ist daher im Grundsatz auch positiv aufgenommen worden99. Die Grundsatzkritik am Mindestkapital der GmbH hat gegenüber der Diskussion im Zuge des MoMiG denn auch etwas an Fahrt verloren, reißt jedoch nicht völlig ab100. Von anderer Seite wird das Mindestkapital dagegen nach wie vor verteidigt101. Viele scheinen in der Sache unentschlossen. Weitestgehende Einigkeit besteht hingegen darüber, dass der Kapitalschutz auch „post MoMiG“ der Reform, vor allem der Vereinfachung bedarf102. Z. T. sind nämlich durch die Neuregelungen erhebliche Unstimmigkeiten entstanden103. Bayer104 hat plastisch aufgezeigt, welche Wertungswidersprüche entstehen können, wenn man die liberalen Neuregelungen mit überkommenen kapitalaufbringungsrechtlichen Klassikern vergleicht, etwa wenn man die unverändert strenge Lösung des BGH zu Voreinzahlungen von Einlagen bei Kapitalerhöhungen neben die milden Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage legt105. Die Glättung des Kapitalschutzsystems, freilich „ohne Desavouierung des Gläubigerschutzes“106, wird daher vielfach als eine dringliche Aufgabe angesehen. Cavin107 etwa hat in einer umfangreichen Generalkritik zahlreiche Unstimmigkeiten und systematische Brüche aufgezeigt und sich de lege ferenda für weitreichende Deregulierungen der Kapitalaufbringung ausgesprochen, etwa die Abschaffung der verdeckten Sacheinlage, des Hin- und Her98

Zusammenfassung des Folgenden bei Grimm, Finanzverfassung, S. 220 ff. Centrale für GmbH, GmbHR 2007, 754; (zum RefE) Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 211 (212 f.); Hirte, NZG 2008, 761 (766); vgl. auch den Befund von Fleischer, in: MünchKomm/GmbHG, Einleitung Rn. 121 m. w. Nachw. 100 Jüngst Hollinderbäumer, Verbesserung des GmbH-Rechts, S. 113 ff. (zusammenfassend 176 f.); Aichberger, Ausschüttungssperren, passim (insbesondere S. 354 ff.). 101 Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 5 Rn. 25a; Grimm, Finanzverfassung, S. 437 ff., 446 ff. 102 Vgl. etwa Bayer/Lieder, GWR 2010, 3 (6); Benecke, ZIP 2010, 105 (110). 103 Vgl. etwa Wiedemann, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1387; näher sogleich im Text. 104 In: VGR, Bd. 18 (2013), S. 25 ff.; ders. bereits in GmbHR 2010, 1289 ff. 105 Bayer, in: VGR, Bd. 18 (2013), S. 43 ff. 106 Thole, Gläubigerschutz, S. 34. 107 Kapitalaufbringung, passim. 99

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zahlens und der Vorbelastungshaftung108. Die Zukunft des Kapitalschutzes liegt wohl eher in der Kapitalerhaltung109. Der Gesetzgeber wird allerdings auch dazu aufgerufen, einstweilen noch die weitere Entwicklung der höchstrichterlichen Spruchpraxis abzuwarten110. b) Vollwertigkeitsrechtsprechung auf dem Prüfstand Widersprüche und Unstimmigkeiten fordern freilich auch zu Überlegungen de lege lata heraus. Gerade in Bereichen, in denen es an gesetzlichen Regelungen fehlt, sind der Rspr. durchaus nicht immer die Hände gebunden111. Womöglich kann die eine oder andere Fehlentwicklung oder „Überreaktion“112 auch ohne Hilfe des Gesetzgebers gelöst werden. Im Scheinwerferlicht der wissenschaftlichen Betrachtung stehen dabei freilich zumeist die schillernden Neuregelungen der verdeckten Sacheinlage113, des Hin- und Herzahlens114 sowie die Behandlung von Gesellschafterdarlehen115. Daneben stehen ausgewählte Problemfelder aus der Praxis mit typischerweise kapitalschutzrechtlichen Berührungspunkten, z. B. das Cash-Pooling116 oder der Leveraged Buyout117. Jedoch wird hier und da auch bei konkreten Problemfeldern, die von den gesetzlichen Neuregelungen nicht unmittelbar betroffen sind, gefragt, ob diese neu überdacht werden müssen. Das gilt neben der Vorein-

108 s. auch die Vorschläge von Grimm, Finanzverfassung, 277 ff., 460 ff. (zusammenfassend 544 f.) und Hollinderbäumer, Verbesserung des GmbH-Rechts, S. 200 ff. 109 Vgl. Roth, Sonderheft DNotZ 2013, 88 (92). 110 Hommelhoff, ZIP 2013, 2177 (2181). 111 Vgl. die Diskussionsbeiträge v. C. Schäfer, Maier-Reimer und Bayer in VGR, Bd. 18 (2013), S. 53 (54 ff.). 112 K. Schmidt, ZIP 2008, 481 (490). 113 Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 7 ff.; R. U. Fischer, Anrechnungslösung, passim; Jordans, Verdeckte Sacheinlage/Finanzierung, S. 29 ff.; Koutsogianni-Hanke, Verdeckte Sacheinlage im Gemeinschaftsgesellschaftsrecht, insbes. S. 136 ff.; Wolf, Verdeckte Sacheinlage, passim; Zick, Verdeckte Sacheinlage, insbes. S. 111 ff. 114 Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 267 ff.; Cavin, Kapitalaufbringung, S. 607 ff.; Hollinderbäumer, Verbesserung des GmbH-Rechts, S. 189 ff.; Jordans, Verdeckte Sacheinlage/ Finanzierung, S. 173 ff. 115 Azara, Eigenkapitalersatzrecht, passim; Balke, GmbH-Gesellschafterhaftung und EUAuslandsgesellschaften, S. 158 ff.; Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, passim; Georg, Gesellschafterdarlehen, passim (insbes. S. 174 ff.); Jungclaus, Abtretung des Gesellschafterdarlehens-Rückzahlungsanspruchs, passim; Liebendörfer, Unternehmensfinanzierung, passim; Schröder, Reformiertes Eigenkapitalersatzrecht, passim; Ulbrich, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, passim. 116 Baare, Cash-Pooling und Geschäftsführerhaftung, passim (insbes. S. 105 ff.); Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, passim (insbes. S. 29 ff., 81 ff., 96 ff., 207 ff.); Zahrte, Cash-Pooling, passim (insbes. S. 131 ff.). 117 D. Meyer, Besicherung der Akquisitionsfinanzierung; Tasma, Leveraged Buyout und Gläubigerschutz.

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zahlungsproblematik118 etwa auch für den weiteren kapitalschutzrechtlichen „Dauerbrenner“ der wirtschaftlichen Neugründung. Auch hier ist gefragt worden, ob die vom BGH früher angenommene unbeschränkte Vorbelastungshaftung der die Neugründung nicht offenlegenden Gesellschafter sich noch bruchlos in das neue Kapitalaufbringungsrecht einfügt119. Denn wenn die Gesellschafter nunmehr trotz Missachtung der Sacheinlagebestimmungen eine Anrechnung des Werts des verdeckt eingebrachten Gegenstands erreichen können, ist es nicht unbedingt plausibel, warum eine verdeckte Neugründung eine ungleich schärfere Haftung auslösen soll120. Der BGH hat bereits reagiert und nimmt, freilich mit anderer Begründung, nunmehr nur noch eine stichtagsbezogene Differenzhaftung an121. Über die Bereinigung von Widersprüchen im Einzelnen hinausgehend hat Schall122 den Versuch unternommen, die Liberalisierungen des MoMiG konzeptionell in einer neuen „Kapitalteleologie“ zu bündeln – und daraus für zahlreiche Einzelfragen de lege lata teils weitreichende Konsequenzen gezogen. Auch in dem hier untersuchten Problemfeld der Vollwertigkeits-Rspr. werden seit der Kapitalschutzreform bisweilen neue Argumente ausgetauscht. Die Diskussion konzentriert sich zumeist auf die Aufrechnung. Hier wird vor allem überlegt, ob noch an der traditionellen Auffassung festgehalten werden kann, die bei der Aufrechnung der Einlageforderung und einer nicht vollwertigen, nicht fälligen oder nicht liquiden Gesellschafterforderung die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts annehmen will. Das Schrifttum zum GmbH-Recht spricht sich mittlerweile überwiegend für eine analoge Anwendung der Anrechnungslösung der verdeckten Sacheinlage aus123. Die Aufrechnung ist hiernach zwar weiterhin unwirksam, jedoch bleibt es dem Gesellschafter unbenommen, analog § 27 Abs. 3 S. 3, 5 AktG, § 19 Abs. 4 S. 3, 5 GmbHG einen verbleibenden Restwert seiner Forderung nachzuweisen, der auf die Einlageverbindlichkeit angerechnet wird. In einem jüngst veröffentlichten Beitrag wollen Habersack/Weber sogar noch einen Schritt weitergehen und die Aufrechnung durch die Gesellschaft mit Neuforderungen des Gesellschafters stets als wirksam behandeln. Der Gesellschafter soll freilich analog § 9 GmbHG für eine fehlende Werthaltigkeit der eigenen Forderung haften124. Hat die Kapitalschutzreform mithin zwar Bewegung in die hier untersuchte Rechtsfortbildung gebracht, gilt es doch eins zu konstatieren: Die neueren Stimmen belassen es bei einer Korrektur der Rechtsfolgen, 118 Zur Auswirkung des MoMiG in diesem Zusammenhang etwa auch Priester, DStR 2010, 494 (495). 119 Prononciert Habersack, AG 2010, 845 (850); vgl. auch Goette, ZHR 177 (2013), 740 (753). 120 Habersack, AG 2010, 845 (850). 121 BGHZ 192, 341 (Tz. 20 ff.), vgl. auch Schall, NZG 2011, 656 ff.; Wicke, MittBayNot 2011, 23 (29); Walla, Jura 2012, 451 ff. 122 Gläubigerschutz, passim; ders., ZGR 2009, 126 ff. 123 Die Einlageforderung soll also in Höhe des (verminderten) wirklichen Werts der Gesellschafterforderung teilweise erlöschen; vgl. die Nachw. dazu unter § 4 I. 5. b). 124 Habersack/Weber, ZGR 2014, 509 (520 ff.).

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setzen mithin die Geltung des Vollwertigkeitsgebots weiter voraus und entfernen sich daher bei genauerem Hinsehen doch nicht allzuweit von „lieb gewordenen Denkmustern“125. Aus hiesiger Sicht sind diese Tendenzen daher, da sie auf eine Konsolidierung der Rechtsfortbildung hinauslaufen126, nicht unproblematisch. Sie bestätigen die Rechtsfortbildung im Grundsatz dort, wo möglicherweise eine tiefergehende Rückbildung des Rechts angezeigt wäre. 3. Rechtsvergleichende Umschau Bereits eine geraffte rechtsvergleichende Umschau verdeutlicht, dass das deutsche Recht mit der Vollwertigkeitsrechtsprechung einen auffälligen Alleingang beschreitet127. Allein im österreichischen Kapitalgesellschaftsrecht gelten vergleichbare, ebenfalls ungeschriebene Grundsätze. Das ist freilich kein Zufall, da der OGH diese gerade in enger Orientierung an der deutschen Rechtsprechung128 ausgeformt hat. In allen Fallgruppen – Aufrechnung, Leistung der Einlage an einen Dritten, Abtretung und Pfändung – soll jeweils Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität erforderlich sein129. Dagegen lassen sich im englischen, italienischen und französischen Recht vergleichbare Grundsätze nicht auffinden130. a) Englisches Recht Zunächst sucht man im englischen company law131 vergeblich nach entsprechenden Grundsätzen132. Dort gilt gem. Section 583 (2), (3) (c) Companies Act 2006133 die Befreiung von einer Gesellschaftsverbindlichkeit ganz allgemein134 als 125

Goette, ZHR 177 (2013), 740 (751). Ein weiteres Beispiel bildet die Schlussfolgerung von Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, § 19 Rn. 83, der bei einem aus § 64 S. 3 GmbHG folgenden Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft die Liquidität der Gesellschafterforderung ausschließen will. Auch hier wird also die tradierte Rechtsfortbildung mit dem durch das MoMiG eingeführten neuen Recht verzahnt. 127 Vgl. bereits zur Aufrechnung Eujen, Aufrechnung, S. 64 („Am strengsten ist das deutsche Recht“). 128 Allgemein zur Bedeutung der Rspr. des BGH für die Rechtsfortbildung des OGH Kalss, NZG 2012, 161 ff. 129 Doralt/Winner, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 108, 113 m. umfangr. Nachw., allerdings kritisch bei der Leistung an einen Dritten („schwer zu rechtfertigen“, a.a.O. Rn. 113). 130 Zum spanischen Recht (Aufrechnung) vgl. Grimm, Finanzverfassung, S. 181, Grüter, Kapitalaufbringung, S. 36 ff., 56 f.; zum belgischen Recht (Aufrechnung), Hansen, Verdeckte Sacheinlage, S. 176 ff., zum russischen Recht vgl. T. Fischer, Kapitalaufbringung, S. 77 ff. (Aufrechnung), 84 ff. (Leistung der Einlage an einen Gläubiger, Abtretung, Pfändung). 131 Grundlegend zum englischen Kapitalgesellschaftsrecht Just, S. 1 ff. 132 Vgl. Gansen, Harmonisierung der Kapitalaufbringung, S. 35 ff.; Heller, Unternehmensfinanzstruktur der AG, S. 93 ff. 133 Vormals Section 738 (2) Companies Act 1985. 126

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Zahlung der Einlage. Materiellrechtlich erforderlich ist das Einverständnis der Gesellschaft135. Der Gesellschafter kann freilich sogar ohne oder gegen den Willen der Gesellschaft eine Aufrechnung erreichen, wenn er sich im Einziehungsprozess erfolgreich mit dem set-off verteidigt136. Die Gesellschafterforderung muss nur fällig (payable) und der Höhe nach bestimmt (liquidated sum) sein137. Der Einwand des setoff ist dem Gesellschafter allerdings verwehrt, wenn vor dem Richterspruch über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird138. In diesem Fall muss die Einlage also geleistet werden. Da es nach dem Companies Act nur auf die Befreiung von einer Verbindlichkeit ankommt, kann auch mit der Forderung eines Dritten – dessen Einverständnis vorausgesetzt – „aufgerechnet“ werden139. Auch hier gilt indessen, dass sich dem Vollwertigkeitsgebot vergleichbare Anforderungen nicht ausfindig machen lassen. Dies gilt auch für die Abtretung und Pfändung der Einlageforderung140. b) Italienisches Recht Interessant ist ein Blick in das italienische Recht, da hier offenbar um die Aufrechenbarkeit ausstehender Einlageforderungen ebenfalls seit geraumer Zeit gestritten wird. Die Debatte verläuft dabei allerdings unter etwas anderen Voraussetzungen als im deutschen Recht. Zwar verlangt das seit 2004 grundlegend reformierte italienische Kapitalgesellschaftsrecht141 ähnlich dem deutschen im Rahmen der Bargründung, dass sowohl bei der società per azioni (Art. 2342 Abs. 2 codice civile), als auch bei der società a responsabilità limitata (Art. 2464 Abs. 4 S. 1 codice civile)142 auf jede Einlage nur 25 % zuzüglich eines etwaigen agios eingezahlt werden muss143, woraus geschlossen wird, dass gegen diesen Teil der Einlage nicht aufge134 Also etwa auch die Übernahme einer Gesellschaftsverbindlichkeit gegenüber einem Dritten durch den Gesellschafter. 135 Pennington, Company Law, S. 180. 136 Pennington, a.a.O.; zur (vermeintlichen) prozessualen Natur des set-off R. Zimmermann, in: FS Medicus, S. 707 (710 ff.); allgemein zur Aufrechnung im englischen Recht (gerafft) von Bernstorff, Englisches Recht, S. 74 f.; (ausführlich) Kannengießer, Aufrechnung, S. 57 ff. 137 Koll-Möllenhoff, Grundkapital, S. 149 m. umf. Nachw.; nicht zulässig ist insbesondere die Aufrechnung mit einer künftigen Forderung, Heinz/Hartung, Kap. 9 Rn. 23 m. Nachw. 138 Heller, AcP 207 (2007), 456 (480 f.); ders., Unternehmensfinanzstruktur der AG, S. 95; Meilicke, DB 1989, 1067 (1070) jew. m. Nachw. 139 Gansen, Harmonisierung der Kapitalaufbringung, S. 35 f. m. Nachw. 140 Koll-Möllenhoff, Grundkapital, S. 133. 141 Vgl. dazu etwa Ferrarini/Giudici/Richter, RabelsZ 69 (2005), 658 ff.; Witt, ZGR 2009, 872 (904 ff.). 142 Das Gesetz verlangt ein Mindestkapital i.H.v. 10.000 Euro (Art. 2463 Abs. 2 codice civile). 143 Eine Parallelregelung zu § 7 Abs. 2 S. 2 GmbHG, die mindestens die Einzahlung eines Betrages in Höhe der Hälfte des Mindeststammkapitals erfordert, existiert im italienischen Recht nicht, vgl. Barth, MittBayNot 2006, 1 (4).

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rechnet werden kann. Eine gesetzliche Regelung hinsichtlich der Aufrechenbarkeit der ausstehenden Einlage existiert im italienischen Recht dagegen bis heute144 nicht. Die Diskussion kreist(e) daher hauptsächlich um die Frage, ob eine Aufrechnung durch Gesellschaft oder Gesellschafter überhaupt zugelassen werden kann, was heute von Rechtsprechung, die sich im Laufe der Zeit offenbar mehrfach gewandelt hat145, und herrschender Lehre146 bejaht wird. Obwohl das italienische Recht grds. für als Sacheinlage eingebrachte Forderungen (conferimenti di crediti, Art. 2342 Abs. 3, Art. 2464 Abs. 5 codice civile) die Beibringung eines Gutachtens verlangt, welches die Werthaltigkeit der Forderung bestätigt (Art. 2343 Abs. 1, 2465 Abs. 1 codice civile), soll die Aufrechnung lediglich Fälligkeit und Liquidität147 der Gesellschafterforderung voraussetzen148. Damit bleibt es – so scheint es – bei der Regelung des Art. 56 Abs. 1 legge fallimentare, der dem Gesellschafter selbst dann noch die Aufrechnung gestattet, wenn seine Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig wird149. Offenbar will man es bei diesem Ergebnis im Konkurs der Gesellschaft aber nicht in jedem Fall belassen; über die genauen Ausschlussgründe scheint keine Einigkeit zu bestehen150. Abtretung und Pfändung ausstehender Einlageforderungen stehen nach italienischem Recht nicht unter dem Vorbehalt vollwertiger Gegenleistung151. c) Französisches Recht Dem italienischen Recht ähnlich ist das französische. Auch hier können Forderungen zwar nach h.M. als Sacheinlage eingebracht werden152. Bei der Barkapitalerhöhung einer société anoyme sieht Art. L 225 – 128 Abs. 2 Code de commerce jedoch ausdrücklich vor, dass die Einlage durch Aufrechnung mit liquiden und 144

Vgl. bereits Lutter, Kapital, S. 125. Tesauro, in: FS Meilicke, S. 714 (715 ff.) m. umf. Nachw. 146 Nachw. bei Lutter, Kapital, S. 125 f.; Tesauro, in: FS Meilicke, S. 714 (719 ff.); vgl. auch Meilicke, S. 30. 147 Verstanden als das zweifelsfreie Feststehen der Forderung in Bestand und Umfang, Kannengießer, Aufrechnung, S. 14, vgl. dazu noch § 2 II. 2. b) bb). 148 Tesauro, in: FS Meilicke, S. 714 (721, 722) m. Nachw.; vgl. auch Meilicke, DB 1989, 1067 (1069). 149 Dazu Kannengießer, Aufrechnung, S. 38 f. Die Aufrechnung mit einer erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Forderung ist aber ausgeschlossen, wenn diese durch einen Vertrag zwischen Lebenden nach Verfahrenseröffnung oder in dem davorliegenden Jahr begründet wurde (Art. 56 Abs. 2 legge fallimentare). 150 Tesauro, in: FS Meilicke, S. 714 (723). Zu beachten ist freilich Art. 2467 Abs. 1 codice civile, der für bestimmte („eigenkapitalersetzende“) Finanzierungen (Abs. 2) Nachrangigkeit, sowie eine Rückerstattungspflicht für innerhalb eines Jahres vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewährte Tilgungsleistungen anordnet, dazu Haas, GmbHR 2004, 557 (560 f.); Hilpold/Brunner, ZVglRWis 105 (2006), 519 (535 f.). 151 Lutter, Kapital, S. 174. 152 Grimm, Finanzverfassung, S. 131; Hansen, Verdeckte Sacheinlage, S. 155 m. w. Nachw. 145

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fälligen („Alt“-)Forderungen geleistet werden kann153. Der Gesellschafter ist also nicht zur Einbringung im Wege der Sacheinlage gezwungen154. Die zur Aufrechnung vorgesehenen Forderungen müssen allerdings Gegenstand eines vom Verwaltungsrat oder Vorstand155 erstellten und durch einen Wirtschaftsprüfer (commissaire aux comptes)156 bestätigten Abschlusses (arrêté de compte) sein (Art. R 225 – 134 Code de commece). Die Einlage gilt erst dann als geleistet, wenn die Aufrechnung durch den commissaire aux comptes oder einen Notar beglaubigt worden ist (Art. L 225 – 146 Abs. 2 Code de commerce). Die Werthaltigkeit der Forderung wird von der h.M. nicht verlangt157. Obwohl das Gesetz die Aufrechnung ansonsten nicht regelt, wird hieraus von der h.M. nicht geschlossen, dass diese ausschließlich bei der Kapitalerhöhung unter Beachtung des dafür vorgesehenen Verfahrens zulässig ist. Die compensation légale158 findet jedoch nur sehr eingeschränkt statt: Zunächst muss sowohl bei Gründung als auch bei der Kapitalerhöhung die Mindesteinlage ohnehin tatsächlich eingezahlt werden159. Der Gesellschafter kann sich sodann nach vorherrschender, allerdings umstrittener Ansicht im Einziehungsprozess um die ausstehenden (Rest-) Einlagen nicht auf die compensation légale berufen160. Der Gesellschaft ist dagegen die Aufrechnung in großzügigerem Umfang ermöglicht. So kann diese durch die compensation conventionelle eine einvernehmliche Aufrechnung erreichen, und zwar auch dann, wenn die Gesellschafterforderung durch eine Unterbilanz oder Überschuldung wirtschaftlich entwertet ist161. Aufrechnungsvereinbarungen, die zeitlich zwischen den Eintritt der Zahlungseinstellung und das Eröffnungsurteil bzgl.

153

Vgl. dazu Meilicke, DB 1989, 1067 (1070 f.); Hansen, Verdeckte Sacheinlage, S. 152 ff. Koll-Möllenhoff, Grundkapital, S. 121 f. m. Nachw. Wenig überraschend werden daher in aller Regel Kapitalerhöhungen durch Forderungsverzicht als Barkapitalerhöhung durchgeführt, Merle/Fauchon, Societétés commerciales, S. 707; Meilicke, DB 1989, 1067 (1070). 155 Allgemein zu den Organen der société anonyme Michalsky, DStR 1991, 1563 (1567 f.). 156 Zum commissaire aux comptes Sonnenberger/Dammann, Französisches Recht, S. 132 ff.; (rechtsvergleichend) Opitz, Abschlussprüfung, passim. 157 Mercadal/Janin, Sociétés commerciales, Rn. 2079 m. Nachw. aus der Rspr.; zweifelnd Guyon, Droit des affaires, Nr. 436 – 1 für den Fall der Überschuldung: „la validité de la compensation est plus discutable“. 158 Diese entspricht der Aufrechnung nach den §§ 387 ff. BGB. Die compensation légale hat die Rechtsfortbildung des RG hinsichtlich der Aufrechnung mit Einlageforderungen entscheidend beeinflusst; näher zu dieser Aufrechnungsform und ihren Bezügen zu der hier untersuchten Thematik unter § 3 II. 159 Heller, AcP 207 (2007), 457 (483) m. w. Nachw.; anders bei der Kapitalerhöhung, wenn eben die Vorgaben der Art. R 225 – 134, L 225 – 146 Abs. 2 Code de commerce eingehalten worden sind. 160 Cass. Com. v. 10. 2. 1969, Revue des Sociétés 1970, 113; Ullrich, DB 1990 465 (468) m. w. Nachw. (Fn. 58); a.A. Mercadal/Janin, Sociétés commerciales, Rn. 2079. 161 Cass. Com. v. 7. 2. 1972, Revue des Sociétés 1973, 297; Ullrich, DB 1990, 465 (468 f.) m. w. Nachw. 154

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§ 1 Einführung

des Insolvenzverfahrens – mithin in die période suspecte – fallen162, bringen die Einlage dagegen nicht zum Erlöschen. Im Recht der société à responsabilité limitée, für die seit 2004 kein Mindestkapital mehr vorgeschrieben ist163, werden diese Vorschriften analog angewendet164. Seit 2004 ist freilich für die société à responsabilité limitée kein Mindestkapital mehr vorgeschrieben165. Anfänglich muss nunmehr nur noch mindestens ein Fünftel der Einlage geleistet werden, der restliche Teil innerhalb von fünf Jahren (Art. L 223 – 7 Abs. 1 S. 3 Code de commerce).

162 Der Zeitpunkt der Zahlungseinstellung wird im Eröffnungsurteil bestimmt und kann maximal 18 Monate zurückreichen, Art. L 631 – 8 Abs. 1 und 2 Code de commerce; dazu Bauerreis, in: Hdb. InsolvenzR Europa, 2. Teil, Frankreich, Rn. 199 ff. 163 Dies ergibt sich aus Art. L 223 – 2 Code de commerce, Grimm, Finanzverfassung, S. 126 f.; vgl. auch J. Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 346 (348 f.). 164 Ullrich, DB 1990, 465 (467 mit Fn. 49) m. Nachw. 165 Dies ergibt sich aus Art. L 223 – 2 Code de commerce, Grimm, Finanzverfassung, S. 126 f.; vgl. auch J. Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 346 (348 f.).

Kapitel 1

Das Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts § 2 Gang der Spruchpraxis Das Vollwertigkeitsgebot ist vom RG zunächst maßgeblich anhand der Aufrechnung mit Einlageforderungen entwickelt worden. Diese Fallgruppe steht daher auch hier im Vordergrund. Um die Rechtsfortbildung allerdings in vollem Umfang nachvollziehen zu können, ist es unerlässlich, noch vor der eigentlichen Leitentscheidung nebst deren weiterer Ausformung (II.) anzusetzen. Bereits am Vorabend der Leitentscheidung waren durch Gesetzgeber und Rechtsprechung wichtige Weichen gestellt worden (I.). Während die ersten beiden Abschnitte sich also im Wesentlichen mit der Aufrechnung befassen, wird im dritten Abschnitt die Entwicklung der Rechtsprechung zu Abtretung und Pfändung geschildert (III.). Die Darstellung bleibt damit zunächst hauptsächlich deskriptiv. Allerdings wird die Entwicklung nicht streng chronologisch dargestellt, um Sachzusammenhänge nicht auseinanderzureißen. Eine eingehende Analyse erfolgt in einem gesonderten Schritt (§ 3).

I. Vorgeschichte Bei der Aufrechnung von Einlageforderungen müssen zwei grundverschiedene Fragestellungen auseinandergehalten werden. Ein erster Problemkreis besteht darin, ob dem Gesellschafter die Befugnis zur Aufrechnung (heute §§ 387 ff. BGB) gegenüber der Einlageforderung zukommt. Diese Frage stand in den frühen Entscheidungen im Vordergrund. Regelmäßig verteidigte sich der von Konkursverwalter oder den Liquidatoren der Gesellschaft auf Leistung ausstehender Einlagen verklagte Aktionär mit der Aufrechnung („Kompensation“). Das RG nahm allerdings mit der vorherrschenden Meinung an, dass in solchen Situationen die Aufrechnung des Aktionärs ausgeschlossen sei. Dieses richterrechtliche Aufrechnungsverbot wurde vom Gesetzgeber dann in der Aktienrechtsnovelle von 1884 kodifiziert. Die zweite Frage lautet demgegenüber, welchen Grenzen eine von der Gesellschaft erklärte Aufrechnung bzw. ein Aufrechnungsvertrag unterliegen. Diese Frage wurde in den frühen Entscheidungen nur am Rande berührt, rückte dann aber mit der Klärung der ersten Frage verstärkt in den Fokus der Rechtsprechung.

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

1. Meinungsstand vor Errichtung des RG Vor allem hinsichtlich der Frage nach der Aufrechnungsbefugnis des Aktionärs fand das RG keineswegs terra incognita vor, sondern konnte bereits aus einem gewachsenen Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum schöpfen. Die ersten Entscheidungen des RG enthalten zwar – von Ausnahmen abgesehen – kaum Zitate vorangegangener Judikate anderer Gerichte oder Literaturmeinungen. Dennoch hat das RG diese Stimmen wenigstens zum Teil zur Kenntnis genommen, da die Argumentation des Gerichts unverkennbar an diese Entscheidungen anknüpft1. a) Kein Aufrechnungsrecht des Aktionärs Bereits das Hamburger Handelsgericht mit Urt. v. 7. 2. 18592 sowie das Preußische Obertribunal mit Urt. v. 12. 3. 19633 auf Grundlage des preußischen Aktiengesetzes4 hatten zu entscheiden, ob ein Aktionär seine Einlageverbindlichkeit gegenüber den curatores bonorum5 aufrechnen könne. Beide Gerichte verneinten dies mit der Überlegung, es fehle an der für die Aufrechnung zwingend erforderlichen Vereinigung von Schuldner und Gläubiger in einer Person. Der Aktionär habe zwar als gewöhnlicher Gläubiger zu fordern, schulde aber die Einlage als Gesellschafter, nicht als Schuldner6. Das Hamburger Gericht formulierte, die Gewährleistung des Grundkapitals sei „illusorisch“, wenn die Aktionäre sich mittels des Aufrechnungsrechts de facto gegenüber den anderen Gläubigern bevorzugt befriedigen könnten7. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass die Gesellschaft die Einzahlung des vollen das Aktienkapitals ggf. erzwingen können müsse, da sie sonst nicht über das per Grundkapital ausgewiesene Vermögen verfüge.

1

Dazu später im Text. Die Darstellung der hier im Text wiedergegebenen Stimmen aus Rechtsprechung und Schrifttum rechtfertigt sich auch daraus, dass diese sämtlich in der Begründung der Aktienrechtsnovelle 1884 zum Ausschluss des Aufrechnungsrechts des Aktionärs angeführt werden, dazu unter 3. a). 2 Die Entscheidung ist abgedruckt in: Jahrbücher der deutschen Rechtswissenschaft und Gesetzgebung, Band 6, 37, sowie in ZHR 6 (1863), 616; vgl. auch Tesauro, in: FS Meilicke 2010, S. 714 (715 m. Fn. 5). Zu dieser Zeit existierte in Hamburg kein kodifiziertes Aktienrecht, Bergfeld, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 168 (Rn. 40 ff.); zu den damaligen Rechtsquellen vgl. Bergfeld, a.a.O.; Pöhls, Actiengesellschaften, S. 10 ff. 3 Entsch. Bd. 49, 380 (Nr. 52). 4 Gesetz über die Aktiengesellschaften für die Königlich Preußischen Staaten v. 9. 11. 1843; abgedruckt in: Baums, Preußisches Aktiengesetz. 5 Praktisch ein Vorläufer des Insolvenzverwalters, vgl. Stürner, in: MünchKomm/InsO, Einleitung Rn. 27. 6 Hamburger Handelsgericht in Jahrbücher der deutschen Rechtswissenschaft und Gesetzgebung, Band 6, 37 (38); Preußisches Obertribunal Entsch. Bd. 49, 380 (384). 7 Jahrbücher der deutschen Rechtswissenschaft und Gesetzgebung, Band 6, 37 (38).

§ 2 Gang der Spruchpraxis

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Dernburg8 und ihm folgend Eck9 pflichteten dieser Rechtsprechung im Ergebnis bei, setzen aber einen anderen Begründungsakzent. Die Übernahme einer „Bar“Einlage-Pflicht enthalte bereits den konkludenten Ausschluss der Aufrechnung, da dieser im beiderseitigen Interesse liege. Da die Gesellschaft im Interesse der Gesellschafter betrieben werde, hätten diese – wie die Gesellschaft selbst – ein Interesse an deren Kreditwürdigkeit. Diese werde mangels einer persönlichen Haftung der Aktionäre allein durch die Einzahlung der Einlage gebildet, sodass Einlagen unbedingt zu zahlen seien, auch wenn der Gesellschafter einseitig aufrechnen könne. Der Verwaltung sei freilich während der „Dauer der Gesellschaft“ die Kompensation als Angelegenheit der Geschäftsführung zu gestatten; nach Eröffnung des Konkursverfahrens hingegen sei die Einlage voll zu entrichten. b) Gegenstimmen Das ROHG10 entschied später11 auf Grundlage des durch die Aktienrechtsnovelle von 187012 reformierten ADHGB abweichend und ließ die Aufrechnung eines Aktionärs gegenüber den Liquidatoren einer aufgelösten Gesellschaft zu. Dabei stützte es sich auf Renaud13 sowie eine Entscheidung des Pariser Kassationshofs14. Die Einlageverbindlichkeit sei eine echte Verbindlichkeit des Aktionärs, ein Aufrechnungsrecht werde diesbezüglich durch das Gesetz nicht ausgeschlossen und folge auch nicht aus der Gewähr des Grundkapitals15. Durch die Aufrechnung werde das Grundkapital vielmehr gerade seiner Bestimmung entsprechend zur Gläubigerbefriedigung eingesetzt. Dass durch die Aufrechnung die Gläubigergesamtheit aus der Einlage nicht gleichmäßig befriedigt werde, müsse außer Betracht bleiben: „Das Verhältniß der concurrirenden Gläubiger hat gegenüber einer A.G. keine andere Natur, wie gegenüber einem anderen Schuldner. Der einzelne Gläubiger ist, soweit nicht das Gesetz ausdrücklich Ausnahmen, wie beim Anfechtungsrechte im Concurse, statuiert hat, nicht verhindert, seine Befriedigung aus dem vorgefundenen Vermögen ohne Rücksicht auf andere Gläubiger zu verfolgen.“

8

Geschichte und Theorie der Kompensation, 2. Aufl., Heidelberg 1868, S. 522 f. In: Zeitschrift für die deutsche Gesetzgebung und für einheitliches deutsches Recht, Band 3, 124 (139). 10 Ausführlich zu Geschichte, Aufbau und Zuständigkeit dieses Gerichts Winkler, Reichsoberhandelsgericht, passim. 11 Urt. v. 9. 5. 1879, Entsch. Bd. 25, 282. 12 Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1870; abgedruckt in ZHR 15 (1871), 409. 13 Actiengesellschaften, S. 866. 14 Veröffentlicht in: Recueil général des lois et des arrêts (Sirey), Dixième Volumes (1866 – 1870), S. 193. 15 Entsch. Bd. 25, 282 (284 ff.); vgl. insofern auch Renaud, Actiengesellschaften, S. 866. 9

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

Damit erhob sich für das ROHG auch die Frage, welche Voraussetzungen eine solche Aufrechnung unterliegen müsse. Das Gericht verlangte, dass die Gesellschafterforderung – im Anschluss an Renaud – existent, insbesondere nicht durch „trügerische Manipulation“ zum Schein geschaffen, sowie – im Anschluss an den Kassationshof – liquide, gleichartig und fällig sei16. 2. Rechtsprechung des Reichsgerichts vor 1884 Schon bald nach Aufnahme seiner Tätigkeit17 bekam das RG Gelegenheit, in der Frage um die Aufrechenbarkeit der Einlageforderung Stellung zu beziehen, zunächst in einer Entscheidung aus dem Jahr 188218, dann in zwei weiteren aus den Jahren 188619 und 188720. In allen Fällen wurde der Aktionär (in den ersten beiden Fällen vom Konkursverwalter) auf Zahlung noch nicht geleisteter Resteinlagen in Anspruch genommen und erklärte jeweils die Aufrechnung mit Gegenforderungen. a) Aufrechnungsrecht des Aktionärs? Das RG lehnte es in den ersten beiden Fällen ab, die Zulässigkeit der Aufrechnung an den die Konkursaufrechnung regelnden §§ 53 ff. KO21 zu messen. Jedenfalls im eröffneten Konkursverfahren der Gesellschaft könne der Gesellschafter die einseitige22 Aufrechnung unter keinen Umständen erklären23. Zur Begründung verband das RG der Sache nach in jeweils modifizierter Form die Erwägungen des Hamburger Handelsgerichts, des Preußischen Obertribunals und der Literatur24, freilich ohne diese Quellen in der Begründung offenzulegen. Gesellschafterforderung und Einlageforderung seien (nach ihrem „Wesen“) nicht gleichartig25. Die Einlageforderung unterscheide sich aufgrund des Rechtsver16

ROHGE 25, 282 (284, 285). Am 1. 10. 1979, vgl. dazu Möller, Reichsgericht, S. 21. 18 RGZ 6, 69. 19 RGZ 18, 1; obgleich das neue Recht bereits in Geltung war, s. sogleich unter 3, ergingen die in dem Urteil angestellten Überlegungen noch zum alten Recht. 20 RGZ 19, 124. 21 Heute §§ 94 ff. InsO. 22 RGZ 18, 1 (3 ff., 5 f.). Der Rechtspraxis im ausgehenden 19. Jahrhundert entsprach es bereits, die Kompensation – abweichend von der pandektistischen Theorie – durch einseitige Erklärung der Parteien eintreten zu lassen, ohne dass es hierzu eines gerichtlichen Vollzugs bedurfte; vgl. RGZ 7, 243 (245); 11, 114 (120); zum Ganzen Zimmermann, in: Hkk/BGB §§ 387 – 396 Rn. 12 f. 23 Missverständlich die Zusammenfassung von RGZ 18, 1 in Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen, Band 3, Nr. 803 (kein Aufrechnungsrecht des Aktionärs, wenn die Gesellschaft vorher „zahlungsunfähig“ geworden ist). 24 Dazu oben unter 1. a). 25 RGZ 6, 69 (72); 18, 1 (5 f.). Zu diesem Argumentationsansatz in der italienischen Diskussion auch Tesauro, in: FS Meilicke, S. 714 (717 ff.). 17

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hältnisses des Gesellschafters zur Gesellschaft wesentlich von der Gesellschafterforderung als einer einfachen Gläubigerforderung. Die Gesellschaft werde im Interesse des Gesellschafters betrieben und da dieser den gezeichneten Betrag als Beitrag zum Gesellschaftskapital versprochen habe, sei die Leistung der Einlage im eigentlichen Sinne keine Veräußerung, sondern Aussonderung von Gesellschaftervermögen. Nur rein formell sei die Gesellschaft als Gläubigerin dieses abgesonderten Vermögens anzuerkennen, tatsächlich sei sie Inhaberin der ausstehenden Einlage. Jedenfalls nach Eröffnung des Konkursverfahrens trete „die Besonderheit der Bestimmungen des Nachschusses zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger in evidenter Weise hervor“26. Der Aktionär würde sich demnach sogar „dolos“ verhalten, wenn er den für allgemeine Zwecke der Gesellschaft bestimmten Fonds zur Befriedigung seiner eigenen Schuld verwende. Es sei deshalb auch anzunehmen, dass bei Begründung der Einlageverpflichtung konkludent jede Art der Erfüllung ausgeschlossen werde, durch die die Gläubiger benachteiligt würden, wie das bei der Kompensation im Konkurs der Fall sei27. Lediglich obiter berührte das RG in den ersten zwei Entscheidungen die Frage, ob das Verbot der einseitigen Gesellschafteraufrechnung unbedingt gelten müsse oder außerhalb des Konkursverfahrens möglicherweise anders zu entscheiden sein könnte. Während sich die erste Entscheidung hierfür aufgeschlossen zeigte28, wandte sich das Gericht in der dritten entscheidungserheblich dagegen29. Auch außerhalb des Konkursverfahrens sei an der Ungleichartigkeit von Einlage- und Gesellschafterforderung festzuhalten, denn auch in diesem Zeitpunkt könne die Zahlung zur Befriedigung der Gläubiger vonnöten sein. Es sei zudem willkürlich, dem Gesellschafter nach Eröffnung des Konkursverfahrens die Ausübung einer früher einmal wirksam entstandenen Aufrechnungsbefugnis zu versagen30. Im Einzelfall zu prüfen, ob die Aufrechnung die Gläubiger benachteilige, sei zudem misslich und unsicher. b) Aufrechnung durch die Gesellschaft In der zweiten Entscheidung stellte das Gericht erstmals – freilich wiederum nicht entscheidungserhebliche – Überlegungen zu den Voraussetzungen eines Aufrech26

RGZ 6, 69 (73). In der ersten Entscheidung argumentierte das RG noch zusätzlich damit, dass die Gesellschaft ein Versicherungsunternehmen betrieb, RGZ 6, 69 (73 f.). 28 Solange die Gesellschaft solvent ist [scil.: das Konkursverfahren nicht eröffnet ist], wird mithin wenigstens der Regel nach kein Bedürfnis vorliegen, die Ungleichartigkeit der Forderungen zu urgieren und die Kompensation der Forderung des Aktionärs zu versagen“, RGZ 6, 69 (72 f.). 29 RGZ 19, 124 (128 f.). 30 Vgl. § 94 InsO. 27

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

nungsvertrags an31. Anders als die einseitige Aufrechnung durch den Aktionär sollte ein Aufrechnungsvertrag nicht grds. unzulässig sein: „Natürlich wird […] die Wirksamkeit einer vertragsmäßigen Kompensation bei bereits eingetretener Fälligkeit beider Forderungen nicht in Frage gestellt. Wenn für den Aktionär gegen die Aktiengesellschaft eine fällige Forderung begründet ist, […] so folgt aus den vorausgegangen Ausführungen nicht, daß, soweit die Beträge beider Forderungen gleich hoch sind, durchaus eine Hin- und Herzahlung dieser Beträge stattfinden müsse und daß nicht in solchem Falle, sofern nicht der Aktionär entsprechend dem derzeitigen Stande der Verhältnisse der Gesellschaft weiß oder wissen muß, daß er sich hierdurch zum Nachteile der anderen Gesellschaftsgläubiger decke, und weiter vorbehaltlich eines Anfechtungsrechts gemäß der Konkursordnung wirksam die Erledigung beider Verhältnisse als durch Kompensation vollzogen festgesetzt werden könnte.“

Die frühen Entscheidungen können somit nicht als Beleg für das Vollwertigkeitsgebot dienen, obwohl vor allem RGZ 18, 1 oft in diesem Zusammenhang zitiert wird32. Dies zeigt sich im Übrigen auch daran, dass später Aufrechnungsverträge vom RG zunächst zugelassen wurden, ohne die Vollwertigkeit der Gesellschafterforderung zu verlangen33. 3. Gesetzliche Regelung der Aufrechnung Während die Klärung der Aufrechnungsfrage in der bisher skizzierten Phase noch allein den Gerichten überlassen geblieben war, änderte sich dies mit der Aktienrechtsnovelle von 188434. a) Kein Aufrechnungsrecht des Aktionärs In der bis dato im Fokus stehenden Grundsatzfrage um die Aufrechnungsbefugnis des Aktionärs bezog die Novelle eindeutig Stellung. Nach sorgfältiger Würdigung des Meinungsstands entschloss man sich entsprechend der Linie des RG dazu, die Aufrechnungsbefugnis des Aktionärs ausnahmslos auszuschließen (Art. 184c S. 1 i.V.m. Art. 219 Abs. 2). Dieses einseitige Aufrechnungsverbot wurde später in das GmbHG übernommen (§ 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG a.F.). In der Begründung zur

31 RGZ 18, 1 (5); nach Ansicht des Gerichts hatte der beklagte Gesellschafter nur die unzulässige vertragliche Einräumung eines Aufrechnungsrechts, nicht hingegen den vertraglichen Vollzug der Aufrechnung vorgetragen. 32 Abgesehen davon, dass hier offengelassen wird, wann die Aufrechnung für die Gläubiger nachteilhaft ist, sollte es nach den Erwägungen des RG auch auf die subjektive Kenntnis des Gesellschafters von der Nachteilhaftigkeit ankommen. Beim Vollwertigkeitsgebot galt hingegen seit jeher ein objektiver Maßstab. 33 Dazu sogleich im Text. 34 Gesetz betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaft v. 18. 7. 1884, RGBl. S. 123.

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Novelle von 1884 nennt der Gesetzgeber zunächst die Gründe, die ihn zu diesem Schritt veranlast hatten35. „Damit die Gesellschaft das Grundkapital unverkürzt erlangt, und die Gewähr, welche dasselbe den Gläubigern bieten soll, nicht zum Schein herabgedrückt wird, versagt der Entwurf (Art. 184c) ferner dem Aktionär die Befugnis, gegen die auf die Aktie zu leistenden Beträge seinerseits Gegenforderungen aufzurechnen […]. Der Entwurf schließt in Ansehung der auf die Aktie zu leistenden ersten Einzahlung von mindestens 25 Prozent eine Aufrechnung […] durch die Vorschrift unbedingt aus, daß die Einzahlung baar zu erfolgen hat (Art. 210 Abs. 336). Aber auch betreffs der weiteren Einzahlungen auf die Aktie darf dem Aktionär, welcher leicht aus irgend einem Rechtsgeschäfte Gläubiger der Gesellschaft werden kann, die Aufrechnung wider deren Willen nicht gestattet sein; denn durch die Einzahlung allein wird bei dem Mangel einer persönlichen Haftung des Aktionärs die Grundlage für die Kreditbasis und das Objekt für die Befriedigung des Gläubigers gewährt, und es muss deshalb auch angenommen werden, daß eine Aufrechnung der eigenen von den Betheiligten bei der Gründung der Gesellschaft verfolgten Absicht zuwiderlaufen würde. Bei der Wichtigkeit der Frage und dem obwaltenden öffentlichen Interesse erscheint es indeß geboten, die Ausschließung der Kompensation gesetzlich auszusprechen.“

b) Aufrechnung durch die Gesellschaft Schon ein Umkehrschluss aus dem lediglich einseitigen Ausschluss der Aufrechnungsbefugnis des Gesellschafters ergibt, dass die Gesellschaft im Grundsatz aufrechnungsbefugt sein muss37. Der Gesetzgeber stellt dies in der Begründung denn auch wie folgt klar: „Allerdings braucht, abgesehen von der ersten Einzahlung auf die Aktie, die Aufrechnung nicht weiter ausgeschlossen zu werden, als dies zur Sicherung des Grundkapitals erforderlich ist. Der Entwurf lässt dieselbe daher zu, soweit die Gesellschaft in der Lage ist, sich die Aufrechnung gefallen zu lassen, stellt sonach die Gestattung derselben in die Verantwortung des Vorstandes. Die Aufrechnung dagegen ausdrücklich nur für den Fall einer ungünstigen Vermögenslage der Gesellschaft, namentlich nur bei eingetretenem Konkurse auszuschließen, würde zur genügenden Sicherung des Grundkapitals nicht ausreichen.“

Allein klargestellt wird also, dass mit der vor Eintragung der Gesellschaft oder der Kapitalerhöhung zu leistenden Mindesteinlage auch durch die Gesellschaft nicht aufgerechnet werden konnte38. Das RG entschied später allerdings, dass der Geschäftsführer einer GmbH mit der Mindesteinlage aufrechnen dürfe39. Das Gericht 35 Begründung zur Aktienrechtsnovelle von 18. 7. 1884, Aktenstück Nr. 21 v. 21. 3. 1884, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 430. 36 Art. 210 Abs. 3 S. 1 lautete: „In der Anmeldung ist die Erklärung abzugeben, daß auf jede Aktie, soweit nicht andere als in Geld bestehende Einlagen gemacht sind, der eingeforderte Betrag baar eingezahlt und dem Vorstande übergeben sei.“ 37 Begründung zur Aktienrechtsnovelle von 18. 7. 1884, Aktenstück Nr. 21 v. 21. 3. 1884, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 430. 38 Zu dieser Problematik noch unter § 6 I. 2. b). 39 RGZ 41, 120 (121 f., 124).

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leitete dies daraus ab, dass in den §§ 5, 7 Abs. 2 GmbHG a.F. abweichend von § 210 Abs. 3 HGB a.F. nicht von „Bar“-Zahlungen40, sondern nur von in Geld zu leistenden Einlagen und Einzahlungen auf das Stammkapital die Rede war41. Gleichwohl sollte eine solche Leistung alle einer Barzahlung eigentümlichen Vorteile enthalten und daher jederzeit mit völliger Sicherheit in bares Geld umsetzbar sein42. Wann sich die Gesellschaft eine Aufrechnung mit der Resteinlage nicht „gefallen lassen“ dürfe, erhellt die Begründung nicht, sondern weist lediglich auf die Verantwortung des Vorstandes hin. Der Gesetzgeber ließ insofern Zurückhaltung walten und wollte die Klärung der Frage offensichtlich der Rechtsprechung überlassen; mutmaßlich liegt dies daran, dass die Frage der Grenzen einer von der Gesellschaft erklärten Aufrechnung, bzw. eines Aufrechnungsvertrags in den verfügbaren Quellen noch wenig erörtert worden war. Der Hinweis, die Aufrechnung solle nicht nur bei „eingetretenem Konkurse“43 ausgeschlossen sein, ist als Signal an das RG zu verstehen: In RGZ 6, 69 hatte das Gericht schließlich genau dafür noch Sympathien erkennen lassen44. Im Grundsatz jedenfalls konnte das RG in den ersten nach Inkrafttreten der neuen Aktien- und GmbH-Rechte entschiedenen Fällen45 die bereits in RGZ 18, 146 vorbereitete Linie wieder aufnehmen. So wurde nunmehr auch entscheidungserheblich ausgesprochen, dass eine im Einvernehmen mit der Gesellschaft vorgenommene Aufrechnung zulässig sei. Zu verlangen sei lediglich, dass die Gesellschafterforderung fällig sei. In dem zweiten Fall lag die Besonderheit darin, dass die Kaufpreisforderung eines Dritten gegen die Gesellschaft mit Einverständnis aller Beteiligten zur „Aufrechnung“ verwendet worden war; als Ausgleich erhielt der Dritte von dem die Einlage schuldenden Gesellschafter Aktien. Das RG ließ dies zu, da „auf diesem Wege ein dem Nominalbetrage gleichkommender Gegenwert dem Vermögen der Aktiengesellschaft zufließt beziehungsweise verbleibt, in gleicher Weise, wie dies der Fall sein würde, wenn der Nennwert der Aktien zunächst baar eingezahlt und dann der eingezahlte Betrag zur Tilgung der Forderung des Dritten verwendet worden wäre“47. Das eigentlich Neue dieser Entscheidung bestand darin, dass hier die Überlegung eines neutralen „Hin- und Herzahlens“48 bei der Aufrechnung erstmals auf die Konstellation eines „Hin- und Weiterzahlens“ ausgedehnt wurde. 40 Hieraus sollte sich nach dem Willen des Gesetzgebers ja der Ausschluss der Aufrechnung hinsichtlich der Mindesteinlage ergeben, s. unter 2. b). 41 RGZ 41, 120 (121). 42 RGZ 41, 120 (122). 43 Gemeint ist das eröffnete Konkursverfahren, vgl. schon Fn. 28. 44 s. unter 2. a); nicht von ungefähr änderte das RG dann ja schon selbst für Altfälle seine Linie. 45 Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen Band 23, Nr. 576; RG JW 1901, 755. 46 Vgl. den Hinweis zu dieser Entscheidung in RG JW 1901, 755 (756). 47 RG JW 1901, 755 (756). 48 Aus RGZ 18, 1, s. unter I. 2. b).

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Diese Erweiterung der Rechtsprechung auf Drei-Personen-Konstellationen sollte später noch bedeutend anwachsen49.

II. Entwicklung des Vollwertigkeitsgebots bei der Aufrechnung Bald nach dem Durchbruch der neuen Rechtsform der GmbH in der Praxis50 kam es ab 1900 zu einer wahren Flut von Aufrechnungsurteilen51. Die in der frühen Phase der Rechtsprechung noch im Vordergrund stehende Frage um die einseitige Aufrechnungsbefugnis des Gesellschafters war nunmehr eindeutig geklärt und somit verlagerte sich der Fokus der Entscheidungen. Regelmäßig verteidigte sich der im Konkurs der Gesellschaft auf Leistung der Einlage in Anspruch genommene Gesellschafter nun damit, dass bereits früher eine von der Gesellschaft verantwortete Aufrechnung (in aller Regel in der Form eines Aufrechnungsvertrags) vorgenommen worden sei und er deshalb die ausstehende Einlage nicht mehr schulde. 1. Leitentscheidung RGZ 54, 389 Das Vollwertigkeitsgebot erschien erstmals in einer Entscheidung vom 27. 4. 190352. Der Sachverhalt ist etwas verwirrend. Ein GmbH-Gesellschafter konnte oder wollte nicht die Mindesteinlage auf einen anlässlich einer Kapitalerhöhung übernommenen weiteren Geschäftsanteil leisten, sodass die Kapitalerhöhung zu scheitern drohte. Ein anderer Gesellschafter sprang ein, indem er eine ihm gegen die Gesellschaft zustehende Forderung zur „Verrechnung“ anbot. Die Gesellschaft stimmte zu und rechnete die Mindesteinlageforderung gegen den ersten Gesellschafter mithin vertragsweise mit der Forderung des zweiten Gesellschafters auf. Die Kapitalerhöhung wurde durchgeführt und die Gesellschaft nahm den ersten Gesellschafter, der die Mindesteinlage nicht geleistet hatte, auf Zahlung der Resteinlage in Anspruch. Der Gesellschafter bestritt seine Verpflichtung mit folgender Begründung: Infolge der Aufrechnung mit der Forderung des Dritten habe keine wirksame Einzahlung der Mindesteinlage stattgefunden. Die Versicherung der Geschäftsführer (§§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 GmbHG a.F.), den Betrag erhalten zu haben, sei daher unrichtig gewesen. Deswegen sei schon die Kapitalerhöhung gar nicht wirksam gewesen, sodass die Resteinlageforderung gar nicht hätte entstehen können und von ihm nicht zu leisten sei. 49

II. 2. c), III. Vgl. hierzu die Angaben bei Fleischer, in: MünchKomm/GmbHG, Einleitung Rn. 201. 51 Vgl. etwa RGZ 54, 389; 62, 425; 68, 121; 72, 265; RG Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Band 12 (1903), 155; 13 (1904) 255, 14 (1905); JW 1905, 92 und 700; 1907, 845; 1910, 119; 1914, 983; 1915, 516. 52 RGZ 54, 389; ebenfalls veröffentlicht in JW 1903, 248. 50

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

a) Geringe Entscheidungsrelevanz Allein aufgrund dieser Argumentation hatte sich das RG überhaupt mit dem Aufrechnungsvertrag zu beschäftigen. Das Gericht ging allerdings – übereinstimmend mit den Vorinstanzen – davon aus, dass die materielle Wirksamkeit der Aufrechnung nicht entscheidungserheblich sein könne53. Schon in der bisherigen Rechtsprechung des RG sei anerkannt gewesen, dass die materielle Wirksamkeit der Eintragung nicht von der sachlichen Richtigkeit der Versicherung abhänge54. Damit stand bereits fest, dass der Gesellschafter die Resteinlage schulden und den Prozess verlieren würde. Weitere Erwägungen zur Wirksamkeit der Aufrechnung der Mindesteinlage wären mithin gar nicht erforderlich gewesen. Auch in den Parallelveröffentlichungen der Entscheidung wird die eben skizzierte Begründung als die eigentlich tragende herausgestellt. In der Mitteilung der Entscheidung von Boyens55 werden die Erwägungen im Urteil zur materiellen Wirksamkeit der Aufrechnung überhaupt nicht erwähnt. Auch in RG JW 1903, 248 wird dieser Teil der Urteilsbegründung nur – sogar sinnentstellend – verkürzt wiedergegeben56. b) Erwägungen zum Vollwertigkeitsgebot Dass das RG die Frage der materiellen Wirksamkeit der Aufrechnung überhaupt aufgriff, lag allein daran, dass die Vorinstanzen insofern unterschiedliche Auffassungen vertreten hatten. Das LG hatte die Aufrechnung der Mindesteinlage schlechthin für ausgeschlossen gehalten. Das KG hatte dies zwar anders gesehen, die Wirksamkeit des Aufrechnungsvertrags aber dahinstehen lassen. Wegen des vom beklagten ersten Gesellschafter behaupteten misslichen Vermögensstands der Gesellschaft im Aufrechnungszeitpunkt hatte es nämlich an der „Wirkung als Zahlung“ erheblich Zweifel gehabt. Das RG57 hob zunächst, wie schon in RGZ 41, 120 hervor, dass es eine Pflicht zur baren Einzahlung der Mindesteinlage im GmbH-Recht nicht gebe und ferner das gesetzliche Aufrechnungsverbot des Gesellschafters (§ 19 Abs. 2 GmbHG) Aufrechnungsverträge mit fälligen Forderungen nicht ausschließe. Dass hierbei auch Forderungen Dritter verwendet werden konnten, war nicht neu58 und wurde auch gar

53

RGZ 54, 389 (390, 391). RGZ 54, 389 (393). 55 DJZ 1903, 369. 56 Auch in der Urteilsbesprechung von Hachenburg, DJZ 1903, 436 (439), wird die Vollwertigkeit der zur Aufrechnung verwendeten Forderung nicht thematisiert. 57 RGZ 54, 389 (391 f.). 58 s. bereits unter I. 3. b) a.E. 54

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nicht eigens hervorgehoben59. Durch die Aufrechnung mit der fälligen Forderung des Gesellschafters sei ein die Schuld des Inferenten deckender Wert in das Gesellschaftsvermögen gelangt. Den Anmerkungen des KG an der Wirksamkeit der Aufrechnung „zugebend“ fügte das RG allerdings an, dass die Wirksamkeit der Aufrechnung als Einzahlung bei nicht vollwertigen Forderungen „berechtigten Zweifeln“ unterliege60. Vollwertigkeit sei zu verneinen, wenn das Vermögen der Gesellschaft im Zeitpunkt der Aufrechnung nicht alle Schulden der Gesellschaft decke. Für eine solche Unterdeckung der Schulden bestanden nach dem RG indessen keine Anhaltspunkte im Fall. Die bloße Möglichkeit der Vermögensunzulänglichkeit, die „freilich immer denkbar ist“, reiche hierfür nicht aus. 2. Weitere Entwicklung a) Etablierung Angesichts der geringen Entscheidungsrelevanz des Vollwertigkeitsgebots in der Leitentscheidung überrascht es nicht, dass das Gebot zunächst selbst in einigen nachfolgenden, die GmbH betreffenden Entscheidungen des RG überhaupt nicht erwähnt wurde. Ein lediglich zwei Tage nach RGZ 54, 389 verkündetes Urteil61 verlangte für die Wirksamkeit der Aufrechnung nur die Fälligkeit der Gesellschafterforderung62. In einem anderen Fall63, der ähnlich wie die Leitentscheidung und die aktienrechtliche Entscheidung JW 1901, 75564 wiederum die „Aufrechnung“ mit einer Drittforderung betraf, wurde die Leitentscheidung zitiert65, ohne das Vollwertigkeitsgebot überhaupt zu erwähnen. In der Folge wuchsen dann offenbar die „berechtigten Zweifel“ aus RGZ 54, 389 zu einer festen Überzeugung: In zwei Ende 1904 wiederum zur GmbH ergangenen Entscheidungen hieß es bereits jeweils lapidar und ohne weitere Begründung, die Forderung des Gesellschafters müsse „fällig und vollwertig“ sein66. Auch die jeweils angeführte, das Vollwertigkeitsgebot scheinbar stützende Verweisung auf Düringer 59 Ebenso wenig problematisiert das Gericht, dass der Gesellschafter selbst offenbar der Aufrechnung nicht zugestimmt hatte. Hier ging es wohl wie selbstverständlich davon aus, dass der Aufrechnungsvertrag auch analog § 267 Abs. 1 S. 1 BGB durch einen Dritten geschlossen werden konnte. 60 RGZ 54, 389 (392). 61 RG Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Band 12 (1903), 155. 62 In der Entscheidung ist ferner missverständlich davon die Rede, bei der Aufrechnung müssten sich „gleich hohe Forderungen gegenüberstehen“. Gemeint war offensichtlich nur, dass die Gesellschafterforderung zur vollen Tilgung der Einlageforderung im Betrag mindestens gleich hoch sein müsse. 63 RG Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Band 13 (1904), 255. 64 I. 3. b) a.E. 65 RG Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Band 13 (1904), 255 (256). 66 Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Band 14 (1905), 142; JW 1905, 92.

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

ist unergiebig: An der zitierten Stelle67 stimmte Düringer lediglich dem RG darin zu, dass die Aufrechnung durch die Gesellschaft grds. zugelassen werden müsse, wenn sie sonst als „zwecklose Umständlichkeit“ erscheine. Das Gericht erweiterte seine bekannte Formel von der Zulässigkeit der Aufrechnung im Falle eines „zwecklosen Hin- und Herschiebens des Geldes“ bei Fälligkeit und Liquidität also schlichtweg auf die Vollwertigkeit68. Während in der Leitentscheidung noch besonders hervorgehoben worden war, dass die bloße Möglichkeit einer fehlenden Vollwertigkeit außer Betracht zu bleiben habe, heißt es in den beiden genannten Entscheidungen69 demgegenüber – auch insofern ohne Begründung –, die Gesellschafterforderung müsse „unzweifelhaft“ [fällig und] vollwertig sein. b) Konturierung Das Vollwertigkeitsgebot nebst Fälligkeit taucht sodann in einer ganzen Reihe weiterer Entscheidungen auf, von denen die meisten die GmbH betreffen70. Hachenburg bemerkte bereits 1910, das Vollwertigkeitsgebot entspreche der „seitherigen Erkenntnis“71. Schon bald wurden diese Grundsätze auf die Aufrechnung mit Bareinlageforderungen aus Kapitalerhöhungen übertragen72. aa) Vollwertigkeit Vollwertigkeit wurde bereits in der Frühphase der Rechtsfortbildung nicht immer einheitlich verstanden. Einigkeit herrschte nur darüber, dass es für die Vollwertigkeit auf die objektive Sachlage ankommen sollte73. In der Leitentscheidung und einigen späteren Entscheidungen wurde Vollwertigkeit mit fehlender Überschuldung gleichgesetzt74. In anderen Entscheidungen stellte das RG demgegenüber allein auf die Zahlungsfähigkeit75 ab und fügte vereinzelt sogar noch ausdrücklich hinzu, eine Überschuldung sei unschädlich76. Auffällig ist, dass in den letztgenannten Fällen 67 68 69

92.

Juristisches Literaturblatt 1903, 97 (100). Vgl. etwa RG JW 1907, 845. RG Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Band 14 (1905), 142; RG JW 1905,

70 RGZ 68, 121 (122); 72, 265 (268); vgl. auch die unter c) und d) behandelten Entscheidungen. 71 DJZ 1910, 938 (944). 72 RGZ 62, 425 (426) (Aufrechnungsverbot des Gesellschafters analog § 19 Abs. 2 GmbHG a.F.); RG JW 1926, 1153 (1154); 1938, 1400 (1401) (Zulässigkeit der Aufrechnung durch die Gesellschaft und beiderseitiger Aufrechnung bei Vollwertigkeit und Fälligkeit der Forderung). 73 Ausdrücklich RG JW 1932, 718 (719). 74 RGZ 54, 389, RG JW 1905, 700 (701); RGZ 72, 265 (268) („jedenfalls dann nicht“); RGZ 94, 61 (63). 75 RG JW 1907, 845 a.E. („mit Rücksicht auf die Zahlungsfähigkeit“); JW 1914, 983 (984). 76 RG JW 1914, 983 (984).

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jeweils eine Drei-Personen-Konstellation vorlag77. Allerdings wurde umgekehrt nicht in allen Drei-Personen-Konstellationen ausschließlich auf die fehlende Zahlungsunfähigkeit abgestellt78. Zuletzt wurde Vollwertigkeit sowohl bei Zahlungsunfähigkeit als auch bei Überschuldung ausgeschlossen79 bzw. gesagt, das Vermögen der Gesellschaft müsse ausreichen, um alle fälligen Forderungen der Gläubiger zu befriedigen80. In der letztgenannten Entscheidung lehnte das RG es insofern ab, die im Zuge einer Kapitalerhöhung geschaffenen weiteren Einlagen bei der Ermittlung des Vermögens anzusetzen81. bb) Fälligkeit und Liquidität Ebenso ernst wie mit der Vollwertigkeit war es dem Gericht auch mit Fälligkeit82 und Liquidität83. Beide Kriterien sind in den zitierten Entscheidungen allerdings nicht entwickelt worden, sondern nur erstmals entscheidungserheblich gewesen84. Beide Fälle betrafen wiederum die vertragsweise Aufrechnung. In RGZ 85, 351 hatte der Gesellschafter dem Geschäftsführer einen Zettel mit einer Aufstellung seiner ihm angeblich zustehenden Gegenforderungen gegen die GmbH übergeben; daraufhin hatte der Geschäftsführer die Aufrechnung mit der ausstehenden Einlage „zugesagt“. Den Zettel gab er aber erst etwa drei Monate später an den Buchhalter der Gesellschaft weiter, der nach Prüfung der Gesellschafterforderungen dem Gesellschafter die Beträge gutschrieb. In RG JW 1926, 1153 stand die zur Aufrechnung gestellte (Darlehens-)Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft zwar im Zeitpunkt der Aufrechnung der Höhe nach fest, war aber noch nicht fällig85. In beiden Fällen lag nach Dafürhalten des RG keine wirksame Aufrechnung vor. Dabei war es nach dem RG ohne Belang, ob die Abrede der Aufrechnung als unmittelbarer Vollzug der Aufrechnung oder als Versprechen künftiger, nach Eintritt

77

ter c). 78

Vgl. auch Ihrig, Freie Verfügung, S. 281 f.; allgemein zu diesen Konstellationen un-

Vgl. schon die Leitentscheidung RGZ 54, 389 (391); ebenso RG JW 1905, 700 (701). RG JW 1932, 718 (719). In RG JW 1938, 1400 (1401) wird demgegenüber wiederum nur auf die Zahlungsunfähigkeit abgestellt. 80 RG JW 1938, 1400 (1401). 81 RG JW 1938, 1400 (1401); überholt dagegen die weitere a.a.O. getroffene Annahme, für die Prüfung der Vollwertigkeit käme es auf den Zeitpunkt der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister an, da vorher noch keine Einlageforderung entstehe; kritisch bereits schon die Anm. von Boesebeck, JW 1938 1401 (1401 f.). 82 RG JW 1926, 1153. 83 RGZ 85, 351. 84 Anders als das Fälligkeits- wurde das Liquiditätskriterium nur selten ausdrücklich genannt, beiläufig aber schon RG JW 1907, 845. 85 Die Abrede war rund zwei Monate vor dem Fälligkeitszeitpunkt getroffen worden, RG JW 1926, 1153 (1154). 79

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

von Liquidität bzw. Fälligkeit zu vollziehender Aufrechnung aufzufassen sei86. Falls die Parteien die beiderseitige Tilgung im jeweiligen Zeitpunkt der Vereinbarung ohne spätere Erklärung gewollt hätten, sei hierdurch nicht lediglich ein Hin- und Herzahlen erspart worden. Denn die fehlende Liquidität bzw. die fehlende Fälligkeit standen dem entgegen. Die Aufrechnung sei daher nicht der „Barzahlung“ gleichgestanden87 und dem Gesellschaftsvermögen sei der Betrag der Einlageschuld nicht „wirklich zugeführt“ worden88. Das RG wollte es auch nicht genügen lassen, dass der Aufrechnungsvertrag möglicherweise von Gesellschafter und Gesellschaft um die spätere Feststellung der Forderung durch den Buchhalter bedingt89 bzw. um den Eintritt der Fälligkeit befristet90 worden war, die Aufrechnung mithin erst zu dem Zeitpunkt wirksam werden sollte, in dem die von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen auch vorlagen. Die Aufrechnung könne vielmehr nur wirksam sein, wenn sie gerade im Zeitpunkt von Liquidität und Fälligkeit auch tatsächlich vollzogen werde91. c) Drei-Personen-Konstellationen Wie bereits gezeigt92 tendierte das RG dazu, die Tilgung der Einlage auch mittels Forderungen Dritter zuzulassen. In den bislang skizzierten Entscheidungen ordnete das RG jedoch solche Drei-Personen-Konstellationen ohne weitere Problematisierung der Rechtsprechung zur Aufrechnung zu. Drei spätere Entscheidungen zur GmbH93 erhellen demgegenüber, warum das Gericht die Rechtsprechungsgrundsätze über Aufrechnungsverträge im eigentlichen Sinne hinaus auf die Leistung der Einlage an einen Dritten auf Anweisung der Gesellschaft erstrecken wollte. aa) „Aufrechnung“ mit Forderungen Dritter und Drittleistung Bereits die erste Entscheidung war in dieser Hinsicht lehrreich. In dem Fall waren die Gesellschafter „vor und bei der Gründung übereingekommen, daß Beklagter [der die Einlage schuldende Gesellschafter] die Schuld der Gesellschaft an T. übernehmen, diesen befriedigen und auf solche Weise seiner eigenen Einlageverbindlichkeit

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Für diese zweite Alternative fehlte es jeweils an einem späteren, tatsächlichen Vollzug der Aufrechnung, sodass das Gericht die – nur in RG JW 1926, 1153 (1154) ausdrücklich aufgeworfene – Frage, ob solch eine Abrede überhaupt wirksam getroffen werden kann, offenließ. 87 RGZ 85, 351 (354). 88 RG JW 1926, 1153 (1154). 89 „[V]orbehaltlich des Ergebnisses der Prüfung“, RGZ 85, 351 (354). 90 In RG JW 1926, 1153 (1154) hatte das Berufungsgericht dies offenbar angenommen und die Aufrechnung für wirksam gehalten. 91 Insofern ablehnend Hachenburg, JW 1926, 1153 (1154). 92 I. 3. b) a.E.; II. 1. 93 RG JW 1905, 700; JW 1907, 845; JW 1914, 983.

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nachkommen sollte“94. Fest stand, dass diese Abrede später auch vollzogen worden war, lediglich die Details ließen sich wohl nicht mehr klären. Die Ausführungen des RG einschließlich der dort enthaltenen Angaben der Beteiligten lassen jedenfalls verschiedene Deutungen zu: Der Inferent leistete seine Einlage schlicht auf Anweisung des Geschäftsführers bzw. mit dessen Genehmigung an T. (erste Variante); Inferent, Geschäftsführer und T. einigten sich darüber, dass die Forderung des T. auf die Einlage angerechnet werden sollte und der Gesellschafter leistete später Regress an T. (zweite Variante); der Inferent erwarb zunächst die Forderung von T., um in einem zweiten Schritt durch Vertrag mit dem Geschäftsführer aufzurechnen (und zahlte später den Kaufpreis an T., dritte Variante). Das RG erklärte die im Gründungsstadium getroffene Vereinbarung ausdrücklich für der Gesellschaft gegenüber nicht verbindlich, da sie gem. § 5 Abs. 4 GmbHG a.F. der Festsetzung bedurft hätte, ließ dessen ungeachtet die Tilgungswirkung des später vorgenommenen Vollzugsgeschäfts aber nicht an § 19 Abs. 3 GmbHG a.F. scheitern. Entscheidend sei allein, dass „eine vertragsmäßige Aufrechnung […] mit einer vollwertigen, fälligen Forderung des Gesellschafters durch das Gesetz nicht ausgeschlossen wird und daß diese Aufrechnung sich in der Weise vollziehen kann, daß der Gesellschafter die vollwertige fällige [Drittforderung] für Rechnung der [Gesellschaft] tilgt, die Gesellschaft die Geschäftsführung genehmigt und daraufhin sich für einen entsprechenden Teil der Einlageverbindlichkeit für befriedigt erklärt.“ bb) Keine Umgehung durch Leistung auf Anweisung In der zweiten Entscheidung stellte das Gericht erstmals, ohne insofern wieder von „Aufrechnung“ zu sprechen, klar, dass Einlagen mit befreiender Wirkung geleistet werden können, indem der Gesellschafter auf Anweisung des Geschäftsführers direkt an einen Gläubiger der Gesellschaft zahlt95. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer hatte zur Leistung seiner Resteinlage Gesellschaftsgläubiger befriedigt. Der zweite Geschäftsführer hatte hierzu (durch „Vertrag“) eingewilligt. Die Möglichkeit, auf solche Art die Einlage zu leisten, sei grds. möglich. Denn aufgrund der Zustimmung des zweiten Geschäftsführers handle sich nicht um den Fall, „wenn ein bloßer Gesellschafter Gesellschaftsgläubiger befriedige“(§ 267 BGB)96. Erforderlich sei aber, „daß die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger […] liquide und die Gesellschaft selbst solvent waren“97. Nur dann sei der Gesellschaft der volle

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RG JW 1905, 700. RG JW 1907, 845. Anders später RGZ 144, 138 (148 f.) für die Mindesteinlage im Aktienrecht mit derselben Begründung, mit der auch die Aufrechnung in diesem Fall für unzulässig gehalten wurde (§§ 294 Abs. 3, 183 Abs. 3 HGB a.F. als zwingende Regelung). 96 RG JW 1907, 845, ohne § 267 BGB freilich zu zitieren. 97 Die Fälligkeit der Drittforderung wird in dieser Entscheidung zwar nicht ausdrücklich erwähnt, aber vom RG wohl vorausgesetzt. 95

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

Geldwert der Forderung zugeflossen und ein unnötiges Hin- und Herschieben des Geldes vermieden worden98. Am deutlichsten ist die dritte Entscheidung99, in der das RG gleichsam die Konsequenzen aus Anerkennung der Drittleistung auf Anweisung und der Ähnlichkeit zu den Aufrechnungsfällen zog. Für entscheidend hielt das Gericht die Überlegung, dass die einschränkenden Voraussetzungen der Aufrechnung (mit Forderungen Dritter) nicht durch die Leistung der Einlage an einen Dritten umgangen werden dürften100 : Die „schlichte“ Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers (§ 267 BGB) ohne Anweisung oder Absprache mit der Gesellschaft führt ja zu einem Regressanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft. Dieser konnte nach der – inzwischen feststehenden – Rechtsprechung nur bei Fälligkeit, Liquidität und Vollwertigkeit der Gesellschafterforderung im Einvernehmen mit der Geschäftsleitung gegen die Einlageforderung aufgerechnet werden. Wenn § 362 Abs. 2 BGB es alternativ ermögliche, die Einlage mit Einverständnis der Geschäftsleitung unmittelbar befreiend an den Dritten abzuführen, seien hieran, so das RG, die „nämlichen Anforderungen“ zu stellen wie an die erste Alternative: „Da das Gesetz eine Geldeinlage verlangt, kann die Entrichtung der Einlage an den Dritten nur zugelassen werden, wenn der Dritte eine fällige und vollwertige Forderung gegen die Gesellschaft hat, so daß durch die Zahlung in Verbindung mit der zwischen dem Dritten und der Gesellschaft erfolgenden Verrechnung keine andere Wirkung entsteht als die Ersparung eines zwecklosen Hin- und Herschiebens von Geldstücken.“

d) Übertragung in das Aktienrecht aa) Aufrechnung und Befreiungsverbot Mit der Entscheidung vom 22. Oktober 1918101 wurde das Vollwertigkeitsgebot erstmals auch für die Aufrechnung bei der Aktiengesellschaft verlangt. Dies war nur folgerichtig102 und wurde im aktienrechtlichen Schrifttum bereits vertreten103. In dem Fall lag eine sanierende Kapitalerhöhung einer überschuldeten AG vor. Der beklagte Gesellschafter hatte im Einvernehmen mit dem Vorstand die gesamte Bareinlageverbindlichkeit mit einer ihm bereits vor der Kapitalerhöhung zustehenden Forderung aufgerechnet. Gemäß dem klagenden Konkursverwalter war dies bereits bei Zeichnung der neuen Aktien verabredet worden. Das RG hielt die Tilgung der Resteinlage104 für grundsätzlich möglich. Bei nicht „gleichwertigen“ Forderungen 98

RG JW 1907, 845. RG JW 1914, 983. 100 Vgl. zum Folgenden auch Brodmann, GmbHG, § 19 Anm. 3c. 101 RGZ 94, 61. 102 Die Aufrechnung war ja seither im GmbH- und Aktienrecht, von der Sonderregel des § 19 Abs. 3 GmbHG abgesehen, gleichbehandelt worden, s. nur II. 2. d). 103 Vgl. Pinner, in: Staub, Handelsgesetzbuch, 9. Aufl. 1912, § 221 Anm. 4. 104 Zutreffend wurde die Tilgung der Mindesteinlage verneint, s. bereits I. 3. 1. 99

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liege allerdings ein Verstoß gegen das Befreiungsverbot (§ 221 S. 1 HGB a.F.) vor. Eine Anrechnung des werthaltigen Teils der Forderung komme nicht in Betracht, da dessen Ermittlung auf unsicheren Schätzungen beruhe, das Gesetz aber eine Vollwertigkeit außer jedem Zweifel verlange. bb) Umgehung durch Hin- und Herzahlen Wiederum in einer aktienrechtlichen Entscheidung wendete sich das Gericht später erstmals der Frage zu, ob die einschränkenden Aufrechnungsvoraussetzungen durch ein abgestimmtes Hin- und Herzahlen umgangen werden könnten105. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatten im Zuge einer Barkapitalerhöhung verwickelte Hin- und Herzahlungen zwischen dem Inferenten und der Gesellschaft stattgefunden. Der Gesellschafter hatte seine Einlage in verschiedenen Raten teils bar, teils durch Überweisung eingezahlt. Die Gesellschaft hatte diese Zahlungen durch verschiedene Tilgungsleistungen für Darlehens- und Provisionsansprüche des Gesellschafters teils vor-, teils refinanziert. Das Berufungsgericht sah hierin die Umgehung einer – wegen angenommener Zahlungsunfähigkeit – unzulässigen Aufrechnung und hielt die Einlageforderung wegen § 221 HGB a.F. daher für nicht getilgt106. Das RG hielt die Umgehung des § 221 HGB a.F. durch Hin- und Herzahlungen ebenfalls zwar grds. für möglich, „wenn feststeht, daß nach den Umständen des Falles nichts anderes als eine Umgehung des […] Aufrechnungsverbotes gewollt ist“107. In dem konkreten Fall sah es indessen einen entsprechenden Willen der Beteiligten nicht als erwiesen an.

III. Übertragung auf Abtretung und Pfändung Die Entwicklung des Vollwertigkeitsgebots bei Abtretung und Pfändung der Einlageforderung weist gewisse Ähnlichkeiten zur Aufrechnung auf. Auch hier galt es zunächst, die Zulässigkeit der Übertragbarkeit der Einlageforderung überhaupt anzuerkennen; im Unterschied zur Aufrechnung ergab sich die Lösung dieser Frage nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Im weiteren Verlauf wurden dann Abtretung und Pfändung immer strengeren Voraussetzungen unterworfen.

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RGZ 152, 292. Vgl. RGZ 152, 292 (298). 107 RGZ 152, 292 (300). Nicht ganz klar ergibt sich aus der Entscheidung, ob das RG die Vollwertigkeitsgrundsätze hier erstmalig aus dem einseitigen Aufrechnungsverbot ableiten wollte (vgl. Ls. 2 der Entscheidung). In der Sache ging es jedenfalls um eine Umgehung des Vollwertigkeitsgebots. 106

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

1. Ausgangspunkt: Kein Vollwertigkeitsgebot a) Früher Standpunkt des RG Einen Meilenstein markierte zunächst die Entscheidung v. 23. 6. 1911108, in der das Gericht die Zulässigkeit der Pfändung der (GmbH)-Einlageforderung anerkannte und gleichzeitig zu erkennen gab, dass für die Abtretung nicht anders zu entscheiden sein würde. Eine in einem frühen Urteil beiläufig geäußerte Bemerkung fand hierdurch Bestätigung109. Bemerkenswerterweise setze sich das Gericht in dieser Entscheidung mit Fragen des Kapitalschutzes gar nicht auseinander, sondern begründete lediglich, warum weder § 717 BGB ein Abspaltungsverbot der Einlageforderung begründe, noch § 399 Alt. 1 BGB i.V.m. § 46 Nr. 2 GmbHG der Übertragbarkeit entgegenstehe110. Erst eine dritte Entscheidung111 gibt Aufschluss darüber, warum das Gericht einen Gegensatz von Kapitalaufbringung zu Abtretung und Pfändung der Einlageforderung nicht erkennen konnte. Ein Gesellschaftsgläubiger hatte eine Einlageforderung pfänden und sich überweisen lassen. Der daraufhin verklagte Inferent wandte u. a. ein, mit erfolgreicher Pfändung sei auch das einseitige Aufrechnungsverbot weggefallen, sodass er nunmehr mit einer Forderung gegen die Gesellschaft habe aufrechnen können. Nach Pfändung könne die Einlageforderung dagegen nicht mehr der Erhaltung112 des Stammkapitals dienen. Das RG setzte dem einen für den Fortgang der Untersuchung zentralen Gedanken entgegen: Schutz des Stammkapitals und einseitiges Aufrechnungsverbot bezweckten nicht, dass die Einlagen gegenständlich in das Vermögen der Gesellschaft gelangen müssten; anderenfalls müsse man die Übertragbarkeit der Einlageforderung überhaupt ausschließen. Es komme also nicht darauf an, ob die zu übertragenden Gelder oder Mittel Eigentum der Gesellschaft werden. Das Gesellschaftsvermögen diene gerade auch der Begleichung von Schulden, nicht nur der Beschaffung von Betriebsmitteln. Außerdem seien die Mittel nach Einzahlung ohnehin dem Zugriff aller Gläubiger preisgegeben. Leiten ließ sich das Gericht von der Überlegung, dass es ohne Belang sei, ob die Gesellschaft die Einlageforderung einzieht und den eingezogenen Betrag zur Befriedigung der Gläubiger einsetzt, oder die Forderung unmittelbar auf den Gläubiger überträgt. RGZ 102, 385 übertrug diese Überlegung auf das Aktienrecht. Die AG darauf zu ver108 RGZ 76, 434; ebenso RG Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 1912, 315. 109 RGZ 36, 108 (113): „Er [scil.: der Einlagenanspruch] ist Teil des Gesellschaftsvermögens und als solcher Gegenstand des Angriffes der Gesellschaftsgläubiger gemäß den Vorschriften der §§ 729 flg. C.P.O.“. 110 RGZ 76, 434 (436 f.); ebenso wenig sollte § 46 Nr. 2 GmbHG nach Pfändung oder Abtretung zur Geltendmachung der Einlageforderung einen Einforderungsbeschluss erforderlich machen, a.a.O. (438 f.). 111 RGZ 85, 351. 112 Hier ist tatsächlich nicht etwa von Aufbringung, sondern von Erhaltung des Kapitals die Rede, RGZ 85, 351 (352); vgl. dazu unter § 3 I.

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pflichten, das zur Gläubigerbefriedigung dienende Vermögen erst einzuziehen und anschließend die Schulden zu begleichen, sei eine „leere Förmlichkeit“, die zudem den umständlichen Weg der doppelten Leistung nach sich ziehe113. Die frühe Rechtsprechung kam also bei Abtretung und Pfändung (bewusst) ohne das Vollwertigkeitsgebot aus, dabei hätte zumindest in RGZ 85, 351 das Gericht unter diesem Gesichtspunkt allen Anlass gehabt, die Zulässigkeit der Pfändung in Zweifel zu ziehen: Nur 18 Tage, nachdem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergangen waren, war über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden. b) Kontroverse im Schrifttum In der Literatur traf das RG neben verbreiteter Zustimmung114 auch auf Kritik115. Vor allem Brodmann trat in seinen beiden Kommentaren116 dem vorherrschenden Standpunkt entschieden entgegen. Schon § 399 Alt. 1 BGB stehe der Abtretbarkeit aufgrund der besonderen Zweckbestimmung der Einlageforderung, dem Einflussverlust des Gesellschafters auf die Einforderungsentscheidung (vgl. § 46 Nr. 2 GmbHG), sowie dem Verlust des Rechts auf gleichmäßige Heranziehung (§ 19 Abs. 1 GmbHG) und des Kaduzierungsverfahrens entgegen. Außerdem sei ja nicht gesichert, dass die Abtretung gerade zur Gläubigerbefriedigung eingesetzt werden würde117; als abstrakte Verfügung müsse man etwa auch eine Abtretung donandi causa zulassen118. Wenigstens dürfe „die Zession nur gegen vollwertige Valuta zulässig“ sein; die Pfändung hingegen müsse unbedingt ausgeschlossen werden, da „in diesem Falle die Schuld [der Gesellschaft] sicher nicht vollwertig“ sei119. 2. Änderung der Rechtsprechung a) Vollwertige Gegenleistung bei kaufweiser Veräußerung Mit RGZ 124, 380 setzte die Abkehr von dem anfänglich liberalen Standpunkt des RG ein120. Eine zusammengebrochene AG hatte noch ausstehende Sacheinlageforderungen auf Einbringung von Grundstücken. Da der Konkursverwalter keine li113

RGZ 102, 385 (386). Scholz, GmbHG, 1. Aufl. 1928, § 19 V. 1. m. w. Nachw. 115 Vgl. die umfangreiche Zusammenfassung bei Rospatt, Zentralblatt für Handelsrecht 1932, 30 ff. 116 Aktienrecht, 1928, Anm. 6 a); GmbHG, 2. Aufl. 1930, § 19 Anm. 6 a). 117 Ebenso schon Oertmann, JW 1921, 1456 f. 118 Vgl. auch Feine, in: Ehrenberg, Band III Abt. 3, S. 300. 119 s. Fn. 116. 120 Vgl. R. Fischer, in: Großkomm/AktG, 2. Aufl. 1961, § 60 Anm. 21 („entscheidende Wendung“). 114

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

quiden Mittel für die Kosten der erforderlichen Prozessführung vorfand, veräußerte er mit Genehmigung von Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung das gesamte Gesellschaftsvermögen einschließlich der Einlageforderungen an den Kläger. aa) Wirtschaftlich angemessener Wert Das Berufungsgericht, das in dem Austauschgeschäft keinen Verstoß gegen § 138 BGB (kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung) hatte feststellen können und daher dem Kläger Recht gegeben hatte, wurde vom RG insofern zwar bestätigt. Zusätzlich verlangte das Gericht jedoch, dass die Gesellschaft ein dem Wert der abgetretenen Einlageforderungen angemessenes und vollwertiges Entgelt habe erhalten müssen. Der genaue Inhalt der beschränkenden Abtretungsvoraussetzungen wurde in diesem Urteil leider alles andere als deutlich herausgestellt. Entgegen einer ersten flüchtigen Betrachtung verlangte das RG nicht, obgleich in dem Urteil der Begriff „Vollwertigkeit“ auftaucht, einen den Nennwert der Forderung deckendes Entgelt. Abgestellt wurde vielmehr auf den wirtschaftlichen Wert der Forderung121. Das RG hätte ansonsten den Fall gar nicht zur Prüfung von „Angemessenheit“ und „Vollwertigkeit“ an das OLG zurückverweisen122 müssen: Die Höhe des Nennwerts der Einlageforderung belief sich auf zwei Millionen RM, die des Abtretungsentgelts lediglich auf 200 RM123 ; die fehlende Deckung des Nennwerts wäre also ohne weiteres feststellbar gewesen. Noch dazu handelte es sich um eine Sacheinlageforderung; der tatsächliche Wert einer Sacheinlage musste aber nach damaliger Rechtslage ohnehin nicht den Nennwert decken124. Die Abtretung sei nur unwirksam, wenn „der vereinbarte Gegenwert zu gering, also dem Wert des abgetretenen Anspruchs nicht angemessen“125 sei. bb) Missverständnisse Der in dem Urteil an anderer Stelle auftauchende Satz, entscheidend sei, dass die Einlage „der Gesellschaft voll zufließe“, war also irreführend. Gemeint war damit lediglich, dass die Gesellschaft ebenso wie bei der bestimmungsgemäßen Ausübung des Einlageforderungsrechts auch bei deren „wirtschaftlicher Realisierung“ im Wege 121

Ebenso die Deutung bei Nußbaum, JW 1929, 3006 (3007). Vgl. RGZ 124, 380 (383). 123 RGZ 124, 380 (381). 124 Nach dem KG bestand bei der GmbH hinsichtlich der Bewertung von Sacheinlagen Vertragsfreiheit und eine Werthaltigkeitsprüfung durch das Registergericht habe zwingend zu unterbleiben, KGJ 38, 161 (170); deutlich KGJ 44, 146 (148) (nicht einmal Evidenzkontrolle bei willkürlich angesetzten Werten); 45, 175 (177 f.); JW 1934, 1124 (1125). Auch das RG neigte zunächst dieser Ansicht zu, RGZ 141, 204 (212), RG JW 1935, 2890 (2891); anders erst RGZ 155, 211 (214 ff.); 159, 321 (335 f.). 125 RGZ 124, 380 (383); Hervorhebung nicht im Original. 122

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der Veräußerung das Maximale herausholen sollte. Zusätzlich verstand das Gericht in dieser Entscheidung die Angemessenheit des Entgelts wohl auch als eine Art „Evidenzkontrolle“: Wenn der Zessionar die Forderung gegen ein angemessenes Entgelt erwirbt, erscheint es weniger wahrscheinlich, dass sich hinter der Veräußerung nur eine verdeckte Umgehung des Befreiungsverbots verbirgt126. So aber war die parallele Verwendung von „Vollwertigkeit“ und „Angemessenheit“ geeignet, Verwirrung zu stiften. Die Vermutung von Nußbaum, dem RG habe möglicherweise eine differenzierende Lösung vor Augen geschwebt127, wird durch die Begründung nicht belegt128. Zu allem Überfluss wurde das eigentlich Gemeinte – der wirtschaftliche Wert der Forderung – auch noch durch einen zweifelhaften Hinweis auf Brodmann129 verdunkelt. Bezeichnenderweise ist das Erfordernis der „Angemessenheit“ aus RGZ 124, 380 denn auch schnell in Vergessenheit geraten130. b) Übertragung auf die Pfändung Mit RGZ 133, 81 wurde das Vollwertigkeitsgebot schließlich auf die Pfändung übertragen131. Zur Begründung verwies das Gericht auf RGZ 124, 380 und legte zunächst dar, dass die Abtretung der GmbH-Einlageforderung nicht anderes zu behandeln sei. Wenn danach die Einlageforderungen nicht an Erfüllung statt auf nicht vollwertige Drittforderungen abgetreten werden könnten, müsse selbiges auch für die Pfändung gelten. Auch in der – zu dieser Zeit bereits feststehenden – Rechtsprechung zur Aufrechnung mit Einlageforderungen sei ja anerkannt, dass es entscheidend auf einen vollen Zufluss der Leistung an die Gesellschaft ankomme. Das RG vermochte gar wegen dieser bei der Aufrechnung anerkannten Grundsätze in RGZ 133, 81 nicht einmal einen Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung erblicken. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Vollwertigkeit sollte der 126 Umgekehrt begründet eine besonders preisgünstige Veräußerung der Einlageforderung den Verdacht, der Zessionar könnte absprachegemäß den erzielten Vorteil an den Gesellschafter weiterreichen, vgl. Cahn, Vergleichsverbote, S. 123. 127 Vollwertiges Entgelt bei Abtretung durch die Geschäftsleitung, nur angemessenes Entgelt hingegen bei Abtretung durch den Konkursverwalter, JW 1929, 3006. 128 Im Gegenteil heißt es sogar ausdrücklich: „Der hier vertretene Standpunkt gilt für die Abtretung solcher Ansprüche […] gleicherweise innerhalb wie außerhalb des Konkursverfahrens.“, RGZ 124, 380 (383). 129 Dieser meinte mit vollwertigen Valuta nämlich in der Tat den Nennwert, s. unter 1. c). Zu der zweiten vom RG zitierten Literaturstelle vgl. Nußbaum, JW 1929, 3006 (3007). 130 Schon in den nächsten Entscheidungen, in der das RG ausdrücklich an diese Entscheidung anknüpft, ist nur noch von einem lediglich vollwertigen Entgelt die Rede, vgl. RGZ 133, 81 (82); 149, 293 (295). Diese Entscheidungen betrafen freilich auch nur Fälle der Pfändung, bei denen als Gegenstand vollwertiger Kompensation ohnehin nur die Befreiung von einer Verbindlichkeit in Betracht kommt. In der Literatur wurde es, von Ausnahmen wie J. Schumacher, JW 1936, 3153 abgesehen, kaum aufgegriffen. 131 In RGZ 131, 146 hatte das Gericht die Pfändung einer Stammeinlage noch als wirksam erachtet, ohne die Vollwertigkeit zu problematisieren.

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

„Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sein“132 ; sofern es dann an Vollwertigkeit fehle, sei der Beschluss unwirksam133; neben der Vollwertigkeit wurde keine „Angemessenheit“ verlangt134. 3. Ausnahmen bei „Zweckfortfall“ der Einlage Heutzutage sind Abtretung und Pfändung von Einlageforderungen häufig nur wirksam, wenn eine Ausnahme vom Vollwertigkeitsgebot vorliegt135. Diese Ausnahmetatbestände finden ihren Ursprung ebenfalls in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung a) Vollbeendigungsgleicher Zustand Die erste Entscheidung zur Ausnahme vom Vollwertigkeitsgebot (RGZ 149, 23) erging im Jahre 1935. Der Kläger hatte eine offene Einlageforderung gegen den beklagten Gesellschafter pfänden lassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb bereits eingestellt und war wenig später wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht worden136. Obwohl also die Forderungen des Pfändungsgläubigers gegen die GmbH kaum vollwertig gewesen sein konnten, sah das RG die Pfändung als wirksam an. Zwar gelte § 19 Abs. 2 GmbHG grds. auch im Liquidationsstadium (§ 69 Abs. 1 GmbHG)137. Allerdings sei hieran nicht festzuhalten, wenn die ratio der Vorschrift, den Erhalt der Kapitalgrundlage zu sichern, weggefallen und die Einlageforderung zum gewöhnlichen Befriedigungsgegenstand geworden sei. Ein solcher Fall liege jedenfalls dann vor, wenn alle Gesellschaftsgläubiger befriedigt, die Vermögensgegenstände im Wesentlichen versilbert, der Geschäftsbetrieb eingestellt und die Entstehung neuer Verbindlichkeiten, die nicht aus noch vorhandenen Barbeständen befriedigt werden könnten, nicht zu erwarten sei138. Ein solcher Zustand sei nämlich mit demjenigen einer Vollbeendigung der Gesellschaft nach Abwicklung vergleichbar139. Die Vollbeendigung war nach Ansicht des RG im Allgemeinen allein dadurch gekennzeichnet, dass die Gesellschaft über kein nen132 RGZ 133, 81 (83); genauer RGZ 149, 293 (295): Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner. 133 RGZ 133, 81 (83 f.). 134 Unberechtigte Kritik daher bei J. Schumacher, JW 1936, 3153 (3154), der von einer Übertragung des Angemessenheitserfordernisses auch auf die Abtretung an Erfüllung statt und die Pfändung ausging. 135 Dazu unter § 4 I. 3., § 9 I. 2. 136 Heute § 394 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 262 Abs. 1 Nr. 6 AktG, § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG. 137 Vgl. auch schon RGZ 124, 264 (273). 138 RGZ 149, 293 (298). 139 RGZ 149, 293 (299).

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nenswertes Vermögen verfügt140. Diese Situation lag freilich gerade nicht vor, da bei der GmbH in Gestalt der Einlageforderung ja noch Vermögen vorhanden war. In einem solchen Fall kann ungeachtet der Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit an sich eine Nachtragsliquidation durchgeführt werden141. Wenn außer der Einlageforderung kein nennenswertes Vermögen und zudem bis auf den pfändenden Gläubiger keine weiteren Gläubiger mehr existierten, sei aber – so das Gericht – der „Geschäftsbetrieb über den Abwicklungsstand hinaus aufgehoben“. Eine Nachtragsliquidation sei ohnehin sinnlos, da der Liquidator nichts anderes zu tun hätte, als die Einlageforderung gegenüber dem Gesellschafter einzuziehen und mit dem Erlös den Gläubiger zu befriedigen. Das Gericht räumte zwar bzgl. der ersten Voraussetzung die „entfernte Möglichkeit“ ein, dass unbekannte Gesellschaftsgläubiger noch existierten, sah aber hierin kein entscheidendes Argument gegen die Zulässigkeit der Pfändung142. Begründet wurde dies zunächst mit dem Hinweis auf eine frühere Entscheidung zur Einlagenleistung an einen Dritten auf Anweisung der Gesellschaft143. In der Tat hatte der I. Senat in dieser Entscheidung den Einwand, dass der Gesellschafter durch diese Leistung nur einzelne, nicht aber sämtliche Gläubiger der Gesellschaft gleichmäßig befriedigt hatte, zurückgewiesen. Hierin liegt freilich kein schlagendes Argument für die in RGZ 149, 293 entwickelte Auffassung, da in der zur Leistung auf Anweisung ergangenen Entscheidung eben gerade noch die Vollwertigkeit der Drittforderung verlangt worden war144. Zweitens wies das Gericht darauf hin, dass auch in Liquidation und Konkursverfahren lediglich die Gläubiger Berücksichtigung finden, die ihre Ansprüche angemeldet haben. b) Masselosigkeit Auch in der zweiten Entscheidung (RGZ 156, 23) war die Gläubigerforderung im Zeitpunkt der Pfändung offensichtlich nicht vollwertig gewesen, da bereits zuvor zwei Konkursverfahren eröffnet und wegen Masselosigkeit wieder eingestellt worden waren. Die AG verfolgte ihren Geschäftsbetrieb bereits seit längerer Zeit nicht mehr und war bald nach der Pfändung ebenfalls wegen Vermögenslosigkeit aus 140 Entgegen des Berufungsgerichts sah es das RG daher als unerheblich an, dass die Gesellschaft zwischenzeitlich aus dem Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden war. Hierdurch sei die GmbH als juristische Person nicht erloschen, da die Eintragung rein deklaratorisch wirke, RGZ 149, 293 (296 f.); weitere Nachw. zur Rspr. des RG bei H.-F. Müller, in: MünchKomm/GmbHG, § 74 Rn. 29; zur heute h.M., die zusätzlich die Eintragung der Löschung verlangt („Doppeltatbestand“) und zu abweichenden Ansichten eingehend Berner, in: MünchKomm/GmbHG, § 60 Rn. 30 ff. 141 Heute § 264 Abs. 2 AktG, § 66 Abs. 5 GmbHG; nicht zu verwechseln mit dem Fall einer Nachtragsliquidation, nachdem bereits vorher eine Liquidation stattgefunden hat, Koch, in: Hüffer/Koch, § 264 Rn. 12. 142 RGZ 149, 293 (298 f.). 143 RG JW 1907, 845. 144 Dazu oben unter II. 2. b) aa).

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

dem Handelsregister gelöscht worden. Das RG legte daher zunächst ausführlich dar, dass in Bezug auf die Gesellschaft die von RGZ 149, 293 aufgestellten Voraussetzungen der freien Pfändbarkeit der Einlageforderung vorlagen145. Im Unterschied zur ersten Entscheidung stand allerdings fest, dass noch weitere unbefriedigte Gesellschaftsgläubiger vorhanden waren. Es lag daher kein vollbeendigungsgleicher Zustand vor, sondern selbst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hätte noch eine Nachtragsliquidation stattfinden, die Einlage der Gesellschaft voll zugeführt werden und eine Verteilung unter den Gläubigern vorgenommen werden können. Freilich hatte das Gericht schon in der ersten Entscheidung angedeutet, dass eine Gläubigerkonkurrenz der freien Pfändbarkeit möglicherweise nicht entgegenstehen würde. Dies sprach das RG nunmehr auch entscheidungserheblich aus. Die Kapitalgrundlage sei selbst dann weggefallen, wenn die anderen Gläubiger ihre Ansprüche noch weiter verfolgen wollten und mit der Pfändung des Gläubigers nicht einverstanden seien146. Befreiungsverbot und Vollwertigkeitsgebot könnten ohnehin keine gleichmäßige Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger garantieren, denn eingezogene Einlagen könnten zugunsten einzelner Gläubiger eingesetzt werden. Erst mit Eintritt der Konkursreife und der Eröffnung des Konkursverfahrens würde eine verhältnismäßige Befriedigung der Gläubiger Platz greifen. Werde kein Konkursverfahren eröffnet und komme es auch sonst nicht zur Liquidation147, stehe das Befreiungsverbot einer Pfändung nicht mehr entgegen, da es ansonsten in Verkehrung seines Zwecks zum Schutz des Gesellschafters mutieren würde. Einem einzelnen Gläubiger könne nicht die Beantragung weiterer Konkursverfahren oder die Leistung eines Vorschusses an einen Liquidator zugemutet werden, damit dieser die Einlageforderung einklage. Davon würden ungerechtfertigterweise auch die Gläubiger profitieren, die nicht zu einer Kostenbeteiligung bereit sind. Dies gelte umso mehr, als dass die Einlageforderung bestritten und ernstlich zweifelhaft sei148. Umgekehrt käme eine erfolgreiche Klage des Pfändungsgläubigers den anderen Gläubigern zugute, da diese dann ebenfalls pfänden oder einen Liquidator bestellen lassen. 4. Exkurs: Gleichbehandlungsgrundsatz In der Rechtsprechung des RG um die Abtretung und Pfändung der Einlageforderung taucht mitunter die Frage auf, inwiefern der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Gesellschafter (vgl. heute § 53a AktG) Schranken zieht. Allerdings 145

RGZ 156, 23 (26 f.). „Aber auch wenn dieses Einverständnis nicht vorlag, verstößt das Vorgehen des Klägers nach den besonderen Umständen des Falles nicht gegen den Zweck des § 221 HGB.“, RGZ 156, 23 (28). 147 In der Terminologie des RG „Abwicklung“, vgl. heute §§ 264 ff. AktG. 148 Vgl. die Ausführungen in RGZ 149, 23 (29 ff.). 146

§ 2 Gang der Spruchpraxis

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ist kein Fall bekannt, in dem das Gericht im Ergebnis tatsächlich einen Gleichbehandlungsverstoß annahm und die Einziehung derEinlage durch den Zessionar bzw. den Pfändungsgläubiger unter diesem Gesichtspunkt beschränkte. a) Schutz auf „Primärebene“? Denkbarer Anknüpfungspunkt einer Gleichbehandlung der Gesellschafter sind zunächst Abtretung (oder Pfändung) selbst. In einer genossenschaftsrechtlichen Entscheidung149 fasste der II. Zivilsenat den damaligen Standpunkt der Rechtsprechung zur Übertragbarkeit von Einlageforderungen im Aktien- und GmbH-Recht zusammen und führte nach Hinweis auf das Vollwertigkeitsgebot aus150 : „Auch muß bei der Abtretung und Pfändung der Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre und der Gesellschafter gewahrt werden. Daraus folgt, daß die Gesellschaft z. B. bei der Abtretung nicht die Ansprüche gegen einzelne bestimmte Gesellschafter herausgreifen kann, sondern auch insoweit gegenüber allen Gesellschaftern in gleicher Weise verfahren muß. Es liegt auf der Hand, daß wegen dieser weiteren Voraussetzungen151 die Möglichkeit einer rechtswirksamen Abtretung und Pfändung solcher Einlageforderungen tatsächlich vielfach entfallen wird.“

b) Schutz auf „Sekundärebene“ Obwohl RGZ 135, 55 den Anschein erweckt, findet dieser „primärebenen-bezogene“ Gleichbehandlungsschutz in der gesamten Rechtsprechung des RG keinen Rückhalt. Bereits in der grundlegenden Entscheidung RGZ 76, 434 hatte das RG keine gleichmäßige Pfändung aller Einlageforderungen verlangt (Primärebene), sondern nur ausgesprochen, dass die Einlageforderung mit ihrem ursprünglichen Leistungsinhalt auf den Pfändungsgläubiger übergehe. Da nach § 19 Abs. 1 GmbHG der Geschäftsführer152 die Gesellschafter aber grds. nur gleichmäßig im Verhältnis der Höhe ihrer jeweiligen Geldeinlagen zur Aufbringung der Bareinlagen heranziehen kann, könne der Gesellschafter dies auch einem anderen Forderungsinhaber entgegenhalten153. Der Gleichbehandlungsschutz sollte also erst nach Übergang der Forderung auf den Zessionar eingreifen (Sekundärebene). Lediglich sollte sich der in Anspruch genommene Gesellschafter nicht auf Gleichbehandlung berufen können, wenn der andere Gesellschafter zahlungsunfähig war154. Es fehlt jeder Hinweis darauf, dass das RG in dieser Frage zwischen Abtretung und Pfändung differenzieren 149

RGZ 135, 55. RGZ 135, 55 (57). 151 Gemeint ist neben dem Gleichbehandlungsgrundsatz auch das Vollwertigkeitsgebot. 152 Im Aktienrecht galt Entsprechendes, vgl. die Nachw. bei Rospatt, Zentralblatt für Handelsrecht 1932, 30 (32). 153 RGZ 76, 434 (437); bestätigt in RGZ 133, 81 (82); 149, 293 (300); anders aber eine Entscheidung zum nicht rechtsfähigen Verein, RGZ 76, 276 (282). 154 RGZ 149, 293 (300 f.). 150

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und bei der Abtretung einen primärebenen-, bei der Pfändung einen sekundärebenenbezogenen Gleichbehandlungsschutz verwirklichen wollte. Zwar wird in RGZ 135, 55 ausdrücklich nur von der gleichmäßigen Abtretung aller Einlageforderung gesprochen, während die Fälle zur gleichmäßigen Einziehung155 dagegen durchweg die Pfändung betreffen. In einer späteren Entscheidung werden aber auch Zessionar und Pfandgläubiger als möglicher Adressat der Einrede aus § 19 Abs. 1 GmbHG benannt; überhaupt wurden Abtretung und Pfändung ja auch in den sonstigen Fragen stets gleich behandelt156.

§ 3 Analyse der Rechtsfortbildung Bei der nun anzugehenden Analyse soll zunächst der Fokus auf das einseitige Aufrechnungsverbot gelegt werden (I.). Anschließend wird die Dogmatik des Vollwertigkeitsgebots bei der Aufrechnung durch die Gesellschaft näher beleuchtet (II., III.)157. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch abschließend die Ausdehnung der Rechtsprechung auf die Drei-Personen-Konstellationen besser nachvollziehen (IV.).

I. Ratio des einseitigen Aufrechnungsverbots 1. Sicherung der Risikokapitalbeteiligung Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, worin genau das einseitige Aufrechnungsverbot seine Rechtfertigung findet. Was soll es heißen, dass die Gewähr des Grundkapitals zum Schein herabgedrückt wird, und warum ergibt sich der einseitige Ausschluss der Gesellschafteraufrechnung bereits aus einer konkludenten Vereinbarung bei Übernahme der Geldeinlage158 ? a) Erhaltung der Einlageforderung Die Beeinträchtigung der Sicherung des Grundkapitals hängt zunächst damit zusammen, dass dem Gesellschafter bei unmodifizierter Geltung der §§ 387 ff. BGB mit Eintritt der Aufrechnungslage deren Sicherungswirkung zugutekommen würde. 155

s. Fn. 153. Vgl. unter III. 1 – 3. Abwegig erscheint die Überlegung, dass Abtretung und Pfändung durch einen „doppelten“ Gleichbehandlungsschutz eingeschränkt werden sollten, dass also sowohl die gleichmäßige Übertragung, als auch die gleichmäßige Einziehung verlangt wurde. 157 Zunächst ausgespart bleibt dagegen der Kapitalschutz, also die mit der Entfaltung der Kapitalaufbringung verfolgten Schutzanliegen. Ob die Rechtsfortbildung sich hierdurch rechtfertigen lässt, wird erst an anderer Stelle in einem größeren Zusammenhang thematisiert (§ 7). 158 Vgl. dazu die Begründung des Gesetzgebers, § 2 I. 2. 156

§ 3 Analyse der Rechtsfortbildung

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Diese hätte zur Konsequenz, dass die Einlageforderung für die Befriedigung seiner Forderung gegen die Gesellschaft, vergleichbar einem „Pfandrecht an eigener Schuld“, reserviert wird159. Die eigentlich der Gesellschaft zustehenden Einlagen würden im Vermögen des Gesellschafters verbleiben. Die Gesellschaft könnte also ggf. die Einlageforderung nicht mehr einziehen und auch jede sonstige Verfügung über die Forderung wäre mit der Aufrechnungsbefugnis des Gesellschafters „belastet“. Tritt die Gesellschaft die Einlageforderung bspw. an Erfüllung statt an einen Gesellschaftsgläubiger ab, könnte der Gesellschafter unter den Voraussetzungen des § 406 BGB gegenüber dem Zessionar aufrechnen; die Gesellschaft müsste den Gläubiger also weiterhin aus ihrem (sonstigen) Vermögen befriedigen. Mit anderen Worten wäre eine mit der Aufrechnungsbefugnis des Gesellschafters belegte ausstehende Einlage der Gesellschaft vermögensrechtlich nicht in vollem Umfang zugewiesen. Das einseitige Aufrechnungsverbot ist daher bei Lichte betrachtet sozusagen nichts anderes als eine spezielle Vorschrift der Kapitalerhaltung160. Solange die Einlage noch nicht an die Gesellschaft geleistet worden ist, ist deren Realisierung durch die Gesellschaft dadurch bedroht, dass dem Gesellschafter eine Gegenforderung entsteht und ihm dadurch die Aufrechnungsbefugnis entsteht161. Im GmbHRecht wird zwar im Allgemeinen nur das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft vor Auszahlungen an die Gesellschafter geschützt (§ 30 Abs. 1 GmbHG), während das einseitige Aufrechnungsverbot bei Einlageforderungen unabhängig von dem sonstigen Vermögensstand der Gesellschaft gilt. Es liegt aber in der Logik der Zweigleisigkeit des Kapitalschutzes, dass das der Aufbringung des Grund- bzw. Stammkapitals dienende Vermögen auch gegenständlich der uneingeschränkten Disposition der Gesellschaft erhalten wird. Das einseitige Aufrechnungsverbot sichert dieses Anliegen, indem es dem Gesellschafter die mit der Aufrechnungsbefugnis einhergehende Verfügungsmacht über die Einlage aus der Hand schlägt. In einem Insolvenzverfahren würde die Aufrechnungsbefugnis dem Gesellschafter vergleichbar einem Absonderungsrecht an einer Forderung (§ 50 InsO) eine bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit eintragen (§ 94 InsO). Dass dies nicht sein kann, leuchtet unmittelbar ein: Da die Gläubiger darauf vertrauen dürfen, dass die Einlage der Gesellschaft wenigstens einmal unverkürzt zugutekommt, muss diese nun geleistet werden. Der Inferent, der zugleich Gläubiger der Gesellschaft ist, erlangt dann auf seine Forderung lediglich die Quote oder fällt als nachrangier Gläubiger ggf. ganz aus. Da Einlagen das Eigenkapital der Gesellschaft bilden, müssen diese ggf. à fonds perdu geleistet werden. Erkennt man den Bezug des 159

Vgl. auch § 5 II. 1. So auch RGZ 85, 351 (352); tendenziell wie hier Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 21 f. („freie Verfügung“), wo allerdings auch entgegen der hier vertretenen Ansicht davon ausgegangen wird, dass der Gesellschaft keine „andere Leistung“ aufgedrängt werden solle, dazu sogleich im Text. 161 Dies kommt auch in der Formulierung der Begründung zum Ausdruck, dem Gesellschafter könnte „leicht“ eine Forderung gegen die Gesellschaft zufallen. 160

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einseitigen Aufrechnungsverbots zur Natur der Einlage als Eigenkapital, versteht sich auch die zweite Begründung des historischen Gesetzgebers. Das gesetzliche Aufrechnungsverbot stellt quasi nur deklaratorisch klar, was sich im Regelfall schon aus einer zwischen Inferent und Gesellschaft bei Übernahme der Geldeinlage (konkludent) getroffenen Abrede ergibt. Außerhalb eines Insolvenz- oder eines gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahrens steht das Aufrechnungsrecht freilich in einem Spannungsverhältnis zu dem prinzipiell anzuerkennenden Befriedigungsinteresse des Gesellschaftergläubigers. Dies kommt auch in den frühen RG-Entscheidungen zum Ausdruck, wo noch überlegt wird, ob außerhalb eines Insolvenzverfahrens die einseitige Aufrechnung des Gesellschafters möglicherweise zulässig sein müsste162. Entscheidend ist wohl, dass ein erst ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltendes Aufrechnungsverbot wenig durchschlagskräftig wäre. Bei drohender Insolvenz würde der Gesellschafter im Wissen um den baldigen Ausschluss der Aufrechnungsbefugnis frühzeitig aufrechnen. Würde man das Aufrechnungsverbot bereits vor Verfahrenseröffnung in den Fällen einer Krise der Gesellschaft eintreten lassen, wäre der genaue Zeitpunkt stets unsicher. Es wäre wohl auch, wie das RG schließlich zurecht angemerkt hat, willkürlich, eine einmal wirksam entstandene Aufrechnungsbefugnis des Gesellschafter im Nachhinein – bei Vermögensverschlechterung der Gesellschaft – wieder auszuschließen163. Letztlich ist es müßig, diesen offenen Fragen weiter nachzugehen. Als Bestandteil des geltenden Rechts muss die sachlich und zeitlich unbedingte Geltung des Verbotes schlicht hingenommen werden. b) Parallele bei der Sacheinlage Das richtige Verständnis des einseitigen Aufrechnungsverbots ist für den weiteren Fortgang der Untersuchung elementar. Zur weiteren Veranschaulichung der Wirkungsweise dieses Verbots sei daher auf eine Parallele im Recht der Sacheinlage hingewiesen. Sacheinlagen müssen nicht anders als Geldeinlagen ebenfalls à fonds perdu geleistet werden, sodass im Allgemeinen Einvernehmen darüber besteht, dass der als Sacheinlage eingebrachte Gegenstand aus dem Vermögen des Inferenten vollständig ausgesondert werden muss164. Da Sacheinlagen indessen anders als Geldeinlagen bereits bei Anmeldung der Eintragung der Gründung bzw. der Kapitalerhöhung vollumfänglich geleistet sein müssen (vgl. § 7 Abs. 3 GmbHG)165, eine „ausstehende Sacheinlageforderung“ also nicht vorkommen kann, liegt die Parallele zwar nicht ohne weiteres auf der Hand. Anders ist dies aber bspw. beim Problemkreis „obligatorische Nutzungsrechte“ als Sacheinlage, also etwa dem Fall, dass der Inferent der Gesellschaft als Sacheinlage ein Nutzungsrecht an einem ihm gehörenden 162 163 164 165

§ 2 I. 2. a). Vgl. auch zum englischen Recht § 1 II. 3. a). Vgl. dazu unter I. 2. a). Vgl. statt vieler Märtens, in: MünchKomm/GmbHG, 1. Aufl. 2010, § 5 Rn. 77. Zu § 36a Abs. 2 AktG vgl. aber Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 36a Rn. 9 ff.

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Grundstück einräumt. Die heute h.M. stuft solche Nutzungsrechte als sacheinlagefähig ein, sofern sie für eine feste (Mindest-)Laufzeit gewährt werden und damit bewertbar sind166. Wegen der relativen, zwischen Gesellschaft und Gesellschafter bestehenden Struktur dieser Rechte einerseits sowie dem Umstand, dass die Gebrauchsüberlassung für einen bestimmten Zeitraum eingeräumt wird, ergibt sich eine der ausstehenden Resteinlage vergleichbare Gefahrenlage: Die Sacheinlage könnte der Gesellschaft im Nachhinein z. B. dadurch entzogen werden, dass der Gesellschafter ein Kündigungsrecht ausübt. Es entspricht daher allgemeiner Ansicht, dass der Gesellschafter das Nutzungsrecht für die eingeräumte Laufzeit nicht einseitig, z. B. im Fall der Insolvenz der Gesellschaft oder einer Anteilsveräußerung, kündigen können darf167. Bei den obligatorischen Nutzungsrechten ist das Risiko, dass das Einlagesubstrat vorzeitig aus der Sphäre des Inferenten entzogen wird, im Ergebnis nicht gänzlich auszuschließen: Z. B. ist nicht jedes Kündigungsrecht abdingbar168 und in dem eben genannten Beispiel könnte der Gesellschafter das Grundstück veräußern, ohne die schuldrechtliche Verpflichtung auf den Erwerber zu übertragen169. Die h.M. trägt dem neben einer vorsichtigen Bewertung des Einlagegegenstands dadurch Rechnung, dass im Fall eines vorzeitigen Entzugs des Nutzungsrechts die Geldeinlagepflicht des Inferenten wieder auflebt170. Im Parallelfall der einseitigen Aufrechnung der Geldeinlage durch den Gesellschafter liegt die Lösung daher konsequenterweise darin, dass dieser weiterhin die Einlage schuldet. Geradezu handgreiflich wird die Parallele zur ratio des einseitigen Aufrechnungsverbots, wenn man mit der wohl h.M. annimmt, dass der Ausschluss des Kündigungsrechts nicht ausdrücklich in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen zu werden braucht. Der Inferent begebe sich solcher Kündigungsrechte ohnehin konkludent171, denn gerade wegen des Eigenkapitalcharakters einer Einlage verstehe es sich von selbst, dass das Nutzungsrecht der Gesellschaft nicht einseitig vom Gesellschafter entzogen werden kann172. Mit derselben Selbstverständlichkeit hat auch der historische Gesetzgeber angenommen, dass das einseitige Aufrechnungsverbot bereits konkludent bei Übernahme der Geldeinlage verabredet wird. 166 BGH NJW 2000, 2356; NZG 2004, 910; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, § 27 Rn. 17; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rn. 25; Koch, in: Hüffer/Koch, § 27 Rn. 18; Pentz, in: MünchKomm/AktG, § 27 Rn. 31; Büscher/Klusmann, ZIP 1991, 10 (12). 167 Benz, in: Spindler/Stilz, § 27 Rn. 33; Zeidler, in: Michalski, § 5 Rn. 99; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 5 Rn. 28; Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 5 Rn. 91; Pentz, ZGR 2001, 901 (915); Steinbeck, ZGR 1996, 116 (125). 168 Vgl. Pentz, ZGR 2001, 901 (916) zum Ausschluss der Abdingbarkeit einer Markenlizenz. 169 Nach h.M. finden die §§ 566, 581 Abs. 2, 593b BGB in diesem Fall keine analoge Anwendung, dazu Veil, in: Scholz, § 5 Rn. 43 m. w. Nachw. auch zur a.A. 170 Vgl. nur Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithof, § 5 Rn. 28. 171 In diesem Sinne eindeutig Bork, ZHR 154 (1990), 205 (212); K. Schmidt, ZHR 154 (1990), 237 (248, 249 f., 254); implizit auch Steinbeck, ZGR 1996, 116 (125). 172 Bork, ZHR 154 (1990), 205 (211 f.).

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2. Nicht erfasste Schutzzwecke Die so definierte ratio des einseitigen Aufrechnungsverbots bedarf der Abgrenzung zu bloßen Schutzreflexen sowie solchen Schutzanliegen, die dem Aufrechnungsverbot im Laufe der Zeit beigemessen worden sind und sich dabei von dessen Ursprungsgedanken entfernt haben. a) Dispositionsfreiheit der Geschäftsleitung Ein erster Aspekt betrifft die Person des die Aufrechnung Erklärenden. Das Aufrechnungsverbot führt in der Konsequenz unbestreitbar dazu, dass die Gesellschaft die Dispositionsfreiheit über die Einlage behält. Selbst wenn dem Gesellschafter Forderungen gegen die Gesellschaft erwachsen und er nach allgemeinen Grundsätzen aufrechnen könnte, kann allein die Gesellschaft darüber befinden, ob, wann und in welchem Umfang Einlageforderungen eingezogen, veräußert oder eben aufgerechnet werden sollen. Allerdings liegt hierin kein selbstständiger Grund des Aufrechnungsverbots, wie es im Schrifttum gelegentlich wohl verstanden wird173. Die Dispositionsfreiheit ist nicht zugunsten der Gesellschaft oder ihrer Organe, sondern zugunsten der Gläubiger der Gesellschaft vorgesehen. Die Begründung stellt diesen Umstand denn auch nicht besonders heraus und auch in den vom Gesetzgeber herangezogenen Quellen taucht diese Deutung des Aufrechnungsverbots nicht auf. Würde man hierin den Schutz des Aufrechnungsverbots erblicken, leuchtete es auch nicht ein, warum das Verbot dann nicht entgegen § 404 BGB mit Abtretung oder Pfändung wegfallen sollte174. Schließlich hat die Gesellschaft etwa im Fall einer wirksamen Zession ihre Verfügungsbefugnis bereits ausgeübt. Da das Aufrechnungsrecht aber eben „kein persönliches Recht“ der Gesellschaft, sondern eine aus den oben dargestellten Gründen der Forderung „anklebende, ihren Wert steigernde Eigenschaft“175 darstellt, entspricht es ganz h.M., dass der Gesellschafter auch gegenüber dem Zessionar bzw. dem Pfändungsgläubiger nicht mit Forderungen gegen die Gesellschaft aufrechnen darf176. Als rein innenrechtliche, die Dispositionsfreiheit der Gesellschaft sichernde Beschränkung müsste das Aufrechnungsverbot zudem abdingbar sein177.

173 Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 32 („auch die Gesellschaft“ sei geschützt); Feine, in: Ehrenberg, S. 298; Hommelhoff, in: FS Kellermann, S 165 (176 f.), der freilich den Konnex mit dem Gläubigerschutz betont, da vom Geschäftsführer etwa die Wahrung der Aufrechnungsvoraussetzungen eher als vom Gesellschafter zu erwarten sei; K. Müller, GmbHR 1970, 57 (58, 82) („freie Disposition“). 174 Vgl. die Argumentation der Revision in RGZ 85, 351. 175 RGZ 85, 351 (352). 176 Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 144 m. w. Nachw. 177 Vgl. Schall, Gläubigerschutz, S. 145.

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b) Risikotrennung Ähnlich problematisch ist auch der dem Aufrechnungsverbot mitunter beigelegte Schutzzweck, der Gesellschafter solle die Risiken aus seiner Doppelstellung als Verbandsmitglied und Gläubiger jeweils voll tragen müssen178. Insbesondere solle der Gesellschafter nicht das allgemeine Kreditrisiko aus dem Drittgeschäft mittels seiner Gesellschafterstellung abfedern dürfen179. Zwar ist nicht zu bestreiten, dass de facto das Aufrechnungsverbot in diese Richtung wirken kann180. Das einseitige Aufrechnungsverbot zielt aber nicht unmittelbar darauf, dem Gesellschafter-Gläubiger eine vorteilhafte Rechtsposition zu nehmen. Vielmehr geht es allein darum, der Gläubigergesamtheit einen Vorteil zu erhalten. Es würde auch niemand etwa den Schutzzweck der § 57 Abs. 1 AktG, § 30 Abs. 1 GmbHG gerade darauf zurückführen, der Gesellschafter dürfe wegen seiner Stellung als Verbandsmitglied keine besonderen Vorteile von der Gesellschaft – etwa in Form eines Austauschgeschäfts zu nicht marktgerechten Konditionen – erhalten. Hier wie dort handelt es sich um einen reinen Schutzreflex. c) Reale Kapitalaufbringung Sehr problematisch ist die Einordnung des Aufrechnungsverbots als ein Element der realen Kapitalaufbringung. Zwar haben die vorangegangegen Ausführungen gezeigt, dass das an den Gesellschafter adressierte Verbot durchaus die Wirkung haben kann, dass der Gesellschafter die Einlage real an die Gesellschaft leisten muss. Dies muss freilich nicht so sein, was schon der einfache Grundfall zeigt, dass ein Gesellschafter einseitig die Aufrechnung erklärt, ohne von der Gesellschaft auf Leistung der Einlage in Anspruch genommen worden zu sein. Das einseitige Aufrechnungsverbot hat dann allein zur Konsequenz, dass diese Aufrechnung unwirksam bleibt. Ob es später dann zu einer realen Einziehung der Einlage kommt, wird durch das Aufrechnungsverbot in keinerlei Hinsicht determiniert. Dem Aufrechnungsverbot geht es eben allein darum, der Gesellschaft die Einlage zu erhalten und wirkt vor diesem Hintergrund rein „kassatorisch“. Das Grundproblem der Stimmen, die das Aufrechnungsverbot heute mit der Kapitalaufbringung in Verbindung bringen, besteht darin, dass dieser Ausgangspunkt nicht zutreffend erkannt wird. Stattdessen wird allerorten versucht, das Aufrechnungsverbot mit dem „Wie“ der Einlagenleistung in Verbindung zu bringen. So wird gesagt, bei einer einseitigen Aufrechnung leiste der Gesellschafter – in Gestalt 178 Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl., § 66 Rn. 14; vgl. auch OLG Hamm ZIP 1988, 1057 („mögliche Interessenkollisionen“). 179 Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 33. 180 Ein alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter-Geschäftsleiter kann dagegen sehr wohl die Risiken aus dieser Doppelstellung vermengen, da er nach richtiger Ansicht für die Gesellschaft ohne Verstoß gegen das einseitige Aufrechnungsverbot aufrechnen kann, dazu unter § 5 II. 2. b).

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

der Aufgabe der eigenen Forderung – etwas anderes als das eigentlich Geschuldete. Durch die Übernahme der Geldeinlage habe er aber die Zuführung von Liquidität, nicht die Zuführung eines bloßen Forderungswertes versprochen181. Vor diesem Hintergrund wird das einseitige Aufrechnungsverbot auch als ergänzendes Schutzregime zur verdeckten Sacheinlage eingeordnet182. Die reale Kapitalaufbringung werde auch in dem Sinne gesichert, dass eine Verrechnung mit möglicherweise minderwertigen Gesellschafterforderungen unterbleiben soll183. Wie oben unter 1 dargelegt bietet die Begründung des heutigen § 66 Abs. 1 S. 2 AktG für dieses Verständnis aber keinerlei Hinweise. Die Rechtsfolge einer einseitig durch den Gesellschafter erklärten Aufrechnung liegt allein darin, dass diese Aufrechnung unwirksam wird. Ob die Einlage sodann real eingezogen wird, hängt allein von der Gesellschaft ab184. Natürlich wirkt sich das Aufrechnungsverbot in der überwiegenden Anzahl der Fälle de facto in Richtung der Sicherung der realen Kapitalaufbringung aus. Denn zumeist setzt der Gesellschafter die einseitige Aufrechnung eben gerade als (unzulässiges) Verteidigungsmittel gegen die (prozessuale) Inanspruchnahme durch die Gesellschaft bzw. den Insolvenzverwalter ein. Dies ändert aber nichts daran, dass die reale Zahlung der Einlage auf einer entsprechenden Verfügung der Gesellschaft beruht. Die Entstehungsgeschichte des heutigen § 66 Abs. 1 S. 2 AktG bietet ferner keinerlei Hinweise, dass das Verbot als ergänzendes Regime der verdeckten Sacheinlage angedacht war. Das Aufrechnungsverbot passt insofern auch einfach nicht: In sachlicher Hinsicht reicht es objektiv und subjektiv viel zu weit, indem es die Aufrechnung schlechthin, also ohne Rücksicht auf die Einlagefähigkeit des eingebrachten Gegenstands oder das Bestehen einer Vorabsprache ausschließt. Der persönliche Anwendungsbereich greift hingegen zu kurz, weil er einer Aufrechnung durch die Gesellschaft nicht entgegensteht. Ein Grund für den heute verbreiteten Fehlschluss, das einseitige Aufrechnungsverbot sichere das „Wie“ der realen Kapitalaufbringung, liegt im GmbH-Recht. Das GmbHG von 1892 übernahm nämlich nicht nur das einseitige Aufrechnungsverbot aus dem Aktienrecht, sondern führte in § 19 Abs. 3 Alt. 2 GmbHG a.F. ein weiteres Aufrechnungsverbot ein. Hiernach sollte der Gesellschafter auch durch eine von der Gesellschaft mit der Einlageforderung erklärten Aufrechnung nicht befreit werden, wenn die Gesellschafterforderung aus einem Geschäft über die Überlassung von Vermögensgegenständen an die Gesellschaft stammte, sofern die Aufrechnung nicht in Ausführung einer Bestimmung nach § 5 Abs. 4 GmbHG a.F.185 erfolgte186. Die mit 181

Habersack/Weber, ZGR 2014, 509 (525 ff.). Deutlich z. B. Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl., § 66 Rn. 14 a.E., allerdings bereits selbst einschränkend („sicher nicht vollkommene Schranke“); vgl. auch Wicke, § 19 Rn. 12; Lange, NJW 2002, 2293 (2294). 183 Vgl. nur Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 43; Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 33. 184 Dazu noch eingehend unter § 6 I. 185 „Sollen von Gesellschaftern Einlagen, welche nicht in Geld zu leisten sind, auf das Stammkapital gemacht oder soll die Vergütung für Vermögensgegenstände, welche die Ge182

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dem neuen Aufrechnungsverbot verbundene Intention war daher weitreichend. Mit § 19 Abs. 3 Alt. 2 GmbHG a.F. sollte jede im Gesellschaftsvertrag nicht festgesetzte Aufrechnung unter Einschluss der Einlageforderung mit Vergütungsforderungen über den Erwerb von Vermögensgegenständen verboten werden. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ging daher über Fälle von im Gründungsstadium nicht festgesetzten Sachübernahmen hinaus187. Die einleitenden Erläuterungen des Gesetzgebers zu § 19 Abs. 3 a.F. sind diesbezüglich allerdings missverständlich188. Dieser drastische Ansatz des Gesetzgebers fußte auf zwei Überlegungen: Einmal misstraute er Geschäften über den Erwerb eines sacheinlagefähigen Gegenstands, die zu einem Zeitpunkt mit dem Gesellschafter vereinbart wurden, in dem dieser seine Bareinlageforderung noch nicht erfüllt hatte. Zweitens ging der Gesetzgeber unausgesprochen von der naheliegenden, allerdings keinesfalls zwingenden Annahme aus, dass die Einlageforderung jeweils unmittelbar in die Abwicklung des missbilligten Erwerbsgeschäfts einbezogen werden würde189. Dem Gesetzgeber war schlicht entgangen, dass die Abwicklung aus dem Erwerbsgeschäft selbstverständlich auch formal isoliert vollzogen werden kann. Anders als bei der einseitigen Aufrechnung durch den Gesellschafter sollte § 19 Abs. 3 Alt. 2 GmbHG a.F. also lediglich als Verbotsvehikel fungieren190. Das Aufrechnungsverbot war hier Mittel zum Zweck, nicht Zweck an sich. Im Anwendungsbereich dieser Vorschrift war daher – anders als bei § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG a.F. – die Person des Aufrechnenden irrelevant. Insbesondere musste auch die einseitige Aufrechnung durch die Gesellschaft verboten sein191. Die Intention des Gesetzgebers gab es darüber hinaus vor, die unvollkommene Regelung auf Umgesellschaft übernimmt, auf Stammeinlagen angerechnet werden, so muß die Person des Gesellschafters, der Gegenstand der Einlage oder Uebernahme sowie der Geldwert, für welchen die Einlage angenommen wird, oder die für die übernommenen Gegenstände zu gewährende Vergütung im Gesellschaftsvertrage festgesetzt werden.“ 186 Gem. § 57 Abs. 2 GmbHG a.F. galt dies entsprechend bei der Kapitalerhöhung. 187 Dem entsprach es, dass der Wortlaut der Vorschrift eine Beschränkung, etwa auf vorabgesprochene Aufrechnungen, nicht bereithielt. Stattdessen war dort schlicht von einer durch Aufrechnung bewirkten Leistung die Rede; in Kontrast dazu stellte § 5 Abs. 4 Alt. 2 GmbHG a.F. gerade darauf ab, ob eine Vergütung auf die Stammeinlage angerechnet werden soll. 188 Zum einen ist dort von der Unzulässigkeit einer Leistung auf die Stammeinlage die Rede, die durch Aufrechnung „bewirkt werden soll“; zum anderen diene das Verbot der Beobachtung der Vorschrift des § 5 Abs. 3 (entspricht dem späteren Abs. 4); Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, VIII. Legislaturperiode, 1. Session 1890/92 Nr. 660, S. 3715 (3740, li. Sp.). 189 Deswegen sah die erste Alternative ein Verbot der Leistung an Erfüllung statt vor und so erklärt sich der technische Ansatz der zweiten Alternative bei der Aufrechnung. 190 So auch Frey, Einlagen (zu § 19 Abs. 5 GmbHG a.F.), S. 47: „formale[r] Ansatzpunkt der Sanktion“. 191 Zweifelnd z. B. Schilling, in: Hachenburg, GmbHG, 6. Aufl. 1956, § 19 Anm. 16a; anders aber die h.M., aus der Rspr. etwa RG Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Band 14 (1905), 142; RGZ 141, 204 (210); vgl. auch Ulmer, in: Ulmer, 1. Aufl. 2005, § 19 Rn. 93; Möhring, in: FS R. Schmidt, S. 85, 96 ff. m. umf. Nachw. (S. 90 mit Fn. 14).

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hungen durch Hin- und Herzahlungen auszudehnen192. Besondere subjektive Voraussetzungen für eine Umgehung des § 5 Abs. 4 GmbHG a.F. forderte die Vorschrift allerdings nicht. Da das Verbot auch als Funktionsäquivalent zur aktienrechtlichen Nachgründung vorgesehen war, verlangte es keine Vorabsprache bei Gründung und keine Umgehungsabsicht193. Die Problematik der Sonderregelung des § 19 Abs. 3 Alt. 2 GmbHG a.F. muss daher scharf unterschieden werden von der „allgemeinen“ Aufrechnung mit Forderungen, die von dieser Regelung nicht erfasst wurden. Einige Ausführungen der Begründung zu § 19 Abs. 3 GmbHG a.F. sind in diesem Zusammenhang aufschlussreich194 : „Der Entwurf geht hierin weiter als das Aktiengesetz; denn dieses […] schließt [es] nicht aus, daß später bei einer Einziehung von Aktienbeträgen die verantwortlichen Organe der Gesellschaft sich zu einer Annahme an Zahlungsstatt oder zu einer Aufrechnung mit Gegenforderungen des Gesellschafters verstehen. Bei der Aktiengesellschaft kommen aber zugleich die ergänzenden Bestimmungen über die sogenannte Nachgründung in Betracht […]. Bestimmungen dieses Inhalts sind für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht angängig, und schon aus diesem Grunde erscheint es geboten, die Leistung und Annahme von Erfüllungssurrogaten auf die Stammeinlage in weiterem Umfang auszuschließen, als bei der Aktiengesellschaft“.

Diese Bemerkungen zeigen, dass der Gesetzgeber Aufrechnungen mit Einlageforderungen im Hinblick auf das Sacheinlagerecht nicht per se als problematisch erachtete: Im Aktienrecht sollte das Nachgründungsrecht eine Grenze ziehen195, im GmbH-Recht verbot § 19 Abs. 3 Alt. 2 GmbHG a.F. die Aufrechnung nur mit bestimmten Forderungen. Die extrem komplizierte und verunglückte Regelung des § 19 Abs. 3 GmbHG a.F. und dessen ausufernde Auslegung haben allerdings mit dazu beigetragen, dass die Aufrechnung heute verbreitet ganz allgemein mit sacheinlagetypischen Problemen in Verbindung gebracht wird. Dazu hat auch die jüngere Gesetzgebung beigesteuert, da im GmbH-Recht heute das einseitige Aufrechnungsverbot zusammen mit der Sachübernahme in § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG geregelt wird.

II. Aufrechnung als abgekürzte Zahlung Da der Normzweck des einseitigen Aufrechnungsverbots gerade auf die Aufrechnung durch den Gesellschafter begrenzt ist, entwickelte das RG folgerichtig die Rechtsprechung betreffend eine Aufrechnung durch die Gesellschaft bzw. einen 192

So auch Ulmer, in: Ulmer, 1. Aufl. 2005, § 19 Rn. 95, 118 ff. Dafür aber etwa Schilling, in: Hachenburg, 6. Aufl. 1956, § 19 Anm. 16a. 194 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, VIII. Legislaturperiode, 1. Session 1890/92 Nr. 660, S. 3715 (3740). 195 Das Nachgründungsrecht verbietet nun selbstverständlich nicht Aufrechnungen, sondern stellt besondere Voraussetzungen an das der Gesellschafterforderung zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft. 193

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Aufrechnungsvertrag gänzlich ohne Rekurs auf dieses Verbot196. Im Ausgangspunkt ging es dem RG dabei darum, die Aufrechnung einer Zahlung der Einlage gleichzustellen. Die bei der Aufrechnung verlangten Kriterien der Fälligkeit, Liquidität und Vollwertigkeit sollten diese Gleichsetzung gewährleisten. Während die ersten beiden Voraussetzungen auf den Einfluss des französischen Zivilrechts zurückzuführen sind, ist das Vollwertigkeitskriterium vom RG selbst für die Aufrechnung mit Einlageforderungen entwickelt worden. 1. Übernahme des paiement abrégé a) Compensation légale nach Art. 1289 ff. code civil Das Vorbild der Rechtsfortbildung bildete die compensation légale nach Art. 1289 ff. des französischen code civil. Dessen Art. 1291 lautet heute noch unverändert: La compensation n’a lieu qu’entre deux dettes qui ont également pour objet une somme d’argent, ou une certaine quantité de choses fongibles de la même espèce et qui sont également liquides et exigibles.

Jedenfalls der Idee nach197 erlöschen die beiden Ansprüche nach französischem Recht also in dem Augenblick, indem sie zum ersten Mal aufrechenbar gegenübertreten. Anders als im deutschen Recht existiert daher streng genommen zu keinem Zeitpunkt eine Aufrechnungslage. In dieser ipso-iure-Wirkung198 der Aufrechnung lag die Weichenstellung für ein zahlungsbezogenes Verständnis der compensation légale. Während in der deutschen Diskussion um die „Natur“ der Aufrechnung seit jeher auch die Sicherungswirkung der Aufrechnungslage eine gewichtige Rolle gespielt hat, wird daher in der französischen Literatur traditionell vor allem die Tilgungswirkung betont199. Bereits früh herrschte die Idee von der Aufrechnung als einer abgekürzten Zahlung, einer paiement abrégé vor200. Der automatische Aufrechnungsvollzug soll darin seine Rechtfertigung finden, dass er sich als neutraler, die beiderseitigen Interessen wahrender Vorgang erweist. Bei Fälligkeit und Liquidität der gegenseitigen Forderungen seien diese auch gleichwertig und durch die automatische Tilgung widerfahre jedem Schuldner nur Recht. 196

Demgegenüber wird heute verbreitet das Vollwertigkeitsgebot mit einer analogen Anwendung des einseitigen Aufrechnungsverbots begründet, vgl. statt vieler Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 66 Rn. 9. 197 Die ipso-iure-Wirkung ist durch Rspr. und Literatur im Lauf der Zeit ausgehöhlt worden, indem letztlich doch dem Parteiwillen der Vorrang eingeräumt wird; vgl. dazu Jeremias, Insolvenzaufrechnung, S. 40 f.; Kannengiesser, Aufrechnung, S. 54. 198 Diese Konzeption beruhte auf einer fragwürdigen Deutung des „ipso iure compensatur“, vgl. dazu. bereits Eisele, Compensation, S. 133 ff., 186 ff. 199 Kegel, Aufrechnung, S. 53 f. 200 Eujen, Aufrechnung S. 77 ff.; Kegel, Aufrechnung, S. 53; jew. m. Nachw.

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Denn, so die Überlegung, es wäre für jeden vernünftig gewesen, in diesem Augenblick zu zahlen201. Mit der auf das römische Recht zurückgehenden Liquidität war ursprünglich zwar in der Tat etwas gemeint, was sich mit der Gleichsetzung von Aufrechnung und Zahlung nicht einmal in einen entfernten Zusammenhang bringen lässt202. Liquidität sollte als prozessrechtliches Erfordernis den „Schattenseiten“203 der Aufrechnung entgegenwirken: Dem Beklagten sollte es verwehrt sein, dem Gericht mit dem Vorbringen windiger, schwer feststellbarer Forderungen die Entscheidung zu erschweren und so den Prozessausgang verzögern zu können204. Liquidität diente also der Prozessökonomie und dem Schutz des Klägers. Die französische Lehre verwob das Liquiditätskriterium jedoch mit der Doktrin von der paiement abrégé205. Ebenso wenig wie ein Schuldner eine illiquide, der Höhe oder dem Bestand nach unsichere Forderung tatsächlich bezahlen würde, sollte sie auch nicht durch die „automatische Zahlung“ erlöschen können. Liquidität sollte also nicht erst im Prozess durch den Richter festgestellt werden, sondern musste nach diesem Ansatz zwingend bereits im Augenblick des ipso-iure-Vollzugs der Aufrechnung vorliegen. Die Liquidität war daher nach der französischen Lehre nicht nur materiellrechtlich erforderlich206, sondern auch materiellrechtlich begründet207. b) Abgekürzte Zahlung in der Rechtsprechung des RG Das französischstämmige zahlungsbezogene Verständnis der compensation légale als Quelle der Rechtsfortbildung tritt bereits darin deutlich zutage, dass das Gericht Fälligkeit und Liquidität in einem Atemzug damit nennt, die Aufrechnung dürfe nicht „mehr sein als ein zweckloses Hin- und Herschieben des Geldes“208. Ferner ist die Übernahme der paiement abrégé vor allem am materiellrechtlichen Verständnis der Liquidität in RGZ 85, 351 abzulesen. Zunächst hatte sich das RG zwar dagegen ausgesprochen, die Aufrechnung durch das Liquiditätskriterium einzugrenzen: Die Aufrechnung mit illiquiden Forderungen müsse nach deutschem Recht materiell wirksam sein209. Das RG sah sich durch § 136 S. 2 CPO 1877210 (noch) an dieser Lösung gehindert, denn es entnahm dieser Vorschrift wohl eine 201

Eujen, Aufrechnung, S. 78. Vgl. die Einwände gegen das Liquiditätskriterium bei Frey, Einlagen, S. 50, der eben das prozessrechtliche Verständnis zugrundelegt. 203 Kegel, Aufrechnung, S. 159. 204 Nachw. bei Zimmermann, in: Hkk/BGB, §§ 387 – 396 Rn. 51. 205 Kegel, Aufrechnung, S. 162 f. 206 Zimmermann, in: Hkk/BGB, §§ 387 – 396 Rn. 53. 207 Vgl. die Nachw. bei Kegel, Aufrechnung, S. 162 f. 208 Vgl. etwa RG JW 1907, 845. 209 RGZ 19, 124 (129) (allerdings noch zur einseitigen Aufrechnung durch den Gesellschafter), entgegen ROHGE 25, 282 (284), s. dazu unter 1. b). 210 Heute § 145 Abs. 3 ZPO. 202

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abschließende, prozessuale Regelung der Liquidität, mit der sich ein materiellrechtliches Liquiditätskriterium nicht vertrage211. Abweichend von dem prozessrechtlichen Verständnis ging es dem Gericht hier gerade nicht darum, „dubiosen“ und „intransparenten“ Aufrechnungsvorgängen mit windigen Gesellschafterforderungen die Anerkennung zu verweigern212. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt waren Bestand und Höhe der Gesellschafterforderung lediglich für den Geschäftsführer im Zeitpunkt der „Zusage“ der Aufrechnung nicht zweifelsfrei gewesen. Der Buchhalter der Gesellschaft hatte demgegenüber später Bestand und Höhe der Gegenforderungen des Gesellschafters festgestellt. Aus einer objektiven ex-post-Sicht war der Aufrechnungsvertrag mithin, sofern der Buchhalter korrekt geprüft hatte, überhaupt nicht zu beanstanden. Auf die Bestätigung der Gesellschafterforderung durch den Buchhalter und damit die nachträgliche Beseitigung der Illiquidität ging das RG aber gar nicht ein. Aus der subjektiven ex-ante-Sicht des Geschäftsführers wäre eben ein tatsächliches Hin- und Herzahlen im Zeitpunkt der Abrede unvernünftig gewesen, da der Geschäftsführer über Existenz und Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit offensichtlich im Unklaren gewesen war. Aus diesem Grund wollte das Gericht die Aufrechnung nicht als Zahlung anerkennen. 2. Hintergründe des Rechtstransfers Die Entscheidungen des RG entbehren zwar eindeutiger Nachweise für die hier aufgestellte These, dass die Rechtsprechung zur Aufrechnung ihren Ursprung im französischen Recht findet. Die Hintergründe dieses überraschend modern anmutenden „Rechtstransfers“ lassen sich indessen doch recht gut verdeutlichen. a) Compensation légale in der Rechtsprechung des II. Zivilsenats Da französisches Zivilrecht nach der Reichsgründung zunächst weithin bis zum Inkrafttreten des BGB in Geltung blieb213, hatte sich das RG vom Tag seiner Errichtung an in einer erheblichen Zahl von Fällen mit ihm auseinanderzusetzen214. Der II. Zivilsenat war daher mit der zahlungsbezogenen Deutung der compensation légale bestens vertraut215: „Nach den Prinzipien des französischen Rechtes ist die Liquidität der zur Kompensation zu bringenden Ansprüche nicht lediglich ein prozessuales, sondern ein materiellrechtliches Erfordernis der Kompensation. […] Es ist daher in Doktrin und Praxis unstreitig, daß die Kompensation, […] welche von 211 212 213 214 215

Zur Liquidität ausführlich noch unter II. 2. b) bb); § 3 II. 1. So aber P. A. Schön, Aufrechnung und Kapitalaufbringung, S. 96 f. Ausführlich dazu Kaden, in: Reichsgerichtspraxis, S. 82 ff. „[R]und 500“, Luig, ZeuP 2002, 489 (491). RGZ 12, 321 (325).

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Rechtswegen […] eintritt und gleich einer Zahlung wirkt, nur stattfinden kann, wenn beide in Betracht kommenden Forderungen liquid sind.“ Ebenso deutlich wird der Zusammenhang von Liquidität und der wie eine Zahlung wirkenden Kompensation auch in zwei anderen Entscheidungen hervorgehoben216. Das RG legte also die in der französischen Rechtslehre vorherrschende materiellrechtliche, auf der Vorstellung des paiement abrégé basierende Deutung der Liquidität zugrunde217. b) Entscheidung des Kassationshofs v. 4. 3. 1867 Ein bedeutender Faktor lag wohl in der Rezeption einer Entscheidung des französischen Kassationshofs218 zur compensation légale bei der société en commandité. In der Entscheidung hatte der Kassationshof die automatische Kompensation einer Einlageforderung mit einer fälligen und liquiden Gegenforderung des Gesellschafters zugelassen. Der spätere Konkurs der Gesellschaft sei daher unschädlich gewesen219. Diese Entscheidung wurde wie bereits erwähnt vom ROHG rezipiert220 und dessen Grundsätze – für die Methode der Rechtsfindung des Gerichts nicht untypisch221 – auch für das deutsche Recht verlangt. Das RG wiederum rezipierte die Entscheidung des ROHG nachweislich222 und übernahm dann trotz seiner anfänglichen Bedenken später die Idee von der paiement abrégé. c) Bedeutung des französischen Zivilrechts Der ausschlaggebende Grund dafür, dass das RG die aus der Befassung mit der compensation légale und der Entscheidung des Kassationshofs gezogenen Kenntnisse auch für die Auslegung des eigenen, nationalen Rechts fruchtbar machte, ist in der allgemeinen Bedeutung des französischen Zivilrechts zu finden. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts hatte es für fast 100 Jahre in weiten Teilen im Westen Deutschlands entweder unmittelbar oder als badisches Landrecht die Grundlage des bürgerlichen Rechtsverkehrs gebildet223. Hierin und in der Auslegung des französischen bzw.

216

RGZ 16, 371 (372); 43, 380 (382). In RGZ 12, 321 (322) werden übrigens zwei französische Vertreter (Demolombe und Laurent) dieser herrschenden Ansicht denn auch zitiert. Ebenso die deutsche Literatur zum Rheinischen Recht, vgl. Cretschmar, Rheinisches Civilrecht, S. 246. 218 V. 4. 3. 1867, veröffentlicht in: Recueil général des lois et des arrêts (Sirey), Dixième Volumes (1866 – 1870), S. 193. 219 s. Fn. 218. 220 § 2 I. 1. b). 221 Kronke, ZEuP 1997, 735 ff. und insbesondere 741 ff. 222 § 2 I. 2. b). 223 Instruktive Zusammenfassung bei H.-J. Becker, JuS 1985, 338 ff.; zum Geltungsbereich des französischen Zivilrechts im Einzelnen vgl. Wagner, in: Ius Commune 14 (1987), 203 (207 ff.). 217

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französisch geprägten Rechts durch deutsche Gerichte224 erschöpft sich die Bedeutung dieser Rechtsordnung allerdings nicht; vielmehr beeinflusste sie die gesamte deutsche Rechtsentwicklung in verschiedenster Hinsicht225. Insbesondere die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Handelsrechts wurde vom code de commerce beeinflusst226 ; die société anonyme hatte in mancherlei Hinsicht Vorbildfunktion für deutsches Aktienrecht227. Vor allem blieb der Einfluss des französischen Rechts zunächst auch erhalten, als zunehmend nationale Kodifikationen in Kraft traten. Es übernahm in gewisser Hinsicht die Funktion des an Bedeutung verlierenden ius commune, indem es nicht nur in Deutschland den Obergerichten als europäische, einheitsstiftende Autorität diente228. Dass die reichsgerichtlichen Entscheidungen den Bezug zur fremden Rechtsordnung nicht ausdrücklich aufweisen, ist nicht untypisch; der Transfer des französischen Rechts vollzog sich ganz häufig im Stillen229. 3. Vollwertigkeit als Ergänzung der paiement abrégé Ein gängiger Vorwurf an das Konzept der paiement abrégé geht dahin, bei der Aufrechnung gehe es um mehr, als bloß ein umständliches Hin- und Herzahlen zu vermeiden: „nein, bei der Aufrechnung wird nicht das Hin- und Herwandern, es werden die Münzen selbst ersetzt“230. Für die Aufrechnung mit der Einlageforderung als Element der Kapitalaufbringung musste das RG diesen Einwand entkräften. So fügte es anfangs erkennbar das Vollwertigkeitsgebot schlicht in das Konzept der paiement abrégé ein231. Die Einlageforderung sollte nicht erlöschen, wenn liquide Mittel bei der Gesellschaft gar nicht vorhanden waren, die man anstelle der Aufrechnung auch hätte hin- und herschieben können232. Vollwertigkeit bezog sich hier 224

Dazu etwa D. Schumacher, Rheinisches Recht, passim. Überblick bei Schulte-Nölke/Strack, in: Rheinisches Recht und Europäische Rechtsgeschichte, S. 21 ff.; zu einzelnen Aspekten etwa Bergfeld, in: Geschichte des Privatrechts, S. 107 ff.; Boehmer, AcP 151 (1950/1951), 289 ff.; Schulze, in: 200 Jahre ALR, S. 387 ff.; Schubert, Französisches Recht in Deutschland, passim. 226 Bergfeld, a.a.O. (Fn. 225). 227 Eingehend Deutsch, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 46 ff.; vgl. auch Schubert, ZGR 1981, 285 (289 ff.). 228 Ranieri, Europäische Privatrecht, S. 21 (23 f.): Die „für das 19. Jahrhundert nunmehr charakteristische Nationalisierung der Rechtsquellen [hat] in Wirklichkeit die Richter in weiten Teilen Europas nicht daran gehindert […], sich über das nationale Recht hinaus an übernationalen Autoritäten zu orientieren. In einem charakteristischen Funktionswandel ist es allerdings nicht mehr die Wissenschaft des Römischen Gemeinen Rechts, sondern die anhand der napoleonischen Kodifikation sich entwickelnde französische Rechtspraxis, die als übernationale Autorität hervortritt“. 229 Schulze, in: Französisches Zivilrecht in Europa, S. 9 (30). 230 Z. B. Kohler, ZZP 24 (1898), 1 (17). 231 Vgl. oben § 2 II. 1., 2. 232 RG Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Band 14 (1905), 142; JW 1905, 92 und 700 (701); 1914, 983; RGZ 85, 351 (354); JW 1926, 1153 (1154). 225

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also der Konzeption nach nicht auf die Werthaltigkeit der Gesellschafterforderung, auch wenn mitunter sprachlich verkürzt von vollwertiger Forderung die Rede war. In diesem Sinne präzise ist z. B. die Formulierung einer frühen Entscheidung233, in der verlangt wird, „daß die Forderungen […] liquide und die Gesellschaft selbst solvent waren“234. Auch Brodmann sah die ratio des Vollwertigkeitsgebots darin, die Gesellschaft solle schlicht über das zur „Zahlung ihrer Schuld erforderliche Geld“ verfügen235. Das RG sah den Verstoß gegen das Vollwertigkeitsgebot darin, dass bei Überschuldung die (hingezahlte) Einlage nicht umgehend zur Tilgung der Gesellschafterforderung hätte verwendet werden können236. Am deutlichsten ist eine frühe Entscheidung, in der das Gericht hierzu ausführt237: „In diesem Falle wird man [den Aufrechnungsvertrag] nicht der Barzahlung gleichstellen dürfen. Denn bei Barzahlung hätten die Geschäftsführer pflichtmäßig den [vom Gesellschafter hingezahlten] Betrag zurückhalten und die vorhandene Masse zur konkursmäßigen Verteilung bringen müssen“. Das Vollwertigkeitsgebot hatte damit im Ursprung einen konkursrechtlichen Einschlag. Auch kannten Aktien- und GmbH-Recht bereits damals in § 241 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F., § 64 Abs. 1 S. 2 GmbHG a.F. eine Haftung des Geschäftsleiters für Zahlungen, die nach dem Zeitpunkt geleistet wurden, zu dem der Konkurs hätte beantragt werden müssen. Es ist möglich, dass das Zahlungsverbot den Hintergrund des Vollwertigkeitsgebots ausmacht, allerdings hat das RG in keiner Entscheidung ausdrücklich eine Verbindung hierzu gezogen. Ohnehin wollte das RG den Begriff der „Zahlung“ offensichtlich noch wörtlich verstanden wissen238. Ob nun genuin insolvenzrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Erwägungen den Hintergrund des Vollwertigkeitsgebots ausmachen, ist letztlich aber unbedeutend. Die Zuführung voller realisierbarer Vermögenswerte auf die Einlageverpflichtung hielt das RG jedenfalls mit Blick auf das im Handelsregister publizierte Garantiekapital und das hieran anknüpfende Vertrauen der Gesellschaftsgläubiger für so bedeutend239, dass es nicht zur Diskussion stand, den Aufrechnungsvertrag als (konkursrechtlich) pflichtwidriges bzw. (kapitalschutzrechtlich) für die Gläubiger unvorteilhaftes Hinund Herzahlen zuzulassen und ggf. auf verschuldensabhängige Ersatzansprüche gegen die Geschäftsleitung zu verweisen. 233

RG JW 1907, 845. Hervorhebung nicht im Original. Vgl. auch RG JW 1914, 983 („im Hinblick auf den Vermögensstand der Gesellschaft vollwertig“). 235 GmbHG, § 19 Anm. 3a; vgl. auch KG JW 1935, 2899. 236 RGZ 72, 265 (268). 237 RG Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Band 14 (1905), 142. 238 So jedenfalls RGZ 159, 211 (234) zu § 241 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F. (§ 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG); dem Gericht reichte die im Aufrechnungsvertrag liegende rechtliche Zahlungswirkung hierfür nicht aus, anders der hier vertretenen Ansatz, s. insbes. § 5 I. 239 Deutlich RGZ 72, 265 (268). 234

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III. Aufrechnung als Einbringung einer Forderung Im Laufe der Zeit geriet wohl die Quelle der Rechtsfortbildung in Vergessenheit. An die Stelle des Konzepts eines abgekürzten, ökonomisch sinnvollen und rechtlich zulässigen Hin- und Herzahlens trat ein anderer Erklärungsansatz240. 1. Schleichender Paradigmenwechsel a) Der forderungsbezogene Ansatz Nach diesem zweiten Ansatz folgen die die Aufrechnung beschränkenden Voraussetzungen – Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität – daraus, dass diese die Werthaltigkeit der Gesellschafterforderung bilden. Mit dem zahlungsbezogenen Ansatz stimmt dieser zweite lediglich in der Grundidee überein, die Aufrechnung von einer bestimmungsgemäßen Ausübung des Einlageforderungsrechts – eben der tatsächlichen Zahlung des Einlagebetrags – abhängig zu machen. Beim forderungsbezogenen Ansatz wird aber davon ausgegangen, dass die Aufrechnung die Tilgung der Einlageforderung durch die „Hingabe“ der Gesellschafterforderung bzw. die Befreiung von der entsprechenden Verbindlichkeit bewirkt. Dreh- und Angelpunkt des Paradigmenwechsels ist damit ein abweichendes Verständnis von der Rechtsnatur der Aufrechnung. Die hypothetische Überlegung beim forderungsbezogenen Ansatz besteht abweichend vom zahlungsbezogenen Ansatz zunächst darin, dass der Gesellschafter seine Forderung an einen Dritten veräußert. Mit den erlangten Mitteln tilgt der Gesellschafter sodann die Einlageforderung der Gesellschaft, die Gesellschaft wiederum die nun gegenüber dem Dritten bestehende Verbindlichkeit. Wenn der Gesellschafter die Forderung wegen ihres verminderten wirtschaftlichen Werts hypothetisch nicht in Höhe des Nennwerts, sondern nur zu einem darunter liegenden Preis veräußern könnte, müsste er eigentlich die Differenz zum Nennwert aus seinem sonstigen Vermögen aufbringen, um die Einlageforderung zum Erlöschen bringen zu können. Ein gleichwohl geschlossener Aufrechnungsvertrag vermag daher die Einlageforderung nicht in der Höhe der Gesellschafterforderung zu tilgen. Im Unterschied zum zahlungsbezogenen Ansatz wird die Aufrechnung hier also genau genommen deswegen zugelassen, weil sie unter den ergänzenden Voraussetzungen einer einfachen (Hin-)Zahlung des Gesellschafters gleichkommt. Dieser zweite Erklärungsansatz dominiert erkennbar die heute h.M. in Rechtsprechung und Schrifttum im Aktien- und GmbH-Recht241. 240 Vgl. vor allem RGZ 94, 61; 98, 276 (277); RG JW 1926, 1153 (1154); der Übertragung der Rechtsfortbildung auf Abtretung und Pfändung in RGZ 124, 380 und RGZ 133, 81 [vgl. bereits unter § 2. III. 2)] lag ebenfalls der forderungsbezogene Ansatz zugrunde, dazu noch unter IV. 2. b). 241 Vgl. etwa Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 97: Die Zulässigkeit der Aufrechnung mit einer minderwertigen Forderung würde zur völligen Befreiung des Gesellschafters führen, „obwohl er lediglich einen geringerwertigen Gegenstand in das Vermögen der Gesellschaft überführt hat“ [Hervorhebung durch den Verfasser]; Habersack/Weber, ZGR

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

b) Kommentierung von Pinner Dieser grundlegende Verständniswandel setzte mit der Übertragung des Vollwertigkeitsgebots auf die Aufrechnung mit Einlageforderungen in das Aktienrecht durch RGZ 94, 61 ein242. Der geistige Ursprung des forderungsbezogenen Ansatzes liegt in der – vom erkennenden Senat in der Entscheidung (an anderer Stelle) nachweislich zurate gezogenen243 – Kommentierung von Pinner244. Dieser pflichtete der ständigen Rechtsprechung des RG zum Vollwertigkeitsgebot, die bislang nur im GmbH-Recht bestätigt und fortgeführt worden war, bei und vertrat konsequent, dass im Aktienrecht nichts anderes gelten könne. Die Begründung für die Beschränkung der Aufrechnung sah er allerdings darin, dass „gleichwertige“ Forderungen aufgerechnet werden müssten und eine vereinbarte Aufrechnung anderenfalls gegen das Befreiungsverbot verstoße. Diese Argumentation war allerdings zum damaligen Zeitpunkt ohne Rückhalt in der Rechtsprechung des Gerichts245. Das RG hatte zuvor zwar bereits von „(un) gleichartigen“246, sowie irreführend von gleich „hohen“247 Forderungen gesprochen. Das Gericht hatte auch die „Gleichwertigkeit“ von Aufrechnung und Barzahlung angestrebt, niemals waren aber wirtschaftlich „gleichwertige Forderungen“ verlangt worden. Ebenso wenig hatte das Gericht zuvor seine Rechtsprechung auf das Befreiungsverbot gestützt. Wegen der Konzeption des paiement abrégé bestand hierzu auch kein Anlass. Die Aufrechnung war hiernach nur wirksam, wenn sie einem Hinund Herzahlen gleichkam. Bei Fehlen der hierzu erforderlichen Voraussetzungen bleibt die Einlageforderung schlicht unerfüllt, so als ob gar nicht geleistet worden wäre248. Unverkennbar legte Pinner demgegenüber ein forderungsbezogenes Verständnis zugrunde: Wenn die Gesellschaft durch den Aufrechnungsvertrag ihre Einlageforderung gegen eine nicht gleich- bzw. vollwertige Gesellschafterforderung „aufgibt“, führt dies zu einer Teilbefreiung des Gesellschafters. In einer Vorauflage249 war von Staub gar noch vertreten worden, dass eine Aufrechnung generell unzulässig sei, weil 2014, 509 (511, 513). Deutlich ablesen lässt sich dieser Wandel der Betrachtungsweise etwa in der veränderten Deutung der Liquidität, dazu unter § 4 I. 1. a) bb). 242 § 2 II. 2. d). 243 RGZ 94, 61 (64). 244 s. unter § 2 II. 2. d) aa) (Fn. 103). 245 Vgl. auch die gerade gegen Pinner gerichtete Kritik bzgl. „Gleichwertigkeit“ und Verstoß gegen das Befreiungsverbot bei Brodmann, Aktienrecht, § 221 HGB Anm. 2c. 246 RGZ 6, 69 (72). 247 RGZ 18, 1 (5); RG Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Band 12 (1903), 155. 248 Allerdings könnte man auch auf Grundlage eines zahlungsbezogenen Ansatzes eine teilweise wirksame Aufrechnung annehmen, wie es später im Schrifttum vereinzelt vertreten wurde, § 4 I. 5. 249 Staub, Handelsgesetzbuch, 6./7. Aufl., 1900.

§ 3 Analyse der Rechtsfortbildung

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sie immer gegen das Befreiungsverbot verstoße. Sie sei „nichts als eine Sacheinlage“, die nur unter Einhaltung der dafür geltenden Bestimmungen erbracht werden könne (!). Obwohl dieses Verständnis mit seiner ursprünglichen Konzeption nicht in Übereinstimmung stand, übernahm das RG in RGZ 94, 61 diese neuen Anklänge. Dadurch erweckt die Lektüre der nachfolgenden Entscheidung heute den unzutreffenden Eindruck, das Gericht sei immer schon dem forderungsbezogenen Ansatz gefolgt. So kann es nicht überraschen, dass der neue Ansatz bald auch Eingang in das GmbH-Recht fand250 und sich dort ebenfalls verbreitete. Dieser Umstand führte dazu, dass der konzeptionelle Umschwung der reichsgerichtlichen Rechtsprechung verschleiert wurde. c) Mögliche Ursachen Wie es zu diesem nicht reflektierten Verständniswandel kam, ist heute im Einzelnen nicht mehr aufklärbar. Es mögen verschiedene Gründe eine Rolle gespielt haben. Auf der einen Seite besteht zwischen beiden Ansätzen dadurch, dass sie die Zulässigkeit der Aufrechnung (auch) von einer hypothetischen Zahlung der Einlage her bestimmen wollen, eine gewisse Nähe. Die Anleihe an der paiement abrégé war vom RG niemals eindeutig als solche formuliert worden, und als der forderungsbezogene Ansatz im Jahr 1918 aufkam, reichte die Rechtsprechung zeitlich bereits lange zurück. Das Vollwertigkeitskriterium war seit seiner Einführung im Jahr 1903 in den meisten Fällen entscheidungserheblich gewesen. Möglicherweise führte das dazu, dass man hinter der Vollwertigkeit zunehmend auch den zentralen dogmatischen Schlüssel der Rechtsprechung ausmachte. Mutmaßlich hat auch die schwelende, kontrovers geführte Debatte um die richtige dogmatische Einordnung der Aufrechnung251 ein Übriges dazu getan. 2. Unterschiede der Ansätze Auf den ersten Blick erscheint einem der Unterschied zwischen den beiden Ansätzen möglicherweise als unbedeutend, denn letztlich knüpfen ja beide Modelle die Zulässigkeit der Aufrechnung an Fälligkeit, Liquidität und Vollwertigkeit der Gesellschafterforderung. Tatsächlich jedoch finden einige bis heute ungeklärte Fragen rund um das Vollwertigkeitsgebot ihren Grund in der Disparität beider Ansätze.

250

Rede. 251

Bereits in RGZ 98, 276 (277) ist von einer „gleichwertigen“ Gesellschafterforderung die Vgl. dazu unter § 4 II.

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a) Tatbestand Bedeutsam sind schon die unterschiedlichen Antworten der beiden Ansätze auf die Frage, was genau mit Vollwertigkeit überhaupt gemeint ist: Hier ist zwar schon der zahlungsbezogene Ansatz nicht völlig frei von Unsicherheiten252, aber jedenfalls bilden Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eine äußerste Grenze. Es existiert kein Verbot, nachdem die Gesellschaft den Gesellschafter nicht befriedigen darf, bloß weil dieser jenseits der materiellen Insolvenzgründe seine Forderung nicht mehr mit 100 Prozent ansetzen kann. Der forderungsbezogene Ansatz muss dagegen nicht bei den materiellen Insolvenzgründen stehen bleiben. Wenn man für die Bewertung der Gesellschafterforderung eine objektive Perspektive als maßgeblich erachtet, können auch im Vorfeld der Insolvenzreife Gründe für eine Abwertung der Gesellschafterforderung existieren. Allerdings hat das RG diese Konsequenz noch nicht gezogen und insofern an seiner frühen Rechtsprechung festgehalten. Hierin tritt erneut deutlich zutage, dass der Wandel der Dogmatik hin zum forderungsbezogenen Ansatz unreflektiert erfolgte. Freilich ist in einer späten, dem forderungsbezogenen Ansatz zuzurechnenden Entscheidung bzgl. der Vollwertigkeit schon deutlich unschärfer von „mißlicher Vermögenslage“ die Rede253. Aber erst unter dem BGH ist das Vollwertigkeitsgebot unzweideutig über die Fälle der materiellen Insolvenz hinaus ausgeweitet worden254. Beim forderungsbezogenen Ansatz ergibt sich zusätzlich die Frage, worauf sich die „Gleichwertigkeit“ der Gesellschafterforderung eigentlich beziehen muss. In Betracht kommen sowohl Nennwert als auch wirtschaftlicher Wert der Einlageforderung. Im Rahmen des forderungsbezogenen Ansatzes sind Fälligkeit und Liquidität bloße Bewertungsfaktoren der Gesellschafterforderung. Vor allem das Liquiditätskriterium hat daher heute nichts mehr mit dem zu tun, wozu es einst gedacht war. Als Bewertungsfaktor macht das Abstellen auf die subjektive Sicht der Geschäftsleitung, so wie es das RG noch in RGZ 85, 351 vornahm, keinen Sinn: Wenn später im Prozess der objektive Wert der Forderung ermittelt werden muss, kann es abweichend vom zahlungsbezogenen Ansatz keine Rolle spielen, ob im Zeitpunkt der Aufrechnung die Forderung der Höhe nach bereits geprüft und festgestellt worden war. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Liquidität schnell um das subjektive Element entkernt wurde. Bezeichnenderweise setzte die Umdeutung des Liquiditätskriteriums schon früh nach Aufkommen des forderungsbezogenen Ansatzes ein255. Mit Vollwertigkeit wird in der Rechtsprechung des RG also Verschiedenes bezeichnet: Im Folgenden soll daher zwischen der auf die ursprüngliche Konzeption des RG zurückgehenden Vollwertigkeit im engeren Sinne und der dem forde252

s. unter § 2 II. 2. b) aa). (Zur Pfändung) RGZ 133, 81 (83). 254 § 4 I. 1. a) bb). 255 Vgl. z. B. Boesebeck, JW 1938 1401 (1402), der „Liquidität“ bereits mit liquiden Mitteln gleichsetzte. 253

§ 3 Analyse der Rechtsfortbildung

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rungsbezogenen Ansatz zugrundeliegenden Vollwertigkeit im weiteren Sinne unterschieden werden256. b) Rechtsfolge und Umgehung Als Rechtsfolge muss der zahlungsbezogene Ansatz zwingend im Sinne einer „Alles-oder-Nichts“-Lösung zur Unwirksamkeit der Aufrechnung bei fehlender Vollwertigkeit gelangen. Wenn die Aufrechnung nicht dem Hin- und Herzahlen gleichzuachten ist, ist sie so zu behandeln, als ob von Seiten des Gesellschafters überhaupt nicht gezahlt, also die Einlageforderung nicht erfüllt worden ist. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich die Frage, ob eine Anrechnung erfolgen kann, so gut wie vollständig257. Ganz anders liegen die Dinge beim forderungsbezogenen Ansatz, denn hier besteht der Gedanke darin, dass der Gesellschafter zwar in Gestalt seiner Forderung etwas geleistet hat, diese Leistung aber nicht werthaltig ist. So drängt sich geradezu die Frage auf, ob zumindest der verminderte wirtschaftliche Wert der Gesellschafterforderung auf die Einlageverbindlichkeit angerechnet werden kann258. Vor allem aber darf der forderungsbezogene Ansatz nicht formal auf Fälle beschränkt bleiben, in denen die Tilgung der gegenseitigen Forderungen auf einer Aufrechnung durch die Gesellschaft bzw. einem Aufrechnungsvertrag beruht: Wenn anstatt einer Aufrechnung die geschuldeten Beträge hin- und hergezahlt werden, wird ggf. eine nicht werthaltige Forderung verdeckt eingebracht – unabhängig von Rechtsgrund und Entstehungszeitpunkt der Forderung259. Vom Standpunkt des zahlungsbezogenen Ansatzes stellt das die Dinge vollkommen auf den Kopf, denn ein tatsächliches Hin- und Herzahlen soll ja gerade durch die einschränkenden Voraussetzungen fingiert werden: Die Vorstellung, dass die geschuldeten Beträge unmittelbar hin- und hergezahlt werden, bildet gerade den stets als zulässig vorausgesetzten Referenzfall für die Aufrechnung. Was gelten soll, wenn bei fehlender Vollwertigkeit, Liquidität und Fälligkeit tatsächlich hin- und hergezahlt wird, soll dagegen durch den zahlungsbezogenen Ansatz überhaupt nicht beantwortet werden.

256

Vollwertigkeit i. e.S. meint also die materiellen Insolvenzgründe, Vollwertigkeit i.w.S. den wirtschaftlichen Wert der Forderung. 257 Vgl. aber noch unter § 4 I. 5. a). 258 Das RG hat sich denn auch in der Entscheidung, in der der forderungsbezogene Ansatz eingeführt wurde, erstmals überhaupt mit der Anrechnungslösung auseinandergesetzt, s. RGZ 94, 61 (63). 259 Auch hier ist es also kein Zufall, dass die Umgehungsproblematik erstmals in einer Entscheidung thematisiert worden ist, das wie RGZ 94, 61 vom forderungsbezogenen Ansatz ausgeht (RGZ 152, 292).

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

IV. Plausibilität der Einbeziehung sämtlicher Drei-Personen-Konstellationen Die Bezüge zwischen dem Vollwertigkeitsgebot in der Zwei- und in den DreiPersonen-Konstellation(en) werden nicht immer klar herausgestellt. In der Kommentarliteratur werden heute etwa die einzelnen Fallgruppen häufig nicht einmal im Zusammenhang erörtert260. Viele Stimmen, die dem Vollwertigkeitsgebot bei Anweisungsleistung, Abtretung oder Pfändung kritisch oder gar ablehnend gegenüberstehen, wollen das Vollwertigkeitsgebot bei der Aufrechnung unangetastet lassen261. Die Trennung zwischen den verschiedenen Konstellationen lässt sich aber nur scheinbar leicht durchführen. Tatsächlich „drängt“ ein bei der Aufrechnung ernstgenommenes Vollwertigkeitsgebot auf seine Ausdehnung auch in die DreiPersonen-Konstellationen. 1. Leistung auf Anweisung an einen Dritten Das RG war jedenfalls insofern konsequent, als es zunächst die Leistung der Einlage an einen Dritten auf Anweisung der Gesellschaft in die Vollwertigkeitsrechtsprechung einbezog. a) Notwendigkeit der Zahlungsfiktion Zunächst hat es das RG bereits unter dem zahlungsbezogen verstandenen Vollwertigkeitsgebot zwingend als rechtlich erforderlich angesehen, die Anweisungsleistung in seine Rechtsprechung einzubeziehen. Es trifft zwar zu, dass sich der Gesellschafter bei der Anweisungsleistung im Unterschied zur Aufrechnung unzweifelhaft des geschuldeten Betrags – gerade als Leistung auf die Einlage – begibt262. Dies würde dafür sprechen, die Anweisungsleistung abweichend von den übrigen Fällen ohne Geltung des Vollwertigkeitsgebots immer der Erfüllung der Einlageforderung gleichzustellen263. Dass mittels der allgemeinen Zivilrechtsdogmatik die weisungsgemäße Zahlung an einen Dritten als Leistung des Gesellschafters an die Gesellschaft gleichzustellen ist, bleibt indessen immer noch hinter dem zurück, was das RG mit der Vollwertigkeitsrechtsprechung verwirklicht sehen wollte. Das Gericht verlangte insofern eine reale Zahlung gerade an die Gesellschaft. Bei der Aufrechnung im Zwei-Personen-Verhältnis wird dieser Umstand nur nicht recht deutlich: Hier wirkt der zahlungsbezogene Ansatz – in Ermangelung irgendeiner Zahlung – notwendigerweise „rein“ hypothetisch: Simuliert wird m.a.W. nicht nur 260

Abtretung und Pfändung werden allerdings immer im Zusammenhang erörtert. Exemplarisch K. Müller, GmbHR 1970, 57 (58 f.); K. Schmidt, ZHR 157 (1993), 291 (301); Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 391 ff. 262 Dezidiert Ihrig, Freie Verfügung, S. 291. 263 Eine tendenziell vordringende Ansicht spricht sich denn auch genau hierfür aus, dazu unter § 9 I. 1. a). 261

§ 3 Analyse der Rechtsfortbildung

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Empfang und Rückzahlung der Mittel durch die Gesellschaft, sondern auch, dass überhaupt eine Zahlung erfolgt. Bei der Leistung auf Anweisung an einen Dritten soll das Vollwertigkeitsgebot dagegen nicht nur – was sich eben bereits aus allgemeinen Grundsätzen ergibt – überhaupt die Zahlung der Einlage simulieren, sondern gerade auch deren realen Empfang und Weiterleitung durch die Gesellschaft. Daran fehlt es nach der Konzeption des RG aber, wenn die Gesellschaft etwa zahlungsunfähig oder überschuldet264 ist. Denn in diesem Fall müsste ein vom Gesellschafter als Einlagenleistung vereinnahmter Betrag zurückgehalten werden. Eine unmittelbare Weiterleitung an den Dritten kommt ebenso wenig wie bei der Aufrechnung265 in Betracht. b) Fehlende Trennschärfe der Abgrenzung Auch in der Sache ist die Einbeziehung sämtlicher Fallgruppen überzeugend, wenn man als Prämisse die Geltung des Vollwertigkeitsgebots bei der Aufrechnung im Zwei-Personen-Verhältnis unterstellt. Bereits aus dem – zahlungsbezogen verstandenen – Vollwertigkeitsgebot bei der Aufrechnung im Zwei-Personen-Verhältnis ergibt sich unmittelbar, dass eine Regressforderung des Gesellschafters, die dieser durch Tilgung einer gegenüber einem Dritten bestehenden Gesellschaftsverbindlichkeit erlangt (§ 267 BGB), vollwertig fällig und liquide sein muss, wenn diese mit der gegenüber dem Gesellschafter bestehenden Einlageforderung aufgerechnet werden soll. Zweitens müssen auch auf einen von der Gesellschaft mit einem Gesellschaftsgläubiger geschlossenen Aufrechnungsvertrag über Einlage- und Drittforderung266 die bei der Aufrechnung im Zwei-Personen-Verhältnis geltenden Grundsätze angewendet werden: Aus der als maßgeblich erkannten Perspektive der Gesellschaft ergibt es keinen Unterschied, ob diese, anstatt die Einlage real zu erhalten, von einer minderwertigen Gesellschafter- oder Drittverbindlichkeit befreit wird. Hält man sich diese beiden Prämissen vor Augen, wäre es wenig überzeugend, die Anweisungsleistung von den Beschränkungen des Vollwertigkeitsgebots auszunehmen267. Auch in diesem Zusammenhang kann das Argument, der Gesellschafter zahle – im Unterschied zur Aufrechnung im Zwei-Personen-Verhältnis – nicht, nicht überzeugen. Eine tatsächliche Zahlung liegt auch im Fall der schlichten Drittleistung oder dann vor, wenn der Gesellschafter nach Drittaufrechnung die Regressforderung

264

Vgl. allerdings § 2 II. 2. b) aa). II. 3. 266 Angesichts der Möglichkeit einer Aufrechnung mit Gesellschafterforderungen ist kein Grund ersichtlich, warum die Gesellschaft durch Vertrag nicht ebenso mit Forderungen Dritter aufrechnen können sollte. 267 Priester, BB 1987, 208 (210); Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 141. 265

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

des Dritten erfüllt268. Wenn auch der Gesellschafter in diesen Fällen den geschuldeten Betrag nicht gerade als Einlage zahlt, er also anders als bei der Anweisungsleistung mit Fremdtilgungswillen handelt, unterscheiden sich diese Fälle im Ergebnis nicht derart, dass eine unterschiedliche Behandlung stimmig erschiene. Die Aufrechnung der Regressforderung, die dem Gesellschafter aus der Tilgung der fremden (Gesellschafts-)Verbindlichkeit erwächst, erfordert genauso das Einverständnis der Gesellschaft (vgl. § 66 Abs. 1 S. 2 AktG, § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG), wie das im Fall der Anweisungsleistung erforderlich ist; nicht anders verhält es sich bei der Drittaufrechnung. Schon die Beteiligten selbst werden sich in der Praxis selten darauf abstimmen, ob die Tilgung der Drittverbindlichkeit nun gerade Anweisungsleistung sein soll, eine Drittaufrechnung mit simultaner Leistung des Gesellschafters an den Dritten oder eine – von der Gesellschaft konsentierte – schlichte Drittleistung angestrebt wird und eine (antizipierte) Aufrechnung mit der Rückgriffsforderung des Gesellschafters erfolgt. Wie die Beispiele aus der Rechtsprechung des RG belegen, fällt es im Nachhinein umso schwerer, die Disposition trennscharf zuzuordnen269. Der BGH hat sich später übrigens in seiner Leitentscheidung zur Anweisungsleistung270 denn auch maßgeblich auf eine Entscheidung des OLG Zweibrücken271 berufen, in dem eben jene gebotene Gleichbehandlung mit dem Aufrechnungsvertrag – unter Berufung auf eine einschlägige Entscheidung des RG – als Begründung gefunden wurde272. 2. Abtretung und Pfändung Nicht anders als die Einbeziehung der Leistung der Einlage auf Anweisung der Gesellschaft an einen Dritten stellte das RG auch bzgl. Abtretung und Pfändung den Zusammenhang mit der Aufrechnung her273. a) Kontinuität zur Aufrechnung Die Entscheidung RGZ 124, 380 verwischte diesen Zusammenhang zunächst lediglich, da hier als Gegenleistung für den Verlust der Einlageforderung ein Entgelt gezahlt worden war und daher nicht – der Aufrechnung vergleichbar – die Befreiung von einer Gesellschaftsverbindlichkeit als Bezugspunkt der Vollwertigkeit in Frage kam. In späteren Entscheidungen, in denen Bezugspunkt der Vollwertigkeit wie bei der Aufrechnung nur eine Forderung sein konnte, stellte das RG den Zusammenhang 268 Gleichwohl ergibt sich aus dem Vollwertigkeitsgebot bei der Aufrechnung im ZweiPersonen-Verhältnis, dass der Gesellschafter in diesen Fällen eben nicht ohne weiteres frei wird. 269 § 2 II. 2. c). 270 NJW 1986, 989. 271 NJW 1966, 840. 272 NJW 1966, 840 f. 273 So auch J. Schumacher, JW 1936, 3153 f.; vgl. auch K. Schmidt, ZHR 157 (1993), 293 (300 ff.).

§ 3 Analyse der Rechtsfortbildung

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ausdrücklich klar274. Das RG vermochte in diesem Schritt nicht einmal einen Widerspruch zu seiner früheren Rechtsprechung erkennen. Es genügte ihm „insoweit der Hinweis auf die Behandlung der Aufrechnungsfrage“275. Tatsächlich hatte RGZ 85, 351 noch das genaue Gegenteil signalisiert: Unbeschränkt zulässige Abtretung und Pfändung auf der einen Seite276, Aufrechnung dagegen nur bei vollwertiger, fälliger und liquider Gesellschafterforderung277. Mit der Bemerkung wollte das RG keinesfalls bloß – inhaltlich fragwürdig – eine gewisse Kontinuität seiner Rechtsprechung signalisieren. Die Spruchpraxis zu den Ausnahmen vom Vollwertigkeitsgebot belegt deutlich, dass das Gericht auch insofern davon ausging, dass die Vollwertigkeitsgrundsätze einheitlich gehandhabt werden sollten. Schon die erste Entscheidung ist in dieser Hinsicht unmissverständlich, wenn dort angemerkt wurde, dass mit Wegfall der Kapitalgrundlage und damit in dem vom RG als Ausnahme vom Vollwertigkeitsgebot bestimmten Fall auch das Erlass- und das einseitige Aufrechnungsverbot nicht mehr gelten sollten278. Noch klarer zeigt RGZ 156, 23, dass es dem Gericht in der Gleichbehandlung von Aufrechnung bis hin zur Pfändung Ernst war. Nicht nur sollten nach dieser Entscheidung bei der dort angenommenen Ausnahme vom Vollwertigkeitsgebot gesellschaftsfremde Dritte auf die Forderung im Wege der Pfändung zugreifen dürfen. Vielmehr sollte in diesem Fall fehlender Vollwertigkeit auch die Aufrechnung, und zwar sogar die einseitige Aufrechnung durch den Gesellschafter zulässig sein279. Der Gesellschafter sollte sich also nicht nur gegenüber dem externen Pfändungsgläubiger, sondern auch gegenüber den anderen Gläubigern der Gesellschaft, die in dem Fall existierten, durchsetzen können. Als einzige Ausnahme von dieser Gleichbehandlung wollte das RG den Fall anerkennen, dass der Gesellschafter durch die verweigerte Leistung seiner Einlage den Zusammenbruch der Gesellschaft und damit letztlich den Wegfall der Vollwertigkeitsschranke selbst verursacht habe. Zudem wies das RG darauf hin, dass der Gesellschafter ebenfalls nicht aufrechnen könne, wenn er seine Forderung erst nach Wirksamwerden der Pfändung erhalten hätte (§ 392 BGB).

274 Vgl. z. B. RGZ 149, 293 (297): „[…] Vorschriften über die Beschränkung der Aufrechnung mit Ansprüchen auf Zahlung von Stammeinlagen und die hieraus abgeleitete Beschränkung der Pfändbarkeit derartiger Ansprüche“, Hervorhebung nicht im Original. 275 RGZ 133, 81 (83); i.d.S. auch J. Schumacher, JW 1936, 3153 (3154). 276 RGZ 85, 351 (352 f.). 277 RGZ 85, 351 (353). 278 RGZ 149, 293 (298). 279 „Geht man davon aus, daß die Einlageforderung […] ihre Eigenschaft als Kapitalgrundlage der Gesellschaft verloren habe und daß deshalb ein Gesellschaftsgläubiger auch für seine nicht vollwertige Gesellschaftsforderung die Einlageschuld pfänden könne, so erhebt sich die Frage, ob nicht dann auch dem Einlageschuldner gestattet werden müsse, mit seiner eigenen Forderung gegen die Gesellschaft aufzurechnen, auch wenn diese Forderung nicht vollwertig ist. Diese Frage ist zu bejahen.“, RGZ 156, 23 (33).

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

b) Aufstieg des forderungsbezogenen Ansatzes als Hintergrund Ausschlaggebend für die Kehrtwende der Rechtsprechung war der Aufstieg des forderungsbezogenen Ansatzes. Dies lässt sich am besten an einem Beispielsfall erläutern, dem die für alle Drei-Personen-Verhältnisse typische Konstellation zugrundeliegt: Die Gesellschaft B hat eine ausstehende Einlageforderung gegen A und eine Verbindlichkeit gegenüber C. Betrachtet man die Varianten, durch die C jetzt mittels der ausstehenden Einlage befriedigt werden kann und legt dabei die Grundsätze des RG zum Aufrechnungsvertrag in der zahlungsbezogenen Sichtweise zugrunde, gelangt man zu folgendem Ergebnis: Falls B und C sich auf eine Verrechnung der Forderungen (Variante 1) verständigen280, ist dies nur bei Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität der Forderung des C zulässig. Dasselbe muss gelten, wenn A auf Anweisung der B seine Einlage an C zahlt (Variante 2)281. Genau wie in der Zwei-Personen-Konstellation fingiert der zahlungsbezogene Ansatz in beiden Varianten eine Hinzahlung an B und Weiterzahlung an C. Wenn jetzt aber B stattdessen die Einlageforderung an C etwa an Erfüllung statt abtritt (Variante 3), verfängt der zahlungsbezogene Ansatz jedenfalls nicht mehr unmittelbar. Zwar verliert die Gesellschaft im Ergebnis wiederum die Einlageforderung gegen die Befreiung einer Verbindlichkeit. Die Einlageforderung bleibt allerdings im Unterschied zu Variante 1 und 2 bestehen. Der Gesellschafter leistet die Einlage erst in einem zweiten, von der Zession verschiedenen Akt. Die Vorstellung einer hypothetischen Zahlung der Einlage als Referenzfall der Abtretung liegt fern. Es ist daher unter Geltung des zahlungsbezogenen Ansatzes jedenfalls nachvollziehbar, warum das RG ursprünglich die Variante 3 anders als Variante 1 u. 2 behandelte und ohne Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität der Forderung des C zuließ. Zwingend ist es gleichwohl nicht, da sich auch auf Grundlage eines zahlungsbezogenen Ansatzes Gründe für den Einbezug der Abtretung anführen ließen282. Wechselt man dagegen gedanklich zu einem forderungsbezogen begründeten Vollwertigkeitsgebot, müssen sämtliche Varianten zwingend einer einheitlichen Lösung zugeführt werden. In Variante 1 u. 2 besteht die ratio des Vollwertigkeitsgebots nun darin, dass die Gesellschafter ihre Einlageforderung nicht gegen eine minderwertige Verbindlichkeit preisgeben soll. Dann muss aber zwingend auch Variante 3 erfasst werden, denn es darf keinen Unterschied machen, ob die nach § 19 Abs. 2 GmbHG verbotene Teilbefreiung nun durch einen Aufrechnungsvertrag, eine direkte Zahlung des Gesellschafters an den Dritten auf Anweisung der Gesellschaft

280

Ggf. mit Zustimmung des A, die aber nicht erforderlich ist, vgl. § 267 BGB. Vgl. dazu unter 1. 282 So kann man die Abtretung etwa als Umgehung eines Aufrechnungsvertrags mit der Forderung des Dritten einordnen. 281

§ 3 Analyse der Rechtsfortbildung

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oder eben durch Abtretung eintritt. Wenn die Abtretung schon erfasst ist, ist der Schritt zur Pfändung auch nicht mehr weit283. Der Bruch in der Rechtsprechung des RG zu Abtretung und Pfändung lässt sich also rückblickend doch damit erklären, dass er schlicht auf der konsequenten Fortbildung des forderungsbezogenen Ansatzes beruhte. In RGZ 133, 81 geht das RG denn auch erkennbar von diesem Ansatz aus, wenn es von einer wegen der misslichen Vermögenslage der Gesellschaft „wirtschaftlich nicht vollwertig[en]“ Schuld als Gegenleistung für die Abtretung der Einlageforderung spricht284. c) Rechtspolitische Zweifel am Prioritätsprinzip (Wertenbruch)? Wertenbruch285 hat die Trendwende der Rechtsprechung mit der seit Mitte der 1920er Jahre einsetzenden Kritik am zwangsvollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzip zu erklären versucht. Er weist darauf hin, dass die Entscheidung RGZ 133, 81286 in dasselbe Jahr fällt, in dem das Reichsjustizministerium den Entwurf einer Zivilprozessordnung veröffentlichte287. Dieser Entwurf wollte u. a. nach Schweizer Vorbild288 ein Rangfristensystem einführen, demzufolge alle innerhalb von zehn Tagen nach Erstpfändung wirksam gewordenen Pfändungspfandrechte denselben Rang bekommen289. Im Schrifttum waren außerdem bereits seit längerer Zeit die Schwächen des Konkursanfechtungsrechts kritisiert worden. Insbesondere Jaeger forderte für den selbstständigen Konkurs eine Rückschlagsperre (vgl. heute § 88 InsO)290 für inkongruente Sicherungen und Befriedigungen einer „mindestens einmonatigen“ Konkursvorzeit291. Das RG habe nun, so die These von Wertenbruch292, sich durch den Entwurf dazu legitimiert oder wenigstens veranlasst gefühlt, dem Vorschlag Jaegers (in einem Teilbereich) zum Durchbruch zu verhelfen und das 283 Genau in dieser Reihung hat das RG denn auch in RGZ 133, 81 (83) das Vollwertigkeitsgebot bei der Pfändung begründet. 284 RGZ 133, 81 (83). Das wird i.Ü. auch daran deutlich, dass hier von den – durch den zahlungsbezogenen Ansatz geprägten – Fälligkeits- und Liquiditätskriterien keine Rede ist. 285 Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 377 ff. 286 Dazu unter § 2 III. 2. b). 287 Veröffentlicht durch das Reichsjustizministerium, 1931, vgl. insbesondere die §§ 882 ff. und die Erläuterungen auf S. 427 ff. 288 Vgl. dazu Siebert, Prioritätsprinzip, S. 49 ff. 289 § 882 Abs. 2 des Entwurfs. Innerhalb einer so gebildeten Gruppe gilt also das Gleichrangprinzip, allerdings gilt gegenüber anderen Gruppen (unverändert) das Prioritätsprinzip, vgl. C. Becker, Prioritätsprinzip, S. 38. 290 Wenn hingegen zunächst ein Vergleichsverfahren durchgeführt worden und gescheitert war, kam im Anschlusskonkursverfahren auch die Rückschlagsperre der VerglO zum Zuge, s. Jaeger, DJZ 1930, 33 (38). 291 A.a.O. (Fn. 290). 292 Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 379 f.

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

Vollwertigkeitsgebot sozusagen als „konkursrechtlich verstandene Rückschlagsperre“ eingeführt. Es lässt sich natürlich nicht ausschließen, dass die Ausdehnung des Vollwertigkeitsgebots auf die Pfändung im Ergebnis auch durch die Kritik am Prioritätsprinzip und den Schwächen des Anfechtungsrechts begünstigt wurde. Der Entwurf allerdings wollte im Ergebnis das Prioritätsprinzip nicht ersetzen, sondern eher maßvoll modifizieren293. Das Reichsjustizministerium schien sich überdies in diesem Punkt des „Diskussions“-Entwurfs gar nicht sicher zu sein294. Nimmt man diese Umstände hinzu, erscheint es doch als sehr gewagt, dem RG ohne weitergehende Anhaltspunkte zu unterstellen, das Kapitalaufbringungsrecht bewusst für die Umsetzung konkursrechtlicher Reformvorschläge „durch die Hintertür“ erkoren zu haben. Gänzlich abweichend von den Reformvorschlägen knüpfte das Gericht die Zulässigkeit der Pfändung auch nicht an starre Fristen, sondern an die materielle Solvenz der Gesellschaft. Dabei konnte RGZ 133, 81 wie gezeigt eben nachvollziehbar an seine jahrzehntelange, kapitalschutzrechtlich begründete Rechtsprechung zur Aufrechnung anknüpfen. Dass der Sache nach, hierin ist Wertenbruch beizupflichten, das Kapitalaufbringungsrecht zum Platzhalter für das Insolvenzrecht wurde295, ist Ergebnis anstatt Antrieb dieser Rechtsfortbildung gewesen. Zudem muss Wertenbruch auch insofern widersprochen werden, als er andeutet, das RG habe dann mit RGZ 156, 23 – in Reaktion auf das Scheitern des ZPO-Entwurfs im Jahre 1936 – das Vollwertigkeitsgebot für die Pfändung wieder verworfen und sei zu seinem früheren Standpunkt der unbeschränkten Zulässigkeit der Pfändung zurückgekehrt296. Zuzugeben ist zwar, dass sich einige Sätze dieser Entscheidung tatsächlich wie eine grundsätzliche Abkehr vom Vollwertigkeitsgebot lesen lassen297. Gleichwohl wollte das RG unverkennbar im Grundsatz an seiner Rechtsprechung festhalten298 und nur deren unbillige Auswüchse korrigieren. Für den Fall einer späteren Eröffnung des

293 Vgl. schon Fn. 289. Vor allem entfernt sich der Entwurf durch die – im internationalen Vergleich kurze – 10-Tages-Frist nicht allzuweit vom reinen Prioritätsprinzip, Schubert, DGVZ 2010, 123 (125) („Grundsätzliches Festhalten am Prioritätsprinzip“); vgl. auch den von Wertenbruch selbst zitierten Beitrag von Goldschmidt, JW 1931, 2444 (2449): „Allerdings entscheidet der Entw. sich nicht schlechthin für das Ausgleichsprinzip […]“. 294 Vgl. die Begründung des Entwurfs, S. 429; ebenso Gaul, in: Gaul/Schilken/BeckerEberhard, § 5 Rn. 95. 295 Dazu noch eingehend im weiteren Verlauf, insbesondere unter § 4 V., § 7 II. 296 Vgl. Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 380. 297 Etwa wenn das Gericht hervorhebt, bis zum Eintritt der Konkursreife müssten die Einlagen nicht zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger herangezogen werden RGZ 156, 23 (28). 298 Der erste Satz des Urteils lautet: „Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß nach der Rspr. des Reichsgerichts der Anspruch einer Aktiengesellschaft gegen ihren Aktionär auf Leistung der Einlage, wie der Abtretung, so auch der Verpfändung und der Pfändung unterliegt, daß diese Verfügungen über die Einlageforderung grundsätzlich nur dann zulässig sind, wenn der Gesellschaft an Stelle der Einlageforderung ein vollwertiges Entgelt zufließt.“

§ 3 Analyse der Rechtsfortbildung

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Konkursverfahrens, sollte das Vollwertigkeitsgebot weiterhin gelten299. Der BGH hat also durch die spätere Fortführung der Vollwertigkeitsrechtsprechung bei Abtretung und Pfändung nicht etwa eine bereits „stillgelegte“ Rechtsfortbildung wieder aufgenommen.

V. Fazit Die Analyse der reichsgerichtlichen Spruchpraxis hat damit folgende zentrale Erkenntnisse zu Tage gefördert: Die Aufrechnung mit Einlageforderungen wurde vom RG zunächst aufgrund einer zahlungsbezogen verstandenen Konzeption entwickelt. Der entscheidende Gedanke dieses Ansatzes lag zunächst darin, die Aufrechnung habe keine andere Wirkung als ein tatsächliches Hin- und Herzahlen, wenn die Gesellschafterforderung fällig und liquide (unbestritten) sei. Da in einer solchen Situation die Einlage vom Gesellschafter hingezahlt und von der Gesellschaft sogleich zurückgezahlt werden könne, sei die Aufrechnung als Abkürzung einer ansonsten umständlichen Doppelzahlung zulässig. Dieser Ansatz geht also von der bestimmungsgemäßen Ausübung des Einlageforderungsrechts aus, da er sich an dem Referenzfall der tatsächlichen (Hin-)Zahlung der Einlage des Gesellschafters an die Gesellschaft orientiert. Die dogmatischen Ursprünge dieser zahlungsbezogenen Konzeption liegen im französischen Zivilrecht. Denn ursprünglich deutete die französische Doktrin die gesetzliche Aufrechnung (compensation légale), welche Fälligkeit und Liquidität der beiden Forderungen voraussetzt, als eben eine solche paiement abrégé. Das Vollwertigkeitsgebot wurde vom RG dann als drittes Kriterium hinzugenommen. Dabei ließ sich das RG von der Überlegung leiten, dass die beabsichtigte Gleichsetzung der Aufrechnung mit einem realen Hin- und Herzahlen dann nicht eintreten könne, wenn gar keine liquiden Mittel vorhanden waren, die die Gesellschaft (hypothetisch) zahlen kann. Bei materieller Insolvenz der Gesellschaft müsse der Gesellschafter die Einlage tatsächlich leisten; die Gesellschaft dürfe den eingezogenen Betrag nicht zurückzahlen. Der zahlungsbezogene Ansatz wurde bald von einem anderen Ansatz verdrängt. Dieser geht davon aus, dass durch die Aufrechnung gerade nicht die eigentlich geschuldete Zahlung – auf lediglich abgekürztem Wege – erbracht wird. Vielmehr leistet der Gesellschafter wie bei einer Leistung an Erfüllung statt (§ 364 BGB) in Gestalt der Aufgabe seiner Forderung ein aliud. Diese Leistung ist aber der Barzahlung ausnahmsweise gleichzuachten, wenn die Gesellschafterforderung wirtschaftlich voll werthaltig, mithin vollwertig, fällig und liquide ist. Da die ungeschriebenen Voraussetzungen anders als nach dem zahlungsbezogenen Ansatz keine reale Zahlung simulieren, sondern die Werthaltigkeit der Gesellschafterforderung bedingen, wird hier insofern vom forderungsbezogenen Ansatz gesprochen. Dieser 299 Gerade dies spricht im Übrigen auch dagegen, dass mit der Rspr. der Vorschlag Jaegers umgesetzt (und später verworfen) werden sollte.

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Kap. 1: Vollwertigkeitsgebot in der Rechtsprechung des Reichsgerichts

dogmatische Wandel erfolgte freilich nicht reflektiert, sondern ist darauf zurückzuführen, dass das RG den zahlungsbezogenen Ansatz als ursprünglichen Ausgangspunkt seiner Rechtsfortbildung aus den Augen verloren hatte. Bereits der zahlungsbezogene Ansatz drängte darauf hin, das Vollwertigkeitsgebot über die Fallgruppe der Aufrechnung im Zwei-Personen-Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschafter hinaus auszudehnen. Da das RG davon ausging, die Einlage müsse grds. gerade real an die Gesellschaft fließen, musste das Vollwertigkeitsgebot auch dann gelten, wenn die Gesellschaft durch Vertrag die Einlageforderung mit der Forderung eines Dritten aufrechnete. Denn nur wenn die Drittforderung vollwertig, fällig und liquide war, stellte sich nach der Denkweise des RG keine andere Wirkung ein, als ob die Einlage zunächst an die Gesellschaft hin- und umgehend an den Dritten weitergezahlt worden wäre. Nichts anderes konnte dann auch in dem Fall gelten, in dem der Gesellschafter die Einlage auf Anweisung der Gesellschaft direkt an den Gesellschaftsgläubiger zahlte. Der Aufstieg des forderungsbezogenen Ansatzes beförderte dann die weitere Ausdehnung der Rechtsfortbildung auf die Fälle der Abtretung und Pfändung von Einlageforderungen. Wenn heutzutage ganz zutreffend eine „verblüffende Parallelität“ der Aufrechnungs- und Pfändungsdiskussion konstatiert wird300, ist dies also alles andere als Zufall, sondern beruht historisch auf der konsequenten Fortentwicklung des forderungsbezogenen Ansatzes.

300

K. Schmidt, ZHR 157 (1993), 291 (302).

Kapitel 2

Aufrechnung § 4 Kritik der herrschenden Auffassung Wie das erste Kapitel gezeigt hat, ist die Entwicklung des Vollwertigkeitsgebots in der Rechtsprechung maßgeblich von der Fallgruppe der Aufrechnung ausgegangen. Die Aufrechnung wird daher zunächst isoliert untersucht. Dabei soll der bereits erzielte Erkenntnisstand derart mit einfließen, das bereits bei der Darstellung des Meinungsstands (I.) stets auf die Unterschiede zwischen zahlungs- und forderungsbezogenem Ansatz hingewiesen wird. Beide Ansätze werden sodann auch getrennt voneinander kritisiert (IV., V.). Zuvor sind allgemeine zivilrechtliche Grundlagen von Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag in Erinnerung zu rufen (III.) und erste Folgerungen zu ziehen (IV.). Die Entwicklung des eigenen Ansatzes bleibt einem nachfolgenden Abschnitt vorbehalten1.

I. Meinungsstand 1. Vollwertige, fällige und liquide Gesellschafterforderung Rechnet eine AG oder eine GmbH ihre Resteinlageforderung mit einer Gesellschafterforderung auf, verlangen unverändert sowohl die Rechtsprechung2 als auch die ganz überwiegende Meinung in der Literatur3, dass die Gesellschafterforderung 1

Auf die Unterschiede von zahlungs- und forderungsbezogenem Ansatz wird es dann nicht mehr entscheidend ankommen. 2 BGH NJW 1954, 1842; NJW 1964, 1954 (1955); NJW 1968, 398; NJW 1984, 1891; NJW 1992, 2229 (2231); NJW 1994, 1477 (1478); NJW 1996, 1473 (1475); NZG 2002, 1172 (1174); NZG 2003, 168 (170); NJW 2009, 1418 (1419); NJW-RR 2012, 866; OLG Karlsruhe GmbHR 1971, 7 (8); BeckRS 2013, 20940 (Tz. 15) OLG Hamburg GmbHR 1982, 157 (158); GmbHR 2006, 934 f.; OLG Stuttgart NJW 1987, 1032; OLG Köln ZIP 1989, 238 (240); BeckRS 2008, 07010 (unter II. 6.); OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1257; GmbHR 2014, 144 (146); OLG Celle GmbHR 2006, 433; KG BeckRS 2007, 12048 (unter II. 2.). 3 Für die AG: Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 47; Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 22; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 66 Rn. 9; Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 35; Koch, in: Hüffer/Koch, § 66 Rn. 6; Lange, in: Henssler/Strohn, § 66 AktG Rn. 5; Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl. 1988, § 66 Rn. 16; Laubert, in: Hölters, § 66 Rn. 8; Rieckers, in: MünchHdb AG, § 16 Rn. 29; Buchetmann, Teileingezahlte Aktie, S. 34 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 882; Steinmetz, Sacheinlage, S. 43 ff.; für die GmbH: Bayer, in: Lutter/

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vollwertig, fällig und liquide sein muss. Abweichende Stimmen sind demgegenüber deutlich in der Minderheit4. Aus Gründen, die im weiteren Verlauf noch deutlich hervortreten werden, werden im Folgenden allein solche Aufrechnungen bzw. Aufrechnungsverträge untersucht, die bei Übernahme der Einlage nicht vorabgesprochen waren und mithin nicht als verdeckte Sacheinlage einzustufen sind. a) Vollwertigkeit Der genaue Inhalt des Vollwertigkeitsgebots ist infolge der Heterogenität von zahlungs- und forderungsbezogenem Ansatz bis heute ungeklärt geblieben5. Unabhängig von der dogmatischen Einordnung ist freilich der Zeitpunkt für die Beurteilung der Vollwertigkeit. Maßgeblich ist immer derjenige, in dem aufgerechnet wird6. Genauer gesagt handelt es sich dabei um denjenigen Zeitpunkt, in dem die Aufrechnung „tatsächlich bewirkt“ wird7. Bei der einseitigen Aufrechnung durch die Gesellschaft kommt es also auf den Zugang der Aufrechnungserklärung der Gesellschaft an; die Rückwirkung der Tilgung (§ 389 BGB) bleibt außer Betracht. Soll die Aufrechnung antizipiert (durch Vertrag mit dem Gesellschafter) erfolgen, kommt es auf den gewillkürten Zeitpunkt, in der Regel also den Entstehungszeitpunkt der

Hommelhoff, § 19 Rn. 27 f.; Bormann, in: Bormann/Kauka/Ockelmann, Kap. 4 Rn. 97; Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 88; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 33; Hermanns, in: Michalski, § 56a Rn. 29; Märtens, in: MünchKomm/GmbHG, 1. Aufl. 2010, § 19 Rn. 96; Goette, GmbH, § 2 Rn. 33; Lieder, in: MünchKomm/GmbHG, § 56 Rn. 105, 109; ders.; JA 2010, 769 (771); Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rn. 74; Roth, in: Roth/ Altmeppen, § 19 Rn. 35; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1117; Veil, in: Scholz, GmbHG, § 19 Rn. 76, 82; Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 26; Wicke, § 19 Rn. 14; Ziemons, in: Ziemons/Jaeger, § 19 Rn. 122; Hommelhoff, in: FS Kellermann, S. 165 (176); H. P. Westermann, in: FS Oppenhoff, S 535 (538); Albertus, Erstattungsanspruch, S. 147 f.; K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 321 f.; P. A. Schön, Aufrechnung und Kapitalaufbringung, S. 86; Walker, Stammeinlageforderung in der Insolvenz, S. 16 f.; allgemein: Brandes/Lohmann, in: MünchKomm/InsO, § 94 Rn. 36; Hirte, in: Uhlenbruck, § 35 Rn. 310; Heller, AcP (207) 2007, 456 (470); Gansen, Harmonisierung der Kapitalaufbringung S. 38; Hansen, Verdeckte Sacheinlage, S. 184 ff.; Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 64; Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 392. 4 Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 30 ff.; ders., Vergleichsverbote, S. 48 ff.; Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 98; Lieb, DB 1970, 961 (967, Fn. 70); Möhring, in: FS R. Schmidt, S. 85 (91 ff.); Schall, ZGR 2009, 126 (150); ders., Gläubigerschutz, S. 144 f.; Cavin, Kapitalaufbringung, S. 334 (Fn. 688); Frey, Einlagen, S. 51 ff., 71 ff.; Meilicke, Verschleierte Sacheinlage, S. 29 ff. 5 Vgl. auch Veil, in: Scholz, GmbHG, § 19 Rn. 76: „[früher] zweifelhaft, wie genau es zu verstehen ist“ (mit Hinweis auf eine angebliche Klarstellung durch das MoMiG); Verse, ZGR 2012, 875 (891 f.). 6 BGH NJW 1984, 1891; NZG 2003, 168 (170); OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1257 (1258); Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 66 Rn. 9; vgl. schon Schilling, in: Hachenburg, 6. Aufl. 1956, § 19 Anm. 15. 7 Veil, in: Scholz, GmbHG, § 19 Rn. 94.

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Gesellschafterforderung an8. Wird also die Aufrechnung bei fehlender Vollwertigkeit der Gesellschafterforderung bewirkt, hilft es dem Gesellschafter nicht, wenn die Voraussetzungen nachträglich eintreten, bspw. eine etwaige Überschuldung später entfällt. Einig ist man sich ferner darin, dass die Vollwertigkeit auch aus einer werthaltigen Besicherung der Gesellschafterforderung resultieren kann9. aa) Im engen Sinne Was die Fälle der Vollwertigkeit jenseits einer Besicherung angeht, besteht zunächst noch insoweit Einigkeit, dass im Stadium der materiellen10 Insolvenz, also bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft (§§ 17, 19 InsO), Vollwertigkeit zu verneinen ist11. In sachlicher Übereinstimmung mit dem ursprünglichen zahlungsbezogenen Ansatz wollen manche die Vollwertigkeit ausschließlich auf diese beiden Fälle begrenzen12. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihre im insolvenzrechtlichen Sinne fälligen13 Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 S. 1 InsO). Da es sich bei Zahlungsunfähigkeit um Geldilliquidität handelt, kommt es in erster Linie auf das Vorhandensein von Bar- oder Buchgeld an. Allerdings ist nach dem BGH auch sonstiges, bloß geldwertes Vermögen zu berücksichtigen, sofern dieses kurzfristig liquidierbar ist14. Die Zahlungsunfähigkeit wird widerlegbar vermutet, wenn die Gesellschaft ihre Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO)15. In den sonstigen Fällen bedarf es einer Abgrenzung zu unwesentlichen oder nur kurzfristigen Liquiditätslücken (Zahlungsstockungen), deren Leitlinien der IX. Zivilsenat in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 200516 vermessen hat. Keine Zahlungsunfähigkeit ist hiernach gegeben, wenn die Gesellschaft sich innerhalb von 8 OLG Nürnberg GmbHR 1970, 276 (277); erforderlich sind daneben natürlich Fälligkeit und Liquidität. 9 Statt aller Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 55 (m. w. Nachw.). Eine solche Verbindlichkeit der Gesellschaft ist – forderungsbezogen – wirtschaftlich vollwertig und darf – zahlungsbezogen – getilgt werden. 10 Darauf, dass bereits das Insolvenzverfahren beantragt oder gar eröffnet ist, kommt es nach einhelliger Ansicht nicht an, vgl. OLG Nürnberg GmbHR 1970, 276 (277). 11 Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 52; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 66 AktG Rn. 9; Märtens, in: MünchKomm/GmbHG, 1. Aufl. 2010, § 19 Rn. 97; Sirchich von Kis-Sira, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, § 19 Rn. 26; aus der älteren Literatur etwa Scholz, GmbHG, 2. Aufl. 1950, § 19 Rn. 15; zur Ausnahme bei besicherten Forderungen sogleich. 12 Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 37; Verse, ZGR 2012, 875 (892); vgl. auch Lutter, Kapital, S. 132 in Fn. 96 (s. aber noch Fn. 65). 13 Dazu gehört insbesondere ein „ernsthaftes Einfordern“ des Gläubigers, dazu BGH ZIP 2009, 1235 (Tz. 22). 14 BGH ZIP 2007, 1666; zur Diskussion K. Schmidt, InsO, § 17 Rn. 14. 15 Dazu BGH ZIP 2002, 87 (89); ZIP 2006, 2222 (Tz. 13 ff.); Mock, in: Uhlenbruck, § 17 Rn. 147 ff. 16 BGH ZIP 2005, 1426.

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drei Wochen die zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten17 benötigten finanziellen Mittel beschaffen kann18. Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke der Schuldnerin allerdings weniger als zehn Prozent ihrer fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst diese Schwelle erreichen wird19. Beträgt die Liquiditätslücke dagegen zehn Prozent oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird, und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist20. Die aufzurechnende Gesellschafterforderung soll in der Liquiditätsbilanz mitberücksichtigt werden21. Überschuldung liegt gem. § 19 Abs. 2 S. 1 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Der Tatbestand erfordert damit kumulativ, dass einerseits das Gesellschaftsvermögen unter Ansatz von Liquidationswerten die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt („rechnerische Überschuldung“), andererseits eine Prognose ergibt, dass die Unternehmensfortführung objektiv überwiegend unwahrscheinlich ist22. bb) Im weiteren Sinne Bereits dem forderungsbezogenen Ansatz zuzurechnen ist es dagegen, wenn Vollwertigkeit zwar als die Fähigkeit der Gesellschaft zur Tilgung ihrer fälligen Verbindlichkeiten bezeichnet wird, Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung dann aber lediglich als nicht abschließende Negativbeispiele angeführt werden23. Welche weiteren Fälle erfasst sein sollen, wird nicht immer ganz deutlich. Das Meinungsbild lässt sich einmal grob danach unterscheiden, ob allein eine bestimmte Vermögenslage der Gesellschaft, oder zusätzlich eine bestimmte Liquiditätslage für erforderlich gehalten wird. Der BGH hat in seiner Rechtsprechung mitunter explizit allein auf die Vermögenslage der Gesellschaft abgestellt. Die Vollwertigkeit kann hiernach schon deutlich vor Eintritt der Überschuldung ent17 Zur umstrittenen und noch nicht abschließend geklärten Frage, ob diese auch die erst innerhalb des Prognosezeitraums fällig werdenden Verbindlichkeiten (Passiva II) erfassen vgl. K. Schmidt, InsO, § 17 Rn. 27 ff.; Bork, ZIP 2008, 1749 (1751 ff.); Ganter, ZInsO 2011, 2297 ff. 18 BGH ZIP 2005, 1426 (1428 f.). 19 BGH ZIP 2005, 1426; ZIP 2006, 2222 (Tz. 27); ZIP 2007, 1469 (Tz. 37). 20 BGH ZIP 2005, 1426; ZIP 2006, 2222 (Tz. 27); ZIP 2007, 1469 (Tz. 37). 21 Saenger, in: Saenger/Inhester, § 19 Rn. 31; Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 82. 22 Zu den Einzelheiten des Überschuldungsmerkmals vgl. Mock, in: Uhlenbruck, § 19 Rn. 57 ff. 23 Z. B. OLG Hamm ZIP 1988, 1057 (1058); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 37; Mildner, Verschleierte Sacheinlage, S. 56.

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fallen: Wenn die „Gesellschaft [nur] an Kapitalmangel litt oder ihr Reinvermögen einschließlich der noch offenen Einlageforderungen das in dem Gesellschaftsvertrag ausgewiesene Stammkapital unterschritt, kommt es darauf an, ob bei rechtzeitiger Abwicklung noch alle Gläubiger aus dem Gesellschaftsvermögen vollständig hätten befriedigt werden können“24. In der Literatur wird oftmals betont, dass eine besondere Liquiditätsausstattung erforderlich sei. Die Einzelheiten sind auch hier nicht immer leicht nachvollziehbar. Am strengsten ist die Auffassung, die verlangt, dass sämtliche fälligen Gesellschaftsverbindlichkeiten durch Zahlungen erfüllt werden könnten25, die Gesellschaft also „unbeschränkt zahlungsfähig“ sein müsse26. Andere formulieren so, dass erst bei „nachhaltigen Zahlungsschwierigkeiten“ keine Vollwertigkeit mehr vorliege27, ohne dass freilich bereits Zahlungsunfähigkeit eingetreten sein müsste. Kurzfristige Liquiditätsengpässe sollen dann ähnlich wie bei der Zahlungsunfähigkeit als reine Zahlungsstockungen außer Betracht bleiben und die Vollwertigkeit nicht ausschließen. Verbreitet wird eine explizite Festlegung auch vermieden, indem lediglich die Perspektive festgelegt wird, aus der heraus die Vollwertigkeit zu ermitteln ist. So wird etwa gesagt, die Gesellschafterforderung müsse von einem vorsichtigen Kaufmann mit 100 % des Nennwerts angesetzt werden28. Da indessen die Sicht eines informierten, d. h. die maßgeblichen Faktoren kennenden Kaufmanns entscheidend sein soll, ist letztlich aber auch hier wieder die objektive Vermögens- und Liquiditätslage ausschlaggebend. Andere schlagen vor, sich unmittelbar an den bei §§ 27 Abs. 4, 57 Abs. 1 S. 3 AktG, §§ 19 Abs. 5, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG geltenden Grundsätzen zu orientieren29, da dort für das umgekehrte Verhältnis30 ebenfalls ein „vollwertiger“ (Rück-)Zahlungsanspruch verlangt wird. Hiernach müsste die Gesellschafterforderung bilanziell in voller Höhe aktiviert werden können und die Vollwertigkeit entfiele nur bei einem auf konkreten Zweifeln an der Einbringlichkeit der Forderung beruhenden Ausfallrisiko31. Bei den §§ 27 Abs. 4, 57 Abs. 1 S. 3 24 BGH NJW 1994, 1477 (1478); erstmals in NJW 1884, 1891; bestätigt in NZG 2003, 168 (170); auch in BGH NJW 1986, 989 (990) (zur Parallelfrage bei der Leistung der Einlage auf Anweisung der Gesellschaft an einen Gesellschaftsgläubiger) wird allein auf die Fähigkeit der GmbH abgestellt, die Gläubiger mittels des vorhandenen Vermögens zu befriedigen. Anders wohl BGH NJW-RR 2012, 866 (Tz. 44) („Zahlungsfähigkeit“). 25 Priester, BB 1987, 208 (210). 26 Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 82; vgl. auch OLG Stuttgart NJW 1977, 1032; auch kurzfristige Liquiditätsengpässe sollen offenbar schaden. 27 Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 53; Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 28; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 66 Rn. 10; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler, § 66 Rn. 42; Koch, in: Hüffer/Koch, § 66 Rn. Rn. 7; mitunter wird dies aber aus dem Liquiditätskriterium abgeleitet, dazu unter c) bb). 28 Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 67; Steinmetz, Sacheinlage, S. 44. 29 Für die AG Servatius, in: Wachter, § 66 Rn. 11; für die GmbH Veil, in: Scholz, GmbHG, § 19 Rn. 82. 30 Diese Vorschriften gelten für einen Anspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter. 31 Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 81 m. w. Nachw.

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AktG, §§ 19 Abs. 5, 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG ist allerdings nicht vollständig geklärt, ob es – wie sonst im Bilanzrecht – auf die subjektive Sicht der Gesellschaft und damit deren u. U. beschränkte Informiertheit ankommt oder ein objektiver Maßstab anzusetzen ist32. Bei der hier interessierenden Problematik kann freilich nur ein objektiver Maßstab gemeint sein, sodass man auch unter Zugrundelegung des gesetzlichen Vollwertigkeits-Begriffs letztlich wieder zur objektiven Vermögens- und Liquiditätslage der Gesellschaft gelangt33. Hier bleibt dann wiederum offen, welche Voraussetzungen im Einzelnen erforderlich sind. Nicht ganz klar ist auch, inwieweit Entwertungen der Einlageforderung die maßgebliche Schwelle der Vollwertigkeit herabsetzen können. Die h.M. will vom Vollwertigkeitsgebot – wohl in Gänze – absehen, wenn die Einlageforderung durch Zahlungsschwierigkeiten des Inferenten gefährdet oder uneinbringlich ist34. Was aber soll gelten, wenn die Einbringlichkeit der Forderung aus anderen Gründen gefährdet wird? Kann etwa auch berücksichtigt werden, dass die Einlageforderung in Höhe und Bestand streitig ist oder die Verjährung droht? Soll dies dann nur wertmindernd berücksichtigt werden, oder wie bei Zahlungsschwierigkeiten des Gesellschafters zum völligen Ausschluss des Vollwertigkeitsgebots führen? cc) Begründungsansätze So unterschiedlich der genaue Inhalt des Vollwertigkeitsgebots verstanden wird, so vielfältig fallen auch die Begründungen aus. Der zahlungsbezogene Ansatz besteht zumindest terminologisch bis heute fort. Er lebt insbesondere in der noch häufig zu findenden Formulierung weiter, die Aufrechnung dürfe nicht mehr bedeuten als ein „Hin- und Herzahlen“35. Hiervon darf man sich indessen nicht täuschen lassen, da in der Sache doch ganz überwiegend dem forderungsbezogenen Ansatz gefolgt wird. Als Verfechter eines forderungsbezogenen Ansatzes ist es denn auch präziser, von einer aufgerechneten Gesellschafterforderung zu sprechen, die „so gut wie Bargeld“36 ist. Denn nur diese Formulierung trifft die Referenzüberlegung, dass in der Aufrechnung gleichsam die Abtretung der Gesellschafterforderung als Leistung an Erfüllung statt auf die Einlage (mit Konfusionsfolge der Gesellschafterforderung) zu sehen ist. Das Denkmodell besteht eben häufig gerade nicht zahlungsbezogen darin, 32 Für letzteres deutlich Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 76; Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 173; Pentz, in: Rowedder-Schmidt/Leithoff, § 19 Rn. 242. 33 Vgl. (zu § 19 Abs. 5 GmbHG) Herrler, DStR 2011, 2255 (2258 f.). 34 s. unter 3. a). 35 Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl. 1988, § 66 Rn. 16; Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 35; Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 47; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 66 Rn. 9; Laubert, in: Hölters, § 66 Rn. 8; Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 78; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1117. 36 OLG Hamburg GmbHR 1982, 157 (158); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rn. 28; ders., in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 48 („so die zutreffende Formulierung“, a.a.O. in Fn. 142); Steiner, BWNotZ 2009, 193 (196).

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dass bei Vollwertigkeit Gesellschafter und Gesellschaft auch hätten hin- und herzahlen können. So rechtfertigt z. B. Wertenbruch37 das Vollwertigkeitsgebot – forderungsbezogen – damit, der Gesellschafter müsse, wenn er eine wirtschaftlich nicht vollwertige Forderung zur Finanzierung der Einlagenleistung veräußere, den Differenzbetrag zwischen dem erzielten Erlös und dem Nennwert der Einlageforderung aus seinem Privatvermögen aufbringen38. Diese bzw. ähnliche Überlegungen liegen wohl verbreitet der h.M. zugrunde; stets geht es darum, dass die Aufrechnung zur Realisierung des Forderungswerts führe, nicht dagegen zur Quasi-Zahlung des Betrags, in dem sich die aufgerechneten Forderungen decken. Eng mit dem forderungsbezogenen Ansatz verknüpft ist auch die Anführung des Befreiungsverbots39. Verbreitet ist auch die Annahme, die einschränkenden Voraussetzungen seien aus einer Analogie zu den einseitigen Aufrechnungsverboten zu schlussfolgern40. Häufig wird ganz allgemein auf den Grundsatz der effektiven oder realen Kapitalaufbringung41 hingewiesen. Daneben existieren unterschiedliche Kombinationen aus den einzelnen Begründungen42. Von den bis dato umrissenen Begründungsansätzen sind solche zu unterscheiden, die sich von der Kapitalaufbringung lösen und tiefergehend mit Sinn und Zweck des Kapitalschutzes argumentieren. Diese bleiben aber zunächst ausgespart und werden erst in einem nachfolgenden Abschnitt behandelt43. b) Nebengebote (Fälligkeit, Liquidität) Der Umschwung zum forderungsbezogenen Ansatz hat dazu geführt, dass die durch den zahlungsbezogenen Ansatz geprägten Kriterien der Fälligkeit und Liquidität an Bedeutung eingebüßt haben. Gleichwohl wirkt die zahlungsbezogene Konzeption immerhin noch insoweit fort, als dass viele Stimmen Fälligkeit und Liquidität formal als eigenständige, mit der Vollwertigkeit auf gleicher Stufe ste37

Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 393. Das Denkmodell besteht mit anderen Worten also darin, dass der Gesellschafter ein aliud leistet und dieses den entsprechenden Wert haben muss. 39 OLG Stuttgart NJW 1987, 1032; Steinmetz, Sacheinlage, S. 42; Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 392; s. schon Barz, in: Großkomm/AktG, 3. Aufl. 1973, § 66 Anm. 11. Vgl. dazu bereits unter § 3 III. 40 Fleischer, in: K Schmidt/Lutter, § 66 Rn. 9; Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, § 66 Rn. 8; Hermanns, in: Michalski, § 56a Rn. 26; K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 317, 320; vgl. auch Hommelhoff, in: FS Kellermann, S. 165 (176 f.); dagegen etwa Verse, ZGR 2012, 875 (891); Albertus, Erstattungsanspruch, S. 147. 41 Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, 4. Aufl., § 19 Rn. 70; Laubert, in: Hölters, § 66 Rn. 8, 2; Servatius, in: Wachter, § 66 Rn. 10 (es sollten insofern „Umgehungen“ vorgebeugt werden); Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 77; Lutter, Kapital, S. 132; Goette, DStR 1997, 924 (928); kritisch Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 245 (Fn. 1163). 42 Vgl. etwa Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 63; Mildner, Verschleierte Sacheinlage, S. 55. 43 Zu diesen eingehend noch in § 7. 38

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hende Kriterien benennen. In der Sache versteht man sie freilich in aller Regel nur als notwendige Bedingung einer Vollwertigkeit i.w.S.44 aa) Fälligkeit Die Fälligkeit der Gesellschafterforderung wird von der Rechtsprechung45 und zumeist auch der Literatur46 nach wie vor als zwingende Voraussetzung der Aufrechnung angesehen. Ursprünglich verstand das RG unter diesem Kriterium eine Fälligkeit i.w.S., also nicht bloß den Eintritt des gesetzlich oder vertraglich festgelegten Zahlungstermins, sondern auch das Fehlen von Einreden. Die heute h.M. sieht die Einredefreiheit dagegen häufig als Bestandteil der Liquidität47. Auch anhand des Fälligkeitskriteriums lässt sich die Verschiedenartigkeit von zahlungs- und forderungsbezogenem Ansatz deutlich aufzeigen. Der ursprüngliche Gedanke des RG, demzufolge die Fälligkeit die Gleichsetzung mit einem gedachten Hin- und Herzahlen herbeiführen soll, hat sich hier und da noch erhalten48. Auch in der Begründung ist er häufig tragend, was sich am besten an einem Beispielsfall verdeutlichen lässt. Angenommen sei, dass eine GmbH ihre Resteinlageforderung im Nennwert von 100 mit einer Gesellschafterforderung zu demselben Nennwert vertragsweise aufrechnen will. Die Gesellschafterforderung wird allerdings erst in mehreren Monaten fällig. Dass die Aufrechnung nach ständiger Rechtsprechung in dieser Situation unzulässig ist, wird in der Literatur mitunter nun damit begründet, dass ansonsten ein Liquiditätsverlust bei der Gesellschaft eintrete. Da jedoch mit Erlöschen der Einlageforderung (durch Aufrechnung) jedenfalls keine aktuell bei der Gesellschaft vorhandene Liquidität verlorenginge, geht dieses Argument offensichtlich von der Überlegung aus, dass die Gesellschaft die Einlage einziehen (Hinzahlung) und die so generierten Mittel bis zur Fälligkeit der Gesellschafterforderung (Herzahlung) nutzen könnte49. Der Sache nach liegt nach dem zahlungsbezogenen Verständnis daher auch eine Stundung der Einlageforderung vor50. Da Stundungsabreden von der ganz h.M. indes als eine verbotene Befreiung „auf Zeit“ gem. § 66 Abs. 1 S. 1 AktG, § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG eingestuft werden51, ergibt sich hieraus ein weiteres Argument gegen eine Aufrechnung vor Fälligkeit. 44 Vgl. auch die Parallelfrage im Rahmen der Einbringung von Forderungen als Sacheinlage. Fehlen Fälligkeit und Liquidität kann die Forderung dennoch – mit Abschlägen vom Nennwert – eingebracht werden, vgl. Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 5 Rn. 130. 45 Nachw. in Fn. 2. Vgl. insbesondere OLG Hamburg GmbHR 1982, 157 (158). 46 Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 48, 57; Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 27; Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 89; Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 39; Koch, in: Hüffer/Koch, § 66 Rn. 7. 47 Dazu gleich im Text; anders etwa noch Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 65. 48 Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 83; Veil, in: Scholz, GmbHG, § 19 Rn. 74. 49 Vgl. Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 27. 50 Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 39; Koch, in: Hüffer/Koch, § 66 Rn. 7. 51 Statt vieler Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 21.

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Aus einer anderen – eben der forderungsbezogenen – Perspektive lässt sich anführen, dass eine noch nicht fällige Forderung abzuzinsen ist, ihr Barwert damit unter dem Nennwert liegt und die Aufrechnung aus diesem Grunde unzulässig ist52. Wird nun gleichwohl aufgerechnet, steht die forderungsbezogene Konzeption einer Anrechnung prinzipiell offen53. Nimmt man etwa an, dass der Barwert der Gesellschafterforderung in Folge der fehlenden Fälligkeit bei 80 liegt, spricht nach dem forderungsbezogenen Ansatz nichts gegen eine Anrechnung in dieser Höhe. Aus der Sicht des zahlungsbezogen verstandenen Fälligkeits-Kriteriums kommt eine Anrechnung dagegen nicht in Betracht54 ; die Gesellschaft soll eben volle 100 (und nicht lediglich 20) einziehen und bis zur Fälligkeit der Gesellschafterforderung nutzen55. Gegen ein starres Fälligkeitskriterium wurde bereits kritisch angemerkt, dass eine Aufrechnung mit einer noch nicht fälligen Gesellschafterforderung für die Gesellschaft sogar vorteilhaft sein kann56, wenn es sich etwa um eine hochverzinsliche Verbindlichkeit handelt. Es wird daher vereinzelt – und aus einer konsequent forderungsbezogenen Perspektive auch zu Recht – erwogen, das Kriterium als flexiblen Unterfall der Vollwertigkeit (i.w.S.) zu handhaben57. bb) Liquidität Schließlich wird auch das Liquiditätskriterium ganz überwiegend zu den Aufrechnungsvoraussetzungen gezählt58. Allerdings ist der ursprüngliche Sinn dieses noch stärker als die Fälligkeit mit dem zahlungsbezogenen Ansatz verwobenen Kriteriums heute fast vollständig verloren gegangen59. Es wird kaum noch so verstanden, dass die Gesellschafterforderung von der Gesellschaft gerade im Zeitpunkt der Aufrechnung in Bestand und Höhe festgestellt gewesen sein muss (subjektive exante-Sicht)60. Zwar wird in Anlehnung an das RG oft formuliert, die Gesellschafterforderung müsse im Aufrechnungszeitpunkt in Existenz und Höhe außer Zweifel 52

Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 83; Veil, in: Scholz, § 19 Rn. 74. Vgl. dazu unter 5. b). 54 So denn auch Veil, in: Scholz, § 19 Rn. 74. 55 Der von der Gesellschaft infolge der Abzinsung erlangte Teilerlass muss schon deswegen außer Betracht bleiben, weil nicht gesichert ist, dass dieser im Einzelfall den angenommenen Liquiditätsverlust kompensieren kann. 56 Hachenburg, JW 1926, 1153 f. 57 P. A. Schön, Aufrechnung und Kapitalaufbringung, S. 89 ff. („im Grunde nichts anderes als eine besondere Variante der Vollwertigkeitsprüfung“, S. 91). 58 Zur Rspr. vgl. die Nachweise in Fn. 2; aus dem Schrifttum Bayer, in: MünchKomm/ AktG, § 66 Rn. 48, 58; Lange, in: Henssler/Strohn, § 66 AktG Rn. 5; Laubert, in: Hölters, § 66 Rn. 8; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 35; Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 26; Ziemons, in: Ziemons/Jaeger, § 19 Rn. 124; K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 322; P. A. Schön, Aufrechnung und Kapitalaufbringung, S. 96 ff. (allerdings kritisch). 59 Vgl. statt vieler Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler, § 66 Rn. 46 („Der Inhalt dieses Erfordernisses ist jedoch nicht eindeutig“). 60 Vgl. aber Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 37. 53

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stehen bzw. unstreitig sein61. Allerdings soll wohl letztlich doch – wie auch bei Vollwertigkeit und Fälligkeit – ein objektiver ex-Post-Maßstab genügen, auch wenn das nicht immer eindeutig gesagt wird62. Liquidität liegt hiernach auch vor, wenn Bestand und Höhe der Gesellschafterforderung im Aufrechnungszeitpunkt nicht sicher sind, später im Prozess aber zweifelsfrei festgestellt werden63. Oft wird das Kriterium (auch) dahingehend verstanden, dass der Gesellschaft gegenüber der Gesellschafterforderung keine Einreden oder Einwendungen zustehen dürfen64, was ursprünglich schon Inhalt des Fälligkeitskriteriums gewesen war. Den Verwirrungen um zahlungs- und forderungsbezogenem Ansatz ist es schließlich geschuldet, dass das Liquiditätskriterium teilweise sogar mit genuinen Inhalten des Vollwertigkeitsgebots vermengt wird. So soll Liquidität etwa eine „liquide Situation“ bei der Gesellschaft bezeichnen65, die bei den bereits erwähnten erheblichen Zahlungsschwierigkeiten ausgeschlossen wird. In dieser modifizierten Form sagt Liquidität im Grunde nichts mehr aus, was sich nicht schon aus der Vollwertigkeit i. e.S., Fälligkeit oder den allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung ergibt oder sich jedenfalls aus der Vollwertigkeit i.w.S. ableiten ließe. So wird das Liquiditätskriterium teilweise denn auch als Bestandteil der Vollwertigkeit gesehen66 oder seine Berechtigung konsequent gänzlich in Abrede gestellt67. 2. Umgehung durch Hin- und Herzahlen a) Meinungsstand Völlig unklar ist, ob und inwiefern die einschränkenden Aufrechnungsvoraussetzungen auf Grundlage der h.M. dann Anwendung finden, wenn Gesellschaft und Gesellschafter anstatt einer Aufrechnung die geschuldeten Beträge hin- und herzahlen. Damit ist die Frage angesprochen, ob bei den fehlenden Voraussetzungen des Vollwertigkeitsgebots eine Hin- und Herzahlung eine Umgehung der Rechtsfortbildung darstellen. Wer sich (unbewusst) für einen zahlungsbezogenen Ansatz

61

OLG Naumburg NJW-RR 1999, 1641 (1642); Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 90; Westermann, in: Bürgers/Körber, § 66 Rn. 7. 62 So ausdrücklich aber Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rn. 34; Verse, in: Henssler/ Strohn, § 19 GmbHG Rn. 26; Habersack/Weber, ZGR 2014, 509 (522); K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 321 f. 63 Nach dem zahlungsbezogenen Ansatz reicht dies gerade nicht aus, § 3 II. 1. b). 64 Servatius, in: Wachter, § 66 Rn. 11; Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 84; Veil, in: Scholz, GmbHG, § 19 Rn. 75. 65 Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 28 im Anschluss an Lutter, in: KölnKomm/ AktG, 2. Aufl. 1988, § 66 Rn. 19. 66 Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl. 1988, § 66 Rn. 19. 67 Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 40.

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entschieden hat, muss dies konsequent ablehnen68 : Denn bei einem tatsächlichen Hin- und Herzahlen geschieht nichts anderes als das, was der zahlungsbezogene Ansatz im Aufrechnungsvorgang gerade fingieren möchte. Treffend führt Steinberg69 aus einer zahlungsbezogenen Perspektive gegen die Erfassung von Hin- und Herzahlungen ins Feld, man entferne „sich damit […] von dem Ausgangspunkt für die Gestattung der Aufrechnung unter den einschränkenden Voraussetzungen“70. Konsequente Vertreter eines forderungsbezogenen Ansatzes müssen dagegen im Grundsatz – wie schon das RG in seiner späteren Rechtsprechung71 – zwingend auch diesen Fall erfassen. Die Aufrechnungsschranken sind beim forderungsbezogenen Ansatz lediglich formaler Ansatzpunkt der Sanktion72 ; diese blieben ohne Umgehungsverbot unvollständig. In der früheren Rechtsprechung73 u. herrschenden Lehre74 war das Umgehungsverbot denn auch anerkannt. In der neueren Literatur wird diese Problematik aber bemerkenswerterweise kaum noch erörtert75. Über die Gründe kann man nur spekulieren; möglicherweise wird mitunter davon ausgegangen, die gleichlautenden gesetzlichen Regelungen in § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG hätten die Problematik abschließend geregelt76.

68 Dezidiert Buchetmann, Teileingezahlte Aktie, S. 35; Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 70 ff.; kritisch auch Frey, Einlagen, S. 56 („unglückliche Konstruktion“), der freilich das Vollwertigkeitsgebot ohnehin ablehnt. 69 Bareinlagepflicht, S. 71. 70 Allerdings argumentiert Steinberg dann in anderem Zusammenhang forderungsbezogen, vgl. S. 64 („Bewertung dieser Verbindlichkeit“), 65 f. 71 Dazu unter § 2 II. 2. d) bb). 72 Vgl. z. B. K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 320, allerdings mit unberechtigtem Hinweis auf Frey, Einlagen (S. 47), der sich a.a.O. auf § 19 Abs. 5 GmbHG a.F. bezieht. 73 BGH NJW 1991, 1754 (1755 f.); NJW 1994, 1477 (in diesen Entscheidungen wird allerdings in fragwürdiger Weise offengelassen, ob das Umgehungsverbot aus den Regeln der verdeckten Sacheinlage, dem Befreiungsverbot oder dem einseitigen Aufrechnungsverbot folgt); OLG Dresden NZG 2000, 487 f.; vgl. auch OLG Braunschweig NZG 1999, 308 f. (Umgehung des einseitigen Aufrechnungsverbots nach § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG). 74 Barz, in: Großkomm/AktG, 3. Aufl. 1973, § 66 Anm. 11; R. Fischer, in: Großkomm/ AktG, 2. Aufl. 1961, § 60 Anm. 11; Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 52; Hefermehl/ Bungeroth, in: Geßler, § 66 Rn. 50; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rn. 79; § 66 Anm. 5; Hansen, Verdeckte Sacheinlage, S. 188 f.; aus dem neueren Schrifttum Benz, in: Spindler/Stilz, § 27 Rn. 124; Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 253 ff. 75 Anders und konsequent aber Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 253 ff. und darauf aufbauend Benz, in: Spindler/Stilz, § 27 Rn. 124; ebenso Bayer, in: Münch/Komm/AktG, § 66 Rn. 51; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rn. 84; Westermann, in: Bürgers/Körber, § 66 Rn. 7. 76 Dagegen insofern zutreffend Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 51; zur gesetzlichen Regelung des Hin- und Herzehlens im hiesigen Kontext noch unter § 6 II.

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b) Voraussetzungen des Umgehungsverbots In der älteren Literatur herrscht über die genauen Voraussetzungen des Umgehungstatbestands – ebenso wie bei der Parallelfrage zum Tatbestand der verdeckten Sacheinlage77 – viel Unklarheit. Im Grundsatz sollte zwischen dem Austausch der Mittel ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehen78. Zwar könne eine Gesellschaft auch nicht vollwertige Forderungen befriedigen79. Bei einem engen zeitlichen und80 sachlichen Zusammenhang der Zahlungen komme es aber lediglich zu einem formalen Austausch der Geldmittel81. Als Umgehung des Verbots wurde dabei oftmals ausdrücklich nur die Variante genannt, dass der Gesellschafter zunächst seine Geldeinlage erbringt und anschließend die Gesellschaft die Gesellschafterforderung erfüllt (Hin- und Herzahlen i. e. S.). Seinem Zweck nach muss das Umgehungsverbot aber analog der Regelung der verdeckten Sacheinlage82 unabhängig davon verwirklicht werden, ob zunächst der Gesellschafter seine Geldeinlage leistet oder die Gesellschaft die Gesellschafterforderung erfüllt und anschließend jeweils die andere Forderung beglichen wird. Unklar ist, ob eine den wirtschaftlichen Erfolg einer Aufrechnung umfassende Abrede83 oder gar eine Umgehungsabsicht bzgl. des Aufrechnungsverbots84 erforderlich ist. In der neueren Literatur wird die Frage der Umgehung von Benz85 aufgegriffen, der sich für eine analoge Anwendung der heute zum Tatbestand der verdeckten Sacheinlage anerkannten Grundsätze ausspricht.

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Die Behandlung der beiden unterschiedlichen Fälle verschwimmt auch oft. Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 52. 79 Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 52; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler, § 66 Rn. 50; ausdrücklich dagegen Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 22 f.; Buchetmann, Teileingezahlte Aktie, S. 35, plädiert sogar offen dafür, die Aufrechnung formell durch Hin- und Herzahlen auszuschalten. 80 Gem. Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler, § 66 Rn. 50, genügt ein „zeitlicher oder sonstiger Zusammenhang“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 81 Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler, § 66 Rn. 50. 82 Auf die Reihenfolge der Zahlung kommt es bei der verdeckten Sacheinlage seit jeher nicht an, vgl. nur BGH NJW 1991, 1754 (1756); NJW 1996, 1286 (1288); NJW 1998, 1951 (1952); NJW 2007, 765 (Tz 11). 83 Bejahend Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rn. 79, nach dem die Abrede bei einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang vermutet wird. 84 Dafür noch Bayer, in: MünchKomm/AktG, 3. Aufl. 2008, § 66 Rn. 40 (nunmehr nicht mehr ganz deutlich, vgl. § 66 Rn. 51: „darf das […] Aufrechnungsverbot nicht dadurch umgangen werden …“. 85 Reformiertes GmbH-Recht, S. 253 ff.; ebenso Benz, in: Spindler/Stilz, § 27 Rn. 124. 78

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3. Ausnahmen a) Gefährdung der Einlageforderung Eine Ausnahme von den oben dargestellten Grundsätzen lässt die h.M. im Anschluss an ein obiter dictum des BGH86 zu, wenn sich die Aufrechnungsbeschränkungen zum Schaden der Gesellschaft auswirken würden, weil die Einlageforderung infolge mangelnder Bonität des Schuldners gefährdet oder gar uneinbringlich ist. Die Gesellschaft steht in so einer Situation durch die Aufrechnung gegen die nicht vollwertige Forderung besser, als wenn sie es auf eine von vorneherein erfolglose Durchsetzung der Einlageforderung ankommen ließe. Das Schrifttum hat allerdings seit jeher zusätzlich gefordert, dass das Kaduzierungsverfahren (§§ 21 ff. GmbHG, §§ 64 ff. AktG) keinen Erfolg versprechen darf87 und der BGH hat diese Einschränkung in der Babcock-Entscheidung übernommen88. Der Ausnahmetatbestand kommt hiernach bei der AG etwa in Betracht, wenn der die Einlage schuldende Aktionär insolvent wird, Rückgriffsmöglichkeiten gegen Vormänner (§ 65 Abs. 1, Abs. 2 AktG) nicht bestehen und eine Verwertung nach § 65 Abs. 3 AktG ausgeschlossen erscheint. Vereinzelt wird diese Ausnahme abgelehnt, da das Kaduzierungsverfahren derart „umgangen“ werden könnte89. Die Gläubiger dürften nicht dem Risiko ausgesetzt werden, dass sich die Prognose als falsch erweise und die Gesellschaft durch die Kaduzierung doch mehr erlösen könnte. Die Gesellschaft müsse in jedem Fall versuchen, die Aktien – ggf. nach längerer Haltezeit – gem. § 65 AktG zu verwerten90. b) „Zweckfortfall“ der Kapitalgrundlage Der BGH lehnt es ab, die bei Zweckfortfall der Kapitalgrundlage im Rahmen von Abtretung und Pfändung der Einlageforderung anerkannten Ausnahmen vom Vollwertigkeitsgebot91 „1-zu-1“ auf die Fälle der Aufrechnung zu übertragen92. Der

86 NJW 1954, 1842 (1843 f.); jeweils bestätigt, ohne dass die Ausnahme einschlägig gewesen wäre, in BGH NJW 1979, 216; (zuletzt) NZG 2012, 69 (Rz. 39); OLG Zweibrücken NJW 1966, 840 (841); OLG Hamm GmbHR 1994 399 (401); erstmals – ebenfalls obiter – RGZ, 141, 204 (211 f.), allerdings zu § 19 Abs. 3 Alt. 2 GmbHG a.F. (später § 19 Abs. 5 Alt. 2 GmbHG a.F.). 87 Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 41; Märtens, in: MünchKomm/GmbHG, 1. Aufl. 2010, § 19 Rn. 106. Unklar ist, ob hinsichtlich dieser Voraussetzung Vorstand und Geschäftsführer ein Ermessensspielraum zukommt oder ob das Gericht ggf. in vollem Umfang überprüft, ob die Einlage hätte beigetrieben werden können (s. z. B. Gehrlein, § 66 Rn. 41: „nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile“; „flexible Handhabung“). 88 NZG 2012, 69 (Rz. 39). 89 Servatius, in: Wachter, § 66 Rn. 12. 90 Servatius, a.a.O (vorige Fn.). 91 § 9 I. 2.

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Unterschied wird immer dann deutlich, wenn in den Ausnahmesituationen der masselosen Insolvenz neben dem aufrechnungswilligen Einlageschuldner noch externe Fremdgläubiger der Gesellschaft bestehen, die ebenfalls auf die Einlage zugreifen wollen. In dieser Konstellation, in der die externen Gesellschaftsgläubiger die Einlageforderung trotz fehlender Vollwertigkeit bspw. pfänden könnten, darf der die Einlage schuldende Gesellschafter nach Ansicht des BGH nicht mit einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden, nicht vollwertigen Forderung aufrechnen. Diesen von der Auffassung des RG93 abweichenden Standpunkt hat der BGH damit begründet, dass die Einlage in dieser Situation als Haftungs- und Kreditgrundlage der Gesellschaftsgläubiger erhalten bleiben müsse und der kapitalschutzrechtliche Gläubigerschutz gerade in der Situation einer masselosen Insolvenz besonders wichtig sei. Die Entscheidungen des BGH betrafen zwar unmittelbar nur die Frage, ob bei Wegfall der Kapitalgrundlage zugunsten der Pfändungsgläubiger das einseitige Aufrechnungsverbot weiterhin gelten soll. Die Begründung beansprucht aber gleichermaßen für eine von der Gesellschaft einseitig oder im Vertrag mit dem Gesellschafter vorgenommene Aufrechnung Geltung. Schließlich „verschwendet“ die Gesellschaft die Einlage bei der Aufrechnung mit einer nicht vollwertigen Gesellschafterforderung, obwohl sie als Haftungs- und Kreditgrundlage der Gesellschaft erhalten bleiben muss. Dass bei Zweckfortfall der Kapitalgrundlage keine Aufrechnung mit nicht vollwertigen Gesellschafterforderungen stattfindet, entspricht, ohne dass diese Frage näher erörtert wird, im Ergebnis auch dem Standpunkt der Literatur94. 4. Darlegungs- und Beweislast Die Feststellung der Vollwertigkeit kann erhebliche Beweisprobleme erzeugen. Wenn ein Insolvenzverwalter erst viele Jahre, nachdem Gesellschaft und Gesellschafter die Aufrechnung erklärt haben, die Einlage einziehen will, wird nicht immer feststehen, ob die Gesellschaft im maßgeblichen Zeitpunkt etwa überschuldet war. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast wird daher nicht selten entscheidend für den Ausgang eines Rechtsstreits sein.

92 BGH NJW 1970, 469 (471); im Ergebnis ebenfalls schon – allerdings (insofern) noch ohne Auseinandersetzung mit der abweichenden Auffassung des RG – BGH NJW 1968, 398 (400 f.). 93 § 3 IV. 2. b). 94 Einerseits wird allgemein eine teleologische Reduktion des Aufrechnungsverbots ausgeschlossen, wenn weitere Fremdgläubiger Ansprüche gegen die Gesellschaft erheben, Ulmer/ Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 74; andererseits wird bei der Aufrechnung durch die Gesellschaft als Ausnahme lediglich die Gefährdung der Einlageforderung erörtert, dazu bereits unter 3. a).

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a) Rechtsprechung Da in der Regel ausstehende Einlagen durch den Insolvenzverwalter eingeklagt werden und der Gesellschafter dann den früheren Abschluss eines Aufrechnungsvertrags einwendet, muss er nach dem Günstigkeitsprinzip jedenfalls das Vorliegen der Aufrechnungserklärungen beweisen95. Der BGH sieht den Gesellschafter indessen auch – jedenfalls für den praktischen Regelfall des Aufrechnungsvertrags – hinsichtlich Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität der Gesellschafterforderung als darlegungs- und beweisbelastet an96. Dasselbe soll nach einer beiläufigen Äußerung in der Babcock-Entscheidung auch für den Aktionär gelten97. Für das GmbH-Recht hat der BGH zur Begründung angeführt, neben allgemeinen Grundsätzen folge dies auch aus den grds. „streng anzuwendenden Kapitalsicherungsvorschriften“98. Allerdings soll dem Gesellschafter dann geholfen werden, wenn er im Einzelnen vorträgt, dass er aus „tatsächlichen“ Gründen den Vollwertigkeitsbeweis nicht führen könne99. Die Gesellschaft könne dann nämlich „unter Umständen gehalten sein, zunächst nähere Einzelheiten über ihren damaligen Vermögensstand vorzutragen und etwa erforderliche Unterlagen vorzulegen“100 ; die Beweislast verbleibe allerdings beim Gesellschafter101. Ob daraus zu schließen ist, dass einem GesellschafterGeschäftsführer diese Erleichterung grds. nicht zugutekommen kann102, ist allerdings fraglich103. Unklar ist, ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn die Einlageforderung zwischenzeitlich wirksam durch Abtretung oder Pfändung auf einen Dritten übergegangen ist, sodass dann zunächst der Dritte Einzelheiten über den Vermögensstand der Gesellschaft im Aufrechnungszeitpunkt vortragen müsste104.

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Unstreitg, vgl. nur Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, § 66 Rn. 10. NJW 1992, 2229 (2231); NJW 2003, 825 (826); vgl. auch schon BGH NJW 1968, 398 (399); OLG Stuttgart NJW 1987, 1032; OLG Köln NJW-RR 1986, 1296 (1297); NJW-RR 1993, 1257 (1258); zuletzt etwa OLG Düsseldorf GmbHR 2014, 144 (146); anders noch OLG Karlsruhe GmbHR 1971, 7 (8). 97 NZG 2012, 69 (Tz. 44). 98 BGH NJW 1992, 2229 (2231). 99 Gemeint ist wohl die fehlende tatsächliche Zugangsmöglichkeit zu den erforderlichen Unterlagen, Stobbe, Gesellschaftsrechtliche Ansprüche, Rn. 720. 100 BGH NJW 1992, 2229 (2231). 101 Vgl. Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 92. 102 Stobbe, Gesellschaftsrechtliche Ansprüche, Rn. 720, bezugnehmend auf BGH NJW 1992, 2229 (2231). 103 Entscheidend muss ja sein, ob der in Anspruch Genommene im Prozess die Möglichkeit hat, den Beweis zu führen. Wenn er zwischenzeitlich als Geschäftsführer abberufen wurde, stellen sich ihm grds. dieselben Schwierigkeiten wie einem „Nur“-Gesellschafter. 104 Dagegen Stobbe, Gesellschaftsrechtliche Ansprüche, Rn. 721. 96

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Kap. 2: Aufrechnung

b) Literatur Die im Grundsatz bestehende Darlegungs- und Beweislast des GmbH-Gesellschafters für Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität der aufgerechneten Forderung ist im Schrifttum auf breite Akzeptanz gestoßen105. Teilweise wird zur Begründung auf die Informationsrechte des Gesellschafters (§§ 51a f. GmbHG) hingewiesen. Damit ist in der Regel wohl nicht gemeint, dass der Gesellschafter sich so im Vorfeld einer Aufrechnung die erforderlichen Informationen beschaffen106, sondern ihm im Einziehungsprozess durch diese Rechte die Beweisführung erleichtert werden kann107. Im aktienrechtlichen Schrifttum wird gelegentlich ebenfalls die Darlegungs- und Beweislast unterschiedslos dem Aktionär zugeteilt108. Zur Begründung wird zumeist auf den effektiven Kapitalschutz hingewiesen109. Verbreitet wird die Rechtsprechung jedoch für korrekturbedürftig erachtet: Nach einer differenzierenden Lösung soll bei der – freilich kaum praxisrelevanten – einseitigen Aufrechnung die Gesellschaft darlegungs- und beweisbelastet sein. Der Aktionär habe sich in diesem Fall anders als bei einem Aufrechnungsvertrag nicht auf das Risiko der Unwirksamkeit eingelassen110. Viele sehen die Gesellschaft aber darüber hinausgehend beim Aufrechnungsvertrag generell als darlegungs- und beweispflichtig an111: Die Gleichwertigkeit der aufgerechneten Forderungen sei die Regel112, die Umstände der Voll-

105 Bayer, in: Lutter/Hommelhof, § 19 Rn. 37; Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 505 (510 f.); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 37 a.E.; Märtens, in: MünchKomm/GmbHG, 1. Aufl. 2010, § 19 Rn. 117, 119; Pentz, in: Rowedder-Leithoff, § 19 Rn. 90; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 35a; Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 26a a.E.; Wicke, § 19 Rn. 14; Ziemons, in: Ziemons/Jaeger, § 19 Rn. 130. 106 Insofern ist mit den §§ 51a f. GmbHG nichts gewonnen: Sofern sich Gesellschaft und Gesellschafter – wie im praktischen Regelfall des Aufrechnungsvertrags – über die Aufrechnung einig sind, wird der Gesellschafter die erforderlichen Informationen, sofern sich die Beteiligten der von der h.M. verlangten Aufrechnungsvoraussetzungen überhaupt bewusst sind, von der Geschäftsleitung erhalten. 107 So dezidiert Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rn. 90; Stobbe, Gesellschaftsrechtliche Ansprüche, Rn. 721. 108 Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 64; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 66 Rn. 9; Laubert, in: Hölters, § 66 Rn. 9, 10; Rieckers, in: MünchHdb AG, § 16 Rn. 29. 109 Vgl. auch Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 64, demzufolge diese Beweislastverteilung „insbesondere“ gelten müsse, wenn die Einlageforderung durch einen Gesellschaftsgläubiger gepfändet wird. 110 Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 42 f. 111 Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 33; Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 36; Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, § 66 Rn. 10; ebenfalls schon R. Fischer, in: Großkomm/AktG, 2. Aufl. 1961, § 60 Anm. 13; wohl auch Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler, § 66 Rn. 49; Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl. 1988, § 66 Rn. 22 (beide jedenfalls ausdrücklich nur für die einseitige Aufrechnung). 112 Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl. 1988, § 66 Rn. 22.

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wertigkeit lägen in der Sphäre der Gesellschaft und der Aktionär habe kein § 51a GmbHG entsprechendes Informationsrecht inne113. 5. Rechtsfolgen a) Unwirksamkeit Die Rechtsfolge der Aufrechnung bestand nach der h.M. lange Zeit in einer „Alles-oder-Nichts“-Lösung. Eine Aufrechnung durch die Gesellschaft gegenüber einer nicht vollwertigen, nicht fälligen oder nicht liquiden Gesellschafterforderung sollte „ins Leere“114 gehen, also absolut unwirksam sein. Teilweise wurde aber auch schon vor der Neuregelung der Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage115 dafür plädiert, einen verbleibenden Restwert der Gesellschafterforderung auf die Einlageverbindlichkeit anzurechnen116. Nach einer vereinzelten Ansicht sollte die Anrechnung einschränkend nur insoweit Platz greifen, als ein isolierbarer Teil der Gesellschafterforderung den erforderlichen Voraussetzungen in vollem Umfang gerecht wird („Teil-Gleichwertigkeit“)117. Hiernach ist bspw. eine Anrechnung i.H.v. 60 möglich, wenn eine im Nennwert von 100 aufgerechnete Gesellschafterforderung i.H.v. 40 illiquide (bestritten), im Übrigen aber liquide ist. Fehlt es dagegen etwa an der Vollwertigkeit i. e.S., weil die Gesellschaft zahlungsunfähig ist, ist die gesamte Forderung betroffen und eine Anrechnung scheidet aus. Auch dieses Meinungsbild lässt sich wiederum auf die Dichotomie von zahlungs- und forderungsbezogenem Ansatz zurückführen: Die zuletzt genannte Ansicht folgt dem zahlungsbezogenen Denkmodell und geht von der Prämisse aus, dass die Aufrechnung hypothetisch einer teilweisen Hin-und-Herzahlung gleichkommen kann, wenn die Gesellschafterforderung zu einem abtrennbaren Teil den ungeschriebenen kapitalaufbringungsrechtlichen Voraussetzungen genügt. Wer mit dem forderungsbezogenen Ansatz dagegen die Aufrechnung wie die Leistung eines minderwertigen Erfüllungssurrogats betrachtet, ist nicht zu dieser Einschränkung veranlasst. b) Anrechnung analog § 27 Abs. 3 S. 3 AktG, § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG Das MoMiG hat bzgl. der Rechtsfolgenfrage jedenfalls in der GmbH-rechtlichen Literatur zu einem Umdenken geführt. Die ganz überwiegende Meinung plädiert heute bei fehlender Vollwertigkeit, Fälligkeit oder Liquidität für eine Analogie zu 113

Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 33. Ulmer, in: Ulmer, 1. Aufl. 2005, § 19 Rn. 72. 115 Dazu sogleich im Text. 116 Priester, in: Scholz, 8. Aufl. 1995, § 56 Rn. 54; ders., DB 1976, 1801 (1805); Dreßel, Kapitalaufbringung, S. 199. 117 Hefermehl/Bungeroth, in: Hefermehl, § 66 Rn. 42; Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 68 f. 114

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§ 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG118. Vereinzelt wird ohne weitere Begründung an dem überkommenen Standpunkt festgehalten119. Teilweise wird auf durch die Anrechnungslösung bedingte konstruktive Schwierigkeiten hingewiesen120. Der neueren h.M. liegt die Überlegung zugrunde, dass ein uneingeschränktes Festhalten an der „Alles-oder-Nichts-Lösung“ zu einem Wertungswiderspruch führen würde. Aufrechnungen, die dem Tatbestand der verdeckten Sacheinlage unterfallen, sind nunmehr nach der Anrechnungslösung zu behandeln und führen mithin zu der weniger einschneidenden Rechtsfolge einer Anrechnung121. Vorabgesprochene Aufrechnungen können aber nicht zu einer milderen Rechtsfolge führen als nicht vorabgesprochene Aufrechnungen, da das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage ansonsten privilegierend wirken würde122. Auch bei nicht vorabgesprochenen Aufrechnungen soll also die Gesellschafterforderung in Höhe des objektiven, nachweisbaren Werts erlöschen können123. Ob dies auch bei i. e.S. vollwertigen, aber nicht fälligen oder nicht liquiden Gesellschafterforderungen gelten soll, ist unklar124. Teilweise soll die Anrechnungslösung sogar bei der stets unzulässigen einseitigen Gesellschafteraufrechnung gelten125. Das aktienrechtliche Schrifttum hat zu dieser Frage bislang nur vereinzelt Stellung genommen, spricht sich insoweit aber ebenfalls tendenziell für eine Analogie § 27 Abs. 3 S. 3 AktG aus126. c) Differenzhaftung Nach einem jüngst von Habersack/Weber erhobenen Vorschlag soll bei der nicht vorab gesprochenen Aufrechnung mit Neuforderungen die Aufrechnung auch bei 118 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rn. 36; Bormann, in: Bormann/Kauka/Ockelmann, Kap. 4 Rn. 98; Ulmer/Casper, in: Ulmer; § 19 Rn. 81; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 36; Saenger, in: Saenger/Inhester, § 19 Rn. 39; Veil, in: Scholz, GmbHG, § 19 Rn. 80, 82; Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 27, wohl auch Sirchich von Kis-Sira, in: Gehrlein/Ekkenga/ Simon, § 19 Rn. 29. 119 Ziemons, in: Ziemons/Jager, § 19 Rn. 132; ohne Thematisierung der verdeckten Sacheinlage Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 102; zum Aktienrecht auch Servatius, in:Wachter, § 66 Rn. 14. 120 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 37. 121 Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 25. 122 Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 251. 123 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rn. 36; Benz, in: Spindler/Stilz, § 27 Rn. 124. 124 Dafür Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 252 f. 125 Tendenziell Bormann, in: Bormann/Kauka/Ockelmann, Kap. 4 Rn. 96; nur für den Fall, dass die vom Gesellschafter einseitig erklärte Aufrechnung durch die Geschäftsleitung genehmigt wird, auch Habersack/Weber, ZGR 2014 509 (524 ff., 527 ff.); ähnlich Wicke, § 19 Rn. 12; (zurecht) ablehnend Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rn. 25, 36; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 32, 53. 126 Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 23 f.; Benz, in: Spindler/Stilz, § 27 Rn. 124; Verse, ZGR 2012, 875 (893).

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fehlender Vollwertigkeit wirksam sein127. Neuforderungen könnten eben gerade nicht als Sacheinlage eingebracht werden, sodass die mit der Anrechnungslösung verbundene Gleichsetzung mit der verdeckten Sacheinlage nicht überzeugen könne. Da die nicht vorabgesprochene Aufrechnung mit Neuforderungen prinzipiell nicht unzulässig sein könne, sei sie – jedenfalls partiell, hinsichtlich der Rechtsfolgen – an das Recht der offenen Sacheinlage anzunähern: Bei fehlender Vollwertigkeit sei den Belangen der Gläubiger durch eine analoge Anwendung des § 9 GmbHG hinreichend Rechnung getragen. Auch nach Habersack/Weber haftet der Gesellschafter mithin für die fehlende Vollwertigkeit; allerdings liegt der Unterschied zu der vom Schrifttum befürworteten Anrechnungslösung in einer abweichenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Infolge der Wirksamkeit der Aufrechnung ist es jedenfalls im Ausgangspunkt an der Gesellschaft, eine fehlende Vollwertigkeit darzulegen und zu beweisen128. Bei der (nicht vorabgesprochenen) Aufrechnung mit Altforderungen bewende es dagegen bei der Unwirksamkeit der Aufrechnung, wobei dem Gesellschafter die Anrechnungslösung analog § 27 Abs. 3 S. 3 AktG, § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG zugutekommen soll129. Diese Differenzierung sei angezeigt, da Altforderungen zum Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage hätten gemacht werden können130.

II. Zivilrechtliche Grundlagen Für eine erste Annäherung an die Thematik erscheint es vielversprechend, die Aufrechnung zunächst allgemein aus zivilrechtlicher Perspektive zu beleuchten. Hierin liegt offensichtlich einiges an Potential für den weiteren Untersuchungsgang, da zahlungs- und forderungsbezogenem Ansatz divergierende Grundverständnisse des „Wesens“ der Aufrechnung zugrundeliegen. 1. Einseitige Aufrechnung a) Grundgedanken Die §§ 387 ff. BGB beruhen zunächst auf einer Zweckmäßigkeitsüberlegung. Wenn zwei Personen einander jeweils einen Geldbetrag schulden, ermöglicht die 127

ZGR 2014, 509 (521 ff.). Allgemein zur Differenzhaftung Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 9 Rn. 8; Schäfer, in: Henssler/Strohn, § 9 GmbHG Rn. 9; im Einzelnen umstr. ist, wie bei begründeten Zweifeln an der Werthaltigkeit des eingebrachten Gegenstands Beweiserleichterungen in Betracht kommen, dazu OLG Düsseldorf, AG 2011, 824 (825); Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 505 (512). 129 Habersack/Weber, ZGR 2014, 509 (520 f.). 130 Vgl. aber auch Habersack, in: Ulmer, § 31 Rn. 64, wonach die Anrechnungslösung – nicht die Differenzhaftung – bei der Aufrechnung des Erstattungsanspruchs (§ 31 GmbHG) gegen eine nicht vollwertige Gesellschafterforderung Platz greifen soll. 128

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Aufrechnung, dass nur der Schuldner des höheren Betrags den überschießenden Teil tatsächlich zahlen muss. Im Übrigen erlöschen beide Ansprüche in der Höhe, in der sie sich decken (§ 389 BGB). Auf diese Art können beide Ansprüche einfacher und schneller getilgt werden, als wenn jeweils jeder Schuldner seine Verbindlichkeit in vollem Umfang erfüllen würde. Daneben bezieht die Aufrechnung ihre Rechtfertigung aus der Billigkeit. Ein Gläubiger, der Zahlung verlangt, obgleich er selbst dem Schuldner Zahlung schuldet, handelt im Allgemeinen wider das Gebot von Treu und Glauben („dolo agit qui petit quod statim redditurus est”)131. b) Tilgungs- und Befriedigungsfunktion Die häufig zuerst genannte Funktion der Aufrechnung besteht in der Tilgung einer Verbindlichkeit. Das Gesetz verleiht dem Schuldner eine Möglichkeit, sich von seiner Verbindlichkeit zu befreien132, ohne die geschuldete Leistung real erbringen zu müssen („Schuldneraufrechnung“). Dies belegt schon der systematische Standort der §§ 387 ff. BGB im Abschnitt über das Erlöschen der Schuldverhältnisse hinter den § 362 ff. BGB133. In Erkenntnisverfahren und Zwangsvollstreckung ist die Aufrechnung ein typisches Verteidigungsmittel der Passivpartei134. Die Aufrechnung ist bisweilen auf das Tilgungselement stark reduziert worden135. Dies hat Anfang des zwanzigstens Jahrhunderts gar eine Theorie hervorgebracht, die offene Fragen im Recht der Aufrechnung allein unter Zuhilfenahme des Tilgungsgedankens lösen wollte136. Die zweite Funktion der Aufrechnung besteht darin, dass der Gläubiger seine eigene Forderung durchsetzen kann („Gläubigeraufrechnung“)137. Mit der Aufrechnung kann er die gleiche Wirkung erzielen, die sonst nur eintreten würde, wenn er sich nach einer u. U. langwierigen Erstreitung eines rechtskräftigen Urteils über seine Forderung die Forderung des Schuldners pfänden und sich überweisen ließe138; gegen eine unpfändbare Forderung ist die Aufrechnung denn auch unzulässig (§ 394 BGB)139. Auch die Befriedigungsfunktion ist früher stark betont und in der Rechtslehre als Gegenansatz zur Tilgungstheorie ausgeformt worden140. 131

Vgl. schon Dernburg, Kompensation, S. 361. Es wird daher auch von „Befreiungsfunktion“ gesprochen, z. B. v. Wilmowsky, NZG 1998, 481. 133 Vgl. auch den Wortlaut der §§ 352, 392, 543 Abs. 2 S. 3 BGB. 134 Windel, KTS 2000, 215 (217). 135 So wurde etwa im gemeinrechtlichen Schrifttum das für die Zahlung geltende Recht auf die Aufrechnung angewendet, vgl. K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 71; zum französischen Recht bereits unter § 3 II. 136 „Tilgungstheorie“, vgl. statt vieler Oertmann, AcP 113 (1915), 376 (385 ff.). 137 BGH NJW 1971, 1563. 138 Rimmelspacher/Spellenberg, JZ 1973, 271 ff. 139 Vgl. auch Bötticher, in: FS Schima, S. 95 (97). 132

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Heute erkennt man einhellig an, dass der Aufrechnung beide Funktionen immanent sind („Kombinationstheorie“)141 und vermeidet es, die Aufrechnung unter Verabsolutierung des Tilgungs- oder Befriedigungselements lediglich als Unterfall anderer bürgerlich-rechtlicher Institute zu verstehen. So ist die Aufrechnung nicht etwa – aus einer einseitig tilgungsbezogenen Perspektive – als Leistung an Erfüllung statt, als facultas alternativa debitoris oder als zweiseitiger Erlass zu verstehen142. Schon gar nicht ist die Aufrechnung mit der Zahlung in dem Sinne gleichzusetzen, dass sie als fingierte doppelseitige Erfüllung verstanden werden müsste143. Es macht tatsächlich einen erheblichen Unterschied, ob man als Gläubiger ein Aktivum empfängt oder nur von einer Verbindlichkeit befreit wird144. Es bestehen auch handfeste rechtliche Unterschiede zwischen Aufrechnung und Erfüllung145. Die Idee von der Aufrechnung als einer ideellen Erfüllung erhebt in unzutreffender Weise den rechtspolitischen, auf Vereinfachung der Zahlungsabwicklung gerichteten Grundgedanken dieses Instituts in den Rang eines dogmatischen Schlüssels146. Bezogen auf das Tilgungselement ist die Aufrechnung schlicht ein Erfüllungssurrogat eigener Art147. Es lässt sich daher lediglich sagen, dass der Aufrechnende seinem Gläubiger die Befreiung von dessen Verbindlichkeit als Tilgung aufzwingen und uno actu seine eigene Forderung durchsetzen kann. Die Dogmatik der Aufrechnung wird damit auf den Verfügungscharakter zurückgeworfen. Bei der einseitigen Aufrechnung verfügt der Aufrechnende über die eigene (Aktiv-)Forderung148, während die Passivforde-

140 „Befriedigungstheorie“, vgl. z. B. Kegel, Aufrechnung, S. 55; Weigelin, Aufrechnung, passim; Feder, ZHR 54 (1904), 434 (491 ff.). 141 BGH NJW 1955, 339; Gursky, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 387 ff. Rn. 7 m. umf. Nachw. 142 Vgl. Gursky, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 387 ff. Rn. 7; K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 71 ff., jew. m. Nachw. 143 Vgl. schon Dernburg, Kompensation, S. 358 ff.; Feder, ZHR 54 (1904), 434 (487 f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 II. 1. (S. 882). Dafür noch Martinius, Archiv für Bürgerliches Recht 24 (1904), 277 (278 f.); s. auch die Nachweise bei Oertmann, AcP 113 (1915), 376 (411 m. Fn. 68). 144 Eujen, Aufrechnung, S. 79 („minus gegenüber der Erfüllung“); Oertmann, AcP 113 (1915), 376 (411 f.); anschaulich Kohler, ZZP 24 (1898), 1 (17): „nein, bei der Aufrechnung wird nicht das Hin- und Herwandern, es werden die Münzen selbst ersetzt“. 145 Neben der Möglichkeit einer Aufrechnung mit verjährter Forderung (§ 215 Alt. 1 BGB) hat der Aufrechnungsgegner abweichend vom Grundsatz des § 266 BGB kein Recht, eine nur teilweise Tilgung seiner Forderung zurückzuweisen; vgl. auch Gernhuber, Erfüllung, S. 228 f. 146 Allg. Meinung, vgl. nur K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 69; Jeremias, Insolvenzaufrechnung, S. 20 ff. 147 Dennhardt, in: Bamberger/Roth, § 387 Rn. 1; Gernhuber, Erfüllung, S. 227; v. Wilmowsky, NZG 1998, 481 (482). 148 K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 124; Bötticher, in: FS Schima, S. 96 f. (Parallele zum Selbsthilfeverkauf [§ 373 HGB]); Flume, BGB AT, Bd. 2, § 11 5. d); vgl. auch RGZ 41, 51 (53 f.); 78, 382 f.

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rung kraft Gesetzes erlischt149. Die Verfügungswirkung der Aufrechnung ist dabei nicht abstrakt, sondern kausal, da sie nur wirksam ist, wenn der Aufrechnende tatsächlich verpflichtet ist. 2. Aufrechnungsvertrag a) Begriffsklärung Die hier interessierenden Vereinbarungen über die Aufrechnung von Einlageforderungen werden etwa bezeichnet als „Aufrechnungsvertrag“150, „vertragsmäßige Aufrechnung“151, vertragliche oder einvernehmliche „Verrechnung“152 oder „Verrechnungsabrede“153. Gemeint ist damit fast immer eine Abrede, die der Terminologie von K.-P.-Berger154 folgend am besten als Aufrechnungsvertrag „im engeren Sinne“ bezeichnet wird. Ein solcher Aufrechnungsvertrag führt die beiderseitige Tilgung der Forderungen unmittelbar herbei, sodass es (später) keiner weiteren Erklärung der Aufrechnung bedarf. Unmittelbarkeit bedeutet dabei natürlich nicht, dass der Aufrechnungsvertrag i. e.S. nicht auch eine antizipierte Aufrechnung, insbesondere über erst künftig entstehende Forderungen zum Inhalt haben könnte155. Der Aufrechnungsvertrag i. e.S. steht einer Abrede gegenüber, durch die lediglich etwa ein Aufrechnungsrecht geschaffen156 oder ein bestehendes Aufrechnungsrecht eingeschränkt werden soll („Vertrag über die Aufrechnung“)157. Vor allem im älteren Schrifttum zum Vollwertigkeitsgebot sind mitunter Missverständnisse darüber entstanden, ob ein Aufrechnungsvertrag i. e.S. oder die vertragliche Begründung eines Aufrechnungsrechts (des Gesellschafters) – als Vertrag über die Aufrechnung – in Rede stand158.

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Brandes, in: MünchKomm/InsO, § 94 Rn. 32; anders noch teilweise die ältere Literatur: Verfügung durch den Aufrechnenden kraft gesetzlicher Befugnis, z. B. Fenge, JZ 1971, 118 (121); oder sogar durch den Aufrechnungsgegner, Sohm, Gegenstand, S. 12 (durch Entgegennahme der Aufrechnungserklärung). 150 P. A. Schön, Aufrechnung und Kapitalaufbringung, S. 20. 151 RG, JW 1905, 92; 700; Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, 14 (1905), 142; RGZ 42, 1 („vertragsmäßig gestattete Aufrechnung“); 68, 121 (122); 72, 265 (268). 152 Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 33; Laubert, in: Hölters, § 66 Rn. 9; Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 237. 153 Veil, in: Scholz, GmbHG, § 19 Rn. 93 („Verrechnungsvertrag“); Meilicke, Verschleierte Sacheinlage, S. 29. 154 Aufrechnungsvertrag, S. 17 ff. 155 Grüneberg, in: Palandt: § 387 Rn. 21; Schlüter, in: MünchKomm/BGB, § 387 Rn. 51. 156 Dann häufig „Aufrechnungsvorvertrag“ genannt, Grüneberg, in: Palandt, § 387 Rn. 21. 157 Aus der Rspr. vgl. z. B. BAG NZA-RR 2010, 646 (Tz. 21). 158 Deutlich zwischen „Zusage“ der Aufrechnung und „vertragsmäßiger Aufrechnung“ differenzierend dagegen z. B. Hachenburg, in: Staub, 4. Aufl. 1913, § 19 Anm. 15; präzise auch Barz, in: Großkomm/AktG, 3. Aufl. 1973, § 66 Anm. 17.

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Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung spielt der Vertrag über die Aufrechnung allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Aus Gründen sprachlicher Vereinfachung wird daher im Folgenden nur noch von „Aufrechnungsvertrag“ die Rede sein und damit der Vertrag i. e.S. bezeichnet. b) Rechtsnatur Ähnlich wie bei der einseitigen Aufrechnung herrschte auch über die Einordnung159 des Aufrechnungsvertrags lange Zeit kein Einvernehmen160. Einer früher verbreiteten, auch in den Teilentwürfen des BGB geteilten Ansicht entsprach es, ihn als Erlass zu deuten, z. B. als gegenseitigen Erlassvertrag161 oder als zwei getrennte, über ein gesondertes Kausalgeschäft verbundene Erlassverträge (oder negative Schuldanerkenntnisse)162. Viele sehen heute im Aufrechnungsvertrag zwar einen Vertrag eigener Art163. Da dieser aber häufig als „(gegenseitiger) Erfüllungsersetzungsvertrag“164 bezeichnet wird, rückt der Aufrechnungsvertrag damit in die Nähe einer doppelseitig erklärten Leistung an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1 BGB)165. Während wiederum – wie bei den §§ 387 ff. BGB – die Tilgungsfunktion des Aufrechnungsvertrags nicht in Abrede zu stellen ist und insofern unbestreitbar Gemeinsamkeiten zwischen Leistung an Erfüllung statt und Aufrechnungsvertrag bestehen, darf dies aber nicht zu einer verfehlten dogmatischen Einordnung führen166. Überzeugend kann der Aufrechnungsvertrag dagegen heute als gesetzlich nicht geregelter Verfügungsvertrag eingeordnet werden167. Anders als bei der einseitigen Aufrechnung, bei der die Verfügungswirkung der Passivforderung vom Aufrechnungsgegner hingenommen werden muss, verfügen beim Aufrechnungsvertrag beide Parteien „kreuzweise“168 solvendi causa über ihre eigene Forderung. Auch 159 Der Aufrechnungsvertrag ist natürlich nicht auf die Ausübung des gesetzlichen Aufrechnungsrechts durch die Gesellschaft und einer (in überflüssiger Weise) zustimmenden Erklärung des Gesellschafters zu reduzieren; entgegen K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 319, ist das so auch im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum niemals vertreten worden. 160 Exemplarisch Siber, in: Planck’s Kommentar zum BGB, 2. Bd. 4. Aufl. 1914, Abschn. 3 Titel 3 Vorbem. 1. 161 Feder, ZHR 54 (1904), 434 (437); vgl. die umf. Nachweise bei K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 97 f. 162 Weigelin, Aufrechnung, S. 124 ff.; weitere Nachweise bei K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, a.a.O (vorige Fn.). 163 Larenz, Schuldrecht, Bd. 1, § 18 VI. 164 Grüneberg, in: Palandt, § 387 Rn. 19; zurückgehend auf Enneccerus/Lehmann, § 69 I. 1.; aus dem gesellschaftsrechtlichen Schrifttum Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 66; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 66 Rn. 14 („Erfüllungsersatzvertrag“); Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl. 1988, § 66 Rn. 14. 165 Vgl. z. B. Gursky, Vorbem zu §§ 387 ff. Rn. 89. 166 Eingehend K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 102 ff. 167 K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 121 ff. und passim m. umfangr. Nachw. 168 v. Hall, KTS 2011, 343 (345).

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diese doppelte Verfügung ist jeweils kausal, da die Wirksamkeit des Vertrags zwingend die Existenz beider Forderungen erfordert.

III. Erste Folgerungen 1. Zulässigkeit und praktische Bedeutung des Aufrechnungsvertrags Eine in Rechtsprechung und Literatur fast ausschließlich geteilte Prämisse besteht darin, dass Aufrechnungsverträge über Einlageforderungen nicht nur zulässig sind, sondern mit Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität auch denselben Zulässigkeitsbedingungen wie die einseitige Gesellschaftsaufrechnung unterliegen169. a) Disposition der Gesellschaft Aufrechnungsverträge werden seit jeher aus der Erwägung zugelassen, dass die Mitwirkung der aufrechnungsbefugten Gesellschaft das einseitige Aufrechnungsverbot des Gesellschafters kompensiert170. Eine eingehende Diskussion, wie etwa um die Zulässigkeit der – gesetzlich ja ebenfalls nicht geregelte – Abtretung der Einlageforderung171, hat daher beim Aufrechnungsvertrag niemals stattgefunden. Nach dem oben Gesagten folgt die Zulässigkeit des Aufrechnungsvertrags genau genommen daraus, dass in ihm jede Partei über ihre eigene Forderung verfügt. Entscheidend ist mithin, dass die Disposition über die Einlageforderung Folge einer Verfügung der Gesellschaft ist und nicht wie bei der verbotenen Aufrechnung durch den Gesellschafter der Gesellschaft aufgezwungen wird. Vor diesem Hintergrund erscheint es ferner plausibel, einseitige Aufrechnung durch die Gesellschaft und Aufrechnungsvertrag jedenfalls im Grundsatz denselben Zulässigkeitsvoraussetzungen zu unterstellen. In den hier untersuchten Fällen, denen in aller Regel ein Aufrechnungsvertrag zugrundeliegt172, ergäbe sich ansonsten für Gesellschaft und Gesellschafter ggf. die Möglichkeit, durch die Wahl des Aufrechnungsvertrags oder der einseitigen Aufrechnung bestehende Zulässigkeitsschranken zu umgehen. 169

BGH NJW 1954, 1842 (1844); aus dem Schrifttum statt vieler Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 95; K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 91; anders ohne Begründung P. A. Schön, Aufrechnung und Kapitalaufbringung, S. 20 (Einseitige Aufrechnung unterliege „engeren Voraussetzungen als der Aufrechnungsvertrag“); genau umgekehrt Meilicke, Verschleierte Sacheinlage, S. 29 (Bei Aufrechnungsverträgen dränge sich der Verdacht auf, „daß der Schuldner […] durch die Verrechnung gegenüber anderen Gläubigern der Gesellschaft bevorzugt werden sollte“). 170 Allgemein für Aufrechnungsverträge bei einseitigem Aufrechnungsverbot Gernhuber, Erfüllung, § 14 I. 4., vgl. auch Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 45. 171 § 2 III. 1. b). 172 Dazu gleich im Text.

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b) Dominanz des Aufrechnungsvertrags In der gesellschaftsrechtlichen Literatur zur Aufrechenbarkeit der Einlageforderung wird zumindest einem ersten Anschein nach der einseitigen Aufrechnung der Gesellschaft ein breiterer Raum gewidmet als dem Aufrechnungsvertrag173. Das ist insofern verwunderlich, als die praktische Bedeutung beider Aufrechnungsformen sich genau umgekehrt verhält. Die Aufrechnung der Einlageforderung erfolgt in der Praxis nämlich fast ausschließlich durch Vertrag. Im Prozess um die Geltendmachung der Einlage steht regelmäßig die Wirksamkeit einer einvernehmlichen, außergerichtlichen Aufrechnung in Rede. Es wird hier daher auch vermieden, die durch die einseitige Aufrechnung geprägten Begriffspaare Haupt- und Gegenforderung sowie Aktiv- und Passivforderung zu verwenden. Die Gründe für die hohe Praxisrelevanz des Aufrechnungsvertrags liegen nicht so sehr in der Möglichkeit, die §§ 387 ff. BGB in gewisser Hinsicht abbedingen zu können, wie es im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum gelegentlich angedeutet wird174. Die überragende praktische Bedeutung des Aufrechnungsvertrags ergibt sich zunächst einmal daraus, dass sich Gesellschaft und Gesellschafter in der Regel über die gegenseitige Tilgung der offenen Forderungen verständigen und eine einvernehmliche Regelung treffen (wollen)175. Die Geschäftsleitung wird es soweit möglich vermeiden, den Gesellschafter mit einer einseitigen Aufrechnungserklärung zu konfrontieren und ihn gleichsam vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das gilt zumal, da die Geschäftsleitung bei einer einseitigen Erklärung gar nicht sicher sein könnte, ob die Aufrechnung vom Gesellschafter akzepiert wird und er in Zukunft nicht mehr aus seiner Forderung gegen die Gesellschaft vorgehen wird. Aus diesen Gründen dürfte selbst dann oftmals ein Aufrechnungsvertrag geschlossen werden, wenn der Wille zur Aufrechnung von der Gesellschaft ausgegangen ist. Die aus den §§ 387 ff. BGB folgende Befugnis der Gesellschaft, die Aufrechnung auch ohne oder gar gegen den Willen des Gesellschafters durchsetzen zu können, erlangt dagegen vor allem dann praktische Bedeutung, wenn sich die Gesellschaft in der Rolle der Passivpartei wiederfindet und sich bspw. gegen den klagenden Gesellschafter verteidigt176. Eine solche Konstellation enthält eine Entscheidung des OLG Hamm177, in der ein Gesellschafter-Geschäftsführer ausstehende Gehaltszahlungen einklagte und die GmbH (hilfsweise) mit der Resteinlageforderung aufrechnete. Abgesehen davon, dass die Dominanz des Aufrechnungsvertrags schlicht aus dem konsensualen Charkter dieser Verfügung folgt, sind die Parteien bei dieser Gestal173 Vgl. statt vieler Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 47 ff., 66 ff.; Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 86 ff., 95; Habersack/Weber, ZGR 2014, 509 (515 ff., 516). 174 Barz, in: Großkomm/AktG, 3. Aufl. 1973, § 66 Anm. 17; Bayer, in: MünchKomm/ AktG, § 66 Rn. 66; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 40. 175 Vgl. insoweit auch Joost, ZHR 148 (1984), 27 (51). 176 Bezeichnenderweise ist die einseitige Aufrechnung in vielen Rechtsordnungen denn auch gar keine Institution des materiellen Zivilrechts, sondern eine solche des Prozessrechts. 177 DB 1993, 1763.

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tungsalternative in der Tat nicht an die einengenden Voraussetzungen und Rechtsfolgen der §§ 387 ff. BGB gebunden. Die Zulässigkeit des Aufrechnungsvertrags folgt nämlich aus der Privatautonomie178. Der Spielraum für Gesellschaft und Gesellschafter wird neben der bereits erwähnten Möglichkeit einer antizipierten Aufrechnung auch dadurch erweitert, dass der Aufrechnungsvertrag anders als die Aufrechnungserklärung (§ 388 S. 2 BGB) mit einer Bedingung oder einer Befristung versehen werden kann. Sofern die Parteien den Aufrechnungsvertrag179 an die Bedingung knüpfen, dass die besonderen gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen – Vollwertigkeit, Liquidität und Fälligkeit – vorliegen, ist damit nur eine unschädliche Rechtsbedingung180 getroffen. Auch das Gegenseitigkeitserfordernis ist beim Aufrechnungsvertrag abdingbar, sodass mit Forderungen Dritter aufgerechnet werden kann181. Im Unterschied zur zwingenden Rechtsfolge des § 389 BGB kann im Aufrechnungsvertrag vereinbart werden, dass die Forderungen lediglich mit exnunc-Wirkung erlöschen sollen182. 2. Zum zweifelhaften Vorverständnis der Aufrechnung Die unter II. angestellten Überlegungen führen zweitens unmittelbar dahin, dass die h.M. Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag mit einem einseitig tilgungsbezogenen Vorverständnis belegen. a) Erfüllungsbezogene Sichtweise Sowohl forderungs- als auch zahlungsbezogener Ansatz rücken die Aufrechnung in die Nähe der Erfüllung (§§ 362 ff. BGB) der Einlageforderung. Es wird denn auch ganz offen davon gesprochen, durch Aufrechnung werde die Einlageforderung „erfüllt“183 bzw. die Einlage „geleistet“184. Bei einer Aufrechnung trotz fehlender Vollwertigkeit besteht der Vorwurf an den Gesellschafter darin, dass er die Einlageforderung nicht tatsächlich (isoliert) durch Zahlung des geschuldeten Betrags erfüllt hat. Im Fall des zahlungsbezogenen Ansatzes lässt sich der Vorwurf – wie

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H.M., Schlüter, in: MünchKomm/BGB, § 387 Rn. 51; Zimmermann, in: Hkk BGB, §§ 387 – 396 Rn. 4; Larenz, Schuldrecht, Bd. 1, § 18 VI. F. 179 Nach § 158 BGB kann der Vertrag als (zweiseitiges) Rechtsgeschäft unter eine Bedingung gestellt werden; man muss also nicht zwingend eine Bedingung der (einzelnen) Willenserklärungen annehmen. 180 Allgemein dazu Rövekamp, in: Bamberger/Roth, § 158 Rn. 9. 181 Vgl. nur § 2 II. 2. c); § 9 II. 2. b). 182 Eine zwischendurch entstandene Verzinsungspflicht entfällt dann nicht rückwirkend. 183 Anschaulich z. B. Flume, DB 1964, 21 („[Verwendung einer] Forderung zur Erfüllung einer Bareinlageverpflichtung durch Aufrechnung“). 184 P. A. Schön, Aufrechnung und Kapitalaufbringung, S. 190 („Aufrechnung als Leistung auf die Geldeinlage“).

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bereits gezeigt185 – dahin konkretisieren, dass die Aufrechnung normativ nicht der Zahlung der Einlage und damit der Erfüllung gleichkommt, wenn bei Fehlen von Vollwertigkeit (i. e.S.), Fälligkeit oder Liquidität aufgerechnet wird. Im Fall des forderungsbezogenen Ansatzes wird dem Gesellschafter dagegen vorgeworfen, dass er nur ein minderwertiges Erfüllungssurrogat hingegeben hat. Unverkennbar tritt das erfüllungsbezogene Verständnis der Aufrechnung auch in der Ausnahme vom Vollwertigkeitsgebot zutage: Wenn bei fehlender Vollwertigkeit die Einlageforderung durch Zahlungsschwierigkeiten des Gesellschafters „gefährdet“ ist, soll zwar im Prinzip auch ohne Vollwertigkeit aufgerechnet werden dürfen. Allerdings steht die Ausnahme unter dem Vorbehalt, dass das gerade auf Einziehung der Einlageforderung gerichtete Kaduzierungsverfahren (§§ 64 ff. AktG, §§ 21 ff. GmbHG) keinen Erfolg verspricht186. b) Kritik Diese erfüllungsbezogene Sichtweise erscheint nur allzu natürlich, wenn man sich noch vergegenwärtigt, dass die Aufrechnung in aller Regel als Verteidigungsmittel des beklagten Gesellschafters im Prozess um die Einlageforderung eingesetzt wird: Auf Zahlung verklagt wendet dieser ein, die Einlageforderung sei bereits „erfüllt“. Gleichwohl ist dieses Verständnis schon im Ansatz nicht durchweg überzeugend. Zwar kann die Aufrechnung hinsichtlich des Tilgungseffekts zutreffend als Erfüllungssurrogat eingeordnet werden. Dies bezeichnet die Aufrechnung aber auch lediglich in ihrer Funktion – und zwar (naturgemäß) in ihrer Funktion für die Person des Rechtsausübenden, also des Aufrechnenden. Jedenfalls bei einer einseitigen Aufrechnung durch die Gesellschaft (§§ 387 ff. BGB) ließe sich daher allenfalls sagen, dass – gerade umgekehrt – die Gesellschafterforderung „durch Aufrechnung“, also durch Befreiung von der Einlageverbindlichkeit erfüllt werde. Die Tilgung der Einlageforderung ist in diesem Fall – aus der Perspektive des Gesellschafters – funktionell neutral. Wenn die Gesellschaft etwa deshalb aufrechnet, weil der Gesellschafter vorher auf die Erfüllung seiner Forderung gedrängt hat, wird sich das gegenseitige Erlöschen der Forderungen für den Gesellschafter je nach Sachlage unterschiedlich darstellen. Die in der Aufrechnung liegende Anerkennung seiner Forderung kann er als Durchsetzung seiner Interessen wahrnehmen; umgekehrt kann er die Aufrechnung auch als unliebsame Verteidigung seines Schuldners empfinden. Zur Verdeutlichung des Gemeinten sei ein weiteres Beispiel gegeben. Ein auf Leistung der Resteinlage klagender Insolvenzverwalter begründet die Unwirksamkeit eines vor Jahren zwischen Gesellschaft und Gesellschafter geschlossenen Aufrechnungsvertrags wie folgt: Die Vollwertigkeit seiner Forderung habe der Gesellschafter nicht nachgewiesen; zwar sei die Einlageforderung gefährdet ge185 186

§ 3 II. Dazu bereits unter I. 3. a).

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wesen, weil der Gesellschafter diese unstreitig zum damaligen Zeitpunkt nicht in voller Höhe hätte leisten können. Die Gesellschaft habe es aber versäumt, das Kaduzierungsverfahren zur Durchsetzung der Einlage anzustrengen. Derart belehrt reagieren Geschäftsführer und Gesellschafter mit Unverständnis: Die Generierung liquider Mittel für die Gesellschaft habe man damals überhaupt nicht beabsichtigt und auch nicht als erforderlich angesehen. Nachdem die Einlageforderung wenige Tage vor Vertragsschluss aufgrund eines in der Satzung festgelegten Termins fällig geworden war, habe man schlicht gegenseitige Verbindlichkeiten begleichen wollen.

IV. Zum forderungsbezogenen Ansatz Die soeben an dem Vorverständnis der Aufrechnung geübte Kritik beruht auf allgemeinen Überlegungen, sodass man entgegnen könnte, dass sich in der hier untersuchten Problematik doch gerade Kapitalschutzrecht durchsetzen und im Sinne einer „realen Kapitalaufbringung“ zu einer forderungs- oder zahlungsbezogenen Sichtweise zwingen müsse. Die folgenden Ausführungen setzen hier an und wollen zeigen, dass sich jedenfalls das forderungsbezogene Verständnis nicht in das System der Trennung von Geld- und Sacheinlage einordnen lässt. Vorausgeschickt sei, dass es dem forderungsbezogenen Ansatz bereits im Ausgangspunkt erheblich an Überzeugungskraft fehlt. Er ist unter ganz zweifelhaften Umständen, namentlich als Fehlinterpretation des ursprünglich verfolgten zahlungsbezogenen Ansatzes, in die Rechtsprechung hineingetragen und vom RG unbewusst übernommen worden187. 1. Aufrechnung als Sacheinlage? a) Geld- und Sacheinlagen Aktien- und GmbH-Recht unterscheiden bekanntlich unverändert streng zwischen Geld- und Sacheinlagen. Für Letztere sind wegen der mit Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung verbundenen Gefahren für die Gläubiger, namentlich einer Überbewertung des eingebrachten Gegenstands188, erhöhte Schutzbestimmungen vorgesehen189. So verlangt etwa das GmbH-Recht Angaben über die Sacheinlage in der Satzung bzw. im Beschluss (§ 5 Abs. 4 S. 1, § 56 Abs. 1 GmbHG), einen Sachgründungsbericht (§ 5 Abs. 4 S. 2 GmbHG)190, grds. die vollständige Leistung 187

§ 3 III. 1. Dazu Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, 238 (240 ff.). 189 Die Trennung von Geld- und Sacheinlagen mag zwar inzwischen durch die Liberalisierung der Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage rechtspolitisch fragwürdig geworden sein; gleichwohl – nur darum geht es hier – liegt sie der gesetzlichen Konzeption zugrunde. 190 Dagegen ist ein obligatorischer „Sachkapitalerhöhungsbericht“ nach der ganz h.M. nicht zu erstatten, Lieder, in: MünchKomm/GmbHG, § 56 Rn. 111 f. m. umf. Nachw. 188

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der Sacheinlage vor Anmeldung (§ 7 Abs. 3, [i.V.m. § 56a] GmbHG) und sieht ein Prüfungsrecht des Registergerichts hinsichtlich der Werthaltigkeit der Sacheinlage vor (§ 9c Abs. 1 S. 2 [i.V.m. § 57a] GmbHG). Bei einer überbewerteten Sacheinlage haftet der Gesellschafter für die Wertdifferenz (§ 9 Abs. 1 S. 1 [i.V.m. § 56 Abs. 2] GmbHG). Im Aktienrecht wird dieses Schutzniveau sogar noch erhöht191. Der mit den Sacheinlagebestimmungen intendierte Schutz wird auch dann nicht relativiert, wenn Geld- und Sacheinlage anfänglich oder nachträglich kombiniert werden oder die eine durch die andere ersetzt werden soll. Ist etwa zunächst noch offen, ob der Gesellschafter eine Geld- oder Sacheinlage leisten soll, kann die Satzung zwar eine Wahlschuld (§ 262 BGB) festsetzen192. Die Einlage kann dann alternativ – nach Wahl des Inferenten oder der Gesellschaft – durch eine Geld- oder die festgesetzte Sachleistung erbracht werden. Die Festsetzungen über die nach Wahl einzubringende Sacheinlage müssen allerdings wie üblich getroffen werden. Vor allem muss das Wahlrecht bis zur Anmeldung der Eintragung vollzogen sein, damit die oben skizzierten Schutzbestimmungen ihre Wirkung entfalten können193. Soll der Gesellschafter auf den Geschäftsanteil eine Mischeinlage194 erbringen, also teilweise eine Geld-, teilweise eine Sachleinlage leisten195, versteht es sich, dass der als Sacheinlage zu leistende Teil wiederum nur unter Berücksichtigung der oben skizzierten Schutzbestimmungen erbracht werden kann. Von den erhöhten Anforderungen an die Einbringung von Sacheinlagen rückt das Gesetz ferner nicht ab, wenn der Gesellschafter zunächst eine Geldeinlage übernimmt, später nach Eintragung jedoch anstatt der Resteinlage eine Sacheinlage einbringen will. Der Gesellschafter kann in einem solchen Fall nicht einfach den betreffenden Gegenstand an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1 BGB) auf die Geldeinlage leisten. Im GmbH- Recht ergab sich dies bis zum Inkrafttreten des MoMiG aus § 19 Abs. 5 Alt. 1 GmbHG a.F. Daneben wurde es von der h.M. auch aus § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG gefolgert196, woran auch nach Streichung von Abs. 5 festgehalten wird197.

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Vgl. dazu Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, 238 f. Fastrich, in: Hueck/Fastrich, § 5 Rn. 48; Freitag/Riemenschneider, in: MünchHdb GmbH, § 9 Rn. 22; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 5 Rn. 25; Zeidler, in: Michalski, § 5 Rn. 131. Für das Aktienrecht Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 27 Rn. 187. 193 Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 5 Rn. 267; Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 5 Rn. 46. 194 Zur Unterscheidung von der gemischten Sacheinlage s. Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 5 Rn. 127; § 7 Rn. 28. 195 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rn. 20 a.E. 196 Nachweise bei Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 53; Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 257 (Fn. 1210). 197 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 28; Märtens, in: MünchKomm/GmbHG, 1. Aufl. 2010, § 19 Rn. 62; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 25; Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 12; Wicke, § 19 Rn. 9, a.A. Heinze, GmbHR 2008, 1065 (1069); Herrler, DB 2008, 2347 (2352). 192

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Ebenso wird § 66 Abs. 1 S. 1 AktG ausgelegt198. Der allein zulässige Weg besteht darin, die Geldeinlage unter Einhaltung der oben skizzierten Kautelen in eine Sacheinlage umzuwandeln. Eine solche Möglichkeit ist im Gesetz nicht vorgesehen, wird von der h.M. im GmbH-Recht aber zugelassen199. b) Aufrechnung als Ausnahme? Das mit dem forderungsbezogenen Ansatz verwobene Verständnis der Aufrechnung lässt sich mit der eben skizzierten Systematik des Gesetzes nicht in Einklang bringen. Eine Leistung in Geld wird bei der Aufrechnung – dies lässt sich nicht bestreiten – nicht erbracht. Gleichwohl soll nach h.M. der Gesellschafter die Geldeinlage durch Aufrechnung in Gestalt der Forderung an Erfüllung statt „leisten“ dürfen, ohne dass dabei nach dieser Auffassung die Bestimmungen für Sacheinlagen zu beachten wären. Die Aufrechnung ist selbstverständlich in dem hier nicht näher untersuchten Fall einer Vorabsprache zwischen Gesellschaft und Gesellschafter als verdeckte Sacheinlage einzuordnen und unterfällt dann den § 27 Abs. 3 AktG, § 19 Abs. 4 GmbHG. In den primär hier interessierenden Fällen verlangt die h.M. jedoch die Werthaltigkeit der aufgerechneten Forderung, obwohl dies institutionell weder durch Publizität und Werthaltigkeitskontrolle abgesichert ist. Dabei ist die Einbringung von Forderungen nach den oben skizzierten Vorschriften ansonsten nur um den Preis zu haben, dass Satzung oder Kapitalerhöhungsbeschluss Angaben über die Person des Sacheinlegers200 sowie des Gegenstands der Sacheinlage enthalten201. Letzteres erfordert Angaben über die Person des Schuldners der Forderung, des Leistungsgegenstands und des Schuldgrunds, soweit nicht nach den näheren Umständen solche Angaben entbehrlich sind202. Bei der dem Registergericht ggf. nachzuweisenden Bewertung der einzubringenden Forderung soll es nach h.M. auf den objektiven Wert der Forderung ankommen. Mit Unterschieden im Einzelnen wird auch hier grds. Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität verlangt203. Die Einbringung einer Forderung auf eine Geldeinlage durch Aufrechnung kann man daher nur als widersprüchlich bezeichnen: Andere sacheinlagefähige Gegenstände, neben dem Eigentum an Sachen etwa beschränkte dingliche Rechte, Immaterialgüterrechte, obligatorische Nutzungsrechte, Gesellschaftsanteile oder Unternehmen dürfen selbst dann unbestritten nicht auf die ausstehende Geldeinlage geleistet werden, wenn ihre Werthaltigkeit völlig unzweifelhaft ist. 198 Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 11; Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 17; Koch, in: Hüffer/Koch, § 66 Rn. 4. 199 Dazu Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rn. 53; Zeidler, in: Michalski, § 5 Rn. 146. 200 Auch wenn § 5 Abs. 4 S. 1 GmbHG diese Angabe nicht mehr ausdrücklich verlangt, dazu Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 5 Rn. 142. 201 Allgemein zum erforderlichen Umfang der Festsetzungen Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 5 Rn. 217 ff. 202 Veil, in: Scholz, GmbHG, § 5 Rn. 88; Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 5 Rn. 147. 203 Vgl. Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 5 Rn. 127 ff.

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Genau genommen entsteht nach der Konzeption der h.M., sobald dem Gesellschafter eine Gegenforderung erwächst, eine Ersetzungsbefugnis: Der Gesellschafter kann seine Einlage fortan zwar noch durch Geldzahlung erbringen, alternativ kann er aber auch seine Forderung einbringen. Das einseitige Aufrechnungsverbot stellt dann sicher, dass die Ersetzungsbefugnis nur im Einvernehmen mit der Gesellschaft ausgeübt werden kann. Widersprüchlich ist es vor dem oben Gesagten aber dann, dass diese Ersetzungsbefugnis ohne Einhaltung der Kautelen der Sacheinlage ausgeübt werden kann. Der forderungsbezogene Ansatz widerspricht daher dem klar zwischen Geldund Sacheinlage trennenden Kapitalaufbringungsrecht. Unschwer ergibt sich dies bereits daraus, dass nach Aktien- und GmbH-Recht seit jeher mit Resteinlageforderungen gegen Gesellschafterforderungen aufgerechnet werden darf, ohne dass hierfür die Sacheinlagebestimmungen anzuwenden wären. Die Begründung zum GmbHG 1892 lässt recht eindeutig erkennen, dass der Gesetzgeber nicht davon ausging, dass die Aufrechnung als solche sacheinlagetypische Gefahren aufwerfe204. Obwohl die Bezüge der forderungsbezogen verstandenen Aufrechnung zur Sacheinlage mitunter erkannt und benannt werden205, wird dies bislang erstaunlicherweise nicht zum Anlass genommen, die Konzeption der h.M. zu überdenken. Die Überlegungen weisen vielmehr immer in die Richtung, die Aufrechnung noch stärker mit dem Recht der offenen Sacheinlage zu verzahnen. So plädieren etwa Habersack/Weber dafür, die Aufrechnung mit Neuforderungen wirksam sein zu lassen, bei fehlender Vollwertigkeit aber die Differenzhaftung analog § 9 GmbHG eingreifen zu lassen. Damit wird zwar so mancher Widerspruch innerhalb der forderunsbezogenen Konzeption abgemildert, namentlich ein Sanktionsgefälle zwischen einer vorabgesprochenen Aufrechnung, die als verdeckte Sacheinlage einzustufen ist, und einer nicht vorabgesprochenen Aufrechnung erreicht. Doch auch die partielle, auf die Rechtsfolgen beschränkte Implantierung sacheinlagebezogener Regeln kann nicht überzeugen, da die Aufrechnung nicht als Sacheinlge ausgestaltet ist. Zumindest konsequenter ist die Überlegung von P. A. Schön206, die sich bezeichnenderweise aber nicht innerhalb des geltenden Rechts verwirklichen lässt. Dieser will die Aufrechnung nur unter Einhaltung der Sacheinlagebestimmungen zulassen, sodass Publizität und präventive Werthaltigkeitskontrolle bzgl. der Gesellschafterforderung ermöglicht werden. Da aber die Aufrechnung prinzipiell dort zulässig sein müsste, wo Geldeinlageforderung der Gesellschaft und Gesellschafterforderung sich aufrechenbar gegenüberstehen, fordert er zusätzlich, für Geldeinlagen eine Volleinzahlungspflicht (analog § 7 Abs. 3 GmbHG) vorzuse204

§ 3 I. 2. c). Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 34; Saenger, in: Saenger/Inhester, § 19 Rn. 28 („Wirtschaftlich entspricht eine Aufrechnung der Einbringung einer Gesellschafterforderung“); K. Schmidt, ZHR 157 (1993), 291 (301); ders., Gesellschaftsrecht, § 29 II. 1. a) (S. 882). 206 (Für das GmbH-Recht), S. 190. 205

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hen207. Diese Argumentation gehört natürlich vom hier vertretenen Standpunkt aus vom Kopf auf die Füße gestellt: Gerade weil das geltende Recht keine Volleinzahlungspflicht bei Resteinlagen kennt und die Aufrechnung ausstehender Einlagen ohne Publizität und präventive Werthaltigkeitskontrolle zulässt, bedarf die insofern widersprüchliche Rechtsfortbildung – und nicht das Gesetz – einer Korrektur. 2. Aufrechnung als verkappte Sacheinlage Da der forderungsbezogene Ansatz auf einem sacheinlagegeprägten Verständnis der Aufrechnung beruht, zugleich aber die Regeln über Sacheinlagen keine Anwendung finden (sollen), gerät die Aufrechnung in der Konzeption der h.M. zwangsläufig zu einer sozusagen „institutionell verdeckten“ Sacheinlage208. In terminologischer Abgrenzung zu § 27 Abs. 3 AktG, § 19 Abs. 4 GmbHG könnte man besser noch von einer „verkappten Sacheinlage“ sprechen209. Auf eine so verstandene Aufrechnung müssten in letzter Konsequenz die Regeln zur verdeckten Sacheinlage in weitem Umfang analog angewendet werden. Diese Schlussfolgerung wird indessen nur zum Teil, nämlich bzgl. der Rechtsfolgen gezogen. a) Tatbestand beim Hin- und Herzahlen Der forderungsbezogene Ansatz wirft – wie bereits angesprochen210 – zusätzliche Schwierigkeiten auf der Ebene des Tatbestands auf. Unproblematisch sind allein die Fälle, in denen unmittelbar durch – einseitige oder einvernehmliche – Aufrechnung gegen das Vollwertigkeitsgebot i.w.S. verstoßen wird. Fraglich ist aber, wann dieses Gebot durch doppelte Zahlungsvorgänge umgangen wird. aa) Konsequenz des forderungsbezogenen Ansatzes Eingedenk der sacheinlagegeprägten Konzeption und der mittlerweile im GmbHrechtlichen Schrifttum weitgehend akzeptierten analogen Anwendung der Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage erscheint es nur folgerichtig, sich auch bei der Bestimmung des (Umgehungs-)Tatbestands an § 27 Abs. 3 AktG, § 19 Abs. 4 GmbHG zu orientieren. Erforderlich ist mithin, dass im wirtschaftlichen Ergebnis die Geldeinlageforderung wenigstens teilweise mit einer Gesellschafterforderung aufgerechnet wird. Unerheblich dürfte sein, ob im Zeitpunkt der Zahlung auf die Einlageforderung die 207 208 209 210

S. 190 ff. Vgl. auch Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 236 ff. Zutreffend daher auch die Kritik von Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 32. § 3 III. 2. a).

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Gesellschafterforderung bereits besteht211 und für die Gesellschaft bereits die Voraussetzungen der §§ 387 ff. BGB vorliegen. Wenn etwa ein Gesellschafter seine Resteinlage eine Woche vor Abschluss eines Kaufvertrags mit der Gesellschaft leistet und diese später einen Kaufpreis an den Gesellschafter zahlt, existiert tatsächlich zu keinem Zeitpunkt eine die Gesellschaft berechtigende Aufrechnungslage hinsichtlich Einlageforderung und Kaufpreisverbindlichkeit. Dennoch darf diese Konstellation nicht vom Umgehungstatbestand ausgenommen sein, wenn Gesellschaft und Gesellschafter die „Hinzahlung“ der Einlage und die nach Vertragsschluss erfolgende „Herzahlung“ (als Kaufpreis) abgestimmt haben: Hierin liegt zwar keine Umgehung der einseitigen (§§ 387 ff. BGB), wohl aber die einer vertraglichen Aufrechnung mit künftigen Forderungen212. Weiterhin ist eine subjektive Abrede zwischen Gesellschafter und Gesellschaft vonnöten, die den wirtschaftlichen Erfolg einer Aufrechnung der gegenseitigen Forderungen beinhaltet. Gesellschaft und Gesellschafter müssten sich also spätestens – anders als bei der verdeckten Scheinlage213 – im Zeitpunkt der ersten Zahlung214 darüber einig sein, dass die jeweils andere Zahlung alsbald erfolgen wird. Eine Umgehungsabsicht bzgl. des Vollwertigkeitsgebots ist dagegen nicht erforderlich215, da der Kapitalschutz wie bei der verdeckten Sacheinlage nicht davon abhängig sein kann, ob die Beteiligten dessen Anforderungen bewusst oder unbewusst nicht gerecht werden. Die Nachweisbarkeit solcher Abreden wirft dieselben Probleme wie bei der verdeckten Sacheinlage216 auf. Bei § 27 Abs. 3 AktG, § 19 Abs. 4 GmbHG behilft man sich damit, dass bei einem engen zeitlichen u. sachlichen Zusammenhang zwischen Leistung der Einlage und dem Austauschgeschäft das Vorliegen des subjektiven Tatbestands widerleglich vermutet wird217. Entsprechend müsste man auch bei Hin- und Herzahlungen eine widerlegbare Vermutung annehmen, wenn zwischen Leistung der Einlage und Zahlung auf die Gesellschafterforderung ein objektiver Zusammenhang besteht218. In zeitlicher Hinsicht wäre

211 Dasselbe gilt auch für den umgekehrten Fall, der allerdings bei Einlageforderungen zur unmittelbaren Anwendung der verdeckten Sacheinlage führt, nicht dagegen bei den gleichgestellten Forderungen. 212 Anderenfalls wäre durch den zeitlich versetzen Abschluss des Kausalgeschäfts das Umgehungsverbot ja leicht auszuhebeln. 213 Hier muss die Abrede spätestens im Zeitpunkt der Übernahme der Geldeinlage vorliegen, vgl. Fastrich, in: Hueck/Fastrich, § 19 Rn. 49. 214 So wohl auch Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 254 f. 215 Vgl. statt aller für die verdeckte Sacheinlage Benz, in: Spindler/Stilz, § 27 Rn. 166 m. Nachw. 216 Vgl. Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 68. 217 BGH ZIP 2012, 1857 (1859); Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 41 m. w. Nachw. 218 So auch Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 254 f. (jedenfalls für den zeitlichen Zusammenhang).

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– wiederum in Anlehnung an die verdeckte Sacheinlage219 – ein Zeitraum von etwa sechs Monaten erforderlich220. bb) Kritik Diese aus dem forderungsbezogenen Ansatz zwingend abzuleitenden Konsequenzen zeigen das ganze Ausmaß der durch das Vollwertigkeitsgebot erzeugten Rechtsunsicherheit: Innerhalb einer „Schamfrist“ von mindestens sechs Monaten vor und nach Leistung der Resteinlagen dürfte ein gut beratener Gesellschafter keine Tilgungsleistungen der Gesellschaft empfangen (!). Ansonsten liefe er Gefahr, später von einem findigen Insolvenzverwalter auf erneute Zahlung der Resteinlage wegen Umgehung des Vollwertigkeitsgebots i.w.S. in Anspruch genommen zu werden221. Solch weitreichende Umgehungsgrundsätze wird man wohl mit Recht als „Hypertrophie“ der Kapitalaufbringung bezeichnen dürfen222. Es dürfte kaum vermittelbar sein, dass eine Resteinlage trotz Zahlung des Gesellschafters möglicherweise nicht wirksam erfüllt wurde, weil drei Monate zuvor eine Forderung des Gesellschafters wenige Tage vor Fälligkeit getilgt worden war. Der forderungsbezogene Ansatz stellt an den gesellschaftsrechtlichen Kenntnisstand der Beteiligten überzogene Erwartungen223. b) Rechtsfolgen Bzgl. der Rechtsfolgen der Aufrechnung werden die Bezüge zur (verdeckten) Sacheinlage erkannt und diskutiert. Aber auch hier vermag die befürwortete analoge Anwendung der Rechtsfolgen der verdeckten bzw. der offenen, aber überbewerteten Sacheinlage nicht zu überzeugen. aa) Grenzen des Analogieschlusses Der von vielen befürwortete Analogieschluss zu den Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage (§ 27 Abs. 3 S. 3 AktG, § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG) wird zunächst von diesen Vorschriften nicht durchweg getragen. Der aufgezeigte Wertungswiderspruch stellt sich ausschließlich dann ein, wenn die aufgerechnete Gesellschafterforderung hypothetisch – wenn das Kausalgeschäft im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage verabredet worden wäre – auch Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage gewesen wäre. Anders gewendet ergibt sich dort kein 219

OLG Köln NZG 1999, 459 (460); Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 126. Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 255. 221 Zur Beweislast des Gesellschafters unter I. 4. 222 In Verbindung mit den Drei-Personen-Konstellationen führt das Hin- und Herzahlungsverbot zu absurden Ergebnissen, § 9 III. 2. b). 223 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des MoMiG zur verdeckten Sacheinlage, Bt.-Drucks. 16/6140, S. 40 (li. Sp.). 220

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Widerspruch, wo zwar wegen eines Verstoßes gegen die Regeln der verdeckten Sacheinlage nicht hätte aufgerechnet werden dürfen, jedoch nicht die Forderung, sondern ein anderer Gegenstand verdeckt eingebracht worden wäre. Zur Veranschaulichung diene der Beispielsfall, dass ein Gründer verdeckt eine Lizenz einbringt, indem die GmbH nach vollständiger Leistung der Geldeinlage vorabsprachegemäß die Lizenz kaufweise erwirbt. Kommt es zur Eintragung der Gesellschaft, kann Bezugspunkt der Anrechnung gem. § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG nur der objektive Wert der Lizenz sein. An diesem Ergebnis kann sich nichts ändern, wenn das Geschäft lediglich alternativ abgewickelt wird, indem die Einlage anfänglich nicht vollständig geleistet und die ausstehende Einlageforderung später mit der Kaufpreisforderung des Gesellschafters aufgerechnet wird. Nun wird der Fall dahin abgewandelt, dass der Gesellschafter eine Mindesteinlage leistet, Gesellschaft und Gesellschafter später den Kaufvertrag ohne Bestehen einer Vorabsprache schließen und dann mit der Resteinlage aufrechnen, obwohl die Voraussetzungen des Vollwertigkeitsgebots nicht erfüllt sind. Es ist nicht widersprüchlich, wenn die Aufrechnung in diesem Fall jetzt anderen Grundsätzen folgt als im Ausgangsfall. Dem Verständnis der h.M. von der Aufrechnung mit Neuforderungen liegt gerade das Verständnis der „verkappten“ Einbringung der Kaufpreisforderung zugrunde. Im Ausgangsfall war dagegen die verdeckte Einbringung der Lizenz inkriminiert. Es geht also um zwei kapitalaufbringungsrechtlich unterschiedlich gelagerte Vorwürfe, die nicht zwingend denselben Rechtsfolgen unterliegen müssen. Wollte man in der abgewandelten Konstellation den Gleichlauf zu den Rechtsfolgen einer – hypothetisch gedachten – verdeckten Sacheinlage herstellen, müsste man auf die Einlageforderung den objektiven Wert der Lizenz, nicht denjenigen der Forderung anrechnen. Dieses Ergebnis wäre aber kapitalaufbringungsrechtlich nicht begründbar, da es ja gerade am Tatbestand einer verdeckten Sacheinlage fehlt224. Die neuere h.M. müsste also eigentlich eine beträchtliche Zahl von Aufrechnungsfällen weiterhin nach der alten „Alles-oder-Nichts“-Lösung behandeln. Das in der Konzeption der h.M. ohnehin bereits komplexe Problemfeld der Aufrechnung würde durch die Einführung einer weiteren Differenzierung wohl kaum an Rechtssicherheit gewinnen. bb) De-facto-Legitimierung Selbst wenn man dem eben aufgezeigten Einwand Rechnung tragen und den Anwendungsbereich der Anrechnungslösung entsprechend einschränken wollte, wäre der Analogieschluss noch aus einem anderen Grund anzweifelbar. Der Gesetzgeber hat die mit den § 27 Abs. 3 S. 3 AktG, § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG verbundene Liberalisierung der Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage mit einem 224 Zumindest im Ausgangspunkt zutreffend Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 254 (Minderwert des Kaufgegenstands nur über §§ 30, 31 GmbHG zu berücksichtigen). Zu dem hier favorisierten Ansatz s. § 5.

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fortbestehenden Sanktionsgefälle gerechtfertigt225 : Um einer systematischen Umgehung der Sacheinlagevorschriften entgegenzuwirken, sollen die Beteiligten schlechter gestellt sein, als wenn sie die für Sacheinlagen vorgesehenen Regeln befolgen. Hierzu ist vorgesehen, dass bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage die bei der Anmeldung von Vorstand und Geschäftsführer abzugebende Versicherung, die Einlage sei zur freien Verfügung geleistet (§§ 37 Abs. 1 S. 1, 188 Abs. 1 AktG, §§ 8 Abs. 2 S. 1, 57 Abs. 2 S 1 GmbHG), unrichtig bleibt. Den Geschäftsleitern drohen daher zivilrechtliche (§§ 48 AktG, 93 Abs. 2 AktG, § 9a Abs. 1, 3 GmbHG i.V.m. § 57 Abs. 4 GmbHG, § 43 Abs. 2 GmbHG) und bei Vorsatz sogar strafrechtliche (§ 399 Abs. 1 Nr. 1, 4 AktG, § 82 Abs. 1 Nr. 1, 3 GmbHG) Sanktionen. Die Gesellschafter haften neben der fortbestehenden Einlageverpflichtung ggf. auch aus § 46 AktG, § 9a Abs. 1, 3 GmbHG226; daneben können auch sie sich strafbar machen. Dieses Konzept des Gesetzgebers mag de facto auch, weil die skizzierten Sanktionen im praktischen Ergebnis oftmals nicht durchgreifen werden227, bereits die verdeckte Sacheinlage weitgehend legitimieren. Überträgt man die Anrechnungslösung jedoch auf die Aufrechnung der Resteinlageforderung mit Gesellschafterforderungen, ist selbst ein normatives Sanktionsgefälle kaum noch ersichtlich. Denn in diesen Konstellationen fehlt es an der Geschäftsleiter-Versicherung als Sanktionsvehikel. Der forderungsbezogene Ansatz sieht als zulässigen Referenzfall die tatsächliche Leistung des geschuldeten Geldbetrags durch den Gesellschafter (einfaches „Hinzahlen“). Für die Erfüllung der Einlage ist der Gesellschafter ohnehin grds. schon darlegungs- und beweispflichtig228; es tritt lediglich eine materielle Verschärfung ein, weil der Gesellschafter nun die Voraussetzungen des Vollwertigkeitsgebots – anstatt einer wirksamen Leistung der Einlage durch Barzahlung oder andere Formen – darlegen und beweisen muss. Die Übertragung der Anrechnungslösung würde daher im Ergebnis die Aufrechnung mit nicht vollwertigen Neuforderungen quasi legitimieren. Habersack/Weber wenden dagegen ein, dass es vergleichbare Fälle – Anrechnungslösung ohne die an die Versicherung anknüpfende Sanktionsmechanismen – auch abseits der Aufrechnungsproblematik gebe. Die Regeln der verdeckten Sacheinlage fänden auch sonst Anwendung, wenn erst nach dem bei § 27 Abs. 3 AktG, § 19 Abs. 4 GmbHG maßgeblichen Zeitpunkt eine Abrede getroffen werde, die den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage umfasse229. Es gebe also keinen Gleichlauf 225

Bt.-Drucks. 16/6140, S. 96 f. (MoMiG); BT-Drucks 16/13098, S. 36 (ARUG). Ausführlich Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 232 ff.; bei der Kapitalerhöhung allerdings nicht, da § 57 Abs. 4 GmbHG insoweit nur die Haftung der „Geschäftsführer“ anordnet, Lieder, in: MünchKomm/GmbHG, § 57 Rn. 38. 227 Kritisch i.d.S. etwa (zur AG) Bayer/Schmidt, ZGR 2009, 805 (827 ff.). 228 Eingehend Leitzen, RNotZ 2010, 254 (255 ff.) m. zahlr. Nachw. 229 ZGR 2014, 509 (529 f.), freilich nicht im Zusammenhang mit der Aufrechnung durch die Gesellschaft, sondern der einseitigen Aufrechnung durch den Gesellschafter, die nach Habersack/Weber ebenfalls der Anrechnungslösung unterfallen soll. 226

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der Sanktionen aus den §§ 82, 9a GmbHG, §§ 399 Abs. 1 S. 1, 48 AktG und der Anrechnungslösung. Wie die Autoren indessen zurecht schon selbst bemerken, ist eine solche Analogie bislang zumindest in der Rechtsprechung nicht anerkannt230. Dies sollte auch nicht ohne weiteres als die richtige Lösung angenommen werden, denn mit der Kapitalerhaltung steht ein anderes Sanktionsinstrument bereit, welches ohne Analogieschluss angewendet werden kann231. Dafür spricht auch, dass bei Resteinlagen der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung nicht in der Reichweite anzuerkennen ist, wie er von vielen heute noch verstanden wird232. Der BGH hat es in den Entscheidungen Quivive und Eurobike abgelehnt, die Regeln der verdeckten Sacheinlage auf die verdeckte Einbringung von Dienstleistungen analog anzuwenden233. Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls nicht ausgemacht, dass die Regeln der verdeckten Sacheinlage entsprechende Anwendung finden, wenn die Abrede nicht im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage erfolgt. cc) Rechtspolitische Bewertung Auch in der Sache wäre die Angleichung der Rechtsfolgen einer nach dem Vollwertigkeitsgebot verbotenen Aufrechnung nicht überzeugend. Die Modifizierung der Rechtsfolgen führt zwar in der Tat die Fallgruppe der Aufrechnung – allerdings wie gezeigt nur innerhalb eines Teilbereichs – einer konsistenten Lösung zu. Aus einer breiteren Perspektive ergeben sich indes neue Ungereimtheiten. Bei den Drei-Personen-Konstellationen unter Einschluss eines externen Dritten (Leistung der Einlage an einen Dritten auf Anweisung, Abtretung an Erfüllung statt und Pfändung der Einlageforderung) ergibt sich ein vergleichbarer Wertungswiderspruch nämlich nicht. Forderungen Dritter sind nicht sacheinlagepflichtig und werden von der verdeckten Sacheinlage daher auch nicht erfasst, wenn sie bei Übernahme der Geldeinlage verabredet werden. In diesen Fällen müsste man es daher bei der alten „Alles-oder-Nichts“-Lösung belassen. Ruft man sich in Erinnerung, dass das Vollwertigkeitsgebot in sämtlichen hier untersuchten Fallgruppen auf denselben Grundgedanken zurückzuführen ist234, kann die mit der Anrechnungslösung verbundene Privilegierung des Gesellschafter-Gläubigers gegenüber den FremdGläubigern allemal nicht überzeugen. Hinzu kommt, dass auch bei allen sonstigen vom Vollwertigkeitsgebot erfassten Forderungen235 – etwa den Differenzhaftungsansprüchen bei überbewerteten Sacheinlagen236 – die Argumentation der h.M. nicht greift, da hier die Regeln der verdeckten Sacheinlage keine Anwendung finden. 230

Habersack/Weber, a.a.O. (dort Fn. 88). Vgl. dazu § 5 III. 232 Dazu eingehend unter § 6 I. 233 NJW 2009, 2375 (Tz. 8 ff.); NJW 2010, 1747 (Tz. 15 ff.). 234 § 2 f. 235 § 1 I. 3. 236 Anders aber Verse, ZGR 2012, 875 (891), der sich beim Differenzhaftungsanspruch ebenfalls für die Anrechnungslösung ausspricht. 231

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Nicht einmal die Aufrechnung mit einer gleichgestellten Forderung wäre also hiernach gem. der Anrechnungslösung zu behandeln. Auch wäre es nicht überzeugend, den hier erhobenen Einwand zu entkräften, indem man die Anrechnungslösung mittels immer weiterer „Erst-Recht-Schlüsse“ über die Aufrechnung mit Einlageforderungen hinaus etwa auf die Aufrechnung mit der Erstattungsforderung gem. § 31 Abs. 1 GmbHG sowie auf sämtliche Fälle in den Drei-Personen-Konstellationen erstreckte237. Auf diese Weise würde die im Grundsatz abzulehnende sacheinlagebezogene Konzeption der Aufrechnung (und der anderen Fallgruppen) nur weiter an Bestandskraft gewinnen. 3. Fazit Als Fazit lässt sich somit festhalten, dass die forderungsbezogene Variante des Vollwertigkeitsgebots bereits aus sich heraus nicht überzeugen kann. Der forderungsbezogene Ansatz behandelt die Aufrechnung mit einer Geldeinlageforderung wie eine Sacheinlage, obgleich nach der klaren Systematik des Gesetzes Geld- und Sacheinlagen strikt getrennt sind. Aufgrund dieses Grundverständnisses müsste an sich die Aufrechnung de lege lata entweder schlechthin ausgeschlossen sein oder dürfte nur unter Einhaltung der Sacheinlagebestimmungen zulässig sein; beides ist indessen nicht der Fall. Aus diesem Verständnis der Aufrechnung als einer „verkappten Sacheinlage“ resultieren Widersprüche, die die h.M. zunehmend durch eine analoge Anwendung der Sacheinlagebestimmungen abmildern will. Die Diskussion konzentriert sich dabei auf die Rechtsfolgen einer nach Vollwertigkeitsgrundsätzen unzulässigen Aufrechnung. Dabei lässt weitestgehend außer Acht, dass bereits auf Tatbestandsseite eine Orientierung am Recht der (verdeckten) Sacheinlage erfolgen müsste, wenn man – wie die h.M. es tut – das Denkmodell von der Aufrechnung als einer Leistung an Erfüllung Statt zugrundelegt. Namentlich müssten zwischen Gesellschaft und Gesellschafter abgestimmte Hin- und Herzahlungen wie eine verdeckte Aufrechnung gewertet werden. Auch durch eine Angleichung an das Recht der Sacheinlage wird aber letztlich der oben beschriebene Widerspruch nicht beseitigt. Zweifelhaft wäre etwa, warum dem Gesellschafter bei einer Aufrechnung mit einer nicht vollwertigen Forderung die Anrechnungslösung zugutekommen sollte, während einen externen, die Einlage pfändenden Gläubiger auf Grundlage der h.M. (wohl) unverändert die Nichtigkeitssanktion treffen würde. Die besseren Gründe weisen daher eindeutig in Richtung eines zahlungsbezogenen Verständnisses der Aufrechnung. Dies bedeutet für die hier untersuchte Rechtsfortbildung, dass allenfalls die materiellen Insolvenzgründe (§§ 17, 19 InsO), nicht aber eine noch darüber hinausgehende wirtschaftliche Werthaltigkeit maßgeblich für die Zulässigkeit der Aufrechnung sein können. Aus der fehlenden Überzeugungskraft der forderungs- bzw. sacheinlagebezogenen Konzeption ergibt 237 Dafür aber bereits Habersack, in: Ulmer, § 31 Rn. 64; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 31 Rn. 26 („denkbar“).

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sich zweitens, dass abgesprochene Hin- und Herzahlungen nicht als Umgehung der Aufrechnung anzusehen sind. Drittens finden auf die Aufrechnung weder die § 27 Abs. 3 S. 3 AktG, § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG noch die Differenzhaftung (§ 9 GmbHG) analoge Anwendung.

V. Zum zahlungsbezogenen Ansatz Weniger eindeutig als beim forderungsbezogenen Ansatz, der der Konzeption des geltenden Rechts zuwiderläuft, stellen sich die Dinge beim zahlungsbezogenen Ansatz dar. Die gegen den forderungsbezogenen Ansatz erhobenen Einwände verfangen hier nicht: Der zahlungsbezogene Ansatz lässt die Aufrechnung dann als bloße Formalität zu, wenn der Gesellschafter die Einlage hin- und die Gesellschaft die Mittel umgehend zur Tilgung der Gesellschafterforderung herzahlen kann238. 1. Aufrechnung als reale Zahlung? a) Begrenzte Aussagekraft des paiement abrégé Allerdings bestehen auch gegenüber diesem Ansatz Vorbehalte. Die Aufrechnung steht unzweifelhaft mit der Idee der Zahlungsvereinfachung in Verbindung; indessen wurde bereits oben angedeutet239, dass dieser Grundgedanke nicht mit der konkreten rechtlichen Ausgestaltung der Aufrechnung vermengt werden darf. Dass eine Aufrechnung an sich vorzunehmende Zahlungen ersetzt, bedeutet nicht, dass dieser Ersatz rechtlich auch Zahlung ist oder auch nur rechtlich der realen Zahlung gleichgestellt werden könnte. Im deutschen Recht hat die Theorie von der abgekürzten Doppelzahlung daher – abseits der Aufrechnung mit Einlageforderungen – weder bei der einseitigen Aufrechnung noch beim Aufrechnungsvertrag Fuß fassen können. Selbst in der französischen Rechtslehre wird die Idee von der Aufrechnung als einer abgekürzten Zahlung heute verbreitet kritisiert. Gleichartige, durchsetzbare und liquide Forderungen seien dennoch oft nicht gleichwertig240. Die neuere Literatur betont stets, dass die Aufrechnung auch eine garantie du paiement begründe241. Vor allem ist die Doktrin der paiement abrégé auf die compensation légale, mithin die gesetzliche Aufrechnung begrenzt, denn sie soll gerade deren ipso-iure-Vollzug rechtfertigen242. Dieser Rechtfertigung bedarf es nicht, wenn – was in den hier in238

Da damit im Ansatz zutreffend dem Charakter der aufgerechneten Einlageforderung als einer Gedleinlage Rechnung getragen wird, könnte man hier von einer Rechtsfortbildung praeter legem sprechen. 239 Unter II. 240 Nachweise bei Eujen, Aufrechnung, S. 78. 241 Mazeaud/Mazeaud/Chabas, Droit civil, S. 1183 f. 242 s. unter § 2 II. 1.

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teressierenden Fällen überwiegt – die Aufrechnung durch Vertrag und damit im Einvernehmen beider Parteien erklärt wird. Bei der einvernehmlichen Aufrechnung nach französischem Recht (compensation conventionelle) werden daher diese Voraussetzungen auch nicht verlangt. Die Rechtsfortbildung des RG kann daher auch nicht mit dem Hinweis auf ein ausländisches Regelungsmodell verteidigt werden. Das französische Recht löst schließlich auch, obwohl es die deutsche Entwicklung inspiriert hat, das konkrete Problem der Aufrechnung mit Einlageforderungen gänzlich abweichend. Die compensation légale durch den Gesellschafter findet nach h.M. im Einziehungsprozess der Einlage – nur um diese Fälle geht es hier – ohnehin nicht statt243. Die einvernehmliche Aufrechnung im Wege der compensation conventionelle unterliegt ausschließlich insolvenzrechtlichen Grenzen244. b) Fingierte Doppelzahlung oder einseitiges Zahlungsverbot? Nach dem reichsgerichtlichen Ansatz liegt in der Aufrechnung nur die Vermeidung eines unnötigen Hin- und Herzahlens, wenn die dafür verlangten Voraussetzungen (Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität) vorliegen. Das eigentliche Anliegen dieser Doktrin liegt freilich in der Fiktion der „Hinzahlung“ der Einlage. Denn gerade diese Zahlung ist ja – vermeintlich – durch die Kapitalaufbringung verbindlich vorgegeben. Die Herzahlung, also die Tilgung der Gesellschafterforderung, muss dagegen nicht unbedingt fingiert werden, da es insoweit auf eine reale Herzahlung eigentlich nicht ankommen kann. Tatsächlich führt der Ansatz des RG aber in erster Linie gar nicht zu der erstrebten Hinzahlungsfiktion der Einlage, sondern statuiert eher ein an die Gesellschaft gerichtetes Herzahlungsverbot. Schon bei oberflächlicher Betrachtung fällt ja auf, dass das RG abweichend vom Vorbild der compensation légale Fälligkeit und Liquidität einseitig nur für eine der beiden Forderungen, nämlich diejenige des Gesellschafters verlangt. Auch das später hinzugenommene Vollwertigkeitskriterium betrifft lediglich das Vermögen der Gesellschaft und damit die Rechtmäßigkeit der Tilgung der Gesellschafterforderung. Wenn etwa die Gesellschaft einseitig mit einer bestehenden, vom Gesellschafter aber bestrittenen (nicht liquiden) Einlageforderung aufrechnet, ist offensichtlich nicht lediglich ein doppelter Zahlungsvorgang abgekürzt worden. Denn der Gesellschafter hätte die Einlage sicher nicht (hin-)gezahlt, wenn aus seiner Sicht hierzu keine Verpflichtung besteht. Ist der Gesellschafter zahlungsunfähig und hat er überhaupt keine liquiden Mittel mehr, mit denen er die Einlage erbringen könnte, ist die Einlageforderung nicht vollwertig. Dennoch kann in so einer Situation nach dem reichsgerichtlichen Ansatz aufgerechnet werden, obwohl der Gesellschafter die Einlage tatsächlich nicht hinzahlen könnte. In so einer Situation kann auch nicht stets, wie man vielleicht denken könnte, eine Her- und

243 244

Vgl. dazu die Nachw. in Fn. 160. § 1 II. 3. c).

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Hinzahlung stattfinden. Denn ein hypothetisch von der Gesellschaft empfangener Betrag ändert nichts an der Zahlungsunfähigkeit245. Bei Lichte betrachtet simuliert der zahlungsbezogene Ansatz des RG daher weniger die „an sich“ geschuldete tatsächliche Leistung der Einlage. Die für die Zulässigkeit der Aufrechnung maßgebliche hypothetische Zahlung ist letztlich immer die Herzahlung der Gesellschaft an den Gesellschafter. Der zahlungsbezogene Ansatz beschränkt also in der Sache die mit der Aufrechnung einhergehende Tilgung der Gesellschaftsverbindlichkeit. Diese einseitige Fokussierung auf die Gesellschaftsverbindlichkeit weist schon recht deutlich darauf hin, dass die Vollwertigkeitsrechtsprechung tatsächlich keine kapitalaufbringungsrechtliche, sondern eine insolvenzrechtliche Problematik betrifft246. 2. Weitere Einwände Auch bzgl. der praktischen Ergebnisse ist der zahlungsbezogene Ansatz nicht frei von Zweifeln. Bedenkt man, dass dieser letztlich ein Tilgungsverbot in Bezug auf die Gesellschafterforderung statuiert und zudem die Aufrechnung wegen der einseitigen Aufrechnungsverbote stets von der Geschäftsleitung vorgenommen werden muss, erscheinen die Rechtsfolgen einer unzulässigen Aufrechnung nicht recht konsistent. a) Risikozuweisung an den Gesellschafter Das Risiko einer unzulässigen Aufrechnung trägt im Wesentlichen der Gesellschafter247. Die aus dem zahlungsbezogenen Ansatz folgende „Alles-oder-Nichts“Lösung248 kann diesen hart treffen: Der Insolvenzverwalter kann den Gesellschafter auf Zahlung der Resteinlage verklagen und dieser muss dann darlegen und beweisen, dass die Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität im maßgeblichen Zeitpunkt vorlagen. Steht eine Aufrechnung mit einer Resteinlageforderung an, ist es also der Gesellschafter, der sich vergewissern muss, ob die Kriterien der Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität vorliegen. Eine unangemessene Belastung des Gesellschafters liegt nicht darin, zu prüfen, ob seine Forderung fällig ist. Auch das Liquiditätskriterium ist in der Regel nicht problematisch, da einvernehmlich aufgerechnete Ansprüche selten wirklich streitig sind. Ob hingegen der Vermögensstand der Gesell245

Denn bei deren Bestimmung wird berücksichtigt, ob innerhalb eines Drei-WochenZeitraums ab dem Stichtag dem Schuldner zusätzlich Liquidität zufließen wird, dazu bereits unter I. 1. b) aa). Eine fällige, unbestrittene und werthaltige Forderung des Schuldners wird folglich bei den Aktiva II berücksichtigt. 246 Näher dazu noch unter § 7 I. – III., § 8, § 9 IV. 247 Die nachfolgende Kritik betrifft freilich auch den forderungsbezogenen Ansatz als Stiefkind des zahlungsbezogenen Ansatzes. 248 Die Anrechnungslösung ist hier anders als beim forderungsbezogenen Ansatz nur sehr eingeschränkt denkbar, s. I. 5.

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schaft die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, insbesondere ob die Gesellschaft nicht überschuldet ist, wird dem Gesellschafter dagegen nicht notwendigerweise bekannt sein. Der GmbH-Gesellschafter kann sich auf Grundlage seines Informationsrechts (§ 51a Abs. 1 GmbHG) zwar Einsicht in etwaig vorhandene Unterlagen verschaffen. Ein Aktionär dagegen kann aufgrund seines in wesentlich engeren Grenzen bestehenden Auskunftsrechts (§ 131 Abs. 1 AktG) die erforderlichen Informationen in der Regel nicht erzwingen. Selbst wenn der Gesellschafter aber Gewissheit darüber hätte, dass die Voraussetzungen des Vollwertigkeitsgebots nicht vorliegen oder dies zumindest befürchtet, kann er ggf. eine einseitige Aufrechnung durch die Gesellschaft nicht verhindern. Es tritt dann Ungewissheit um den Bestand der Forderungen ein. Selbst wenn die Gesellschafterforderung tatsächlich vollwertig, fällig und liquide war, muss der Gesellschafter später doppelt leisten, falls er die Voraussetzungen nicht darlegen und beweisen kann249. Diese für den Gesellschafter harten Rechtsfolgen sind auch nicht damit zu rechtfertigen, dass er Garant der Kapitalaufbringung sei und für die Werthaltigkeit der Forderung ebenso verschuldensunabhängig einzustehen habe wie für die Einbringung einer überbewerteten Forderung250. Dieser Vergleich ist ohnehin schon deshalb abzulehnen, weil er auf dem forderungsbezogenen Ansatz beruht. Vor allem passt das Argument nicht für die einseitige Aufrechnung durch die Gesellschaft, die ohne oder gar gegen den Willen des Gesellschafters erfolgen kann. b) Haftungsfreiraum der Geschäftsleitung Was den Gesellschafter hart treffen kann, erweist sich umgekehrt als Wohltat für die Geschäftsleitung. Zwar wird in der Literatur teilweise die Prüfungsverantwortlichkeit der Geschäftsleitung betont251. Nach dem zahlungsbezogenen Ansatz ist die Aufrechnung mit einer nicht vollwertigen, fälligen oder liquiden Forderung allerdings rechtliches nullum und „geht ins Leere“252. Einseitiges Aufrechnungsverbot und Vollwertigkeitsgebot haben daher die merkwürdige Konsequenz, dass die Gesellschaft ggf. sogar gem. §§ 387, 389 BGB die Aufrechnung einseitig und gegen den Willen des Gesellschafters vornehmen könnte, die Geschäftsleiter jedoch in aller Regel für eine unzulässige Aufrechnung nicht haften253. Eine allein an die unzu249 Aus diesen Gründen wurde vereinzelt der Vorschlag erhoben, dem Gesellschafter ein Recht zur Zurückweisung der Aufrechnung zuzugestehen, Buchetmann, Teileingezahlte Aktie, S. 35. Dies stünde aber im Widerspruch zur gesetzlichen Konzeption der Aufrechnung als einem Gestaltungsrecht, sowie den § 66 Abs. 1 S. 2 AktG, § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG, die nur die einseitige Aufrechnung des Gesellschafters verbieten. 250 K. Schmidt, ZHR 157 (1993), 291 (300 ff.). 251 Hommelhoff, in: FS Kellermann, S. 165 (176 f.); vgl. auch Weng, DStR 2012, 862 (865). 252 Das gilt jedenfalls bei einem Verstoß gegen die Vollwertigkeit i. e.S. als wichtigstem Fall, I. 5. a). 253 Anders Weng, DStR 2012, 862 (865); die a.a.O. gegebenen Ausführungen treffen aber nur auf den in dem Beitrag ebenfalls behandelten Vergleich (über einen Differenzhaftungs-

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lässige Aufrechnung als Pflichtverletzung anknüpfende Haftung aus § 93 Abs. 2 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG muss scheitern. Da die Einlageforderung bestehen bleibt, wird der Gesellschaft kein Schaden unmittelbar aus der unzulässigen Aufrechnung entstehen254. Denkbar ist allenfalls, dass der Gesellschaft bei einer Aufrechnung mit einer nicht vollwertigen Forderung ein Schaden mittelbar – durch das Hinzutreten weiterer Umstände – entsteht. Das ist etwa der Fall, wenn die Gesellschaft wegen der vermeintlichen Tilgung durch die Aufrechnung von der Verfolgung der Einlageforderung absieht und später der Gesellschafter bzw. andere für die Einlage haftende Personen insolvent werden oder die Einlageforderung verjährt. Sofern nach dem eben Gesagten Ansprüche gegen Geschäftsleiter entstehen, erscheint zweifelhaft, ob diese entdeckt und auch verfolgt werden. Sofern ersichtlich, finden sich in der Rechtsprechung dafür keine Beispiele. Obwohl ein Geschäftsleiter im Allgemeinen über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft besser informiert ist bzw. sein muss255 als ein Gesellschafter, wird ihm also in der Regel bei einer unzulässigen Aufrechnung keine Haftung drohen. Diese Konsequenz des Vollwertigkeitsgebots ist schon deshalb unbefriedigend, weil der historische Gesetzgeber die Verantwortung der Geschäftsleitung für Aufrechnungen mit der Resteinlageforderung ausdrücklich hervorgehoben hat256. Vor allem überzeugt diese Lösung nicht, wenn man bedenkt, dass den Geschäftsleitern auch sonst die Haftung droht, wenn sie kapitalschutzrechtlich unzulässige Dispositionen vornehmen. Dies gilt etwa, wenn verdeckte Sacheinlagen bzw. offene, aber überbewertete Sacheinlagen geleistet oder Mindesteinlagen nicht geleistet werden257. Haftungsbewehrt ist auch das Verjährenlassen von (Rest-)Einlageforderungen258. Werden Zahlungen entgegen § 57 AktG, § 30 Abs. 1 GmbHG vorgenommen, haften die Geschäftsleiter ggf. aus § 93 Abs. 3 Nr. 1, 2, 5 AktG, § 43 Abs. 3 GmbHG. Zudem ist zu bedenken, dass das Vollwertigkeitsgebot i. e.S. tatbestandlich die materielle Insolvenz voraussetzt und sich tendenziell die Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung mit Eintritt einer Krise erhöht259. Das MoMiG hat hier sogar mit den §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 S. 3 AktG, § 64 S. 3 GmbHG einen weiteren Akzent gesetzt. Für den Gläubigerschutz ist das zahlungsbezogen veranspruch) zu; dieser ist bei Unzulässigkeit gleichwohl nicht unwirksam, kann mithin in der Tat zu einem Schaden der Gesellschaft führen. 254 Wegen der Unwirksamkeit der Aufrechnung liegt auch keine „Zahlung“ vor, die eine Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG, § 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. § 92 Abs. 2 AktG auslösen könnte. 255 Vgl. BGH ZIP 2012, 1174 zur Pflicht des Geschäftsführers, sich stets über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu informieren und dabei ggf. sachkundige Beratung in Anspruch zu nehmen. 256 Begr. RegE zum AktG 1884: „Der Entwurf […] stellt sonach die Gestattung derselben [der Aufrechnung] in die Verantwortung des Vorstands.“, Nachw. in Fn. 202; darauf hinweisend bereits Möhring, in: FS R. Schmidt, S. 85 (95). 257 Im GmbH-Recht: § 9a Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG. 258 Dazu noch unter § 6 I. 4. a). 259 Bunnemann, in: Bunnemann/Zirngibl, § 3 Rn. 157 ff.; Leinekugel, in: Oppenländer/ Trölitzsch, § 18 Rn. 55 ff.

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standene Vollwertigkeitsgebot daher aus Präventionsgesichtspunkten jedenfalls nicht förderlich. 3. Fazit Zusammengefasst ist im zahlungsbezogenen Ansatz eine Rechtsfortbildung zu sehen, die sich anders als der forderungsbezogene Ansatz zwar zunächst nicht eindeutig dem contra-legem-Vorwurf ausgesetzt sieht. Gegenüber dem Ergebnis der Rechtsfortbildung bestehen allerdings in der Sache nicht unerhebliche Zweifel. Konzeptionell stellt dieser Ansatz nicht unbedingt den Gleichlauf mit einer realen Zahlung sicher, sondern statuiert in erster Linie ein besonderes, auf die Aufrechnung mit Einlage- und gleichgestellten Forderungen begrenztes Tilgungsverbot der Gesellschaft. Die Nichtigkeitssanktion führt zu einer unausgewogenen Verteilung der Haftungsrisiken zwischen Gesellschafter und Geschäftsleitung. Dies lässt es als umso dringlicher erscheinen, die Prämisse der herrschenden Auffassung – die „reale Einlagenleistung durch Aufrechnung“ – einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.

§ 5 Vorstellung des eigenen Ansatzes Die bisherigen Ausführungen haben sich noch darauf beschränkt, Widersprüche und offene Fragen der vorherrschenden Auffassung aufzuzeigen und können daher lediglich einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einer möglichen Rechtsrückbildung darstellen. Im Folgenden soll weiterführend nach den Gründen gefragt werden, die positiv für eine Neuorientierung sprechen. Hierzu wird zunächst der eigene Ansatz vorgestellt (I.), der im weiteren Verlauf gleichsam als Arbeitshypothese der Untersuchung dienen soll. Die darauffolgenden Ausführungen dienen der Veranschaulichung und Exemplifizierung dieses Ansatzes. Abweichend von der Konzeption der h.M. sind Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag nach diesem Ansatz grds. bereits dann wirksam, wenn die allgemeinen zivilrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind (II.). Zu beachten sind freilich die allgemeinen „Verfügungs“-Schranken, die AG und GmbH speziell bei der Zuwendung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter (III.) und im Allgemeinen bei jeder Geschäftsführungsmaßnahme (IV.) zu wahren haben.

I. These eines verfügungsbezogenen Ansatzes Bereits an anderer Stelle war herausgestellt worden, dass forderungs- und zahlungsbezogener Ansatz ungeachtet ihrer Unterschiede durch ein erfüllungsbezogenes Verständnis verklammert werden. Beiden Ansätzen ist daran gelegen, die Aufrechnung mit der Einlageforderung der realen Zahlung der Einlage gleichzustellen

§ 5 Vorstellung des eigenen Ansatzes

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(zahlungsbezogener Ansatz) bzw. – durch das Erfordernis eines gleichwertigen Erfüllungssurrogats – anzunähern (forderungsbezogener Ansatz)260. Nach hier vertretener Auffassung ist dagegen eine Gleichsetzung bzw. Annäherung der Aufrechnung mit der realen Zahlung der Einlage nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, dass Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag immer die Abkürzung eines Hin- und Herzahlens in sich tragen261. Hierzu muss man hinsichtlich des Gegenstands der Hin- und Herzahlung lediglich auf die Einlage selbst abstellen: Aus der Perspektive der Gesellschaft wird dann nämlich durch eine einseitig erklärte Aufrechnung bzw. durch den Aufrechnungsvertrag stets diese Liquiditätsreserve „Einlageforderung“ realisiert und uno actu zur Tilgung der Gesellschafterforderung eingesetzt. Die Gleichwertigkeit mit einem gedachten Hinund Herzahlen ergibt sich also bereits daraus, dass die beiden Forderungen in der Höhe, in der sie sich decken, erlöschen. Die so verstandene Zahlungswirkung der Aufrechnung würde selbst dann eintreten, wenn Gesellschaft (und Gesellschafter) sonst überhaupt keine liquiden Mittel innehaben. Der hier vertretene Ansatz geht damit im Ansatz in Übereinstimmung mit dem zahlungsbezogenen Ansatz des RG davon aus, dass Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag im Kapitalschutzrecht nur wegen ihrer Gleichwertigkeit mit einem Hin- und Herzahlen der Einlage zugelassen sind. Der Unterschied besteht darin, dass es nach hiesiger Sichtweise einer Gleichsetzung mit der realen Hinzahlung der Einlage nicht nur nicht bedarf, sondern die Annahme sogar kapitalrechtlich nicht haltbar ist262. Hinsichtlich dem Hinzahlen, verstanden als der Tilgung der Einlageforderung, sind Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag vielmehr weitgehend unproblmatisch263. Die Einziehung der Einlageforderung ist Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag inhärent. Denn nur so ist erklärlich, dass die gleichfalls zur Aufrechnung gestellte Gesellschafterforderung in derselben Höhe der einbezogenen Einlageforderung getilgt wird. Der neuralgische Punkt liegt vielmehr darin, wofür die Einlage durch Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag verwendet wird. Entscheidend ist damit die Zulässigkeit der Tilgung der Gesellschafterforderung (das Herzahlen). Die Gesellschaft verfügt durch Aufrechnung bzw. Aufrechnungsvertrag dergestalt über die Einlage, dass diese dem Gesellschafter zugewendet wird. Entscheidend für die Zulässigkeit von Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag ist daher die Zulässigkeit der „Weggabe“ dieses Vermögens, eben die Zulässigkeit des Herzahlens. An den für diese Vermögensbewegung geltenden Schranken müssen sich Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag messen lassen.

260

Vgl. insbesondere unter § 3 II., III. Ebenso Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 98. 262 Dies wird in § 7 eingehend zu zeigen sein. 263 Entscheidend ist allein, dass überhaupt eine Gesellschafterforderung besteht, s. dazu unter II. 1.; daneben muss die Aufrechnung wirksam erklärt werden; dazu unter II. 2. 261

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Die Annahme, dass die Aufrechnung immer auch ein Herzahlen an den Gesellschafter ersetzt, beinhaltet die Prämisse, dass die Verwendung der Einlage zur Tilgung einer Forderung des Inferenten im Prinzip zulässig ist264. Diese Einsicht baut vor allem darauf auf, dass es aus Gläubigersicht unerheblich ist, ob die Gesellschaft die Forderung des Gesellschafters – wie bei der Aufrechnung – mittels der Einlage, oder mittels sonstiger liquider Mittel tilgt265. Hierin wird deutlich, dass mit dem hier vertretenen Ansatz in der Sache der bereits von Frey266 erhobene Vorschlag erneut auf den Prüfstand gestellt wird267. Dieses von der traditionellen Sichtweise abweichende Verständnis lässt sich schlagwortartig am besten durch den Begriff des verfügungsbezogenen Ansatzes kennzeichnen268: Auf der einen Seite ist hierdurch ausgedrückt, dass die Gesellschaft durch Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag in anderer Form als durch (reale) Einziehung über die Einlage disponiert. Zweitens verdeutlicht er, dass die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Verfügung maßgebliche Vermögenszuwendung bei Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag nicht hin zu, sondern weg von der Gesellschaft erfolgt.

II. Wirksamkeit der Aufrechnung Es versteht sich, dass es zur Wirksamkeit von Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag zunächst der allgemeinen Voraussetzungen bedarf. Mithin ist erforderlich, dass sowohl eine Gesellschafterforderung besteht, als auch die Gesellschaft wirksam ihren Willen zur Aufrechnung erklärt269.

264 Freilich gelten von diesem Grundsatz Ausnahmen, etwa im Anwendungsbereich der verdeckten Sacheinlage oder des Hin- und Herzahlens gem. § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG; dazu, dass sich aus den gesetzlichen Regelung des „Hin- und Herzahlens“ nichts gegen den hier vertretenen Ansatz herleiten lässt noch unter § 6 II. 265 Die Aufrechnung ist sogar tendenziell vorteilhaft. 266 Einlagen, S. 55 ff., 57 ff., 60 ff. („Auf die Art der Tilgung der Gesellschafterforderung – durch Aufrechnung mit der Einlageforderung oder durch Zahlung – kommt es nicht an“, a.a.O., S. 55 f., 59, 71); ganz ähnlich wie hier auch Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 31. 267 Tendenziell auch, allerdings nur betreffend Abtretung und Pfändung K. Schmidt, ZHR 157 (1993), 291 (293) „bereits die geschuldete Einlage Gegenstand des haftenden Gesellschaftsvermögens“; auch der BGH argumentiert in diesen Fallgruppen bei der Erstattungsforderung gem. § 31 Abs. 1 GmbHG verfügungsbezogen, dazu schon unter § 1 I. 3. 268 Hiermit wird auch an die allgemeine zivilrechtliche Kategorisierung von Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag angeknüpft, § 4 II. 269 Eine einseitige Aufrechnung gem. den §§ 387 ff. BGB würde selbstverständlich noch weiterer Voraussetzungen bedürfen. Wegen der geringen Praxisrelevanz dieser Aufrechnungsform wird dieser Frage allerdings hier nicht weiter nachgegangen.

§ 5 Vorstellung des eigenen Ansatzes

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1. Bestehen einer Gesellschafterforderung Besteht tatsächlich keine Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter, kann nicht wirksam aufgerechnet werden. Eine dennoch erklärte Aufrechnung, gleich ob einseitig oder durch Vertrag vorgenommen, geht ins Leere270. Hierin unterscheidet sich die in der Aufrechnung liegende Verfügung von dem Fall, dass die Gesellschaft eine (nicht bestehende) Forderung des Gesellschafters mittels liquider Mittel tilgt. An diesem grundlegenden Unterschied ist nicht vorbeizukommen, da in der gesetzlichen Aufrechnung sowie im Aufrechnungsvertrag kausale Verfügungen liegen271, das Verfügungsgeschäft also abweichend von allgemeinen Grundsätzen nicht unabhängig vom Verpflichtungsgeschäft ist. Wendet der Gesellschafter im Prozess um die Einziehung der Einlage ein, über die ausstehende Einlage sei früher aufgerechnet worden, muss er neben den Aufrechnungserklärungen wohl auch das Bestehen einer Gegenforderung darlegen und beweisen272. Schon diese Beweislast stellt ein nicht zu unterschätzendes Prozessrisiko des Gesellschafters dar. In nicht wenigen von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen, in denen der Gesellschafter die rechtsvernichtende Einwendung einer früher erfolgten Aufrechnung erhoben hat, hätte er mutmaßlich auch ohne Geltung des Vollwertigkeitsgebots den Prozess verloren. Da die Voraussetzungen des Vollwertigkeitsgebots aber nicht vorlagen bzw. gar nicht dargelegt wurden oder bewiesen werden konnten, ist das Bestehen der Gesellschafterforderung oftmals nicht (abschließend) geprüft worden273. Tendenziell erhöhte Anforderungen an Sachvortrag und Beweisführung werden etwa verlangt werden dürfen bei der Aufrechnung durch Insichgeschäft eines Gesellschafter-Geschäftsführers274 oder bei angeblichen Ansprüchen wegen Beratungsleistungen oder der Erstellung von Gutachten275. 270 Vgl. (allgemein) BGH NJW-RR 1991, 744; NJW 1998, 978 (979); NJW 2000, 3065 (3067). 271 Grundlegend K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 126 ff., 132 ff.; vgl. auch Grüneberg, in: Palandt, § 387 Rn. 19; Schlüter, in: MünchKomm/BGB, § 387 Rn. 51; v. Hall, KTS 2011, 343 (345). 272 Völlig sicher ist dies nicht: Wenn der Gesellschafter dargelegt und bewiesen hat, dass die Gesellschaft hat aufrechnen wollen, könnte man auch die Gesellschaft als beweisbelastet ansehen, wenn sie sich nun nachträglich darauf beruft, dass gar keine Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter bestanden habe. Man könnte diesen Fall beweisrechtlich dem Fall gleichstellen, dass bei einer einseitigen Aufrechnung die Voraussetzungen eines Ausschlussgrundes unsicher sind; hier ist der Aufrechnungsgegner darlegungs- und beweisbelastet, Dennhardt, in: Bamberger/Roth, § 387 Rn. 40 m. Nachw. 273 Vgl. z. B. BGH NJW 1968, 398 (399); NJW 1991, 1754 (1759); OLG Köln ZIP 1986, 569 (573); OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1257 (1259), wo allerdings im Ergebnis die Aufrechnung wegen angeblicher Vergleichbarkeit mit einer (als unzulässig vorausgesetzten) Aufrechnung des Gesellschafter-Geschäftsführers mit seiner eigenen Einlageverpflichtung als unzulässig angesehen wurde; OLG Karlsruhe BeckRS 2013, 20940 (Tz. 14). 274 OLG Thüringen, GmbHR 2004, 1468 (1471) („strenge Maßstäbe“). 275 Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 36; in anderem Zusammenhang Bachmann, NZG 2013, 1121 (1127).

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2. Wirksame Erklärung der Gesellschaft Die Aufrechnung kann ferner nur wirksam sein, wenn sie von der Gesellschaft wirksam – entweder einseitig oder durch Vertrag mit dem Gesellschafter – erklärt worden ist. Hier bedarf es der Abgrenzung zur stets verbotenen einseitigen Aufrechnung durch den Gesellschafter (§ 66 Abs. 1 S. 2 AktG, § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG). a) Anwendungsbereich des § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG Bevor auf einzelne als problematisch angesehene Fälle eingegangen wird, soll zunächst der sachliche Anwendungsbereich der einseitigen Aufrechnungsverbote umrissen werden. Vor allem bzgl. der GmbH-rechtlichen Erstattungsforderung ist diskutiert worden, ob das einseitige Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG auf diesen Anspruch analog angewendet werden muss. Die überwiegende Auffassung spricht sich hinsichtlich der Aufrechenbarkeit des Anspruchs der Gesellschaft aus § 31 Abs. 1 GmbHG für eine analoge Anwendung des Aufrechnungsverbot (§ 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG) aus276. Zur Begründung hat der BGH den Gedanken angeführt, dass der Schutz der Kapitalwiederaufbringung nicht weniger stark ausfallen kann als derjenige der Kapitalaufbringung. Die bis heute vertretene Gegenansicht277 weist auf den auffälligen Kontrast zwischen § 31 Abs. 4 GmbHG und § 19 Abs. 2 GmbHG sowie auf den Umstand hin, dass eine Anpassung durch den Gesetzgeber sowohl im Rahmen der gescheiterten GmbH-Novelle von 1980 als auch durch das MoMiG278 unterblieben ist. Das Fehlen eines Aufrechnungsverbots bei der Erstattungsforderung rechtfertige sich im Übrigen vor dem Hintergrund, dass § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG einer Umgehung der Sacheinlagebestimmungen Vorschub leisten wolle279. Den Kritikern der h.M. ist zunächst darin beizutreten, dass die analoge Anwendung des § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG auf die Erstattungsforderung nicht als zwingend erscheint, wenn man sich den vielfach angenommenen Normzweck des Verbots in Erinnerung ruft. Wenn § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG nach verbreiteter Ansicht vor allem die reale Kapitalaufbringung namentlich durch den Ausschluss einer verdeckten bzw. „verkappten“ Sacheinlage sichern soll, ließe sich entgegen der h.M. durchaus ein sachlicher Grund für das Schutzgefälle zwischen Kapitalaufbringung und Ka276

BGH NZG 2001, 272 (273); NZG 2006, 664 (665); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 31 Rn. 26; Heidinger, in: Michalski, § 31 Rn. 88; Ekkenga, in: MünchKomm/GmbHG, § 31 Rn. 73; Hommelhoff, in: FS Kellermann, S. 165 (175 f.); Ulmer, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 363 (380 ff.); Kleffner, Stammkapital, S. 139 f. 277 Nachw. zur abweichenden Ansicht vor der Entscheidung des BGH bei Hommelhoff, in: FS Kellermann, S. 165 (176 m. Fn. 39). 278 Schmolke, Kapitalerhaltung, § 31 Rn. 86. 279 Schmolke, Kapitalerhaltung, § 31 Rn. 86; Lange, NJW 2002, 2293 (2294 f.); i.E. auch (mit anderer Argumentation) Langer, Stammkapitaldeckung, S. 100 ff.

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pitalwiederaufbringung anführen. Es entspricht auch sonst allgemeiner Ansicht, dass die §§ 30 f. GmbHG lediglich eine rechnerische Vermögensbindung garantieren280. Anders als bei der Kapitalaufbringung wird es daher auch allgemein als möglich angesehen, die Erstattungsforderung durch eine Leistung an Erfüllung statt zum Erlöschen zu bringen, sofern nur der Wert des geleisteten Gegenstands den geschuldeten Erstattungsbetrag deckt281. Existiert kein Gebot realer, im Sinne einer gegenständlichen Kapitalwiederaufbringung, müsste nach h.M. daher an sich auch eine einseitige Aufrechnung durch den Gesellschafter mit einer vollwertigen, fälligen und liquiden Forderung zulässig sein. Schließlich ist nach der zur Einlageforderung entwickelten h.M. die Aufrechnung mit einer solchen Forderung für die Gesellschaft „so gut wie Bargeld“ und steht der Erfüllung gleich. Dem Analogieschluss der h.M. ist im Ergebnis jedoch auf Basis des bereits herausgearbeiteten Normzwecks des einseitigen Aufrechnungsverbots zuzustimmen. Der innere Grund liegt wie bei der Einlageforderung in einem speziellen Gedanken der unbedingten Vermögenstrennung282 : Der Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG soll den rechtswidrig an den Gesellschafter abgeflossenen Vermögensvorteil ausgleichen und muss daher der Gesellschaft vermögensmäßig in vollem Umfang zugewiesen sein. Sein Zweck wäre verfehlt, käme dem Empfänger der verbotenen Zuwendung das Aufrechnungsrecht der §§ 387 ff. BGB zu, welches ihm eine pfandrechtsähnliche Verwertungsbefugnis hinsichtlich der Erstattungsforderung verschaffte. Diese käme nicht anders als bei der Einlageforderung vor allem dann zum Tragen, wenn die Erstattungsforderung durch Insolvenzverwalter oder Pfändungsgläubiger der Gesellschaft eingezogen werden soll. Diese Überlegung erfordert zwingend die Analogie, wenn auch der Wortlaut des Gesetzes zugegebenermaßen gegen ein einseitiges Aufrechnungsverbot zu sprechen scheint, wenn § 31 Abs. 4 GmbHG zwar das Befreiungs-, nicht aber das Aufrechnungsverbot vorsieht. Denn es wäre – in den Worten des historischen Gesetzgebers zur Aktienrechtsnovelle 1884 – das Stammkapital ebenfalls „zum Schein herabgedrückt“, wenn der als Ausgleich für das rechtswidrig abgeflossene Vermögen gewährte Anspruch durch den begünstigten Gesellschafter jederzeit durch Aufrechnung in Luft aufgelöst werden könnte.

280

Allgemein statt vieler Schmolke, Kapitalerhaltung, § 30 Rn. 7 m. Nachw.; im hier diskutierten Zusammenhang konzedierend auch Heidinger, in: Ziemons/Jaeger, § 31 Rn. 71; ders., in: Michalski, § 31 Rn. 87. 281 Verse, in: Scholz, § 31 Rn. 76 m. w. Nachw. 282 s. hierzu bereits unter § 3 I.

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b) Abgrenzung zur einseitigen Aufrechnung durch den Gesellschafter aa) Eindeutige Fälle Ein eindeutiger Fall eines Verstoßes gegen § 66 Abs. 1 S. 2 AktG, § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG liegt vor, wenn der Gesellschafter als solcher einseitig die Aufrechnung gem. den §§ 387 ff. BGB, erklärt. Unerheblich ist, ob der Gesellschafter gegenüber einer werbenden oder einer in Liquidation befindlichen Gesellschaft aufrechnet. Will ein Gesellschafter einseitig aufrechnen, geht es dabei freilich in aller Regel nicht um die Aufrechnung gegenüber der werbenden, sondern der aufgelösten Gesellschaft; zumeist will der Gesellschafter mittels der Aufrechnung sich gegenüber dem klagenden Insolvenzverwalter verteidigen. Seltsamerweise nimmt der Fall einer einseitigen Gesellschafteraufrechnung gegenüber einer werbenden Gesellschaft einen vergleichsweise breiten Raum in der gesellschaftsrechtlichen Literatur ein. Dies muss angesichts der ungleich größeren Bedetung des Aufrechnungsvertrags verwundern283. bb) Autonome Entscheidung der Gesellschaft? Über diese eindeutige und leicht handhabbaren Fälle hinausgehend hat die Rechtsprechung gelegentlich in Aufrechnungsverträgen bzw. in einseitigen Aufrechnungen durch die Gesellschaft bei materieller Betrachtung eine einseitige Gesellschafteraufrechnung erblickt und bereits aus diesem Grund die Unwirksamkeit der Aufrechnung ohne weitere Prüfung der Einhaltung des Vollwertigkeitsgebots angenommen. Diese Entscheidungen zeigen deutlich, wie sehr Sinn und Zweck des einseitigen Aufrechnungsverbots heute in Vergessenheit geraten sind284. Verbreitet wird ein solcher versteckter Verstoß gegen das einseitige Aufrechnungsverbot etwa darin erblickt, dass bei der GmbH die Aufrechnung mit der Resteinlage durch die Gesellschafterversammlung beschlossen wird und der die Einlage schuldende Gesellschafter hieran mitwirkt285. In einer vielzitierten Entscheidung hat bspw. das OLG Hamburg einstimmig gefasste Beschlüsse einer DreiPersonen-GmbH als unzulässig angesehen, nach denen die ausstehenden Einlagen aller drei Gesellschafter mit bestehenden bzw. zukünftigen Gewinnansprüchen der Gesellschafter aufgerechnet werden sollten286. Dass es sich bei der Gesellschafter283

Dazu bereits unter § 4 III. 1. b). Exemplarisch OLG Hamm, ZIP 1988, 1057 („Mögliche Manipulationen, bei denen sachlich nicht berechtigte Aufrechnungen erklärt würden, wären nur schwer zu durchschauen und nachzuweisen.“). 285 OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 1511 (1512); OLG Hamburg ZIP 1990, 789; LG Leipzig NJW-RR 2000, 1423; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 40 a.E.; Märtens, in: MünchKomm/GmbHG, 1. Aufl. 2010, § 19 Rn. 114; Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 91; Veil, in: Scholz, § 19 Rn. 96. 286 ZIP 1990, 789, vgl. auch WuB II C. § 19 GmbHG 1.90 m. grds. zust. Anm. Hefermehl. 284

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versammlung um ein Gesellschaftsorgan handele, ändere nichts, denn der Sache nach beinhalteten die Beschlüsse lediglich Erklärungen der einzelnen Gesellschafter. Die Entscheidung zur Aufrechnung hätte dem Gericht zufolge vom Geschäftsführer der GmbH vorgenommen werden müssen. Dieser hatte lediglich als Gesellschafter an den Beschlüssen mitgewirkt, im Übrigen die Aufrechnung aber nicht für die Gesellschaft erklärt287. Zumindest die Aufrechnung mit den Forderungen der beiden anderen Gesellschafter hätte der Geschäftsführer dem Gericht zufolge erklären können288. Der BGH hat offengelassen, ob eine solche Beschlussfassung unzulässig und die Aufrechnung unwirksam ist289. Interessanterweise ist das OLG Hamburg übrigens in dem geschilderten Fall davon ausgegangen, dass eine wirksame Aufrechnung durch den Geschäftsführer noch nachträglich möglich gewesen wäre, obgleich eine entsprechende Erklärung ja nur die Umsetzung des Gesellschafterbeschlusses gewesen wäre (vgl. § 37 Abs. 1 a.E. GmbHG), der nach dem OLG ja unzulässig gewesen war. Vereinzelt wurde dagegen weitergehend angenommen, dass die Aufrechnung durch den Geschäftsführer weder durch Teilnahme an der Beschlussfassung, noch sonstwie – auf informellem Wege – vom Inferenten beeinflusst sein dürfe; dieser dürfe die Entscheidung des Geschäftsleiters nicht einmal anregen290. Diese Ansichten sind nach hier vertretener Auffassung abzulehnen. Wenn das Aufrechnungsverbot die unbeeinflusste Entscheidung der Gesellschaft über die Verwendung der Einlage sichern sollte, müsste man zunächst mit der vereinzelt vertretenen Ansicht tatsächlich auch informelle Einflussnahmen des Inferenten berücksichtigen. Es würde zu kurz greifen, allein auf die fehlende Mitwirkung an einem Gesellschafterbeschluss abzustellen291, schon da die Herbeiführung eines Beschlusses zur Aufrechnung der Einlage gar nicht zwingend erforderlich ist. Zwar ist im GmbH-Recht nach dem gesetzlichen Normalstatut ein Einforderungsbeschluss vorgesehen (§ 46 Nr. 2 GmbHG), ohne den die Einlageforderung noch gar nicht fällig gestellt wird. Sofern aber der Beschluss nicht auch die Verwendung der Einlagemittel festlegt, kann der Geschäftsführer diese selbst bestimmen. Es kann dann keinen Unterschied machen, ob etwa ein Mehrheitsgesellschafter auf informellem Weg seinen bestimmenden Einfluss durchsetzt. Würde man jedwede Einflussnahme des Gesellschafters einbeziehen, wäre der dem einseitigen Aufrechnungsverbot beigelegte Schutzzweck zwar konsequent durchgeführt, jedoch würden sich er287

Insbesondere solle sich eine Aufrechnungserklärung der Gesellschaft auch nicht daraus ergeben, dass in den den Beschlüssen nachfolgenden Kontenbuchungen sowie in den Jahresabschlüssen der Gesellschaft die Einlage als aufgerechnet angesehen worden war, OLG Hamburg ZIP 1990, 789 (790); kritisch hinsichtlich Letzterem Hefermehl, WuB II C. § 19 GmbHG 1.90. 288 Eine Aufrechnung der eigenen Forderung dagegen nicht, OLG Hamburg ZIP 1990, 789 (790), zur Aufrechnung des Gesellschafter-Geschäftsführers sogleich im Text. 289 NJW 2002, 3774 (unter 2. c) aa), „möglicherweise“ unzulässig). 290 OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 1511 (1512); Hefermehl, WuB II C. § 19 GmbHG 1.90. 291 So ausdrücklich K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 319.

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hebliche Beweisschwierigkeiten ergeben. Es wird in einem Insolvenzverfahren oft ungeklärt bleiben, ob der u. U. viele Jahre zurückliegende Aufrechnungvsertrag nun von der Gesellschaft oder dem Gesellschafter angestoßen worden ist. Würde man Gesellschafter auch noch die Darlegungs- und Beweislast auferlegen, die Aufrechnung sei nicht auf seinen Wunsch hin vorgenommen worden, käme das letztlich wohl einem Verbot von Aufrechnungsverträgen gleich292. Entscheidend ist aber allein, dass die Aufrechnungsverbote gar keine Anhaltspunkte dafür bieten, die Entscheidung zur Aufrechnung müsse sozusagen „autonom“ von der Gesellschaft ausgehen. Der Zweck der § 66 Abs. 1 S. 2, § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG liegt allein im Ausschluss der gesetzlichen Aufrechnungsbefugnis des Gesellschafters293. Dies erfordert nur, dass der Gesellschafter die Aufrechnung nicht einseitig gerade als Inferent vornehmen kann. Es besteht daher kein Anlass, die Aufrechnungsverbote in die aufgezeigte Richtung auszudehnen. Der Gesellschafter kann den Aufrechnungsvertrag in gleicher Weise initiieren, wie er auch in anderen Geschäftsführungsangelegenheiten Vorschläge unterbreiten kann294. Das Aufrechnungsverbot will nicht in die innerverbandliche Kompetenzordnung der GmbH eingreifen, die gem. § 37 Abs. 1 GmbHG die Gesellschafterversammlung als oberstes Organ bestimmt. Die Entscheidung des OLG Hamburg hätte demgegenüber zur Konsequenz, dass ein weisungsfreier Entscheidungsspielraum des Geschäftsführers bzgl. der Frage entsteht, ob die ausstehende Einlage aufgerechnet wird oder nicht. Nichts anderes gilt auch, wenn der Gesellschafter als Geschäftsleiter, in der Regel als GmbH-Geschäftsführer, die Aufrechnung unmittelbar selbst erklärt. In solchen Fällen haben die Instanzgerichte gelegentlich die Aufrechnung ebenfalls für unwirksam gehalten, weil der Alleingesellschafter-Geschäftsführer295 oder der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Mehrpersonen-GmbH296 – sogar bei wirksamer Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot297 – hierdurch gegen § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG verstoßen habe. Ruft man sich dagegen den Zweck des einseitigen Aufrechnungsverbots in Erinnerung298, kann nicht zweifelhaft sein, dass der Geschäftsleiter-Gesellschafter auch mit einer gegen sich selbst gerichteten Einlageforderung aufrechnen kann. Gerade in den praktisch wichtigsten Fällen behält das einseitige Aufrechnungsverbot auch in der Ein-Personen-Gesellschaft seine Wirkung. Wenn die Einlageforderung nämlich vom Insolvenzverwalter oder nach Pfändung durch den Pfändungsgläubiger eingezogen wird, kann der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht mehr aufrechnen. Denn 292

Wie sollte der Gesellschafter einen solchen Beweis führen? Dazu bereits unter § 3 I. 294 Heute allg. Ansicht, vgl. etwa Veil, in: Scholz, GmbHG, § 19 Rn. 93; Drygala, ZGR 2006, 587 (617). 295 OLG Braunschweig NZG 1999, 308. 296 OLG Hamburg NJW-RR 1990, 741; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1257. 297 OLG Hamm, ZIP 1988, 1057; OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 1511 (1512). 298 Dazu eingehend bereits unter § 3 I. 293

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in diesen Fällen kann er weder – als Geschäftsführer – über die Einlage verfügen299, noch als Gesellschaftergläubiger aufrechnen. Die Gläubiger haben hingegen kein berechtigtes Vertrauen darauf, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht bereits vorher aufgerechnet hat und die Einlageforderung damit erloschen ist, da eine Aufrechnung durch die Gesellschaft bzw. eine Einziehung nebst anderweitiger Verausgabung der Mittel immer zu besorgen ist. Der BGH hat sich daher nach hier vertretener Ansicht zurecht gegen ein pauschales Aufrechnungsverbot bei der Ein-Personen-Gesellschaft ausgesprochen, allerdings hat er einschränkend eine wirksame Befreiung des Geschäftsführers vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) für erforderlich gehalten300. Nach hier vertretener Ansicht liegt § 181 BGB dagegen schon tatbestandlich nicht vor, da die Aufrechnung sich in der „Erfüllung einer Verbindlichkeit erschöpft“301. Dass die Aufrechnung im Allgemeinen dem Ausnahmetatbestand des Selbstkontrahierungsverbots unterfällt, ist denn auch anerkannt302. Nimmt man hinzu, dass selbstverständlich die Begründung der Forderung des Gesellschafter-Geschäftsführers, mit der (später) aufgerechnet wird, das Selbstkontrahierungsverbot wahren muss, kann kein Zweifel an der hier vertretenen Auffassung verbleiben: Denn ist das Selbstkontrahierungsverbot gewahrt und besteht eine wirksame Verpflichtung der Gesellschaft, muss der Geschäftsleiter diese Verbindlichkeit mit dem vorhandenen Vermögen der Gesellschaft tilgen können. § 181 BGB stünde ja auch nicht entgegen, wenn der Geschäftsführer die eigene Forderung durch Entzug liquiden Gesellschaftsvermögens erfüllen würde. Der Geschäftsführer könnte also mit dem rechtmäßig an sich ausgezahlten Betrag die Einlage leisten. Daraus ergibt sich zwingend im Erst-Recht-Schluss, dass er auch unter Vermeidung des Hin- und Herzahlens unmittelbar selbst aufrechnen kann303. cc) Vertragliche Einräumung eines Aufrechnungsrechts Freilich bestehen tatsächlich Konstellationen, in denen ein Verstoß gegen § 66 Abs. 1 S. 2 AktG, § 19 Abs. 2 S. 2 zu besorgen ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn dem Gesellschafter durch Vertrag ein einseitiges, insolvenz- und vollstreckungsfestes Aufrechnungsrecht eingeräumt wird. Einem solchen einseitigen Aufrechnungsrecht des Gesellschafters steht die Verpflichtung der Gesellschaft gleich, die Aufrechnung (z. B. bei Eintritt bestimmter im Aufrechnungsvertrag definierter 299

Für den Fall des Insolvenzverfahrens vgl. § 80 Abs. 1 InsO. NJW 2002, 3774 (3776), ohne Problematisierung. 301 Wie hier bereits OLG Karlsruhe BB 1971, 7 (8), wo allerdings auch hervorgehoben wird, dass den Interessen der Gesellschaft gerade durch den von der h.M. verlangten besonderen Aufrechnungsvoraussetzungen hinreichend Rechnung getragen wird. 302 Schubert, in: MünchKomm/BGB, § 181 Rn. 85 m. w. Nachw. 303 Zudem ist schon hier darauf hinzuweisen, dass die Aufrechnung mit einer gegen den Geschäftsführer selbst gerichteten Forderung ein erhöhtes Anfechtungspotential begründet; dazu unter § 8 II. 1. c). 300

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Voraussetzungen) erklären zu müssen304. Dies dürfte wohl unverändert der h.M. entsprechen, auch wenn die Kommentarliteratur heute diese Frage häufig nicht mehr aufgreift305. Eine solche Abrede ist nicht anders als die einseitige Aufrechnung durch den Gesellschafter306 unwirksam. Der Ausschluss eines vertraglich begründeten einseitigen Aufrechnungsrechts des Gesellschafters ist auch nicht widersprüchlich zu der hier vertretenen Möglichkeit einer Aufrechnung durch Vertrag. Es geht nicht an, den „Vertrag über die Aufrechnung“ zunächst wirksam sein zu lassen und die Schutzinstrumentarien an die in der Einräumung der Aufrechnungsbefugnis liegende Verfügung der Gesellschaft anzuknüpfen. Denn auch ein durch Vertrag unzulässig, aber wirksam begründetes Aufrechnungsrecht des Gesellschafters würde sich nicht anders als das gesetzliche Aufrechnungsrecht in Insolvenz und gegenüber Zessionar und Pfändungsgläubiger behaupten (§ 94 InsO, §§ 392, 404 BGB)307. Die Garantie des Stamm- bzw. Grundkapitals verlangt indessen in solchen Fällen, dass Einlageoder gleichgestellten Forderungen „unbelastet“ bleiben und von Insolvenzverwalter oder Pfändungsgläubiger durchgesetzt werden können. c) Genehmigung durch die Gesellschaft Liegt eine einseitige Aufrechnung des Gesellschafters vor, bewendet es bei der Unwirksamkeit der Aufrechnung308. Dies bedeutet freilich nicht, dass man die Erklärung des Gesellschafters als nichtig ansehen muss309. Die unwirksame Aufrechnung durch den Gesellschafter sollte vielmehr einer Genehmigung gem. bzw. entsprechend §§ 185 Abs. 2 S. 1 Var. 1, 184 BGB durch die Gesellschaft offenstehen, sodass ein Geschäftsführer oder Vorstand der Aufrechnung nachträglich zur Wirksamkeit verhelfen kann310. Durch diese gegenüber der Nichtigkeits- weniger ein304

Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 62. s. aber Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 44; Westermann, in: Bürgers/Körber, § 66 Rn. 8; aus dem älteren Schrifttum etwa R. Fischer, in: Großkomm/AktG, 2. Aufl. 1961, § 60 Anm. 17; Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 62; abweichend Barz, in: Großkomm/AktG, 3. Aufl. 1973, § 66 Anm. 18. 306 Dazu allgemein Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 76 m. w. Nachw. 307 Speziell zu § 94 InsO, der auch vertraglich begründete Aufrechnungsrechte erfasst, vgl. Brandes, in: MünchKomm/InsO, § 94 Rn. 44 ff. 308 Allg. Ansicht, vgl. statt vieler BGH ZIP 1982, 1320 (1321); Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 86. 309 Dafür aber Ziemons, in: Ziemons/Jaeger, § 19 Rn. 117. 310 Ähnlich im Ausgangspunkt Habersack/Weber, ZGR 2014, 509 (526 f.), die diesen Fall gleichwohl im Grundsatz als verbotene Gesellschafteraufrechnung behandeln wollen und daher – anders als bei der Aufrechnung durch die Gesellschaft – unterschiedslos für eine bloße Anrechnungslösung plädieren, vgl. dazu bereits § 4 I. 5. c). Dies erscheint nicht zweifelsfrei: Steht fest, dass das Geschäftsleitungsorgan die Aufrechnung genehmigt hat, übernimmt dieses dadurch die Verantwortung nicht anders als in dem Fall, in dem die Aufrechnung sogleich von der Gesellschaft – entweder einseitig oder durch Vertrag – vorgenommen worden ist. Bei einer Aufrechnung bzw. einem Aufrechnungsvertrag mit Neuforderungen soll nach Habersack/ 305

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schneidend wirkende Unwirksamkeitslösung werden keine berechtigten Belange der Gläubiger beeinträchtigt. Denn die Gesellschaft könnte prinzipiell mit der nach der einseitigen Aufrechnung durch den Gesellschafter zunächst fortbestehenden Einlageforderung aufrechnen. Es kann aber keinen Unterschied machen, ob die Aufrechnung dadurch erzielt wird, dass die Gesellschaft die zunächst unwirksame Verfügung des Gesellschafters genehmigt – und damit selbst über die Einlage verfügt oder ob sie unabhängig von der unwirksamen Verfügung des Gesellschafters über die Einlage verfügt. Kommt nach Lage des Falls lediglich eine konkludente Genehmigung in Betracht, wird man freilich genau zu prüfen haben, ob das Geschäftsleitungsorgan tatsächlich eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben wollte. Das Verhalten darf sich nicht in einer bloßen Entgegennahme der Aufrechnungserklärung durch den Gesellschafter erschöpfen, welches möglicherweise noch in Unkenntnis des einseitigen Aufrechnungsverbots erfolgt ist311. So wären etwa in dem Fall des OLG Hamburg312 die Gesellschafterbeschlüsse insoweit unwirksam gewesen, als sie den Gesellschaftern eine insolvenzfeste Aufrechnungsbefugnis gewähren sollten. Wenn freilich vor Insolvenzeröffnung die aufzurechnenden Gesellschafterforderungen noch entstanden sind, die Gesellschafter die Aufrechnung erklärt haben und die Gesellschaft zu erkennen gegeben hat, dass sie diese Aufrechnung gegen sich gelten lassen will, wäre die Aufrechnung wenigstens wirksam erfolgt. Da die Aufrechnung erst durch die Verfügung der Gesellschaft wirksam wird, ist allerdings zu beachten, dass der relevante Zeitpunkt für die in der Aufrechnung liegende Verfügung nur derjenige der Erklärung der Gesellschaft sein kann. Als solche muss sie die Schranken, die jede Verfügung der Gesellschaft (zugunsten des Gesellschafters) zu wahren hat, einhalten313. Die Genehmigung einer einseitigen Gesellschafteraufrechnung führt folglich zur Wirksamkeit der Aufrechnung, aber nicht zwingend zu deren Zulässigkeit.

III. Kapital- bzw. Vermögensbindung In der verfügungsbezogen verstandenen Aufrechnung liegt notwendigerweise immer eine Vermögensdisposition der Gesellschaft zugunsten eines Gesellschafters. Diese Disposition ist folglich nur zulässig, wenn sie sich innerhalb der durch § 57 Abs. 1 AktG, § 30 Abs. 1 GmbHG gezogenen Schranken bewegt.

Weber die Aufrechnung aber wirksam sein und lediglich die Differenzhaftung Platz greifen, a.a.O., 520 ff. 311 Vgl. auch dazu Habersack/Weber, ZGR 2014, 509 (526 f.). 312 ZIP 1990, 789, vgl. oben unter b). 313 Dazu sogleich unter II., III.

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Kap. 2: Aufrechnung

1. Tatbestand a) Einlageforderung als Vermögensgegenstand Die ausstehende Einlage stellt einen Vermögensgegenstand der Gesellschaft dar. Dem steht nicht entgegen, dass ausstehende Einlagen bilanziellen Sonderregelungen unterliegen. Grund- bzw. Stammkapital sind in der Bilanz zunächst mit dem Nennbetrag (§ 272 Abs. 1 S. 2 HGB, § 152 Abs. 1 S. 1 AktG, § 42 Abs. 1 GmbHG), mithin ohne Rücksicht auf den Leistungsstand der Einlagen auszuweisen. Weil ausstehende Einlagen neben ihrer Eigenschaft als Vermögensgegenstand der Gesellschaft wirtschaftlich betrachtet auch einen Korrekturposten zum gezeichneten, der Gesellschaft aber nicht tatsächlich zugeflossenen Kapital bilden314, kommen theoretisch unterschiedliche Darstellungsmethoden in Betracht. Nach dem BilMoG315 ist nunmehr nur noch der sog. Nettoausweis zulässig (§ 272 Abs. 1 S. 3 HGB). Hiernach sind die nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ offen abzusetzen; das gilt sogar dann, wenn diese nicht werthaltig oder gar uneinbringlich sind316. Der verbleibende Betrag ist als Posten „Eingefordertes Kapital“317 in der Hauptspalte der Passivseite auszuweisen. Der eingeforderte, aber noch nicht eingezahlte Betrag ist dagegen unter den Forderungen gesondert auszuweisen und entsprechend zu bezeichnen. Damit kommt der sog. Bruttoausweis318, der vor dem KontraG319 zwingend und bis zum BiRiLiG320 grds. wählbar war321, nicht mehr in Betracht322. Nach überwiegender Auffassung führt der zwingende Nettoausweis indessen nicht dazu, dass sich bei der GmbH das ausschüttungsfähige Vermögen um den Nennbetrag der nicht eingeforderten Einlagen verringert. Bei der Ermittlung des durch § 30 Abs. 1 GmbHG geschützten 314 Adler/Düring/Schmaltz, § 272 Rn. 58; Kropff, in: MünchKomm/BilanzR, § 272 Rn. 35 f. 315 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25. 5. 2009, BGBl. l S. 1102. 316 Kropff, in: MünchKomm/BilanzR, § 272 Rn. 39. 317 Die Bezeichnung ist nicht ganz glücklich, da dieser Posten eben nicht nur bereits eingeforderte ausstehende, sondern auch tatsächlich eingezahlte Einlagen umfasst. 318 Bei dieser Alternative wird das gezeichnete Kapital auf der Passivseite „brutto“, d. h. ohne Abzug ausstehender Einlagen, ausgewiesen; noch nicht geleistete (sowohl eingeforderte als auch nicht eingeforderte) Einlagen werden auf der Aktivseite ausgewiesen, vgl. dazu Reiner, in: MünchKomm/HGB, § 272 Rn. 7; Kropff, ZIP 2009, 1137 f. 319 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich v. 27. 4. 1998, BGBl. I S. 786. 320 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts v. 19. 12. 1985, BGBl. I S. 2355. 321 Vgl. Kropff, ZIP 2009, 1137 (1138). 322 Der Gesetzgeber hält den Nettoausweis – wohl mit Blick auf die internationale Gepflogenheiten, Kropff, in: MünchKomm/BilanzR, § 272 Rn. 39, – für besser geeignet, ein den „tatsächlichen (wirtschaftlichen) Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanzund Ertragslage“ zu erzeugen, Bt.-Drucks. 16/10067, S. 65.

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Nettoaktivvermögens sind diese vielmehr doch – richtigerweise aber auch nur in Höhe ihres tatsächlichen Werts – gedanklich zu aktivieren323. Werden damit sämtliche ausstehenden Einlagen bei der Bestimmung des ausschüttungsfähigen Vermögens in Ansatz gebracht, erscheint es plausibel, Verfügungen über diese ebenfalls den Schranken des § 30 Abs. 1 GmbHG zu unterstellen. Gegenüber der Tilgung der Gesellschafterforderung mittels liquider Mittel ist die Tilgung mittels Aufrechnung für die Gesellschaft (und deren Gläubiger) eher vorteilhaft. Denn in der Aufrechnung wird die Liquiditätsreserve „Einlageforderung“ immer in voller Höhe realisiert324; in Insolvenzverfahren oder Liquidation müsste die Einlageforderung dagegen erst einmal durchgesetzt werden. b) Aufrechnung als Auszahlung Ferner besteht kein Zweifel, dass die in der Aufrechnung liegende Preisgabe von Gesellschaftsvermögen als „Auszahlung“ gem. § 30 Abs. 1 GmbHG in Betracht kommt. Eine Auszahlung kann anerkanntermaßen nicht nur in Geldabflüssen, sondern in jeder realen Verringerung des Gesellschaftsvermögens liegen325. Namentlich fällt hierunter auch die Preisgabe von Forderungen (und sonstigen Rechten); speziell für die Aufrechnung mit Forderungen entspricht dies ständiger Rechtsprechung326 Die Erfüllung einer gegenüber einem Gesellschafter bestehenden Verbindlichkeit stellt grds. als bloße Bilanzverkürzung keine verbotene Einlagenrückgewähr bzw. Auszahlung327 dar; dasselbe hat für die Aufrechnung zu gelten. Allerdings darf wie bei der Erfüllung nicht außer Betracht bleiben, ob die Gesellschaft für die Eingehung der Verbindlichkeit eine dem Drittvergleich standhaltende Gegenleistung erhalten hat328. Der BGH fragt danach, ob ein gewissenhaft nach kaufmännischen Grundsätzen handelnder Geschäftsleiter das betreffende Geschäft unter sonst gleichen Umständen zu gleichen Bedingungen auch mit einem Nichtgesellschafter abgeschlossen hätte329. Der verfügungsbezogene Ansatz ermöglicht es damit, im Rahmen des Kapitalschutzes ein der Gesellschaft aufgrund des Austauschgeschäfts zufließendes Äqui323 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 30 Rn. 15; T. Fleischer, in: Henssler/Strohn, § 30 GmbHG Rn. 28; Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff ,§ 30 Rn. 13; Verse, in: Scholz, § 30 Rn. 63 (m. Nachw. zur a.A.); ders., VGR 15 (2009), S. 67 (89 f.); Wicke, § 30 Rn. 5; Kropff, ZIP 2009, 1137 (1138 f.). 324 Frey, Einlagen, S. 55. Wenn die Einlageforderung wegen Zahlungsschwierigkeiten des Inferenten nicht mehr in Höhe des Nennwerts aktiviert werden konnte, kann die Aufrechnung die Eigenkapitalquote sogar erhöhen. 325 Allg. Ansicht, vgl. nur Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 30 Rn. 33 m. w. Nachw. 326 BGH NJW 1982, 383 (385); NJW 1985, 2947; NJW 1993, 1922. 327 Habersack, in: Ulmer, § 30 Rn. 53; Verse, in: Scholz, § 30 Rn. 22. 328 Habersack, in: Ulmer, § 30 Rn. 53; Schmolke, Kapitalerhaltung, § 30 Rn. 142. 329 BGH NJW 1996, 589 f.; zu den Einzelheiten Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 30 Rn. 72 ff.; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 57 Rn. 12 ff.

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Kap. 2: Aufrechnung

valent zu berücksichtigen. Dies ist aufgrund der Konzeption der h.M., die isoliert nur die Aufrechnung ohne Berücksichtigung des Rechtsgrunds der Gesellschafterforderung betrachtet, nicht möglich. Diese Konsequenz erscheint wertungsgerecht, da sie die Abwicklung von Rechtsverhältnissen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter durch Aufrechnung der Abwicklung durch Zahlung gleichstellt. Nach dem hier vertretenen Ansatz hätte bspw. im Fall des OLG Hamburg330 geprüft werden müssen, ob die Aufrechnung der ausstehenden Einlagen mit Gewinnansprüchen der Gesellschaft das Stammkapital der Gesellschaft deckende Vermögen angegriffen hätte. c) Gleichlauf von Aufrechnung und Zahlung Da Einlageforderungen Wertschwankungen unterliegen, ist allerdings fraglich, ob bei § 30 Abs. 1 GmbHG stets ein Gleichlauf von Aufrechnung und Zahlung besteht. Zur Veranschaulichung diene der Beispielsfall, dass ein Gesellschafter der GmbH ein Grundstück im Wert von 20 zu 30 veräußern will. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 100, Rückstellungen und Verbindlichkeiten belaufen sich zusammen auf 90; die Aktiva betragen 180. In dieser Situation darf die Gesellschaft die Kaufpreisverbindlichkeit des Gesellschafters jedenfalls nicht mittels liquider Mittel tilgen: Die Gesellschaft befindet sich im Stadium der Unterbilanz331 und die Veräußerung über Wert würde diese noch vertiefen. Wie ist aber nun der Fall zu beurteilen, dass die Gesellschaft anstatt zu zahlen mit einer Einlageforderung gegen den Gesellschafter im Nennbetrag von 30 aufrechnet, die wegen mangelnder Bonität des Gesellschafters zutreffend auf 15 abgewertet worden ist? Im Ergebnis würde durch eine solche Aufrechnung die Unterbilanz der Gesellschaft nicht vertieft, sondern sogar verringert werden332. Dennoch liegt nach hier vertretener Auffassung ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG vor. Die Gesellschaft hat nämlich nach dem verfügungsbezogenen Ansatz durch die Aufrechnung zunächst – für eine logische Sekunde – 30 empfangen („Hinzahlen“) und diese vollumfänglich an den Gesellschafter ausgezahlt. Die richtige Betrachtung liegt also darin, dass durch die mit der Aufrechnung verbundenen Verfügung eine Unterbilanz erst entstanden ist333. Dieses Ergebnis ist auch überzeugend, denn anderenfalls würde man es Gesellschaft und Gesellschafter ermöglichen, durch die Wahl der Abwicklung (Aufrechnung statt Zahlung) ein an sich unzulässiges Grundgeschäft zu vollziehen.

330

ZIP 1990, 789. Das Nettoaktivvermögen i.H.v. 90 (180 – 90) deckt nicht das Stammkapital. 332 Das Nettoaktivvermögen stiege auf 95 (20 – 15). 333 Das Nettoaktivvermögen ist zunächst für eine logische Sekunde auf 105 gestiegen, da sich die Aktiva „ausstehende Einlage“ i.H.v. 15 auf fiktiv empfangene liquide Mittel i.H.v. 30 umgewandelt und erhöht haben. 331

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2. Rechtsfolgen a) Wirksamkeit der Aufrechnung Hält das Rechtsgeschäft dem Drittvergleich nicht stand, ist es nach gefestigter h.M. im GmbH-Recht nicht nichtig334. Die Gesellschaft kann und muss aber die Tilgung der Gesellschafterforderung gem. § 30 Abs. 1 GmbHG verweigern. Erfolgt die Tilgung gleichwohl, ist (auch) das Verfügungsgeschäft wirksam335. In einer jüngeren Entscheidung hat der BGH diese Grundsätze, einer entsprechenden Tendenz im Schrifttum folgend336, auf Verstöße gegen § 57 AktG erstreckt337. Nach ganz h.M. im GmbH-Recht ändert sich hieran nichts, wenn die Tilgung der Gesellschafterforderung durch Aufrechnung erfolgt. Auch dann bewendet es bei der Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts338. Eine im GmbH-Recht vereinzelt vertretene Gegenauffassung339 hat sich nicht durchsetzen können. Die maßgeblichen Gegenargumente gegen die Wirksamkeit der Aufrechnung bestehen dabei in Folgendem: Die „Rückgewähr“ der Aufrechnungswirkung sei schon rein konstruktiv wenig überzeugend begründbar, das Erlöschen der aufgerechneten Gesellschaftsforderung führe zum Erlöschen akzessorischer Sicherheiten und zudem lasse die mit dem Untergang der Gesellschaftsforderung verbundene „Identitätsänderung“ der Gesellschaftsforderung (in einen Rückgewähranspruch, § 31 GmbHG) Pfändungen der Gesellschaftsgläubiger ins Leere gehen. Schließlich ergebe sich die Nichtigkeit der Aufrechnung unmittelbar aus dem Schutzzweck des § 30 Abs. 1 GmbHG. Die Vermögensbindung sei bei Nichtigkeit effektiver geschützt, da die Forderung der Gesellschaft dann dem Gesellschaftsvermögen verbliebe und es gar keiner Rückgewähr bedürfe. Dies rechtfertige im Übrigen auch die abweichende Behandlung von einer durch § 30 Abs. 1 GmbHG verbotenen Übertragung eines anderen Vermögensgegenstands. Denn allein das „reale Ausscheiden“ aus dem Gesellschaftsvermögen340 mache eine Rückgewährpflicht erforderlich, die ja durch die Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts auch nicht entbehrlich werde.

334 BGH NJW 1997, 2599; NJW 2001, 3123 (3124); aus dem Schrifttum statt vieler Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 30 Rn. 67 m. w. Nachw. 335 NZG 2007, 704 (Tz. 30); s. nur Habersack, in: Ulmer, § 30 Rn. 120; Schmolke, Kapitalerhaltung, § 30 Rn. 194 ff. 336 Vgl. die Nachw. bei Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 57 Rn. 73. 337 NZG 2013, 496; zustimmend etwa Bayer/Scholz, AG 2013, 426 ff.; Wicke, DNotZ 2013, 812 f. 338 BGH NJW 1982, 383 (385); NJW 1985, 2947 f.; NZG 2012, 545 (Tz. 21) überholt, weil noch auf der früheren Differenzierung zwischen bewusstem und unbewusstem Verstoß beruhend BGH NJW 1982, 386 (387); Heidinger, in: Michalski, § 30 Rn. 139; Verse, in: Scholz, § 30 Rn. 121. 339 Joost, ZHR 148 (1984), 27 (47 ff.); aufgeschlossen Ekkenga, in: MünchKomm/GmbHG, § 30 Rn. 279. 340 Gedacht ist also bspw. an die Übereignung einer Sache.

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Kap. 2: Aufrechnung

Richtigerweise ist mit der h.M. davon auszugehen, dass auch eine gegen § 30 Abs. 1 verstoßende Aufrechnung wirksam ist. Zunächst vermögen konstruktive Schwierigkeiten, die sich zugegebenermaßen bei der Bestimmung des Inhalts der Rückgewährverpflichtung des Gesellschafters aus § 31 GmbHG stellen, allerdings auch lösen lassen341, nicht die vorgelagerte Frage der Wirksamkeit der Aufrechnung zu determinieren. Ob eine Pfändung der entgegen § 30 Abs. 1 GmbHG aufgerechneten Gesellschaftsforderung tatsächlich nicht den Rückgewähranspruch der Gesellschaft aus § 31 GmbHG erfasst342, braucht nicht entschieden zu werden: Die Gläubiger können jedenfalls den Anspruch aus § 31 GmbHG pfänden und es wäre umgekehrt begründungsbedürftig, warum gerade bei Aufrechnungen der verbotswidrig weggegebene Vermögensgegenstand der Gesellschaft „an sich“ noch pfändbar sein sollte, während andere derart verausgabte Vermögensgegenstände unstreitig – worauf Joost selbst an anderer Stelle zurecht hinweist – zunächst der Rückübertragung in das Gesellschaftsvermögen bedürfen. Ähnliche Einwände ergeben sich auch gegen die von Joost angenommene Ableitung der Nichtigkeitssanktion aus Sinn und Zweck der Kapitalerhaltung. Das zentrale Argument, die Vermögensbindung lasse sich so besser durchsetzen, da dem Gesellschaftsvermögen der verbotswidrig aufgerechnete Anspruch verbliebe, erscheint aus mehreren Richtungen angreifbar. Zunächst muss Joost schon selbst einräumen, dass im Fall des § 31 Abs. 2 GmbHG von der Nichtigkeit der Aufrechnung eine Rückausnahme gemacht werden muss, da der gutgläubige Empfang der verbotenen Auszahlung nicht davon abhängen kann, ob aufgerechnet oder gezahlt worden ist343. Zudem wäre auch nicht zu begründen, woraus sich bei Fortbestehen des verbotswidrig aufgerechneten Gesellschaftsanspruchs eine Ersatzpflicht des die Aufrechnung verantworteten Geschäftsführers herleiten ließe, § 43 Abs. 3 GmbHG, die von der ganz h.M. als Schadensersatzanspruch qualifiziert wird344. b) Inhalt des Rückgewähranspruchs Der Anspruch der Gesellschaft aus § 31 Abs. 1 GmbHG geht seinem Inhalt nach jedenfalls im Grundsatz auf gegenständliche Rückgewähr345. Gleiches gilt spätestens seit der neueren BGH-Entscheidung auch im Aktienrecht346. Übertragen auf die 341

Dazu sogleich im Text. Dafür Joost, ZHR 148 (1984), 27 (48 f.) entgegen BGH NJW 1982, 383 (385). 343 s. näher und – insofern – überzeugend ZHR 148 (1984), 27 (50). 344 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 48 m. w. Nachw. auch zur Gegenansicht. 345 So die h.M., BGH NZG 2008, 467; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 31 Rn. 10; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 31 Rn. 14 ff.; Verse, in: Scholz, § 31 Rn. 16 ff. (dort auch zu den abweichenden Ansätzen). 346 Diese (Streit-)Frage wird in der Entscheidung zwar nicht eingehend problematisiert, (insofern zutreffend) Nodoushani, NZG 2013, 687 (690); der BGH geht aber offensichtlich von einer gegenständlichen Rückgewährpflicht aus, vgl. NZG 2013, 496 (Tz. 19), so auch Witt, ZGR 2013, 668 (675). Damit steht auch die in der Entscheidung betonte Parallele zum GmbH342

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Aufrechnungsfälle bedeutet dies, dass der Gesellschafter nicht lediglich Wertersatz für die Befreiung von der Verbindlichkeit schuldet. Hiermit verbindet sich der Vorteil, dass sich die u. U. schwierige Bewertung der Einlageforderung im Aufrechnungszeitpunkt vermeiden lässt347. Nur rein gedanklich erscheint es schwer vorstellbar, dass der Gesellschafter die „Rückgewähr der Einlageforderung“ schulden soll348. Richtig dürfte es sein, dass der Gesellschafter schlicht unverändert aus der Einlageforderung haftet, allerdings „in Gestalt“ der Erstattungsforderung. Eine frühe, zur GmbH & Co. KG ergangene Entscheidung des II. Zivilsenats geht wohl genau hiervon aus349. c) Haftung der Geschäftsleitung Die Überführung in die Kapitalerhaltung hat gegenüber der h.M. den Vorteil, dass sie eine Haftung der Geschäftsleiter aus § 93 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AktG, § 31 Abs. 6 GmbHG ermöglicht. Im GmbH-Recht ergibt sich der weitere Vorzug, dass dem Gesellschafter u. U. der Schutz des § 31 Abs. 2 GmbHG zugutekommt350. Eine vergleichbare Einschränkung der Haftung ist aufgrund der Konzeption der h.M. nicht möglich, da die Vollwertigkeit stets nach objektiven Maßstäben bestimmt wird351. Nicht weiter vertieft werden sollen hier die Fragen, die sich daraus ergeben, dass Einlage- und Erstattungsforderung mit unterschiedlichen ergänzenden Regelungen ausgestattet sind. Praktisch bedeutsam ist insbesondere, ob für die Verjährung des Anspruchs § 19 Abs. 6 oder § 31 Abs. 5 GmbHG gilt352. Richtet sich die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter (allein) nach § 24 GmbHG oder können diese auch aus dem – weiterreichenden – § 31 Abs. 3 GmbHG in Anspruch genommen werden?

Recht, Tz. 20, in Einklang. Zur Diskussion im Aktienrecht vgl. Fleischer, in: K. Schmidt/ Lutter, § 62 Rn. 18 m. umf. Nachw. 347 Dieser Umstand wird ganz allgemein als entscheidender Vorzug der h.M. gegenüber einem Anspruch auf Wertersatz erachtet, BGH NZG 2008, 467 (Tz. 9); Schmolke, Kapitalerhaltung, § 31 Rn. 32. 348 Vgl. auch Joost, ZHR 148 (1984), 27 (48) („nicht rechtsgrundsätzlich ausgeschlossen“). 349 BGH NJW 1985, 2947 f. („Besteht die Zuwendung darin, daß die Gesellschaft eine Forderung gegen den Leistungsempfänger aufgegeben hat, so muß dessen Verbindlichkeit wieder begründet werden“). 350 Auch wenn die praktische Bedeutung der Vorschrift gering ist, da es für die Erforderlichkeit der Gläubigerbefriedigung nach h.M. auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ankommt, BGH NZG 2003, 1116; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 31 Rn. 19 m. w. Nachw. 351 Dazu unter § 4 I. 1. a); s. aber auch § 4 I. 4. 352 Die h.M. (gegenständliche Rückgewähr) muss nicht zwangsläufig auf Erstgenanntes hinauslaufen.

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Kap. 2: Aufrechnung

IV. Unternehmerische Sorgfalt Eine weitere allgemeine Schranke der Aufrechnung besteht darin, dass die Geschäftsleiter diese nur dann vornehmen dürfen, wenn sie hierbei nicht gegen ihre unternehmerische Sorgfaltspflicht (§ 93 Abs. 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG) verstoßen. Im Unterschied zu der oben definierten Grenze der Kapital- bzw. Vermögensbindung besteht diese in der Hauptsache zum Schutz der Gesellschaft353, wenn auch die Gläubiger durch die Innenhaftung der Geschäftsleitung in gewisser Hinsicht reflexartig mitgeschützt werden sollen (vgl. § 93 Abs. 3, Abs. 5, § 43 Abs. 3 GmbHG)354. 1. Modifizierte Fortführung der Rechtsfortbildung? Nach der eingangs unter I. und II. aufgestellten „Verfügungs-These“ kann zwar die Wirksamkeit der Aufrechnung nicht davon abhängen, ob die Gesellschafterforderung vollwertig, fällig und liquide ist. Möglicherweise sind diese Grundsätze aber in dem hier interessierenden Zusammenhang fortführbar. a) Vollwertigkeitsgebot als Konkretisierung unternehmerischer Sorgfalt (Möhring) So könnte man überlegen, Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität als eine Konkretisierung der unternehmerischen Sorgfalt aufzufassen. Einen entsprechenden Vorschlag hat Möhring355 unterbreitet. Ähnlich der hier vertretenen Ansicht hält er es im Ausgangspunkt für unangemessen, bei einem Verstoß gegen die VollwertigkeitsGrundsätze die Aufrechnung als nichtig anzusehen356. Missachte ein Geschäftsführer die Gebote der Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität, könne dies nach Möhring jedoch eine Haftung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG nach sich ziehen357. Der Schaden der Gesellschaft soll darin bestehen, dass die Einlage dann wirksam erbracht, jedoch „die GmbH nicht nochmalige Leistung der Einlage verlangen“ könne358. b) Stellungnahme Dem Beitrag von Möhring kommt das Verdienst zu, – zumindest implizit – auf das Fehlen einer Geschäftsleiterhaftung bei der Aufrechnung mit Einlageforderung hingewiesen zu haben. Soweit ersichtlich, wird damit erstmals aufgezeigt, dass die 353 354 355 356 357 358

Vgl. nur Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 1. Dazu Hopt, in: Großkomm/AktG, § 93 Rn. 12. In: FS R. Schmidt, S. 85 (91 ff.). A.a.O., S. 94. A.a.O., S. 96. A.a.O., S. 96.

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Geschäftsleiterhaftung ein alternatives Gläubigerschutzinstrument zum starren Vollwertigkeitskriterium bilden kann. Obgleich dieser Beitrag in seiner gegenüber der Rechtsfortbildung grds. kritischen Tendenz auf der hier favorisierten Linie liegt, ist dem konkreten Vorschlag von Möhring nicht zuzustimmen. Dieser behandelt die Aufrechnung bei fehlender Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität im Ergebnis wie ein Austauschgeschäft zu nicht marktgerechten Konditionen. Da Möhring offenbar auch den wirtschaftlichen Wert der Einlageforderung berücksichtigen will359, rückt seine Überlegung genau genommen in die Nähe eines Forderungstauschvertrags: Der von Möhring – stillschweigend – angenommene Vergleichsfall liegt darin, dass die Gesellschaft eine gegen einen Dritten gerichtete werthaltige Forderung mit dem Gesellschafter gegen dessen (ebenfalls gegen einen Dritten gerichtete) schlechte Forderung tauscht. Anstatt die „gute“ Einlageforderung einzuziehen, gibt die Gesellschaft ihre Einlageforderung auf, um im Gegenzug eine „schlechte“ Gesellschafterforderung hereinzubekommen. Der Ansatz von Möhring ist unschwer als eine Variante des forderungsbezogenen Ansatzes zu erkennen, indem er die Zulässigkeit wiederum vom Wert der Gesellschafterforderung bzw. dem Wertverhältnis der beiden aufgerechneten Forderungen abhängig machen möchte. Während der forderungsbezogene Ansatz bereits dem Grunde nach als nicht weiterführend erkannt wurde360, wandelt Möhring diesen noch einmal deutlich ab. Soll die im vorstehenden Absatz skizzierte, von Möhring angenommene Vergleichsüberlegung tatsächlich zutreffen, müsste die Aufrechnung tatsächlich so aussehen: Durch die Aufrechnung wird nicht die Forderung des Gesellschafters als Erfüllung statt (§ 364 BGB) auf die Einlage geleistet (wie es von der traditionellen forderungsbezogenen Sichtweise ja angenommen wird), sondern Gesellschafter und Gesellschafter tauschen ihre jeweiligen Forderungen, wobei diese nicht jeweils durch Konfusion erlöschen, sondern gegen den jeweils anderen nun weiterbestehen361. Nur so ist es zu erklären, dass nach Möhring der Gesellschaft die Differenz zwischen dem Wert der Einlageforderung und der nun neu gewonnen (ehemaligen) Gesellschafterforderung zum Schaden gereichen soll. Diese implizit der Aufrechnung unterstellte Wirkungsweise ist offensichtlich verfehlt: Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag führen als Verfügungsgeschäfte solvendi causa unmittelbar die gegenseitige Tilgung der beiden Forderungen herbei. Die Gesellschafterforderung wird entgegen Möhring durch Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag gerade nicht zu einem Aktivum der Gesellschaft. Der behauptete Schaden kann tatsächlich nicht entstehen.

359

A.a.O., S. 93. § 4 IV. 361 Natürlich lassen sich vergleichbare Ergebnisse auch anders erzielen, bspw. indem man davon ausgeht, dass die Forderungen gegenseitig erlassen werden und sodann durch Novation jeweils mit umgekehrten Gläubiger-Schuldner Verhältnis neu entstehen. 360

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Kap. 2: Aufrechnung

Auf der anderen Seite kann der Beitrag von Möhring auch dem hier verfolgten Ansatz einen Impuls geben. Die in der verfügungsbezogen verstandenen Aufrechnung liegende Herzahlung auf die Gesellschafterforderung kann nämlich in den Fällen fehlender Vollwertigkeit sehr wohl eine sorgfaltswidrige Verfügung über Gesellschaftsvermögen darstellen. Da die Geschäftsleiter fremdes Vermögen verwalten, versteht es sich, dass Vermögenswerte der Gesellschaft nicht verschwendet werden dürfen362. Der Sorgfaltspflichtverstoß ergibt sich allerdings nicht aus einem etwaig verminderten wirtschaftlichen Wert der Gesellschafterforderung, sodass die von der h.M. bei der Aufrechnung verlangten Voraussetzungen nicht pauschal zu einem (starren) Geschäftsführungspostulat erhoben werden können. Es ist vielmehr zwischen den einzelnen Kriterien zu differenzieren363. 2. Einwendungsbehaftete Gesellschafterforderungen Der praktisch bedeutsamste Fall einer pflichtwidrigen Aufrechnung dürfte darin liegen, dass es zur Aufrechnung mit einer nicht durchsetzbaren Gesellschafterforderung kommt364. a) Gleichsetzung mit Hin- und Herzahlen Tilgt ein Geschäftsleiter mit liquiden Mitteln eine Gesellschaftsverbindlichkeit vor Eintritt der Fälligkeit im engeren Sinne (§ 271 BGB), so ist anerkannt, dass hierin eine Pflichtverletzung liegen kann; der Schaden der Gesellschaft besteht freilich allein in der Höhe des Zinsnachteils, den die Gesellschaft dadurch erleidet, dass sie die verausgabten Mittel nicht anderweitig gewinnbringend einsetzen kann365. Ausstehende Einlagen sind zwar unverzinslich, sodass die Aufrechnung mit einer noch nicht fälligen Forderung des Gesellschafters auf den ersten Blick keinen Schaden der Gesellschaft herbeiführt. Da die Aufrechnung aber einem Hin- und Herzahlen gleichzustellen ist366, liegt in der Aufrechnung gerade eine Entscheidung gegen eine isolierte Einziehung (und Nutzung) der Mittel und für eine Vermögenszuwendung an den Gesellschafter. Da fällige Einlagen indessen einzuziehen und jedenfalls nach dem eben Gesagten nicht auf noch nicht fällige Gesellschafterforderungen zu zahlen sind, sollte im Grundsatz von einem Sorgfaltspflichtverstoß ausgegangen werden. Ausnahmsweise wird dies anders sein, wenn entweder die Entscheidung gegen eine isolierte Einziehung oder für die vorzeitige Vermögenszuwendung an den Gesell362

Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 8. Dazu nun im Folgenden unter 2., 3. 364 In solchen Fällen kann freilich auch eine unter § 30 Abs. 1 GmbHG (§ 57 AktG) liegende Auszahlung liegen, Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 30 Rn. 47; Verse, in: Scholz, § 30 Rn. 22. 365 OLG Koblenz NJW-RR 2000, 483; zustimmend Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/ Simon-Widmann, Kap. 15 Rn. 33; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 15, 24. 366 Dazu allgemein oben unter I. 363

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schafter im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt. Hinsichtlich der ersten Entscheidung ist vor allem an die fehlende Bonität des Gesellschafters zu denken, bei der bereits die h.M. eine Ausnahme vom Vollwertigkeitsgebot (einschließlich des Fälligkeitskriteriums) vornehmen möchte, da ansonsten der Gesellschaft ein Schaden droht367. Bzgl. der zweiten Entscheidung ist etwa daran zu denken, dass die der Gesellschaft entgehenden Zinsvorteile durch anderweitige Vorteile ausgeglichen werden sollen. Zu beachten ist auch, dass die Gesellschafterforderung verzinslich sein kann und in diesem Fall sogar eine vorzeitige Tilgung der Verbindlichkeit mittels liquider Mittel für die Gesellschaft von Vorteil wäre, wenn die infolge der Tilgung erlöschende Verpflichtung zur Zinszahlung an den Gläubiger den Zinsverlust der Gesellschaft übersteigt368 ; nichts anderes gilt dann auch für die Aufrechnung. Keine anderen Grundsätze gelten, wenn die Gesellschafterforderung aus anderen Gründen nicht durchsetzbar ist. Ist die Geschäftsleitung berechtigt und verpflichtet, die Tilgung der Gesellschafterforderung dauerhaft zu verweigern (z. B. bei einer verjährten Gesellschafterforderung), liegt der Schaden freilich anders als bei einer Zahlung vor Fälligkeit im Verlust der gesamten Einlage. Die Pflichtwidrigkeit kann auch hier entfallen, wenn entweder die Entscheidung gegen eine isolierte Einziehung oder für eine Tilgung der Gesellschafterforderung im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt. b) Kein Verstoß gegen die Befreiungsverbote Freilich bedarf es in diesem Zusammenhang auch der Klärung, ob die hier behandelten Fälle nicht bereits ggf. gegen das Befreiungsverbot verstoßen und daher die Aufrechnung absolut unwirksam ist. So könnte man die Aufrechnung vor Fälligkeit etwa auch derart verstehen, dass die Forderungen erst im Fälligkeitszeitpunkt der Gesellschafterforderung erlöschen sollen (antizipierte Aufrechnung). Die Aufrechnungsabrede würde dem Gesellschafter in der Zwischenzeit eine Einwendung gegen das Zahlungsverlangen der Gesellschaft verschaffen, die man als stundungsähnlich betrachten und daher als gem. § 66 Abs. 1 S. 1 AktG, § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG verbotene „Befreiung auf Zeit“ einstufen könnte369. Die Abrede wäre dann wohl unwirksam, Einlage- und Gesellschafterforderung blieben bestehen und von einer Gleichsetzung mit dem Hin- und Herzahlen könnte dann keine Rede mehr sein; vor diesem Hintergrund wäre ein Schaden der Gesellschaft schwierig zu begründen. Richtigerweise kommt der Aufrechnung vor Fälligkeit diese Wirkung aber nicht zu, da keine Veranlassung besteht, diese mit einer antizipierten, erst im Zeitpunkt der 367

Vgl. dazu unter § 4 I. 3. a). Frey, Einlagen, S. 49; P. A. Schön, Aufrechnung und Kapitalaufbringung, S. 90; zutreffend bereits Hachenburg, JW 1926, 1153 (1154). 369 Die h.M. zum Vollwertigkeitsgebot untermauert das Fälligkeitskriterium oftmals genau mit eben dieser Argumentation, § 4 I. 1. b) aa). 368

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Kap. 2: Aufrechnung

Fälligkeit eintretenden Aufrechnung gleichzusetzen. Gerade weil, anders etwa als bei der Aufrechnung mit einer künftigen Gesellschafterforderung, auch ein unmittelbares Hin- und Herzahlen jedenfalls möglich370 wäre und die Aufrechnung diesen doppelten Zahlungsvorgang lediglich ersetzt, wäre es begründungsbedürftig, warum die Tilgung erst in Zukunft eintreten sollte. Insbesondere würde diese Annahme nicht dem Geschäftsleiter helfen: Denn die antizipierte Aufrechnung würde den Sorgfaltspflichtverstoß nur hinsichtlich der zweiten (verfrühte Zahlung an den Gesellschafter), nicht aber hinsichtlich der ersten Entscheidung (keine Einziehung der Einlageforderung) ausräumen. 3. Sonstiges Ist die Gesellschafterforderung fällig und durchsetzbar, ergibt sich kein Anwendungsfall der allgemeinen Geschäftsleiterhaftung, wenn die Gesellschaft sich in einem Liquiditätsengpass befindet, ohne zahlungsunfähig oder überschuldet zu sein und die Zahlung auch nicht die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen würde371. Denn nach wohl h.M. besteht bei Liquiditätsengpässen unternehmerisches Ermessen, welche Verbindlichkeit getilgt werden kann372. Wird mit einer Gesellschafterforderung aufgerechnet, die in Bestand oder Höhe unsicher ist, wird der Aufrechnungsvertrag zunächst daraufhin auszulegen sein, ob die Gesellschaftsverbindlichkeit tatsächlich i.H.d. streitigen Betrags erlöschen sollte. Möglicherweise ergibt sich hieraus, dass insoweit nur aufgerechnet werden soll, wenn sich die Liquidität im Nachhinein klären lässt. Soll die Gesellschafterforderung auch i.H.d. umstrittenen (Teil-)Betrags erlöschen, kommt eine Pflichtverletzung lediglich in Betracht, wenn insoweit tatsächlich keine Gesellschaftsverbindlichkeit bestand. Denn es kann dem Geschäftsleiter nicht zum Nachteil gereichen, dass er eine objektiv bestehende Verbindlichkeit der Gesellschaft getilgt hat. Wenn die Gesellschaftsverbindlichkeit dagegen nicht bestand, ergibt sich an sich schon aus der Natur der Aufrechnung als kausale Verfügung, dass die Einlageforderung in demselben Umfang des Nichtbestehens der Gesellschafterforderung nicht erlischt373. Es handelt sich daher schon nicht mehr um eine Aufrechnung, wenn Gesellschaft und Gesellschafter dennoch eine Tilgung vereinbart haben. Diese Abrede kann freilich als verbotene Befreiung (§ 66 Abs. 1 S. 1 AktG, § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG) einzustufen sein.

370

Wenn auch ggf. nicht zulässig, s. o. In diesen Fällen kann die Aufrechnung freilich bei Verletzung der insolvenzbezogenen Zahlungsverbote eine Geschäftsleiterhaftung auslösen, dazu unter § 8 I. 372 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 23b m. Nachw. 373 s. dazu unter II. 371

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V. Fazit Der hier verfolgte Ansatz knüpft an den älteren, zahlungsbezogenen Ansatz des RG an, indem er gleichfalls von der Wirkung der Aufrechnung als einem abgekürzten Hin- und Herzahlen ausgeht. Der Unterschied besteht darin, dass es nach hier vertretener Ansicht keiner Simulierung eines realen, rechtlich zulässigen und für die Gläubiger der Gesellschaft neutralen Hin- und Herzahlens bedarf. Die Wirkung des Hin- und Herzahlens stellt sich vielmehr ohne weitere Voraussetzungen ein, da auch bei fehlender Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität der Gesellschafterforderung die aufgerechneten Forderungen so erlöschen, als ob die Einlage hin- und hergezahlt worden wäre. Dieser Ansatz setzt damit auch voraus, dass die Gesellschaft prinzipiell eine Verbindlichkeit des Inferenten mittels der Einlage tilgen darf. Voraussetzung einer wirksamen Aufrechnung ist aber stets, dass überhaupt eine Gesellschafterforderung besteht und die Aufrechnung wirksam erklärt wurde. Insbesondere kann die Gesellschaft dem Gesellschafter wegen § 66 Abs. 1 S. 2 AktG, § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG nicht wirksam ein einseitiges Aufrechnungsverbot einräumen. Die Aufrechnung ist daher nach dem hier verfolgten Ansatz in weitaus größerem Umfang wirksam, freilich bedeutet dies nicht, dass sie damit stets auch zulässig ist. Zu beachten ist vielmehr, dass die Gesellschaft bzw. die Geschäftsleiter durch §§ 30, 43 Abs. 1 GmbHG, §§ 57, 93 Abs. 1 AktG in ihrer Befugnis eingeschränkt werden, durch Aufrechnung über die Einlage zu verfügen. Muss ein Geschäftsführer z. B. die Tilgung der Gesellschaftsverbindlichkeit gem. § 30 Abs. 1 GmbHG verweigern und rechnet er dennoch mittels der Einlageforderung auf, ist der Gesellschafter zur Rückerstattung gem. § 31 Abs. 1 GmbHG verpflichtet. Auch in den übrigen Fällen einer unzulässigen Aufrechnung gelten die jeweiligen Rechtsfolgen.

VI. Zur Forderungsbewertung beim dept-equity-swap Zur Vermeidung von Missverständnissen wird abschließend darauf hingewiesen, dass sich der hier vertretene Ansatz, den man als „Nennwert“-These bezeichnen könnte374, nicht ohne weiteres auf die Bewertung einer als Sacheinlage eingebrachten Forderung („debt equity swap“) übertragen lässt. Bringt ein Inferent als Sacheinlage eine Forderung gegen die Gesellschaft ein, ist diese nach der noch h.M. nur in Höhe ihres objektiven, von der Vermögenssituation der Gesellschaft abhängigen Werts anzusetzen375. Die Gegenansicht hält dem entgegen, dass die eingebrachte Verbindlichkeit von der Gesellschaft unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation 374

Zum problematischen (Vor-)Verständnis der Aufrechnung als Leistung an Erfüllung statt s. unter § 4 IV. 375 BGH NJW 1984, 1891; NJW 1991, 1754 (1755); Veil, in: Scholz, § 5 Rn. 46; Zöllner/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 56 Rn. 7 jew. m. w. Nachw.

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immer in Höhe ihres Nominalwerts zu passivieren ist, sodass diese immer auch vollwertig sei376. Während die hier behandelte nicht vorabgesprochene Aufrechnung mit Resteinlageforderungen aus ihrer traditionell einseitig erfüllungsbezogenen Deutung zu lösen ist, kann man bei der Einbringung einer Forderung als Sacheinlage jedenfalls keine verfügungsbezogene Perspektive einnehmen. Beim debt equity swap wird die (Sacheinlage-)Forderung der Gesellschaft tatsächlich gem. § 362 BGB erfüllt. Dies erfolgt z. B. dadurch, dass die Forderung des Gesellschafters an die Gesellschaft abgetreten bzw. die Gesellschaft durch Erlassvertrag von der Verbindlichkeit befreit wird. Genau dies kann die Gesellschaft aufgrund ihrer Sacheinlageforderung verlangen. Es liegt also schon in diesem Vorgang gar keine Aufrechnung377, die man verfügungsbezogen als ein Hin- und Herzahlen verstehen könnte. Die Frage nach der Werthaltigkeit der in Gestalt der Forderunge eingebrachten Sacheinlage ist daher jedenfalls im Ansatz berechtigt. Es wäre daher auch konzeptionell zumindest nicht widersprüchlich, das Vollwertigkeitsgebot bei der Aufrechnung mit Neuforderungen zu verwerfen, es beim debt equity swap jedoch bei der Vollwertigkeit der einzubringenden Forderung zu belassen. Da nach geltender Rechtslage die Forderungsbewertung nicht anders ausfallen kann, wenn die Gesellschafterforderung entgegen den gesetzlichen Vorgaben verdeckt eingebracht wird, muss auch für den Bereich „vorabgesprochene“ Aufrechnung jedenfalls wie beim debt equity swap entschieden werden. Auf einem ganz anderen Blatt steht natürlich wiederum, ob im Ergebnis nicht auch in der Diskussion zum debt equity swap das Vollwertigkeitsgebot preiszugeben ist. Hierfür kommt es eben im Unterschied zu hier verfolgten Argumentationslinie darauf an, was die Gesellschaft durch die Einbringung der Forderung bzw. die Befreiung von der korrespondierenden Verbindlichkeit „erlangt“.

§ 6 Verfügungsbezogener Ansatz und Kapitalaufbringung Die wesentlichen Prämissen des hier vertretenen Ansatzes bestehen darin, dass (erstens) die Aufrechnung immer ein Hin- und Herzahlen ersetzt und es der Gesellschaft (zweitens) innerhalb der allgemeinen Grenzen nicht verwehrt sein kann, eine gegenüber dem Gesellschafter bestehende Verbindlichkeit mittels der Einlage zu tilgen. Diese Annahmen stehen freilich bislang noch unter dem Vorbehalt, dass die Bestimmungen der Kapitalaufbringung keine andere Sichtweise erzwingen. Eben 376 Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 5 Rn. 127a ff.; bereits zuvor eingehend Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, 238 ff. 377 Der (i. d. R. auf Geldzahlung gerichtete) Anspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft ist nicht gleichartig mit der auf Übertragung, Befreiung gerichteten Sacheinlageforderung der Gesellschaft.

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eine solche abweichende Sichtweise wird von der h.M. häufig vorausgesetzt, wenn deren Vertreter hervorheben bzw. voraussetzen, die Aufrechnung müsse der realen Zahlung der Einlage gleichkommen. Die erste Annahme des verfügungsbezogenen Ansatzes wäre also nicht haltbar, wenn ein solcher Grundsatz realer Kapitalaufbringung anerkannt werden müsste (I.). Speziell gegen die zweite Annahme des verfügungsbezogenen Ansatzes ergeben sich Bedenken wegen § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG. Denn nach diesen Vorschriften ist ein unmittelbares Hin- und Herzahlen der Einlage in bestimmten Fällen gerade nicht zulässig (II.).

I. Grundsatz der realen Kapitalaufbringung Nach der h.M. muss die Aufrechnung immer gerade wie eine reale Einlagenzahlung wirken, sodass sie die rechtlich ohne weiteres eintretende Simulierung eines Hin- und Herzahlens nicht ausreichen lassen will. Nachdem das einseitige Aufrechnungsverbot des Gesellschafters bereits als Tragpfeiler dieses Grundsatzes ausgeschlossen werden konnte378, verbleibt vor allem der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung379. Es bedarf daher der Klärung, ob ein solcher Grundsatz gerade hinsichtlich der Leistung von Resteinlagen anzuerkennen ist. 1. Vorbemerkung Der schlagwortartig verwendete Begriff der realen Kapitalaufbringung380 ist zunächst inhaltlich zu präzisieren. Nicht gemeint ist damit offensichtlich ein wörtliches Verständnis einer Sicherung des Betrags des Grund- bzw. Stammkapitals. Das Garantiekapital besteht vielmehr unabhängig von einem Verstoß gegen Vorgaben der Aufbringung (und Erhaltung)381 des Kapitals. Reale Kapitalaufbringung soll ausdrücken, dass der Gesellschaft dasjenige Vermögen einmal tatsächlich zugewendet werden muss, welches durch das Grund- bzw. Stammkapital verlautbart wird382. Die reale Kapitalaufbringung ist als Argumentationshilfe auch abseits von der hier behandelten Aufrechnungsproblematik oftmals recht pauschal angeführt worden383. Mitunter entsteht der Eindruck, die reale Zuwendung des vollen Einlage378

§ 3 I. Der Sache nach hat dieser bereits die Rechtsfortbildung des RG geleitet; auch heute wird er unverändert vielfach als Begründung für die Einschränkung der Aufrechnung angeführt, vgl. dazu § 4 I. 1. a) cc). 380 Zurückgehend auf Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 558. 381 Auch § 30 GmbHG dient ja dem Schutz des Gesellschaftsvermögens, das zur Deckung des Stammkapitals erforderlich ist, vgl. nur Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 30 Rn. 1. 382 Vgl. Joost, ZIP 1990, 549 (553). 383 Vgl. auch Frey, Einlagen, S. 53. 379

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betrags bilde quasi einen Automatismus. Ausstehende Einlagen würden im „Leben“ einer Gesellschaft definitiv einmal zu irgendeinem Zeitpunkt, spätestens in der Insolvenz, tatsächlich geleistet384. Die Aufbringung des Kapitals erfolge sozusagen durchweg „real“ und dabei lediglich – wegen der unterschiedlichen Vorgaben zu Mindest- und Resteinlage – „ratenweise“385 bzw. in zeitlicher Hinsicht „gestaffelt“386. 2. Mindesteinlage Für die genaue Klärung der Frage, inwieweit die Kapitalaufbringung die tatsächliche Zuwendung von Geldeinlagen an die Gesellschaft erfordert, muss zwischen Mindest- und Resteinlage387 differenziert werden. a) Präventivkontrolle Für die Mindesteinlage kann der „realen“ Kapitalaufbringung in dem oben genannten Sinne unverändert ihre Berechtigung nicht abgesprochen werden388. Denn die tatsächliche Leistung der Mindesteinlage wird auch nach der Kapitalschutzreform jedenfalls im Prinzip gefordert und besonders gesichert. Die Geschäftsleiter müssen bei der Anmeldung höchstpersönlich versichern, dass dieser Betrag der Einlage zu ihrer freien Verfügung geleistet worden ist389. Bei der GmbH prüft das Registergericht grds. allein anhand der Versicherung, ob den gesetzlichen Vorgaben entsprochen, mithin die Mindesteinlage – und nur diese390 – tatsächlich geleistet wurde. Nachweise hierüber können gem. § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG nur bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung verlangt werden391. Das Aktienrecht sieht dagegen nach § 37 Abs. 1 S. 2 AktG einen regelmäßigen Nachweis der Einzahlung vor. Im praktisch relevantesten Fall einer Einzahlung durch Kontogutschrift ist der Nachweis zwingend durch die Vorlage einer Bestätigung des kontoführenden Instituts zu erbringen (§ 37 Abs. 1 S. 3 AktG). Ist die Einzahlung nicht zur Über-

384

Vgl. statt vieler Wirsch, Cash Pooling, S. 114. Giering, Gläubigerschutz, S. 174. 386 Grimm, Finanzverfassung, S. 457. 387 Zur Unterscheidung schon unter § 1 I. 1. 388 s. zum folgenden auch Frey, Einlagen, S. 52 ff. Allerdings haben MoMiG und ARUG diesen Grundsatz selbst hier in zentralen Problemkreisen erschüttert. Vgl. nur Bayer/Schmidt, ZGR 2009, 805 ff.; zum Hin- und Herzahlen vgl. Goette („Tabubruch“), ZHR 177 (2013), 740 (749). 389 Vgl. nur für die GmbH § 8 Abs. 2 S. 1 GmbHG (i.V.m. § 57 GmbHG). 390 OLG Stuttgart, NZG 2011, 993; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 9c Rn. 4. 391 Hiermit tritt das MoMiG einer bis 2008 verbreitet geübten registergerichtlichen Praxis entgegen, die verdachtsunabhängig die Einforderung von Nachweisen verlangte, Heckschen, DStR 2009, 166 (172). 385

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zeugung des Gerichts nachgewiesen, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anmeldung und die Eintragung ist abzulehnen392. In Ergänzung dieser Präventivkontrolle ist eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Gesellschafter, Hintermänner und Geschäftsleiter vorgesehen. Die drohende Haftungssanktion soll freilich mittelbar auch präventiv393 zur Gewährleistung der Kapitalaufbringung beitragen. Sind die Mindesteinlagen nicht in voller Höhe geleistet worden, haften diese Personen394 für den Ausfall395. Ist eine etwaig erteilte396 Bankbestätigung unrichtig, trifft das Kreditinstitut eine Garantiehaftung397 aus § 37 Abs. 1 S. 4 AktG (analog)398. Werden vorsätzlich falsche Angaben gemacht, droht den Beteiligten sogar Strafbarkeit399. b) Unzulässigkeit der Aufrechnung Zu dem Vorstehenden passt es zudem, dass nach ganz herrschender Auffassung weder AG400 noch GmbH401 die Mindesteinlageforderung gegen eine Gesellschafterforderung aufrechnen können. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Gesellschafterforderung vollwertig, fällig und liquide ist. Im Aktienrecht ent392

§ 38 Abs. 1 AktG; ein entsprechendes Prüfungsrecht bei der Kapitalerhöhung ist anerkannt, Koch, in: Hüffer/Koch, § 188 Rn. 20 m. Nachw.; § 9c Abs. 1 GmbHG (i.V.m. § 57a GmbHG). 393 Begr. RegE (zu § 9a GmbHG), Bt.-Drucks. 8/1347, S. 35; BGH NZG 2012, 539 (Tz. 25); Pentz, in: MünchKomm/AktG, § 46 Rn. 5. 394 Vgl. nur für die GmbH § 9a Abs. 1, 3 GmbHG (i.V.m. § 57 Abs. 4 GmbHG). Bei der Kapitalerhöhung haften freilich nur die Geschäftsführer nach dieser Vorschrift, die sonstigen Personen nur nach den allgemeinen Vorschriften, Lieder, in: MünchKomm/GmbHG, § 57 Rn. 37 f. 395 Die Haftung erstreckt sich nach ganz h.M. auch auf (über die Mindesteinlage hinausgehende) Mehrleistungen, wenn hierüber unrichtige Angaben gemacht werden, Ulmer/Habersack, in: Ulmer, § 9a Rn. 20 a.E. m. w. Nachw. 396 Im Fall der GmbH also nur, wenn die Bestätigung freiwillig oder auf gesondertes Anfordern des Registergerichts eingereicht wurde. 397 Pentz, in: MünchKomm/AktG, § 37 Rn. 36 m. Nachw. auch zur a.A. 398 BGH NJW 1991, 1754; NJW 1992, 3300. 399 s. hierzu § 399 Abs. 1 Nr. 1, 4 AktG, § 82 Abs. 1 Nr. 1, 3 GmbHG. 400 Bungeroth, in: MünchKomm/AktG, § 54 Rn. 52; Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/ Stilz, § 54 Rn. 52; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 54 Rn. 27; Henze, in: Großkomm/AktG, § 54 Rn. 97; Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl. 1988, § 54 Rn. 44; Westermann, in: Bürgers/ Körber, § 54 Rn. 11; Mülbert, ZHR 154 (1990) 145 (155). 401 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 7 Rn. 9, § 19 Rn. 33; Jaeger, in: Ziemons/Jaeger, § 7 Rn. 16; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rn. 74; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 7 Rn. 27; Schäfer, in: Henssler/Strohn, § 7 GmbHG Rn. 14; Tebben, in: Michalski, § 7 Rn. 33; Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 7 Rn. 41, § 19 Rn. 71, 90; Veil, in: Scholz, § 7 Rn. 33, § 19 Rn. 73; Wicke, § 7 Rn. 7; einschränkend Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 7 Rn. 24; abweichend Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 94; Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 115 f.

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spricht die Unzulässigkeit der Aufrechnung ohnehin dem ausdrücklichen Willen des historischen Gesetzgebers402. Im GmbH-Recht wird zur Begründung oft angeführt, der Gesellschaft müsse eine gewisse Mindestliquidität zugeführt werden403, womit auf den allgemeinen Zweck der Mindesteinlage rekurriert wird404. Dem wird mitunter entgegenhalten, dass Gründung und Kapitalerhöhung auch vollständig durch Sacheinlagen erfolgen könnten, eine Mindestliquidität durch das Kapitalaufbringungsrecht also gar nicht gesichert wird405. Dieses Argument überzeugt aber nicht, da es richtigerweise nicht gerade um die Zuführung von Liquidität, sondern um greifbares Vermögen geht. Sacheinlagen sind in voller Höhe vor Anmeldung zu leisten (§ 7 Abs. 3 GmbHG). Hier kann also weder ein Teil der Sacheinlage als bloße Forderung der Gesellschaft ausstehen, noch wird kaum einmal eine Aufrechnung praktisch bedeutsam werden. Anders als bei der Geldeinlage stellt sich mithin das Problem nicht, dass die Gesellschaft „ohne greifbares Vermögen“ ins Leben tritt. Nach dem hier gewählten Ansatz ergibt sich der Ausschluss der Aufrechnung daraus, dass das Gesetz in § 54 Abs. 3 AktG, § 7 Abs. 2 GmbHG positiv die bestimmungsgemäße Ausübung des Einlageforderungsrechts i.H.d. jeweiligen Mindestbeträge verlangt, mithin die Gesellschaft über diesen Teil der Einlage gerade nicht anders verfügen darf. Zwar ließe sich mittels des verfügungsbezogenen Ansatzes das zentrale Argument der h.M. entkräften, da in der Aufrechnung gerade nichts anderes als ein Hin- und Herzahlen liegt. Diese Betrachtung würde aber in Widerspruch dazu treten, dass mittels der Mindesteinlage auch eine gewisse Ernstlichkeit der Beteiligung sichergestellt werden soll. Dieses Anliegen hinter der Mindesteinlage kommt nicht nur in der Begründung zur Aktienrechtsnovelle 1884406 klar zum Ausdruck, sondern hat auch den Gesetzgeber des GmbHG 1892407 geleitet, das Konzet der Mindesteinlage zu übernehmen. Unter diesem Blickwinkel kann man immerhin plausible Gründe dafür anführen, dass die Aufrechnung in toto ausgeschlossen bleibt. Nur bei der tatsächlichen Leistung der Einlage muss der Inferent ein Opfer aus seinem Privatvermögen aufbringen und kann immerhin in einem gewissen Mindestumfang signalisieren, dass er auf den Erfolg der Unternehmung vertraut. Dieses Signal wird nicht mit derselben Verbindlichkeit ausgesendet, wenn der Gesellschafter etwa nur mit Vergütungsansprüchen aus für die Gesellschaft erbrachten Dienstleistungen aufrechnen lässt. 402

s. bereits unter § 2 I. 3. a). Veil, in: Scholz, § 7 Rn. 33, § 19 Rn. 73 m. w. Nachw. 404 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, VIII. Legislaturperiode, 1. Session 1890/92 Nr. 660, S. 3715 (3735, re. Sp.). 405 So das zentrale Argument der abweichenden Ansicht im GmbH-Recht, Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 94; Priester, BB 1987, 208 (211). 406 Begründung zur Aktienrechtsnovelle von 18. 7. 1884, Aktenstück Nr. 21 v. 21. 3. 1884, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 443. 407 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, VIII. Legislaturperiode, 1. Session 1890/92 Nr. 660, S. 3715 (3735, re. Sp.). 403

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Diese an die Seriositätsgewähr anknüpfende Begründung könnte man freilich durch die Legalisierung des Hin- und Herzahlens und der damit verbundenen rechtspolitischen Entwertung der (Mindest-)Einlage insgesamt als überholt ansehen. Schließlich wird es hierdurch möglich, dass der Gesellschafter sich die eingezahlten Mittel umgehend zurückerstatten lässt408. Immerhin jedoch muss das Hin- und Herzahlen nach der Qivive-Entscheidung des BGH dem Registergericht offengelegt werden, sodass eine Kontrolle ermöglich wird, ob die an die Stelle der Einlageforderung tretende Rückzahlungsforderung der Gesellschaft den Anforderungen entspricht409. Bei der Aufrechnung ist dagegen eine vergleichbare Prüfungskompetenz nicht vorgesehen410. Man sollte daher dem Hin- und Herzahlen keine „Ausstrahlungswirkung“ derart entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereichs der Neuregelungen die Mindesteinlage ihren Sinn und Zweck eingebüßt hat. Zu bedenken ist schließlich auch, dass der Anwendungsbereich einer zulässigen Aufrechnung mit der Mindesteinlageforderung ohnehin durch die Regelung der verdeckten Sacheinlage erheblich eingeschränkt wäre411. Denn häufig wird dann eine Aufrechnung mit einer Altforderung vorliegen, die als Sacheinlage hätte eingebracht werden müssen412. 3. Leistung von Resteinlagen Während also bei der Mindesteinlage die reale Leistung so weit wie möglich sichergestellt wird und dies u. a. konsequent zu einem (absoluten) Ausschluss der Aufrechnung nach geltendem Recht führt, ergibt sich bei Resteinlagen ein gänzlich abweichendes Bild. a) Gesellschaftsautonomie bei der Fälligstellung Zunächst wird die aus Sicht einer realen Kapitalaufbringung geradezu entscheidende Frage im Aktien- und GmbH-Recht gar nicht geregelt413. In auffälligem Kontrast zur Mindesteinlage sieht das Gesetz, anders als etwa das französische

408 Im Anwendungsbereich der § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG ist denn auch nach hier vertretener Ansicht eine Aufrechnung möglich, dazu unter II. 409 Dazu ebenfalls unter II. 410 Zu prüfen wäre, ob die aufgerechnete Gesellschafterforderung bestand, fällig und einredefrei war. Innerhalb der Bargründung stellt eine solche Prüfung zudem einen Fremdkörper dar. 411 Vgl. auch Habersack/Weber, ZGR 2014, 509 (523). 412 Da die Abrede der verdeckten Sacheinlage nach h.M. spätestens im Zeitpunkt der Übernahme der Geldeinlage getroffen sein muss, ist freilich eine Aufrechnung mit einer erst nach diesem Zeitpunkt entstehenden Forderung möglich, sofern diese nicht vorabgesprochen worden war. 413 Joost, in: FS Hüffer, S. 405 (406).

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Recht414, überhaupt keinen Zeitpunkt vor, in dem ausstehende Einlagen zwingend zu leisten wären415. Einlageforderungen sind kapitalaufbringungsrechtlich nicht einmal bei drohender Insolvenz zwingend einzuziehen416. Die Entscheidung, wann Resteinlagen fällig gestellt werden, obliegt allein der Gesellschaft. Auch ein Insolvenzverfahren bietet keine Garantie dafür, dass ausstehende Einlagen eingezogen werden417. Bei der AG steht die Einforderung allein im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands418. Im GmbH-Recht ist vorgesehen, dass ausstehende Einlagen durch Gesellschafterbeschluss (§ 46 Nr. 2 GmbHG) fällig gestellt werden419. Zwar wird im Schrifttum erwogen, dass im Einzelfall die Treuepflicht einzelnen Gesellschaftern eine positive Stimmpflicht auferlegen kann, wenn die Gesellschaft auf die Einlagen angewiesen ist420, etwa bei drohender Zahlungsunfähigkeit421. Wegen der Herleitung aus der innerverbandlichen Treuepflicht kann aber keine Pflicht zur Fälligstellung bestehen, wenn sich die Gesellschafter in einer Krise einig darin sind, ausstehende Einlagen nicht einzufordern. Die Gläubiger können also nicht darauf vertrauen, dass ausstehende Einlagen eingefordert werden, mag die Gesellschaft objektiv auch dringenden Kapitalbedarf haben. Die lang zurückreichende Diskussion über „eigenkapitalersetzende“ Gesellschafterdarlehen in der Krise zeigt, dass solche Fälle nicht selten vorkommen. Gesellschafter sind in einer krisenhaften Situation nicht immer bereit, „ein leeres Fass“ – durch eine Kapitalerhöhung oder die Leistung ausstehender Einlagen – zu füllen und führen stattdessen die Gesellschaft lieber mit Fremdkapital fort. Das Gesetz enthält lediglich einige verstreute, unsystematische und zum Teil dispositive Anreize zur Leistung der Resteinlagen. Eine AG „soll“ gem. § 182 Abs. 4 AktG eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§§ 182 ff. AktG) nicht beschließen, solange ausstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital noch erlangt werden können. Ebenso „sollen“ bei einem genehmigten Kapital (§§ 202 ff. AktG) neue Aktien nicht ausgegeben422 werden (§ 203 Abs. 3 AktG)423. Im GmbH-Recht fehlt es 414 Bei der société à responsabilité limitée wird durch Art. L 223 – 7 Abs. 1 S. 3 Code de commerce vorgeschrieben, dass die restlichen Einlagen innerhalb von fünf Jahren nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister geleistet werden müssen; dazu Frank/Wachter, RIW 2002, 11 (22). 415 s. auch OLG Koblenz, NZG 2002, 821. 416 In diese Richtung aber etwa Förschle/Hoffmann, in: Beck‘scher Bilanz-Kommentar, § 272 Rn. 35. 417 Vgl. dazu noch unter 3. b). 418 Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 63 Rn. 13; Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 63 Rn. 23. 419 Vgl. Wicke, § 46 Rn. 6 („unternehmerisches Ermessen“). 420 Liebscher, in: MünchKomm/GmbHG, § 46 Rn. 68 a.E.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 46 Rn. 11; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 46 Rn. 25. 421 K. Schmidt, in: Scholz, § 46 Rn. 55, 57. 422 Ein Ausnutzungsbeschluss durch Vorstand und Aufsichtsrat kann dagegen gefasst werden; Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 203 Rn. 176.

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dagegen an entsprechenden Regelungen424. Die ratio dieser Subsidiarität der Kapitalerhöhung liegt denn auch nicht in der Sicherung der realen Kapitalaufbringung zugunsten der Gesellschaftsgläubiger. Der Gesetzgeber wollte nicht eine stichtagsbezogene Vollleistung der Einlagen sicherstellen, sondern befürchtete, eine großzügige Zulassung der Emission neuer Aktien ohne ein entsprechendes Bedürfnis nach (Betriebs-)Kapital verleite zu Spekulationen und Agiotage425. Ist die Einlage nicht voll geleistet, beschränkt das dispositive Aktienrecht unter bestimmten Voraussetzungen die Mitgliedschaftsrechte des Gesellschafters426. Der Aktionär einer teileingezahlten Aktie hat, wenn nicht alle Aktionäre ihre Einlage quotal gleich (nicht in voller Höhe) geleistet haben, kein Stimmrecht (§ 134 Abs. 2 S. 1 AktG), ferner wird seine Einzahlungsquote bei der Verteilung des Bilanzgewinns berücksichtigt (§ 60 Abs. 2 AktG). Auch wenn hierdurch also ein gewisser Anreiz zur Leistung ausstehender Einlagen gesetzt wird, kann darin gleichwohl kein Element der gläubigerschützenden Kapitalaufbringung gesehen werden. Die genannten Bestimmungen sichern nämlich lediglich die Gleichbehandlung der Aktionäre unter Berücksichtigung ihres individuellen Risikobeitrags427 und gestatten daher jeweils abweichende Satzungsgestaltungen (§ 134 Abs. 2 S. 3 AktG; §§ 11 S. 1 60 Abs. 3 AktG). Wiederum fehlt es denn auch im GmbH-Recht an entsprechenden dispositiven Regelungen428. b) Kaduzierung und sonstige Sicherungen Nicht zu verhehlen sind freilich die gesetzlichen Vorkehrungen, die eine Leistung ausstehender Einlagen erleichtern sollen und mittels derer die Gesellschaft ggf. eine („reale“) Vollleistung der gesamten Einlage erzwingen kann429. So bestimmt § 10 Abs. 2 S. 1 AktG, dass vor Vollleistung der Einlage nur Namensaktien ausgegeben werden dürfen. Damit macht sich das Gesetz zur Sicherung der Kapitalaufbringung zunutze, dass die Inhaber solcher Aktien und deren Aktienbestände im Aktienregister 423 Bei bedingten Kapitalerhöhungen (§§ 192 ff. AktG) und bei Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln (§§ 202 ff. AktG) existieren keine Parallelregelungen. 424 Nach allg. Ansicht kann eine Kapitalerhöhung daher auch bei fehlender Volleinzahlung vorgenommen werden, Lieder, in: MünchKomm/GmbHG, § 55 Rn. 40 m. w. Nachw. 425 Begründung abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform 1884, S. 454. Hieraus erklärt sich auch die abweichende Rechtslage im GmbH-Recht, vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, VIII. Legislaturperiode, 1. Session 1890/92 Nr. 660, S. 3715 (3754): „namentlich ist die Gefahr einer mißbräuchlichen Vermehrung der Antheilsrechte zu Zwecken der Agiotage als ausgeschlossen zu betrachten.“ In der heutigen Kommentarliteratur wird dieser Gedanke dagegen häufig nur verkürzt oder gänzlich abweichend widergegeben. 426 Dazu Buchetmann, Teileingezahlte Aktie, passim. 427 Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 60 Rn. 4; Henze, in: Großkomm/AktG, § 60 Rn. 6. 428 Vgl. §§ 29 Abs. 1 S. 1, 47 Abs. 2 GmbHG. Die Satzung kann entsprechende Einschränkungen vorsehen, vgl. nur § 57 m Abs. 2 S. 1 GmbHG. 429 Für das GmbH-Recht §§ 19 Abs. 2, 20, 21 – 25.

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Kap. 2: Aufrechnung

verzeichnet werden müssen (§ 67 Abs. 1 AktG). Die einlageverpflichteten Personen können also bei ordnungsgemäßer Führung des Registers leicht ermittelt werden430. Auch die Gesellschafterliste des GmbH-Rechts zeitigt einen solchen Effekt (vgl. § 40 Abs. 1 GmbHG). Die Kaduzierung431 (§ 64 f. AktG, §§ 21 – 25 GmbHG) gibt der Gesellschaft ein Instrument an die Hand, mit dem ggf. die Leistung der Resteinlagen und damit die vollständige reale Kapitalaufbringung432 erzwungen werden kann. Das Verfahren ermöglicht hierzu u. a. die Inanspruchnahme der Rechtsvorgänger (§ 65 Abs. 1, 2 AktG, § 22 Abs. 1 – 3 GmbHG) und eine Verwertung des Anteils (§ 65 Abs. 3 AktG, § 23 GmbHG); im GmbH-Recht ist zudem eine Ausfallhaftung der Mitgesellschafter (§ 24 GmbHG) vorgesehen. Obgleich der Gesellschaft ein besonderes Beitreibungsverfahren in die Hände gelegt ist, kann eine fällig gestellte Einlageforderung („rückständige Einlage“433) mangels fester Vorgaben zeitlich doch unbegrenzt ausstehen434. Es ist allein der Gesellschaft überlassen, ob sie gegen den säumigen Inferenten vorgeht, ob sie ihn hierzu verklagt und ggf. die Zwangsvollstreckung betreibt435, ob sie zur Beitreibung der Einlage das Kaduzierungsverfahren wählt436 und – im Grundsatz –, ob sie ein einmal eingeleitetes Kaduzierungsverfahren weiterverfolgt437. Eine Ausnahme besteht lediglich insoweit, als dass eine AG nach erfolgreicher Ausschließung eines Aktionärs (§ 64 AktG) nach h.M. zwingend die kaduzierten Aktien nach § 65 AktG verwerten muss438. Abgesehen von dieser Ausnahme besteht damit selbst in einer Unternehmenskrise keine Gewähr dafür, dass eine Gesellschaft bereits fällige und liquide Einlageforderungen durchsetzt. Die Maßgeblichkeit des Gesellschaftsinteresses hat zur Konsequenz, dass die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer nach ganz h.M. mit bindender Wirkung anweisen, die Kaduzierung zu unterlassen bzw. einzustellen439. Mit Wedemann440 ist daher richtigerweise zu schlussfolgern, dass die Kaduzierung kein genuines In430 Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 67 Rn. 1; Cahn, in: Spindler/Stilz, § 67 Rn. 2; Koch, in: Hüffer/Koch, § 67 Rn. 1. 431 Hiermit wird nach heute verbreiteter Terminologie nicht lediglich der Ausschluss des säumigen Gesellschafters, sondern das gesamte Verfahren bezeichnet, vgl. Melber, Kaduzierung, S. 4. 432 Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 64 Rn. 1; Jaeger, in: Ziemons/Jaeger, § 21 Rn. 1. 433 Vgl. § 16 Abs. 2 GmbHG. 434 Zur Verjährung unter 4. a). 435 Emmerich, in: Scholz, § 21 Rn. 3. 436 Statt aller Fastrich, in: Hueck/Fastrich, § 21 Rn. 6; Koch, in: Hüffer/Koch, § 64 Rn. 2; Michalski/Schulenburg, NZG 1999, 431 (434). 437 RGZ 51, 416 (417); Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 64 Rn. 15; W. Müller, in: Ulmer, § 21 Rn. 42. 438 Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 65 Rn. 7 m. w. Nachw.; für das GmbH-Recht vgl. auch Emmerich, in: Scholz, § 22 Rn. 3 („grundsätzlich verpflichtet“). 439 Fastrich, in: Hueck/Fastrich, § 21 Rn. 6; Verse, in: Henssler/Strohn, § 21 GmbHG Rn. 13; abweichend Ebbing, in: Michalski, § 21 Rn. 59, 92. 440 Gesellschafterkonflikte, S. 156 f.; vgl. auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 21 Rn. 1.

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strument des Gläubigerschutzes darstellen kann. Damit steht es auch in gewisser Übereinstimmung, dass nach h.M. die Gläubiger eine Kaduzierung nicht erzwingen können, insbesondere die Kaduzierungsbefugnis nicht – durch Abtretung oder Pfändung der Einlageforderung – erlangen können441. In der Praxis erfolgt die Kaduzierung bekanntlich überwiegend durch den Insolvenzverwalter442. Dieser nutzt das Verfahren häufig zur Inanspruchnahme der Rechtsvorgänger, bei der GmbH auch der Mitgesellschafter443. Sind (zahlungsfähige) Rechtsvorgänger oder Mitgesellschafter vorhanden, wird die Kaduzierung dennoch nicht immer zum Erfolg führen. Der insolvenzspezifischen Pflicht, Forderungen der Masse einzuziehen (§ 148 InsO)444, wird durch § 60 Abs. 1 S. 2 InsO Schranken gezogen. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters verlangt es namentlich, dass neben den Erfolgs- und Vollstreckungsaussichten auch dem Gebot wirtschaftlicher Vertretbarkeit Rechnung getragen wird445. Da die „Haftungskaskade“ der §§ 64 ff. AktG, §§ 21 ff. GmbHG mit ihren einzelnen Verfahrensschritten auch in der Insolvenz der Gesellschaft durchlaufen werden muss446, wird ein Insolvenzverwalter wohl mitunter von einer langwierigen und u. U. kostspieligen Kaduzierung absehen müssen447. Angesichts dessen überrascht es nicht, dass auch nach erfolgreicher Durchführung von Insolvenzverfahren noch ausstehende Einlagen existieren können448. Im Ergebnis führt also die Insolvenz lediglich dazu, dass die in das unternehmerische Ermessen gestellte Entscheidungsbefugnis der Gesellschaft durch die Ermessensentscheidung des Verwalters ersetzt wird, die freilich stärker die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen hat. Dagegen besteht auch kein „insolvenzrechtlicher Automatismus“, dass ausstehende Einlagen zwingend geleistet werden. 441

Ganz h.M., vgl. nur Emmerich, in: Scholz, § 21 Rn. 12 m. umf. Nachw. Vgl. nur OLG Hamm, DB 1993, 1765. 443 Aus der neueren Rspr. etwa BGH ZIP 2002, 478, ZIP 2005, 121; OLG Jena NZG 2007, 717; OLG Oldenburg NZG 2008, 32; OLG Hamm GmbHR 2011, 588; OLG Düsseldorf DNotZ 2013, 70 f.; LG Osnabrück. ZInsO 2010, 1846; LG München ZIP 2012, 2152; s. auch DNotI-Report 2012, 28. 444 Brandes/Schoppmeyer, in: MünchKomm/InsO, § 60 Rn. 11; Sinz, in: Uhlenbruck, § 148 Rn. 7. 445 Bork, ZIP 2005, 1120 (1121 f.) m. Nachw. 446 Exemplarisch (für das Erfordernis einer Zahlungsaufforderung nach § 21 Abs. 1 GmbHG) Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 21 Rn. 5a. 447 Ein Absehen von der gerichtlichen Verfolgung kann auch dann geboten sein, wenn der Verwalter Rücksicht auf den Prozessgegner nehmen muss, etwa weil dessen Kooperation für die Fortführung dringend erforderlich ist, Bork, ZIP 2005, 1120 (1122). Probleme kann ferner der Gleichbehandlungsgrundsatz aufwerfen, der im Falle der Säumnis mehrerer Gesellschafter beim Ausschluss zu beachten ist, Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 14. Zwar ist keine formale Gleichbehandlung erforderlich, Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 64 Rn. 6 ff.; sofern kein sachlicher Grund für eine Differenzierung ersichtlich ist, muss der Insolvenzverwalter jedoch gegen alle säumigen Gesellschafter vorgehen. Dies kann die Ermessensentscheidung zuungunsten der Kaduzierung beeinflussen. 448 So etwa in BGH ZIP 2012, 532. 442

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Schließlich werden ausstehende Einlagen durch die Befreiungsverbote gesichert (§ 66 Abs. 1 S. 1 AktG, § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG). Diese werden oftmals, mitunter in Verbindung mit den einseitigen Aufrechnungsverboten, als „Grundpfeiler“ einer realen Kapitalaufbringung ausgemacht449. Das einseitige Aufrechnungsverbot ist indessen bereits systematisch der speziellen – die Kapitalaufbringung sichernden – Kapitalerhaltung zugeordnet worden450. Nichts anderes gilt auch für die Befreiungsverbote451: Diese wirken lediglich „kassatorisch“, indem sie Erlassverträgen (§ 397 BGB) über die Einlageforderung und gleichgestellten Rechtsgeschäften452 die Wirkung versagen. Eine Pflicht, die Einlage gerade real einzuziehen, ist den § 66 Abs. 1 AktG, § 19 Abs. 2 GmbHG dagegen nicht zu entnehmen. 4. Entwertungsrisiken bei Resteinlagen In Ermangelung gesetzlich fixierter Fälligkeitstermine bzw. fester Einziehungspflichten besteht ein erhöhtes Risiko, dass Resteinlagen über einen langen Zeitraum ausstehen und wirtschaftlich entwertet werden. a) Verjährbarkeit Ein Fall „rechtlicher“ Entwertung liegt im Verjährungseintritt. Nach § 54 Abs. 4 S. 1 AktG, § 19 Abs. 6 S. 1 GmbHG verjähren Einlageforderungen453 zehn Jahre nach ihrer Entstehung454. Mit der Einführung dieser Frist hat der Gesetzgeber auf einen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz455 versehentlich herbeigeführten, in der Praxis vielfach zu recht kritisierten Missstand456 reagiert. Nach der Herabsetzung der Regelverjährung von 30 Jahren ab Fälligkeit457 des Anspruchs auf drei Jahre ab Schluss des Jahres, indem der Anspruch entstanden und grds. der

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Statt vieler Veil, in: Scholz, § 19 Rn. 44. § 3 I. 1. 451 Zutreffend wie hier C. Berger, ZZP 104 (1994), 29 (41). 452 Dazu Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 8 ff.; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 19. 453 Vgl. auch die Parallelregelung zu den Erstattungsansprüchen in § 54 Abs. 4 i.V.m. § 66 Abs. 2 Var. 1 AktG, § 31 Abs. 5 GmbHG. 454 Damit ist bei der AG die Einforderung der Einlage durch Vorstand (§ 63 AktG) gemeint. Bei der GmbH ist Verjährungsbeginn der in der Satzung der GmbH ggf. vorgesehene Fälligkeits-Zeitpunkt, ansonsten der Einforderungsbeschluss der Gesellschafter gem. § 46 Nr. 2 GmbHG; einen nicht anwesenden Gesellschafter muss der Geschäftsführer allerdings zur Leistung auffordern, vgl. zum Ganzen Begr. RegE, Bt.-Drucks. 15/3653, S. 20, 25. 455 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26. 11. 2001; BGBl. I, S. 3138. 456 U. a. Brinkmann, NZG 2002, 855 ff.; Pentz, GmbHR 2002, 225 ff., 632 ff.; Schnorr, DStR 2002, 1269 ff. 457 §§ 195, 198 BGB a.F. 450

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Gläubiger hiervon Kenntnis erlangt (§§ 195, 199 BGB), ergaben sich Ungereimtheiten und Schutzlücken458. Mit dem Verjährungsanpassungsgesetz459 ist erstmals durch den Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt worden, dass Einlage- und gleichgestellte Forderungen der Verjährung unterliegen. Die Verjährbarkeit dient verschiedenen Zwecken460 : Einmal soll sie den Nicht-Schuldner bei der Abwehr unberechtigter Ansprüche vor der Beweisnot schützen, die der Zeitablauf mit sich bringt; auch der wirkliche Schuldner wird geschützt461. Daneben trägt dieses Institut durch die Beförderung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit einem öffentlichen Interesse Rechnung462. Mitunter wird auch die Entlastung der Justiz zu den geschützten Interessen gezählt463. Die mit der Verjährung der Einlageforderung einhergehende Verkürzung des Gläubigerschutzes hat der Gesetzgeber u. a. auch deshalb hingenommen, weil er diese durch Geschäftsleiterhaftung und Anfechtungsmöglichkeiten „abgemildert“ und „in gewisser Weise kompensiert“ sieht464. Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer, die eine fällige Einlageforderung verjähren lassen, verletzen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters und sind der Gesellschaft

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Die Anknüpfung an die subjektive Kenntnis der Gesellschaft als Gläubigerin der Einlageforderung führte de facto zu einer Verjährung der Einlageforderung ab dem Schluss des Jahres ihrer Fälligstellung. Gesellschafter und Geschäftsleitung hatte sich hier also die Möglichkeit eröffnet, auf eine baldige Verjährung hinzuwirken, indem sie die Einlageforderungen frühzeitig fälligstellten und dann nicht weiterverfolgten. Die Gesellschaftsgläubiger als die Destinatäre der Einlage hätten hiergegen keine Handhabe gehabt; vgl. Bt.-Drucks. 15/3653, S. 20, 25; Thiessen, ZHR 168 (2004), 503 (509 f.). Im Einzelnen dazu Hüttemann, in: Neues Schuldrecht, S. 683 (686 ff.); Pentz, GmbHR 2002, 225 ff.; Schockenhoff/Fliege, ZIP 2002, 917 (918 ff.). 459 Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 9. 12. 2004, BGBl. I, S. 3214; in erheblichem Umfang folgte der Gesetzgeber damit einem Gutachten von Thiessen, vgl. daher auch dessen Beitrag in ZHR, 168 (2004), 503 ff. 460 Der Gesetzgeber geht ohne weiteres von der grundsätzlichen Berechtigung dieser Zwecke auch in Ansehung der Einlageforderung aus: „Unverjährbarkeit der Ansprüche als Ausnahme vom Grundsatz des § 194 Abs. 1 BGB ist insbesondere mit Rücksicht auf Gesamtrechtsnachfolger der verpflichteten Gesellschafter nicht vorgesehen“, Bt.-Drucks. 15/ 3653, S. 12. 461 Letzterer kann mit der Zeit berechtigtes Vertrauen auf eine Unterlassung der Geltendmachung des Anspruchs erworben haben; auch würde er anderenfalls mitunter in seiner Dispositionsfreiheit erheblich eingeschränkt, Bt.-Drucks 14/6040, S. 96, 100; BGH NJW 1983, 388 (389 f.); eingehend Piekenbrock, Zeitablauf, S. 326 ff. 462 Bt.-Drucks 14/6040, S. 96, RGZ 106, 82 (84); BGH NJW-RR 1993, 1059 (1060); Ellenberger, in: Palandt, Überbl v § 194 Rn. 9; Mansel, in: Jauernig, § 194 Rn. 6. 463 Mansel/Budzikiewicz, Verjährungsrecht, § 1 Rn. 43; Ellenberger, in: Palandt, Überbl v § 194 Rn. 11 („Nebenzweck“); a.A. Grothe, in: MünchKomm/BGB, Vorbem. §§ 194 ff. Rn. 8. 464 Bt.-Drucks. 15/3653, S. 21, 25.

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zum Schadenersatz verpflichtet (§ 93 Abs. 1, 2 AktG, § 43 Abs. 1, 2 GmbHG)465. Dieser Anspruch trete gewissermaßen an die Stelle der verjährten Einlageforderung466 und könne bis zum Ablauf weiterer fünf Jahre (§ 93 Abs. 6 AktG, § 43 Abs. 4 GmbHG i.V.m. § 200 BGB) von der Gesellschaft geltend gemacht werden467. Bei der AG sieht der Gesetzgeber zudem einen mittelbaren Anreiz zur zeitigen Einziehung ausstehender Einlagen darin, dass nach § 182 Abs. 4 S. 1, 203 Abs. 3 S. 1 AktG das Grundkapital nicht erhöht werden soll, solange ausstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital noch erlangt werden können. Der Vorstand müsste nämlich bei verjährten Einlageforderungen gem. §§ 184 Abs. 1 S. 2 (184 Abs. 2 a.F.), 203 Abs. 3 S. 3 AktG in der Anmeldung der Kapitalerhöhung angeben, dass die Einlagen aufgrund des Verjährungseintritts nicht zu erlangen sind und wäre damit zur Offenlegung seiner eigenen Pflichtverletzung gezwungen. So würde auch dem Aufsichtsrat Anlass gegeben, die Ansprüche zu verfolgen (vgl. §§ 111 Abs. 1, 112 AktG). Die Spielräume der Gesellschaftsgläubiger sieht der Gesetzgeber zudem „signifikant“ dadurch erweitert, dass die Unterlassung verjährungshemmender Maßnahmen der Anfechtung nach den §§ 129 ff., §§ 133 f. InsO, §§ 1 ff., §§ 3 f. AnfG unterliegen könne468. b) Insolvenz des Gesellschafters und Illiquidität Ein weiteres Entwertungsrisko besteht darin, dass der die Einlage schuldende Gesellschafter insolvent wird. Vor allem in einer Krise der Gesellschaft besteht eine erhöhte Gefahr, dass offene Einlageforderungen aus diesem Grund nicht werthaltig sind. Szenarien, in denen ein (GmbH-)Gesellschafter das Schicksal der insolventen Gesellschaft teilt, weil er sich durch persönliche Mithaftung an das Unternehmensschicksal gebunden469 oder durch Nachschüsse bis zuletzt verzweifelte Rettungsversuche unternommen hat, sind Insolvenzrechtspraktikern gut bekannt470. Die Einlageforderung gewährt der Gesellschaft im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Inferenten keinen Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung (Absonde-

465 Nicht erwähnt werden § 93 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 6 AktG, § 64 S. 1 GmbHG, die in Betracht kommen könnten, wenn die Verjährung bei Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung eintritt. 466 Ausdrücklich nimmt der Gesetzgeber es hin, dass der Geschäftsleiter u. U. weniger solvent sein kann als der Inferent und weist darauf hin, dass eine D&O-Versicherung den Wert des Schadensersatzanspruchs auch erhöhen könnte, Bt.-Drucks. 15/3653 a.a.O., s. Fn. 464. 467 Bt.-Drucks. 15/3653 a.a.O., s. Fn. 464. Bei der AG ist auch an das Verfolgungsrecht der Gesellschaftsgläubiger gem. § 93 Abs. 5 AktG zu denken; zur Diskussion einer analogen Anwendung des § 93 Abs. 5 AktG bei der GmbH Fleischer, in: MünchKomm/GmbHG, § 43 Rn. 325 ff.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 31. 468 A.a.O., Fn. 464. 469 Vgl. dazu BGH ZIP 1998, 280 (281) („gängige Bankpraxis“). 470 Vgl. Prager/Geßler/Heidrich, NZI 2000, 63. Beispiele aus der Rspr.: BayOLG ZIP 1985, 33; OLG Köln ZIP 1993, 1389 (1390); OLG Hamm GmbHR 2011, 588.

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rungsrecht)471. Die Möglichkeit der Kaduzierung kann das Insolvenzrisiko zwar abfedern, stößt jedoch gerade im praktisch wichtigsten Anwendungsfall des Insolvenzverfahrens oftmals an Grenzen472. Das gilt über die oben beschriebenen Probleme473 hinaus z. B. dann, wenn (zahlungsfähige) Rechtsvorgänger oder Mitgesellschafter gar nicht existieren474. Bei einer Einpersonengründung475 war in § 36 Abs. 2 S. 2 AktG a.F., § 7 Abs. 2 S. 3 GmbHG a.F. als Ausgleich für das Fehlen einer Ausfallhaftung von Mitgesellschaftern vorgesehen, dass der Gesellschafter bei fehlender anfänglicher Vollleistung der Einlage für den ausstehenden Betrag Sicherheit leisten musste476. Mit dem MoMiG wurde diese Verpflichtung dann jedoch ersatzlos gestrichen, da sie vor allem als unnötige Gründungsverkomplizierung empfunden wurde477. Ein zweites nicht unerhebliches Entwertungsrisiko besteht darin, dass die Einlageforderung illiquide wird. In erster Linie werden solche Unsicherheiten zwar nicht das Entstehen der Einlageforderung478, wohl aber deren rechtswirksame Erfüllung479 betreffen480. Wenn ernsthafter Streit darüber entsteht, ob und in welcher Höhe der Gesellschaft (noch) ein Anspruch zusteht, ist dieser de facto (teil-)entwertet; das gilt vor allem dann, wenn im Einziehungsprozess das Gericht begründete Zweifel am Standpunkt der Gesellschaft erkennen lässt481. Es ist dann niemandem damit geholfen, die Gesellschaft durch ein aus den Befreiungsverboten abgeleitetes starres Vergleichsverbot zu einer „Alles-oder-Nichts“-Entscheidung zu zwingen482. Verbreitet ist daher anerkannt, dass im Grundsatz ein Vergleich bei tatsächlicher oder rechtlicher Ungewissheit über den Bestand der Einlageforderung zulässig sei; als Vergleich „getarnte“ Umgehungen der Befreiungsverbote (§ 66 Abs. 1 S. 1 AktG,

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Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 64 Rn. 94; Cahn, in: Spindler/Stilz, § 64 Rn. 57. Zum Folgenden auch Prager/Geßler/Heidrich, NZI 2000, 63; Walker, Stammeinlageforderung in der Insolvenz, S. 38 ff. 473 3. b). 474 s. auch Walker, Stammeinlageforderung in der Insolvenz, S. 44. 475 Zur analogen Anwendung auf die Einpersonenkapitalerhöhung s. § 56a GmbHG a.F.; für das Aktienrecht vgl. Lutter, AG 1994, 429 (433). 476 Zu den Einzelheiten Ulmer, in: Ulmer, 1. Aufl. 2005, § 7 Rn. 72 ff. 477 Begr. RegE, Bt.-Drucks. 16/6140, S. 33; Seibert, ZIP 2006, 1157 (1164). 478 Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 60; Veil, in: Scholz, § 19 Rn. 64. 479 Nach Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rn. 20 bilden Streitigkeiten über die Erfüllung einer Sacheinlageverpflichtung in der Praxis den häufigsten Fall eines Vergleichs. 480 Bei den gleichgestellten Forderungen wird es dagegen häufig gerade darum gehen, ob diese überhaupt entstanden sind. 481 Cahn, Vergleichsverbote, S. 3. 482 Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 16; ders., Vergleichsverbote, S. 20 ff. (dort auch zutreffend gegen den denkbaren Einwand der Möglichkeit einer Teilklage); Wieneke, NZG 2012, 136 (138); Weng, DStR 2013, 862 (864). 472

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Kap. 2: Aufrechnung

§ 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG) müssen natürlich unzulässig bleiben483. Der BGH hat diese Auffassung in der Babcock-Entscheidung gebilligt484 und hinsichtlich der Voraussetzungen tendenziell einen praxisfreundlichen Standpunkt eingenommen485. 5. Schlüsse a) Lückenhaftigkeit realer Kapitalaufbringung in der Diskussion Dieser unter Zif. 3 u. 4 gegebene Überblick verdeutlicht bereits, dass Aktien- und GmbH-Recht über das Schicksal der Resteinlageforderung kein allumspannendes Netz einer „realen Kapitalaufbringung“ geknüpft haben486. Bezeichnenderweise ist dieser Umstand oftmals als reformbedürftig erachtet worden. Bereits der Ausgangspunkt der Problematik, die Entscheidung gegen eine anfängliche Vollleistung der gesamten Geldeinlage, ist immer wieder angegriffen worden487. Schon der Entwurf eines Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939488 sah in § 16 Abs. 1 eine Vollleistungspflicht vor489, um die Gefahr des Ausfalls ausstehender Einlagen zu vermeiden490. In der Debatte im Anschluss an den Referentenentwurf von 1969491 wurde dieser Vorschlag erneuert492, ebenso wie in der Debatte vor Erlass des MoMiG493. Bis zum heutigen Tage wird er von manchen auf die rechtspolitische Agenda gesetzt494. 483

Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 14; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 20; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 66 Rn. 6; Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 22; Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 70; Solveen, in: Hölters, § 66 Rn. 5. 484 NZG, 2012, 69 (Rz. 22); die Ausführungen betreffen den Differenzhaftungsanspruch (der AG), gelten aber auch für Einlage- sowie gleichgestellte Forderungen, Verse, ZGR 2012, 875 (885). 485 Verlangt wird lediglich, dass der Inhalt des Vergleichs nicht den Bereich verlässt, der ernsthaft zweifelhaft war, NZG 2012, 69 (Rz. 31); es muss also nicht dargelegt werden, dass der Abschluss des Vergleichsvertrags günstiger als eine streitige Verfolgung des Anspruchs war, Verse, ZGR 2012, 875 (886). 486 Vgl. auch Cahn, Der Konzern 2004, 235 (240): „erstaunlich liberal“. 487 Vgl. auch Cavin, Kapitalaufbringung, S. 50 ff. 488 Dazu Fleischer, in: MünchKomm/GmbHG, Einleitung Rn. 94 ff. 489 Abgedruckt im ZHR-Beiheft 58, (1985), 94 (97). 490 Begr. GmbHG-Entwurf 1939, ZHR-Beiheft 58 (1985), 147 (157). 491 Referentenentwurf eines Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1969, hrsgg. vom Bundesministerium der Justiz. Der Entwurf sah immerhin eine Erhöhung der Mindesteinlagepflicht vor, vgl. § 17 Abs. 1. 492 Lutter, in: GmbH-Reform, S. 63 (68 ff.). 493 Karsten, GmbHR 2006, 57 (60); Koegel, GmbHR 2003, 1225 (1227); Priester, DB 2005, 1315 (1318); vgl. auch Giering, Gläubigerschutz, S. 175 f. 494 In Erwägung ziehend Fleischer, in: Michalski, Syst. Darst. 5, Rn. 89; zur Diskussion auch Grimm, Finanzverfassung, S. 460 f.

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Auch ist es bezeichnend, dass früher mit dem Hinweis auf den Grundsatz realer Kapitalaufbringung von der Unverjährbarkeit der Einlageforderung ausgegangen wurde495. Ebenso wird teilweise unverändert Kritik daran geübt, dass die Gesellschaft sich über Einlage- und gleichgestellte Forderungen soll vergleichen können496. Deutlich wird damit auch hier wieder, dass die Bedeutung der realen Kapitalaufbringung allgemein mitunter recht hoch gehalten wird, während dieser Anspruch tatsächlich gar nicht immer eingelöst werden kann, wenn etwa ernsthafte Zweifel am Bestehen der Einlageforderung existieren oder die die Einlage schuldenden Personen insolvent werden. Diese Diskussionspunkte geben einen Fingerzeig darauf, dass die – mit Recht so zu nennende – reale Kapitalaufbringung der Mindesteinlage oft zu Unrecht als Blaupause für die Erbringung der Resteinlage angesehen wurde und noch heute wird. Diese Überlegung wird seit jeher nicht nur im rechtspolitischen Kontext angestellt, sondern beeinflusst auch die Auslegung des geltenden Rechts. Ein solcher allgemeiner Grundsatz ist jedoch wie oben gezeigt abzulehnen. Das Gesetz sichert zwar die Funktion der Resteinlage als Liquiditätsreserve, die effektive Zuführung des geschuldeten Betrags in das Gesellschaftsvermögen steht jedoch im Belieben der Gesellschaft. b) Verfügungsbezogene Betrachtung Steht das „Ob“ der realen Kapitalaufbringung zur Disposition der Gesellschaft, erscheint es – in einer ersten vorsichtigen Schlussfolgerung – doch nicht unbedingt zwingend, die Aufrechnung gerade als Teil der realen Kapitalaufbringung zu sehen. Wenn es im Allgemeinen bei der Einziehung der Einlage keinen Konnex zum Gläubigerschutz gibt, ist nicht recht verständlich, warum es diesen gerade bei der Aufrechnung geben muss. Es ist stets im Sinn zu behalten, dass die Gesellschaft die Resteinlageforderung auch gänzlich unrealisiert lassen könnte, ohne dass hierdurch ein berechtigtes Vertrauen der Gläubiger enttäuscht werden würde. Wenn die Fälligstellung völlig dem unternehmerischen Ermessen der zuständigen Gesell495

Hueck, in: Baumbach/Hueck, 16. Aufl. 1996, § 9 Rn. 10 und § 19 Rn. 9a; Sernetz, ZIP 1995, 173 (176): „Das [scil.: die Möglichkeit der Verjährung] ist für den Geschäftsverkehr völlig unzumutbar, und es ist unbegreiflich, wie die Befürworter des angeblich so hohen Werts des Grundsatzes der „realen Kapitalaufbringung“ der Verjährung von Einlageforderungen das Wort reden können.“; beiläufig bereits Ulmer, GmbHR 1984, 256 (257); aufgeschlossen auch Hüttemann, in: Neues Schuldrecht, S. 683 (688 f.). Nach Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 120 soll auch nach geltendem Recht gegen das Befreiungsverbot verstoßen werden, „wenn die Geschäftsführer sehenden Auges die Verjährungsfrist verstreichen lassen, oder zumindest dann, wenn sie das in Übereinstimmung mit dem Gesellschafter tun“; vgl. auch Brinkmann, NZG 2002, 855 (858). 496 Im Grundsatz ablehnend z. B. für die Ansprüche aus § 31 Abs. 1 – 3 GmbHG Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 31 Rn. 26 („problematisch und eher abzulehnen“), andererseits bejahend zu § 19 Abs. 2 GmbHG, § 19 Rn. 20 („zwar bedenklich“ aber „das kleinere Übel“); Habersack, in: Ulmer, § 31 Rn. 65.

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Kap. 2: Aufrechnung

schaftsorgane anheimgestellt wird, sollte auch die Aufrechnung aus Sicht der Gesellschaft verstanden werden. Dann kann aber nicht außer Acht bleiben, dass die Gesellschaft mit der Aufrechnung eine bestehende Verbindlichkeit tilgt, wozu sie im Grundsatz – bei Fehlen besonderer Verfügungsschranken – sogar verpflichtet ist. Angesichts der Gefahr, dass ausstehende Einlagen wirtschaftlich entwertet werden können, sollten die Spielräume bei der Disposition über Einlageforderungen eher erweitert als erschwert werden. Weitere Plausibilität gewinnt die hier vertretene Auffassung ferner, wenn man die Verfügungsthese neben die Verjährungsregeln bei Einlageforderungen legt. Im Verjährungseintritt liegt zwar keine Verfügung, da dieser den Bestand des Einlageforderungsrechts unberührt lässt. In ihrer Wirkung kommt die Verjährung allerdings einem Fall der – an sich gem. § 66 Abs. 1 S. 1 AktG, § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG unzulässigen – Befreiung nahe, da sie zu einer fast vollständigen Entwertung der Einlageforderung für die Gesellschaft führt. Der Gesellschafter kann die Leistung der Einlage dauerhaft gem. § 214 Abs. 1 BGB verweigern. In Betracht kommt allenfalls noch eine einseitige Aufrechnung durch die Gesellschaft497. Deutlich werden die Querbezüge von Verjährung und (unzulässiger) Verfügung aber vor allem daran, dass in der Nichtvornahme verjährungshemmender Maßnahmen nach Vorstellung des Gesetzgebers stets eine Pflichtverletzung der Geschäftsleitung liegt. Der Verjährungseintritt dient den Interessen des schuldenden Gesellschafters und seiner Rechtsnachfolger sowie öffentlichen Interessen. Er steht damit im diametralen Gegensatz zu den Interessen der Gesellschaft und deren Gläubiger. Demgegenüber geht es bei der als Verfügung verstandenen Aufrechnung um die Tilgung einer Gesellschaftsverbindlichkeit. Da die Gesellschaft hierzu verpflichtet ist, handelt es sich hier um ein Anliegen, das – wie gesagt grds. – sogar im Interesse der Gesellschaft liegt und welches die anderen Gläubiger nicht verhindern können. Während der Verjährungseintritt die Einlageforderung wirtschaftlich entwertet und zu einem Schaden der Gesellschaft führt, setzt die Gesellschaft bei der Aufrechnung ihr Vermögen grds. in sinnvoller Weise ein. Es ist daher nicht recht verständlich, warum im ersten Fall das geschriebene Kapitalaufbringungsrecht eindeutig nicht entgegensteht, im zweiten Fall dagegen ein ungeschriebener Grundsatz realer Kapitalaufbringung Platz greifen soll. Wird unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften verfügt, kommen selbstverständlich auch bei der Aufrechnung Geschäftsleiterhaftung und Anfechtung zum Zuge498. Zudem dürften diese – vom Gesetzgeber bei der Verjährung gerade auch als Kompensation einer Beeinträchtigung der Kapitalaufbringung herausgestellten (!) – Instrumente bei der Aufrechnung ein tendenziell wirkungsvolleres Schutzniveau bieten. Was zunächst die Anfechtung anbelangt, 497

Freilich muss die Aufrechnungslage für die Gesellschaft bereits vor Verjährungseintritt bestanden haben, § 215 Alt. 1 BGB. Wegen des Verjährungseintritts liegt zwar an sich nicht die von der h.M. verlangte Einredefreiheit der Gesellschafterforderung (als Teil der Liquidität, bzw. Vollwertigkeit i.w.S.) vor, möglicherweise greift aber die Ausnahme wegen „Uneinbringlichkeit“ der Einlageforderung. 498 § 8.

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ergibt sich ein wichtiger Unterschied daraus, dass die Aufrechnung wegen des einseitigen Aufrechnungsverbots notwendigerweise immer durch ein Rechtsgeschäft der Gesellschaft vorgenommen wird. Während daher in diesen Fällen immer eine der späteren Insolvenzschuldnerin zurechenbare Rechtshandlung vorliegt, ergibt sich bei der Anfechtung des Verjährungseintritts das Problem, dass Unterlassungen gem. § 129 Abs. 2 InsO den Rechtshandlungen durch positives Tun nur dann gleichstehen, wenn sie bewusst und gewollt erfolgen499. Nicht jede fahrlässige Verletzung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht ist mithin ausreichend. Der Anfechtende muss ggf. darlegen und beweisen, dass Vorstand oder Geschäftsführer im Bewusstsein drohender Verjährung von der Vornahme verjährungshemmender Maßnahmen abgesehen haben500. Bei der Haftung der Geschäftsleitung im Fall des Verjährungseintritts erscheint es als sehr zweifelhaft, ob die §§ 184 Abs. 1 S. 2, 203 Abs. 3 S. 3 AktG den vom Gesetzgeber so stark betonten Präventiveffekt tatsächlich zeitigen. Im GmbH-Recht kann sich dieser ja ohnehin nicht entfalten, da es an Parallelregelungen fehlt (!). Demgegenüber gewährleisten die im Zusammenhang mit der Aufrechnung denkbaren Haftungssanktionen ein ungleich höheres Sanktions- und Abschreckungspotential501. 6. Fazit Das verfügungsbezogene Verständnis wird nach alldem durch die Bestimmungen der Kapitalaufbringung im Hinblick auf Resteinlagen nicht ausgeschlossen. Für die Resteinlage lässt sich ein allgemeiner Grundsatz „realer“ Kapitalaufbringung in dem von der h.M. verstandenen Sinne vielmehr überhaupt nicht feststellen. Das Gesetz sichert zwar durch die Befreiungsverbote, dass die Einlageforderung nicht durch Rechtsgeschäft der Gesellschaft kompensationslos entzogen wird. Das einseitige Aufrechnungsverbot sichert, dass die Einlage vermögensmäßig in vollem Umfang der Gesellschaft zugewiesen bleibt, indem dem Gesellschafter die in der Aufrechnungsbefugnis liegende Verfügungsbefugnis über die Einlage entzogen wird502. Demgegenüber enthält das Gesetz jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gläubigerschutz bei der Resteinlage gerade mit deren realer Leistung verknüpft sein soll. Im Gegenteil stellt es das Gesetz der Gesellschaft anheim, wann und wie sie über Resteinlagen verfügt. Auch ein Insolvenzverfahren bietet keine Gewähr dafür, dass ausstehende Einlagen gerade real in das Gesellschaftsvermögen gelangen. Ferner lässt die Verjährbarkeit von Einlageforderungen die hier vertretene Auffassung stimmig erscheinen. Dieser Fall eines vom Gesetz ausdrücklich anerkannten „Quasi499 BGH NJW 2006, 908 (Rz. 18); DtZ 1997, 52 (53); Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, § 129 Rn. 119 m. umf. Nachw. 500 Bungeroth, in: MünchKomm/AktG, § 54 Rn. 105; zu denkbaren Beweiserleichterungen Thiessen, ZHR 168 (2004), 501 (525). 501 Dies gilt insbesondere für die insolvenzbezogenen Zahlungsverbote und die daran anknüpfende Geschäftsleiterhaftung, § 8 I. 502 Vgl. dazu bereits § 3 I.

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Erlasses“ der Einlageforderung ist wesentlich schwieriger mit dem Postulat der Kapitalaufbringung in Einklang zu bringen als der hier befürwortete verfügungsbezogene Ansatz. Auch hieraus ist zu schließen, dass der von der h.M. in Rechtsprechung und Schrifttum heute noch befürwortete Grundsatz der realen Kapitalaufbringung in dieser Form nicht anzuerkennen ist. Dieser Fehlschluss beruht maßgeblich auf der nicht zutreffenden Prämisse, dass die Resteinlage denselben Gesetzlichkeiten folgen müsste wie die Mindesteinlage. Bei dieser ist dem Gesetz in der Tat ein Grundsatz realer Kapitalaufbringung zu entnehmen; dies führt nach hier vertretener Auffassung dazu, dass eine Aufrechnung mit der Mindesteinlageforderung ausgeschlossen bleibt.

II. Hin- und Herzahlen (§ 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG) Während mit den unter I. angestellten Überlegungen die Annahme des verfügungsbezogenen Ansatzes bestätigt werden konnte, dass die der Aufrechnung inhärente Hin- und Herzahlungswirkung nicht dem Kapitalaufbringungsrecht zuwiderläuft, ist die zweite Annahme noch offen. Diese besteht darin, dass die Gesellschaft durch das Kapitalaufbringungsrecht nicht gehindert ist, Resteinlagen unmittelbar zur Tilgung von Gesellschafterforderungen aufzuwenden. Gegen diese Annahme ließen sich möglicherweise Bedenken aus den § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG herleiten. Nach diesen Bestimmungen führt eine Zahlung des Gesellschafters nämlich nicht zum Erlöschen der Einlageforderung, wenn vorher eine Leistung an den Gesellschafter vereinbart worden war, die wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte Sacheinlage zu beurteilen ist, es sei denn, die Leistung an den Gesellschafter ist durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig gestellt werden kann. Dem vorabgesprochenen Hin- und Herzahlen könnte ein Aufrechnungsvertrag zwischen Gesellschaft und Gesellschafter gleichzustellen sein. Unter dieser Voraussetzung wäre jedenfalls die zweite Prämisse des verfügungsbezogenen Ansatzes – mindestens im Anwendungsbereich der § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG – unzutreffend503. Denn die unmittelbare Tilgung einer Gesellschafterforderung mittels der Einlage ist hier gerade nicht ohne weiteres zulässig, sondern von der Einhaltung kapitalaufbringungsrechtlicher Kautelen abhängig.

503 Denn in diesen Fällen würde der Aufrechnungsvertrag erstens nicht ohne weiteres zur Tilgung der Einlageforderung (Hinzahlen) führen. Zweitens dürfte die Gesellschaft in diesen Fällen die Einlage auch nur unter bestimmten kapitalaufbringungsrechtlichen Grenzen (insbes. der Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs) dem Gesellschafter zuwenden.

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1. Erforderlichkeit effektiver Zahlungsvorgänge Damit bedarf es zunächst der Klärung, ob ein Aufrechnungsvertrag überhaupt tatbestandsmäßig sein kann. Der Wortlaut der genannten Bestimmungen geht jedenfalls von einem Hin- und Herzahlen und damit von effektiven Zahlungsvorgängen aus. Dies ergibt sich daraus, dass tatbestandlich zunächst eine „Einlage“ vorausgesetzt wird und damit nichts anderes als eine Zahlung der Einlage gemeint ist504 Lediglich hinsichtlich der Frage der Rückzahlung wird dann eine wirtschaftliche Betrachtung verlangt505. Während manche den Wortlaut insofern als zwingend einstufen506, sind nach anderer Ansicht effektive Zahlungsvorgänge nicht erforderlich507. Es reiche aus, die gegenseitigen Ansprüche vertragsweise aufzurechnen508 oder die schuldrechtliche Rückzahlungsforderung der Gesellschaft einzubuchen509. Letzteres weist darauf hin, dass neben dem Aufrechnungsvertrag noch eine zweite zivilrechtliche Variante existiert, durch die im Ergebnis unmittelbar eine Rückzahlungsforderung der Gesellschaft begründet werden kann, ohne dass effektive Zahlungen vonstattengehen müssten. Mit „Einbuchen“ der Forderung wird wohl häufig eine Novation der Einlageforderung gemeint sein. Hierunter versteht man allgemein den Fall, dass ein Schuldverhältnis einvernehmlich aufgehoben und durch ein anderes ersetzt wird510. Als ein solches an die Stelle der Einlageforderung tretendes Schuldverhältnis kommt in den hier interessierenden Fällen ein Vereinbarungsdarlehen in Betracht511. Daraus ergibt sich, dass beide Fälle im hiesigen Zusammenhang jedenfalls gleichbehandelt werden sollten512. Es kann keinen Unterschied machen, ob sogleich vereinbart wird, dass der Gesellschafter anstatt der Einlage in Zukunft die Rückzahlung eines Darlehens schulden soll oder ob sich diese Rechtsfolge daraus ergibt, dass zunächst isoliert ein Darlehensvertrag geschlossen wird und sodann der Darlehensauszahlungsanspruch des Gesellschafters mit der Einlageforderung aufgerechnet wird. Tatsächlich ist fraglich, was mit dem Erfordernis einer effektiven Zahlung bei § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG gewonnen werden könnte. Die Neurege504

Statt aller Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 183. Insofern wie hier Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rn. 107. 506 Lieder, in: MünchKomm/GmbHG, § 56a Rn. 42; Ziemons, in: Ziemons/Jaeger, § 19 Rn. 235; Wachter, NotBZ 2008, 361 (367 m. Fn. 35); kritisch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rn. 107; Drygala, NZG 2007, 561 (564). 507 Herrler, in: Spindler/Stilz, § 27 Rn. 232; Servatius, in: Spindler/Stilz, § 188 Rn. 82; Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 80; Herrler, DStR 2011, 2255 (2260); eingehend Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 308 ff.; kritisch gegenüber der a.A. auch Wicke, § 19 Rn. 33. 508 Heinze, GmbHR 2008, 1065 (1070). 509 Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 80. 510 Gehrlein/Sutschet, in: Bamberger/Roth, § 311 Rn. 36. 511 Dazu K.-P. Berger, in: MünchKomm/BGB, § 488 Rn. 18 ff. 512 Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 308 ff., 311 f. Bezeichnend Herrler, DStR 2011, 2255 (2260) („eine derartige Einbuchung, d. h. die Verrechnung“). 505

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lungen kodifizieren die früheren Rechtsprechungsgrundsätze, nach denen ein Hinund Herzahlen nicht zur Erfüllung der Einlageforderung führte, wenn es im Ergebnis zu einem bloßen Tausch gegen die schwache schuldrechtliche Rückzahlungsforderung kam513. Wenn eine solche Gestaltung nunmehr möglich ist, sofern nur die Rückzahlungsforderung der Gesellschaft bestimmte Anforderungen erfüllt, erscheint es als unerheblich, auf welchem Weg der Darlehensauszahlungsanspruch des Gesellschafters und die Einlageforderung der Gesellschaft neutralisiert werden. Der BGH hat zu der vorliegenden Frage bislang zwar noch keine Stellung bezogen, in „Eurobike“ allerdings bereits entschieden, dass dem Hin- und Herzahlen ein Herund Hinzahlen gleichzustellen ist514. Diese Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass die Einlagemittel nicht an den Gesellschafter zurückfließen, sondern die Gesellschaft dem Inferenten bereits vor Zahlung der Einlage die Einlagemittel aus ihrem Vermögen zur Verfügung gestellt hat („verdeckte Finanzierung“)515. Diese Entscheidung wird von der ganz überwiegenden Auffassung begrüßt, wobei dieses Ergebnis teilweise lediglich aus einer Analogie zu § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG abgeleitet wird516. Ist mithin die zeitliche Reihenfolge der gegenläufigen Zahlungen unerheblich, liegt hierin m. E. ein entscheidendes Argument für die Zulässigkeit eines Aufrechnungsvertrags. Wenn die Gesellschaft im Fall des Her- und Hinzahlens die Einlage des Gesellschafters unter temporärem Abfluss liquider Mittel quasi vorfinanzieren kann, muss es alternativ möglich sein, die Mittel bei der Gesellschaft zu belassen und den Darlehensauszahlungsanspruch des Gesellschafters später sogleich mit der Einlageforderung der Gesellschaft aufzurechnen. In dieser Fallalternative kommt es im Unterschied zum Her- und Hinzahlen zu gar keiner Schmälerung des Gesellschaftsvermögens, sodass diese im Erst-Recht-Schluss zulässig sein muss. Dies bedeutet wiederum freilich, dass die hier untersuchten Aufrechnungen bzw. Aufrechnungsverträge dem Tatbestand der § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG unterfallen. 2. Anwendbarkeit bei Resteinlagen Nicht völlig geklärt ist indessen, ob und inwiefern das Hin- und Herzahlen überhaupt Anwendung auf die Leistung von Resteinlagen findet. Die überwiegende Auffassung versteht zwar im Grundsatz unter „Einlage“ zu Recht die gesamte 513

Zusammenfassend Lieder, in: MünchKomm/GmbHG, § 56a Rn. 35 m. Nachw. NJW 2010, 1747 (Tz. 24). 515 BGH NZG 2006, 716 (Tz. 11) m. w. Nachw. aus der Rspr. 516 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rn. 128; Lieder, in: MünchKomm/GmbHG, § 56a Rn. 74; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rn. 237; Sirchich von Kis-Sira, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, § 19 Rn. 63; Solveen, in: Hölters, § 27 Rn. 43; Veil, in: Scholz, § 19 Rn. 178; Wardenbach, in: Henssler/Strohn, § 27 AktG Rn. 21; Habersack, GWR 2010, 107 (108); a.A. Heckschen, MoMiG, Rn. 130 ff. 514

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Einlage517, schränkt jedoch verbreitet den Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung sogleich wieder erheblich ein. Überwiegend wird nämlich davon ausgegangen, dass die auf Hin- und Herzahlung gerichtete Abrede spätestens vor der Anmeldung der Eintragung erfolgt sein muss518. Dies wird daraus geschlossen, dass das Hin- und Herzahlen gem. § 27 Abs. 4 S. 2 AktG, § 19 Abs. 5 S. 2 GmbHG in der Anmeldung dem Registergericht offenzulegen ist519. Der Wortlaut des Gesetzes würde allerdings ohne weiteres auch eine erst nach diesem Zeitpunkt getroffene Abrede ausreichen lassen, da die Rückzahlung lediglich „vor der Einlage“, womit eben die Zahlung der Einlage gemeint ist, vereinbart worden sein muss. Das Problem würde sich nicht stellen, wenn eine erst nach Anmeldung erfolgende Abrede dem Registergericht gleichwohl offengelegt werden müsste. Gegen eine solche „Nachmeldung“ spricht aber bereits der Wortlaut, der eine Offenlegung gerade in der Anmeldung (§§ 8, 57 GmbHG, § 27 AktG i.V.m. 188 Abs. 2 AktG) verlangt520. Vor allem sind Sinn und Zweck gegen eine solche ungeschriebene Pflicht anzuführen, da das Offenlegungserfordernis dem Registergericht gerade die Möglichkeit zur Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen und damit die präventive Sicherung der Kapitalaufbringung ermöglichen soll521. Außerhalb des Eintragungsverfahrens kann dies aber nicht mehr sichergestellt werden522. Der BGH hat bislang nicht explizit und wohl auch nicht implizit entschieden, ob eine erst nach Anmeldung erfolgende Abrede noch dem Tatbestand des Hin- und Herzahlens unterfällt. Zwar hat der II. Zivilsenat in „Quivive“ angenommen, die Wahrung des Offenlegungserfordernisses sei konstitutive Voraussetzung für die Befreiungswirkung (§ 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG)523, sodass man hieraus auf den ersten Blick folgern könnte, eine nach Anmeldung getroffene Abrede könne keine Befreiung mehr entfalten. Es wäre allerdings ein wenig plausibles Ergebnis, dass die Einlage bereits vor Anmeldung und Eintragung, jedoch nicht mehr zu einem späteren Zeitpunkt an den Inferenten als Darlehen ausgereicht werden darf. Dass die Leistung der Resteinlage im Unterschied zur Leistung der Mindesteinlage nicht

517

Vgl. nur Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 180; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 70. Vgl. nur Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 73; Lohse, in: Bürgers/Körber, § 27 Rn. 50; Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 332; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, § 19 Rn. 239; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 97; Wicke, § 19 Rn. 36. 519 Nicht zu verwechseln ist diese Frage mit der ebenfalls kontrovers diskutierten Frage, ob auch eine nachträgliche, erst nach Hinzahlung (oder Herzahlung) erfolgende Abrede tatbestandsmäßig ist; dagegen zurecht die h.M., vgl. Herrler, in: Spindler/Stilz, § 27 Rn. 224; Koch, in: Hüffer/Koch, § 27 Rn. 49. 520 Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 405. 521 Bt.-Drucks. 16/9737, S. 98; vgl. auch OLG München ZIP 2011, 567. 522 Zutreffend Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S. 406; gegen eine Offenlegungspflicht bei einer Abrede nach Anmeldung daher (implizit) auch Herrler, in: Spindler/Stilz, § 27 Rn. 248; Herrler, DStR 2011, 2255 (2256); Herrler/Reymann, DNotZ 2009, 914 (924, Fn. 55). 523 BGH NJW 2009, 2375 (Tz. 16); bestätigt in NJW 2009, 3091 (Tz. 25); zur Diskussion vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rn. 122 m. Nachw. 518

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präventiv kontrolliert wird, entspricht auch allgemeinen Grundsätzen524. Selbst wenn man mit dem BGH die Offenlegung im Allgemeinen als konstitutive Voraussetzung ansieht, spricht daher mehr dafür, eine nach Anmeldung erfolgende verabredete Einlagenfinanzierung nicht schlechthin als unzulässig einzuordnen525. Damit kann allenfalls fraglich sein, ob eine erst nach Anmeldung verabredetes Hin- und Herzahlen nicht an § 19 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 GmbHG, § 27 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 AktG526 sondern an § 57 AktG, § 30 Abs. 1 GmbHG527 zu messen ist. Da wie bereits erwähnt der Wortlaut insofern keine Einschränkung enthält, wird nach hier vertretener Ansicht von Ersterem ausgegangen. Auch in der Sache lässt sich dieses Ergebnis gut begründen. Beim Hin- und Herzahlen findet wirtschaftlich betrachtet nichts anderes als ein Austausch der starken Einlageforderung gegen die schwächere schuldrechtliche Rückzahlungsforderung statt. Daher wurden solche Fälle früher auch als verbotene Befreiung (§ 66 Abs. 1 S. 1 AktG, § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG) eingestuft528. Die Befreiungsverbote gelten aber auch heute noch und finden seit jeher nach allgemeiner Ansicht in zeitlicher Hinsicht uneingeschränkte Anwendung. Dies spricht dafür, die Hin- und Herzahlungsfälle auch außerhalb von Gründung und Kapitalerhöhung noch der Kapitalaufbringung zuzurechnen. Im Ergebnis bedeutet dies also, dass Aufrechnungsverträge über Resteinlagen im Anwendungsbereich der genannten Neuregelungen zulässig sind, sofern der Rückzahlungsanspruch vollwertig ist und jederzeit fällig gestellt werden kann; einer „Nachmeldung“ bedarf es freilich nicht. Der Aufrechnungsvertrag ist freilich unwirksam, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht den genannten Voraussetzungen entspricht. 3. Sach- und Dienstleistungen des Gesellschafters Sprechen nach dem bisher Gesagten also die besseren Gründe dafür, die § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG auch auf Aufrechnungsverträge (dazu unter 1.) über Resteinlagen (dazu unter 2.) anzuwenden, bleibt allerdings zu klären, ob die hier interessierenden Fälle überhaupt stets unter das „Hin- und Herzahlen“ fallen. Die Gretchenfrage besteht darin, ob der objektive Tatbestand tatsächlich in jedem Fall gegenläufiger Zahlungen bzw. eines Aufrechnungsvertrags erfüllt ist. Der Wortlaut des Gesetzes legt dies auf den ersten Blick nahe, da dort schlicht von einer Leistung die Rede ist, die wirtschaftlich betrachtet einer Rückzahlung der Einlage entspricht. Zweifel an dieser Lesart ergeben sich aber daraus, dass das Hin- und Herzahlen unter der Voraussetzung für zulässig erklärt wird, dass die Leistung an den Gesellschafter 524

Dazu bereits eingehend unter I. Erst Recht gilt das natürlich für diejenigen, die dem Offenlegungserfordernis ohnehin nur eine Ordnungsfunktion beimessen. 526 Benz, Reformiertes GmbH-Recht, S 296 ff. 527 Bormann, in: Bormann/Kauka/Ockelmann, Kap. 4 Rn. 41. 528 Vgl. Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 27 m. Nachw. 525

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durch einen vollwertigen Rückzahlungsanspruch gegen den Gesellschafter gedeckt ist. Hieraus ist zu schlussfolgern, dass die Vorschrift auf Sach- und Dienstleistungen des Gesellschafters keine Anwendung findet, wie der BGH bereits in „Qivive“ klargestellt hat529. Denn etwa bei einer Zahlung auf eine Vergütungsforderung aus einer Dienstleistung des Gesellschafters entsteht niemals eine Rückzahlungsforderung der Gesellschaft. Damit wird aber offensichtlich, dass der weitaus größere Teil der hier interessierenden Fälle nicht unter § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG zu subsumieren ist530. Die jedenfalls typischen Fälle bestehen darin, dass in der Krise der Gesellschaft mittels des Aufrechnungsvertrags über die Resteinlageforderung ein Darlehensrückzahlungsanspruch des Gesellschafters getilgt wird bzw. andere Sach- oder Dienstleistungen vergütet werden531. 4. Fazit Die gesetzlichen Regelungen der § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG bedeuten nach alldem, dass der hier vertretene verfügungsbezogene Ansatz einer – allerdings minimalen – Einschränkung bedarf. Da im Anwendungsbereich der § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG kein Hin- und Herzahlen der Einlage stattfinden darf, wenn nicht ausnahmsweise ein vollwertiger Rückgewähranspruch der Gesellschaft besteht, darf dieses Hin- und Herzahlen auch nicht durch eine Aufrechnung ersetzt werden. Geschieht dies dennoch, bewendet es bei der Rechtsfolge des gesetzlich geregelten Hin- und Herzahlens, sodass der Gesellschafter weiterhin die Einlage schuldet. Freilich wird der verfügungsbezogene Ansatz durch diese Einschränkung im Grundsatz nicht erschüttert. Abgesehen davon, dass die Regelungen ohnehin von der wohl überwiegenden Meinung als ein Systembruch angesehen werden532, kann man diese Ausnahme von der grundsätzlich befürworteten Wirksamkeit der Aufrechnung auch verfügungsbezogen begründen. Es ist auch nach dem hier verfolgten Ansatz nicht unplausibel, dass das im Aufrechnungsvertrag liegende Hin- und Herzahlen in den Fällen der § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG nicht den allgemeinen Regeln (§§ 30 Abs. 1, 43 Abs. 1 GmbHG, § 57, 93 Abs. 1 AktG) unterfällt. In einer solchen Konstellation kommt es im Ergebnis zu keinem echten Leistungsaustausch zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, vielmehr findet lediglich ein rein formaler Austausch der statutarischen Einlageforderung gegen eine schuldrechtliche Rückgewährforderung statt. Es ist daher zumindest nachvollziehbar, in diesem Fall bestimmte kapitalaufbringungsrechtliche Anforderungen zu stellen und bei deren 529 BGH NJW 2009, 2375 (Tz. 17); bestätigt in NJW 2012, 3035 (Tz. 18); dem folgend Veil, in: Scholz, § 19 Rn. 179. 530 Wie hier auch Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 51. 531 Vgl. die Nachw. aus der Rechtsprechung in Fn. 2. 532 Vgl. nur Goette („Tabubruch“), ZHR 177 (2013), 740 (749).

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Kap. 2: Aufrechnung

Nichtvorliegen der in der Aufrechnung liegenden Verfügung – ausnahmsweise – die Wirksamkeit zu versagen.

§ 7 Verfügungsbezogener Ansatz und die Zwecke des Garantiekapitals Die hier verfolgte These muss ferner anhand der konkreten Schutzanliegen des Garantiekapitals überprüft werden, die im bisherigen Verlauf der Untersuchung noch weitgehend ausgeblendet worden sind. In § 6 konnte – lediglich – gezeigt werden, dass ein Grundsatz realer Kapitalaufbringung jedenfalls nicht aus dem geschriebenen Normenbestand geschlussfolgert werden kann und die Rechtsfortbildung nicht aus dieser Richtung zu legitimieren ist. Im Folgenden wird nun der Frage nachgegangen, ob das Vollwertigkeitsgebot von den dem Garantiekapital zugeschriebenen Funktionen und Zwecken getragen wird. Auch aus dieser Richtung ließen sich Bedenken gegen den hier verfolgten verfügungsbezogenen Ansatz anmelden: Kann es richtig sein, dass die Gesellschaft über dasjenige Vermögen, das gewiss im Grundsatz doch zugunsten der Gläubigergesamtheit vorgesehen ist, zugunsten des Inferenten verfügen darf? Noch dazu in Situationen, in denen die Gesellschaft womöglich der ausstehenden Einlagen dringend bedurft hätte? Möglicherweise muss man doch aufgrund teleologischer Erwägungen am Vollwertigkeitsgebot festhalten. Analysiert man die hierzu in Rechtsprechung und Schrifttum angestellten Überlegungen, zeigt sich erneut, dass die Vollwertigkeitsrechtsprechung insgesamt wenig durchdrungen ist. Während das RG jedenfalls zuletzt in dieser Rechtsprechung die Betriebsmittelfunktion des Garantiekapitals gewährleistet sah (I.), haben der BGH und die ihm folgende herrschende Auffassung im Schrifttum dagegen die Haftungsfondsfunktion zur Grundlage der Rechtsfortbildung erkoren (II.). In diesem Zusammenhang wird auch ein Seitenblick auf die Problematik der Darlehensvergabe an Gesellschafter aus gebundenem Vermögen geworfen. Das bekannte November-Urteil des BGH hat in diesem Zusammenhang nämlich ebenfalls mit der Betriebsmittel- sowie der Haftungsfondsfunktion des Garantiekapitals argumentiert (III.). Im Schrifttum ist schließlich vereinzelt eine dritte Begründung des Vollwertigkeitsgebots versucht worden, die maßgeblich auf die Seriositätsfunktion des Garantiekapitals abhebt (IV.).

I. Zur Betriebsmittelfunktion 1. Sichtweise des RG Das RG zog sich lange Zeit ganz auf das Dogma der „Zahlung durch Aufrechnung“ zurück und ließ regelmäßig offen, warum genau der Aufrechnung diese Wirkung zukommen müsse533. Die späten, die Ausnahmen vom Vollwertigkeitsgebot 533

Nichts anderes gilt auch für die die anderen Fallgruppen betreffenden Entscheidungen.

§ 7 Verfügungsbezogener Ansatz und die Zwecke des Garantiekapitals

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betreffenden Entscheidungen zeigen allerdings im Umkehrschluss, welchen Schutzzweck das Vollwertigkeitsgebot gewährleisten sollte. Aus Ihnen wird ersichtlich, dass das Gericht seiner Rechtsprechung eine spezifische betriebsmittelbezogene Sichtweise zugrundelegte534. Grund- und Stammkapital stehen bekanntlich im Allgemeinen der Gesellschaft für die von ihr verfolgten Zwecke zur Verfügung, stellen also betriebswirtschaftlich gesprochen „Betriebskapital“ dar535. Eine werbende Gesellschaft verfolgt in aller Regel einen erwerbswirtschaftlichen Zweck536, betreibt also ein auf die Erwirtschaftung laufender Erträge gerichtetes Gewerbe. Der Gesellschaftszweck ändert sich, wenn die Gesellschaft aufgelöst wird (§ 262 AktG, § 60 GmbHG), also bspw. das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse nicht eröffnet wird. Ab diesem Zeitpunkt ist der Zweck auf Abwicklung gerichtet537, wobei dies nicht bedeutet, dass die Gesellschaft überhaupt nicht mehr werbend tätig sein kann. Zusammengefasst beruhten die Ausnahmen vom Vollwertigkeitsgebot nun auf der Überlegung, dass mit Zweckerreichung bzw. -wegfall oder der fehlenden Möglichkeit der Zweckerreichung die Einlagen ihren besonderen kapitalaufbringungsrechtlichen Zweck einbüßen würden. Wenn namentlich der auf Abwicklung gerichtete Gesellschaftszweck erfüllt538 oder praktisch nicht mehr zu erreichen war539, sollte damit gleichfalls ein Zweckfortfall der Einlage verbunden sein. In diesen Situationen benötige die Gesellschaft die Einlagen nicht mehr als Betriebskapital540, da der Geschäftsbetrieb ohnehin nicht mehr aufrechterhalten wird bzw. werden kann. Aus diesem Grund wird die Einlageforderung dann zu einem „gewöhnlichen Befriedigungsgegenstand“. Umgekehrt sollen die Einlagen dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zugutekommen, solange der – erwerbswirtschaftliche oder der auf Abwicklung gerichtete – Zweck der Gesellschaft noch erreichbar ist. Dabei steht natürlich die Verausgabung zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken im Vordergrund. Um den Geschäftsbetrieb in Gang zu halten, können mittels der eingezogenen Einlagen etwa Produktionsmittel erworben, Mietzahlungen geleistet oder Kredite vergeben werden541. Ist der Ge534 Andeutungsweise auch C. Berger, ZZP 104 (1994), 29 (41) (allerdings nur bzgl. Abtretung und Pfändung); s. auch Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 56 (Pfändung). 535 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 30 Rn. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Einl. Rn. 57; Lutter, AG 1998, 375; zur Mindesteinlage auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Einleitung Rn. 26. 536 Zu denkbaren anderen Zwecken Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rn. 10 ff. 537 RGZ 118, 337 (340); BGH NJW 1957, 1279; Arnold, in: Henssler/Strohn, § 60 GmbHG Rn. 1, 4; Koch, in: Hüffer/Koch, § 262 Rn. 2. 538 „Vollbeendigungsgleicher Zustand“, dazu unter § 2 III. 3. a). 539 „Masselosigkeit“, dazu unter § 2 III. 3. b). 540 Am deutlichsten RGZ 149, 293 (299): „Der Geschäftsbetrieb war auch über den Abwicklungszustand hinaus aufgehoben“. 541 RGZ 156, 23 (28). „In erster Linie sollen die Einlagen die Grundlage der lebenden Gesellschaft bilden, können also auch für werbende Zwecke verwendet und ausgegeben werden, auch wenn damit nicht alle Gläubiger befriedigt werden können. Die Verausgabung der

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Kap. 2: Aufrechnung

sellschaftszweck auf Abwicklung gerichtet, verlagert sich der Geschäftsbetrieb dagegen typischerweise auf die Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten. In den Fällen der Aufrechnung mit nicht vollwertigen Gesellschafterforderungen nahm das RG nun an, dass die Einlagen nicht sinnvoll als Betriebskapital zur Erreichung des jeweiligen Gesellschaftszwecks realisiert werden. Dabei stand sozusagen eine „enge“ betriebsmittelbezogene Betrachtung Pate, die auf das vermeintlich zwingend vorgegebene reale Kapitalaufbringungsgebot aufbaute542. Das Gericht legte jeweils den Fall zugrunde, dass die Einlage real eingezahlt werde und die Gesellschaft in dem oben genannten Sinne über die Einlage verfüge. Daher gelangte es bei fehlender Vollwertigkeit zu der Annahme, die Einlage sei nicht eingezahlt (zahlungsbezogener Ansatz) bzw. gegen ein minderwertiges Erfüllungssurrogat verschwendet worden (forderungsbezogener Ansatz). 2. Stellungnahme Diese Begründung des Vollwertigkeitsgebots wird man heute wohl schon deshalb in Zweifel ziehen müssen, weil die Funktion des festen Kapitals als Quelle von Betriebskapital überhaupt fragwürdig geworden ist. Dies klingt deutlich im Regierungsentwurf des MoMiG an, wenn es dort heißt, dass heute die Mehrzahl der Unternehmen nicht mehr Produktions-, sondern Dienstleistungsunternehmen mit geringem Kapitalbedarf darstellen543. In dieselbe Richtung deutet die Schaffung der UG (haftungsbeschränkt), die ohne ein nennenswertes Mindestkapital auskommt. Viel entscheidender ist aber, dass sich das Vollwertigkeitsgebot gar nicht mit einer betriebsmittelbezogenen Sichtweise begründen lässt. Die „enge“ betriebsmittelbezogene Sichtweise verhehlt nämlich, dass auch die unmittelbare Tilgung bestehender Verbindlichkeiten ja praktisch immer dem Gesellschaftszweck zugutekommt und die Einlage hier nicht anders als in den Fällen als Betriebskapital eingesetzt wird, in denen die Einlagemittel zunächst in die Kasse der Gesellschaft gelangen und (später) im Rahmen neuer Geschäfte verausgabt werden. Es ist verwirrend, zugleich aber auch bezeichnend für die Geschichte des Vollwertigkeitsgebots, dass die maßgeblichen Argumente gegen die enge betriebsmittelbezogene Sichtweise sich bereits in der (älteren) Rechtsprechung des RG selbst finden lassen. Schon das ROHG hatte hervorgehoben, dass bei der Aufrechnung das „Grundkapital“ gerade seiner Bestimmung entsprechend zur Schuldtilgung verwendet werde544. Diese Bemerkung erging zwar zur einseitigen Aufrechnung durch den Gesellschafter, beansprucht aber gleichfalls Geltung für die Aufrechnung durch die Gesellschaft bzw. einen Aufrechnungsvertrag. Das RG hatte sich in der Diskussion als Einlage eingegangenen Gelder kann sogar nötig sein, um den Betrieb in Gang zu halten und dadurch wieder Barmittel zur Befriedigung der Gläubiger zu erwerben.“ 542 Gegen die Geltung des Grundsatzes realer Kapitalaufbrinung bereits unter § 6 I. 543 Bt.-Drucks. 16/6140, S. 29. 544 Vgl. unter § 2 I. 1. b).

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um die Abtretbarkeit und Pfändbarkeit der Einlageforderung eindeutig gegen eine eng verstandene Betriebsmittelfunktion gewendet. In diesen Fallgruppen liegt die Ausgangsfrage nicht anders als bei der Aufrechnung, da bei einer an Erfüllung statt oder erfüllungshalber abgetretenen bzw. einer gepfändeten Einlageforderung die Einlage der Gesellschaft nicht real zugeführt wird545. In Rede stand, ob Abtretung und Pfändung der Einlageforderung überhaupt zuzulassen sein sollten. Das RG bejahte dies, da es nicht entscheidend darauf ankomme, dass die geschuldeten Einlagen Eigentum der Gesellschaft werden546. Denn ebenso wichtig wie die Beschaffung von Produktionsmitteln sei die Bezahlung der Schulden; in der zweiten Entscheidung wurde diese Argumentation bekräftigt und ergänzt547. „Die Gläubiger der Gesellschaft sollen darauf rechnen dürfen, daß die Gesellschaft, welcher sie Kredit geben, das öffentlich bekannt gegebene Vermögen wirklich besitzt, oder doch wenigstens hereinbekommen hat. Gegen diesen Zweck wird nicht verstoßen, wenn die Gesellschaft mit den ihr satzungsgemäß zufallenden Mitteln einen Gläubiger befriedigt. Im Gegenteil: zu solcher Befriedigung ist sie verpflichtet, und das Aktienkapital soll nicht nur der Eingehung neuer Geschäfte, sondern vor allem auch der Tilgung der alten Geschäftsschulden dienen. Ob nun die Gesellschaft restliche Einlagen von den Aktionären einzieht und ihre Gläubiger aus den so eingehenden Mitteln befriedigt, oder ob sie ihre Forderung auf die Einlageneinzahlung an Gläubiger abtritt, ist gleichgültig. Die wirtschaftliche Wirkung ist die gleiche, und es wäre eine leere Förmlichkeit, wollte man auf dem umständlicheren Wege der Doppelzahlung bestehen.“

Die hier wörtlich wiedergegebenen Ausführungen sind so formuliert, dass man sie so gut wie ohne weitere Modifikation als Begründung für eine Aufrechnung ohne Vollwertigkeitsgebot im Sinne des hier vertretenen verfügungsbezogenen Ansatzes lesen kann. Denn die Argumentation des RG trifft unabhängig davon das Richtige, ob mittels Abtretung die Forderung eines Fremd- oder mittels Aufrechnung die Forderung eines Gesellschaftergläubigers getilgt wird. Sofern die Gesellschaft zur Tilgung der Gesellschafterforderung verpflichtet ist – insbesondere also die § 57 Abs. 1 AktG, § 30 Abs. 1 GmbHG nicht entgegenstehen548 – muss auch die Aufrechnung zulässig sein. Ist die Bezahlung der Schulden ebenso wichtig wie die Beschaffung von Produktionsmitteln, verwirklicht sich der Zweck der Einlage immer unmittelbar. Die hier behauptete Annahme, in der Aufrechnung liege immer ein Hin- und Herzahlen, klingt beim RG für die Parallele bei der Abtretung ebenfalls an. Die im ersten Satz aufgestellte Prämisse, die Gesellschaft müsse das verlautbarte Vermögen einmal „hereinbekommen“ haben, sieht das Gericht in der Abtretung immer unmittelbar verwirklicht, da ihr stets die Wirkung der doppelten Zahlung zukomme. 545

Das Gericht argumentierte freilich nicht explizit gegen die Geltung des Vollwertigkeitsgebots, obwohl dies in den Fallgruppen der Aufrechnung und Anweisungsleistung bereits zur feststehenden Rspr. geworden war. 546 RGZ 85, 351 (352 f.). 547 RGZ 102, 385 (386); zu den Entscheidungen bereits unter § 2 III. 1. 548 Vgl. § 5 II.

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Das RG hat ferner zur Begründung seines frühen Standpunkts betreffend Abtretung und Pfändung darauf hingewiesen, dass man bei Zugrundelegung einer engen betriebsmittelbezogenen Perspektive die Übertragbarkeit der Einlageforderung besser konsequent ganz ausschließen müsste549. Dies erscheint überzeugend, denn wenn es gerade auf die volle reale Zuführung als Betriebsmittel ankommt, dürften Abtretung und Pfändung zumindest vor jeglicher Einstellung des Geschäftsbetriebs und dem damit verbundenen Wegfall der Kapitalgrundlage überhaupt nicht zulässig sein. Dies kann aber unzweifelhaft nicht das richtige Ergebnis sein, denn dann – so möchte man die Argumentation des RG noch ergänzen – dürfte ja im Erst-RechtSchluss auch die Aufrechnung durch die Gesellschaft grds. nicht möglich sein. Auch bei einer nach h.M. zulässigen Aufrechnung mit einer vollwertigen, fälligen und liquiden Gesellschafterforderung wird de facto der Gesellschafter mittels der Einlageforderung befriedigt. Die Bemühungen, mittels zahlungs- oder forderungsbezogenen Ansatzes eine reale Erfüllung zu fingieren, bleiben notwendigerweise unvollständig. Denn die Gesellschaft erhält durch die Aufrechnung keine neuen Mittel, die sie dann als Betriebskapital zur Eingehung neuer Geschäfte einsetzen könnte. Es ist daher gerade die vom Gesetzgeber im Grundsatz anerkannte Möglichkeit der Aufrechnung durch die Gesellschaft, die deutlich zeigt, dass die „enge“ betriebsmittelbezogene Sichtweise mit dem Gesetz nicht vereinbar ist.

II. Zur Haftungsfondsfunktion Angesichts des wirtschaftlichen Bedeutungsschwunds des Grund- und Stammkapitals als Finanzierungsquelle der Gesellschaft550 überrascht es nicht, dass sich der BGH bereits früh anders orientiert hat und der Sache nicht mehr der betriebsmittelbezogenen Begründung des RG folgt. Freilich hat sich auch dieser erneute Paradigmenwechsel der Rechtsfortbildung551 im Stillen vollzogen, ohne dass die Neuausrichtung einmal als solche herausgestellt worden wäre. 1. Sichtweise des BGH und der heute h.M. Nach heute vorherrschender Auffassung sichert das Vollwertigkeitsgebot die Funktion des Garantiekapitals als einem Haftungsfonds, der speziell den Fremdgläubigern der Gesellschaft zugewiesen ist. Bereits in der zweiten Entscheidung des BGH552 zu den Ausnahmetatbeständen wurde diese neue Akzentuierung erkennbar. Ein Gesellschaftsgläubiger hatte trotz fehlender Vollwertigkeit – aufgrund masse549

RGZ 85, 351 (352). Dazu Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 5 Rn. 13. 551 Zum Wechsel der Dogmatik des Vollwertigkeitsgebots vom zahlungs- zum forderungsbezogenen Ansatz bereits unter § 3 II., III. 552 NJW 1968, 398. 550

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loser Insolvenz jedoch ausnahmsweise zulässig – die Einlageforderung gepfändet und den Einlageschuldner auf Zahlung der Einlage in Anspruch genommen. Dieser verteidigte sich u. a. damit, dass er noch offene Forderungen gegen die GmbH innehabe, mit denen er bereits zuvor durch Vertrag aufgerechnet habe; hilfsweise wollte er einseitig aufrechnen. Die Aufrechnung, so der BGH, könne aber nicht wirksam sein, denn ansonsten würde der Gesellschafter sich „vorzugsweise Befriedigung“ vor den außenstehenden Gläubigern verschaffen553. In der zweiten Entscheidung bestätigte der BGH seine Linie und setzte sich erstmals überhaupt mit dem abweichenden Standpunkt des RG auseinander. Eine sich in Liquidation befindliche GmbH hatte den Gesellschafter auf Leistung der Resteinlage verklagt und während des Rechtsstreits die nicht mehr vollwertige Einlageforderung erfüllungshalber an einen Gesellschafter-Gläubiger abgetreten. Auch hier wollte der Einlageschuldner einseitig – gegenüber dem Zessionar – mit offenen Forderungen gegen die GmbH aufrechnen (§ 404 BGB). Entgegen dem RG und in Übereinstimmung mit seiner ersten Entscheidung sollte nach dem BGH das einseitige Aufrechnungsverbot auch bei freier Abtretbarkeit bzw. Pfändbarkeit der Einlageforderung bestehen bleiben554. „Dabei ist übersehen, daß der Zweck der Einlage, als Haftungs- und Kreditgrundlage für die Gesellschaft und deren Gläubiger zu dienen, mindestens noch zugunsten des Pfändungsgläubigers fortbesteht. Der Gläubigerschutz, den die strengen gesetzlichen Einlagevorschriften im Auge haben, wird dadurch, daß die Gesellschaft aufgelöst ist und durch den Mangel an sonstigem haftendem Vermögen die Ansprüche ihrer Gläubiger entwertet oder gefährdet sind, keineswegs hinfällig, sondern erweist vielmehr gerade in dieser Lage erst seine eigentliche Bedeutung. Das Vertrauen eines Gläubigers, der mit Rücksicht auf die ausstehende Einlageforderung der Gesellschaft Kredit gegeben und hierbei vielleicht auch das gesetzliche Aufrechnungsverbot in Betracht gezogen hat, würde getäuscht werden, wenn sich die gepfändete Einlageforderung infolge einer Aufrechnung mit Gegenansprüchen gegen die Gesellschaft in Luft auflösen könnte.“

Die haftungsfondsbezogene Konzeption wurde ferner in der zweiten zentralen Aussage der Entscheidung ersichtlich. Laut dem II. Zivilsenat besteht der Vorrang der Fremdgläubiger nämlich nicht nur gegenüber dem die Einlage schuldenden, sondern auch gegenüber anderen Gesellschaftergläubigern. Auch die Abtretung an den zweiten Gesellschafter sei daher mangels vollwertiger Gegenleistung unwirksam gewesen, sofern noch offene Forderungen externer Gläubiger existierten555. Ein Gesellschaftergläubiger müsse zwar im Allgemeinen seine schuldrechtlichen Ansprüche nicht gegenüber den Ansprüchen fremder Gläubiger zurückstellen; allerdings könne er nicht bevorzugte Befriedigung gerade aus der ausstehenden Rest-

553

BGH NJW 1968, 398 (400); bestätigt u. a. durch BGH GmbHR 1976, 205 (206 f.). BGH NJW 1970, 469 (470 f.). 555 Dies war aufgrund der dem Senat zur Verfügung stehenden Sachverhaltsangaben nicht eindeutig feststellbar. 554

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einlage erlangen556. Auch die Entscheidung BGH NJW 1978, 160 passt in dieses Bild. Der II. Zivilsenat hatte sich hier darauf festgelegt, dass die GmbH-rechtliche Erstattungsforderung (§ 31 Abs. 1 GmbHG) bereits dann an Erfüllung statt oder erfüllungshalber an einen Gläubiger der Gesellschaft abgetreten werden kann, wenn die Gläubigerforderung im Betrag besteht und fällig ist; die Vollwertigkeit der Forderung sei dagegen keine Voraussetzung der Abtretung557. Einschränkend hat er dabei aber hervorgehoben, dass dieser Grundsatz nur zugunsten eines Fremdgläubigers der Gesellschaft durchgreift, nicht also bei einer Abtretung an einen Gesellschaftergläubiger. Da die Abtretung der Einlageforderung an einen Gesellschaftergläubiger der Aufrechnung entspricht, bringt auch diese Entscheidung den Fremdgläubigervorrang als tragende Prämisse der Rechtsprechung deutlich zum Ausdruck. In den BGH-Entscheidungen zum Vollwertigkeitsgebot, die die Reichweite der Ausnahmen betreffen, kommt die ratio des Vollwertigkeitsgebots nach heute herrschendem Verständnis zwar nur recht verschleiert zum Ausdruck. Auch im Schrifttum lassen sich in diesem Zusammenhang kaum eindeutige Stellungnahmen finden. Etwas deutlicher wird die Haftungsfondstheorie jedoch etwa bei P. A. Schön, der das Vollwertigkeitsgebot auf den Zweck der Einlage zurückführt, Bestandteil des statutarischen Haftungsfonds zu werden558. Allerdings formuliert dieser die ratio eher aus Sicht des Einlageschuldners. Bei wirtschaftlichem Misserfolg müsse die Einlage dem Risiko unterworfen sein, in Verlust zu geraten und – nach Einziehung durch die Gesellschaft – allen Gläubigern zur Befriedigung ihrer Forderungen dienen. Der Gesellschafter werde daher in den Fällen fehlender Vollwertigkeit unzulässigerweise von dem Risiko entlastet, sich des vollen Einlagebetrags begeben zu müssen. Die haftungsfondsbezogene Begründung tritt ferner auch in solchen Fällen zutage, in denen keine Konkurrenz zwischen Fremd- und Gesellschaftergläubigern besteht, sondern lediglich die Fremdgläubiger der Gesellschaft konkurrieren. Diese Konstellationen begegnen vor allem bei den übrigen Fallgruppen des Vollwertigkeitsgebots (Anweisungsleistung, Abtretung und Pfändung), sodass in diesem Zusammenhang noch einmal auf diese Begründung zurückzukommen sein wird559.

556

(338). 557

BGH NJW 1970, 469 (470 unter II. 1. c), dies übersehend Konzen, in: FS Ulmer, S. 323

Damit hat der BGH die zweite Prämisse der Haftungsfondstheorie (Gläubigergleichbehandlung) in einem Teilbereich nicht mehr weiterverfolgt, dazu unter § 9 IV. 2. 558 Aufrechnung und Kapitalaufbringung, S. 69 f., freilich ohne die seine Ausführungen stützenden BGH-Entscheidungen anzuführen. 559 § 9 IV.

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2. Stellungnahme Die Stellungnahme zur „Haftungsfondstheorie“ hat auf zwei unterschiedlichen Ebenen anzusetzen. Zunächst bedeutet die auf veränderter Grundlage fortgeführte Rechtsprechung einen Bruch mit dem ursprünglich vom RG intendierten Anliegen und bleibt Antworten auf offene Fragen schuldig [a)]. Zweitens ist die geänderte Rechtsprechung isoliert daraufhin zu untersuchen, ob aus der Funktion des Garantiekapitals als einem Haftungsfonds tatsächlich ein Vorrang der Fremdgläubiger herzuleiten ist [b)]. a) Abkehr vom Ausgangspunkt der Rechtsfortbildung Die haftungsfondsorientierte Begründung des BGH lässt sich mit der betriebsmittelbezogenen Begründung des RG nicht in Einklang bringen. Wenn die Kapitalgrundlage weggefallen ist und die Einlagen ihren Zweck als Betriebskapital eingebüßt haben, ist es aus dem reichsgerichtlichen Blickwinkel nicht plausibel, wie das Vollwertigkeitsgebot gleichsam noch relativ, zugunsten der Fremdgläubiger der Gesellschaft fortbestehen könnte. Das RG führte die betriebsmittelbezogene Begründung erklärtermaßen konsequent durch: Wenn im Zustand der Masselosigkeit die Ausnahmetatbestände eingreifen, sollte nämlich auch dem die Einlage schuldenden Gesellschaftergläubiger der Zugriff auf die Einlage qua einseitiger Aufrechnung eröffnet werden560. Hieraus ergibt sich, dass auch eine einseitige Aufrechnung durch die Liquidatoren der Gesellschaft bzw. ein Aufrechnungsvertrag in dieser Situation trotz fehlender Vollwertigkeit möglich sein muss. Das RG machte unmissverständlich klar, dass ein Vorrang der Fremdgläubiger vor den Gesellschaftergläubigern nicht bestehe561. Es kann daher nicht überraschen, dass die gerade an das RG anknüpfende Argumentation des BGH den abweichenden Standpunkt nicht ernsthaft tragen kann. In der ersten Entscheidung zu den Ausnahmen hat der II. Zivilsenat die Unzulässigkeit der einseitigen Aufrechnung des Gesellschafters mit Hinweis auf die erste Entscheidung des RG562 zu den Ausnahmen begründet563. Dies ist schlichtweg nicht überzeugend, denn tatsächlich hatte das RG dort bereits obiter dicter ausgesprochen, dass mit Fortfall der Vollwertigkeitsgrundsätze auch das einseitige Aufrechnungsverbot nicht mehr gelten solle564. In der zweiten die Ausnahmen betreffenden Entscheidung hat der BGH beiläufig auch auf eine ältere Entscheidung des RG565 560

Dazu schon unter § 2 III. 3. b). „In seiner Eigenschaft als Gesellschaftsgläubiger muß er (scil.: der Aktionär) die gleichen Rechte haben wie ein anderer Gesellschaftsgläubiger“, RGZ 156 23 (33). 562 RGZ 149, 293. 563 BGH NJW 1968, 398 (400). 564 Dazu bereits unter § 2 III. 3. a). 565 RGZ 85, 351. 561

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hingewiesen566, aus der sich jedoch ebenfalls nichts herleiten lässt. Diese ältere Entscheidung hatte in der Tat zwar zwischen ohne Vollwertigkeitsgebot zulässiger Pfändung und nur mit Vollwertigkeitsgebot zulässiger Aufrechnung differenziert567. Diese Differenzierung beruhte indessen noch auf dem frühen Standpunkt des RG, demzufolge Abtretung und Pfändung überhaupt nicht dem Vollwertigkeitsgebot unterfielen568. Zudem waren die Ausnahmen vom Vollwertigkeitsgebot noch nicht anerkannt gewesen. Die Frage, inwiefern Ausnahmen vom Vollwertigkeitsgebot für Aufrechnung und Pfändung gleichermaßen gelten sollen, hatte das RG in dieser Entscheidung daher naturgemäß gar nicht beantworten können. Die praktischen Unterschiede der beiden Ansätze sollte nicht unterschätzt werden. Es ist fast typischerweise so, dass der Einlageschuldner in Fällen masseloser (GmbH-)Insolvenzen, in denen Gesellschaftsgläubiger die Einlageforderung nach h.M. ohne Vollwertigkeitsgebot pfänden können, entweder noch Ansprüche gegen die Gesellschaft hat oder sogar bereits zu einem früheren Zeitpunkt vertragsweise mit der Gesellschaft aufgerechnet hat. Nach dem reichsgerichtlichen Ansatz hätte der Gesellschaftergläubiger gegenüber den Fremdgläubigern sozusagen einen strukturellen Vorteil. Zunächst müsste eine früher erklärte (vertragsweise) Aufrechnung mit Wegfall der Kapitalgrundlage wirksam werden569. Jedenfalls erlangt der Gesellschafter aber mit Wegfall des Vollwertigkeitsgebots ipso iure eine dem „Pfandrecht an eigener Schuld“ vergleichbare Aufrechnungsbefugnis (§§ 387 ff. BGB). Diese wird sich in aller Regel gegenüber den pfändenden Fremdgläubigern durchsetzen. Denn gem. § 392 BGB kann der Gesellschafter gegenüber dem Pfändungsgläubiger bereits dann aufrechnen, wenn er nur schon vor Beschlagnahme, d. h. im Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Gesellschaft (§ 829 Abs. 3 ZPO)570, Inhaber einer fälligen Forderung gegen die Gesellschaft war571. Die haftungsfondsorientierte Begründung gelangt genau zu dem gegenteiligen Ergebnis, da nach ihr eine früher trotz fehlender Vollwertigkeit erklärte Aufrechnung unwirksam bleibt und der Gesellschafter auch nicht einseitig aufrechnen kann. Der BGH hat also die Spruchpraxis in eine andere Richtung fortgeführt, als sie vom RG ursprünglich intendiert war. Auch hieraus ergibt sich ein nicht unerhebliches Legitimationsdefizit des heute herschenden Standpunkts.

566

BGH NJW 1970, 469 (471). Zu dieser Entscheidung bereits unter § 2 III. 1. 568 Vgl. Nachweis in Fn. 567. 569 Nach h.M. wird ja eine wegen fehlender Vollwertigkeit zunächst unwirksame Pfändung geheilt, wenn nachträglich die Voraussetzungen der Ausnahmen eingreifen, § 9 I. 3. b). 570 Schlüter, in: MünchKomm/BGB, § 392 Rn. 1 m. Nachw. 571 Die zweite Voraussetzung von § 392 Alt. 2 BGB ist im vorliegenden Zusammenhang bedeutungslos, da mit Pfändung die Einlageforderung nach h.M. ohnehin fällig wird, dazu Verse, in: Henssler/Strohn, § 14 GmbHG Rn 14 m. Nachw. 567

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b) Zum Fremdgläubigervorrang Auch in der Sache vermag die Haftungsfondstheorie nicht zu überzeugen. Ganz ähnlich wie bei der betriebsmittelbezogenen Begründung lässt sich auch gegen diese Theorie anführen, dass sich nichts für das Vollwertigkeitsgebot herleiten lässt, selbst wenn man den Gedanken des Grund- bzw. Stammkapitals als einem Haftungsfonds im Ausgangspunkt akzeptiert. Auch nach dem hier verfolgten verfügungsbezogenen Ansatz bilden ausstehende Einlagen einen Haftungsfonds. Bereits das einseitige Aufrechnungsverbot gewährleistet, dass der Inferent nicht einseitig auf die Einlage(forderung) zugreifen kann, diese der Gesellschaft als stets verfügbare Liquiditätsreserve verbleibt und ggf. eingezogen werden kann. Auch ein pfändender Fremdgläubiger setzt sich gegenüber dem die Einlage schuldenden Gesellschaftergläubiger durch, da das Aufrechnungsverbot in Geltung bleibt. Hält sich eine von der Gesellschaft einseitig erklärte Aufrechnung bzw. ein Aufrechnungsvertrag innerhalb der durch § 57 Abs. 1 AktG, § 30 Abs. 1 GmbHG gezogenen Schranken, wird der statutarische Haftungsfonds nicht angetastet. Im Übrigen kann die in der Aufrechnung liegende Verfügung wie jede andere Verfügung dazu beitragen, dass der Haftungsfonds geschmälert und ggf. vollständig verloren geht; dies können Grund- und Stammkapital nicht ausschließen. Abgesehen davon ist der von der haftungsfondsbezogenen Begründung angenommene Fremdgläubigervorrang nicht anzuerkennen. Zunächst hilft das von P. A. Schön angeführte Argument einer zwingenden Risikobeteiligung des Gesellschafters nicht weiter. Diese Begründung ist zirkulär, denn die zwingende Risikobeteiligung des Gesellschafters kann nur die Kehrseite eines Vorrangs der Fremdgläubiger sein, den es eben gerade zu begründen gilt572. Nicht anders verhält es sich mit der weiteren Annahme, es müsse sich zwingend ein durch die Übernahme der Geldeinlage begründete Verlustrisiko realisieren. Wie bereits herausgearbeitet worden ist, realisiert sich das Verlustrisiko in Unternehmenskrisen auch abseits der Aufrechnungsproblematik bei Weitem nicht immer. Dies gilt etwa für den Fall, dass ausstehende Einlagen schlichtweg von der Gesellschaft bzw. dem Insolvenzverwalter nicht eingezogen werden, rückständige Einlageforderungen verjähren oder Gesellschaft und Gesellschafter einen Vergleich schließen573. Im Übrigen wird die Risikobeteiligung bereits durch das einseitige Aufrechnungsverbot abschließend geregelt, da dieses insbesondere in der Insolvenz der Gesellschaft tatsächlich zu einem Verlust des eingesetzten Kapitals führen kann. Ein Fremdgläubigervorrang ergibt sich ferner nicht aus den liquidationsrechtlichen Vorschriften der § 272 Abs. 1 AktG, § 73 Abs. 1 GmbHG574, die in der Tat zwar zur Sicherung der Gläubiger die Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die „Gesellschafter“ vor Ablauf des Sperrjahres verbieten. Indessen sind dort keine 572 573 574

So zutreffend auch Cahn, Vergleichsverbote, S. 50. Vgl. dazu schon unter § 6 I. 3., 4. So aber offenbar Haas (zu § 64 S. 3 GmbHG), in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 7.

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Anhaltspunkte dafür gegeben, dass Gesellschafter als gewöhnliche Gläubiger nicht ebenso in den Schutzbereich einbezogen sind575. Es handelt sich bei der hier diskutierten Frage schlicht um eine solche des Forderungsrangs. Gerade die jüngere Gesetzgebung belegt, dass ein allgemeiner Vorrang der Fremdgläubiger nicht anzuerkennen ist. Ein von namhafter Seite am Vorabend des MoMiG entwickelter rechtspolitischer Vorschlag576 wollte sämtliche Gesellschafterforderungen dem Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterstellen. Die allgemeine Rückstufung sei durch das Privileg der Haftungsbeschränkung und die damit einhergehende Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung außenstehender Gläubiger gerechtfertigt. Obwohl der Gesetzgeber den Vorschlägen von Huber/Habersack im Wesentlichen gefolgt ist577, hat er den sachlichen Anwendungsbereich des Nachrangs gerade unverändert gelassen. Dem Nachrang unterliegen damit weiterhin nur Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. Wird die ausstehende Einlage gegen eine solche Forderung aufgerechnet, ist die Aufrechnung ggf. anfechtbar578.

III. Keine reale Vermögensstrukturerhaltung Nach den bisherigen Erkenntnissen vermögen die dem Garantiekapital traditionell zugeschriebenen Funktionen des Betriebskapitals und des Haftungsfonds die Rechtsfortbildung nicht zu legitimieren. Dieses Zwischenergebnis steht auch mit einheitlichen Grundwertungen des Kapitalschutzes in Übereinstimmung, da es – bei genauerem Hinsehen – auf Seiten der § 57 Abs. 1 S. 1 AktG, § 30 GmbHG seine Entsprechung findet. 1. November-Urteil und Korrektur durch das MoMiG In dem berühmten November-Urteil579 entschied der II. Zivilsenat, dass Kreditgewährungen an Gesellschafter, die nicht aus Rücklagen oder Gewinnvorträgen, sondern zu Lasten des gebundenen Vermögens der GmbH erfolgen, auch bei marktüblicher Verzinsung und vollwertigem Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft als verbotene Auszahlung anzusehen seien. U. a. wurde diese Auffassung wesentlich von zwei Begründungsansätzen getragen, die auch den Hintergrund der Vollwertigkeits-Debatte ausmachen: Die durch § 30 Abs. 1 GmbHG gebundenen 575

Nach ganz h.M. gelten die Ausschüttungssperren deshalb nicht für Gesellschafterforderungen aus Drittgeschäften, vgl. nur H.-F. Müller, in: MünchKomm/GmbHG, § 73 Rn. 4 m. w. Nachw. 576 Huber/Habersack, BB 2006, 1 (2 f.); ablehnend Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1657). 577 Vgl. Habersack, in: ErgBd. MoMiG, § 30 Rn. 29. 578 § 8 II. 2. 579 NZG 2004, 233.

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liquiden Mittel seien der Gesellschaft als Mindestbetriebskapital und den (Fremd-) Gläubigern als Befriedigungsreserve gewidmet580. Der BGH hielt es daher für unerheblich, dass bei einem vollwertigen Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft sich die Vermögensdisposition nicht bilanziell niederschlägt, es vielmehr nur zu einem reinen Aktiventausch kommt581. Diese Begründung warf in der Folge die Frage auf, ob aus ihr nicht noch wesentlich weitergehende Schlussfolgerungen zu ziehen seien: Konsequent hätte man dann bei Bestehen einer Unterbilanz jedweden Leistungsaustausch mit einem Gesellschafter, der zum Abzug liquider Mittel führt, als verbotene Auszahlung ansehen müssen582. Die November-Entscheidung rief, da die Praxis vor allem das Cash Pooling als etabliertes Instrument der Konzernfinanzierung in Gefahr sah583, ein beträchtliches literarisches Echo hervor584. In Reaktion hierauf führte der Gesetzgeber § 57 Abs. 1 S. 3 Alt. 2 AktG, § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG ein, wonach Leistungen an den Gesellschafter dann keine verbotene Auszahlung begründen, wenn sie durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt sind. § 30 Abs. 1 GmbHG gewährleiste nicht, das Gesellschaftsvermögen in seiner konkreten Zusammensetzung zu erhalten585. Rechtspolitisch verfolgte der Gesetzgeber das Anliegen, die Unterhaltung und Abwicklung sinnvoller Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zu erleichtern586. Im Übrigen sei § 30 Abs. 1 GmbHG „vor dem Hintergrund anderer Schutzinstrumente im Gesellschaftsrecht zu sehen, dem Deliktsrecht, den Rechtsprechungsregeln über den existenzvernichtenden Eingriff, der Geschäftsführerhaftung nach § 43 [GmbHG] und der Insolvenzanfechtung“; daneben wird § 64 S. 3 GmbHG angeführt. 2. Übertragung Das vom BGH im November-Urteil noch für richtig befundene Gebot einer realen Vermögensstrukturerhaltung587 des durch § 30 Abs. 1 GmbHG gebundenen Vermögens findet sein Pendant im Anliegen der Rechtsfortbildung des Vollwertig580 So BGH NZG 2004, 233 (234) unter Bezugnahme auf Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 335 (349, 352); W. Schön, ZHR 159 (1995), 351 (362). 581 Auch im Anschluss an das November-Urteil wurde verallgemeinernd davon gesprochen, das Stammkapital der Gesellschaft deckende Vermögen sei als zweckgebundenes Betriebskapital zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks einzusetzen, wozu sich die Gesellschafter bei der Darlehensausreichung in Widerspruch setzten, Servatius, DStR 2004, 1176 (1179 ff.). 582 Pentz, in: Rowedder-Schmidt/Leithoff, § 30 Rn. 34; Cahn, Der Konzern 2004, 235 (238). Im Aktienrecht wäre dies, auch wenn der BGH so sicher nicht verstanden werden wollte, offensichtlich höchst problematisch geworden. 583 Statt vieler Vetter, BB 2004, 1509 ff. 584 Umfangr. Nachw. bei Habersack, in: Ulmer, 1. Aufl. 2005, § 30 Rn. 49. 585 Begr. RegE Bt.-Drucks. 16/6140, S. 41. 586 Begr. RegE, a.a.O. Fn. 585. 587 Ekkenga, in: MünchKomm/GmbHG, § 30 Rn. 13.

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Kap. 2: Aufrechnung

keitsgebots: Dieses liegt in der Bestrebung, eine reale Vermögensaufbringung durch Aufrechnung mit der durch § 66 Abs. 1 AktG, § 19 Abs. 2 GmbHG geschützten Einlageforderung zu gewährleisten. Mit anderen Worten entspricht dem angenommenen Verbot eines realen Mittelabflusses des zu erhaltenden Vermögens das Gebot eines realen Mittelzuflusses des aufzubringenden Vermögens588. Selbstverständlich hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Darlehensvergabe an Gesellschafter nicht an die hier untersuchte Rechtsfortbildung gedacht. Die gesetzgeberische Korrektur des November-Urteils wirft aber nichtsdestotrotz die Frage auf, warum das Kapitalschutzrecht im Rahmen der Kapitalaufbringung Schutzzwecke verwirklichen sollte, denen der Gesetzgeber auf der anderen Flanke des Kapitalschutzes nunmehr ausdrücklich die Anerkennung verweigert. Wieso darf ein Gläubiger der Gesellschaft darauf vertrauen, dass Resteinlagen als Betriebsmittel real eingezogen werden bzw. in einem Haftungsfonds erhalten bleiben, während er umgekehrt gerade nicht mehr darauf rechnen darf, dass die durch § 57 Abs. 1 AktG, § 30 Abs. 1 GmbHG gebundenen liquiden Mittel als Betriebsmittel der Gesellschaft und als Haftungsfonds erhalten bleiben? Hinsichtlich der Mindesteinlage ist diese abweichende Beurteilung gerechtfertigt, da dem Gesetz insofern tatsächlich das Gebot realer Kapitalaufbringung zu entnehmen ist589. Bei der Aufrechnung mit Resteinlagen sucht man indessen vergeblich nach einer Rechtfertigung dieses gesteigerten Vertrauensschutzes, da eine reale Leistung dieses Teils der Einlage ganz allgemein nicht gewährleistet wird. Die Aufrechnung mit Resteinlageforderungen wird durch das Vollwertigkeitsgebot in ähnlicher Weise verkompliziert, wie das November-Urteil Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter erschwert hat. Und schließlich ist die hier befürwortete Aufgabe des Vollwertigkeitsgebots nicht anders als die gesetzgeberische Zurücknahme des November-Urteils in einem größeren Kontext zu sehen. Ebenso wie bei § 57 Abs. 1 S. 3 Alt. 2 AktG, § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG greifen auch im hiesigen Zusammenhang alternative Gläubigerschutzinstrumente Platz590.

IV. Zur Seriositätsfunktion Neben den in der Rechtsprechung zu findenden Ansätzen ist noch in jüngerer Zeit versucht worden, das Vollwertigkeitsgebot mit anderen Schutzanliegen des festen Kapitals zu untermauern. Nach Drygala lässt sich das Vollwertigkeitsgebot bei der Aufrechnung auf die Seriositätsfunktion des festen Kapitals zurückführen. 588 Bezüge zwischen Kapitalaufbringung und -erhaltung sind bereits in der Diskussion um die November-Entscheidung aufgezeigt worden. Zutreffend wurde dem BGH entgegengehalten, dass § 7 Abs. 2 GmbHG es der Gesellschaft erlaubt, die Resteinlageforderung unbefristet, zinslos und ohne Sicherung stehen zu lassen, Cahn, Der Konzern 2004, 235 (240); Wessels, ZIP 2004, 793 (795); dies konzedierend auch Habersack, in: Ulmer, 1. Aufl. 2005, § 30 Rn. 49 („Wertungswiderspruch“). 589 § 6 I. 2. 590 § 8.

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1. Risikobeteiligung des Gesellschafters (Drygala) Den Hintergrund für diese Auffassung bildet die Ansicht, der Gesetzgeber habe mit dem MoMiG die Bedeutung des gesetzlichen Kapitals (zumindest auch) auf ein Seriositätssignal umgestellt, das den Gläubigern der Gesellschaft einen Risikobeitrag des Gesellschafters zusage591: Das feste Kapital gewährleiste den Gläubigerschutz dadurch, indem es den Gesellschaftern einen Eigenbeitrag à fonds perdu abverlange und dadurch positive Verhaltensanreize setze. Die Aussicht, den eingesetzten Betrag verlieren zu können, diszipliniere die Gesellschafter ähnlich dem Selbstbehalt bei einer Schadensversicherung und halte sie so von der Eingehung übermäßiger Risiken ab. Die Gläubiger erhielten daher durch das feste Kapital das verbindliche Signal, dass Verluste nicht ausschließlich zu ihren Lasten gehen und könnten auf ein Mindestmaß seriöser Unternehmensführung vertrauen592. In der praktischen Anwendung auf die Problematik der Aufrechnung begründet dieser Ansatz das Vollwertigkeitsgebot somit aus Sicht des Gesellschafters593. Die Aufrechnung mit einer abgewerteten Forderung bedeute keinen hinreichenden Risikobeitrag des Inferenten, da dieser bei Wirksamkeit der Aufrechnung die Differenz zwischen abgewerteter Forderung und Nennwert der Einlageforderung nicht leisten müsse594. Im Unterschied zu P. A. Schön ist nach diesem Ansatz die Risikobeteiligung also nicht lediglich logische Konsequenz einer – in dieser Form ohnehin nicht anzuerkennenden – „Haftungsfondstheorie“, sondern der eigentliche Kern des Vollwertigkeitsgebots. Der Ansatz von Drygala führt daher in seiner konsequenten Durchführung auch zur Aufgabe des Vollwertigkeitsgebots in den Drei-Personen-Konstellationen595. Bei der Leistung an einen Dritten auf Anweisung der Gesellschaft kann das Vollwertigkeitsgebot nach dieser Überlegung eben gerade nicht gelten, da sich der Gesellschafter hier gerade definitiv und abschließend des geschuldeten Betrags begibt596. Nichts anderes gilt bei Abtretung und Pfändung, da das Vollwertigkeitsgebot hier überhaupt nicht den Gesellschafter(-Gläubiger), sondern die Fremdgläubiger der Gesellschaft trifft, denen natürlich kein unternehmerischer Risikobeitrag abverlangt werden kann597.

591 Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 32; zuvor bereits ders., ZGR 2006, 587 (589 ff., 595 ff., 602). 592 Drygala, ZGR 2006, 587 (595 ff.) m. w. Nachw. 593 Drygala, ZGR 2006, 587 (616 f., s. auch 608), ders., in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 32. 594 Unverständlich bleibt, warum Drygala ausdrücklich nicht, was eigentlich nur konsequent wäre, für den Tatbestand der Vollwertigkeit auf den Abwertungsbedarf der Forderung aus Sicht des Gesellschafters abstellen möchte, KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 30. 595 Eine Konsequenz, die insoweit im Ergebnis freilich auch nach hier vertretener Auffassung Zustimmung verdient, dazu unter § 9. 596 Drygala, ZGR 2006, 587 (618 f.); ders., in: KölnKomm/AktG, § 54 Rn. 65, § 66 Rn. 53. 597 Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 53 ff.

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Kap. 2: Aufrechnung

2. Stellungnahme Zunächst sei vorausgeschickt, dass dieser Ansatz ein recht weitgehendes Verständnis von der Seriositätsgewähr des festen Kapitals entwickelt, das jedenfalls von der überwiegenden Ansicht in dieser Form nicht geteilt werden dürfte. Unter der Funktion des Mindestkapitals als einem Seriositätssignal598 wird zunächst häufig keine materielle, sondern nur eine ordnungspolitische Dimension599 verstanden. Es ist so gemeint, dass unsolide Unternehmungen von vorneherein der Zugang zur beschränkten Haftung verweigert wird600. Der Begriff einer Seriositätsschwelle601 bringt dies deutlich zum Ausdruck. Der Gläubigerschutz ist damit abstrakt. Eine so verstandene Form der „Seriositätsgewähr“ wird durch das Vollwertigkeitsgebot bei der Aufrechnung von Resteinlagen mit Neuforderungen im Ansatz nicht gewährleistet602 und durch die hier entwickelte Auffassung nicht in Frage gestellt: Eine ungeschriebene Aufrechnungsschranke dürfte ohnehin wenig geeignet sein, die Rechtsformwahl unseriöser Gründer in irgendeiner Form zu beeinflussen. Davon abgesehen wird es im Zeitpunkt der Gründung regelmäßig nicht von Belang und nicht vorhersehbar sein, wie sich die Dinge entwickeln, ob und wann ausstehende Einlage zu welchen Zwecken benötigt werden, ob dem Gesellschafter Gegenforderungen entstehen, usw. Gegen eine so verstandene Seriositätsgewähr und für die weitergehende Auffassung von Drygala könnte man freilich in der Tat anführen, dass sich diese Schutzwirkung mit Einführung der UG (§ 5a GmbHG) nicht mehr erzielen lässt603. Als „fakultative Seriositätsschwelle“ ergibt ein Stammkapital keinen Sinn. Die Gründer, die das Mindestkapital nicht zeichnen oder die Mindesteinlage nicht leisten wollen, können schließlich durch die Hintertür ohne Schwelle in den Genuss der Haftungsbeschränkung gelangen. Dennoch ist unbestritten, dass der Gesetzgeber an vereinzelter Stelle auf den Seriositätsgedanken rekurriert hat. Auch schon vor dem MoMiG wurde der Seriositätsgedanke teilweise weniger in dem oben skizzierten ordnungspolitischen Verständnis und mehr in der verhaltenssteuernden Wirkung eines Mindestinvestments gesehen604. Es geht hierbei darum, den Gläubigern – im Fall der GmbH freiwillig605 – ein Mindestmaß seriöser Unternehmensführung zu signalisieren. Der Ansatz von Drygala erweitert diesen 598

Fleischer, in: Michalski, Systematische Darstellungen 5, Rn. 62; Verse, in: Scholz, § 30 Rn. 2; Goette, DStR 2005, 197 (198); Kuhner, ZGR 2005, 753 (768). 599 Vgl. Kleindiek, ZGR 2006, 335 (343). 600 Kritisch etwa Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (93). 601 Schäfer, in: Henssler/Strohn, § 5 GmbHG Rn. 3; Wicke, § 5 Rn. 3; Heckschen, DStR 2007, 1442 (1445); Heidinger, DNotZ 2005, 97 (104). 602 So ist dies selbstverständlich auch von Drygala nicht gemeint. 603 Vgl. aber noch sogleich im Text. 604 Z. B. Vetter, ZGR 2005, 788 (800 f.); Mohren, Leistungsstörungen bei Sacheinlagen, S. 23 ff., 26 ff. 605 Bachmann, NZG 2011, 441 (445).

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Gedanken dann hin zu einem materiellen (Auslegungs-)Kriterium eines „werthaltigen Risikobeitrags“, mit dessen Hilfe zahlreiche Einzelfragen der Kapitalaufbringung und -erhaltung gelöst werden können606. Für eine so weitreichende Schlussfolgerung kann allerdings der Gesetzgeber des MoMiG nicht vereinnahmt werden: Dieser hat sich zwar rechtspolitisch tatsächlich von der Idee des Mindestkapitals als einem Seriositätssignal leiten lassen und daher davon abgesehen, das Mindestkapital der GmbH gänzlich zu verwerfen607. Wie genau die Seriositätsgewähr vonstatten gehen soll, lässt sich der Begründung aber nicht ansatzweise entnehmen; an einer Stelle fällt jedenfalls der das enge, ordnungspolitische Verständnis voraussetzende Begriff der „Seriositätsschwelle“608. Als tragender Leitgedanke eines neuverstandenen Kapitalschutzes ist die Idee der Seriositätsgewähr dagegen eindeutig nicht herausgestellt worden. Im Gegenteil heißt es im Allgemeinen Teil recht eindeutig, dass das „bewährte Haftkapitalsystem […] nicht in Frage gestellt“ werden solle609. Angesichts dieser Aussage wiegt die Begründungslast der Verfechter einer neuen Kapitalteleologie recht schwer610. Behält man dies im Sinn, vermag die These von der Risikobeteiligung das Vollwertigkeitsgebot bei der Aufrechnung mit Resteinlageforderungen nicht zu rechtfertigen. So zutreffend es ist, dass sich der Gedanke des Seriositätssignals in den Materialien zur gescheiterten GmbH-Reform 1980 findet611, muss doch gesehen werden, dass diese Überlegung im geltenden Recht ausdrücklich nur bei der Leistung der Mindesteinlage einen Niederschlag gefunden hat; dies hat nach hier vertretener Auffassung zur Konsequenz, dass die Aufrechnung insofern schlechthin ausgeschlossen bleibt612. Auf Resteinlagen passt der Gedanke eines tatsächlichen, werthaltigen Risikobeitrags ohnehin schon ganz allgemein nicht richtig. Man stößt hier wiederum auf die benannten Widersprüche. Zwingende Automatismen, dass die Resteinlage geleistet wird, bestehen nicht. Nach der klaren gesetzlichen Ausgangslage können Resteinlagen vielmehr zeitlich unbegrenzt ausstehen. Aus der nach dem Ansatz von Drygala maßgeblichen Sicht des Gesellschafters und der Gesellschaftsgläubiger gleicht dies einem zinslosen, unbefristeten und unbesicherten Darlehen – ein fragwürdiges Seriositätssignal613.

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Neben der Aufrechnungsproblematik etwa auch die Auslegung des Merkmals der freien Verfügung, vgl. dazu Drygala, ZGR 2014, 587 (608 ff.). 607 Bt.-Drucks. 16/6140, S. 26, 31. 608 Bt.-Drucks. 16/6140, S. 31. 609 Bt.-Drucks. 16/6140, S. 25. 610 Ablehnend auch Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Einleitung Rn. 50. 611 Vgl. Bt.-Drucks. 8/3908, S. 69; darauf hinweisend Drygala, ZGR 2006, 587 (596 m. Fn. 48). 612 Dazu unter § 6 I. 2. b). 613 Zudem kann die Resteinlageforderung aus unterschiedlichen Gründen entwertet werden und unterliegt insbesondere der Verjährung.

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Kap. 2: Aufrechnung

Vor allem aber lässt sich – wiederum – das hier verfolgte verfügungsbezogene Verständnis mit der von der Gegenansicht betonten Funktion der Einlage als einem Seriositätssignal in Einklang bringen. Die Aufrechnung mit nicht vollwertigen Gesellschafterforderungen steht nämlich gar nicht in Widerspruch zu dem von Drygala vorausgesetzten Verständnis des festen Kapitals. Darauf deutet schon die Auffassung von Schall hin. Dieser verfolgt zwar im Allgemeinen ähnlich dem Ansatz von Drygala eine neue „Kapitalteleologie der Seriositätsgewähr“614, will aber im Speziellen gleichwohl das Vollwertigkeitsgebot bei der Aufrechnung zugunsten einer insolvenzrechtlichen Lösung preisgeben615. Vergegenwärtigt man sich, dass die Einlageforderung bereits durch § 66 Abs. 1 AktG, § 19 Abs. 2 GmbHG der Gesellschaft zugewiesen wird und die in der Aufrechnung liegende Verfügung zugunsten des Gesellschafters die Schranken der § 57 Abs. 1, § 30 Abs. 1 GmbHG wahren muss, kann man die Preisgabe des Vollwertigkeitsgebots sehr wohl mit der verhaltenssteuernden Seriositätsfunktion in Einklang bringen. Bezogen auf die Kapitalerhaltung besteht der Grundgedanke der Seriositätsgewähr schließlich darin, dass die vom Gesellschafter zur Verfügung gestellten Mittel nicht wieder abgezogen werden dürfen616. Genau dies wird aber durch den hier verfolgten Ansatz nicht in Frage gestellt. So bleibt es etwa einer GmbH selbstverständlich untersagt, die ausstehende Einlage gegen eine Forderung des Gesellschafters aufzurechnen, der die Einwendung aus § 30 GmbHG entgegensteht617.

V. Fazit Nach alldem vermögen die Funktionen des festen Kapitals die Einschränkung der Aufrechnung durch das Vollwertigkeitsgebot nicht zu rechtfertigen. Dies gilt insbesondere für die betriebsmittel- und die haftungsfondsbezogene Begründung. Die betriebsmittelbezogene Begründung besteht darin, dass in den Fällen einer Aufrechnung, Anweisungsleistung etc. trotz fehlender Vollwertigkeit der aufgerechneten Forderung bzw. der getilgten Drittforderung keine Zahlungswirkung eintritt (zahlungsbezogener Ansatz) bzw. die Einlageforderung gegen ein minderwertiges Erfüllungssurrogat ersetzt wird (forderungsbezogener Ansatz). Die Gesellschaft realisiert also das Einlagenkapital nicht in der durch das Grund- bzw. Stammkapital vorgegebenen Höhe. Diese Begründung wird von der frühen Rspr. des RG in Zusammenhang mit Abtretbarkeit und Pfändbarkeit der Einlageforderung zutreffend widerlegt. Der zentrale Gedanke dieser Entscheidungen liegt darin, dass die Einlage nicht ihre Betriebsmittelfunktion verliert, wenn sie in Ersparung eines Hin- und Weiterzahlens unmitelbar an einen Gläubiger der Gesellschaft an Erfüllung statt oder erfüllungshalber abgetreten wird. Da die Einlage ohne Beschränkung durch Kapi614 615 616 617

Schall, Gläubigerschutz, passim (insbes. S. 95 ff., 103 ff.), ders., ZGR 2009, 126 ff. Gläubigerschutz, S. 144 f. Vgl. auch Drygala, ZGR 2006, 587 (624 ff., 627). § 5 III.

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talaufbringungsgrundsätze in diesen Fällen eingezogen und an den Gläubiger weitergezahlt werden könnte, ist die Abtretung selbst dann nach dieser Rspr. wirksam, wenn die Gläubigerforderung wirtschaftlich nicht vollwertig ist. Dass die Einlagen derart ggf. unternehmerisch verschwendet werden, indem sie etwa als Vergütung für nicht ausgewogene Austauschgeschäfte hergegeben werden, ist nicht durch die Kapitalaufbringung sanktioniert. Diese zutreffenden Prämissen beanspruchen bei Lichte besehen in allen hier untersuchten Fallgruppen, insbesondere auch bei Aufrechnung und Anweisungsleistung Geltung. Die betriebsmittelbezogene Begründung ist durch den BGH in der Sache nicht mehr fortgeführt, sondern durch die haftungsfondsbezogene Begründung ersetzt worden. Der Unterschied liegt im Ausgangspunkt darin, dass das Vollwertigkeitsgebot nach der neueren Rechtsprechung aus einer anderen Perspektive gerechtfertigt wird. Die betriebsmittelbezogene Begründung des RG setzt unmittelbar bei der Gesellschaft an, indem angenommen wird, dieser fließe in den Fällen fehlener Vollwertigkeit (angeblich) nicht das volle Einlagenkapital zu; die Gläubiger werden hierdurch mittelbar – in ihrem Vertrauen auf den Grund- bzw. Stammkapitalbetrag – beeinträchtigt. Die haftungsfondsbezogene Begründung setzt dagegen unmittelbar bei den Gesellschaftsgläubigern an. Die ratio decidendi des Vollwertigkeitsgebots liegt nach dieser Begründungsvariante darin, dass durch eine Aufrechnung mit der Einlageforderung bei fehlender Vollwertigkeit – bzw. einer sonstigen Verfügung oder Pfändung – ein angeblich bestehender Vorrang der Fremdgläubiger vor den Gesellschaftsgläubigern verletzt wird618. Die Prämisse des Fremdgläubigervorrangs kommt freilich nur in solchen Konstellationen zum Tragen, in denen eine Konkurrenz zwischen Fremd- und Gesellschaftsgläubigern um die ausstehende Einlage überhaupt besteht. Aus dem Gedanken des Grund- bzw. Stammkapitals als einem Haftungsfonds für die Gesellschaftsgläubiger lässt sich jedoch ein struktureller Vorrang der Fremdgläubiger vor den Gesellschaftsgläubigern nicht ableiten. Die hier entwickelte Auffassung lässt sich ferner dadurch stützen, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich dem berühmten November-Urteil des BGH den Boden entzogen hat. In dieser Entscheidung hatte der BGH für die Kapitalerhaltung angenommen, die gem. § 30 Abs. 1 GmbHG gebundenen liquiden Mittel müssten der Gesellschaft real verbleiben und dürften nicht an die Geselschafter als Darlehen ausgereicht werden. Auch hier standen die Überlegungen im Hintergrund, solche Mittel müsste der Gesellschaft als Betriebskapital zur Verfügung stehen und für die Fremdgläubiger als Haftungsfonds reserviert sein. Die gedankliche Verwandtschaft zur Vollwertigkeitsrechtsprechung ergibt sich daraus, dass nach Letzterer die durch § 19 GmbHG geschützten Einlagen real in das Gesellschaftsvermögen gelangen sollen, während nach dem November-Urteil die § 30 Abs. 1 gebundenen Mittel real im Gesellchaftsvermögen verbleiben müssen. Nachdem die Kapitalschutzreform das 618 Die zweite Annahme der Haftungsfondstheorie besteht darin, dass die Fremdgläubiger untereinander nur gleichmäßig auf die Einlage zugreifen können; vgl. dazu noch eingehend unter § 9 IV.

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Kap. 2: Aufrechnung

November-Urteil zurückgewiesen und die Problematik der Darlehensvergabe ausdrücklich an ein insolvenzrechtliches Regime verwiesen hat, muss selbiges auch mit der Vollwertigkeitsrechtsprechung geschehen. Dies gilt umso mehr, als auch eine auf die Seriositätsfunktion abstellende Begründung die Rechtsfortbildung nicht überzeugend erklären kann. Die Seriositätsfunktion des Garantiekapitals wird zudem auch nach dem hier vertretenen verfügungsbezogenen Ansatz nicht in Frage gestellt.

§ 8 Insolvenzbezogene Zulässigkeitsschranken Wie die Untersuchung des Vollwertigkeitsgebots bislang gezeigt hat, implantiert diese Rechtsfortbildung an entscheidenden Stellen haftungs- und insolvenzrechtliche Wertungen, ohne dass das Kapitalschutzrecht nach hier vertretener Ansicht dafür eine tragfähige Grundlage bietet. Diese Feststellung fordert es geradezu heraus, die eigentlichen, an Stelle des Vollwertigkeitsgebots zur Anwendung berufenen insolvenzbezogenen (Verfügungs-)Schranken auszuloten. Da die Aufrechnung mit der Einlageforderung immer zumindest auch von der Gesellschaft vorzunehmen ist (§ 66 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG), ist in einem ersten Schritt stets an die Möglichkeit der Geschäftsleiterhaftung zu denken, die sich aus der Verletzung der insolvenzbezogenen Zahlungsverbote ergeben kann (I.). Der Gesellschafter, der nach dem hier befürworteten verfügungsbezogenen Ansatz als Zuwendungsempfänger gelten muss, kann nach den Bestimmungen der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff., 143 InsO) in Anspruch genommen werden (II.).

I. Geschäftsleiterhaftung für Zahlungen In einem nicht unerheblichen Teil der Fälle, die die Rechtsprechung mittels des Vollwertigkeitsgebots gelöst hat, dürfte der Geschäftsleiter ein insolvenzbezogenes Zahlungsverbot verletzt haben. Zu unterscheiden ist zwischen einer Zahlung, die bereits im Stadium der materiellen Insolvenz erfolgt und solchen Zahlungen, die die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft überhaupt erst herbeiführen. 1. Zahlungen bei Insolvenzreife Zunächst sind die §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 S. 1 AktG, § 64 S. 1 GmbHG in den Blick zu nehmen. Nach diesen Vorschriften hat der Geschäftsleiter der Gesellschaft Zahlungen zu ersetzen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung geleistet worden sind.

§ 8 Insolvenzbezogene Zulässigkeitsschranken

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a) Normzweck und Rechtsnatur Über die genaue ratio des Zahlungsverbots herrscht keine Einigkeit619. Überwiegend wird gesagt, es gehe dem Gesetz um die Erhaltung des im Zeitpunkt der materiellen Insolvenz noch vorhandenen Gesellschaftsvermögens zugunsten der Altund Neugläubiger der Gesellschaft620. Es solle also eine Schmälerung der „potentiellen Insolvenzmasse“621 verhindert werden. Obwohl jedenfalls die h.M. den Erstattungsanspruch konzeptionell von der Insolvenzverschleppungshaftung trennen möchte622, wird verbreitet doch auf den Zusammenhang mit der Antragspflicht der Geschäftsleiter (§ 15a Abs. 1 InsO) hingewiesen623. Z. T. wird den Zahlungsverboten insofern eine Verhaltenssteuerungsfunktion beigemessen, da die drohende Haftungssanktion den Geschäftsleiter zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags anhalten solle624. Unterschiedlich beurteilt wird auch, ob mit dem Zweck der Masseerhaltung einhergeht bzw. als weiterer Schutzzweck anzuerkennen ist, dass die Zahlungsverbote eine Gleichbehandlung der Gläubiger sicherstellen wollen625, also die insolvenzrechtliche par conditio creditorum zeitlich vorverlagern626. Dies ist indessen zweifelhaft627, schon weil der Erstattungsanspruch nach dem BGH nicht nur mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern auch dann entsteht, wenn die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird628. Noch weitaus kontroverser wird darüber gestritten, auf welche Weise die Zahlungsverbote den Gläubigerschutz zu erreichen suchen629. Die h.M. versteht die Haftung als einen Ersatzanspruch eigener Art, der grds. zum Ausgleich jeder einzelnen Zahlung führe630. Abweichende Konzepte sehen einen deliktsähnlichen Schadensersatzanspruch und wollen die Zahlungsverbote mit 619

Vgl. auch Arnold, in: Henssler/Strohn, § 64 GmbHG Rn. 2. BGH NJW 2001, 304 (305); Nerlich, in: Michalski, § 64 Rn. 40; Bitter, ZInsO 2010, 1505 (1512). 621 K. Schmidt, in: Scholz, § 64 Rn. 6. 622 Dazu sogleich im Text. 623 BGH NJW 1974, 1088 (1089); vgl. auch NJW 2001, 1280 (1283). 624 Haas, in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 3. Nicht recht erklärbar ist dann aber, warum der Geschäftsleiter bereits für Zahlungen ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, vgl. hierzu K. Schmidt, in: Scholz, § 64 Rn. 37, nicht dagegen erst für Zahlungen nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist haften soll. 625 Dafür etwa BGH NJW 2003, 2316; NZG 2008, 508 (509, Tz. 10); Casper, in: ErgBd. MoMiG, § 64 Rn. 4; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 92 AktG Rn. 2. 626 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 92 Rn. 18; Spindler, in: MünchKomm/AktG, § 92 Rn. 23. 627 Dagegen etwa K. Schmidt, in: Scholz, § 64 Rn. 6; Bitter, WM 2001, 666 (669); Thole, Gläubigerschutz, S. 701 f. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 64 Rn. 1, bezeichnet den Normzweck der par conditio dagegen als unstreitig. 628 BGH NJW 2001, 304 (305). Die §§ 130 – 132 InsO, die nach h.M. unmittelbar die par conditio sichern, haben dagegen gerade kein Pendant im AnfG. 629 Umstr. ist mithin „Normansatz und Normstruktur“, K. Schmidt, in: Scholz, § 64 Rn. 7. 630 BGH NJW 1974, 1088 (1089); NJW 2001, 1280 (1283). 620

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Kap. 2: Aufrechnung

wiederum differierenden Ansätzen mit der Insolvenzverschleppungshaftung koordinieren631. Diesen Kontroversen muss hier nicht weiter nachgegangen werden, denn ungeachtet der zwischen den einzelnen Ansätzen bestehenden Unterschiede ist zumindest eines unbestritten: Den Zahlungsverboten bei materieller Insolvenz kommt eine Funktion zu, die die Vollwertigkeitsrechtsprechung gleichfalls erfüllen will. Das Anliegen der Rechtsfortbildung besteht in der Sache darin, die Fremdgläubiger bei einer – wie auch immer im Einzelnen zu bestimmenden – Vermögensknappheit der Gesellschaft vor der mit der Aufrechnung der Einlageforderung verbundenen Schmälerung des Gesellschaftsvermögens zu schützen. Während nach hier vertretener Ansicht das Kapitalschutzrecht aber innerhalb der definierten Grenzen (§ 57 Abs. 1 AktG, § 30 Abs. 1 GmbHG) dafür keine Handhabe bietet, vermögen die Zahlungsverbote zu erklären, warum bei materieller Insolvenz selbst eine bestehende und fällige Gesellschaftsverbindlichkeit ggf. nicht getilgt werden darf. Die entscheidende Weichenstellung liegt eben darin, dass diese Verbote nach ganz h.M. unmittelbar die Gläubiger der Gesellschaft schützen632. b) Zahlung durch Aufrechnung Keine größeren Schwierigkeiten wirft der Tatbestand im hiesigen Zusammenhang auf. Entgegen dem aus historischen Gründen eng geratenen Wortlaut633 erfassen die §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 S. 1 AktG, § 64 S. 1 GmbHG nach heute ganz h.M. nicht nur „Zahlungen“ im engeren Sinne634. Vielmehr werden im Grundsatz auch andere Leistungen erfasst, soweit sie zu einer Schmälerung des Gesellschaftsvermögens führen635. Die Aufrechnung mit Forderungen der Gesellschaft ist daher ebenfalls erfasst636. Die Gretchenfrage besteht darin, ob und inwiefern den Geschäftsleiter eine Gegenleistung entlasten kann, die die Gesellschaft im Austausch für die Zahlung erlangt. Auch auf Grundlage der h.M., die von einem Erstattungsanspruch eigener Art ausgeht, ist man sich im Grundsatz darüber einig, dass eine 631 Vgl. K. Schmidt, in: Scholz, § 64 Rn. 9 (m. w. Nachw); ders., ZHR 168 (2004), 637 ff.; Bitter, WM 2001, 666 (671 f.), ders., ZInsO 2010, 1505 (1515, 1517 f.), Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, § 64 passim. 632 Statt vieler Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 92 Rn. 18; anders nur Altmeppen/Wilhelm, NJW 1999, 673 (678); Altmeppen, ZIP 2001, 2201 (2205 f.). 633 Vgl. dazu K. Schmidt, ZIP 2008, 1401 (1404). 634 Zur abweichenden Auffassung des RG bereits oben bei Fn. 403. 635 BGH NZG 2000, 370 f., NZG 2009, 582 (Tz. 12); OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1443 (1445); Habersack, in: Großkomm/AktG, § 92 Rn. 93; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 92 Rn. 22; Nerlich, in: Michalski, § 64 Rn. 41 f.; Schall, Gläubigerschutz, S. 185. 636 Arnold, in: Henssler/Strohn, § 64 GmbHG Rn. 17; Haas, in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 67; Mätzig, in: Ziemons/Jaeger, § 64 Rn. 49; K. Schmidt, in: Scholz, § 64 Rn. 20; ders., ZIP 2008, 1401 (1404) („unstreitig“); Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 64 Rn. 34.

§ 8 Insolvenzbezogene Zulässigkeitsschranken

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werthaltige Gegenleistung als bloßer Aktiventausch dem Geschäftsleiter zugutekommen muss637. In diesem Zusammenhang sind allerdings eine ganze Reihe elementarer Fragen noch ungeklärt638, die teilweise auf die oben erwähnte Grundlagendiskussion zurückführen: Wird durch eine solche Gegenleistung bereits die „Zahlung“ ausgeschlossen639 oder kann dieses nur im Rahmen von § 92 Abs. 2 S. 2 AktG, § 64 S. 2 GmbHG berücksichtigt werden640 ? In welchem zeitlichen Ablauf muss der Leistungsaustausch stattfinden? Sicher handelt es sich um einen Aktiventausch, wenn der Geschäftsleiter zunächst einen Kaufpreis leistet und die Gesellschaft anschließend Ware geliefert bekommt641. Wenn dagegen die Gesellschaft zunächst beliefert wird und anschließend zahlt, könnte man den Fall freilich anders bewerten, da dann mit Kaufpreiszahlung die bestehende Aktivmasse der Gesellschaft verringert wird642. Kommt es für die Werthaltigkeit lediglich auf den Zeitpunkt des Austauschgeschäfts an643 oder muss der Gegenwert noch bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gesellschaftsvermögen voll erhalten bleiben644 ? Wenn man Letzteres annehmen will, wäre z. B. bei der Tilgung von Mietzinsforderungen (durch Zahlung oder Aufrechnung mit der Einlageforderung) die der Gesellschaft im Gegenzug eingeräumte Gebrauchsüberlassung nicht anzusetzen, da diese sich im Zeitpunkt des Gebrauchs „selbst verzehrt“645. Hält man die Erhaltung des Gegenwerts bis zur Verfahrenseröffnung für erforderlich, ist ferner ungeklärt, ob eine erschwerte Liquidation des Leistungsgegenstands zulasten des Geschäftsleiters zu berücksichtigen ist646. Die Zahlung führt nicht zu einer Ersatzpflicht, wenn sie ausnahmsweise mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar ist (§ 92 637

Im Grundsatz ist man sich hierüber einig; statt vieler BGH NJW 1974, 1088 (1089); anders noch Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, 17. Aufl. 2000, § 64 Rn. 76. 638 Dazu insbes. Strohn, NZG 2011, 1161 (1164): „wird Aufgabe des Senats sein, diese Auslegung des Begriffs „Zahlung“ näher zu konkretisieren“; Thole, Gläubigerschutz, S. 716 ff. 639 So Haas, in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 75; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 64 Rn. 36. 640 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 92 AktG Rn. 13; Koch, in: Hüffer/Koch, § 92 Rn. 34; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 92 Rn. 21; Nerlich, in: Michalski, § 64 Rn. 46. 641 Hierzu Strohn, NZG 2011, 1161 (1165). 642 Vgl. Strohn, NZG 2011, 1161 (1164), der die Frage offenlässt. Nach Haas, in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 71 ist eine „unmittelbare“ Gegenleistung erforderlich. 643 Dafür neuerdings BGH NZG 2015, 149 Rn. 11; Casper, in: ErgBd. MoMiG, § 64 Rn. 89; H.-F. Müller, in: MünchKomm/GmbHG, § 64 Rn. 137; Schall, Gläubigerschutz, S. 194. 644 So noch BGH NJW 1974, 1088 (1089); NZG 2000, 1222; NZG 2003, 582 (583); vgl. auch Haas, in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 73 f. 645 Vgl. Haas, in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 72; in Betracht kommen dann nur § 92 Abs. 2 S. 2 AktG, § 64 S. 2 GmbHG. 646 Dafür etwa Casper, in: ErgBd. MoMiG, § 64 Rn. 89 (Bsp.: Erwerb einer an sich werthaltigen Spezialmaschine); vgl. auch Strohn, NZG 2011, 1161 (1165).

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Abs. 2 S. 2 AktG, § 64 S. 2 GmbHG). Neben den dazu entwickelten allgemeinen Grundsätzen647 ist die Doppelnatur der Aufrechnung zu beachten, die neben der Tilgung der Verbindlichkeit ebenfalls der Durchsetzung der Einlageforderung dient648. Ein Geschäftsleiter wird sich daher ggf. damit entlasten können (§ 92 Abs. 2 S. 2 AktG, § 64 S. 2 GmbHG), dass die Einlageforderung nicht oder nicht mehr in voller Höhe realisierbar war. In einem solchen Fall wird das Gesellschaftsvermögen nicht zum Nennbetrag der aufgerechneten Forderungen geschmälert. Der wichtigste Fall wird derjeinge sein, dass der Inferent nicht mehr in voller Höhe leistungsfähig und die Einlageforderung aus diesem Grund „gefährdet“ war649. Bzgl. der Rechtsfolgen ist zu bedenken, dass der Ersatzanspruch nach ganz h.M. nicht subsidiär gegenüber einem eventuell bestehenden Insolvenzanfechtungsanspruch gegen den Empfänger der Zahlung ist650. Der Geschäftsleiter kann also die Zahlung nicht verweigern, wenn der Insolvenzverwalter auch gegen den Gesellschafter als Zahlungsempfänger vorgehen könnte651. Anders als das Vollwertigkeitsgebot ermöglicht der verfügungsbezogene Ansatz damit ggf. die Haftung mehrer Personen. 2. Insolvenzverursachende Zahlungen Neben den Zahlungsverboten bei materieller Insolvenzreife können in den hier diskutierten Fällen die §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 S. 3 AktG, § 64 S. 3 GmbHG die Zulässigkeit der Aufrechnung begrenzen. Nach diesen Vorschriften müssen Vorstand und Geschäftsführer der Gesellschaft Zahlungen an Gesellschafter ersetzen, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, diese Folge war mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht erkennbar. In der Aufrechnung mit einer Einlageforderung liegt nach dem verfügungsbezogenen Ansatz notwendigerweise immer eine Zuwendung gerade an einen Gesellschafter. a) Normzweck und Anwendungsbereich In der Sache sollen die Neuregelungen vor allem „Ausplünderungen“ im Vorfeld der Insolvenz bzw. dem Abzug von überlebenswichtiger Liquidität unterbinden652. 647

Eingehend Spindler, in: MünchKomm/AktG, § 92 Rn. 29 ff. § 4 II. 649 Diesen Fall behandelt die h.M. als Ausnahme vom Vollwertigkeitsgebot, § 4 I. 3. a). 650 BGH NJW 1996, 850; NJW 2001, 1280 (1283); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 64 Rn. 19; Arnold, in: Henssler/Strohn, § 64 GmbHG Rn. 36; Haas, in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 109; H.-F. Müller, in: MünchKomm/GmbHG, § 64 Rn. 150; vgl. auch Koch, in: Hüffer/ Koch, § 92 Rn. 43. 651 Zum Ausgleich zwischen Geschäftsleiter und Anfechtungsgegner s. Haas, in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 110 m. Nachw. 652 Vgl. Begr. RegE Bt.-Drucks. 16/6140, S. 41, 46; vgl. auch Seibert, ZIP 2006, 1157 (1167). 648

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Insofern will der Gesetzgeber den neuen Haftungstatbestand im Allgemeinen als Ergänzung von bestehenden Gläubigerschutzmechanismen653 sowie im Besonderen als Korrektiv für die Zurücknahme der Kapitalerhaltung durch das MoMiG654 verstanden wissen. Die damit einhergehende partielle Kodifizierung der Existenzvernichtungshaftung soll nicht abschließend sein655. Dabei nimmt der Gesetzgeber ausdrücklich eine Anleihe an dem solvency test angloamerikanischer Prägung656. Im Problemkreis der Aufrechnung mit Einlageforderungen erfüllt das Verbot insolvenzverursachender Zahlungen damit eine Funktion, die die heute herrschende Auffassung noch mittels der Vollwertigkeits-Grundsätze löst. Das Vollwertigkeitsgebot i.w.S. soll nämlich auch einen – in seiner Reichweite freilich unklaren – Liquiditätsschutz verwirklichen657. Da dieser beim Kapitalschutz nach hier vertretener Ansicht falsch angesiedelt ist, erscheint auch hier die Anknüpfung an ein geschriebenes Zahlungsverbot vorzugswürdig. Der Anwendungsbereich des Zahlungsverbots wurde und wird kontrovers diskutiert. Der BGH hat in einer ersten Grundsatzentscheidung658 allerdings wichtige Fragen geklärt: Danach ist die „Zahlungsunfähigkeit“ des § 64 S. 3 GmbHG nicht abweichend von § 17 Abs. 2 InsO, § 64 S. 1 GmbHG auszulegen, sodass entgegen anderslautenden Vorschlägen659 fällige Gesellschafter(darlehens)forderungen in der Liquiditätsbilanz660 anzusetzen sind661. Damit können einmal Zahlungen tatbestandsmäßig sein, die eine unwesentliche Deckungslücke zu einer wesentlichen erweitern662 oder ohne Rechtsgrund bzw. auf einrede- oder einwendungsbehaftete Forderungen erfolgen663. Daneben kommen auch solche Zahlungen (auf fällige und 653

Vor allem der Haftung für Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, die im Vorfeld der materiellen Insolvenz gerade keinen Schutz bieten, sowie als Korrektiv zu den §§ 129 ff. InsO mit ihren teilweise kurzen Fristen und u. U. schwer nachweisbaren subjektiven Voraussetzungen, Begr. RegE Bt.-Drucks. 16/6140, S. 46. 654 Begr. RegE Bt.-Drucks. 16/6140, S. 42. 655 Begr. RegE Bt.-Drucks. 16/6140, S. 46. 656 Begr. RegE a.a.O. 657 § 4 I. 1. a) bb). 658 NZG 2012 1379. 659 Z. B. Casper, in: Ulmer, ErgBd. MoMiG, § 64 Rn. 114; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 567 (569); Spliedt, ZIP 2009, 149 (160); Utsch/Utsch, ZInsO 2009, 2271 (2275). 660 Vgl. BGH ZIP 2006, 2222 (Tz. 28); eine verbindliche Methode zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit hat der BGH bislang nicht vorgegeben, Mock, in: Uhlenbruck, § 17 Rn. 28. 661 BGH NZG 2012 1379 (Tz. 7 ff.); dafür auch OLG München ZIP 2010, 1236 (1237); zustimmend Brand, NZG 2012, 1374 (1375); Nolting-Hauff/Greulich, GmbHR 2013, 169 (170 ff.); grds. auch Arnold, in: Henssler/Strohn, § 64 GmbHG Rn. 49. 662 Vgl. das Beispiel von Desch, in: Bunnemann/Zirngibl, § 8 Rn. 86 a.E. 663 Haas, in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 129; Niesert/Hohler, NZI 2009, 345 (350). Z. B. die Zahlung auf eine Darlehensforderung, für die eine Rangrücktrittsvereinbarung besteht, BGH NZG 2012, 1379 (Tz. 13); zuzugeben ist, dass solche Fälle schon durch § 43 Abs. 2, 3 GmbHG sanktioniert sind, Bitter, ZInsO 2010, 1505 (1519).

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durchsetzbare Forderungen) in Betracht, die die Zahlungsunfähigkeit erst mittelbar herbeiführen. Der BGH664 hat hierfür das Beispiel angeführt, dass externe Kreditgeber die Rückführung des Gesellschafterdarlehens als Anlass zur eigenen Kreditrückführung nehmen, weil sie zuvor die Belassung des Gesellschafterdarlehens zur Bedingung für Fortbestand, Verlängerung oder Gewährung weiterer Kredite gemacht haben665. Würde die Zahlung die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen, kann die Gesellschaft – so die zweite zentrale Aussage der Entscheidung – die Erfüllung der Gesellschafterforderung verweigern666, ohne dass freilich dieser Umstand dazu führt, dass die Gesellschafterforderung aus der Liquiditätsbilanz auszublenden ist667. b) Zahlung durch Aufrechnung Nicht ohne weiteres lässt sich beantworten, wann im hiesigen Zusammenhang in der Aufrechnung eine relevante Zahlung liegt. Anders als die §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 S. 1 AktG, § 64 S. 1 GmbHG, die jedwede Masseschmälerung unterbinden wollen und damit den in der Aufrechnung liegenden Verlust an Aktivvermögen der Gesellschaft ohne weiteres erfassen, geht es bei der Insolvenzverursachungshaftung nicht um den Entzug irgendwelchen Vermögens. Inkriminiert ist gerade der Abfluss liquider Mittel. Ganz unabhängig von der Aufrechnungsproblematik wird denn auch allgemein erwogen, den Zahlungsbegriff der Insolvenzverursachungshaftung abweichend von dem Zahlungsbegriff bei materieller Insolvenzreife auszulegen und nur „liquiditätsrelevante Leistungen“ einzubeziehen668. Da die Gesellschaft durch die Aufrechnung jedenfalls keine real vorhandenen liquiden Mittel i.e.S. verliert, kann man sich daher die Frage stellen, ob es einen Gleichlauf zwischen Zahlung und Aufrechnung gibt: Ist eine Aufrechnung immer dann unzulässig, wenn der Geschäftsleiter die Gesellschafterforderung gemessen an §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 S. 3 AktG, § 64 S. 3 GmbHG nicht mittels liquider Mittel tilgen dürfte? Dies sei an folgendem Beispielsfall erläutert: Eine GmbH hat aus Kontoguthaben und Kassenbestand liquide Mittel von 80 und zwei Verbindlichkeiten i.H.v. jeweils 50. Eine dieser Verbindlichkeiten besteht in der Darlehensrückzahlungsforderung eines Gesellschafters; dieser schuldet der Gesellschaft seinerseits noch eine ausstehende Einlage i.H.v. 30.

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NZG 2012, 1379 (Tz. 13). Zu den diesbezüglichen Anforderungen an Kausalität und Prognose der Geschäftsleitung vgl. Nolting-Hauff/Greulich, GmbHR 2013, 169 (174). 666 BGH NZG 2012, 1379 (Tz. 5, 18); dafür auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, § 64 Rn. 60; Verse, in: Scholz, § 29 Rn. 93 a.E.; Bunnemann, ZWH 2012, 389 (395); Winstel/ Skauradszun, GmbHR 2011, 185 (187). 667 Nur so kann die Entscheidung des BGH zu lesen sein, zutreffend Nolting-Hauff/ Greulich, GmbHR 2013, 169 (173); anders aber Haas, NZG 2013, 41 (44 f.). 668 Z. B. Haas, in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 127; Knof, DStR 2007, 1536 (1538); vgl. auch Terlau/Hürten, in: MünchAnwHdb, § 10 Rn. 115. 665

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Nach wohl h.M. wird die Zahlungsfähigkeit des Schuldners dergestalt ermittelt, dass zunächst in einem Liquiditätsstatus die am Stichtag zur Verfügung stehenden liquiden Mittel („Aktiva“ I) den am Stichtag fälligen Verbindlichkeiten gegenübergestellt werden669. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob die Einlageforderung bereits zu den Aktiva I zu zählen ist. Aktiva I sind im Allgemeinen Kassenbestand, Bankguthaben sowie nicht beanspruchte Kreditlinien670. Offene Forderungen zählen grds. nicht hierzu, da die geschuldeten Mittel am Stichtag nicht zur Verfügung stehen671. Teilweise anders geurteilt wird zwar über jederzeit realisierbare (Darlehensauszahlungs-)Ansprüche, die der Gesellschaft aufgrund einer Cash-Pool-Abrede gegen die poolführende (Mutter-)Gesellschaft672 oder aufgrund einer harten, konzerninternen Patronatserklärung gegen den Patronat673 zustehen. Dies lässt sich aber nicht generell auf die Einlageforderung übertragen, denn die Gleichstellung mit am Stichtag tatsächlich vorhandener Liquidität in den genannten Konstellationen beruht nicht nur darauf, dass gegenüber dem (solventen) Dritten eine bestehende, durchsetzbare Forderung existiert. Entscheidend ist vielmehr, dass die Gesellschaft die Mittel nach der Cash-Pool-Abrede jederzeit abrufen kann bzw. in der Patronatserklärung die jederzeitige Bereitstellung liquider Mittel verbindlich zugesagt wurde, die Abrufung liquider Mittel somit auch tatsächlich jederzeit möglich ist. Bei der Einlageforderung muss dies dagegen nicht so sein, da deren Realisierbarkeit nicht stets gesichert ist674. Freilich könnte man überlegen, ob nicht gerade die für die Gesellschaft bestehende Aufrechnungsbefugnis (§§ 387 ff. BGB) und die damit einhergehende Liquidierbarkeit der ausstehenden Einlage berücksichtigt werden muss: Denn die Gesellschaft kann die Einlageforderung in so einer Situation jedenfalls zur Tilgung der Gesellschafterforderung jederzeit ohne weiteres „zu Geld machen“. Freilich setzt dies voraus, dass die Einlageforderung fällig ist und auch hinsichtlich der Gesellschaftsverbindlichkeit die Voraussetzungen einer gesetzlichen Aufrechnung gegeben sind. Die Gesellschafterforderung muss darüber hinausgehend allerdings auch fällig, also nicht lediglich erfüllbar sein, da sie sonst bei den bei den Passiva I nicht anzusetzen wäre. Unterstellt man, dass diese Voraussetzungen im 669 Hölzle, ZIP 2007, 613 (615); IDW, ZIP 2009, 201 (203 ff.); eingehend und überzeugend Frystatzki, NZI 2010, 389 (391). 670 Bußhardt, in: Braun, § 17 Rn. 12; Bunnemann, ZWH 2012, 389 (390). 671 Bußhardt, in: Braun, § 17 Rn. 28; vgl. auch Temme, Eröffnungsgründe, S. 15 ff. Völlig sicher ist dies allerdings nicht, da der BGH möglicherweise kurzfristig realisierbare Vermögensbestandteile bereits hier berücksichtigt wissen will, s. BGH ZIP 2007, 1666 (Tz. 30); so jedenfalls die Auslegung des IDW, ZIP 2009, 201 (203). Diese erscheint aber nicht zwingend, Frystatzki, NZI 2010, 389 (390). 672 IDW, ZIP 2009, 201 (203), offenbar auch Saenger/Koch, GmbHR 2010, 113 ff. 673 So in einem obiter dictum BGH NZI 2011, 536 (Tz. 21), dazu S. Krüger/Pape, NZI 2011, 617 (619 f.). 674 Bedenkt man, dass die Einlagen in den hier interessierenden Konstellationen häufig zunächst lange Zeit unerfüllt ausgestanden haben, wäre es nicht plausibel, die Einlageforderung ohne weiteres den liquiden Mitteln gleichzusetzen; der Inferent kann etwa nicht leistungsfähig sein, vgl. § 6 I. 4.

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Kap. 2: Aufrechnung

Beispielsfall vorliegen, spricht nichts dagegen, die Aktiva I mit 110 anzusetzen, sodass keine Deckungslücke besteht. Die Aufrechnung führt dann nicht zur Vertiefung einer Deckungslücke, was freilich nicht bedeutet, dass eine Haftung nicht dennoch in Betracht kommt675.

II. Gesellschafterhaftung aufgrund Anfechtung Neben der Geschäftsleiterhaftung besteht nach dem verfügungsbezogenen Ansatz die zweite wichtige Säule des Gläubigerschutzes in einer Haftung des Gesellschafters nach den §§ 129 ff. InsO676. Schon die erste Entscheidung des RG betreffend die Wirksamkeit eines Aufrechnungsvertrags mit Einlageforderungen (lange vor der späteren Etablierung des Vollwertigkeitsgebots) weist auf die Grenzen des Insolvenzanfechtungsrechts hin677. Auch K. Schmidt hat bereits in einem Beitrag aus dem Jahr 1993 in der Vollwertigkeitsrechtsprechung eine Bewährungsprobe für das Anfechtungsrecht gesehen678. Diesen Faden hier erneut aufzunehmen, erscheint lohnenswert. In der Zwischenzeit hat die InsO nämlich tatsächlich die Schwächen des Anfechtungsrechts der KO679 deutlich abgemildert und der IX. Zivilsenat hat zudem dem neuen Recht mittlerweile anfechtungsfreundliche Konturen verliehen. Nicht zuletzt deshalb hat sich das Anfechtungsrecht in der Praxis grds. bewährt680. Aufgrund des Vollwertigkeitsgebots ist das anfechtungsrechtliche Potential bzgl. der Aufrechnung mit Einlageforderungen allerdings so gut wie gar nicht ausgeleuchtet681. 1. Grundfragen Bevor auf einzelne Anfechtungsgründe eingegangen wird, sollen vorab einige anfechtungsrechtliche Grundfragen geklärt werden, die hier von Interesse sind. Gezeigt werden soll namentlich, dass die §§ 129 ff. InsO den in der Fallgruppe der Aufrechnung bestehenden Verteilungskonflikt von (Einlage-)Vermögen in der Krise 675 Vgl. das Bsp. des BGH oben unter a, dass externe Kreditgeber die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens zum Anlass für die Fälligstellung eigener Ansprüche nehmen. 676 Das AnfG bleibt aus der Untersuchung ausgeklammert; viele Lösungen zu den hier beispielhaft für die Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO aufge-worfenen Fragen ließen sich aber auf das AnfG übertragen. 677 RGZ 18, 1 (5). Durch die spätere Entwicklung des Vollwertigkeitsgebots blieb es dann freilich bei diesem Hinweis. 678 ZHR 157 (1993), 291 (316), freilich anders als der hier vertretene Standpunkt nur hinsichtlich Abtretung und Pfändung der Einlageforderung; speziell für die Aufrechnung vgl. ferner Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 31; Schall, Gläubigerschutz, S. 144 f.; sowie neuerdings Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 98. 679 Dazu vor allem Henckel, ZIP 1982, 391 f. 680 Bork, ZIP 2008, 1041. 681 Vgl. aber OLG Hamm GmbHR 2000, 386 (387 a.E.).

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der Gesellschaft adressieren, dass und inwiefern die Aufrechnung prinzipiell als anfechtbare Rechtshandlung in Betracht kommt und dass dem Umstand, dass es sich bei dem Gesellschafter um einen insolvenzrechtlichen Insider des späteren Insolvenzschuldners handelt, eine erhöhte Bedeutung zukommt. Abschließend wird der Frage nachgegangen, ob die Aufrechnung als inkongruente Deckung eingestuft werden muss und ihr deswegen bereits a priori strengere anfechtungsrechtliche Konsequenzen zukommen. a) Normzweck der §§ 129 ff. InsO Die Insolvenzanfechtung wird teilweise auch auf den Zweck zurückgeführt, sie solle masseverkürzende Vermögensverschiebungen rückgängig machen682. Ähnlich wird teilweise davon gesprochen, es sollten vereitelte Zugriffschancen der Gläubigergesamtheit wieder eröffnet werden683. Diese Erklärungen sind jedenfalls nicht erschöpfend. Anders als etwa die §§ 812 ff. BGB enthält das Anfechtungsrecht in Gestalt der einzelnen Anfechtungsgründe selbst die Voraussetzungen der ungerechtfertigten Vermögensverschiebung, deren Telos es gerade zu ermitteln gilt684. Aus demselben Grund vermag etwa auch der rechtspolitische Hinweis nicht weiterzuhelfen, die Insolvenzanfechtung solle auch zu einer Anreicherung der Masse beitragen und dem verbreiteten Problem der masselosen Insolvenz abhelfen685. Auch die als solche zutreffende Bemerkung, durch das Anfechtungsrecht erführen die Verfügungsbeschränkungen der §§ 80 ff. InsO in gewisser Hinsicht eine Vorwirkung686, liefert zunächst nicht mehr als eine Beschreibung der Wirkungsweise der Anfechtung. Die für die §§ 129 ff. InsO häufig zu findende Erklärung, die Insolvenzanfechtung diene dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (par conditio creditorum)687, ist wohl tatsächlich zu pauschal688. Im Grundsatz ist, worauf zunehmende Differenzierungstendenzen689 hindeuten, zwischen der Gläubigerkonkurrenzanfechtung und der schuldnerbezogenen Anfechtung zu differenzieren690. Die Gläubigerkonkurrenzanfechtung will ein opting out einzelner Gläubiger aus der insolvenzrechtlichen Abwicklung verhindern. Bereits im Stadium der materiellen 682

Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, § 129 Rn. 1. Kindl, NZG 1998, 321 (322). 684 Thole, Gläubigerschutz, S. 283 f. 685 Vgl. z. B. RegE, Bt.-Drucks. 12/2443, S. 82, 85. 686 Z. B. Leithaus, in: Andres/Leithaus, § 129 Rn. 2. 687 So etwa de Bra, in: Braun, § 129 Rn. 1; Dauernheim, in: FrankfurtKomm/InsO, § 129 Rn. 1; Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, § 129 Rn. 1; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, § 129 Rn. 5; Breutigam/Tanz, ZIP 1998, 717; v. Olshausen, KTS 2001, 45 (48). 688 Thole, ZZP 121 (2008), 67 (69); ausführlich ders., Gläubigerschutz, S. 280 ff. 689 Vgl. etwa Bork, in: FS H.-B. Schäfer, S. 593; Schoppmeyer, NZI 2005, 185 (186 f.). 690 Eingehend Thole, ZZP 121 (2008), 67 ff.; ders., Gläubigerschutz, passim und insbesondere S. 279 ff., 347 ff., 421 ff. 683

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Insolvenz soll das Prioritätsprinzip zugunsten der gleichmäßigen Befriedigung zurückgesetzt werden691. So kann erklärt werden, warum die Deckungsanfechtung (§§ 130 f. InsO) tatbestandlich die Zahlungsunfähigkeit in Bezug nimmt und keine Entsprechung im AnfG findet („besondere Insolvenzanfechtung“). Die zweite Gruppe der Anfechtungsgründe adressiert bestimmte missbilligte Verhaltensweisen des Schuldners, wie namentlich die Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO) zeigt692. In der Fallgruppe der Aufrechnung kommen damit sowohl Gläubigerkonkurrenzanfechtung als auch schuldnerbezogenes Anfechtungsrecht in Betracht. Da der Gesellschafter stets Gläubiger der Gesellschaft ist, ist einerseits ein rechtswidriges opting out aus dem insolvenzrechtlichen Abwicklungsmodus zu besorgen. Andererseits kann die Verfügung über die Einlage gerade zur Befriedigung eines Gesellschaftergläubigers u. U. anfechtungsrechtlich missbilligt sein. Lässt man sich einmal auf das Gedankenspiel ein, dass die Vollwertigkeitsrechtsprechung funktionell einer Insolvenzanfechtung gleichkommt693, wird das Umgehungspotential dieser Rechtsfortbildung gut erkennbar. Diese hat sich quasi ihre eigenen Anfechtungsgründe geschaffen: Bereits herausgearbeitet wurde, dass einerseits hinter dem Vollwertigkeitsgebot bei der Aufrechnung maßgeblich die – unzutreffenden – Erwägung steht, dass der Gesellschaftergläubiger nicht vorrangig vor den Gesellschaftergläubigern befriedigt werden darf694. Neben die Verletzung dieser Vorrangstellung tritt der Sache nach, wie noch zu zeigen sein wird, ein zweiter „Anfechtungsgrund“695. b) Rechtshandlung und Gläubigerbenachteiligung Der Grundtatbestand einer jeden Anfechtung erfordert gem. § 129 Abs. 1 InsO eine Rechtshandlung des Schuldners, eine Gläubigerbenachteiligung sowie einen dazwischen bestehenden Zurechnungszusammenhang696. Eine Rechtshandlung697 liegt sowohl in einer einseitigen Aufrechnungserklärung gem. § 388 BGB als auch in der auf Abschluss eines Aufrechnungsvertrags gerichteten Willenserklärung der Gesellschaft. 691

Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 130 Rn. 1, § 131 Rn. 1; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, § 130 Rn. 4; Häsemeyer, KTS 1982, 507 (526 f.); Schoppmeyer, NZI 2005, 185 (186 f.). 692 BGH NJW 2005, 1121 (1122 f.); Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 133 Rn. 1a m. w. Nachw. 693 Vgl. dazu bereits unter § 3 IV. 2. c). 694 § 7 II. 695 Dieser besteht in der Sicherung der Gleichbehandlung aller Gläubiger, wobei freilich deutlich über §§ 130 f. InsO hinausgegangen wird, dazu noch unter § 9 IV. 696 Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 129 Rn. 5; für das AnfG vgl. Kirchhof, in: MünchKomm/AnfG, § 1 Rn. 3. 697 Dazu ausführlich Thole, Gläubigerschutz, S. 324 f. m. umf. Nachw.

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Im vorliegenden Zusammenhang scheint indes auf den ersten Blick die Sonderregelung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO eine Anfechtung der Aufrechnungserklärung unter bestimmten Voraussetzungen entbehrlich zu machen. Nach dieser Vorschrift ist die Aufrechnung für die Dauer des Insolvenzverfahrens698 bereits ipso iure unzulässig und unwirksam699, sofern ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Die Norm ist allerdings als Rückausnahme von § 94 InsO zu lesen, der dem Insolvenzgläubiger die der Aufrechnungsbefugnis inhärente Befriedigungsmöglichkeit erhalten will700. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist daher beim Wort zu nehmen („Anfechtungsmöglichkeit des Insolvenzgläubigers“)701. In den hier interessierenden Konstellationen kann schließlich ein solcher Fall wegen der einseitigen Aufrechnungsverbote (§ 66 Abs. 1 S. 2 AktG, § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG)702 niemals eintreten. Sofern die Gesellschaft dem Gesellschafter durch Aufrechnungsvertrag ein einseitiges Aufrechnungsrecht eingeräumt hat, ist dieses schon nach den genannten Verbotsnormen nichtig703 ; eines Abstellen auf § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO bedürfte es auch in diesem Fall nicht. Die Sonderregelung der Aufrechnung spielt daher im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle, sodass es stets der Anfechtung der Aufrechnungserklärungen bedarf704. Das objektive Merkmal der „Gläubigerbenachteiligung“ wird im Rahmen der Grundtatbestände weit ausgelegt. Ähnlich der aus der Kausalitätsprüfung bekannten condicio-sine-qua-non-Formel dient das Merkmal lediglich als ein „erster Filter“705 und soll diejenigen Vorteile ausscheiden, die den Gläubigern auch ohne Rechtshandlung des Schuldners nicht gebührt hätten706. Erst die einzelnen Anfechtungsgründe entscheiden abschließend über die Rechtswidrigkeit des Vermögensabflusses. Eine Benachteiligung der Gläubiger tritt daher mit jeder Verkürzung der In-

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Brandes, in: MünchKomm/InsO, § 94 Rn. 3. Kroth, in: Braun, § 96 Rn. 15; Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, § 96 Rn. 26. 700 Brandes, in: MünchKomm/InsO, § 94 Rn. 1; Sinz, in: Uhlenbruck, § 94 Rn. 1. 701 Sinz, in: Uhlenbruck, § 94 Rn. 1; Thole, Gläubigerschutz, S. 379; v. Olshausen, KTS 2001, 45 (48). Daraus erklärt sich auch, warum die Anfechtbarkeit bereits an die Erlangung der Aufrechnungslage, nicht an die erklärte Aufrechnung oder – wie teilweise unter der KO – an den Gesamtvorgang anknüpft: In diesem Zeitpunkt erlangt der spätere Insolvenzgläubiger nämlich für gewöhnlich bereits den einem „Pfandrecht an eigener Schuld“ vergleichbaren Sicherungsvorteil der Aufrechnung. 702 Vertragliche begründete Aufrechnungsrechte des Gesellschafters sind ebenfalls unwirksam, § 5 II. 2. c). 703 s. § 5 II. 2. 704 Vgl. insofern auch (allgemein bei Aufrechnungsverboten) Häsemeyer, Rn. 19.01a; Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, § 129 Rn. 59; Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 143 Rn. 52 a.E.; eingehend v. Olshausen, KTS 2001, 45 (48); missverständlich Walker, Stammeinlageforderung in der Insolvenz, S. 30. 705 Eidenmüller/Engert, in: FS K. Schmidt, S. 305 (318). 706 BGH NJW 1983, 1120 (1122); NJW 1983, 1123 (1124); Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 129 Rn. 76; zum AnfG vgl. Kirchhof, in: MünchKomm/AnfG, § 1 Rn. 67. 699

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solvenzmasse ein707. Ausreichend hierfür ist eine Betrachtung ex post, also mit dem Wissen um den späteren Eintritt des Insolvenzverfahrens708. Die erforderliche Verkürzung des Gesellschaftsvermögens liegt bei der Aufrechnung im Wegfall der ausstehenden Einlage709. Auch in diesem Zusammenhang kann man sich die Vollwertigkeitsrechtsprechung als eine Insolvenzanfechtung denken. Dann wird deutlich, dass die Rechtsfortbildung im Ergebnis den Gesellschafter allein schon bei Vorliegen einer objektiven Gläubigerbenachteiligung (fehlende Vollwertigkeit) haften lässt: Denn die oben als vermeintlicher „Anfechtungsgrund“ identifizierte Verletzung des Fremdgläubigervorrangs ist tatsächlich nicht anzuerkennen. Die Feststellung der Gläubigerbenachteiligung kann indessen nach dem geschriebenen Insolvenzanfechtungsrecht nur ein erster Schritt sein. c) Insiderstellung des Gesellschafters Die besonderen Insolvenzanfechtungsgründe sowie der Anfechtungsgrund der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung erleichtern jeweils die Anfechtung gegenüber Personen, die dem Schuldner nahestehen. Im vorliegenden Zusammenhang sind dies vor allem die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans der Gesellschaft sowie Personen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital der AG oder GmbH beteiligt sind (§ 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Die §§ 130 Abs. 3, 131 Abs. 2 S. 2, 132 Abs. 3 InsO kehren die Beweislast bzgl. der Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit, Eröffnungsantrag und Gläubigerbenachteiligung zulasten dieser Personen um; einen besonderen Anfechtungstatbestand enthält § 133 Abs. 2 InsO. Die ratio dieser Insideranfechtung liegt einmal in der gesteigerten Informationsmöglichkeit des Anfechtungsgegners über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners710. Das Schrifttum versteht in Kontinuität zur Rechtsprechung des BGH zu § 31 Nr. 2 KO711 die Rechtfertigung darüber hinausgehend auch in einem objektiven Element. Nahestehende Personen sind typischerweise wegen ihrer besonderen Verbindung zum Schuldner bereit, anfechtbare Rechtshandlungen des Schuldners zu unterstützen712, weil beide von der Transaktion profitieren. Hinzu

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BGH NJW 2007, 1357 (Tz. 12); NJW 2003, 3347 (3348); Leithaus, in: Andres/Leithaus, § 129 Rn. 8; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, § 129 Rn. 63; i.d.S. wurde bereits § 29 KO a.F. ausgelegt, vgl. Henckel, in: Jaeger, 9. Aufl. 1997, § 29 Rn. 60. 708 Eidenmüller/Engert, in: FS K. Schmidt, S. 305 (318). 709 Eine bilanzielle, den Wegfall des Passivums der Gesellschafterforderung berücksichtigende Betrachtungsweise hat zu unterbleiben, Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 156. 710 Begr. RegE Bt.-Drucks. 12/2443, S. 161 f; s. auch § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO; Leithaus, in: Andres/Leithaus, § 138 Rn. 2. 711 Dazu Henckel, in: Jaeger, 9. Aufl. 1997, § 31 Rn. 24 m. Nachw. 712 Gehrlein, in: MünchKomm/InsO, § 138 Rn. 2; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, § 138 Rn. 4 ff.; Kirchhof, ZInsO 2001, 825 (827); Killinger, Insolvenzanfechtung, S. 39.

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kommt, dass nahestehende Personen typischerweise Einfluss auf die Geschicke des Schuldners haben713. Zieht man auch hier den Vergleich zwischen der Vollwertigkeitsrechtsprechung und der geschriebenen Insolvenzanfechtung, wird einmal mehr deutlich, dass die Rechtsfortbildung als recht grobe „Haftungskeule“ daherkommt. Die Zuteilung der Beweislast an den Gesellschafter, dass die eigene Forderung im Aufrechnungszeitpunkt vollwertig gewesen ist, ist zu einseitig. Die sich im Schrifttum abzeichnende Differenzierung zwischen GmbH-Gesellschafter und Aktionär geht zwar grob in die richtige Richtung, da sie anhand der verschiedenen Informationsmöglichkeiten unterscheiden will, bleibt aber noch viel zu undifferenziert714. Demgegenüber erscheint die geschriebene Insolvenzanfechtung deutlich ausgewogener. Die Anfechtung wird durch § 138 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 InsO vor allem bei Aufrechnungen des (auch faktisch oder fehlerhaft bestellten715) Gesellschafter-Geschäftsleiters mit seiner eigenen Einlageverpflichtung erleichtert. Hierdurch – und nicht durch ein (falsch verstandenes) einseitiges Aufrechnungsverbot716 – ist eine verschärfte Haftung des Geschäftsleiters gewährleistet, der mit der Einlage gegen eine ihm als Gesellschafter zustehenden Forderung gegen die Gesellschaft aufrechnet. Anfechtungen von Aufrechnungen gegenüber nicht geschäftsführenden Gesellschaftern werden demgegenüber erst ab einer Kapitalbeteiligung von mehr als 25 % privilegiert717. d) Inkongruente Deckung? Eine wichtige Grundfrage liegt ferner darin, ob in der Aufrechnung eine kongruente Deckung zu sehen ist. Damit ist gemeint, ob der Gläubiger bei einer Aufrechnung das Geschuldete erhält (ob also eine Kongruenz zwischen Verpflichtung und Deckung besteht). Als inkongruente Deckungen umschreibt § 131 Abs. 1 InsO dementsprechend Rechtshandlungen, die dem Insolvenzgläubiger Sicherungen oder Befriedigungen gewähren, die dieser entweder überhaupt nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Eine Inkongruenz führt zu einer erleichterten Anfechtung, denn eine solche Deckung erscheint schon objektiv weniger schutz713

Thole, Gläubigerschutz, S. 331 f. m. w. Nachw. Sie würde einerseits Paketaktionäre mit erheblichem Beteiligungsumfang und vielfältigen Informations- und Einflussnahmemöglichkeiten begünstigen, andererseits einen mit 5 % gering beteiligten GmbH-Gesellschafter u. U. hart treffen. 715 Hirte, in: Uhlenbruck, § 138 Rn. 14; Thole, Gläubigerschutz, S. 333, anders – für Subsumtion unter Abs. 2 Nr. 2 – in KTS 2007, 293 (327 f.). 716 § 5 II. 2. B. 717 Nach BGH NJW 1996, 461 (462) [zu § 10 GesO] ist dies als absolute Grenze zu verstehen, sodass Gesellschafter mit einer niedrigeren Beteiligung unter keinen Umständen unter § 138 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 InsO („vergleichbare gesellschaftsrechtliche Verbindung“) subsumiert werden können. Dass diese Grenze von der Rechtsprechung als starr angesehen wird, ist im GmbH-Recht allerdings fragwürdig; zur Kritik Hirte, in: Uhlenbruck, § 138 Rn. 25; ders., ZInsO 1999, 429 (430); Thole, Gläubigerschutz, S. 334 f., 338 ff. 714

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würdig718. Sie begründet zudem nach allgemeiner Lebenserfahrung den Verdacht, dass der Gläubiger, der in Insolvenznähe eine andere als die zu beanspruchende Leistung in Empfang nimmt, dies nur wegen des drohenden Vermögensverfalls des Schuldners zulasten der übrigen Gläubiger geschehen lässt719. Typische Fälle inkongruenter Deckungen bilden die Erfüllung vor Fälligkeit sowie die Erfüllung einer verjährten oder einer solchen Forderung, die durch Anfechtung des Grundgeschäfts (§§ 119 ff. BGB) vernichtbar wäre720. Solche klaren Fälle führen selbstverständlich auch bei der Aufrechnung mit Einlageforderungen zu einer inkongruenten Deckung. Klärungsbedürftig ist dagegen, ob über die allgemeinen Grundsätze hinausgehend allein der Umstand, dass aufgerechnet – und nicht gezahlt – wird, eine Inkongruenz begründen kann. Zunächst geht es jedenfalls nicht an, die Aufrechnung durch die Gesellschaft allein wegen des einseitigen Aufrechnungsverbots des Gesellschafters als inkongruent anzusehen721. Das Gesetz nimmt im Falle einer von der Gesellschaft verantworteten Aufrechnung nicht per se Anstoß daran, dass der Gesellschafter derart mittels der ausstehenden Einlage, die er selbst schuldet, Befriedigung erlangt722. Der Zweck des einseitigen Aufrechnungsverbots erschöpft sich in der Kassation einer einseitig vom Gesellschafter erklärten Aufrechnung, will indessen die Aufrechnung durch die Gesellschaft nicht generell hindern oder sonstwie inkriminieren723. Ebenso wenig dürfte schließlich eine Inkongruenz aus der häufig betonten Funktion der Einlage als „Liquiditätsreserve“724 zu schlussfolgern sein. Zwar wird es mitunter so sein, dass Einlagen, nachdem sie jahrelang offen ausgestanden haben, erst in einer krisenhaften Situation – zugunsten des Inferenten durch Aufrechnung oder zugunsten anderer Gläubiger – realisiert werden. Dennoch lässt sich hieraus kein allgemeiner Erfahrungssatz ableiten, dass die Einlage typischerweise erst in krisenhaften Situationen realisiert wird und für den Gesellschafter die Aufrechnung daher besonders verdächtig erscheinen muss. Damit könnte die Inkongruenz allenfalls doch725 aus dem Umstand folgen, dass der Gesellschafter durch die Aufrechnung nicht die eigentlich von der Gesellschaft geschuldete Geldzahlung, sondern aus seiner Sicht lediglich ein Erfüllungssurrogat 718

Begr. RegE, Bt.-Drucks., 12/2443, S. 158. Begr. RegE, a.a.O.; vgl. auch BGH NJW 2004, 1385 (1087). 720 Vgl. die Beispiele bei Huber, in: Gottwald, § 47 Rn. 42. 721 So aber allgemein für einseitige gesetzliche (unter Einschluss der hier interessierenden) Aufrechnungsverbote des Insolvenzgläubigers v. Olshausen, KTS 2001, 45 (47, 50 f.). 722 So aber das zentrale Argument für Inkongruenz bei v. Olshausen, KTS 2001, 45 (51). 723 Schließlich wäre es gleichfalls zweifelhaft, eine inkongruente Deckung bspw. aus den §§ 393, 394 BGB herzuleiten, wenn der Inhaber einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung bzw. einer unpfändbaren Forderung selbst aufrechnet; dies wird durch diese Vorschriften nicht ausgeschlossen, vgl. Dennhardt, in: Bamberger/Roth, § 393 Rn. 2; § 394 Rn. 1. 724 Schwaiger, in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 2 Rn. 99. 725 Vgl. v. Olshausen, KTS 2001, 45 (48 f.). 719

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erlangt. Von Rechtsprechung und Literatur ist in dieser Frage leider wenig Hilfe zu erwarten, da die Problematik der Insolvenzaufrechnung so gut wie ausschließlich anhand von § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO diskutiert wird726, der in der hier gegebenen Sonderkonstellation gerade nicht einschlägig ist. Nach hier vertretener Auffassung liegt in der Aufrechnung im Allgemeinen keine inkongruente Deckung. Auch sonst ordnet die Rechtsprechung nicht schlechterdings von der Barzahlung abweichende Tilgungsformen als inkongruente Deckung ein. Dass die Zahlung durch Überweisung kongruente Deckung gewährt727, versteht sich. Wiederholt bekräftigt worden ist Entsprechendes aber auch für die Zahlung durch Scheck728; dies beruht auf der Überlegung, dass auch eine solche Zahlung verkehrsüblich ist und die Entgegennahme dieses Zahlungsmittels durch den Gläubiger keine besondere Verdächtigkeit begründet. Bedenkt man dies, wird jedenfalls dann, wenn die Gesellschaft auch einseitig nach den §§ 387 ff. BGB hätte aufrechnen können, eine kongruente Deckung vorliegen. In so einem Fall steht der Gedanke der Zahlungsvereinfachung ganz im Vordergrund. Mit diesem Ergebnis verträgt sich auch die allgemeine Abgrenzungsmaxime, dass inkongruente Deckungen nicht schon bei geringfügigen Abweichungen von der geschuldeten Leistung anzunehmen sein sollen729. Es ist allemal nur eine geringfügige – weil plausible – Abweichung von den jeweils geschuldeten Leistungen, die Beträge nicht tatsächlich hin- und herzuzahlen, sondern sich auf das unmittelbare beiderseitige Erlöschen der jeweiligen Forderungen zu einigen. 2. Gesellschafterdarlehen Den praktisch relevantesten Anfechtungsgrund dürfte § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ausmachen. Dieser erhält seine besondere Durchschlagskraft vor allem dadurch, dass er ohne subjektive Voraussetzungen in der Person des Anfechtungsgegners auskommt. a) Allgemeines Das MoMiG hat das zweispurige System des Eigenkapitalersatzrechts, bestehend aus Rechtsprechungs- und Novellenregeln730, zugunsten einer rein insolvenzrechtlichen Regelung aufgegeben. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterliegen in der Insolvenz einer AG oder GmbH alle Forderungen auf die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, einer Rückstufung. Eine Rechtshandlung, die einer 726

Dazu etwa Brandes/Lohmann, in: MünchKomm/InsO, § 96 Rn. 27 ff. Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 131 Rn. 11. 728 BGH NZI 2006, 287 (Tz. 46 f.) m. w. Nachw.; de Bra, in: Braun, § 131 Rn. 7. 729 Nerlich, in: Nerlich/Römermann, § 131 Rn. 49 m. w. Nachw. 730 Zusammenfassung der Entwicklung bei Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Anhang nach § 30 Rn. 3 f. 727

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solchen Forderung innerhalb eines Jahres vor Stellung des Insolvenzantrags oder später Befriedigung gewährt, ist anfechtbar (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO)731. Der sachliche Anwendungsbereich dieser Regelungen ist weit gezogen: Erfasst werden neben Geld- und Sachdarlehen (§§ 788 Abs. 1, 607 Abs. 1 BGB)732 alle Gestaltungen, die im Ergebnis der Gesellschaft Kapital zur zeitweisen Nutzung überlassen733. Relevant sind insbesondere die Stundung von Gesellschafterforderungen gleich welchen Rechtsgrunds sowie Fälligkeitsvereinbarungen in Kauf- und sonstigen Austauschverträgen, die von den marktüblichen Konditionen abweichen734. Auch das Stehenlassen fälliger Ansprüche kann zu einer Qualifizierung als Gesellschafterdarlehen führen735. Eine Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs besteht im Sanierungsprivileg des § 39 Abs. 4 S. 2 InsO (i.V.m. § 135 Abs. 4 InsO). In persönlicher Hinsicht ist das Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO zu beachten, welches die Anfechtbarkeit für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter mit einer höchstens zehnprozentigen Beteiligung ausschließt. b) Befriedigung durch Aufrechnung Was zunächst Altfälle anbelangt, also solche Forderungen, die noch als kapitalersetzende Darlehen zu qualifizieren sind und nach den Rechtsprechungsregeln einer Durchsetzungssperre unterliegen, unterfällt die Aufrechnung nach hier vertretener Ansicht736 den bereits oben dargestellten Grundsätzen737. Hinsichtlich der Aufrechnung von Rückzahlungsansprüchen, die dem neuen Recht unterfallen, kann die Unzulässigkeit nicht mehr mit der Figur des Eigenkapitalersatzrechts erklärt werden738. Unverständlich bleibt demgegenüber, warum nach vereinzelter Ansicht bei Gesellschafterdarlehen auch nach neuem Recht eine Aufrechnung gegen Rückzahlungsansprüche schlechthin unzulässig sein soll739, diese Auffassung ist abzulehnen. 731

Gleiches gilt übrigens, wenn es mangels Masse nicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt und die Rückgewähr im letzten Jahr vor der Erlangung eines vollstreckbaren Titels gegen den Schuldner oder danach erfolgt (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 AnfG). 732 Dazu im Einzelnen Görner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 30 Anh. Rn. 77 ff. m. w. Nachw. 733 Görner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 30 Anh. Rn. 83. 734 Habersack, in: Ulmer, Anh. § 30 Rn. 55 f. m. Nachw. 735 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Anhang nach § 30 Rn. 50. 736 Die h.M. spricht sich indes – konsequent – für die Unwirksamkeit der Aufrechnung aus (keine Vollwertigkeit i.w.S. bzw. keine Liquidität infolge der Einwendung), Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rn. 83; Veil, in: Scholz, § 19 Rn. 77; Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 26a. 737 § 5 III; die Aufrechnung ist wirksam, es gelten aber § 62 Abs. 1 AktG, § 31 Abs. 1 GmbHG. 738 Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rn. 83; insofern auch Ulmer/Casper, in: § 19 Rn. 85. 739 So Ziemons, in: Ziemons/Jaeger, § 19 Rn. 125 (mit fehlgehendem Zitat auf Cahn).

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Interessanterweise begegnet auch in diesem Zusammenhang wieder die Überlegung, die Vollwertigkeits-Rspr. mit dem neuen Recht zu verzahnen und zu konsolidieren: Nach Ulmer/Casper soll die Liquidität (als Voraussetzung der Vollwertigkeit) der Rückzahlungsforderung des Gesellschafters zu verneinen sein, wenn Rangrücktritt oder Insolvenzanfechtung „in absehbarer Zukunft ein realistisches Szenario“ darstellen740. Der Gesellschafter würde durch eine solche Aufrechnung also vorbehaltlich der von der h.M. befürworteten Anrechnung analog § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG nicht von seiner Einlageverbindlichkeit befreit. Dies würde in einem Insolvenzverfahren dem Verwalter ggf. ohne Anfechtung die Einziehung der Einlage auch dann ermöglichen, wenn die Aufrechnung weit außerhalb des Ein-JahresZeitraums zurückläge, weil im damaligen Zeitpunkt eine Insolvenz für die „Zukunft“741 nicht ganz unrealistisch742 war743. Nach hier vertretener Ansicht müssen die Anfechtungsregeln dagegen zur Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen unmodifiziert auf die Aufrechnung mit Einlageforderungen Anwendung finden744. Allgemein ist anerkannt, dass in der Aufrechnung eine „Befriedigung“ i.S.d. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO liegt745. Das Vollwertigkeitsgebot der h.M. führt dazu, dass in Insolvenznähe die Tilgung des Rückzahlungsanspruchs durch Aufrechnung mit der Einlageforderung schlechthin unzulässig ist. Insbesondere Sanierungs- und Kleinbeteiligtenprivileg werden so unterlaufen746. Die Aufrechnung mit der Einlageforderung ist wie die Befriedigung sonstiger Forderungen zunächst wirksam. Erfolgt die Aufrechnung aber innerhalb eines Jahres vor Stellung des Eröffnungsantrags, schuldet der Gesellschafter weiterhin die Einlage747. 3. Vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung Von nicht gering zu schätzender Bedeutung dürfte im vorliegenden Zusammenhang auch der Anfechtungsgrund wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO) sein. Die Aufrechnung ist hiernach anfechtbar, wenn die Gesellschaft diese in den letzten zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag oder danach vorgenommen hat. 740 In: Ulmer, § 19 Rn. 85. Man müsste in die anzustellende Prognose konsequenterweise auch die Wahrscheinlichkeit einer Einzelgläubigeranfechtung (§ 6 AnfG) einbeziehen. 741 Soll hier die gesamte Ein-Jahres-Frist gelten? 742 Welcher Maßstab soll hierbei angesetzt werden? 743 Dagegen auch zutreffend Märtens, in: MünchKomm/GmbHG, 1. Aufl. 2010, § 19 Rn. 104. 744 Ebenso Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 31. 745 T. Fleischer, in: Henssler/Strohn, § 135 InsO Rn. 5; Gehrlein, in: MünchKomm/InsO, § 135 Rn. 16; Hirte, in: Uhlenbruck, § 135 Rn. 11. 746 Cahn, in: Spindler/Stilz, § 66 Rn. 31; Schwandtner, in MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 98. 747 Zu den Rechtsfolgen noch eingehend unter 5.

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Kap. 2: Aufrechnung

a) Allgemeines § 133 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen hat und der andere Teil positive Kenntnis dieses Vorsatzes hatte. Auf den ersten Blick scheint der Tatbestand damit zwar durch seine zweifache subjektive Anknüpfung748 schwer überwindbare praktische Hürden aufzustellen. Die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats ist allerdings gerade in diesem Punkt recht anfechtungsfreundlich; die Bewertung fällt höchst unterschiedlich aus749. Die Relevanz dieses Anfechtungstatbestands ergibt sich zunächst daraus, dass nach h.M. § 135 Abs. 1 InsO keine Sperrwirkung entfaltet750. Dies dürfte zutreffend sein, denn anderenfalls würde § 135 Abs. 1 InsO eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung legitimieren, was ersichtlich ungereimt wäre. Mithin ist auch die Tilgung einer Darlehensrückzahlungsforderung ggf. nach § 133 InsO anfechtbar. Einzuräumen ist zwar, dass in der Praxis § 133 InsO offenbar bei der Anfechtung von Deckungshandlungen bei Gesellschafteransprüchen neben § 135 Abs. 1 InsO bislang noch keine nennenswerte Rolle spielt751. Dies verwundert, da die Fristen der §§ 130 f., 135 Abs. 1 InsO verbreitet als kurz empfunden werden und die Vorsatzanfechtung eine Rückabwicklung von erheblich weiter zurückliegenden Transaktionen erlaubt. Dies könnte indessen daran liegen, dass die Insolvenzanfechtung als Gläubigerschutzinstrument innerhalb des Gesellschaftsrechts immer noch vergleichsweise neu ist und mutmaßlich das volle Potential nicht immer erkannt und ausgeschöpft wird752. Die mittlerweile komplexen Ausdifferenzierungen der Judikatur des IX. Zivilsenats zur Vorsatzanfechtung im Allgemeinen sowie die noch vergleichsweise junge Diskussion zu § 133 InsO bei der Anfechtung von Befriedigungsleistungen für Gesellschafterforderungen im Besonderen erschweren es al-

748 Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und darauf bezogene Kenntnis des Anfechtungsgegners. 749 Kritisch etwa Bork, ZIP 2008, 1041 (1045); Foerste, NZI 2006, 6 ff.; ders., in: FS Picker, S. 227 ff.; ders., ZInsO 2013, 897 ff.; Jensen, NZI 2013, 471 (472 ff.); Smid, ZInsO 2014, 275 (276 ff.). Die Rspr. verteidigend Kayser, NJW 2014, 422 ff.; Thole, ZIP 2013, 2081 ff. 750 Hirte, in: Uhlenbruck, § 135 Rn. 6; Ockelmann, in: Bormann/Kauka/Ockelmann, Kap. 10 Rn. 183; Bangha-Szabo, ZIP 2013, 1058; Bormann, DB 2006, 2616 (2617 f.); Gehrlein, BB 2011, 3, (6 f.); Huber, in: Liber amicorum Winter, S. 261 (269); Mylich, ZIP 2013, 1650 (1652); Spliedt, ZIP 2009, 149 (154); a.A. Bayer/Graff, DStR 2009, 1654 (1657 f.); Weitnauer, BKR 2009, 18 (20); allgemein zur freien Konkurrenz der Anfechtungsgründe Thole, Gläubigerschutz, S. 314 ff. 751 Vgl. Commandeur/Utsch, NZG 2013, 575 ff.; Huber, in: Liber amicorum Winter, S. 261 (269). 752 Allgemein für die §§ 129 ff. InsO Haas, ZIP 2006, 1373 (1375). In jüngeren Beiträgen aus dem Schrifttum findet § 133 InsO indes verstärkte Beachtung im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen, vgl. nur Bangha-Szabo, ZIP 2013, 1058 ff., Huber, in: Liber amicorum Winter, S. 261 (269); zuvor bereits Eidenmüller/Engert, in: FS K. Schmidt, S. 305 (307, 320 ff.); Nassall, NJW 2010, 2305 (2308 f.).

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lerdings, vor dem klärenden Richterspruch genaue Vorhersagen über die Reichweite dieses Anfechtungstatbestands zu treffen. b) Tatbestand Der IX. Senat bestimmt den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz rein subjektiv753, indem er im Ausgangspunkt – materiellrechtlich – danach fragt, ob der Schuldner die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge erkannt und gebilligt hat754. Der Schuldner muss entweder wissen, dass er neben dem Anfechtungsgegner nicht alle Gläubiger innerhalb angemessener Zeit befriedigen kann oder sich diese Folge zumindest als möglich vorgestellt und in Kauf genommen haben755. Ohne objektive Eingrenzung kommen als anfechtbare Rechtshandlungen damit auch kongruente Deckungen in Betracht756. Dass die Aufrechnung hier als eine solche konkruente Deckung eingeordnet worden ist, steht also der Anwendbarkeit der Vorsatzanfechtung nicht entgegen. Als interne Tatsache kann der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz im Prozess naturgemäß nicht unmittelbar festgestellt, sondern nur aus objektiven Anhaltspunkten hergeleitet werden. Die Rechtsprechung hat hierzu verschiedene Indizien und Erfahrungssätze entwickelt757. An erster Stelle zu nennen ist dabei die Inkongruenz der Deckung758. Dieses Merkmal kann – freilich in Abhängigkeit vom genauen Ausmaß der Abweichung vom geschuldeten Leistungsinhalt759 – ein starkes Beweiszeichen begründen760. Nach einer jüngeren Klarstellung durch den BGH ist allerdings einschränkend erforderlich, dass im Zeitpunkt der Deckung bereits ernsthafte Zweifel an der Liquiditätslage des Schuldners bestehen761. Ein zweites zentrales Indiz bildet die Kenntnis des Schuldners von der eigenen, zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit762, da der Schuldner in so einer Situation weiß, dass 753 Für stärker objektiv ansetzende Abgrenzungsversuche u. a. Bork, ZIP 2004, 1684 (1691), ders., ZIP 2008, 1041 (1046); Jacoby, KTS 2009, 3 (17 ff.); ders., KTS 2005, 371 (398). Zur Aufgabe des Unlauterkeitserfordernisses bei kongruenten Deckungen durch den BGH vgl. Foerste, NZI 2006, 6 (8 f.). 754 Vgl. nur BGH ZIP 2008, 190 (Tz. 32); ZIP 2013, 174 (Tz. 14); ZIP 2013, 371 (Tz. 23). 755 BGH NJW 2009, 1601 (Tz. 10); ZIP 2007, 1511 (Tz. 8). 756 Hierin liegt denn mittlerweile auch der Hauptanwendungsbereich der Vorsatzanfechtung. 757 Eingehend dazu Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 133 Rn. 27 ff.; ders., NJW 2014, 422 (424 ff.). 758 BGH ZIP 2004, 319; ZIP 2008, 1385 (Tz. 19); ZIP 2012, 2355 (Tz. 10); ZIP 2013, 228 (Tz. 24). 759 BGH ZIP 1998, 257 (263); ZIP 2005, 769 (770 f.). 760 Zur genauen prozessualen Einordnung Thole, Gläubigerschutz, S. 499 ff. 761 BGH ZIP 2013, 2368 (Tz. 12) m. w. Nachw., dazu auch Ganter, NZI 2014, 185 (195 f.). 762 Erstmals deutlich BGH ZIP 2006, 1261 (1263); ZIP 2008, 190 (Tz. 32); ZIP 2009, 91 (Tz. 46).

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sein Vermögen nicht mehr zur Befriedigung aller Gläubiger genügt763. Damit kann auch eine kongruente Deckung angefochten werden, da die Verpflichtung des Schuldners es nicht zwingend ausschließt, dass er gerade diesem Gläubiger einen Vorteil vor den anderen Gläubigern verschaffen wollte764. Diese und andere765 Beweiszeichen sollen allerdings nicht schematisch angewendet werden, sondern lediglich in die vom Tatrichter gem. § 286 ZPO vorzunehmende „Gesamtbetrachtung“ einzustellen sein, deren Erforderlichkeit der IX. Zivilsenat wiederholt und mit zunehmender Vehemenz angemahnt hat766. Gegen den Benachteiligungsvorsatz können u. a. ernsthafte Sanierungsbemühungen767 oder eine bargeschäftsähnliche Lage (§ 142 InsO) sprechen. Diese hier nur knapp umrissenen Grundsätze gelten bei Deckungshandlungen gegenüber allen, auch außenstehenden Gläubigern. Noch weitgehend ungeklärt ist, inwiefern – abseits von § 133 Abs. 2 InsO – sich die Anforderungen an den Nachweis des Benachteiligungsvorsatzes verringern können, wenn die Gesellschaft die Verbindlichkeit eines Gesellschafters tilgt. Lässt sich für so einen Fall der Benachteiligungsvorsatz generell leichter feststellen, indem man etwa der Insiderstellung des Gesellschafters bereits allgemein eine Indizwirkung beimisst768? Kann die Tilgung einer Forderung, die in der Insolvenz dem Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterlegen hätte ein „zusätzliches“ Indiz darstellen769 ? Kann etwa das Krisenmerkmal des Kapitalersatzrechts in diesem Zusammenhang noch Berücksichtigung finden770 ? Lässt sich sogar eine (widerlegliche) Vermutung für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes aufstellen, wenn die Gesellschaft eine in den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 InsO fallende Verbindlichkeit tilgt, im Zeitpunkt der Deckung drohend zahlungsunfähig war und der Geschäftsführer dies wusste771? Da die Vorsatzanfechtung an ein missbilligtes Schuldnerverhalten anknüpft, die Rückgewährpflicht jedoch den Anfechtungsgegner trifft, muss dieser den Benach763

BGH ZIP 2013, 228 (Tz. 15). BGH ZIP 2013, 174, (Tz. 14 ff.); ZIP 2013, 371 (Tz. 25); Kayser, in: MünchKomm/ InsO, § 133 Rn. 34a (Kenntnis „kann“ als alleiniges Indiz ausreichen); allgemein wird bei kongruenten Deckungen allerdings oft hervorgehoben, dass erhöhte Anforderungen an den Nachweis zu stellen seien, dazu Kayser, a.a.O. Rn. 33 ff. m. umf. Nachw. aus der Rspr.; kritisch Jacoby, KTS 2009, 3 (16); Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (607 f.). 765 Vgl. dazu Thole, Gläubigerschutz, S. 514 ff. 766 Z. B. BGH NZI 2010, 439 (Tz. 18 ff.); ZIP 2013, 2368 (Tz. 7); Gehrlein, DB 2013, 2843 (2846 f.). Dieser positive, begründende Teil war in der instanzgerichtlichen Rspr. unter dem Eindruck der ständigen Ausformung der Beweiszeichen durch den BGH. z. T. offenbar vernachlässigt worden, so schon G. Fischer, NZI 2008, 588 (592). 767 Analyse der jüngeren Rspr. bei Hagemann, NZI 2014, 210 ff. 768 In diese Richtung Engert, ZGR 2004, 813 (818); Thole, Gläubigerschutz, S. 657. 769 Bangha-Szabo, ZIP 2013, 1058 (1059). 770 Nassall, NJW 2010, 2305 (2309 f.). 771 Ockelmann, in: Bormann/Kauka/Ockelmann, Kap. 10 Rn. 194. 764

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teiligungsvorsatz des Schuldners im Zeitpunkt der Rechtshandlung gekannt haben. Die Kenntnis wird vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte772 und die Handlung die Gläubiger benachteiligte (§ 133 Abs. 1 S. 2 InsO)773. c) Erleichterte Anfechtung gem. § 133 Abs. 2 InsO Gem. § 133 Abs. 2 S. 1 InsO unterliegt der Vorsatzanfechtung ferner ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138 InsO) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Weist der Insolvenzverwalter dies nach, kann sich der Anfechtungsgegner gem. § 133 Abs. 2 S. 1 InsO nunmehr nur noch mit dem Nachweis verteidigen, dass der Vertrag länger als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen oder ihm zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war774. Die Norm bietet folglich gegenüber § 135 Abs. 1 InsO den Vorteil einer Verdoppelung der Anfechtungsfrist, während der Vorzug gegenüber § 133 Abs. 1 InsO in der Vermutungswirkung bzgl. des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes und der positiven Kenntnis des Anfechtungsgegners besteht. Rechnet die Gesellschaft durch Vertrag mit einer nahestehenden Person775 auf, liegt darin stets ein entgeltlicher Vertrag. „Vertrag“ erfasst in seiner weiten Auslegung bereits im Einvernehmen mit dem Anfechtungsgegner vorgenommene Erfüllungshandlungen des Schuldner776, sodass erst Recht der Aufrechnungsvertrag als echter zweiseitiger Verfügungsvertrag erfasst sein muss. Da es nur auf die tatsächliche Einvernehmlichkeit der Tilgung ankommt, besteht auch keine Gefahr, dass Gesellschaft und Gesellschafter eine einseitige Aufrechnung der Gesellschaft vorschieben, um dieses Tatbestandsmerkmal zu umgehen777. Die Entgeltlichkeit wird nach h.M. bei Erfüllungsgeschäften in der Befreiung von der Verbindlichkeit erblickt778, sodass die Aufrechnung niemals unentgeltlich sein kann. Die Gretchenfrage wird bei § 133 Abs. 2 InsO darin bestehen, ob im Einzelfall die Aufrechnung 772 Erst recht genügt die Kenntnis der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit, Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 133 Rn. 24 m. Nachw. 773 Zu den Einzelheiten Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 133 Rn. 19 ff., 24 ff.; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, § 133 Rn. 38 ff., 48 ff. 774 Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und positive Kenntnis werden mithin widerleglich vermutet, BGH NZI 2010, 738 (Tz. 11) m. w. Nachw. 775 1. c). 776 Nerlich, in: Nerlich/Römermann, § 133 Rn. 56, 58; anders offenbar, angesichts der bislang h.M. aber unverständlich BGH NZI 2012, 39 (Tz. 7), vgl. auch Mylich, ZIP 2013, 1650 (1653 m. Fn. 27): „nunmehr missverständlich“. 777 Auch eine einseitige Aufrechnung kann „Vertrag“ sein, vgl. Kayser, in: MünchKomm/ InsO, § 133 Rn. 40a. 778 Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, § 133 Rn. 185 m. umf. Nachw.; a.A. (Maßgeblichkeit des Grundgeschäfts) Thole, KTS 2007, 293 (311).

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die Gläubiger „unmittelbar“ benachteiligt. Als ein solcher Fall wird im Schrifttum im Anschluss an eine länger zurückliegende Bemerkung des IX. Senats779 die fehlende Vollwertigkeit der Gesellschafterforderung diskutiert780. Tilgt die Gesellschaft eine Gesellschafterforderung, die aufgrund der verminderten Bonität der Gesellschaft nicht mehr vollwertig ist, sollen hierdurch die Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden781. Diese Entscheidung erscheint aus hiesiger Sicht natürlich besonders verheißungsvoll, da sich hier die Perspektive auftut, die tradierte Vollwertigkeitsrechtsprechung in modifizierter, insolvenzrechtlicher Form fortzuführen782. Ob sich die Rechtsprechung diesen Ansatz zu Eigen machen wird, ist freilich ungesichert. Eine unmittelbare Benachteiligung soll im Allgemeinen bei der Tilgung bestehender, durchsetzbarer Verbindlichkeiten gerade nicht eintreten783. Wenn in diesem Zusammenhang oftmals der Begriff einer „vollwertigen Verbindlichkeit“784 fällt, ist damit nicht mehr gemeint als eben das Fehlen von Einreden und Einwendungen. Eine unmittelbare Benachteiligung wird bei der Vereinnahmung von Zahlungen während der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners dagegen nicht angenommen, obwohl die getilgte Gläubigerforderung gewiss nicht mehr wirtschaftlich werthaltig ist785. Eine unmittelbare Benachteiligung kann nach diesen Grundsätzen nur dann vorliegen, wenn die Gesellschafterforderung nicht fällig war, oder die Gesellschaft die Erfüllung gem. §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 S. 3 AktG, § 64 S. 3 GmbHG verweigern musste786. Die vereinzelt gebliebene, die Frage offenlassende Bemerkung des IX. Zivilsenats ist zudem zweifelhaft, weil sie sich auf zwei Entscheidungen des II. Zivilsenats zum Vollwertigkeitsgebot bei der Aufrechnung mit Einlageforderungen bezieht – eine Vorlage, die nach hier vertretener Ansicht freilich mit Vorsicht zu genießen ist. Auch in der Sache erscheint es nicht als ausgemacht, bei der Tilgung von Verbindlichkeiten gegenüber nahestehenden Personen bereits dann die vollumfängliche Beweislastumkehr eintreten zu lassen (!), wenn der Insolvenzverwalter lediglich darlegt und beweist, dass im Zeitpunkt der Tilgung die Gesellschaft bereits über779

ZIP 1997, 853 (854). Dafür Bangha-Szabo, ZIP 2013, 1058 (1061); Gehrlein, BB 2008, 846 (853); ders., BB 2011, 3 (7); aufgeschlossen auch Bormann, DB 2006, 2616 (2617); i.E. ähnlich Haas, ZIP 2006, 1373 (1379); vgl. auch OLG Hamm GmbHR 2000, 386 (387 a.E.). 781 Deutlich Bangha-Szabo, ZIP 2013, 1058 (1061); vgl. auch Mylich, ZIP 2013, 1650 (1652 f.). 782 Der Bereitschaft für eine Neuorientierung der Rspr. und deren Akzeptanz käme das sicher nur zugute. 783 BGH ZIP 1995, 1021 (1023); ZIP 2002, 404 (406). 784 BGH ZIP 1995, 1021 (1023); ZIP 2002, 404 (406); OLG Koblenz NZG 2006, 865 (866); OLG Frankfurt ZIP 2011, 392 (394); Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 129 Rn. 118; Spliedt, ZIP 2009, 149 (154). 785 Vgl. nur jüngst BAG ZIP 2014, 628 (Tz. 99) zur Zahlung von Arbeitsentgelt. 786 Insofern auch Bangha-Szabo ZIP 2013, 1058 (1060); Spliedt, ZIP 2009, 149 (154, 160). 780

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schuldet oder (drohend) zahlungsunfähig war. Die Formulierung des § 133 Abs. 2 InsO legt doch eigentlich nahe, dass dem Gesetzgeber ursprünglich schuldrechtliche Verträge vor Augen standen, bei denen Leistung und Gegenleistung nicht in einem ausgewogenen Verhältnis stehen787. Die Beweislastumkehr in solchen Fällen dürfte gerade daran anknüpfen, dass sich die Vertragspartner typischerweise des Missverhältnisses der beiderseitigen Leistungen bewusst sind. Damit ist aber die Situation eines Aufrechnungsvertrags nicht unbedingt vergleichbar: Hier bestehen bereits gegenseitige Verpflichtungen, zu deren Tilgung die beiden Parteien des Aufrechnungsvertrags prinzipiell verpflichtet sind. Nach hier vertretener Ansicht besteht daher nicht die Möglichkeit, die Unmittelbarkeit der Gläubigerbenachteiligung bereits aus der fehlenden Vollwertigkeit der Gesellschafterforderung herzuleiten. Unbenommen bleibt natürlich, dass sich die Unmittelbarkeit aus allgemeinen Grundsätzen ergeben kann. 4. Schenkungsanfechtung Gem. § 134 InsO unterliegen auch unentgeltliche Leistungen des Schuldners der Anfechtung, sofern sie nicht länger als vier Jahre vor dem Eröffnungsantrag zurückliegen. Interessanterweise begegnet auch in diesem Zusammenhang das Vollwertigkeitsgebot wieder. Es ist nämlich im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum angedacht worden, eine solche unentgeltliche Leistung bei der Aufrechnung mit Einlageforderungen anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Wert der Gesellschafterforderung objektiv hinter dem Nennwert der Einlageforderung zurückbleibt788. Trifft dies zu, würden die Spielräume des Insolvenzverwalters offensichtlich nicht unerheblich erweitert789. a) Unentgeltlichkeit bei der Tilgung von Verbindlichkeiten Obgleich einzuräumen ist, dass der BGH den Begriff der unentgeltlichen Leistung weiter als denjenigen der Schenkung (§ 516 BGB) versteht790 und insbesondere den subjektiven Voraussetzungen der Beteiligten nur eine verminderte Bedeutung beimisst, kann die Aufrechnung mit nicht vollwertigen Forderungen nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung nicht ohne weiteres unter diesen Anfechtungstatbestand subsumiert werden. Bei der Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Schuldners gilt im

787

Vgl. auch Bt.-Drucks. 12/2443, S. 157 (li. Sp.). Beiläufig Schall, Gläubigerschutz, S. 144 f. 789 Wenn etwa die Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO verstrichen und die subj. Voraussetzungen des § 133 InsO nicht nachgewiesen werden können, könnte § 134 InsO eine Bedeutung zukommen. 790 Zu Recht, vgl. Begr. RegE Bt.-Drucks. 12/2443, S. 160 f. 788

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Allgemeinen – wiederum791 – eine „förmliche“ Abgrenzung. Unentgeltlichkeit wird nur angenommen, wenn die Verbindlichkeit des Schuldners unentgeltlich begründet worden ist792. Ist also die Gesellschafterforderung, gegen die die Einlage aufgerechnet wird ohne Entgelt des Gesellschafters begründet worden, kann die Schenkungsanfechtung unzweifelhaft zum Zuge kommen. Interessanterweise begegnet die von Schall ohne weiteres angenommene Maßgeblichkeit der Vollwertigkeit einer getilgten Gesellschaftsverbindlichkeit bei § 134 InsO jedoch an anderer Stelle, und zwar in Drei-Personen-Konstellationen. Einen aktuellen Brennpunkt diese Anfechtungsgrunds bilden Zahlungen793, die ein Insolvenzschuldner gem. § 267 BGB zur Tilgung der Verbindlichkeit eines Dritten (im Folgenden „Forderungsschuldner“) gegenüber dessen Gläubiger vorgenommen hat. In solchen Fällen bestimmt der IX. Zivilsenat die Entgeltlichkeit nämlich danach, ob die getilgte Forderung des Gläubigers gemessen am Vermögensstand des Forderungsschuldners (nicht des Insolvenzschuldners) vollwertig war794. Es soll dabei außer Betracht bleiben, ob der Gläubiger eine Gegenleistung erbracht hat795 oder ob der Insolvenzschuldner gegenüber dem Forderungsschuldner zur Tilgung der Verbindlichkeit verpflichtet war796. Das zentrale Argument besteht darin, der Gläubiger sei infolge des Umstands, dass er als Gegenleistung von einer wertlosen Verbindlichkeit befreit werde, nicht schutzwürdig. Unentgeltlichkeit liegt bereits bei materieller Insolvenzreife des Forderungsschuldners und nicht erst dann vor, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Forderungsschuldners eröffnet wird797. Dabei soll sogar eine – im Zeitpunkt der Tilgung hypothetische – Quote als bloße Hoffnung des Zahlungsempfängers außer Betracht bleiben798. b) Stellungnahme Auch diese Rspr. erscheint wiederum die Perspektive zu eröffnen, die tradierte kapitalschutzrechtliche Rspr. im Rahmen des § 134 InsO fortzuführen. Doch ist zunächst ist hervorzuheben, dass der BGH wiederholt deutlich gemacht hat, die zuletzt genannten Grundsätze ausschließlich in den Drei-Personen-Konstellationen 791

s. bereits oben zu der ähnlichen Frage der Unmittelbarkeit der Gläubigerbenachteiligung unter 3. c). 792 Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 134 Rn. 26 m. w. Nachw.; Wittig, NZI 2005, 606 (607); vgl. auch Herrlich/Merkel, WM 2010, 2343 f. („abschließend geklärt“). 793 Gleiches gilt bei Besicherungen, vgl. dazu C. Berger, ZIP 2010, 2078 ff. 794 BGH NZI 2004, 374 (375); 2005, 323 f.; NZI 2008, 163 (Tz. 8); NZI 2009, 165 (Tz. 14); NZI 2010, 145 (Tz. 8); NZI 2013, 592 (Tz. 6); NZI 2013, 1017 (Tz. 6); vgl. auch Henckel, ZIP 2004, 1671 (1674) m. Nachw. aus der älteren Rspr.; eingehend Thole, Gläubigerschutz, S. 462 ff. 795 BGH NZI 2006, 399 (Tz. 11), NZI 2008, 163 (Tz. 10); NZI 2013, 1017 (Tz. 11). 796 Vgl. etwa NZI 2005, 323 (324); NZI 2008, 163 (Tz. 11). 797 Deutlich BGH NZI 2010, 678 (Tz. 7). 798 BGH NZI 2009, 891 (Tz. 9); NZI 2010, 678 (Tz. 7); NZI 2013, 1017 (Tz. 7).

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anlegen zu wollen799. Vor diesem Hintergrund ist eine Ausdehnung auf die Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners nicht zu erwarten800. Dennoch verdient diese Judikatur hier Beachtung, denn die vom BGH für richtig befundene Begründung wirft gerade die Frage auf, warum die Tilgung nicht vollwertiger Verbindlichkeiten nicht ganz allgemein als unentgeltliche Leistung einzustufen wäre801. Warum unterliegt die Aufrechnung gegen eine nicht vollwertige Gesellschafterforderung nicht der Schenkungsanfechtung, während eine Zahlung, mittels der die Gesellschaft eine nicht vollwertige Gesellschafterverbindlichkeit gegenüber einem Dritten tilgt, nach feststehender Rspr. sehr wohl diesem Anfechtungstatbestand unterfällt? Die Differenzierung zwischen der Tilgung eigener und fremder Verbindlichkeiten wird denn in der Literatur auch verbreitet und vollkommen zurecht als nicht überzeugend beanstandet802. Der BGH gelangt zu dieser Differenzierung, weil er einerseits die Unentgeltlichkeit danach bestimmen will, ob der Empfänger der Zahlung eine Gegenleistung erbracht hat, hierbei jedoch ausschließlich das Verhältnis zwischen (leistendem) Insolvenzschuldner und Empfänger betrachtet803. Eine vertraglich geschuldete Gegenleistung scheidet dann in den Drei-Personen-Konstellationen in aller Regel aus, weil es hier gerade typisch ist, dass eine eigene Verpflichtung des Zahlenden gegenüber dem Empfänger nicht besteht804. Es bleibt unter dieser Prämisse dann sozusagen gar nichts anders übrig, als auf die Befreiung der Verbindlichkeit abzustellen. Bedenkt man dies, ergibt sich zwischen der Rechtsprechung zur Schenkungsanfechtung in Drei-Personen-Konstellationen und der Vollwertigkeitsrechtsprechung im Rahmen des Kapitalschutzrechts vielleicht doch ein engerer Zusammenhang. Zwar erfordert die Aufrechnung immer gegenseitige Forderungen, sodass der Gesellschafter stets zur Leistung gerade gegenüber der Gesellschaft verpflichtet ist und daher die Aufrechnung innerhalb des § 134 InsO eigentlich nach den zu den Zwei-Personen-Konstellationen entwickelten Grundsätzen zu behandeln wäre. Die Rechtsprechung des II. Zivilsenats zur Aufrechnung mit Einlageforderungen ist allerdings gerade von dem Leitgedanken durchzogen, die vom Gesellschafter geschuldete Gegenleistung außer Betracht zu lassen. Auch hier wird ja das Kausalgeschäft ausgeblendet und stattdessen auf den Tilgungsakt fokussiert. Im Rahmen der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats zur Schenkungsanfechtung entspricht dies der Fokussierung auf das Zuwendungsverhältnis. Steht die Schenkungsanfechtung 799

BGH NZI 2013, 1017 (Tz. 6). Vgl. aber sogleich im Text. 801 Wie hier Herrlich/Merkel, WM 2010, 2343 (2345). 802 Henckel, in: Jaeger, § 134 Rn. 3, 25; ders., ZIP 2004, 1671 (1674); C. Berger, ZIP 2010, 2078 (2080 f.); Herrlich/Merkel, WM 2010, 2343 ff.; Prütting, KTS 2005, 253 (257); Wazlawik, NZI 2010, 881 (885 ff.); Wiester/Kranz, NZI 2012, 541 (544 f.); Wilk, NZI 2008, 407 (411 ff.). 803 Vgl. nur NZI 2010, 145 (Tz. 10); Kayser, WM 2007, 1; Thole, Gläubigerschutz, S. 460, 462. 804 Dies kann aber ausnahmsweise der Fall sein, vgl. BGH NZI 2005, 323 (324). 800

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allgemein für eine erweiterte Auslegung in diese Richtung offen, erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass dieses zivilrechtliche Vorverständnis vom IX. Zivilsenat übernommen werden könnte805. Die Bestimmung der Unentgeltlichkeit, wie sie der IX. Zivilsenat in den DreiPersonen-Konstellationen vornimmt, bietet verschiedene Angriffspunkte. Die Grundsatzkritik geht dahin, dass der BGH zur Bestimmung der Entgeltlichkeit überhaupt auf die mit der Tilgung der Forderung verbundene Befreiung einer Verbindlichkeit abheben will806. Unplausibel erscheint die Rechtsprechung jedenfalls dort, wo sich Widersprüche zu anderen, innerhalb von § 134 InsO allgemein anerkannten Grundsätzen aufzeigen lassen807. Die Rechtsprechung könnte maßgeblich entschärft werden, wenn in Zukunft die eigene Prämisse ernster genommen und tatsächlich nur noch echte Drittleistungsfälle i.S.d. § 267 BGB unter § 134 InsO subsumiert werden würden. Anweisungsfälle, in denen nichts anderes liegt als eine Leistung des Insolvenzschuldners an den Forderungsschuldner sowie eine simultane Leistung des Forderungsschuldners an den Gläubiger, sollten nach den Grundsätzen behandelt werden, die der BGH auch in den klassischen Zwei-Personen-Konstellationen zur Anwendung bringt808. Der IX. Zivilsenat geht demgegenüber wie selbstverständlich davon aus, dass in der Zahlung an den Dritten – zumindest auch – ein Fall des § 267 BGB liege. Will der Insolvenzschuldner allerdings, was in der Regel der Fall sein wird, eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzschuldner tilgen, wird daneben ein Fremdtilgungswille, wie ihn § 267 BGB voraussetzt, nur in den seltensten Fällen in Betracht kommen. In aller Regel wird daher in den Fällen, die die Rechtsprechung als Fremdtilgung einordnet, eine Simultanleistung vorliegen. So modifiziert ergibt sich auch für die Aufrechnung die richtige Lösung; auch insofern sollte die Aufrechnung lediglich als abgekürztes Hin- und Herzahlen und damit als (entgeltliche) Tilgung der eigenen Verbindlichkeit verstanden werden. Nach alldem verbleibt der Schenkungsanfechtung im hiesigen Zusammenhang daher kein nennenswerter Anwendungsbereich809.

805 Auch zur ähnlich gelagerten Frage bei § 133 Abs. 2 InsO hat sich der Senat für eine derartige Übernahme offen gezeigt, dazu bereits unter 3. c). 806 Henckel, in: Jaeger, § 134 Rn. 3, 25; ders., ZIP 2004, 1671 (1674); Häsemeyer, Rn. 21.90 ff.; Prütting, KTS 2005, 253 (257); Wiester/Kranz, NZI 2012, 541 (544 f.); differenzierend aber Thole, KTS 2011, 219 (227 ff.). 807 Dazu Thole, KTS 2011, 219, (230 f.). Insbesondere müsste der BGH eigentlich, da die Forderungen des Gläubigers in den allermeisten Fällen gewiss nicht wertlos ist, Wittig, NZI 2005, 606 (608), entsprechend den Grundsätzen zur teilweise unentgeltlichen Leistung, dazu Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 134 Rn. 41 ff., vom Insolvenzverwalter den Nachweis einen Freigiebigkeitswillens des Schuldners verlangen. 808 Dafür auch Thole, KTS 2011, 219 (231, 232); Wiester/Kranz, NZI 2012, 541 (545 f.); Wilk, NZI 2008, 407 (412); vgl. auch Herrlich/Merkel, WM 2010, 2343 (2345 f.). 809 Freilich kann die Tilgung durch Aufrechnung nach § 134 InsO angefochten werden, wenn die Gesellschafterforderung unentgeltlich begründet worden ist.

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5. Rechtsfolge Als Rechtsfolge einer jeden Insolvenzanfechtung spricht § 143 Abs. 1 InsO aus810, dass der durch die angefochtene Rechtshandlung veräußerte Gegenstand zur Insolvenzmasse „zurückzugewähren“ ist. Die Bestimmung dessen, was dies im Falle einer angefochtenen Aufrechnung im Einzelnen bedeutet, fällt nicht leicht811. Hierzu müssen zunächst die Rechtsfolgen der Anfechtung kurz rekapituliert werden. a) Wirkung der Anfechtung Darüber, wie die Rechtsfolge der Anfechtung systematisch richtig zu verorten ist, ist lange Zeit gestritten worden. Nach den früher vertretenen Dinglichkeitstheorien812 ist die Rechtshandlung kraft Erklärung der Anfechtung bzw. bereits kraft Gesetzes unwirksam. Nach anderen Ansätzen begründet die Anfechtung nur ein obligatorisches Rückgewährschuldverhältnis813. Eine dritte Strömung spricht mit Unterschieden im Einzelnen davon, dass die Vermögensverschiebung „haftungsrechtlich unwirksam“ sei814. In einem gewissen Gegensatz zu dem hohen rechtsdogmatischen Aufwand, mit dem die Wirkung der Anfechtung seit jeher durch die Wissenschaft beleuchtet wird, steht die Bedeutung dieser Frage in der konkreten Rechtsanwendung815. Der BGH neigt dem schuldrechtlichen Ansatz zu, hat sich zuletzt aber in einer zentralen Streitfrage der Diskussion – derjenigen, ob dem Rückgewähranspruch Aussonderungskraft (§ 47 InsO) zukommt – jedenfalls im Ergebnis auf die haftungsrechtliche Theorie zubewegt816. Allerdings wollte er dies nicht als Bekenntnis zu diesem Ansatz verstanden wissen817. Der IX. Zivilsenat hat in diesem Zusammenhang auch allgemeine Zweifel daran erkennen lassen, ob die Rechtsfolgen der Anfechtung im Einzelfall derart zu gewinnen sind, dass begriffliche Ableitungen aus einer allgemeinen Theorie der Anfechtung gezogen werden818. Vor dem Hintergrund, dass selbst Anhänger derselben Theorie in Einzelfragen zu unter-

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Vgl. auch § 11 Abs. 1 S. 1 AnfG. Dazu eingehend auch v. Olshausen, KTS 2001, 45 (58 ff.). 812 Vor allem Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (476 ff.); umfangr. Nachweise bei Henckel, in: Jaeger, § 143 Rn. 5 f.; gegen die dinglichen Theorien statt vieler Häsemeyer, Rn. 21.12. 813 „Schuldrechtliche Theorien“, u. a. BGH, vgl. ZIP 1990, 246 (247 f.); ZIP 1995, 134 (138); umfangr. Nachw. bei Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 6 ff. 814 Maßgeblich Paulus, AcP 155 (1956), 277 (299, 319 ff., 325); daneben insbesondere Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 179 ff. 815 Symptomatisch bereits das Fazit von Costede/Kaehler, ZZP 84 (1971), 395 (417 f.). 816 ZIP 2003, 2307. 817 BGH ZIP 2003, 2307 (2310); dazu Eckardt, KTS 2005, 15 (18 ff.); Gerhardt, ZIP 2004, 1675 ff. 818 Zustimmend insofern Thole, Gläubigerschutz, S. 540; allgemein Kayser, in: MünchKomm/InsO, Vorbemerkungen vor §§ 129 bis 147 Rn. 37 ff.; vgl. auch K. Schmidt, JZ 1987, 889 (990 ff., 995). 811

232

Kap. 2: Aufrechnung

schiedlichen Ergebnissen gelangen819 und bisweilen gar die Einordnung einzelner Autoren in das Meinungsgefüge wiederum neue Unklarheiten auslöst820, sollte das Potential der Theorien wohl in der Tat nicht überschätzt werden. Das haftungsrechtliche Verständnis hat in der vorliegenden Frage – der Rechtsfolge einer anfechtungsrechtlich unzulässigen Aufrechnung – jedenfalls ein eindeutiges Ergebnis821. Wegen § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO822 lassen sich eindeutige Stellungnahmen die Aufrechnung betreffend zwar kaum finden. Es dürfte hier aber nichts anderes gelten als bei einem anfechtungsrechtlich unzulässigem Erlass bzw. Verzicht durch den Insolvenzschuldner. Derart anfechtbar preisgegebene Forderungen sind nach der haftungsrechtlichen Lehre Bestandteil der Masse und können vom Insolvenzverwalter eingeklagt werden823. Wendet der Schuldner ein, die Verbindlichkeit sei ihm vom Gläubiger (dem späteren Insolvenzschuldner) erlassen worden, kann der Insolvenzverwalter sich auf die Anfechtbarkeit dieses Erlasses berufen und die erlassene Forderung geltend machen. Aber auch unter Zugrundelegung der wohl noch vorherrschenden schuldrechtlichen Theorie wird es als möglich angesehen, dass bei einer anfechtbar erlassenen824 bzw. aufgerechneten825 Forderung unmittelbar auf Leistung geklagt werden kann, wenn die Forderung fällig wäre. b) Stellungnahme Der richtigen Begründung bräuchte hier nicht weiter nachgegangen werden, würden die unterschiedlichen Ansätze nicht im Detail möglicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Die haftungsrechtliche Konzeption beantwortet zugleich unmittelbar die Frage nach dem Inhalt des Rückgewähranspruchs. Das in der Aufrechnung liegende Hin- und Herzahlen ist haftungsrechtlich unwirksam, sodass der Insolvenzverwalter die ausstehende Einlage geltend machen kann. Das hat den Vorteil, dass die besonderen gesellschaftsrechtlichen Sicherungen, namentlich die Möglichkeiten der Kaduzierung (§§ 64 f. AktG, §§ 21 ff. GmbHG), dem Insolvenzverwalter weiterhin zur Verfügung stehen. Dagegen schuldet der Gesellschafter nicht etwa lediglich Wertersatz für die Befreiung von der Einlageverbindlichkeit. Sofern die Einlageforderung zwischen Aufrechnung und Eröffnung des 819 Beispielhaft die Ablehnung der Aussonderungskraft von Häsemeyer, Rn. 21.16; Eckardt, KTS 2005, 15 (20 ff.), die gleichwohl im Grundsatz einer Haftungstheorie anhängen. 820 Vgl. Marotzke, KTS 1987, 1 ff. (25) („Anhänger der dinglichen Theorie“); dagegen Henckel, in: Jaeger, § 143 Rn. 13 (für eine Zuordnung zur haftungsrechtlichen Theorie). 821 Vgl. Henckel, in: Jaeger, § 143 Rn. 42 f., 93. 822 Dazu bereits unter 1. b). 823 Dazu Henckel, in: Jaeger, § 143 Rn. 42; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (327, 330); Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 326 f. 824 Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, § 143 Rn. 203; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, § 143 Rn. 37 (vgl. § 129 Rn. 7 a.E.) 825 v. Olshausen, KTS 2001, 45 (58 ff.).

§ 8 Insolvenzbezogene Zulässigkeitsschranken

233

Insolvenzverfahrens verjährt worden wäre, ist dieser Zeitraum analog §§ 206, 209 BGB nicht in die Verjährungsfrist einzubeziehen826. Daneben können akzessorische Sicherheiten wieder aufleben827. Unter der schuldrechtlichen Theorie bzw. bei Betonung der rein schuldrechtlichen Wirkung der Anfechtung ist der genaue Inhalt des Rückgewähranspruchs dagegen ungesichert828. Falls die Anfechtung auch im Fall der schuldrechtlichen Theorie schlicht bedeuten soll, dass der Insolvenzverwalter die ursprünglich geschuldete Leistung einklagen kann829, ergibt sich insofern kein Unterschied zur haftungsrechtlichen Theorie. Dieses Ergebnis wird man aber mit einem Fragezeichen versehen müssen, da eine konsequente Durchführung der schuldrechtlichen Theorie es verlangen würde, den Anfechtungsgegner zunächst auf Wiederbegründung der Forderung zu verklagen. Erst nach einer stattgebenden und rechtskräftig gewordenen Entscheidung (§ 894 ZPO) könnte dann die eigentliche Leistung eingeklagt werden830. Zwar trifft es zu, dass die Zulassung der sofortigen Leistungsklage kein Alleinstellungsmerkmal des schuldrechtlich verstandenen § 143 InsO darstellt, sondern auch anderenorts im Schuldrecht begegnet831. So lässt die h.M. etwa den Gläubiger, der eine sach- oder rechtsmängelbehaftete Sache an Erfüllung statt (§ 365 BGB) angenommen hat und infolgedessen einen Anspruch auf Wiederherstellung der ursprünglichen Forderung gewinnt832, sogleich die ursprünglich geschuldete Leistung einklagen833. Die Ableitung der schuldrechtlichen Theorie ist dennoch nicht zweifelsfrei, weil der IX. Zivilsenat für die Abtretung – und damit für eine andere Variante der Verfügung – abweichend entschieden hat834. Eine anfechtbare Abtretung führt hiernach lediglich dazu, dass der Zessionar die Forderung schuldrechtlich zurückübertragen muss; der Insolvenzverwalter kann dagegen nicht unmittelbar Leistungsklage gegen den Drittschuldner erheben835. Auch hier ließe sich mit gleichem Recht einwenden, die damit erforderlich werdende Doppelklage des Insol826

Henckel, in: Jaeger, § 143 Rn. 42 (zum Erlass). Henckel, a.a.O. (vorige Fn., zum Erlass); allerdings ist die Besicherung von Einlageforderungen wohl kaum praxisrelevant. 828 v. Olshausen, KTS 2001, 45 (59 ff.). 829 So BGH WM 1959, 888. 830 Zutreffend Henckel, in: Jaeger, § 143 Rn. 43 („schuldrechtlicher Anspruch […] weginterpretiert“). 831 So das zentrale Gegenargument bei v. Olshausen, KTS 2001, 45 (60 f.). 832 Vgl. § 365 BGB i.V.m. §§ 437, 323, 326 Abs. 5 BGB i.V.m. § 346 BGB. 833 BGH NJW 1967, 553 (554) (doppelte Klage wäre „nicht gerechtfertigter Formalismus“); Fetzer, in: MünchKomm/BGB, § 365 Rn. 3 m. w. Nachw. Speziell im Zusammenhang mit der Aufrechnung ist auch an den Fall zu denken, dass eine Forderung gem. (analog) §§ 813 Abs. 1 S. 1, 814 BGB kondiziert wird, weil der Aufrechnende keine Kenntnis von einer ihm zustehenden dauernden Einrede hatte; auch hier wird es zugelassen, dass der Kondiktionsgläubiger unmittelbar die Leistung einklagen kann, sofern die Forderung fällig wäre (dazu Gursky, in: Staudinger, § 387 Rn. 115 m. umf. Nachw.). 834 NZI 2007, 42. 835 § 10 II. 2. a). 827

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Kap. 2: Aufrechnung

venzverwalters sei umständlich und es müsse sogleich die Leistungsklage zugelassen werden. Indessen könnte auch eine streng schuldrechtlich verstandene Anfechtung der Aufrechnung zu einem direkten Leistungsanspruch gelangen. Dies würde voraussetzen, dass man die – schuldrechtlich primär geschuldete – Wiederbegründung der Einlageforderung als unmöglich einstufte (§ 275 Abs. 1 BGB). Der Gesellschafter würde dann unmittelbar nur Wertersatz schulden (§ 818 Abs. 2 BGB i.V.m. § 143 Abs. 1 S. 2 InsO)836. Bedenkt man die Parallele zur Abtretung, wäre dieses Ergebnis gar nicht fernliegend. Denn auch hier schuldet der Anfechtungsgegner (Zessionar) nur Wertersatz, wenn die Forderung zwischenzeitlich dadurch untergegangen ist, dass der Schuldner an den Zessionar geleistet hat und dieser die Forderung infolge des Erlöschens (§ 362 BGB) nicht mehr zurückübertragen kann837. Bei der Aufrechnung fallen dagegen die (anfechtbare) Verfügung über die Forderung und deren Erlöschen immer zusammen. Zweifelhaft ist, ob man die Unmöglichkeit der Wiederbegründung der ursprünglichen Forderung damit überspielen könnte, dass ja eine „betragsmäßig und inhaltlich völlig übereinstimmende“ Forderung vertraglich begründet werden kann838. Will man die unmittelbare Haftung des Gesellschafters aus der Einlageverbindlichkeit nicht bereits mit der haftungsrechtlichen oder – trotz der genannten Vorbehalte – der schuldrechtlichen Theorie annehmen, spricht für dieses Ergebnis jedenfalls auch der Rechtsgedanke des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Diese Norm erfasst nach dem klar geäußerten Willen des Gesetzgebers auch bereits vor Verfahrenseröffnung erklärte Aufrechnungen und führt ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu deren rückwirkender Unwirksamkeit839. Warum die Schuldnerforderung nicht auch in dem Fall unmittelbar eingeklagt werden kann, in dem nicht die Aufrechnungslage, sondern die Aufrechnungserklärung anfechtungsrechtlich inkriminiert ist, leuchtet nicht ein. Damit zeigt sich, dass der verfügungsbezogene Ansatz auch auf Rechtsfolgenseite einen wirksamen Schutz gegen anfechtungsrechtlich inkriminierte Aufrechnungen entfalten kann. Die grundsätzliche Wirksamkeit solcher Aufrechnungen hat auf die effektive Zurückführung der Mittel keinen Einfluss. Der Insolvenzverwalter kann jedenfalls im Ergebnis unmittelbar Klage auf Leistung der Einlage erheben840.

836

In diese Richtung OLG Dresden WiB 1997, 647 (648). BGH NZI 2007, 42 (Tz. 20). Die Aufrechnung führt den Verlust der Inhaberschaft der Forderung und deren Tilgung bereits uno actu herbei. 838 So v. Olshausen, KTS 2001, 45 (59 m. Fn. 64). Bei einer Einlageforderung, die ihre Grundlage in einem Gesellschaftsvertrag hat, ist z. B. fraglich, ob eine solchermaßen wiederbegründete Forderung die Ausfallhaftung (§ 24 GmbHG) auslösen könnte. 839 RegE Bt.-Drucks 12, 2443, S. 141; s. auch BGH ZIP 2003 2370 (2371); zur Diskussion Henkel, NZI 2007, 84 (86 f.). 840 Vgl. auch Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 98 a.E. 837

§ 8 Insolvenzbezogene Zulässigkeitsschranken

235

III. Fazit Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die hier befürwortete Aufgabe des Vollwertigkeitsgebots durch insolvenzrechtliche bzw. insolvenzrechtlich geprägte Regelungen hinreichend aufgefangen wird. Der verfügungsbezogene Ansatz ermöglicht eine Geschäftsleiterhaftung nach den §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 S. 1, 3 AktG, § 64 S. 1, 3 GmbHG, sodass anders als auf Grundlage der Vollwertigkeitsrechtsprechung der Krisenverantwortlichkeit der Geschäftsleitungsorgane Rechnung getragen werden kann. Auch der Gesellschafter kann in den Fällen fehlender Vollwertigkeit seiner aufgerechneten Forderung nach dem hier verfolgten Ansatz haften, wobei sich diese Rechtsfolge nicht als Konsequenz der (teilweisen) Unwirksamkeit der Aufrechnung ergibt, sondern aus den §§ 129 ff. InsO folgt. Dabei erzielen diese Regelungen ein differenzierteres Haftungsregime als dasjenige der Vollwertigkeitsgrundsätze, indem etwa Aufrechnungen, die eine inkongruente Deckung darstellen, anfechtungsrechtlich strenger behandelt werden. Als Anfechtungsgrund dürfte in der Praxis nicht nur § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, sondern auch die Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) Bedeutung erlangen. Nach hier vertretener Auffassung ist die Vollwertigkeitsrechtsprechung allerdings nicht im Rahmen der §§ 130 ff. InsO „fortführbar“. Eine Aufrechnung mit einer nicht vollwertigen Forderung stellt als solche weder eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 133 Abs. 2 InsO noch eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO dar. Ist ein Anfechtungsgrund gegeben, ist die Aufrechnung haftungsrechtlich unwirksam, sodass der Insolvenzverwalter über die Einlageforderung für die Dauer des Insolvenzverfahrens verfügen, sie insbesondere einziehen kann.

Kapitel 3

Die Drei-Personen-Konstellationen § 9 Kritik der herrschenden Auffassung Im folgenden Teil der Untersuchung werden nun die Konstellationen in den Blick genommen, in denen die Tilgung der Forderung eines von dem die Einlage schuldenden Gesellschafter verschiedenen Dritten in Rede steht. Typischerweise handelt es sich dabei um einen gesellschaftsfremden Dritten, sodass diese Fälle hier im Schwerpunkt behandelt werden. Bereits in Kapitel 1 war festgestellt worden, dass die Ausdehnung des Vollwertigkeitsgebots auf die Drei-Personen-Konstellationen gerade von der Aufrechnung ausgegangen war. Nachdem sich diese Prämisse in Kapitel 2 als nicht tragfähig erwiesen hat, kann nunmehr unschwer prognostiziert werden, dass der hier vertretene Ansatz im Ergebnis auch in den Drei-PersonenKonstellationen zur Verwerfung des Vollwertigkeitsgebots gelangen muss. Das gilt zumal, als wesentliche Untersuchungsergebnisse unmittelbar auch in diesem Zusammenhang Geltung beanspruchen. Insbesondere ist zu beachten, dass der von der h.M. angenommene Grundsatz der realen Kapitalaufbringung in Bezug auf Resteinlage in dieser Form nicht anzuerkennen ist1. Damit entfällt auch in den DreiPersonen-Konstellationen das Argument, die jeweilige Disposition dürfte keine andere Wirkung haben, als wenn der Gesellschaft die Einlage gezahlt worden wäre. Der verbleibende Teil der Untersuchung kann allerdings die bereits entwickelte Auffassung zusätzlich veranschaulichen und konsolidieren. Nach der Darstellung des Meinungsstands (I.) werden hierzu nach bewährtem Muster zunächst allgemeine zivilrechtliche Grundsätze der Fallgruppen in Erinnerung gerufen (II.). Darauf aufbauend lässt sich zeigen, dass das Vollwertigkeitsgebot bei den Drei-PersonenKonstellationen sich bereits im Ansatz vergleichbaren Einwänden ausgesetzt sieht wie die erfüllungsbezogen verstandene Aufrechnung. Ferner werden die Unzulänglichkeiten von zahlungs- und forderungsbezogenem Ansatz im hiesigen Zusammenhang aufgezeigt (III.).

1

Dazu unter § 6 I.

§ 9 Kritik der herrschenden Auffassung

237

I. Meinungsstand 1. Vollwertigkeitsgebot a) Leistung an einen Dritten auf Anweisung Leistet der Gesellschafter seine Einlage auf Anweisung der Gesellschaft an einen Gesellschaftsgläubiger, wird er durch diese Zahlung nach der Rechtsprechung nur dann von der Einlageverbindlichkeit befreit, wenn die Forderung des Dritten vollwertig, fällig und liquide ist2. Die wohl noch überwiegende Meinung im Schrifttum folgt dem bis heute3. Eine tendenziell vordringende Ansicht lehnt das Vollwertigkeitsgebot in dieser Fallgruppe dagegen ab4. Der genaue Inhalt des Vollwertigkeitsgebots ist nicht anders als bei der Fallgruppe der Aufrechnung unklar und wird häufig auch nicht näher erörtert5. Der Einbezug der Anweisungsleistung unter das Vollwertigkeitsgebot erfolgte bereits in der frühen Phase, in der das RG noch dem zahlungsbezogenen Ansatz folgte. Die heute h.M. neigt jedoch nicht anders als bei der Aufrechnung mit Gesellschafterforderungen einem forderungsbezogenen Ansatz zu. Im Unterschied zur Aufrechnung mit Gesellschafterforderungen findet man heute in Rechtsprechung und Literatur bei dieser Fallgruppe sogar kaum noch Anklänge des zahlungsbezogenen Ansatzes. Während bei der Aufrechnung noch der zahlungsbezogene Standpunkt hier und dort zu erkennen ist, wenn von der Vermeidung eines „Hin- und Herzahlens“ die Rede ist, ist eine entsprechende Formel bei der Anweisungsleistung

2

BGH NJW 1986, 989; NJW 1992, 3300 (3302); NZG 2011, 667 (Tz. 12); vgl. auch NJW 2002, 1716 (1717); OLG Köln WM 1984, 740 (742), WM 1987, 537 (538), WM 2002, 1015 (1016); OLG Düsseldorf GmbHR 1989, 164; OLG Naumburg NJW-RR 1999, 1641, BeckRS 2006, 11929; OLG Hamm NJW-RR 2000, 848 (849); OLG Brandenburg BeckRS 2006, 05561 (unter II, Bekl. zu 3); OLG Oldenburg BeckRS 2008, 19233; LG München ZIP 2012, 2152 (2155 f.); zur Rspr. des RG bereits eingehend unter § 2 II. 2. c). 3 Gründung: Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 74; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler, § 66 Rn. 71; Lutter, in: KölnKomm/AktG, 2. Aufl. 1988, § 66 Rn. 48; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 13; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 18; und H. Schneider/ H. P. Westermann, in: Scholz, 10. Aufl. 2006, § 19 Rn. 104; Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 57; Veil, in: Scholz, § 19 Rn. 41; Goette, § 2 Rn. 24 ff.; Priester, BB 1987, 208 ff.; Kapitalerhöhung: Hermans, in: Michalski, § 56 Rn. 14; Lieder, in: MünchKomm/GmbHG, § 56a Rn. 18; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 56a Rn. 5; Wiedemann, in: Großkomm/AktG, § 188 Rn. 12 (s. aber noch folgende Fn.). 4 Drygala, in: KölnKomm/AktG, § 66 Rn. 53 ff.; ders., ZGR 2006, 587 (618 f.); Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 37; Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 156 ff.; Gehling, DNotZ 1991, 828 (837 f.); Wilhelm, ZHR 152 (1988), 333 (364 ff.); Wiedemann, ZIP 1991, 1257 (1264); Ihrig, Freie Verfügung, S. 276 ff., 285 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 II. 2. g) (S. 1120); Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 393 ff. 5 Mitunter wird bzgl. des Tatbestands der Vollwertigkeit auf die Aufrechnung verwiesen, vgl. z. B. Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 18.

238

Kap. 3: Die Drei-Personen-Konstellationen

(„Hin- und Her“, bzw. „Hin- und Weiter“) kaum noch zu finden6. In seiner jüngsten Entscheidung zur Anweisungsleistung hat der BGH nur noch eine vollwertige Drittforderung verlangt7 und die enger mit dem zahlungsbezogenen Ansatz verbundenen Kriterien von Fälligkeit und Liquidität gar nicht erwähnt. Da das Vollwertigkeitsgebot nach h.M. wie bei der Aufrechnung eine besondere, zusätzliche Erfüllungsvoraussetzung darstellt, weist die Rechtsprechung dem Gesellschafter auch hier die Darlegungs- und Beweislast zu8. Anders als in der Parallelfrage bei der Aufrechnung mit Gesellschafterforderungen wird diese Problematik in der Literatur nicht diskutiert. Die dort teilweise vorgebrachte Kritik passt aber grds.9 auch auf die Anweisungsleistung, zumal hier die Erfüllung der Einlageforderung noch von einem fremden Rechtsverhältnis abhängt. b) Abtretung und Pfändung Auch hinsichtlich Abtretung und Pfändung der Einlageforderung geht die nach wie vor überwiegende Meinung davon aus, dass diese nur bei vollwertiger Kompensation zulässig sind10. Während manche Gegenstimmen das Vollwertigkeitsgebot für diese beiden Fälle insgesamt ablehnen11, wollen andere differenzieren. Lediglich die Abtretung sei durch das Vollwertigkeitsgebot eingeschränkt, die Pfändung müsse dagegen auch bei fehlender Vollwertigkeit zugelassen werden12. Entsprechend den 6 Anders noch OLG Zweibrücken NJW 1966, 840 (841); vgl. auch OLG Naumburg NJWRR 1999, 1641 (1642). 7 BGH NZG 2011, 667 (Tz. 12); anders noch BGH NJW 1986, 989. 8 OLG Naumburg, NJW-RR 1999, 1641 (1642); OLG Hamm NJW-RR 2000, 848 (849); OLG Brandenburg BeckRS 2006, 05561 (unter II, Bekl. zu 3). 9 Abgesehen von der Ansicht, die nach einseitiger Aufrechnung und Aufrechnungsvertrag differenzieren will. Die Weisung, an den Dritten zu leisten, ist für den Gesellschafter stets unverbindlich, sodass nach dieser Ansicht die Übertragung der Darlegungs- und Beweislast auf den Gesellschafter wohl gerechtfertigt wäre. 10 Zuletzt BGH NJW 2011, 2719 (Rn. 54) (für den Erstattungsanspruch aus § 62 AktG); Hirte, in: Uhlenbruck, § 35 Rn. 310; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 11; Wicke, § 19 Rn. 16; Ziemons, in: Ziemons/Jaeger, § 19 Rn. 52, 61; Michalski/Schulenburg, NZG 1999, 431 (434); Oplustil, Reale Kapitalaufbringung, S. 203 f.; P. A. Schön, Aufrechnung und Kapitalaufbringung, S. 69 (Fn. 233). 11 Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rn. 256; K. Schmidt, in: K. Schmidt/ Uhlenbruck, Rn. 6.36; ders., ZHR 157 (1993), 291, 310 f; neuerlich auch (sofern die Forderung des Zessionars/Pfändungsgläubigers besteht und fällig ist) Verse, in: Henssler/Strohn, § 14 GmbHG Rn. 26, 31; C. Berger, ZZP 107 (1994), 29 ff.; Lieb, DB 1970, 961 (967, Fn. 70); K. Müller, GmbHR 1970, 57 ff.; Frey, Einlagen, S. 35; Schall, Gläubigerschutz, S. 147; ders., ZGR 2009, 126 (150); Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 355 ff., 387 ff.; zweifelnd auch Haas, in: Baumbach/Hueck, § 69 Rn. 4; Habersack/Weber, ZGR 2014, 509 (535, 539 f.). 12 Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 114 f., 126; Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 135 ff.; Konzen, in: FS Ulmer, S. 323 (339 ff.); früh bereits R. Fischer, in: Großkomm/ AktG, 2. Aufl. 1961, § 60 Anm. 28; nicht ganz klar Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 14 f. („Pfändung ist ein zulässiger Weg für die Gläubiger, auf die Haftungsgarantie zuzugreifen“).

§ 9 Kritik der herrschenden Auffassung

239

Unklarheiten bei Aufrechnung und Anweisungsleistung findet man auch in diesen Fallgruppen kaum eindeutige Angaben zum genauen Inhalt des Vollwertigkeitsgebots13. Der BGH erörtert diese Frage in seinen Entscheidungen zumeist nicht näher14, dasselbe gilt für die Entscheidungen der Oberlandesgerichte15. In der Literatur wird oftmals auf das Vollwertigkeitsgebot bei der Aufrechnung hingewiesen16, das aber eben nicht einheitlich verstanden wird. Auch die Unklarheiten um das Vollwertigkeitsgebot bei Abtretung und Pfändung sind bereits in der Rechtsprechung des RG angelegt. Die Einbeziehung dieser Fallgruppen basierte zwar auf dem forderungsbezogenen Ansatz, der ein über die materiellen Insolvenzgründe hinausreichendes Verständnis der Vollwertigkeit ermöglicht17. Das RG hat denn auch zuletzt bei Pfändung und Abtretung die – eng mit dem zahlungsbezogenen Ansatz verbundenen18 – Kriterien der Fälligkeit und Liquidität der Gläubigerforderung gar nicht mehr ausdrücklich verlangt. Stattdessen hat es Vollwertigkeit damit umschrieben, der Gesellschaft müsse der Gegenwert der Gläubigerforderung voll zufließen19. Eine nähere Konkretisierung ist indessen unterblieben. 2. Ausnahmen Anknüpfend an die späte Rechtsprechung des RG20 hat der BGH zahlreiche Ausnahmen vom Vollwertigkeitsgebot entwickelt. Vor allem die Pfändung von Einlageforderungen hat er im Ergebnis dennoch zugelassen, wenn die Forderung des Pfändungsgläubigers nicht vollwertig war21. Bereits oben wurde herausgearbeitet,

Ablehnend vor allem bzgl. der Pfändung (ohne Auseinandersetzung mit der Abtretung) Haas/ Kolmann/Pauw, in: Gottwald, § 92 Rn. 269; Volmer, GmbHR 1998, 579 ff.; Stobbe, Durchsetzung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche, Rn. 679; zweifelnd insofern auch Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 42. 13 Vlg. auch Stobbe, Durchsetzung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche, Rn. 676. 14 Vgl. BGH NJW 1963, 102; NJW 1968, 398; NJW 1970, 469 (470); NJW 1980, 2253; NJW 1985, 1768; NJW 1992, 2229. 15 OLG Köln NJW-RR 1989, 354; NJW-RR 1996, 939 (940) („volle Gegenwert im Vermögen der GmbH“); nach dem OLG Celle, NZG 2000, 147 (148), muss das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung aller fälligen Gesellschaftsverbindlichkeiten ausreichen. 16 So z. B. Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 68, 79; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 42. 17 Dazu bereits unter § 3 III. 2. a), § 4 I. 1. b). 18 § 3 II. 19 RGZ 149, 293 (295). 20 § 2 III. 3. 21 Vor allem BGH NJW 1963, 102; NJW 1968, 398; NJW 1992, 2229; vgl. auch BGH NJW 1970, 469 (470); NJW 1980, 2253; NJW 1985, 1768; vgl. auch OLG Köln NJW-RR 1989, 354; NJW-RR 1996, 939 (940 f.).

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Kap. 3: Die Drei-Personen-Konstellationen

dass der BGH allerdings vor allem dadurch vom RG abwich, dass er einen Fremdgläubigervorrang annehmen wollte22. Zunächst führte der BGH die Rechtsprechung in Kontinuität zum RG fort, indem er Abtretung und Pfändung auch ohne vollwertige Gläubigerforderung in solchen Fällen zuließ, in denen der Geschäftsbetrieb nicht mehr weiterverfolgt wurde bzw. keine liquiden Mittel mehr zur Verfolgung der streitigen Einlageforderung vorhanden waren23. Auch wenn in casu mitunter betont wurde, dass der Gläubiger entweder einziger Gläubiger der Gesellschaft war24 oder andere Gläubiger jedenfalls ihre Ansprüche nicht mehr weiterverfolgten25, war damit kein Zurückfallen auf RGZ 149, 291 verbunden26. Bereits in der ersten Entscheidung27 war es nicht ausgeschlossen gewesen, dass noch weitere Gläubiger existierten; gleichwohl sah der BGH dies übereinstimmend mit dem RG für nicht entscheidend an, wenn andere Gläubiger keinen Vorschuss für einen Prozess des Liquidators geleistet hatten28. In einer späteren Entscheidung schuf der BGH der Pfändung weiteren Freiraum, indem er es für unerheblich erklärte, ob ein Vorschuss der anderen Gläubiger deswegen unterblieben war, weil diese von der Existenz der ausstehenden Einlage keine Kenntnis gehabt hatten29. In den die Ausnahmen vom Vollwertigkeitsgebot betreffenden RG-Entscheidungen war offengeblieben, wann genau die Vollwertigkeitsschranke zugunsten der freien Übertragbarkeit und Pfändbarkeit der Einlageforderung aufgehoben werden sollte. RGZ 156, 23 hatte die Zulässigkeit der Pfändung wegen der „besonderen Umstände des Falles“30 bejaht, in dem das Konkursverfahren bereits zweimal wegen Masselosigkeit abgewiesen worden war. Daraus ergab sich vor allem noch nicht, was gelten sollte, wenn Abtretung und Pfändung zu einem vorherigen Zeitpunkt erfolgten, in dem die Voraussetzungen der Ausnahme noch nicht oder jedenfalls noch nicht sicher vorlagen. Auch in diesem Zusammenhang kam BGH NJW 1992, 2229 eine zentrale Rolle zu, in dessen zugrundeliegendem Sachverhalt erst kurze Zeit nach Pfändung der Einlageforderung (22.8.) das Konkursverfahren erstmalig mangels Masse abgewiesen worden war (1.9.). Damit war die Pfändung jedenfalls zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem noch nicht sicher feststehen konnte, ob ein Gläubiger einen Vorschuss leisten und es zur Eröffnung des Konkursverfahrens kommen würde. Der 22

§ 4 I. 3. a). BGH NJW 1963, 102; NJW 1968, 398 (399); BGH NJW 1980, 2253; NJW 1985, 1768. 24 BGH NJW 1980, 2253. 25 BGH NJW 1968, 398 (399); NJW 1985, 1768. 26 In dieser Entscheidung war bei der Ausnahme noch besonders betont worden, dass andere bekannte Gläubiger nicht existierten, dazu unter § 2 III. 3. a). 27 BGH NJW 1963, 102. 28 BGH, a.a.O (vorige Fn.). 29 BGH NJW 1992, 2229; anders die Vorinstanz OLG Celle GmbHR 1992, 371; abweichend insofern auch noch OLG Frankfurt GmbHR 1977, 249 (250). 30 RGZ 156, 23 (28). 23

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BGH ließ es ausreichen, dass die Voraussetzungen später eintreten, also erst nach der Pfändung das Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt wird und eine gesellschaftsrechtliche Liquidation nicht stattfindet. Der BGH ging sogar noch einen Schritt weiter und erklärte es für unerheblich, ob die anderen Gesellschaftsgläubiger Kenntnis von der Einlageforderung gehabt und möglicherweise aus diesem Grund keinen Vorschuss geleistet hatten. Die Vorinstanz hatte dies noch für zwingend erforderlich gehalten, da ansonsten nicht festzustellen sei, ob eine geordnete Abwicklung durch Insolvenzverwalter oder Liquidator unerreichbar wäre31. 3. Rechtsfolgen a) Verfügungen Leistet der Gesellschafter auf Anweisung der Gesellschaft auf eine nicht vollwertige Drittforderung, soll die Einlageforderung in voller Höhe bestehen bleiben32. Auch wenn an Erfüllung statt oder erfüllungshalber auf eine nicht vollwertige Gläubigerforderung zediert wird, ist die Zession unwirksam. Hierdurch unterscheiden sich Anweisungsleistung und Abtretung von der Aufrechnung (im ZweiPersonen-Verhältnis), wo neuerlich in der Mehrheit eine analoge Anwendung der Anrechnungslösung der verdeckten Sacheinlage befürwortet wird. Nicht durchgehend klar sind die Rechtsfolgen bzgl. der Drittforderung, wenn es an der Vollwertigkeit fehlt. Für Aufrechnung (im Zwei- oder Drei-Personen-Verhältnis) und Abtretung ergibt sich in diesem Fall schon ohne weiteres aus allgemeinen Grundsätzen, dass die Drittforderung nicht erlöschen kann, sondern bestehen bleibt. Die Aufrechnung ist kausale Verfügung, bei der Abtretung ergibt sich die Verknüpfung des Erlöschens der Drittforderung mit dem Übergang der Einlageforderung aufgrund der Abrede von Gesellschaft und Gläubiger. Bei der Anweisungsleistung könnte man auf den ersten Blick meinen, dass hier die Drittforderung auch bei fehlender Vollwertigkeit – durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) – erlöschen dürfte, da der Dritte schließlich den geschuldeten Betrag erhält. Soweit ersichtlich, wird diese Frage in Rechtsprechung und Literatur nirgends erörtert33. b) Pfändung Während Aufrechnung, Anweisungsleistung sowie Abtretung durch Rechtsgeschäft bzw. rechtsgeschäftsähnliche Handlung der Gesellschaft erfolgen, beruht die Pfändung auf einer staatlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahme. Dennoch besteht auch hier weitestgehend Einigkeit darüber, dass die Nichtbeachtung des Vollwertigkeitsgebots die Pfändung nicht nur unzulässig, sondern auch unwirksam werden 31 32 33

OLG Celle DStR 1992, 124 (125). Vgl. Nachweise in Fn. 2. Dazu noch unter III. 1. a).

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lässt34. Der Gesellschafter kann nach heute feststehender Rechtsprechung als Drittschuldner im Einziehungsprozess die materielle Unwirksamkeit der Pfändung als Einwendung vorbringen. Er muss also die Pfändung nicht mit der Erinnerung (§ 766 ZPO) angreifen35. Die Ausnahmen des Vollwertigkeitsgebots werfen das Problem auf, wie mit solchen Pfändungsbeschlüssen umgegangen wird, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme noch unzulässig und unwirksam sind, zu einem späteren Zeitpunkt aber wirksam hätten vorgenommen werden können. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst mehrere Monate nach Wirksamwerden von Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mangels Masse rechtskräftig abgelehnt wird36. Denn erst ab diesem Zeitpunkt steht dann fest, dass sich kein Gläubiger zur Leistung des Vorschusses bereitgefunden hat, die Einlageforderung also nicht mehr zum Vorteil aller Gläubiger vom Insolvenzverwalter beigetrieben werden kann. Der BGH hält das spätere Eintreten der Ausnahmevoraussetzungen für ausreichend und hat in diesem Zusammenhang auf die Grundsätze der Heilung von fehlerhaften Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hingewiesen37.

II. Zivilrechtliche Grundlagen und erste Folgerungen Zunächst sollen wiederum in einem ersten Schritt die allgemeinen zivilrechtlichen Grundlagen, soweit sie hier von Interesse sind, rekapituliert werden38. Fallgruppenübergreifend werden die unterschiedlichen Personen im Folgenden auch als Gläubiger, Schuldner und Dritter bezeichnet39, sofern nicht die zu den einzelnen Fallgruppen entwickelten Terminologien herangezogen werden. 1. Leistung an einen Dritten auf Anweisung a) Leistungsbeziehungen Die bei der Anweisungsleistung bestehenden Rechtsbeziehungen werden herkömmlicherweise wie folgt unterschieden: Das Verhältnis zwischen Anweisendem 34 BGH NJW 1963, 102; NJW 1970, 469; NJW 1992, 2229. Dagegen Habersack/Weber, ZGR 2014, 509 (540 f.) (dort sogar für die Pfändung der Einlageforderung durch den Inferenten, die als Verstoß gegen § 66 Abs. 1 S. 2 AktG, § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG eingeordnet wird). 35 Noch offenlassend BGH WM 1976, 713. 36 So in BGH NJW 1992, 2229. 37 BGH NJW 1992, 2229 f.; vgl. auch OLG Köln NJW-RR 1996, 939 (940 f.). 38 Die Behandlung der Aufrechnung hat gezeigt, dass hierin Potential für verallgemeinerungsfähige Schlüsse liegt. 39 Gläubiger ist also die Gesellschaft als Inhaber der Einlageforderung, Schuldner der Gesellschafter und Dritter der Gläubiger der Gesellschafter.

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(Gläubiger) und Angewiesenen (Schuldner) wird als Deckungsverhältnis bezeichnet40, das Verhältnis zwischen Anweisendem und Anweisungsempfänger41 (Dritter) als Valutaverhältnis42. Das Verhältnis zwischen dem Angewiesenem und dem Anweisungsempfänger ist in der Regel ein reines Vollzugsverhältnis43. Die Anweisungsgrundsätze gelten grds. unabhängig davon, ob in den einzelnen Verhältnissen Verbindlichkeiten bestehen44. Mit Blick auf die hier interessierende Konstellation der Leistung der Einalge an einen Gläubiger der Gesellschaft wird im Folgenden aber nur der Fall untersucht, dass sowohl Angewiesener („Schuldner“) aus dem Deckungsverhältnis als auch Anweisender („Gläubiger“) aus dem Valutaverhältnis verpflichtet sind. Leistet der Angewiesene in so einer Konstellation entsprechend der Anweisung, werden sowohl der Anspruch des Anweisenden als auch der Anspruch des Anweisungsempfängers erfüllt. Der Vorteil besteht also darin, dass von den zwei eigentlich erforderlichen Leistungsvorgängen einer eingespart werden kann („Simultanleistung“). Die Erfüllung setzt zwar gem. § 362 Abs. 1 BGB voraus, dass die Leistung an den Gläubiger bewirkt wird45. Die Anweisung beinhaltet aber stets eine Ermächtigung, dass die Leistung befreiend an den Anweisungsempfänger abgeführt werden kann, sowie eine Ermächtigung des Anweisungsempfängers, die Leistung im eigenen Namen zu empfangen (§§ 185 Abs. 1, 362 Abs. 2 BGB)46. Diese Grundsätze erlangen bekanntlich vor allem bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung Bedeutung. Besteht ein Mangel im Deckungsverhältnis, kann der Angewiesene vom Anweisenden aufgrund der Konstruktion als Simulatanleistung die Herausgabe des

40 Da diese Rechtsbeziehung darüber Auskunft gibt, ob der Angewiesene für seine Zuwendung an den Anweisungsempfänger einen Ausgleich erhält, Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. 2 Halbbd. 2, § 62 I. 2. a). 41 Womit natürlich nicht erneut der Angewiesene – als „Empfänger“ der Weisung – sondern der Dritte als Zuwendungsempfänger gemeint ist. 42 Vgl. § 788, denn dieses Rechtsverhältnis gibt Auskunft darüber, warum der Anweisende dem Anweisungsempfänger das Leistungsobjekt als eigene Leistung zukommen lassen will, Habersack, in: MünchKomm/BGB, § 783 Rn. 4. Teilweise wird dieses Verhältnis auch irreführend als „Zuwendungsverhältnis“ bezeichnet, kritisch Habersack, in: MünchKomm/BGB, § 783 Rn. 5. 43 Habersack, in: MünchKomm/BGB, § 783 Rn. 4; anders bei der Anweisung nach §§ 783 ff. BGB, weil hier die Annahme der Anweisung in der Form des § 784 Abs. 2 BGB zu der abstrakten Verpflichtung des Angewiesenem gegenüber dem Anweisungsempfänger führt, § 784 Abs. 1 Hs. 1 BGB. 44 Vgl. nur Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 787 Rn. 1 (zum Deckungsverhältnis, „Anweisung auf Kredit“); Habersack, in: MünchKomm/BGB, § 788 Rn. 2 (zum Valutaverhältnis). 45 Der Schuldner muss selbstverständlich nicht an den Gläubiger in personam, sondern kann auch an Mittelspersonen, wie etwa einen Empfangsvertreter oder einen Empfangsboten leisten, Dennhardt, in: Bamberger/Roth, § 362 Rn. 16; Olzen, in: Staudinger, § 362 Rn. 35; Schreiber, in: Soergel, § 362 Rn. 13. 46 Fetzer, in: MünchKomm/BGB, § 362 Rn. 14 m. w. Nachw.

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geleisteten Gegenstands selbst und nicht lediglich Wertersatz für die Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber dem Anweisungsempfänger verlangen47. b) Abgrenzung zu § 267 BGB Keine Befreiung von seiner Verbindlichkeit erlangt der Schuldner48, wenn er eine Verbindlichkeit seines Gläubigers gegenüber einem Dritten ohne Zustimmung des Gläubigers gem. § 267 BGB erfüllt (im Folgenden: „schlichte Drittleistung“). Die Drittforderung erlischt dann zwar wie im Fall der Anweisungsleistung durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB), denn der Dritte hat in der Regel kein schützenswertes Interesse daran, die Leistung gerade vom Schuldner zu erhalten. Da der Gläubiger die Leistung an eine andere Person aber gem. § 362 Abs. 1 BGB nicht als Erfüllung seiner Forderung gegen sich gelten lassen muss, wird der Schuldner im „Deckungsverhältnis“ nicht von seiner Verbindlichkeit frei, sondern erlangt lediglich eine Regressforderung gegen den Gläubiger49. Anweisungsleistung und schlichte Drittleistung sind daher streng zu unterscheiden. Insbesondere bildet Erstere keine Variante des § 267 BGB, etwa dergestalt, dass dem Angewiesenen die Tilgung der Verbindlichkeit des Anweisungsempfängers wie eine Leistung an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1 BGB) auf die eigene Verbindlichkeit angerechnet würde. Für den Leistenden ist es im Fall der Anweisungsleistung nämlich sogar ohne Belang, ob die Forderung des Dritten überhaupt besteht, da er aufgrund der durch die Anweisung erteilten Ermächtigung stets an den Anweisenden leistet50. Leistet ein Schuldner dagegen nach § 267 BGB auf eine nur vermeintlich bestehende Verbindlichkeit des Gläubigers, wird er nicht von seiner Leistungspflicht befreit und muss auch beim Dritten kondizieren51. 2. Sonstige Fälle a) Abtretung und Pfändung Anderes gilt, wenn der Gläubiger dem Dritten die Forderung zur Tilgung der Drittforderung zediert (§§ 398 ff. BGB). Erfolgt die Zession an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1 BGB), besteht eine Gemeinsamkeit zu den vorgenannten Fällen darin, dass die Drittforderung unmittelbar erlischt. Erfolgt die Abtretung erfüllungshalber, 47

Ausführlich Schwab, in: MünchKomm/BGB, § 812 Rn. 64 ff., 66. Die eingangs gewählte Terminologie wird hier mit Grund weiter fortgeführt, sodass man nicht mit der Terminologie des § 267 BGB durcheinanderkommen darf: Der im Text als Schuldner bezeichnete ist „Dritter“, der als Gläubiger bezeichnete „Schuldner“, der als Dritter bezeichnete „Gläubiger“ i.S.d. § 267 BGB. 49 Zu den in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen W. Krüger, in: MünchKomm/ BGB, § 267 Rn. 19 ff. 50 Vgl. Habersack, in: MünchKomm/BGB, § 788 Rn. 5. 51 H.M., vgl. nur W. Krüger, in: MünchKomm/BGB, § 267 Rn. 22 m. w. Nachw. 48

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bleibt die Drittforderung zunächst solange bestehen, wie der Dritte aus der zedierten Forderung Befriedigung erlangt. Zur Abgrenzung gilt die Auslegungsregel des § 364 Abs. 2 BGB zwar nicht unmittelbar; im Zweifel wird allerdings entsprechend angenommen, dass der Gläubiger nicht das Bonitätsrisiko des Dritten übernehmen wollte (§ 365 BGB) und nur eine Abtretung erfüllungshalber gewollt ist52. Insbesondere die Leistung erfüllungshalber ist zu unterscheiden von einer Zession, die nur sicherungshalber erfolgt. Der Unterschied besteht darin, dass im letzteren Fall der Zessionar aus der Forderung Befriedigung suchen darf, während er in den anderen Fällen sich hieraus befriedigen soll53. Anders als bei den Drittleistungsfällen geht die Gläubigerforderung auf den Dritten über (§ 398 S. 2 BGB). Der Schuldner zahlt dementsprechend immer auf die eigene Verbindlichkeit, auch wenn, im Fall der Abtretung erfüllungshalber, diese Zahlung ähnlich der Anweisungsleistung mit der Tilgung der Drittforderung zeitlich zusammenfällt. Ein weiterer Unterschied zu den Drittleistungsfällen besteht darin, dass die Abtretung als Vertrag immer die rechtsgeschäftliche Zustimmung des Dritten erfordert. Anweisungsleistung und Abtretung vergleichbar ist der Fall, dass der Dritte die Gläubigerforderung pfänden und sich überweisen lässt (§§ 829, 835 ZPO). Die Pfändung führt zur Verstrickung der Einlageforderung und lässt ein Pfändungspfandrecht an ihr entstehen (§ 804 ZPO), welches nach h.M. die Grundlage der Verwertung bildet. Mit der Verstrickung geht einher, dass der Drittschuldner nicht mehr an den Schuldner zahlen darf („Arrestatorium“, § 829 Abs. 1 S. 1 ZPO)54. Die Verwertung erfolgt regelmäßig aufgrund eines Überweisungsbeschlusses zur Einziehung (§ 835 Abs. 1 Alt. 1 ZPO)55. Durch diesen Beschluss wird der Vollstreckungsgläubiger dann zwar nicht Inhaber der gepfändeten Forderung, kann diese aber im eigenen Namen einziehen und alle dazu erforderlichen Befugnisse des Schuldners ausüben56. Der Drittschuldner kann in diesem Fall grds. gem. §§ 362 Abs. 2, 185 BGB, 835, 836 Abs. 1 ZPO nur an den Pfändungsgläubiger befreiend leisten. Mit Zahlung erlöschen dann sowohl die Forderung des Gläubigers als auch diejenige des Vollstreckungsgläubigers.

52

Vgl. BGH ZIP 2014, 231 (Tz. 11) m. w. Nachw. Fetzer, in: MünchKomm/BGB, § 364 Rn. 6; Ganter, in: MünchKomm/InsO, § 51 Rn. 137 (m. Nachw.). 54 Verstrickung und Verfügungsverbot an den Schuldner (§ 829 Abs. 1 S. 2 ZPO, „Inhibitorium“) hindern diesen allerdings nicht, seine Befugnisse bzgl. der Forderung auszuüben, soweit diese das Pfandrecht des Gläubigers nicht vereiteln; möglich bleiben etwa Kündigung, Pfändung von Vermögen des Drittschuldners oder eine auf Leistung an den Pfändungsgläubiger gerichtete Klage, U. Becker, in: Musielak, § 829 Rn. 18. 55 Diese Alternative ist für den Gläubiger weniger risikoreich als eine Überweisung an Zahlung statt (vgl. § 835 Abs. 2 ZPO), dazu Smid, in: MünchKomm/ZPO, § 835 Rn. 24. 56 BGH NJW 1982, 173 (174); U. Becker, in: Musielak, § 835 Rn. 7. 53

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b) „Drittaufrechnung“ Wieder anderes gilt bei einer Vereinbarung, nach der Gläubiger- und Drittforderung miteinander aufgerechnet und unmittelbar getilgt werden sollen („Drittaufrechnung“). Dies ist möglich, da nach heute ganz h.M. das in § 387 BGB normierte Gegenseitigkeitserfordernis für den Aufrechnungsvertrag nicht zwingend ist57. Wie bei der Anweisungsleistung werden also auch bei der Drittaufrechnung die Verbindlichkeit des Gläubigers und diejenige des Schuldners „simultan“ getilgt. Anders als bei der Anweisungsleistung muss der Dritte allerdings grds. zustimmen58, schon da mangels Gegenseitigkeit eben die Voraussetzungen der §§ 387 ff. BGB nicht vorliegen und er durch den Aufrechnungsvertrag nicht die geschuldete Leistung erhält. Die Beteiligung des Schuldners an dem Aufrechnungsvertrag ist dagegen grds. nicht erforderlich, da er durch die Vereinbarung lediglich von einer Verbindlichkeit befreit wird, was er auch sonst grds. hinnehmen muss (§ 267 BGB). Hieran wird auch die praktische Bedeutung des Aufrechnungsvertrags gegenüber der Abtretung deutlich, die sich immer dann ergibt, wenn es gerade auf eine unmittelbare Tilgung der Einlageforderung ankommt59. Da der Dritte die Verbindlichkeit des Schuldners tilgt, erlangt er in dieser Konstellation eine Regressforderung gegen den Schuldner60. Zahlt der Schuldner an den Dritten, tilgt er mithin gegenüber diesem eine eigene Verbindlichkeit, wodurch sich die Drittaufrechnung von der Anweisungs- und der schlichten Drittleistung unterscheidet.

III. Übertragung der Kritik zur Aufrechnung 1. Bruch mit allgemeinen Regeln Obgleich die umfassende Einbeziehung der Drei-Personen-Konstellationen vom Standpunkt der h.M. aus konsequent ist61, ergeben sich auch hier wiederum Brüche mit allgemeinen zivilrechtlichen Regeln62. a) Abstraktionsprinzip Zunächst widerspricht das Vollwertigkeitsgebot in der Fallgruppe der Anweisungsleistung der oben herausgearbeiteten strikten Abstraktion von Deckungs- und 57

Statt aller K.-P. Berger, Aufrechnungsvertrag, S. 241 m. umf. Nachw. Anders, wenn Gläubiger (oder Schuldner) über die Forderung verfügen können, Schlüter, in: MünchKomm/BGB, § 387 Rn. 52. 59 So schon in RGZ 54, 389; dazu unter § 2 II. 1. 60 Vgl. dazu oben Fn. 49. 61 § 3 IV. 62 Zur entsprechenden Problematik bei der Aufrechnung unter § 4 III. 58

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Valutaverhältnis63. Der Gesellschafter kann sich nicht auf eine wirksame Anweisung der Geschäftsleitung verlassen, sondern müsste an sich vor der Leistung an den Dritten ein für ihn fremdes Rechtsverhältnis prüfen. Neben der Liquiditäts- und Vermögenslage der Gesellschaft muss der Gesellschafter die Höhe der Forderung des Dritten und etwaige Einreden und Einwendung der Gesellschaft in Erfahrung bringen64. Dies erscheint nicht wertungsgerecht, da die Geschäftsleitung durch die Anweisung die Verwendung der Einlagemittel zugunsten der Tilgung der Drittverbindlichkeit determiniert hat und die Direktzahlung des Gesellschafters nur eine „Hin- und Weiterzahlung“ verkürzt. Angesichts der Gefahr, dass der Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft die Einlage später ein zweites Mal leisten muss, kann ihm nur pauschal geraten werden, die Anweisung der Geschäftsleitung nicht zu befolgen und auf den – umständlichen – Weg des Hin- und Weiterzahlens zu verweisen. In der Insolvenz der Gesellschaft verbliebe dem Gesellschafter ansonsten nur ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gegen die Gesellschaft, mit dem er nicht aufrechnen kann (§ 66 Abs. 1 S. 2 AktG, § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG). In der Literatur regelmäßig unerörtert bleibt die Frage, wie sich die fehlende Vollwertigkeit bei der Anweisungsleistung auf den Dritten auswirkt. Jedenfalls in dem Regelfall, in dem der Gesellschafter allein seine Einlageverbindlichkeit tilgen will65, führt allerdings kein Weg daran vorbei, dass die Drittforderung nur erlöschen kann, wenn die Gesellschaft eine wirksame Tilgungsbestimmung getroffen hat. Diese kann nur in der Anweisung an den Gesellschafter liegen. Auf dem Boden der h.M. spricht nun aber viel dafür, dass die Geschäftsleitung den Gesellschafter nicht wirksam zu einer nicht erfüllungstauglichen Zahlung der Einlage anweisen kann. Danach wäre die Tilgungsbestimmung unwirksam und die Zahlung würde die Forderung des Dritten nicht zum Erlöschen bringen. Dem kann man vom Standpunkt der h.M. aus nicht überzeugend entgegenhalten, dass der Dritte dadurch den Beschränkungen der Kapitalaufbringung unterfällt. Denn genau dies wird ja von der h.M. auch in den Fällen der Drittaufrechnung, Abtretung und sogar der Pfändung hingenommen. Vor diesem Hintergrund erscheint auch fraglich, ob eine Tilgung kraft Rechtsschein in Betracht käme66. Wenn man von der Nichtigkeit der Anweisung und der in ihr liegenden Tilgungsbestimmung ausgeht, bleibt die Drittforderung bestehen und der Gesellschaft entsteht ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Der Dritte kann dann zwar grds. aufrechnen, §§ 387 ff. BGB, §§ 94 ff. InsO, allerdings 63

Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 37; Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 156; Wiedemann, ZIP 1991, 1257 (1264); Wilhelm, ZHR 152 (1988), 333 (364 ff.); Ihrig, Freie Verfügung, S. 286 ff.; Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 396 ff. 64 Die Liquidität i. e.S. (Unstreitigkeit der Drittforderung) wird demgegenüber in aller Regel vorliegen, weil die Gesellschaft sonst keine Anweisung aussprechen würde. 65 In einigen Fällen könnte man sich mit der Annahme eines Doppeltilgungswillens des Gesellschafters behelfen. Handelt der Gesellschafter auch mit Fremdtilgungswillen, muss die Drittforderung unabhängig von der Wirksamkeit der Anweisung erlöschen. 66 Nach wohl h.M. wird die Nichtigkeit einer Anweisung allgemein wie der Widerruf einer (wirksamen) Anweisung behandelt, vgl. dazu Schwab, in: MünchKomm/BGB, § 812 Rn. 96 ff, 109, 111 m.w.Nachw.

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darf die Aufrechnungslage nicht anfechtbar erworben worden sein (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Ein Bruch mit dem Abstraktionsprinzip ergibt sich auch bei der Abtretung67. Dieser liegt darin, dass die Wirksamkeit der Verfügung von der wirtschaftlichen Bewertung des Kausalgeschäfts68 abhängig ist. Ist die Abtretung an Erfüllung statt oder erfüllungshalber auf eine Drittforderung erfolgt, wird der Dritte seinen Anspruch in der Regel vorerst nicht weiterverfolgen und sich auf die Beitreibung der Einlageforderung konzentrieren. Wenn sich die Unwirksamkeit der Abtretung dann in der Insolvenz der Gesellschaft herausstellt, wird die auf die Drittforderung zu erzielende Quote nicht selten unter dem Betrag liegen, den der Gläubiger entweder mittels der Einlageforderung oder dadurch hätte beitreiben können, dass er auf eine (teilweise) Erfüllung seiner Forderung durch die Gesellschaft bestanden hätte, anstatt sich auf die Zession einzulassen. Sollte der Gesellschafter zwischenzeitlich an den Scheinzessionar gezahlt haben, kann der Dritte allerdings u. U. mit seiner Forderung gegen den Anspruch der Gesellschaft aus § 816 Abs. 2 BGB aufrechnen69. Auch hier droht aber die Anfechtbarkeit (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Hat der Gesellschafter an den Scheinzessionar gezahlt, ergibt sich für ihn wiederum die Gefahr einer Doppelleistung, wenn der Dritte nach Zahlung in Insolvenz fällt: Nach einer vereinzelt vertretenen Ansicht soll der Gesellschafter selbst dann nicht von seiner Einlageverpflichtung befreit werden, wenn ihm die Abtretung von der Gesellschaft angezeigt wird oder der Zessionar diese durch Vorlage einer von der Gesellschaft ausgestellten Urkunde über die Abtretung nachweist (§ 409 Abs. 1 BGB)70. Sofern man dem folgen will, ist die Lage damit für den Gesellschafter noch prekärer als bei der Anweisungsleistung, wo er immerhin das Risiko einer gegen das Vollwertigkeitsgebot verstoßenden Disposition durch Nichtbefolgung der Weisung und Zahlung an die Gesellschaft ausschließen könnte. Ist die Wirksamkeit der Zession unsicher, riskiert er durch die Verweigerung überhaupt irgendeiner Zahlung, dass Fälligkeits- und Verzugszinsen sowie Prozesskosten anfallen; in Betracht kommt dann u. U. noch eine Hinterlegung gem. § 372 Abs. 1 S. 2 BGB. Schließlich wird auch bei der Drittaufrechnung das Abstraktionsprinzip berührt. Zwar ist der Aufrechnungsvertrag als kausale Verfügung ausgestaltet; das Vollwertigkeitsgebot erweitert die Rechtsfolge der Unwirksamkeit allerdings über den allgemeinen Fall hinaus, dass eine der beiden Forderungen nicht besteht.

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Frey, Einlagen, S. 39 f. K. Müller, GmbHR 1970, 57 (59). 69 Frey, Einlagen, S. 41. 70 R. Fischer, in: Großkomm/AktG, 2. Aufl. 1961, § 60 Anm. 24; Bayer, ZIP 1989, 8 (11), der zudem eine nicht veröffentlichte Gerichtsentscheidung anführt. Die Begründung (kein Schuldnerschutz bei Verstoß gegen gesetzliches Abtretungsverbot) übersieht, dass die Einlageforderung im Grundsatz abtretbar ist; zurecht a.A. Frey, Einlagen, S. 41. 68

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b) Insbesondere zur Pfändung Besonders deutlich werden die vom Vollwertigkeitsgebot ausgelösten Brüche mit allgemeinen anerkannten Grundsätzen bei der Pfändung. Da das Vollwertigkeitsgebot zu den erforderlichen Voraussetzungen der Pfändbarkeit gehört, muss der Vollstreckungsgläubiger im Antrag schlüssige Angaben zur Vollwertigkeit oder den Ausnahmevoraussetzungen vortragen71. Fraglich ist schon, wie weit diese Pflicht reicht. Da der Gläubiger im Regelfall keine Einblicke in die Vermögensverhältnisse seines Schuldners hat, wird man kaum strenge Maßstäbe anlegen können. Wie soll etwa ein Gläubiger feststellen können, ob die Gesellschaft rechnerisch überschuldet und zudem die Fortführungsprognose negativ ausfällt72 ? Muss der Gläubiger dann etwa nur vortragen, die eigene Forderung sei „vollwertig“ oder müssen darüber hinaus zusätzlich auch Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich die Vollwertigkeit ergibt? Damit hängt die weitere Frage zusammen, was der Rechtspfleger als Vollstreckungsgericht (§§ 828 Abs. 1, 802 ZPO, § 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG) genau zu prüfen hat. Selbst wenn man konkrete Tatsachen zur Vollwertigkeit im Antrag verlangt, wäre der Rechtspfleger hieran gebunden, schon da eine Überprüfung im Pfändungsverfahren nicht stattfinden kann, da der Schuldner vor Erlass des Pfändungsbeschlusses gar nicht gehört wird (§ 834 ZPO)73. Wenn der Gläubiger etwa vorträgt, die eigene Forderung sei zwar nicht vollwertig, aber aufgrund der in der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen dennoch pfändbar, wird der Rechtspfleger mit nicht gerade einfach zu lösenden Fragen des materiellen Kapitalaufbringungsrechts befasst. Das steht im Widerspruch zum Formalisierungsgrundsatz74, der besagt, dass das Vollstreckungsverfahren im Interesse seiner effektiven Durchführung an äußerlich erkennbare Tatbestände gebunden ist75. Die Formalisierung betrifft gerade auch den Zugriff auf den Vollstreckungsgegenstand aus dem Schuldnervermögen. Das Gesetz knüpft insofern im Allgemein an leicht überschaubare Merkmale an, die den Vollstreckungsorganen eine Prüfung ohne materiell-rechtliche Erwägungen ermöglichen sollen76. Ist die Pfändung unwirksam, kann der Gesellschafter möglicherweise dennoch gem. § 836 Abs. 2 ZPO befreiend an den Gläubiger leisten77. Ob § 836 Abs. 2 ZPO auf dem Boden der h.M. allerdings überhaupt Anwednung finden soll, kann man mit

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Stöber, Forderungspfändung, Rn. 345; davon ausgehend auch Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 116; C. Berger, ZZP 107 (1994), 29 (37); Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 412. 72 Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 410 f. 73 Vgl. Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 411 f. 74 Ebbing, in: Michalski, § 19 Rn. 116; Volmer, GmbHR 1998, 579 (581). 75 Rauscher, in: MünchKomm/ZPO, Einleitung Rn. 408. 76 BGH NJW-RR 2010, 16 (Tz. 6); Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 5 Rn. 47 ff. m w. Nachw. 77 Davon ausgehend Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 413 f.

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Blick auf die zur Parallelfrage bei der Abtretung vertretene Gegenansicht bezweifeln. 2. Zum forderungsbezogenen Ansatz Der entscheidende Einwand gegen den forderungsbezogenen Ansatz bei der Aufrechnung wurde darin identifiziert, dass dieser die Aufrechnung als eine Leistung an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1 BGB) ansieht. Damit wird die Aufrechnung mit sacheinlagetypischen Problemen behaftet, obwohl richtigerweise einem zahlungsbzw. verfügungsbezogenes Verständnis zu folgen ist78. Diese Kritik ist auf die hier untersuchten Fallgruppen übertragbar. a) Gläubigerbefriedigung als Sacheinlage Die h.M. behandelt auch Anweisungsleistung, Abtretung und Pfändung sowie die Drittaufrechnung der Sache nach wie eine Leistung der Einlage an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1 BGB). Im Unterschied zur Aufrechnung im Zweipersonenverhältnis bildet die Forderung des Dritten den Gegenstand der „verkappten“ Sacheinlage. Besonders bei der Abtretung werden die Widersprüche der h.M. recht offensichtlich. Hier wird im GmbH-Recht oftmals betont, die vollwertige Gegenleistung für den Verlust der Einlageforderung dürfe nur in Geld oder in Befreiung von einer vollwertigen, fälligen und liquiden Drittforderung bestehen, nicht aber in einer Sachleistung79. Dabei liegt im Abstellen auf die Befreiung von einer vollwertigen Verbindlichkeit natürlich gerade nichts anderes als eine – bewertungsbedürftige und offenlegungspflichtige – Sacheinlage. Konsequent durchgeführt müsste man auch in den Drei-Personen-Konstellationen an sich zu dem Ergebnis gelangen, dass diese Gestaltungen nur als Sacheinlage zulässig sind. Bezeichnenderweise ist genau dies für die Anweisungsleistung vor der Leitentscheidung des BGH80 tatsächlich auch mitunter in der Rechtsprechung vertreten worden81. In beiden Entscheidungen hatte jeweils der Inferent seine Geldeinlage nicht bar oder auf ein Konto der Gesellschaft gezahlt, sondern mit Einverständnis der Geschäftsleitung82 Verbindlichkeiten der Gesellschaft beglichen. Im Fall des OLG Hamburg waren Darlehensrückzahlungsansprüche einer Bank im Zuge einer Barkapitalerhöhung, also bereits vor Anmeldung der Eintragung der Kapitalerhöhung beglichen worden. Im Fall des OLG Stuttgart war dagegen die Rest78

§ 4 IV. Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 11; Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 132; anders oftmals im Aktienrecht, vgl. etwa Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 68 m. Nachw. 80 s. dazu Fn. 2. 81 OLG Hamburg GmbHR 1982, 157 (158); OLG Stuttgart DB 1985, 1985. 82 Im Fall des OLG Stuttgart war der GmbH-Alleingesellschafter zugleich Geschäftsführer. 79

§ 9 Kritik der herrschenden Auffassung

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einlage an eine KG geleistet worden, die gegen die Komplementär-GmbH noch Einlageansprüche innegehabt hatte. Beide Gerichte gingen davon aus, es sei keine Geldleistung, sondern eine Sachleistung in Gestalt der Befreiung von der Drittverbindlichkeit ergangen. Das OLG Hamburg nahm daher an, es liege eine verdeckte Sacheinlage vor, da die Drittforderung als Sacheinlage hätte eingebracht werden können83. Das OLG hielt es allerdings im Grundsatz für möglich, dass die Anweisungsleistung in Anlehnung an die bei der Aufrechnung mit (Neu-)Forderungen geltenden Grundsätze zulässig gewesen wäre84 ; allerdings lagen die Voraussetzungen hierfür nicht vor. Das OLG Stuttgart nahm ebenfalls grds. an, die Anweisungsleistung hätte lediglich als Sacheinlage im Gründungsstadium erfolgen können85. Da die Anweisungsleistung in diesem Fall abweichend von dem des OLG Hamburg nach den Sachverhaltsangaben ohne unmittelbaren Bezug zur Gründung der GmbH erfolgt war, hätte es umso näher gelegen, bei Vorliegen von Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität der Drittforderung die Einlage als getilgt anzusehen. Das OLG hielt indessen die Prüfung der Vollwertigkeit bereits im Grundsatz für unzulässig86. Die beiden Entscheidungen veranschaulichen deutlich die Verwirrungen, die der forderungsbezogene Ansatz bei der Anweisungsleistung mit sich bringt. Obwohl die Entscheidungen divergieren, lässt sich beiden vom Standpunkt der – widersprüchlichen – h.M. aus eine gewisse Plausibilität nicht absprechen. Das OLG Stuttgart ist insofern konsequent, als dass es die in der Anweisungsleistung erkannte Leistung an Erfüllung statt schlechthin für unzulässig hält87. Dieses Ergebnis lässt sich allerdings mit der vom Gesetzgeber grds. als zulässig angesehenen Aufrechnung mit Gesellschafterforderungen nicht vereinbaren. Denn schließlich erlaubt diese eine „verkappte“ Einbringung von Gesellschafterforderungen, ohne dass wie bei der Anweisungsleistung überhaupt eine effektive Zahlung erforderlich ist. Die Aufrechnung müsste daher im Erst-Recht-Schluss de lege lata ebenfalls schlechthin unzulässig sein, ist es aber gerade nicht88. Daher ist auch der Ansatz des OLG Hamburg nachvollziehbar, der die Anweisungsleistung mit den bei der Aufrechnung geltenden Grenzen zulassen wollte. Diese Widersprüche lassen sich lediglich auf Linie des hier verfolgten Ansatzes bereinigen, indem man nämlich davon ausgeht, dass im Falle der Anweisungsleistung gerade keine Leistung an Erfüllung statt liegt. Unter Zugrundelegung eines forderungsbezogenen Ansatzes sind ferner Abtretung und Pfändung nicht zu erklären. Während bei der Anweisungsleistung die Konsequenzen des sacheinlagebezogenen Verständnisses den Inferenten treffen, 83

GmbHR 1982, 157 f. GmbHR 1982, 158. 85 DB 1985, 1985. 86 DB 1985, 1985. Dieser Umstand war es, der den BGH zur Aufhebung und Zurückverweisung veranlasste, vgl. NJW 1986, 989. 87 Vgl. insofern von Seiten der h.M. auch Priester, BB 1987, 208 (211). 88 Vgl. nur unter § 2 I. 3. a). 84

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tragen bei Abtretung89 und Pfändung die Gläubiger das sacheinlagetypische Risiko. Die Vollwertigkeitsrechtsprechung hat insofern zur Konsequenz, dass die Gläubiger der Gesellschaft zum Adressat der Kapitalaufbringung gemacht werden, obwohl sie eigentlich durch diese geschützt werden sollen90. Aber auch hier lässt sich der mit der Zulässigkeit von Abtretung und Pfändung verbundene Einschnitt der angeblich geltenen „realen Kapitalaufbringung“ kaum rechtfertigen. Wenn schon die Gesellschaftsgläubiger überhaupt zum Adressat der Kapitalaufbringung gemacht werden, wäre es auch hier nur folgerichtig, diese Fallgruppen überhaupt auszuschließen. Im Interesse der übrigen Gesellschaftsgläubiger dürfte an sich auch Abtretung und Pfändung niemals zulässig sein, da sich hier die Gefahr auftut, dass der Gesellschaft zustehende Geldeinlagen durch nicht publizierte und nicht werthaltige Erfüllungssurrogate ersetzt werden. Anders als die Gesellschafter könnten die Gesellschaftsgläubiger den angestrebten Erfolg nicht einmal rechtmäßig erreichen. Während ein Gesellschafter die Tilgung der Eigen- (Aufrechnung) oder Fremdverbindlichkeit (Drittleistung) immerhin als Sacheinlage im Gesellschaftsvertrag festsetzen lassen könnte, kommt eine solche Möglichkeit bei Abtretung und Pfändung durch externe Gläubiger gar nicht in Betracht. b) Einbeziehung von Umgehungen? Nicht anders als bei der Aufrechnung drängt sich auch in den hier untersuchten Fallgruppen die Frage auf, wie wirtschaftlich vergleichbare Fallgestaltungen zu behandeln sind. Die forderungsbezogene Konzeption gibt an sich vor, abgesprochenen „Hin- und Weiterzahlungen“ denselben Voraussetzungen zu unterwerfen wie die vom Vollwertigkeitsgebot unmittelbar geregelten Konstellationen. Hierin liegt keine Überinterpretation des forderungsbezogenen Vollwertigkeitsgebots, auch wenn man die tatsächliche Einzahlung der Geldeinlage und die Verwendung der Mittel für Investitionsentscheidungen der Gesellschaft zugunsten von Dritten als „Normalfall“ voraussetzt. Man stelle sich etwa den Fall vor, dass ein Vorstand auf Anraten seines Rechtsbeistands von der beabsichtigten Anweisungsleistung auf bestehende Darlehensrückzahlungsansprüche von Fremdgläubigern absieht und die Einlagen zunächst auf das Gesellschaftskonto zahlen lässt. Wenn die Mittel nur formal auf dem Gesellschaftskonto „geparkt“ werden und in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zu der Leistung der Einlage weitergeleitet werden, kann dieser Fall nicht anders behandelt werden als die unmittelbare Leistung an den Gesellschaftsgläubiger. Und wenig überraschend lassen sich denn auch genau solche Überlegungen innerhalb der Rechtsprechung finden. In einem Fall hat das OLG Nürnberg eine Umgehung des bei der Anweisungsleistung geltenden Vollwertigkeitsgebots ange-

89 90

Gleiches gilt auch für die Drittaufrechnung. Zutreffend K. Schmidt, ZHR 157 (1993), 293 (300 ff., 304).

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nommen91. Der Entscheidung lag ein Unternehmenskauf zugrunde. Die beiden beklagten Altgesellschafter hatten dem Käufer neben den bestehenden zwei weitere, im Zuge einer Barkapitalerhöhung erst noch zu schaffende Geschäftsanteile verkauft. Nach Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses wurden diese auf den Erwerber übertragen. An nur einem einzigen Tag kam es dann zu mehreren Zahlungsvorgängen: Der Erwerber überwies den Kaufpreis auf die Konten der Altgesellschafter und diese zahlten den Einlagebetrag auf das Gesellschaftskonto. Drittens wurden mit den eingegangenen Beträgen Darlehensverbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Dritten beglichen92. Das OLG nahm an, die vorabgesprochene Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten sei nicht anders zu werten, als ob die Geldeinlage unmittelbar an die Gesellschaftsgläubiger gezahlt worden wäre93. Das Verständnis der Entscheidung wird insofern leider dadurch erschwert, dass das Gericht die Problematik der Anweisungsleistung irrigerweise mit derjenigen der freien Verfügung bei Zahlungen auf ein debitorisches Gesellschaftskonto vermengte94. Dieses Gebot war tatsächlich nicht berührt, da die Bank ja gerade die Verfügung des Geschäftsführers über die eingegangenen Mittel zugelassen hatte95. Das OLG hatte die Tilgung der Einlage aber ferner als unzulässig angesehen, weil die getilgten Forderungen der Gläubiger nicht vollwertig gewesen waren. Dies erscheint plausibel, denn die Hin und Weiterüberweisung noch am selben Tag zeigt deutlich, dass es gerade auf die Tilgung der Gesellschaftsverbindlichkeiten ankam. Der eigentlich naheliegende Weg hätte darin gelegen, die Einlage unmittelbar an die Fremdgläubiger zu zahlen. In der soeben aufgezeigten konsequenten Durchführung des forderungsbezogenen Ansatzes bei der Anweisungsleistung liegt natürlich ein gewaltiges argumentum ad absurdum. Die Einbeziehung von vorabgesprochenen Hin- und Weiterzahlungen würde mitten hinein in ein nicht mehr zu durchschauendes Dickicht der verdeckten Einbringung von Forderungen führen. Jede vorabgesprochene Disposition, die mittels der Geldeinlage getätigt wird, müsste sich potentiell am Vollwertigkeitsgebot messen lassen, weil sie die zur Anweisungsleistung, Abtretung, Pfändung und Drittaufrechnung geltenden Grundsätze umgehen könnte. c) Zulässigkeit von Verwendungsabsprachen Angesichts des inzwischen erreichten Diskussionsstands um die Zulässigkeit von Verwendungsabsprachen über Einlagen ist ohnehin offensichtlich, dass sich für eine derartige Erweiterung kein Zuspruch erwarten ließe. Der BGH hat in der Revisionsentscheidung zu der Entscheidung des OLG Nürnberg überzeugend darauf 91 92 93 94 95

Urteil vom 24. 09. 2008 – 12 U 2075/07, BeckRS 2010, 02832. Vgl. BeckRS 2010, 02832 (unter A). BeckRS 2010, 02832 (unter B. I. 3. a)). BeckRS 2010, 02832 (vgl. bereits unter B. I. 2. b)). Überzeugend BGH NZG 2011, 667 (Tz. 13).

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hingewiesen, dass die verwendungsgetreue Weiterleitung der Einlagemittel an Dritte stets zulässig ist96. Damit hat er eine ständige Rechtsprechung und die heute h.M. bestätigt, nach der Absprachen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter über die Verwendung der Einlagemittel unschädlich sind, solange sie nicht zu einem direkten oder indirekten Rückfluss an den Inferenten führen97. Insbesondere können absprachegemäß mit der Einlage bestehende Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfüllt werden98. Die in Ausführung der Absprache getätigte Zahlung an den Dritten ist nach allseits akzeptierter Begründung nicht mehr der Kapitalaufbringung zuzurechnen99; es gelten die allgemeinen Vorschriften. Vor diesem Hintergrund ist es widersprüchlich, abgesprochenes „Hin- und Weiterzahlen“ und Anweisungsleistung abweichend zu behandeln100. Hätte die Bewertung in der betreffenden Entscheidung tatsächlich anders ausfallen dürfen, wenn die Einlage nicht – für wenige Stunden – auf das Gesellschaftskonto eingezahlt, sondern unmittelbar an die Gläubiger der Gesellschaft gezahlt worden wäre? Genau dies hat der BGH allerdings bekräftigt, da die Anweisungsleistung der Einlage auf eine nicht vollwertige Gesellschaftsverbindlichkeit unzulässig bleibe101. Abgesehen davon, dass es bei der Anweisungsleistung an einem kurzfristigen realen Zuwachs fehlt, sind die beiden Varianten kaum mehr als bloße Vollzugsalternativen und sollten daher doch gleichbehandelt werden. Einer vom Gesellschafter weisungsgemäß vorgenommenen Direktzahlung an den Dritten muss zwar keine Verwendungsabsprache i. e.S. vorausgegangen sein. In der anweisungsgemäßen Zahlung durch den Gesellschafter liegt aber immer konkludent auch sein Einverständnis in die Verwendungsentscheidung der Einlagemittel102. Die Begründung, mit der die h.M. ein absprachegemäßes Hin- und Weiterzahlen nicht nach Kapitalaufbringungsrecht behandeln will, gilt gleichermaßen auch für die Anweisungsleistung. Ebenso wenig wie die verwendungsgetreue Weiterleitung der an die Gesellschaft gezahlten Einlage auf eine Drittforderung den Charakter der Einlage als Geldeinalge ausschließt103, ist dies bei der Anweisungsleistung der Fall.

96

BGH NZG 2011, 667 (Tz. 12). BGH NJW 1991, 226 (227), NZG 2003, 168 (169), NJW 2007, 3285 (Tz 10); Röhricht, in: Großkomm/AktG, § 36 Rn. 81 f.; Hommelhoff/Kleindiek, ZIP 1987, 477 (481 ff.) Kleindiek, in: FS H. P. Westermann, S. 1073 (1077). 98 Röhricht, in: Großkomm/AktG, § 36 Rn. 82. 99 BGH NJW 1991, 226 (227): „aus Sicht der Kapitalaufbringung unschädlich“. 100 Zutreffend Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 156. 101 BGH NZG 2011, 667 (Tz. 12), zustimmend z. B. Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 27, 13; Ziemons, in: Ziemons/Jaeger, § 19 Rn. 43, 44. 102 Die Anweisung ist für den Gesellschafter ja nicht verbindlich; er bleibt stets zur Leistung an die Gesellschaft berechtigt. 103 Röhricht, in: Großkomm/AktG, § 36 Rn. 82. 97

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3. Zahlungsbezogener Ansatz Ist erst erkannt, dass der forderungsbezogene Ansatz auch und erst recht nicht in den Drei-Personen-Konstellationen zum Zuge kommen kann, sind damit Abtretung und Pfändung bereits abschließend behandelt. Denn diese Fallgruppen lassen sich bereits im Ansatz nicht mit der zahlungsbezogenen Variante des Vollwertigkeitsgebots erfassen, weil eine simultane Leistung hier nicht stattfindet. Anweisungsleistung und Drittaufrechnung ließen sich dagegen auch mit einem zahlungsbezogenen Verständnis des Vollwertigkeitsgebots rechtfertigen. Auch hier lassen sich aber dieselben Kritikpunkte anbringen, die bereits bei der Aufrechnung aufgezeigt worden sind. Als Folge des Bruchs mit allgemeinen Regeln ergibt sich auch in den Drei-Personen-Konstellationen jeweils eine unausgewogene Verteilung des Risikos. a) Gesellschafter Für den Gesellschafter ergibt sich zunächst bei der Anweisungsleistung eine ähnliche Risikolage wie bei der Aufrechnung im Zwei-Personen-Verhältnis. Während bei einer unzulässigen Aufrechnung mit einer Gesellschafterforderung der Gesellschafter die Einlage nur einmal leisten muss, wenn sich wie in aller Regel in der Insolvenz der Gesellschaft die Unwirksamkeit der Aufrechnung herausstellt, trägt er bei der Anweisungsleistung ein echtes Doppelleistungsrisiko. Die Vergleichbarkeit ergibt sich aber daraus, dass der Gesellschafter in der Fallgruppe der Aufrechnung stets Gläubiger der Gesellschaft ist und in der Gesellschaftsinsolvenz wenigstens teilweise mit der zu beanspruchenden Leistung ausfällt. Gegenüber der Aufrechnung kommt bei der Anweisungsleistung erschwerend hinzu, dass der Gesellschafter nicht nur über die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft ggf. nicht ausreichend informiert ist, sondern Fälligkeits- und Liquiditätskriterium sich sogar auf ein fremdes Rechtsverhältnis beziehen. Zahlt der Gesellschafter also in Unkenntnis der Gesellschaft gegenüber dem Dritten zustehender Einreden oder Einwendungen, wird er nicht von seiner Einlageverbindlichkeit frei. Dieselbe Problematik ergibt sich, wenn die Einlageforderung mit einer Drittforderung aufgerechnet oder wenn sie abgetreten wird. Erschwerend kommt hinzu, dass dem Gesellschafter womöglich nicht einmal die (dritt-)schuldnerschützenden Vorschriften der §§ 409 f. BGB104, § 839 Abs. 2 ZPO helfen, wenn er an den Dritten zahlt. b) Geschäftsleitung und Dritter Die oben bei der Aufrechnung bzgl. der Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung angesetzte Kritik105 betrifft mit Unterschieden im Detail auch Anweisungsleistung 104 105

Bei der Drittaufrechnung müssen diese analog gelten. § 4 V.

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und Drittaufrechnung. Zwar ließe die Konzeption der h.M. bei der Anweisungsleistung Raum für eine Haftung aus § 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. § 92 Abs. 2 AktG, § 64 S. 1 GmbHG. Denn leistet der Gesellschafter auf Anweisung der Geschäftsleitung auf eine nicht vollwertige Drittforderung, erlischt diese (wohl) auch bei fehlender Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität durch Erfüllung106. Hierin liegt eine zurechenbare „Zahlung“ i.S.d. genannten Vorschriften, die bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Ersatzpflicht der Geschäftsleitung auslösen könnte107. Dieses Sanktionsgefälle zwischen Anweisungsleistung einerseits und Abtretung bzw. (Dritt-)Aufrechnung andererseits ist aber nicht überzeugend. Wegen ihrer Vergleichbarkeit sollte man doch an sich erwarten, dass alle Konstellationen potentiell eine Haftung auslösen können. Dies ist aber lediglich mit dem verfügungsbezogenen Ansatz zu erreichen. Eine effektive präventive Wirkung kann die Haftung darüber hinaus auch bei der Anweisungsleistung nicht entfalten. Auch hier wird der Insolvenzverwalter ohnehin in aller Regel eine Inanspruchnahme des Gesellschafters vorziehen, die durch die Beweislast-Umkehr stets erfolgsversprechend ist. Auch die Risikozuweisung bzgl. des Dritten erscheint nicht einleuchtend. In der Fallgruppe der Anweisungsleistung wird dieser zunächst de facto häufig bevorteilt. Obwohl er in dieser Konstellation durch die Einlage Befriedigung von einer u. U. materiell insolventen Gesellschaft erlangt und mitunter Anfechtungsgründe in seiner Person vorliegen werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Insolvenzverwalter später von einer Anfechtung absieht und wiederum die leichter zu erreichende Inanspruchnahme des Gesellschafters vorzieht. Der Gesellschafter kommt allerdings in dem Ausnahmefall davon, wenn der Insolvenzverwalter nach zwischenzeitlich erfolgreicher Anfechtung der Zahlung an den Dritten noch zusätzlich den Gesellschafter auf erneute Leistung der Einlage in Anspruch nehmen will108.

IV. Garantiekapital als Haftungsfonds Bei der Aufrechnung wurde bereits beispielhaft herausgearbeitet, dass sich das Vollwertigkeitsgebot nicht aus den besonderen Zweckbestimmungen des Garantiekapitals ableiten lässt. Dies gilt namentlich für die betriebskapital-, die haftungsfonds- sowie die seriositätssignalbezogene Begründung. Während die betriebsmittelbezogene Begründung bereits fallgruppenübergreifend widerlegt werden konnte und der auf die Seriositätsfunktion abstellende Ansatz ohnehin nur die Fallgruppe der Aufrechnung betrifft, verbleibt im hiesigen Zusammenhang nur eine erneute Befassung mit der Haftungsfondstheorie. 106

I. 3. a). Vgl. dazu unter § 10 I. 2. a). 108 So tatsächlich in einem vergleichbaren, die Leistung der Einlage auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft betreffenden Fall des OLG Hamm NJOZ 2004, 4179 (Inanspruchnahme des Gesellschafters als Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB). 107

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1. Sichtweise der heute herrschenden Auffassung Im Rahmen der Aufrechnung war mit dem Fremdgläubigervorrang lediglich eine Annahme der Haftungsfondstheorie adressiert worden. Diese gibt zur Begründung des Vollwertigkeitsgebots in den Drei-Personen-Konstellationen offensichtlich nichts her. Wenn etwa die Einlage auf Anweisung der Gesellschaft an einen Fremdgläubiger geleistet oder die Einlageforderung durch einen Fremdgläubiger gepfändet wird, greift der die Einlage schuldende Gesellschafter(-Gläubiger) gerade nicht auf den Haftungsfonds zu. Wenn die Haftungsfondstheorie lediglich den Fremdgläubigervorrang gewährleisten wollte, dürfte das Vollwertigkeitsgebot in den Drei-Personen-Konstellationen überhaupt nicht zur Anwendung gelangen109. Indessen unterstellt auch die heute vorherrschende, sich am Haftungsfondsgedanken orientierende Auffassung solche Fälle im Grundsatz dem Vollwertigkeitsgebot. Daran wird Folgendes ersichtlich: Die vom BGH fortgeführte Rechtsprechung beruht neben dem Fremdgläubigervorrang noch auf einer weiteren Annahme. Aus der Haftungsfondsfunktion des Grund- bzw. Stammkapitals wird abgeleitet, dass die Fremdgläubiger untereinander nur gleichmäßig auf die Einlage zugreifen können. Das Vollwertigkeitsgebot soll gewährleisten, dass das durch § 66 Abs. 1 AktG, § 19 Abs. 2 GmbHG geschützte Gesellschaftsvermögen nicht unter Beeinträchtigung der Belange der Gläubigergesamtheit dadurch geschmälert wird, dass ein einzelner Gläubiger Zugriff auf die Einlage erlangt110. Wie der BGH selbst einräumt, soll das Vollwertigkeitsgebot nach seinem Verständnis mithin die Voraussetzungen einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger schaffen, wie sie sonst nur im Insolvenzverfahren stattfindet111. 2. Stellungnahme Auch hinsichtlich dieser zweiten Prämisse der Haftungsfondstheorie müssen wiederum unterschiedliche Argumentationsebenen auseinandergehalten werden. Zunächst hat sich die Rechtsprechung auch insofern vom Standpunkt des RG entfernt, das die Gläubigergleichbehandlung nicht als Schutzanliegen seiner Rechtsfortbildung verstanden wissen wollte [aa)]. Inhaltlich ist zu untersuchen, ob ein solcher „kapitalschutzrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz“ anzuerkennen ist [bb)]. Zuletzt sind die Zusammenhänge der Vollwertigkeitsrechtsprechung zum

109 Anders liegt dies bei der betriebsmittelbezogenen Begründung des RG, denn hiernach liegt auch in den Fällen mit Drittgläubigerbeteiligung eine Verschwendung der Einlage im Austausch gegen ein minderwertiges Erfüllungssurrogat vor. 110 BGH NJW 1992, 2229 (2230), ebenso Habersack/Weber, ZGR 2014, 509 (538), „Interesse an der Gleichbehandlung der Gläubiger“; Konzen, in: FS Ulmer, S. 323 (326) „prinzipiell bezweckte Gleichbehandlung“, 337 f. 341, „erstrebte[r] gleichmäßige[r] Schutz der Gläubiger“. 111 BGH NJW 1992, 2229 (2230).

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Problem der masselosen Liquidation aufzuzeigen, welche sicher dazu beigetragen haben, dass die Rechtsfortbildung bis heute überdauern konnte [cc)]. a) Abkehr vom Ausgangspunkt der Rechtsfortbildung Das RG wollte das Vollwertigkeitsgebot keinesfalls haftungsorientiert daraus ableiten, dass die Einlagen nur zur gleichmäßigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger verwendet werden dürfen112. Wenn dagegen die heute h.M. eine haftungsrechtliche Begründung wählt, bedarf es der Rechtfertigung, warum das Vollwertigkeitsgebot das Prioritätsprinzip – und damit den allgemeinen Grundsatz der Haftungsverteilung – verdrängt. Eine solche Begründung haben BGH und Literatur aber seit jeher in der Annahme vermissen lassen113, die tradierte Rechtsprechung des RG lediglich fortzuführen. Dieses Missverständnis ist nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen führt, wie nah die beiden Ansätze im Allgemeinen beieinander liegen. Es ist nur ein sehr feiner Unterschied, ob die Einlagen als Betriebskapital der Gesellschaft in voller Höhe zugeführt werden müssen und die Gläubiger hierdurch lediglich reflexhaft geschützt werden (betriebskapitalbezogene Begründung) oder ob sie im unmittelbaren Interesse der Gläubigergesamtheit voll realisiert werden müssen und nicht zugunsten eines einzelnen Gläubigers eingesetzt werden dürfen (haftungsfondsbezogene Begründung). In Fällen mit reiner Fremdgläubigerbeteiligung ergeben sich daher keine Unterschiede im Ergebnis. Auch das betriebsmittelbezogen begründete Vollwertigkeitsgebot verwirklicht ja de facto, solange die Ausnahmen nicht eingreifen, eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung114. Hierin liegt aber eben lediglich ein Reflex dieses Ansatzes, der entscheidend darauf abstellt, dass das Betriebskapital nicht durch minderwertige Erfüllungssurrogate ersetzt werden darf. Lediglich in den Sonderfällen der Konkurrenz zwischen Fremd- und Gesellschaftergläubigern treten die Unterschiede der beiden Ansätze denn auch im Ergebnis deutlich zutage115. Man könnte freilich überlegen, ob die Rechtsprechung auf Basis der haftungsfondsbezogenen Begründung konsequenterweise auch bei reiner Fremdgläubigerkonkurrenz die Ausnahmetatbestände wenigstens teilweise gegenüber dem reichsgerichtlichen Standpunkt modifizieren müsste. Steinberg hat nicht unplausibel darauf hingewiesen, dass auch bei masseloser Liquidation und fehlendem liquiden 112 Das Gesetz schreibe nicht vor, dass die Einlagen zur „gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger“ verwendet werden, RGZ 156, 23 (28). 113 Widersprüchlich P. A. Schön, Aufrechnung, der einerseits die Gläubigergleichbehandlung als Begründung des Vollwertigkeitsgebots bzgl. der Aufrechnung zutreffend ablehnt, S. 67 f., 70; andererseits soll die Gläubigergleichbehandlung („gleichmäßig zur Befriedigung ihrer Forderungen“) das Vollwertigkeitsgebot aber bei der Pfändung rechtfertigen, S. 69. 114 Hieraus ergibt sich nur ein weiteres Argument auch gegen das betriebsmittelbezogen begründete Vollwertigkeitsgebot. 115 Hier nimmt die Haftungsfondstheorie einen Fremdgläubigervorrang an, eingehend dazu unter § 7 II.

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Gesellschaftsvermögen zur Prozessführung der Zweck der Gläubigergleichbehandlung nicht unerreichbar wird116. Zumindest wenn bekannt ist, dass noch mehrere Gläubiger vorhanden sind und diese nicht der Befriedigung eines einzelnen Gläubigers zustimmen117, müsste die Einlage als Haftungsgrundlage eigentlich zu deren Gunsten erhalten bleiben. Dem wohl eher theoretischen Fall einer ausdrücklichen Zustimmung will Steinberg den Fall gleichstellen, in dem die Gläubiger trotz Kenntnis vom Vollstreckungsgegenstand der Einlageforderung ihre Ansprüche nicht mehr weiterverfolgen. Ganz ähnlich hat auch das OLG Celle in einer Entscheidung argumentiert, in der die Einlageforderung bereits vor Ablehnung des Konkursverfahrens mangels Masse gepfändet worden war118. Die Pfändung könne nicht ohne vollwertige Gegenleistung zulässig gewesen sein, da die Einlageforderung in dem betreffenden Fall vom Konkursverwalter im Eröffnungsverfahren nicht geprüft worden war. Infolgedessen sei die Existenz der Einlageforderung auch nicht zur Kenntnis der übrigen Gesellschaftsgläubiger gelangt. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass noch andere Gesellschaftsgläubiger auf die Einlageforderung zugreifen wollten und den Vorschuss zur Eröffnung des Insolvenz- bzw. des Liquidationsverfahrens leisten würden. Die Einzelzwangsvollstreckung würde sonst zur bevorzugten Befriedigung eines einzelnen Gläubigers vor den übrigen Gläubigern führen119. Der BGH entschied allerdings anders120 : „Der Einzelvollstreckungsgläubiger ist nicht verpflichtet, zunächst nach anderen Gläubigern und deren Kenntnisstand zu forschen; das wäre ihm im allgemeinen aus tatsächlichen Gründen auch nicht möglich. Schon gar nicht braucht er etwaige andere Gläubiger über das Vorhandensein des Vollstreckungsgegenstandes aufzuklären. In der Einzelzwangsvollstreckung ist es Sache jedes einzelnen Gläubigers, sich um seine Belange zu kümmern und sie wahrzunehmen. Findet weder ein Konkurs- noch ein Liquidationsverfahren statt, so gilt nach Auflösung der Gesellschaft auch für die Vollstreckung in Einlageforderungen der Grundsatz der Einzelzwangsvollstreckung. Deren Zulässigkeit hängt nicht davon ab, daß etwaige andere Gläubiger etwas von dem Vorhandensein des Vollstreckungsgegenstandes wissen.“

Diese Argumentation ist sicher pragmatisch und schon deswegen zu befürworten, weil sie der Pfändung zumindest ansatzweise noch Raum lässt. Allerdings lässt sie sich nicht in jeder Hinsicht mit dem haftungsfondsbegründeten Vollwertigkeitsgebot vereinbaren. Im Grundsatz – bei Fehlen der Ausnahmen – verlangt dieses ja gerade von dem einzelnen Gläubiger, vor dem Pfändungsantrag die Vollwertigkeit zu ermitteln. Dies schließt aber die Prüfung ein, welche Gesellschaftsverbindlichkeiten bestehen und welche Absichten die anderen Gesellschaftsgläubiger verfolgen. Diese Einschränkung der Einzelzwangsvollstreckung muss der Gläubiger im Interesse der Gleichbehandlung der Gläubigergesamtheit hinnehmen. Dann ist es aber nicht 116 117 118 119 120

Bareinlagepflicht, S. 179 f. Steinberg, a.a.O. (vorige Fn.), S. 176 ff. DStR 1992, 224 (225), Vorinstanz zu BGH NJW 1992, 2229. OLG Celle DStR 1992, 224 (225). NJW 1992, 2229 (2230).

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plausibel, warum sich hieran etwas ändern sollte, wenn es nun um die Voraussetzungen der Ausnahmen vom Vollwertigkeitsgebot geht. Sind andere Gesellschaftsgläubiger vorhanden, die ihre Ansprüche weiterverfolgen und möglicherweise gar zur Vollstreckung bereit wären, ist die von der heute h.M. prinzipiell erstrebte Gleichbehandlung in Gefahr. Die Gleichbehandlung kann aber auch bei Masselosigkeit und fehlenden liquiden Mitteln der Gesellschaft zur Pozessführung noch gewährleistet werden. Denn die Pfändung der Einlageforderung muss ja nicht schlechthin ausgeschlossen sein, sondern ließe sich – jedenfalls theoretisch – auf die Quote begrenzen121. b) Zur Gläubigergleichbehandlung Grund- bzw. Stammkapital gewährleisten nicht, dass die Gläubiger aus den Einlagen nur gleichmäßig Befriedigung finden dürfen. Der zentrale Einwand liegt darin, dass außerhalb des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der par conditio nicht gilt, sondern ein Schuldner seine Verbindlichkeiten nach dem Prioritätsgrundsatz tilgen, ein Gläubiger nach eben diesem Grundsatz pfänden lassen kann. Wollte man dies anders sehen, wäre auch hier wiederum zu fragen, warum diese Gewährleistung eines gleichmäßigen Gläubigerzugriffs nur bei der Kapitalaufbringung, nicht dagegen (bei der parallelen Frage) auf Seiten der Kapitalerhaltung bestehen soll. Es müsste doch konsequenterweise etwa auch dem Gläubiger einer GmbH verwehrt sein, auf das durch § 30 Abs. 1 GmbHG gebundene Vermögen der Gesellschaft zuzugreifen. Im Stadium der Unterbilanz dürfte dann etwa kein Gläubiger in irgendein Vermögensstück der Gesellschaft zwangsvollstrecken. Es entspricht aber zurecht allgemeiner Ansicht, dass Dritten die Kapital- bzw. Vermögensbindung nicht entgegengehalten werden kann. Für die speziell gelagerte Frage der Abtretung der GmbH-rechtlichen Erstattungsforderung hat der BGH bereits im Jahr 1976 die Geltung dieses Grundsatzes sogar ausdrücklich klargestellt. Das Vollwertigkeitsgebot ist nach dieser Entscheidung überhaupt nicht anzuwenden, wenn die Abtretung der Forderung aus § 31 GmbHG an Erfüllung statt oder erfüllungshalber auf eine Gesellschaftsverbindlichkeit gegenüber einem Dritten erfolgt und die Verbindlichkeit im Betrag der Erstattungsforderung besteht und fällig ist122. Zur Begründung hat der II. Senat u. a. eben darauf hingewiesen, dass es außerhalb des Insolvenzverfahrens vorbehaltlich der Insolvenz- und Einzelgläubigeranfechtung der Gesellschaft nicht verwehrt ist, einzelne Gläubiger mittels des vorhandenen Vermögens zu befriedigen123. Dieses Argument gilt aber gleichermaßen, wenn mittels Einlageforderungen Gesell-

121 122 123

Dafür Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 179 f. BGH NJW 1978, 160 (162). BGH NJW 1978, 160 (162).

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schaftsgläubiger befriedigt werden124. Zwar existiert eine kapitalerhaltungsrechtliche Besonderheit, auf die der BGH in der betreffenden Entscheidung auch rekurriert hat. Das Aktienrecht sieht in § 62 Abs. 2 AktG ein Verfolgungsrecht eines einzelnen Gläubigers der Gesellschaft für den Erstattungsanspruch aus § 62 Abs. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 AktG vor. Dieses setzt tatbestandlich voraus, dass der Gläubiger keine Befriedigung von der Gesellschaft erlangt und würde daher praktisch weitestgehend leerlaufen, wenn es allein bei vollwertigen Gläubigerforderungen Anwendung finden würde125. Auch wenn vergleichbare Regelungen bei Einlageforderungen fehlen, vermag dies jedoch nichts daran zu ändern, dass die Haftungsfondstheorie die vorausgesetzte Fremdgläubigergleichbehandlung nicht erklären kann. c) Ordnung der masselosen Liquidation (Konzen) Ein weiterer Grund für die beeindruckende Kontinuität des Vollwertigkeitsgebots gerade auch in den Drei-Personen-Konstellationen liegt in dem Problemkreis der masselosen Liquidation. Wenn eine Gesellschaft nicht über ausreichend Vermögen zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens verfügt, wird das Verfahren wegen „Masselosigkeit“ nicht eröffnet (§ 26 InsO) bzw. ein bereits eröffnetes Verfahren eingestellt (§ 207 InsO). Die Abwicklung vollzieht sich dann nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen (§§ 264 ff. AktG, §§ 65 ff. GmbHG). Die wesentlichen Schwachstellen dieser gesellschaftsrechtlichen Liquidation liegen darin, dass sie häufig durch den Vorstand (§ 265 AktG) bzw. den Geschäftsführer (§ 66 GmbHG) erfolgt und die Liquidatoren anders als ein Insolvenzverwalter bei der Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeiten jedenfalls nach h.M. nicht an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sind126. Diese beiden Faktoren wirken oft dahingehend, dass die Haftungsressourcen der Gesellschaft nicht zugunsten aller Gläubiger maximiert werden. Die Liquidatoren unterlassen es pflichtwidrig, ausstehende Ansprüche der Gesellschaft gegen sich selbst oder gegen (personengleiche) Gesellschafter einzuziehen, oder bevorzugen bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens die eigenen Ansprüche bzw. die der Gesellschafter127. Das Vollwertigkeitsgebot wird wohl nicht selten stillschweigend, vereinzelt sogar ganz offen als eine Institution verstanden, die diesen insolvenzrechtlichen Misslichkeiten entgegenwirken kann. Namentlich Konzen hat darauf hingewiesen, dass das Vollwertigkeitsgebot als Abtretungsschranke positiv zugunsten der Gläubigergesamtheit wirke. Es führe zu einer Zurückdrängung der Individualgläubiger und 124 Auch von Seiten der die Entscheidung ablehnenden Stimmen wird dies eingeräumt, vgl. Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 70 m. w. Nachw. 125 BGH NJW 1978, 160 (162). 126 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 70 Rn. 14 f.; Bachmann, in: Spindler/Stilz, § 268 Rn. 6; Haas, in: Baumbach/Hueck, § 70 Rn. 5; Hirte, in: Uhlenbruck, § 11 Rn. 113; Nerlich, in: Michalski, § 70 Rn. 23; a.A. H.-F. Müller, in: MünchKomm/GmbHG, § 70 Rn. 12; K. Schmidt, in: Scholz, § 70 Rn. 10. 127 Vgl. Hollinderbäumer, BB 2014, 1223 (1224 f.).

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erschwere es einem „böswilligen“ Liquidator, eigene Ansprüche oder diejenigen der Gesellschaftergläubiger zu tilgen128. Zu ergänzen ist, dass Selbiges natürlich auch und erst Recht gilt, wenn der Liquidator die Einlageforderung mit einer Gegenforderung des Gesellschafters aufrechnen will oder die Einlage auf Anweisung des Liquidators an einen Dritten geleistet werden soll. Die Fallgruppe der Pfändung möchte Konzen freilich in toto – also unabhängig von den in der Rspr. entwickelten Ausnahmen – vom Vollwertigkeitsgebot ausnehmen, da es bei materieller Insolvenz kein allgemeines zwangsvollstreckungsrechtliches Prinzip der Gleichbehandlung gebe129. Das Vollwertigkeitsgebot bei der Abtretung soll dagegen deswegen weitergelten, weil die Einlage im Prinzip der Gläubigergesamtheit zugutekommen müsse und der zedierende Geschäftsführer anders als der Pfändungsgläubiger vom Kapitalaufbringungsrecht gebunden werde130. Ganz ähnlich wird auch in der Kommentarliteratur teilweise zwischen Abtretung und Pfändung differenziert: In den Fällen der masselosen Liquidation könne ausnahmsweise zwar die Pfändung131, nicht aber die Abtretung ohne vollwertige Gegenleistung zulässig sein, wenn noch unbefriedigte Gesellschaftsgläubiger existieren132. Zunächst finden diese zwischen Pfändung und Abtretung differenzierenden Ansichten keinen Rückhalt in der Rechtsprechung. Die die Ausnahmetatbestände bei fortbestehender Gläubigerkonkurrenz betreffenden Entscheidungen ergingen zwar, soweit ersichtlich, zur Pfändung133. Sie lassen aber keine Rückschlüsse darauf zu, dass die dort angenommenen Ausnahmen nicht auch bei der Abtretung gelten sollen. Insbesondere lässt sich BGH NJW 1970, 469 nichts Gegenteiliges entnehmen. Der II. Zivilsenat wollte in dieser Entscheidung am Vollwertigkeitsgebot nicht deswegen festhalten, weil die Einlageforderung abgetreten, sondern weil sie gerade an einen Gesellschaftergläubiger abgetreten worden war134. Der Grund für die Versagung der Ausnahme lag damit nicht darin, dass die Gesellschaft verfügt hatte, sondern in der Person des Zessionars135. 128

Konzen, in: FS Ulmer, S. 323 (326 f., 336 ff, 343). Konzen, a.a.O. (vorige Fn.), S. 323 (240 f.); freilich sollen nach seinem eigenen Ansatz de lege ferenda Pfändungen bei masseloser Liquidation angreifbar sein (§ 766 ZPO), dazu sogleich im Text. 130 Konzen, a.a.O., S. 323 (339 f.). 131 Im Unterschied zu der Ansicht Konzens soll die Pfändung also im Grundsatz ebenfalls dem Vollwertigkeitsgebot unterfallen. 132 Deutlich Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rn. 53, ders., in: MünchKomm/AktG, § 66 Rn. 84; ders., ZIP 1989, 8 (10 f.), Veil, in: Scholz, § 19 Rn. 109 f.; nicht zwischen Abtretung und Pfändung insofern differenzierend dagegen etwa Casper/Ulmer, in: Ulmer, § 19 Rn. 98 (m. Fn. 224, „entspr. Fall der Pfändung“), 102; Verse, in: Henssler/Strohn, § 19 GmbHG Rn. 27, 31; Wicke, § 19 Rn. 16. 133 Vgl. insbesondere BGH NJW 1963, 102; NJW 1992, 2229; OLG Hamm GmbHR 1992, 370. 134 Dazu bereits unter § 7 II. 1. 135 Wenn der Gesellschaftergläubiger statt durch Zession durch Pfändung auf die Einlageforderung zugegriffen hätte, hätte die Entscheidung nicht anders ausfallen können. Selbiges 129

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Die Differenzierung zwischen Abtretung und Pfändung überzeugt auch in der Sache nicht. Das maßgebliche Argument – das Fehlen eines allgemeinen (zwangsvollstreckungsrechtlichen) Gleichbehandlungsgebots bei materieller Insolvenz – spricht wie gezeigt nämlich gegen das Vollwertigkeitsgebot in allen Fallgruppen, namentlich auch gegen diejenigen, in denen durch Rechtsgeschäft (Abtretung, Aufrechnung, Drittleistung) über die Einlage disponiert wird136. Es ist auch unzutreffend, dass nur bei der Abtretung der Geschäftsführer als Adressat der Kapitalaufbringung betroffen werde. Tatsächlich trifft die Nichtigkeitssanktion des Vollwertigkeitsgebots bei der Abtretung den Zessionar – und damit den Fremdgläubiger – nicht weniger als den Pfändungsgläubiger die Unwirksamkeit der Pfändung. Wenn man dagegen einen auf Verfügungen über Einlageforderungen bezogenen Gleichbehandlungsschutz im Ausgangspunkt annehmen will137, wäre es erklärungsbedürftig, warum dieser durch die Zwangsvollstreckung – wie Konzen es bezeichnenderweise selbst ausdrückt – „durchkreuzt“ werden kann138. Eine Begründung bleibt Konzen allerdings auch insofern schuldig. Auch im praktischen Ergebnis leuchtet diese Differenzierung nicht ein. Warum soll z. B. die Gewährleistung des Garantiekapitals ein während der materiellen Insolvenz der Gesellschaft durch Zwangsvollstreckung erlangtes Pfändungspfandrecht ermöglichen, während ein u. U. lange Zeit vor der Krise der Gesellschaft dem Gläubiger durch Rechtsgeschäft bestelltes Pfandrecht unwirksam bleibt, weil der Zessionar die Voraussetzungen des Vollwertigkeitsgebots nicht mehr nachweisen kann? Die Differenzierung von Konzen hätte ferner zur Konsequenz, dass die Geschäftsleitung einen andrängenden Gläubiger auf die Zwangsvollstreckung verweisen müsste, obwohl sie zur Tilgung der Verbindlichkeit mittels Abtretung der Einlageforderung bereit wäre. Es ist nichts ersichtlich, was hierdurch gewonnen werden könnte139. Die Überlegungen von Konzen erscheinen daher innerhalb des Kapitalaufbringungsrechts nicht richtig verortet. Tatsächlich zielen seine Überlegungen eher darauf ab, das Vollwertigkeitsgebot in Richtung eines allgemeinen Ordnungsprinzips der masselosen Liquidation fortzuentwickeln. Dies wird auch daran erkennbar, dass in demselben Beitrag – z. T. freilich de lege ferenda140 – ein eigenes Abwicklungsmodell der masselosen Liquidation entworfen wird, welches sich im Ergebnis nahe an das „Verteilungsmodell“ der Vollwertigkeitsrechtsprechung anlehnt. Die Liquidatoren sollen Konzen zufolge künftig nicht nur bei der Verteilung des Einlage-, gilt für OLG Hamm NZG 2001, 1144, wo gleichfalls nicht an der Abtretung, sondern an der Person des Zessionars Anstoß genommen wurde, der eben Gesellschafter war. Der 2. Ls. der Entscheidung ist daher missverständlich. 136 s. bereits unter b). 137 „[Z]unächst einmal“ erstrebter gleichmäßiger Schutz der Gläubiger, Konzen, in: FS Ulmer, S. 323, S. 323 (337 f., 341). 138 A.a.O. (vorige Fn.), S. 323 (341); überzeugend – auf Grundlage der h.M. – gegen die Ausnahme der Pfändung vom Vollwertigkeitsgebot, Steinberg, Bareinlagepflicht, S. 135 f. 139 A.A. Konzen, a.a.O., S. 323 (339). 140 „Rechtsfortbildungsprogramm“, Konzen, a.a.O., S. 323 (348).

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sondern auch des sonstigen Gesellschaftsvermögens dem Gleichbehandlungsgrundsatz unterworfen und Pfändungen mit der Erinnerung (§ 766 ZPO) angreifbar sein. Die Pfändung soll dann ausnahmsweise doch in den Fällen zulässig sein, in denen die Rechtsprechung die Pfändung der Einlageforderung ohne Vollwertigkeit zulässt141. Diese Neudeutung der Rechtsfortbildung ist indessen abzulehnen, weil es sehr zweifelhaft ist, ob dem Vollwertigkeitsgebot die unterstellte Ordnungsfunktion tatsächlich zukommt. Das als „Verteilungsschranke“ befürwortete Vollwertigkeitsgebot steht ja in den von Konzen untersuchten Fällen der masselosen Insolvenz nicht auf fester Grundlage, da hier schnell die Ausnahmetatbestände eingreifen können. Die Ausnahmetatbestände sind keine „flexible Anpassung“ des Gleichbehandlungsgrundsatzes an die konkreten Verhältnisse142, sondern vielmehr eine Quelle von Rechtsunsicherheit. Zunächst ist schon unsicher, welche Voraussetzungen im Einzelnen überhaupt zur Verdrängung des Vollwertigkeitsgebots führen143. Hinzu kommt, dass die Voraussetzungen der Ausnahmen für die Gesellschaftsgläubiger völlig intransparent sind und diese keine klaren Verhaltensmaßstäbe bekommen. Es kann sogar gemutmaßt werden, dass das Vollwertigkeitsgebot in Einzelfällen eher zu Fehlanreizen führt. Man stelle sich etwa den Fall vor, dass ein Pfändungsgläubiger eine Einlageforderung einer GmbH nach Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse pfänden lässt und kurz davorsteht, im Einziehungsprozess gegen den Gesellschafter zu obsiegen. Ferner sei angenommen, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Ausnahmen vom Vollwertigkeitsgebot erfüllt sind, weil sowohl infolge der Abweisung die Kapitalgrundlage weggefallen ist und andere Gläubiger ihre Ansprüche nicht weiterverfolgen. In dieser Situation könnte ein zweiter (gut beratener) Gesellschaftsgläubiger eine Liquidation beantragen, den Vorschuss leisten und so – möglicherweise – die Unwirksamkeit der Pfändung herbeiführen, weil nun das Auftreten eines zweiten Gläubigers die Verteilung nach der Vollwertigkeitsschranke erforderlich macht. Auch wenn man mit Konzen die Pfändung gänzlich vom Vollwertigkeitsgebot ausnehmen wollte, würde sich an dieser Trittbrettfahrer-Problematik nichts ändern. Nach dessen Konzeption wäre im Beispielsfall dann lediglich die Pfändung nicht unwirksam, sondern ab dem Zeitpunkt der Eröffnung der Liquidation mittels der Erinnerung angreifbar. Im Ergebnis ist festzustellen, dass das Vollwertigkeitsgebot mit Sicherheit keine durchweg „gerechte“ Abwicklung zu gewährleisten vermag. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn die Rechtsfortbildung ist im Ursprung nicht aus insolvenzrechtlicher, sondern aus kapitalschutzrechtlicher Perspektive entwickelt worden. Es ist auch in puncto masseloser Liquidation daher davor zu warnen, die Rechtsfort-

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Konzen, a.a.O., S 323 (346 ff.). So aber Konzen, a.a.O., S. 323 (347). 143 Reicht es hierzu etwa aus, dass die Liquidatoren eine Realisierung der Einlageforderung ablehnen, oder muss die Realisierung objektiv unmöglich sein? 142

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bildung in dieser Hinsicht zu konsolidieren144. Hierin liegt vor allem auch deswegen kein erschöpfender Beitrag zur Problemlösung, da das Restvermögen masseloser Gesellschaften gewiss bei weitem nicht nur aus Einlage- und gleichgestellten Forderungen besteht. Da nach geltendem Recht auf dieses sonstige Vermögen die allgemeinen Vorschriften Anwendung finden, produziert das Vollwertigkeitsgebot insoweit nur weitere Widersprüche. Zur Bewältigung des Problems der masselosen Liquidation darf nicht die Vollwertigkeitsrechtsprechung als Platzhalter herhalten, sondern ist vielmehr der Gesetzgeber gefordert.

V. Fazit Die oben in den §§ 4 ff. bzgl. des Vollwertigkeitsgebots bei der Aufrechnung angestellten Überlegungen lassen sich auf die Fallgruppen der Anweisungsleistung, Abtretung und Pfändung übertragen. Nicht anders als bei der Aufrechnung geht die h.M. schon im Ansatz fehl, wenn sie diese Fälle jeweils einseitig erfüllungsbezogen deutet. Ebenso wenig, wie die Aufrechnung auf eine Leistung an Erfüllung statt der Einlage reduziert werden kann, ist diese Betrachtung bei Anweisungsleistung, Abtretung und Pfändung zutreffend. Begründet man das Vollwertigkeitsgebot in den Drei-Personen-Konstellationen mit dem forderungsbezogenen Ansatz, ergeben sich vergleichbare Widersprüche wie bei der Aufrechnung. Auch der zahlungsbezogene Ansatz kann im Zusammenhang der Drei-Personen-Konstellationen nicht überzeugen, insbesondere weil er eine unausgewogene Verteilung des Haftungsrisikos zwischen Gesellschafter und Geschäftsleitung bewirkt. Auch die im Rahmen der Aufrechnung bereits angesprochene Haftungsfondstheorie kann im Zusammenhang mit den Drei-Personen-Konstellationen nicht überzeugen. Das Besondere der dem Vollwertigkeitsgebot von der h.M. untergeschobenen Haftungsfondstheorie besteht in den Drei-Personen-Konstellationen darin, dass sie das Vollwertigkeitsgebot unmittelbar aus Sicht der Fremdgläubiger begründet. Dabei konnte zunächst gezeigt werden, dass die Rechtsprechung und die herrschende Lehre dem Gedanken des Grund- bzw. Stammkapitals als einem Haftungsfonds im hier interessiereden Zusammenhang entnehmen, dass die Einlagen den Fremdgläubigern der Gesellschaft nur gleichmäßig zur Verfügung stehen sollen. Pfändet also ein Gläubiger aufgrund einer nicht vollwertigen Forderung die Resteinlageforderung der Gesellschaft, ist dies nach der haftungsfondsbezogenen Begründung deswegen unzulässig, weil sich der pfändende Gläubiger derart vorzugsweise Befriedigung vor den anderen Gläubigern verschafft145. Diese Annahme 144 Eine insofern vergleichbare Problematik ergibt sich bei der heute vielfach befürworteten analogen Anwendung der Anrechnungslösung der verdeckten Sacheinlage auf eine gegen das Vollwertigkeitsgebot verstoßende Aufrechnung, dazu unter § 4 IV. 2. b). 145 Nicht entscheidend ist demgegenüber nach dieser Begründung, dass der Gesellschaft das Einlagenkapital wegen der fehlenden Vollwertigkeit der Gläaubigerforderung (angeblich) nicht

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ist aus mehreren Gründen unzutreffend. Zunächst steht sie in direktem Widerspruch zu dem Verständnis des Vollwertigkeitsgebots durch das Reichsgericht, welches die Rechtsfortbildung überhaupt in Gang gesetzt hat. Zweitens wird die Gleichbehandlung der Gläubiger durch den Kapitalschutz nicht gewährleistet; insbesondere die zutreffende Rechtsprechung des BGH zur Abtretung und Pfändung der Erstattungsforderung aus § 31 GmbHG geht denn auch genau hiervon aus. Drittens lässt sich das Vollwertigkeitsgebot – zumindest nicht de lege lata – als ein Ordnungsprinzip der masselosen Liquidation verstehen. Die Leistungsfähigkeit eines derart neu gedeuteten Vollwertigkeitsprinzips wäre im Übrigen auch sehr zweifelhaft.

§ 10 Verfügungsbezogener Ansatz Die in § 9 angestellten Überlegungen führen unmittelbar dahin, dass auch in den Drei-Personen-Konstellationen der in § 5 entwickelte verfügungsbezogene Ansatz Platz greifen sollte. Da die maßgeblichen Gläubigerschutzinstrumente anhand der Aufrechnung bereits beispielhaft herausgearbeitet worden sind146, kann sich die Untersuchung hier allerdings auf einen groben Überblick beschränken. Die Anweisungsleistung kann gleichsam als Grundfall der Drei-Personen-Konstellationen vorangestellt werden (I.), bei Abtretung und Pfändung gelten dann gewisse Modifikationen (II.).

I. Anweisungsleistung 1. Wirksamkeit a) Erklärung durch die Gesellschaft Zunächst muss eine wirksame Anweisung der Gesellschaft vorgelegen haben, da die Abführung der Einlage an den Dritten ansonsten nicht gem. §§ 185 Abs. 1, 362 Abs. 2 BGB zur Erfüllung der Einlageforderung führen kann. Zahlt ein Aktionär seine Einlage ohne Zustimmung des Vorstands an einen Dritten, wird er dadurch nicht von seiner Einlageverpflichtung befreit147. Die Anweisung der Gesellschaft muss der Gesellschafter ggf. darlegen und beweisen – und bereits hierin liegt im Prozess ein nicht unerhebliches Risiko. Denn in nicht wenigen Fällen sind im Einziehungsprozess keine Belege für eine Anweisung bzw. eine Absprache mehr vorhanden148. Insbesondere ist es auch in den Anweisungsfällen nicht erforderlich, voll zugeführt wird; zur betriebsmittelbezogenen Begründung des RG vgl. bereits eingehend unter § 7 I. 146 § 8. 147 So möglicherweise im Fall des LG München I ZIP 2012, 2152. 148 Vgl. z. B. OLG Naumburg BeckRS 2006, 11929.

§ 10 Verfügungsbezogener Ansatz

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dass die Entscheidung des Geschäftsführers frei von Einflüssen des leistenden Gesellschafters getroffen wird149. Es ist unschädlich, wenn etwa der Mehrheitsgesellschafter die Leistung der Einlage an den Dritten initiiert und der Geschäftsführer dem zustimmt150. Wie bereits herausgearbeitet können die Gesellschafter selbst die Tilgung eigener Forderungen beschließen151, sodass die Tilgung von Gesellschaftsverbindlichkeiten gegenüber Dritten erst recht zulässig sein muss152. Nach allgemeinen Grundsätzen kann eine Anweisung auch nachträglich erfolgen153. Es ist nicht einzusehen, warum nicht auch die Einlage derart zu leisten sein könnte, wobei freilich zu bedenken ist, dass in diesen Fällen die Tilgungsbestimmung des Gesellschafters besonders sorgfältig zu prüfen ist154. Das Merkmal der freien Verfügung steht dem nicht entgegen155, da die Gesellschaft nicht zur Genehmigung der Zahlung verpflichtet ist, diese vielmehr auch verweigern und weiterhin Zahlung der Einlage vom Gesellschafter verlangen kann. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann die Gesellschaft wie jeder andere Schuldner156 nicht mehr wirksam zur Drittzahlung anweisen. Zudem ist zu bedenken, dass erst im Zeitpunkt der Zustimmung der Geschäftsleitung die Drittzahlung als Zahlung der Gesellschaft an den Dritten gelten kann. Ist bei der Gesellschaft in der Zwischenzeit Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit eingetreten, darf die Genehmigung wegen § 93 Abs. 2 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG nicht mehr erfolgen; die Rückwirkung der Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB) muss insofern außer Betracht bleiben. b) Tilgungsbestimmung im Deckungsverhältnis Ist die Zahlung des Gesellschafters von der Gesellschaft angewiesen bzw. im Einvernehmen mit ihr vorgenommen worden, steht damit noch nicht abschließend fest, dass der Gesellschafter von seiner Einlageverpflichtung befreit worden ist. Die Anweisungsleistung stellt innerhalb der Drei-Personen-Konstellationen und innerhalb der gesamten Untersuchung insofern eine Besonderheit dar, als dass allein hier die Einlageforderung gegenüber der Gesellschaft durch Erfüllung erlischt (§ 362 149

Dazu bereits bei der Aufrechnung unter § 5 II. 2. b). Das OLG Hamburg hatte in einem solchen Fall dagegen verlangt, die Entscheidung des Geschäftsführers müsse frei von Einflussnahme des Gesellschafters zustandegekommen sein, GmbHR 1982, 157 (158). 151 § 5 II. 2. b) bb). 152 Möglicherweise ist die Rechtslage im Aktienrecht wegen der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands (§ 76 AktG) strenger, vgl. dazu LG München I ZIP 2012, 2152 (2155). 153 Statt vieler Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 Rn. 246. Der Begriff passt für diese Fälle freilich nicht ganz, vor allem dann nicht, wenn zunächst nicht nur eine unwirksame, sondern überhaupt keine Anweisung der Gesellschaft ergangen ist und der Gesellschafter dennoch seine Einlage an den Dritten gezahlt hat. 154 Dazu sogleich im Text. 155 So aber OLG Hamm NJW-RR 2000, 848 (849). 156 Schwab, in: MünchKomm/BGB, § 812 Rn. 102. 150

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Abs. 1 BGB). Da die Leistung an den Dritten durch den Gesellschafter nicht anders zu beurteilen ist als eine Direktleistung an die Gesellschaft, muss insofern den allgemeinen Vorgaben entsprochen werden. Insbesondere muss der Gesellschafter im Deckungsverhältnis gerade auf seine Einlageschuld und nicht etwa auf eine andere Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft oder gar auf Kredit geleistet haben. Der Gesellschafter muss also nicht anders als bei einer tatsächlichen Zahlung an die Gesellschaft eine entsprechende Tilgungsbestimmung treffen und dies ggf. darlegen und beweisen157. Die Tilgungsbestimmung muss allerdings nicht ausdrücklich, sondern kann auch konkludent vorgenommen werden158, wobei die erforderliche Auslegung aus Sicht der Gesellschaft zu erfolgen hat. Will der Gesellschafter die Verbindlichkeit der Gesellschaft und nicht die eigene Einlageverbindlichkeit tilgen, erlischt die Gesellschaftsverbindlichkeit nach § 267 BGB. Insbesondere wenn der Geschäftsführer die Zahlung des Gesellschafters an den Dritten erst im Nachhinein als Zahlung der Einlage an die Gesellschaft gelten lassen will, muss sorgfältig geprüft werden, ob der Gesellschafter tatsächlich mit dem erforderlichen Tilgungswillen gehandelt hat159. Ist dies zu verneinen, kann die „Zustimmung“ des Geschäftsleiters zur Zahlung lediglich noch als Aufrechnungserklärung der Einlageforderung mit der Regressforderung des Gesellschafters auszulegen sein. Für den Gesellschafter birgt dies die Gefahr eines erhöhten Anfechtungspotentials, da in der Tilgung der Regressforderung mittels der Einlage eine Vermögensdisposition zu seinen Gunsten liegt160. Andere Umstände, die auf einen Fremdtilgungswillen hindeuten, können darin liegen, dass der Gesellschafter ein besonderes Eigeninteresse gerade an der Tilgung dieser Verbindlichkeit hat. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn er für die Verbindlichkeit eine Sicherheit bestellt hat. Auch die genaue Höhe des vom Gesellschafter gezahlten Betrags wird man bei der Ermittlung der Tilgungsbestimmung nicht anders als in den Fällen berücksichtigen können, in denen der Gesellschafter die Einlage direkt an die Gesellschaft zahlt. Leistet der Gesellschafter etwa exakt den Betrag der ausstehenden Einlage, wird dies als Indiz gegen einen Fremdtilgungswillen zu werten sein161. Während es bei einer Direktzahlung an die Gesellschaft nicht gegen eine Tilgungsbestimmung des Gesellschafters hinsichtlich der Einlage spricht, wenn er eine über den geschuldeten Betrag hinausgehende Summe an die 157

BGH NJW 1992, 2698; NZG 2005, 45 (46). BGH NJW 2001, 3781 (3782); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 12. 159 Denn bei einer Tilgungsbestimmung hinsichtlich der Einlage zahlt der Gesellschafter schließlich zunächst nicht an den richtigen Gläubiger (§ 362 Abs. 1 BGB) und riskiert damit, dass er ein zweites Mal an die Gesellschaft zahlen muss und er mit seinem Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB gegen den Dritten ausfällt. 160 Allerdings ist auch die Anfechtung einer echten Anweisungsleistung gegenüber dem Gesellschafter – in engen Grenzen – möglich, dazu sogleich unter b). 161 So auch die allgemeine Ansicht bei Zahlungen an die Gesellschaft, BGH NJW 2001, 3781 (3782); OLG Köln NZG 2001, 1042; Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 25; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 19. 158

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Gesellschaft zahlt162, wird man bei der Zahlung an einen Dritten zumindest dann tendenziell anders entscheiden müssen, wenn der Betrag exakt der Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit entspricht. Steht eine Leistung auf die Einlageschuld fest, ist es unerheblich, auf welchem Rechtsgrund die Zahlung im Valutaverhältnis beruht. Das OLG Hamm hat demgegenüber aus dem Vollwertigkeitserfordernis abgeleitet, dass bei fehlender Gläubigerstellung des Dritten die Anweisungsleistung überhaupt nicht in Betracht kommt163. Es ist aber nicht erforderlich, dass überhaupt eine Verbindlichkeit des Dritten gegenüber der Gesellschaft besteht. Die Gesellschaft kann dem Dritten auch innerhalb der allgemeinen Grenzen mittels der Einlage Kredit verschaffen164. 2. Grenzen a) Geschäftsleiterhaftung Hinsichtlich der Grenzen der Anweisungsleistung kommt wiederum die allgemeine Geschäftsleiterhaftung gem. § 93 Abs. 2 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG in Betracht. In der Fallgruppe der Anweisungsleistung wird nicht anders als in den übrigen Fallgruppen über Gesellschaftsvermögen disponiert und die Geschäftsleiter haben dabei als Treuhänder fremden Vermögens ihren Sorgfaltspflichten zu genügen. Insbesondere darf die Einlage nicht ohne weiteres zur Tilgung nicht durchsetzbarer Forderungen oder sonstwie verschwendet werden, etwa indem sie zur Vergütung stark überteuerter oder wirtschaftlich sinnloser Beratungsleistungen, auch im Zusammenhang mit einer Sanierung eingesetzt wird165. Bei materieller Insolvenzreife dürfen die Geschäftsleiter dem Gesellschafter keine Anweisung zur Drittleistung erteilen bzw. müssen eine bereits erteilte Anweisung widerrufen, wenn die mit der Anweisungsleistung einhergehende Zahlung der Gesellschaft an den Gläubiger nicht ausnahmsweise mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar ist (§ 93 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. § 92 Abs. 2 AktG, § 64 S. 1, 2 GmbHG). Im Einzelnen ist freilich ungeklärt, welche Zahlungen genau tatbestandsmäßig sind und inwiefern eine etwaige Gegenleistung des Gläubigers die Haftung auszuschließen vermag166. Auch hier liegt sicher einiges an Potential in den Fällen, die die Rechtsprechung bislang über die VollwertigkeitsGrundsätze löst. Da die Gerichte nicht unter diesem Aspekt geprüft haben, stehen 162

OLG München BB 2006, 2210 (2211); Verse, in: Henssler/Strohn, § 14 GmbHG Rn. 21. NJW-RR 2000, 848. In dem Fall hatte der Gesellschafter die Einlage nicht auf das Konto einer Komplementär-GmbH, sondern auf das der KG geleistet, die keine bestehenden Ansprüche gegen die GmbH hatte. 164 Freilich gilt dies nur bei einem echten Dritten; im Anwendungsbereich der § 27 Abs. 4 AktG, § 19 Abs. 5 GmbHG gelten besondere Voraussetzungen, dazu bereits im Rahmen der Aufrechnung unter § 6 II. 165 Vgl dazu etwa Bachmann, NZG 2013, 1121 (1127 f.). 166 Dazu bereits unter § 8 I. 1. b). 163

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leider nicht immer ausreichend Sachverhaltsangaben zur Verfügung. Im bereits erwähnten Fall des OLG Hamm167 lag bspw. mit einiger Wahrscheinlichkeit ein solcher Haftungsfall vor. Hier wurde lediglich 42 Tage nach Zahlung des Gesellschafters an den Dritten168 das Konkursverfahren eröffnet169. b) Anfechtung Auch die §§ 129 ff. InsO können bei der Anweisungsleistung zu einem Rückgewähranspruch der Gesellschaft führen. Bei auf Anweisung des späteren Insolvenzschuldners ergehenden Drittzahlungen unterscheidet der BGH danach, ob der Angewiesene im Deckungsverhältnis „auf Schuld“ oder „auf Kredit“ leistet170. Der Grundgedanke dieser Differenzierung besteht darin, dass allein bei der Zahlung auf Schuld eine Gläubigerbenachteiligung dadurch eintritt, dass die Forderung des künftigen Insolvenzschuldners in Wegfall gerät und damit die Aktivmasse zulasten der übrigen Gläubiger verkürzt wird171. Die Forderung muss daher auch pfändbar sein172. Eine Gläubigerbenachteiligung kann bei Zahlung auf Schuld allenfalls dadurch entfallen, dass die Tilgung der Gläubigerforderung masseneutral ist, etwa weil es sich um eine spätere Masseverbindlichkeit handelt (z. B. § 55 Abs. 4 InsO)173. Bei einer Anweisung auf Kredit hingegen wird dem Schuldner kein haftendes Vermögen entzogen, sondern es kommt lediglich zu einem Gläubigerwechsel auf der Passivseite, der für die künftige Insolvenzmasse neutral und damit nicht gläubigerbenachteiligend ist174. Die Abgrenzung ist aber im Einzelfall nicht einfach durchzuführen. In einer vielbeachteten Entscheidung aus jüngerer Zeit hat der IX. Zivilsenat bspw. auf Anweisung des Schuldners ergangene Auszahlungen von Kreditinstituten bei geduldeter Kontoüberziehung als „Zahlung auf Schuld“ eingeordnet175 und damit explizit seine bisherige Rechtsprechung176 geändert. Im hier interessierenden Zu167

NJW-RR 2000, 848. Da die Genehmigung der Zahlung durch den Geschäftsführer möglicherweise erst später erfolgte, vgl. OLG Hamm NJW-RR 2000, 848, ist es sogar nicht ausgeschlossen, dass der relevante Zeitpunkt noch näher an der Verfahrenseröffnung lag. 169 Vgl. auch OLG Naumburg NJW-RR 1999, 1641 (1642): „Zahlung zur Abwendung der Insolvenz“. 170 BGH ZIP 2008, 2182 (Tz. 9); ZIP 2011, 438 (Tz. 12); dazu de Bra, in: Braun, § 129 Rn. 40; Ganter, NZI 2011, 475 ff.; Jacoby/Mikolajczak, ZIP 2010, 301 ff. 171 BGH ZIP 2007, 1162 (Tz. 9); ZIP 2008, 2182 (Tz. 9); Jacobi/Böhme, NZI 2012, 865 (866). 172 BGH NZI 2001, 539; Jacoby/Mikolajczak, ZIP 2010, 301 (306 f.). 173 Jacobi/Böhme, NZI 2012, 865 (866). 174 BGH ZIP 2008, 2182 (Tz. 9); anderes gilt freilich, wenn der Rückgriffsanspruch des Angewiesenen die Masse stärker belastet als die getilgte Schuldnerverbindlichkeit, vgl. BGH a.a.O. 175 BGH ZIP 2009, 2009; dazu Henkel, ZInsO 2012, 774 (775 f.); Jacobi/Böhme, NZI 2012, 865 (868); Thole, NZI 2009, 800 ff. 176 Vgl. BGH ZIP 2007, 435. 168

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sammenhang liegt freilich stets eine Gläubigerbenachteiligung vor. Steht nach den oben herausgearbeiteten Grundsätzen fest, dass der Gesellschafter seine Einlage auf Anweisung an den Dritten gezahlt hat, liegt notwendigerweise eine „Zahlung auf Schuld“ vor. Weiter ist zu unterscheiden, ob gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger (als Anweisungsempfänger) oder dem Gesellschafter (als Angewiesenem) angefochten wird. Beim Anweisungsempfänger kommen als Anfechtungsgründe vor allem die §§ 131, 133 InsO in Betracht. Zu beachten ist, dass der IX. Zivilsenat die Direktzahlungen dritter Personen per se als inkongruente Deckungen einordnet, weil der Gläubiger die Zahlung nicht auf diese Art zu beanspruchen habe177. In der Direktzahlung liege eine „nicht unerhebliche Abweichung vom normalen Zahlungsweg“178, die dem Zahlungsempfänger vor allem in einer Liquiditätskrise des Schuldners und eines etwaigen Zahlungsverzugs besonders verdächtig erscheinen müsse179. Diese Überlegung ist nicht unplausibel, aber auch nicht unbedingt zwingend, da es sich bei der Zahlung rechtlich um eine solche des Schuldners handelt180 und der Gläubiger diese als Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) auch nicht verhindern könnte. Als gläubigerbenachteiligende Erfüllungshandlung des Schuldners kommt auch eine Vorsatzanfechtung gegenüber dem Zahlungsempfänger in Betracht181. Sogar eine Anfechtung nach § 133 InsO gegenüber dem Angewiesenen wird von der Rechtsprechung für möglich erachtet, wenn dieser in Kenntnis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners an den Gläubiger zahlt182. Dem Angewiesenen hilft es dabei nicht, dass eine Anfechtung gegenüber dem Anweisungsempfänger möglich wäre183. Gegenüber der Vollwertigkeitsrechtsprechung, die auch in den Fällen der Anweisungsleistung zu einer einseitigen Verantwortlichkeit des Gesellschafters führt, kommen nach hier vertretener Ansicht also wegen der Geschäftsleiterhaftung und der Möglichkeit der Inanspruchnahme des Dritten ggf. sogar zwei weitere Anspruchsgegner in Betracht. Dass der Gesellschafter im Falle einer Anfechtung der Drittzahlung nur unter den hohen Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung haftet, ist wertungsgerecht, da er sich schließlich des geschuldeten Einlagebetrags zugunsten der Gesellschaft bzw. des Dritten begeben hat.

177 BGH ZIP 2005, 992 (994); ZIP 2007, 1162 (Tz. 8); ZIP 2011, 438 (Tz. 17); Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 131 Rn. 35a, ders., NJW 2014, 422 (426); anders, wenn der Dritte (ausnahmsweise) ein eigenes, unanfechtbar begründetes Forderungsrecht ggü. dem Leistenden hat. 178 BGH ZIP 2011, 438 (Tz. 17). 179 Kayser, NJW 2014, 422 (426). 180 Kritisch daher Wiester/Kranz, NZI 2012, 541 (542). 181 BGH ZIP 2009, 2009; kritisch insoweit Thole, NZI 2009, 800 (802); allgemein zu den Voraussetzungen des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes unter § 8 II. 3. b). 182 BGH ZIP 2008, 109 (Tz. 15 ff.); ZIP 2012, 1038 (Tz. 10 ff.); ZIP 2013, 371 (Tz. 14 ff.). 183 BGH ZIP 2012, 1038.

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II. Abtretung und Pfändung 1. Wirksamkeit Wiederum ist es zur Wirksamkeit der Abtretung lediglich erforderlich, dass die Gesellschaft beim Abschluss des Abtretungsvertrags wirksam vertreten wird. Eine Parallel-Problematik zu Aufrechnung und Anweisungsleistung hinsichtlich der freien Entscheidung der Geschäftsleitung besteht hier nicht. Denn typischerweise wird die Abtretung nicht vom Inferenten angeregt oder gar erzwungen. Als raschere und einfachere Alternative stünde anderenfalls ja die Anweisungsleistung zur Verfügung, die dem Gesellschaftsgläubiger Erfüllung und nicht lediglich ein noch zu verwertendes Erfüllungssurrogat verschafft. Typischerweise betrifft die Abtretung daher eine nicht liquide Einlageforderung, die in Existenz oder Höhe umstritten ist oder wegen mangelnder Leistungsbereitschaft oder -fähigkeit des Inferenten nur vermindert werthaltig ist. Die Abtretung der Einlageforderung auf eine im gleichen Betrag bestehende Gesellschaftsverbindlichkeit ist aus der Perspektive der Gesellschaft nicht anders als die Anweisungsleistung zu werten. Bei einer Abtretung an Erfüllung statt (364 BGB) ist dies unmittelbar einsichtig, da hier bereits mit der Abtretung als der Verfügung der Gesellschaft die Verbindlichkeit erlischt. Es ist für die Gesellschaft unerheblich, dass im Unterschied zur Anweisungsleistung die Einlageforderung zunächst noch bestehen bleibt und noch der Durchsetzung durch den Gläubiger bedarf. Bei einer Abtretung, die lediglich erfüllungshalber erfolgt, bleibt die Gesellschaft zwar zunächst trotz Verlusts der Einlageforderung dem Gläubiger verpflichtet. Dennoch liegt hierin kein Problem, da die Abrede zwischen Gesellschaft und Drittem regelmäßig so auszulegen sein wird, dass dieser zunächst aus der Einlageforderung Befriedigung suchen muss. Verlangt er von der Gesellschaft Zahlung, kann diese einredeweise Rückabtretung verlangen. Bei der Pfändung der Einlageforderungen gelten dagegen nach hier vertretener Auffassung im Allgemeinen keine Besonderheiten184. 2. Grenzen a) Abtretung Neben der Geschäftsleiterhaftung kommt auch bei der Abtretung wiederum vor allem die Anfechtung in Betracht. Sofern die Übertragung der Einlageforderung die spätere Insolvenzmasse verkürzt hat, liegt die erforderliche Gläubigerbenachteiligung vor. Diese entfällt, wenn der Gläubiger an der Einlageforderung etwa ein Pfandrecht innehatte. Abtretung an Erfüllung statt und erfüllungshalber sind als 184 Zu der speziellen Frage, ob der Inferent selbst die Einlageforderung pfänden lassen kann vgl. KG JW 1930, 3779; Gehrlein, in: Großkomm/AktG, § 66 Rn. 70; Habersack/Weber, ZGR 2014, 509 (538 ff.).

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inkongruente Deckung einzuordnen185, sodass als Anfechtungsgründe wiederum vor allem die §§ 131, 133 InsO zu beachten sind. Wenn also ein Schuldner mit nicht unerheblichen Liquiditätslücken derart eine inkongruente Deckung gewährt, wird schnell ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz anzunehmen sein; weiß auch der Gläubiger um die Liquiditätsprobleme, wird auch seine Kenntnis hinsichtlich des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes vermutet186. Bei den Rechtsfolgen einer angefochtenen Abtretung ist zu bedenken, dass nach Auffassung des IX. Senats lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Zessionar entsteht, die Abtretung also nicht (etwa gem. § 134 BGB) nichtig ist187. Die Durchsetzung der Anfechtung wird mithin dadurch erschwert, dass anders als bei Aufrechnung und Anweisungsleistung nicht unmittelbar auf Geldzahlung geklagt werden kann188. Anderes gilt aber, wenn der Einlageschuldner bereits an den Zessionar gezahlt hat. In diesem Fall kann das Erlangte als Wertersatz vom Zessionar eingeklagt werden (§ 143 Abs. 1 S. 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989 BGB)189. Ebenfalls in Betracht kommt dann auch eine isolierte Anfechtung der Zahlung, da eine durch den Zessionar aufgrund einer anfechtbar erlangten Forderung vereinnahmte Zahlung eine inkongruente Deckung darstellt190. Denkt man die Parallele zur Anweisungsleistung weiter, bei der auch eine Anfechtung gegenüber dem Angewiesenen denkbar ist, müsste dies bei der Abtretung ebenfalls möglich sein, wenn etwa der Gesellschafter in Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Gesellschaft an den Zessionar zahlt (§ 133 InsO). b) Pfändung Bei der Pfändung kommt allein die Anfechtung in Betracht, da es hier wohl regelmäßig an einer dem Geschäftsleiter zurechenbaren Pflichtverletzung fehlen wird191. Was zunächst die Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) anbetrifft, könnte 185

BGH NZI 2005, 671; BGH NJW 2014, 1239 (1240); OLG Schleswig ZIP 1982, 82; OLG Köln NJW-RR 2001, 1493 (1494); Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 131 Rn. 33; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, § 131 Rn. 19; vgl. auch speziell für den Fall der Abtretung einer Einlageforderung (einer GmbH & Co. KG) KG ZIP 1983, 593 (594 f.), die in dem Fall allerdings sicherungshalber erfolgte. 186 Vgl. BGH NJW 2014, 1239 (Tz. 17). 187 BGH NZI 2007, 42; vgl. zu den Rechtsfolgen der Anfechtung bereits unter § 8 II. 5. a). 188 Im Sonderfall einer Sicherungszession kann der Insolvenzverwalter freilich ungeachtet § 398 S. 2 BGB die Forderung gem. § 166 Abs. 2 InsO verwerten und dem Herausgabeverlangen des Sicherungsnehmers mit der Einrede der Anfechtbarkeit begegnen, Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 143 Rn. 36 m. Nachw. 189 Kreft, in: HeidelbergerKomm/InsO, § 143 Rn. 20 m. Nachw. 190 Hierauf stellt BGH NJW 2014, 1239 (Tz. 19) ab. 191 Vgl. etwa BGH NJW 2009, 1598 (Tz. 13 f.), keine Veranlassung der Zahlung i.S.v. § 130a Abs. 2 HGB (§ 93 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. § 92 Abs. 2 AktG, § 64 S. 1 GmbHG), wenn der Geschäftsführer nach Kontenpfändung durch den Gläubiger zu dessen Gunsten eine Abbuchung vornimmt. Ganz sicher ist dies freilich nicht, da auch § 133 InsO eine Rechts-

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man allerdings auf den ersten Blick denken, dass hier gar kein Potential für die Vollwertigkeits-Fälle liegt. Denn die die Pfändung betreffenden Entscheidungen haben fast ausnahmslos Konstellationen zum Gegenstand, in denen es mangels Masse gar nicht zur Eröffnung oder Durchführung eines Insolvenzverfahrens gekommen ist192. Das Vollwertigkeitsgebot ist aus diesem Grund für die Fallgruppe der Pfändung bereits als „spruchrichterliches Phantom“ bezeichnet worden193. Dabei ist aber wohl übersehen, dass die Dominanz der Ausnahmen in der Rechtsprechung eher darauf zurückzuführen sein dürfte, dass der Grundsatz – nach einer fast hundertjährigen ständigen Rechtsprechung – für die Praxis mittlerweile geklärt ist. In all den Fällen, in denen die Pfändung vor Durchführung eines Insolvenz- oder eines gesellschaftsrechtlichen Abwicklungsverfahrens erfolgt, steht auf dem Boden der h.M. die Geltung des Vollwertigkeitsgebots und damit in aller Regel die Unwirksamkeit der Pfändung im konkreten Fall außer Zweifel. Diese Rechtslage ist durch das ausdifferenzierte System der Insolvenzanfechtung zu ersetzen. Auch die Zwangsvollstreckung eines Gläubigers ist Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO194. Die ständige, kontrovers diskutierte Rechtsprechung des BGH ordnet Zwangsvollstreckungsmaßnahmen als inkongruente Sicherungen ein (§ 131 Abs. 1 InsO), wenn diese innerhalb des Drei-Monats-Zeitraums vor Stellung des Insolvenzantrags (oder später) erfolgt sind195. Die heute dafür gegebene Begründung lautet, dass in dieser Krisenzeit der Prioritätsgrundsatz von der par conditio verdrängt werde und der Gläubiger dann nicht mehr die Befugnis habe, sich mittels staatlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung zu verschaffen196. Zu beachten ist ferner die Rückschlagsperre des § 88 InsO, nach der innerhalb des letzten Monats vor Antragsstellung durch Zwangsvollstreckung erlangte Sicherungen bereits ipso iure für die Dauer des Insolvenzverfahrens unwirksam werden. Außerhalb dieses Zeitraums kommt § 133 InsO in Betracht, der allerdings eine Rechtshandlung des Schuldners verlangt, die grds. bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eines Gläubigers ausscheidet. Gleichwohl können solche Fälle unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung relevant werden, wenn der Schuldner durch eine eigene Rechtshandlung im Rahmen oder aus Anlass der Zwangsvollstreckung

handlung des Schuldners verlangt und dennoch bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Anwendung finden kann, dazu sogleich im Text. 192 Vgl. die Nachw. unter § 9 I. 2. 193 Wertenbruch, Haftung in der Zwangsvollstreckung, S. 380 f. 194 Vgl. auch § 141 InsO. 195 Mithin ist eine Zwangsvollstreckung im letzten Monat vor Antragsstellung ohne weiteres (Nr. 1), eine im zweiten oder dritten Monat davor unter der zusätzlichen Voraussetzung anfechtbar, dass der Schuldner entweder zahlungsunfähig war (Nr. 2), oder der Gläubiger Kenntnis von der objektiven Gläubigerbenachteiligung hatte (Nr. 3). 196 BGH ZIP 1997, 1929 (1930); ZIP 2002, 1159 (1160 f.); ZIP 2007, 136 (Tz. 6); NJW 2010, 444 (Tz. 6); zur Diskussion Marotzke, DZWIR 2007, 265 ff.; Niesert, NZI 2014, 592 ff.; Thole, DZWiR 2006, 191 ff.

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an der Vermögensverlagerung mitwirkt197. An einer relevanten Rechtshandlung fehlt es bei der Pfändung beweglicher Sachen, wenn der Schuldner lediglich noch die Möglichkeit hat, die Zahlung sofort zu leisten, weil er anderenfalls die sofortige Vollziehung der Vollstreckung durch die anwesende Vollziehungsperson zu dulden hätte198. Eine selbstbestimmte Handlung des Schuldners liegt dagegen bspw. vor, wenn er im Bewusstsein der anstehenden Pfändungsmaßnahme Geld von seinem Konto abhebt, um es dem Gerichtsvollzieher übergeben zu können199. Die von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle betreffen, soweit ersichtlich, Pfändungen von Bargeld. Die Argumentation gilt aber – zumindest teilweise – auch für die Forderungspfändung200. So ist es ohne weiteres vorstellbar, dass ein Geschäftsleiter dem Gesellschaftsgläubiger die Pfändung der Einlageforderung erleichtert, etwa indem er diesen auf bestehende Vollstreckungsabsichten anderer Gläubiger hinweist. Hier dürfte eine zurechenbare Rechtshandlung der Gesellschaft zu bejahen sein. Andere denkbare Konstellationen könnten darin liegen, dass der Geschäftsleiter einigen Gläubigern Bestand und Höhe der Einlageforderung mit dem Ziel verheimlicht, einen bestimmten Gläubiger zu begünstigen. Weiterhin ist vorstellbar, dass der Geschäftsleiter die Gläubiger zur Pfändung wirtschaftlich wertloser Einlageforderungen anregt und dem begünstigten Gläubiger den wirtschaftlich solventen Gesellschafter präsentiert. Wenn vergleichbare Verhaltensweisen bei der Pfändung von Bargeld eine Vorsatzanfechtung auslösen können, ist nicht einzusehen, warum dies bei der Forderungspfändung anders sein sollte. Selbiges gilt auch, wenn der Schuldner (also die Gesellschaft) es bewusst unterlässt (§ 129 Abs. 2 InsO), gegen die Pfändung ein Erfolg versprechendes Rechtsmittel einzulegen201. Wird wegen Masselosigkeit, wie jedenfalls zumeist in den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen zur Pfändung der Einlageforderung, das Insolvenzverfahren nicht durchgeführt, greifen die §§ 88, 129 ff. InsO nicht und es kommt nunmehr lediglich noch die Anfechtung nach dem AnfG in Betracht. Da hier kein Pendant zu den §§ 130 f. InsO vorgesehen ist, wird die Pfändung nur in den eher seltenen Fällen der Vorsatzanfechtung (§ 3 AnfG) angreifbar sein202. Dies bedeutet, dass in dem Großteil der Fälle, in denen die Rechtsprechung die Pfändung ausnahmsweise auch ohne Vollwertigkeitsgebot zugelassen hat, auch nach der hier vertretenen Lösung die Pfändung als rechtmäßig anzusehen ist und sich im Ergebnis insoweit nichts ändert.

197 198 199 200 201 202

BGH NJW 2003, 3347 (3348); NZI 2009, 312 (Tz. 3); NZI 2011, 249 (Tz. 5). BGH NZI 2009, 764 (Tz. 8); NZI 2010, 184 (Tz. 10); de Bra, in: Braun, § 133 Rn. 6. NZI 2011, 249. Dies wohl nur übersehend Kayser, in: MünchKomm/InsO, § 133 Rn. 9. BGH NZI 2011, 249 (Tz. 8) m. w. Nachw. Dazu Kirchhof, in: MünchKomm/AnfG, § 3 Rn. 78 ff.

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3. Exkurs: Gleichbehandlungsgrundsatz Eine spezielle gesellschaftsrechtliche Grenze, die in den Fallgruppen von Abtretung und Pfändung verbreitet diskutiert wird, wird durch den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a AktG, § 19 Abs. 1 GmbHG) gezogen203. Möglicherweise kann der verfügungsbezogene Ansatz auch in diesem Zusammenhang der Diskussion Impulse verleihen. a) Meinungsstand und Kritik Obwohl im Allgemeinen Einigkeit darüber besteht, dass allein die Gesellschaft an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sind204, soll hieran nach Auffassung des BGH205 und der ganz h.M. in der Literatur206 bei Abtretung der Einlageforderung nicht uneingeschränkt festgehalten werden. Abweichend von der Auffassung des RG, das den Gleichbehandlungsgrundsatz einheitlich sowohl gegenüber dem Zessionar als auch dem Pfändungsgläubiger in Geltung lassen wollte207, wird heute differenziert: Nur dem Zessionar, nicht dagegen dem Pfändungspfandgläubiger soll der Gesellschafter den Einwand der Ungleichbehandlung gem. § 53a AktG, § 19 Abs. 1 GmbHG (i.V.m. § 404 BGB) entgegenhalten dürfen. Der BGH hat dies damit begründet, dass ansonsten der Gläubigerschutz über Gebühr eingeschränkt würde, da die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dem Pfändungsgläubiger im Einzelfall große Schwierigkeiten bereiten würde. Er müsste u. a. nicht nur den Leistungsstand sämtlicher Einlageforderungen, sondern auch Name, Adresse und Zahlungsfähigkeit der Gesellschafter ermitteln und sodann sämtliche Einlageforderungen pfänden208. Vor allem bei einem großen Gesellschafterkreis müsste dann u. U. eine Vielzahl von Prozessen angestrengt werden. Diese Begründung überzeugt, wirft allerdings auch die Frage auf, warum bei der Abtretung abweichend entschieden wird209. Die gesetzliche Ausgangslage spricht 203 Keine Besonderheiten gelten insofern bei der Leistung der Einlage an einen Dritten auf Anweisung der Geschäftsleitung, da diese nach den bereits erarbeiteten Grundsätzen wie eine Einziehung der Einlage an die Gesellschaft zu behandeln ist. 204 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rn. 34; Koch, in: Hüffer/Koch, § 53a Rn. 4; Verse, in: Henssler/Strohn, § 14 GmbHG Rn. 74. 205 NJW 1980, 2253. 206 Bayer, in: MünchKomm/AktG, § 63, Rn. 44; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 43; Koch, in: Hüffer/Koch, § 63 Rn. 6; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 13; Schwandtner, in: MünchKomm/GmbHG, § 19 Rn. 143; Ulmer/Casper, in: Ulmer, § 19 Rn. 34, 101; Wicke, § 19 Rn. 17. 207 Dazu unter § 2 III. 3., § 7 I. 208 Überzeugend weist der BGH darauf hin, dass diese Informationen in den praktischen Fällen, in denen gepfändet wird, für den Gläubiger häufig schwer zu erlangen sind, wenn etwa der Geschäftsbetrieb eingestellt ist, Geschäftsleiter und Liquidatoren nicht zu erreichen sind oder Leistungen auf die Einlage zeitlich lange zurückliegen. 209 Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 190 f.

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zunächst für eine Gleichbehandlung von Abtretung und Pfändung. Denn im Allgemeinen bleiben dem Drittschuldner gem. §§ 1257, 404 BGB auch bei der Pfändung die Einwendungen und Einreden nicht anders als dem Schuldner bei der Abtretung erhalten210. Die vom BGH bei der Pfändung befürchtete Hintanstellung der Gläubigerbelange kann sich zudem bei der Abtretung in ganz ähnlicher Weise ergeben. Bei der Abtretung muss der Gläubiger zwar nicht notwendigerweise Inhaber sämtlicher Einlageforderungen werden, um die Gefahr eines Gleichbehandlungsverstoßes auszuschließen: Da nämlich die Abtretung nur durch Rechtsgeschäft mit der Gesellschaft zustande kommen kann und mithin anders als die Pfändung ohnehin voraussetzt, dass Geschäftsleitung oder Liquidatoren erreichbar sind, kann der Gläubiger in diesem Fall vertragliche Vorsorge betreiben. Er könnte sich etwa ausbedingen lassen, dass die nicht zedierten, bei der Gesellschaft verbleibenden Einlageforderungen demnächst ebenfalls eingefordert werden. Dem Gläubigerschutz dürfte dadurch allerdings im Ergebnis nicht hinreichend Rechnung getragen sein. Zunächst ergibt sich im GmbH-Recht ggf. ein Blockadepotential der Gesellschafter, da die Kompetenz zur Einforderung bei den Gesellschaftern liegen (§ 46 Nr. 2 GmbHG) oder die Einforderungskompetenz dem Geschäftsleitungs- oder einem sonstigen Organ jederzeit durch Mehrheitsbeschluss entzogen werden kann. Die Gesellschaft wird sich zudem eine solche Abrede wohl in der Regel „abkaufen“ lassen, bei einer Abtretung erfüllungshalber oder an Erfüllung statt z. B. gegen einen Teilverzicht des Gläubigers. Im Einziehungsprozess könnte der Einlageschuldner sich schließlich immer noch damit verteidigen, dass die Einforderung der anderen Einlagen durch die Gesellschaft gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, etwa weil die anderen Einlageforderungen nicht in der erforderlichen Höhe eingefordert wurden. Es bleibt daher dabei, dass die zwischen Abtretung und Pfändung differenzierende Auffassung der h.M. nicht überzeugt. Auf der anderen Seite sollte Berücksichtigung finden, dass sich bei der Zession in der Tat die Möglichkeit auftut, unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz eine selektive Inanspruchnahme einzelner Gesellschafter zu erzielen. Ein solcher Verstoß liegt etwa nahe, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer einem Gläubiger der Gesellschaft nur die ausstehenden Einlagen gegen die beiden Mitgesellschafter – insofern allerdings in gleicher Höhe – abtritt, die gegen ihn selbst bestehende Einlageforderung dagegen nicht zediert211. Es ließen sich leicht ähnliche Beispiele denken, in denen Mehrheitsmacht zu einer isolierten Abtretung und Inanspruchnahme der Minderheit missbraucht würde. Ist der Zessionar wie wohl im Fall des LG Köln212 „echter“ Dritter, kann die Lösung jedoch grds.213 nicht darin zu finden sein, 210

Vgl. nur Smid, in: MünchKomm/ZPO, § 835 Rn. 20. So in einem Fall des LG Köln NJW-RR 1989, 1436. Die Sachverhaltsschilderungen erhellen nicht, ob in dem Fall der Geschäftsführer nicht leistungsfähig war; in diesem Fall würde ein Gleichbehandlungsverstoß nach zutreffender h.M. ausscheiden, RGZ 149, 291 (300), OLG München BB 1954 (758); Veil, in: Scholz, § 19 Rn. 25. 212 s. vorherige Fn. 211

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diesen ausnahmsweise der Gesellschaft gleichzustellen und den Gleichbehandlungseinwand ihm gegenüber durchgreifen zu lassen. b) Eigener Ansatz Auch im Zusammenhang der Gleichbehandlungsproblematik bei Abtretung und Pfändung kann der hier verfolgte verfügungsbezogene Ansatz fruchtbar gemacht werden. Nach der favorisierten verfügungsbezogenen Betrachtung sind die hier untersuchten Fallgruppen nicht anders zu werten als derjenige Fall, in dem der Gesellschafter die Einlage an die Gesellschaft und diese den Betrag umgehend an den jeweiligen Gläubiger zahlt. Überträgt man diese Überlegung, bedeutet dies, den Gleichbehandlungsschutz bereits an die Verfügung, vor allem also an die Abtretung zu knüpfen214. Darf die Gesellschaft die Einlage aufgrund des Gleichbehandlungsgebots nicht von dem einen Gesellschafter (isoliert) einziehen, darf sie den Gesellschafter auch nicht – in Ersparung einer Einziehung und anschließenden Weiterzahlung – zur Drittleistung anweisen. Die § 53a AktG, § 19 Abs. 1 GmbHG i.V.m.. §§ 404, 412 BGB dürften insofern bereits unmittelbar gelten, da im Verhältnis von Gesellschafter und Gesellschaft in der Anweisungsleistung ja nichts anderes als eine Leistung der Einlage an die Gesellschaft zu sehen ist. Realisiert die Gesellschaft die Einlageforderung nicht durch Einziehung (bzw. Anweisungsleistung), sondern durch Abtretung, erscheint es plausibel, dass § 53a AktG, § 19 Abs. 1 GmbHG in diesen Fällen dergestalt analog gelten müssen, dass sie wiederum das Handeln der Gesellschaft begrenzen. Wird die Einlage dagegen von einem Gläubiger gepfändet, existiert grds. keine der Gesellschaft zurechenbare Handlung, die durch den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden werden könnte. Macht der Pfändungsgläubiger nach Überweisung die Forderung geltend, kommen die § 53a AktG, § 19 Abs. 1 GmbHG folglich nicht zur Anwendung. Gegen diesen Vorschlag ließe sich der Einwand formulieren, dass durch die Abtretung im Unterschied zur Einziehung (bzw. Anweisungsleistung) noch gar keine Ungleichbehandlung unter den Gesellschaftern eintritt: Die Wirkung der Abtretung erschöpft sich schließlich darin, dass ein Wechsel in der Person des Gläubigers stattfindet (§ 398 S. 2 BGB). Die Pflichtenstellung der von der Zession betroffenen Gesellschafter ändert sich im Vergleich zu den nicht betroffenen Gesellschaftern nicht. Die heute h.M. ermittelt im Allgemeinen Gleichbehandlungsverstöße jedoch nicht durch eine rein formale Betrachtungsweise, sondern anerkennt mit Unterschieden im Detail, dass sich eine Ungleichbehandlung auch aus materiellen Gesichtspunkten ergeben kann215. Vor dem Hintergrund, dass die Abtretung in der Regel doch nur die unmittelbare Vorstufe einer Einziehung darstellt, in den Fällen der 213

Denkbar sind freilich Ausnahmen (Kollusion, Evidenz). Dieser Gedanke ist nicht vollkommen neu, sondern bereits in der Rspr. des RG vereinzelt aufgetaucht, dazu unter § 2 III. 4. a). 215 Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, § 53a Rn. 24; Merkt, in: MünchKomm/ GmbHG, § 13 Rn. 295; eingehend Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 231 ff. 214

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Inkassozession der Zessionar sich sogar gegenüber der Gesellschaft zur Einziehung verpflichtet, wird sich eine materielle Ungleichbehandlung häufig begründen lassen. Die Problematik des Gleichbehandlungsgrundsatzes soll hier nicht weiter vertieft werden. So wäre etwa genauer zu überdenken, welche sachlichen Gründe eine mit der Abtretung einhergehende Ungleichbehandlung legitimieren könnten. Zunächst dürfte es nicht zu bestreiten sein, dass ein Geschäftsleiter dem Dritten nicht zur Wahrung der Gleichbehandlung neben der Einlageforderung gegen den leistungsfähigen Gesellschafter A auch noch die Einlageforderung gegen den zahlungsunfähigen Gesellschafter B zedieren muss; schon bei der Parallelfrage zur Einziehung durch die Gesellschaft wird hier zurecht ein Gleichbehandlungsverstoß verneint216. Auf einem anderen Blatt steht dagegen, ob es einen sachlichen Grund darstellen kann, dass der Gläubiger aus naheliegenden Gründen, etwa der fehlenden Liquidität der Einlageforderungen, nicht gegen eine Vielzahl von Gesellschaftern, sondern lediglich gegen einen Schuldner vorgehen will217. Die Abweichung von dem eine strenge Gleichbehandlung erfordernden § 19 Abs. 1 GmbHG ließe sich begründen218. Verstößt die Transaktion gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, sollten weder das Kausalverhältnis mit dem Dritten und schon gar nicht die Abtretung nichtig sein219. Im Innenverhältnis kann der Gesellschafter allerdings die Beseitigung des Gleichbehandlungsverstoßes verlangen220. Der Vorteil dieses an die Verfügung der Gesellschaft anknüpfenden Lösungsansatzes liegt jedoch auf der Hand: Es lässt sich so die – im Ergebnis bereits heute einhellig geteilte – Ansicht besser begründen, weshalb in der Fallgruppe der Pfändung die Problematik der Gleichbehandlung nicht auftreten kann. Außenstehende Gläubiger sind nicht Adressat des Gleichbehandlungsgrundsatzes und sollten von diesen verbandsinternen Schranken nicht betroffen sein. Bei der Abtretung dagegen kann die Entscheidung der Geschäftsleitung zwar unter bestimmten Voraussetzungen einen Gleichbehandlungsverstoß im Innenverhältnis begründen. Im Gegensatz zur h.M. schlägt dieser jedoch nicht auf das Außenverhältnis durch und löst lediglich Ausgleichsansprüche im Verhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft aus.

216

Vgl. die Nachw. in Fn. 211. Insbesondere bei der Abtretung an Erfüllung statt, bzw. erfüllungshalber wird der Gläubiger nicht selten hierauf dringen, da ihm schließlich auch zuvor mit der Gesellschaft nur ein Schuldner gegenübersteht. 218 Wenn die Gesellschaft Mittel zur Verfolgung ihrer unternehmerischen Ziele bedarf (Einziehung), ist schlechterdings kein Grund denkbar, warum ein Gesellschafter hierzu in größerem Umfang als ein anderer herangezogen werden sollte. 219 Vgl. auch allgemein zu den Rechtsfolgen eines Gleichbehandlungsverstoßes bei Geschäften mit Beteiligung Dritter Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 371 m. w. Nachw. 220 Ähnlich Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 191 f.; vgl. auch S. 378 ff. (dort allgemein zu Ansprüchen der benachteiligten Gesellschafter). 217

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Kap. 3: Die Drei-Personen-Konstellationen

III. Fazit Die vom Gesetz bereitgestellten Gläubigerschutzmechanismen erscheinen auch in den Drei-Personen-Konstellationen allemal als ausreichend. Auch hier ist zu konstatieren, dass der hier befürwortete Ansatz ein ausdifferenziertes Haftungsregime ermöglicht. So haftet etwa bei der Anweisungsleistung i. d. R. der die Anweisung veranlassende Geschäftsleiter bzw. der die Zahlung empfangene Dritte (§§ 130 f., 133 InsO). Der Gesellschafter, der sich des geschuldeten Einlagebetrags gerade zugunsten eines Gesellschaftsgläubigers begibt, haftet nur ausnahmsweise nach § 133 InsO, wenn er in Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Gesellschaft zahlt. Bei der Pfändung ist eine Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO dagegen nur unter vergleichsweise erhöhten Voraussetzungen möglich. Vergleicht man die verfügungsbezogenen Grenzen mit denen der Aufrechnung221, stellt man fest, dass sich hier ein Sanktionsgefälle zulasten der Letzteren ergibt. Verfügt die Gesellschaft über die Einlage zugunsten des Gesellschafters, ist das Schutzniveau also tendenziell erhöht. Der hier verfolgte verfügungsbezogene Ansatz lässt sich überdies auch noch in anderem Zusammenhang fruchtbar machen. Nach h.M. kann der die Einlage schuldende Gesellschafter dem Zessionar die Einwendung aus § 53a AktG, § 19 Abs. 1 GmbHG entgegenhalten. Nach hier vertretener Ansicht kann der Gesellschafter dies nicht, da der Gleichbehandlungsgrundsatz als verbandsinterne Verfügungsschranke der Gesellschaft nicht auf das Außenverhältnis durchschlagen kann. Setzt sich die Geschäftsleitung durch eine gleichbehandlungswidrige Zession über diese Schranke hinweg, kann der Gesellschafter freilich im Innenverhältnis Beseitigung des Gleichbehandlungsverstoßes verlangen.

221

Vgl. insbesondere § 5 II, III, § 8.

Schlussbetrachtung § 11 Thesen I. Entwicklungsschritte der Spruchpraxis 1. Die hier untersuchte Rechtsfortbildung, die die Verfügung über sowie die Pfändung von Resteinlagen durch das „Vollwertigkeitsgebot“ beschränkt sieht, ist das Ergebnis einer mehr als hundert Jahre andauernden Spruchpraxis. Das Vollwertigkeitsgebot ist zunächst wesentlich durch das RG anhand der Fallgruppe der Aufrechnung entwickelt worden1. Inhaltlich besagt das Vollwertigkeitsgebot, dass die jeweils getilgte Forderung des Gesellschafters gemessen am Vermögensstand der Gesellschaft wirtschaftlich werthaltig sein muss. Ebenfalls wird verlangt, dass die Gesellschafterforderung auch fällig und liquide (unbestritten) sein muss. Das Vollwertigkeitsgebot wurde später auf weitere Fallgruppen ausgedehnt. Ausgehend von der Geltung des Vollwertigkeitsgebots bei Aufrechnungsverträgen und Aufrechnungen durch die Gesellschaft im Zwei-Personen-Verhältnis musste nach dem RG die Rechtsfortbildung auch auf Fälle der Drittaufrechnung (Aufrechnungsverträge über die Einlagefoderung mit der Forderung eines Gesellschaftsgläubigers) ausgedehnt werden. Bedenkt man, dass in dieser Konstellation der Gesellschafter an den Dritten für die Ablösung der Einlageverbindlichkeit Regress leisten muss, war die Ausdehnung der Rechtsfortbildung auf die Anweisungsleistung (Leistung der Einlage an einen Gesellschaftsgläubiger auf Anweisung der Gesellschaft) nicht mehr weit. Die Fallgruppen der Abtretung der Einlage an einen Gesellschaftsgläubiger und die Pfändung ließen sich mit dem ursprünglichen Ansatz des RG (dazu sogleich), zwar nicht erfassen. Nach dem dogmatischen Umschwung wurden aber auch diese Fälle durch das RG einbezogen. Wie im Grundfall der Aufrechnung im Zwei-Personenverhältni besagt das Vollwertigkeitsgebot auch in den Drei-Personen-Konstellationen, dass die jeweils getilgte Gesellschaftsverbindlichkeit vollwertig, fällig und liquide sein muss. Der BGH hat diese Rechtsprechung kontinuierlich fortgeführt und hält im Grundsatz bis heute an ihr fest. 2. Diese Rechtsfortbildung kann nicht aus Sinn und Zweck der § 66 Abs. 1 S. 2 AktG, § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG hergeleitet werden, die dem Aktionär bzw. dem GmbH-Gesellschafter die Aufrechnung mit einer eigenen Forderung gegen die Gesellschaft gegenüber der Einlageverbindlichkeit untersagen. Die einseitigen Aufrechnungsverbote sollen sicherstellen, dass der Gesellschaft die Einlage un1

s. dazu § 2.

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Schlussbetrachtung

verkürzt zugutekommt. Die ratio dieser Vorschrift liegt im Ausschluss der gesetzlichen Aufrechnungsbefugnis des Gesellschafters (§§ 387 ff. BGB), die anderenfalls dazu führen würde, dass die Einlage zugunsten einer eigenen Forderung des Inferenten reserviert wäre. Das Aufrechnungsverbot sichert damit, dass die Einlage der Gesellschaft vermögensmäßig in vollem Umfang zukommt, indem diese unbeschränkt über diese verfügen kann. Damit kann man das einseitige Aufrechnungsverbot zwar durchaus als ein Gebot der (realen) Kapitalaufbringung bezeichnen. Dieser Begriff birgt allerdings die Gefahr von Missverständnissen: Die ratio dieses Verbots liegt nämlich nicht etwa darin, dass das „Wie“ der Kapitalaufbringung gesichert wird. Es geht nicht etwa darum, dass der Gesellschafter die Gesellschaft durch eine einseitige Aufrechnung lediglich von einer Verbindlichkeit befreien würde. Nicht, dass der Gesellschafter etwas anderes als das Geschuldete leistet, sondern dass er die geschuldete Einlage nicht leistet und die Gesellschaft nicht selbst über die Einlage verfügen kann, ist durch das einseitige Aufrechnungsverbot inkriminiert. Vor diesem Hintergrund verbietet es sich, das Vollwertigkeitsgebot aus einer Analogie zu den einseitigen Aufrechnungsverboten abzuleiten, wie es im Schrifttum heute mitunter geschieht2. 3. Das Vollwertigkeitsgebot wurde vom RG zunächst in eine zahlungsbezogen verstandene Aufrechnung eingepasst3. Die dogmatischen Ursprünge dieser Konzeption liegen in der von der französischen Lehre entwickelten Doktrin der paiement abrégé. Diese Deutung der Aufrechnung als einer abgekürzten Zahlung geht auf die compensation légale des französischen Code Civile zurück, wo im Unterschied zu den §§ 387 ff. BGB die Aufrechnung ohne Erklärung, also ipso iure eintritt. Die besagte Doktrin rechtfertigte diesen strengen Aufrechnungsvollzug damit, dass bei gegegenseitigen, durchsetzbaren und unbestrittenen Forderungen die Aufrechnung wie ein abgekürztes Hin- und Herzahlen wirke und so jedem Gläubiger nur sein Recht widerfahre. Das RG übernahm somit im Ausgangspunkt die Kriterien der exigibilité (Fälligkeit) und liquidité (Liquidität) in dem Bestreben, die Aufrechnung einem tatsächlichen, rechtlich zulässigen und für die Gläubiger der Gesellschaft neutralen Hin- und Herzahlen – und damit der Erfüllung der Einlageforderung durch den Gesellschafter (§ 362 BGB) – gleichzustellen. Hintergrund dieses Rechtstransfers war dabei auch, dass im deutschen Recht zu dieser Zeit kein Einvernehmen über das Wesen der Aufrechnung bestand und diese insbesondere nicht auf breiter Linie wie im französischen Recht als ein „doppelter § 362 BGB“ gedacht wurde. Das Vollwertigkeitskriterium wurde dann später hinzugenommen, da die beabsichtigte Gleichsetzung mit dem Hin- und Herzahlen sich nach dem ursprünglichen Verständnis des RG dann nicht erzielen lässt, wenn die Gesellschaft materiell insolvent ist. In so einer Situation darf die Gesellschaft nicht herzahlen, die Aufrechnung wäre damit nicht rechtmäßig und für die Gläubiger der Gesellschaft nicht neutral.

2 3

s. dazu unter § 4 I. 1. Dazu eingehend unter § 3 II.

§ 11 Thesen

283

4. Das Konzept des paiement abrégé wurde in der Rechtsprechung des RG zunächst konsequent fortentwickelt, indem es auf die Leistung der Einlage an einen Dritten auf Anweisung der Gesellschaft ausgedehnt wurde. Auch in dieser Fallgruppe sollte das Vollwertigkeitsgebot im Ausgangspunkt gewährleisten, dass keine andere Wirkung entsteht als diejenige einer realen Zahlung an die Gesellschaft („Hinzahlen“) verbunden mit einem „Weiterzahlen“ an den Gesellschaftsgläubiger. Zunehmend wurde das zahlungsbezogene Konzept aber von einem anderen Erklärungsansatz verdrängt. Nach diesem neueren Ansatz ist die Aufrechnung nicht zahlungs- und erfüllungsbezogen, sondern als eine Leistung an Erfüllung statt (§ 364 BGB) zu verstehen4 : Der Gesellschafter „zahlt“ nicht durch Aufrechnung, sondern erbringt in Gestalt der Aufgabe seiner Forderung etwas anders als die eigentlich geschuldete Leistung, indem diese etwa an die Gesellschaft abgetreten wird (und durch Konfusion erlischt) bzw. durch Erlass erlischt. Dieser Wechsel der Konzeption erfolgte freilich nicht reflektiert, sondern ist auf eine Fehlinterpretation des vorstehend skizzierten, zahlungsbezogenen Ausgangspunkts der Spruchpraxis zurückzuführen. Dieser Ansatz gelangt konsequent durchgeführt in Tatbestand und Rechtsfolgen des Vollwertigkeitsgebots zu teilweise abweichenden Ergebnissen. Beispielhaft hierfür steht die Behandlung eines verabredeten Hin- und Herzahlens, welches nach dem forderungsbezogenen Ansatz wie eine verdeckte Einbringung einer nicht werthaltigen Forderung, mithin als eine „verschleierte Aufrechnung“ zu behandeln sein kann und daher ebenfalls nur bei Vollwertigkeit, Fälligkeit und Liquidität der Gesellschafterforderung zulässig sein darf5. Der forderungsbezogene Ansatz hat auch entscheidend dazu beigetragen, dass die Vollwertigkeitsrechtsprechung über Aufrechnung und Anweisungsleistung hinaus auf die Fälle ausgedehnt worden ist, in denen die Einlageforderung abgetreten und gepfändet wird6. Die Heterogenität der Vollwertigkeits-Dogmatik erschwert bis zum heutigen Tage die Diskussion, wobei zu konstatieren ist, dass jedenfalls die ganz überwiegende Ansicht implizit dem jüngeren, forderungsbezogenen Ansatz folgt7. 5. Die Frage nach der Dogmatik des Vollwertigkeitsgebots – zahlungs- oder forderungsbezogener Ansatz –, wenn man so möchte: dem „Wie“ der Rechtsfortbildung, ist streng zu unterscheiden von der Begründung der Rechtsfortbildung in der Sache (dem „Warum“)8. Hier sind wiederum zwei Ebenen auseinanderzuhalten: Seit jeher unterstellt die herrschende Auffassung die Aufrechnung und die anderen Fallgruppen dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung. Es soll jeweils keine andere Wirkung eintreten dürfen, als ob der Gesellschafter real erfüllt hätte. Auf dieses kapitalaufbringungsrechtliche Denken setzt eine zweite, abstraktere Begründungsebene auf. Diese erklärt die Vollwertigkeitsrechtsprechung mit den 4 5 6 7 8

Dazu unter § 3 III. § 3 III. 2. b); § 4 I. 2. § 3. IV. Vgl. nur § 4 I. 5. §§ 6 f.

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Schlussbetrachtung

Funktionen, die dem Kapitalschutz traditionell zugeschrieben werden9. In dieser zweiten Frage hat sich das RG zuletzt auf die hier als betriebsmittelorientiert bezeichnete Begründung festgelegt10. Entscheidet man sich in der dogmatischen Grundfrage einmal für den forderungsbezogenen Ansatz, besagt die betriebsmittelbezogene Überlegung, dass in den Fällen fehlender Vollwertigkeit sozusagen die „gute“ Einlageforderung gegen ein minderwertiges Erfüllungssurrogat verschwendet wird. Da Grund- und Stammkapital jedoch den Gläubigern garantieren, dass die Einlagen als Betriebskapital der Gesellschaft in voller Höhe realisiert werden, können diese Fälle nicht zugelassen werden. Wenn allerdings die Einlagen als Betriebskapital nicht mehr benötigt werden, weil eben der Betrieb der Gesellschaft eingestellt, der werbende und der auf Abwicklung der Gesellschaft gerichtete Zweck schon erreicht oder de facto nicht mehr erreichbar sind, war bereits nach der betriebsmittelbezogenen Betrachtung eine Ausnahme vom Vollwertigkeitsgebot veranlasst. In solchen Konstellationen war nach Ansicht des RG der Kapitalschutz in toto hinfällig, sodass ausstehende Einlagen im Prinzip einem Gesellschafter erlassen werden, durch einseitige Aufrechnung des Gesellschafters erlöschen oder etwa ohne vollwertige Gegenleistung eines Gläubigers gepfändet werden konnten11. 6. Da der BGH in der Sache ebenfalls einem forderungsbezogenen Ansatz folgt, verwundert es nicht, dass der Tatbestand des Vollwertigkeitsgebots tendenziell ausgeweitet wurde. Während der ursprüngliche zahlungsbezogene Ansatz des RG auf Fälle materieller Insolvenz beschränkt war, ist unter dem forderungsbezogenen Ansatz eine Ausdehnung in Richtung der wirtschaftlichen Werthaltigkeit der jeweils getilgten Gesellschafter- oder Drittforderung vorgenommen worden12. Die gewichtigste Modifikation der Rechtsfortbildung durch den BGH liegt aber darin, dass er die betriebsmittel- durch eine am besten als haftungsfondsbezogen zu kennzeichnende Begründung ersetzt hat13. Hiernach steht das Vollwertigkeitsgebot in Verbindung mit der Funktion des Garantiekapitals als einem Haftungsfonds, der speziell den Fremdgläubigern der Gesellschaft zugewiesen ist. Am einfachsten ist die Abweichung dieser Konzeption von der betriebsmittelbezogenen Sicht in einer Situation erkennbar, in der sowohl ein Gesellschafter als auch ein außenstehender Dritter Gläubiger der Gesellschaft sind und um die ausstehende Einlage konkurrieren. Ist in dieser Situation ein Insolvenzverfahren mangels Masse undurchführbar und hat die Gesellschaft ferner keine liquiden Mittel zur Beitreibung der Einlageforderung inne, darf der Dritte nach der betriebsmittelbezogenen Begründung ausnahmsweise durch Pfändung auf die Einlage zugreifen und nichts anderes gilt auch für den Gesellschafter, der sich durch Aufrechnung Befriedigung verschaffen darf (s. o.). Nach dem haftungsfondsbezogenen Ansatz besteht in dieser Situation hin9

Dazu eingehend unter § 7. § 7 I. 11 Vgl. u. a. § 2 III. 3. 12 § 3 III. 2. a); § 4 I. 1. a). 13 Dazu unter § 7 II.

10

§ 11 Thesen

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gegen für den Gesellschaftergläubiger das Vollwertigkeitserfordernis fort. Die Gesellschaft darf ihm also die ausstehende Einlage nicht (ausnahmsweise) abtreten; ist der Gesellschaftergläubiger selbst Schuldner der ausstehenden Einlage, darf die Gesellschaft auch nicht (ausnahmsweise) aufrechnen. Denn die Idee vom Haftungsfonds bedingt, dass die Einlage allein dem außenstehenden Gläubiger zur Befriedigung zur Verfügung steht. Nach dem reichsgerichtlichen, betriebsmittelorientierten Verständnis ist die Rechtsposition des Gesellschaftergläubigers dagegen prinzipiell nicht von derjenigen des außenstehenden Gläubigers verschieden. Ist die Einlage durch die masselose Insolvenz zu einem gewöhnlichen Befriedigungsgegenstand aller Gläubiger geworden, darf auch dem Gesellschaftergläubiger die Einlage zugutekommen.

II. Kritik an der vorherrschenden Auffassung 1. Das von der forderungsbezogenen Variante des Vollwertigkeitsgebots vorausgesetzte Verständnis der Aufrechnung als einer Leistung an Erfüllung statt (§ 364 BGB) ist nicht mit der die Kapitalaufbringung beherrschenden Leitidee der Trennung von Geld- und Sacheinlagen zu vereinbaren14. Nach dieser strikten Trennung kann eine Geldeinlage niemals anders als durch Geldzahlung geleistet werden. Die herrschende Auffassung setzt sich darüber hinweg, dass die Aufrechnung mit Resteinlageforderungen ohne präventive Werthaltigkeitskontrolle durch das Registergericht möglich ist und zudem deutliche Hinweise existieren, dass der historische Gesetzgeber in der Aufrechnung „an sich“ keine Sacheinlage gesehen hat. Auch vor dem Hintergrund, dass das Vorverständnis der Aufrechnung als Leistung an Erfüllung statt auch sonst nicht anzuerkennen, sondern durch die allgemeine Zivilrechtsdogmatik schon lange Zeit überwunden ist, vermag dieser Ansatz nicht zu überzeugen. Das sacheinlagebezogene Verständnis führt dazu, dass die Aufrechnung mit Resteinlageforderungen gleichsam zur „institutionell verdeckten Sacheinlage“ gerät. Die heutige Diskussion zur Aufrechnung leidet daran, dass dieses Verständnis nicht angezweifelt wird, vielmehr sogar als Ausgangspunkt weiterer Annäherung zwischen Aufrechnung und (verdeckter) Sacheinlage herhalten muss. Dies kommt in der Diskussion um die analoge Anwendung der Anrechnungslösung der verdeckten Sacheinlage sehr deutlich zum Ausdruck. 2. Im Unterschied zum forderungsbezogenen Ansatz ist beim zahlungsbezogenen Ansatz der Bruch mit den Grundsätzen der Kapitalaufbringung nur weniger offensichtlich15. Hinter der behaupteten Fiktion eines Hin- und Herzahlens verbirgt sich bei genauerem Hinsehen tatsächlich ein spezielles Tilgungsverbot (Herzahlungsverbot) bzgl. der Gesellschaftsverbindlichkeit. Das Vollwertigkeitsgebot hat zur Konsequenz, dass eine Gesellschaft nicht mit der Einlageforderung aufrechnen darf, 14 15

§ 4 IV. § 4 V.

286

Schlussbetrachtung

wenn sie die Verbindlichkeit wegen fehlender Fälligkeit oder aus anderen Gründen auch nicht erfüllen dürfte. Bedenkt man, dass der wichtigste Anwendungsfall dieser Rechtsprechung derjenige der materiellen Insolvenz ist, deutet dies schon an, dass die Vollwertigkeitsrechtsprechung auch als historischer Platzhalter des Insolvenzrechts verstanden werden muss. Dies kann kaum verwundern, wenn man sich einerseits die oft zitierte Blindheit des Gesellschaftsrechts für das Insolvenzrecht in Erinnerung ruft. Andererseits waren zentrale insolvenzbezogene Gläubigerschutzmechanismen bei Beginn und Ausformung dieser Rechtsprechung noch nicht in demselben Maße ausgebaut und anerkannt. Das Anfechtungsrecht war noch wesentlich weniger schlagkräftig ausgestaltet als es heute die §§ 129 ff. InsO sind; zudem lehnte das RG es ab, die Aufrechnung mit der Einlageforderung als Zahlung i.S.d. der heute in den §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 S. 1 AktG, § 64 S. 1 GmbHG geregelten Geschäftsleiterhaftung zu subsumieren16. Der zahlungsbezogene Ansatz bringt handfeste Nachteile mit sich. Die Nichtigkeitssanktion des Vollwertigkeitsgebots führt dazu, dass der Gesellschaft etwa bei einer unzulässigen Abtretung unmittelbar kein Schaden entsteht, da die ausstehende Einlage unverändert Bestandteil des Gesellschaftsvermögens bleibt. Obwohl Aufrechnung, Abtretung und angewiesene Drittzahlung niemals ohne Einverständnis der Geschäftsleiter erfolgen können, haften diese für eine gegen das Vollwertigkeitsgebot verstoßende Verfügung somit in aller Regel nicht. Ein echter Präventiveffekt wird dadurch nicht erzielt. 3. Der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung vermag die herrschende Auffassung nicht zu stützen17. Während dieser Grundsatz bei der Mindesteinlage völlig zutreffend ist, ist er bei der hier hauptsächlich betroffenen Resteinlage nicht anzuerkennen. Weder Aktien- noch GmbH-Recht gewährleisten, dass die Resteinlage auch nur zu irgendeinem Zeitpunkt gerade real an die Gesellschaft geleistet wird. Die Fälligstellung ausstehender Einlagen sowie die Durchsetzung einer rückständigen Einlageforderung stehen im Belieben der Gesellschaft. Haben die Gläubiger der Gesellschaft im Allgemeinen kein berechtigtes Vertrauen gerade auf eine reale Einzahlung der Einlage, bleibt die Frage offen, warum der Aufrechnung diese Wirkung zukommen muss. Deren Wesen ist es gerade, dass keine realen Zahlungen geleistet werden, sondern die gegenseitigen Forderungen ohne weiteres erlöschen. Bedenkt man etwa18, dass fällige Resteinlageforderungen sogar verjähren können, wird deutlich, dass der bei der Aufrechnung so hoch gehaltene Grundsatz der realen Kapitalaufbringung bei Resteinlagen tatsächlich nicht anzuerkennen ist.

16 17 18

s. dazu m. Nachw. unter § 3 II. 3. § 6 I. § 6 I. 4. a).

§ 11 Thesen

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III. Verfügungsbezogener Ansatz 1. Der hier entwickelte Ansatz sieht bei Aufrechnung, Anweisungsleistung, Abtretung und Pfändung die Kapitalaufbringung in den meisten Fällen als unproblematisch an. Beispielhaft hierfür steht die Aufrechnung, die nach vertretener Ansicht immer ein Hin- und Herzahlen ersetzt19. Das Hinzahlen ergibt sich daraus, dass die Gesellschaft die Einlageforderung zugunsten der Gesellschafterforderung realisiert und im Prinzip nichts anderes passiert, als wenn der Gesellschafter hingezahlt und die Gesellschaft unmittelbar zurückgezahlt hätte. Die Aufrechnung ist hiernach in aller Regel wirksam. Allerdings müssen die Grundbedingungen einer jeden Aufrechnung erfüllt sein, sodass einerseits überhaupt gegenseitige Forderungen vorliegen, andererseits die Aufrechnungserklärungen wirksam sein müssen20. Insbesondere die einseitigen Aufrechnungsverbote der § 66 Abs. 1 S. 2 AktG, § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG dürfen nicht umgangen werden; ein Fall einer unwirksamen Aufrechnung liegt z. B. vor, wenn die Gesellschaft dem Gesellschafter vertraglich ein einseitiges Aufrechnungsrecht einräumt21. Allerdings ist aus dem Schutzzweck des einseitigen Aufrechnungvserbots nicht abzuleiten, dass die Entscheidung zur Aufrechnung von der Gesellschaft autonom – ohne Einfluss des die Einlage schuldenden Gesellschafters – vorgenommen werden muss, wie es im Schrifttum verbreitet geschieht22. Die in der Aufrechnung liegende Verfügung unterliegt den allgemeinen Schranken, die jede Verfügung der Gesellschaft über Gesellschaftsvermögen zu wahren hat. Eine GmbH darf etwa nicht aufrechnen, wenn die Tilgung der Gesellschafterforderung gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßen würde23. Ein Vorstand darf einen Aktionär nicht zur Leistung der Einlage an einen Dritten anweisen, wenn die AG zahlungsunfähig oder überschuldet ist und sie durch die Tilgung der Gesellschaftsverbindlichkeit das Zahlungsverbot des § 92 Abs. 2 S. 1 AktG verletzen würde24. Die Verfügung durch die Gesellschaft ist in diesen Fällen zwar jeweils unzulässig, aber nicht unwirksam. Es gelten die allgemeinen Rechtsfolgen der § 31 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG. 2. Die hier vertretene These steht zu den Schutzzwecken des Grund- bzw. Stammkapitals nicht in Widerspruch. Das gilt zunächst für die Betriebsmittelfunktion, durch die das RG zuletzt seine Spruchpraxis gerechtfertigt und gleichermaßen beschränkt sah25. Tatsächlich liegt in den Fällen einer Aufrechnung der Einlageforderung mit einer nicht vollwertigen Gesellschafterforderung nicht die fehlende Maximierung des Einlagenkapitals vor, sondern eine – ggf. unzulässige – Tilgung von Gesellschaftsverbindlichkeiten. Sofern diese Verbindlichkeiten fällig und ein19 20 21 22 23 24 25

§ 5 I. § 5 II. § 5 II. 2. b) cc). § 5 II. 2. b) bb). § 5 III. § 10 I. 2. a). s. o.

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Schlussbetrachtung

redefrei sind und keine besonderen Tilgungsverbote wie etwa aus § 64 S. 1 GmbHG bestehen, ist die Gesellschaft zur Tilgung der Verbindlichkeit sogar verpflichtet. Die Funktion der Einlage als Betriebskapital steht dem – wie übrigens das RG ursprünglich für die Fallgruppe der Abtretung (und der Pfändung) richtig erkannt hat – nicht entgegen. Nicht zu stützen vermag die herrschende Auffassung auch der der Vollwertigkeitsrechtsprechung heute verstärkt beigelegte Schutzzweck des Garantiekapitals als einem Haftungsfonds. Diese Funktion wird auch ohne Vollwertigkeitsgebot gewährleistet und durch eine Disposition der Gesellschaft, die sich insbesondere an § 57 Abs. 1 AktG, § 30 Abs. 1 GmbHG hält, nicht beeinträchtigt. Der haftungsfondsbezogene Ansatz beruht demgegenüber auf Prämissen, die im geltenden Recht keine Stütze finden. Einerseits wird vorausgesetzt, dass die außenstehenden Gläubiger sich gegenüber den Gesellschaftergläubiger vorrangig aus dem Gesellschafts- bzw. Einlagenvermögen befriedigen dürfen26. Andererseits soll der Gedanke des Haftungsfonds sogar die Rechtsbeziehungen zwischen den Fremdgläubigern betreffen. Das Vollwertigkeitsgebot geht hier davon aus, dass die Fremdgläubiger nur gleichmäßig auf den durch ausstehende Einlagen gebildeten Haftungsfonds zugreifen dürfen. Es trifft aber weder zu, dass ein Gesellschaftergläubiger prinzipiell nur nachrangig gegenüber den außenstehenden Gläubigern haftet, noch kann der Grundsatz der par conditio außerhalb des Insolvenzverfahrens und über die zu seiner Sicherung entwickelten Schutzinstrumentarien hinaus Platz greifen. Letzteres hat der BGH für die spezielle Frage der Abtretung des Erstattungsanspruchs gem. § 31 Abs. 1 GmbHG bereits zutreffend entschieden. Auch das MoMiG bestätigt indirekt die hier vertretene These27. Der Gesetzgeber hat hier das November-Urteil des II. Zivilsenats, welches ebenfalls – zur Sicherung von Betriebsmittel- und Haftungsfondsfunktion – einem „realen“ Kapital(erhaltungs)schutz das Wort geredet hatte, zugunsten einer insolvenzrechtlichen Lösung zurückgewiesen. Zuletzt lässt sich das Vollwertigkeitsgebot auch nicht aus der Seriositätsfunktion des Grund- bzw. Stammkapitals herleiten28. 3. Vor allem anhand der haftungsfondsbezogenen Variante wird erneut deutlich, dass das Kapitalgesellschaftsrecht in Gestalt des Vollwertigkeitsgebots eine Domäne des Insolvenzrechts okkupiert hat. Die Untersuchung hat daher auch aufgezeigt, wo die eigentlich zur Anwendung berufenen insolvenzrechtlichen Schranken von Aufrechnung, Anweisungsleistung, Abtretung und Pfändung zu verorten sind29. Dabei hat sich wenig überraschend gezeigt, dass ein Sanktionsgefälle zwischen den verschiedenen Fallgruppen besteht. Namentlich ist die Aufrechnung als Verfügung über die Einlage zugunsten des Inferenten in Insolvenznähe deutlich strenger sanktioniert als die Pfändung der Einlageforderung durch einen Fremdgläubiger. Während eine Aufrechnung auf Seiten der Geschäftsleiter in der materiellen In26

Dazu eingehend unter § 7 II.; vgl. auch oben unter I. 6. Eingehend unter § 7 III. 28 Dazu unter § 7 IV. 29 § 8 (Aufrechnung); § 10 I. 2. (Anweisungsleistung); § 10 II. 2. (Abtretung und Pfändung). 27

§ 11 Thesen

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solvenz und u. U. schon vorher unzulässig und haftungsauslösend sein kann, ist auch eine Haftung des Gesellschafters denkbar. Diese kann sich aus den §§ 129 ff. InsO ergeben; praktische Bedeutung dürfte hier vor allem den Anfechtungsgründen der §§ 133, 135 InsO zukommen. 4. Tritt man von den einzelnen rechtlichen Fragestellungen einen Schritt zurück und fragt nach einer rechtspolitischen Einordnung des hier unterbreiteten Vorschlags, würde es zu kurz greifen, das in der vorliegenden Arbeit befürwortete Weniger an Kapitalschutz mit einem Weniger an Gläubigerschutz gleichzusetzen. In der Rückanbindung der hier untersuchten Fallgruppen an das geschriebene Recht liegt zunächst einmal ein deutlicher Gewinn an Rechtsklarheit, der den Gläubigern in ihrer Gesamtheit zugutekommt. Der hier vertretene Ansatz kommt anders als das Vollwertigkeitsgebot ohne einen Bruch mit allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts aus: Ein Gesellschafter muss nicht das Valuta- und damit ein für ihn fremdes Rechtsverhältnis prüfen, wenn die Gesellschaft ihn zur Leistung der Einlage an einen Dritten anweist. Ein externer Gläubiger muss nicht befürchten, dass die Abtretung der Einlageforderung an ihn nichtig gewesen sein könnte, weil die krisenhafte Situation der Gesellschaft möglicherweise die Vollwertigkeit seiner Forderung ausgeschloßen hat. Einerseits mag die Aufrechnung in gewisser Hinsicht erleichtert werden und es werden Fälle vorstellbar sein, in denen eine nach hier vertretener Ansicht wirksame, aber unzulässige Aufrechnung dennoch nicht rückabgewickelt wird, etwa weil sich die Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes durch den Inferenten nicht nachweisen lässt (§ 133 InsO). Andererseits werden die Fremdgläubiger durch die Aufgabe des Vollwertigkeitsgebots bei Abtretung und Pfändung bessergestellt. Zudem ist daran zu denken, dass die Preisgabe der Vollwertigkeitsrechtsprechung wenigstens einen kleinen Beitrag zur Attraktivität vor allem der GmbH im „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ bedeuten würde. Da die Lösung des hier vertretenen Ansatzes schlicht in der Anwendung der allgemeinen Grundsätze liegt, erscheint schließlich auch der damit verbundene Einschnitt in die Stetigkeit der höchstrichterlichen Rechtsprechung als hinnehmbar.

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Stichwortverzeichnis Abtretung der Einlage – Anfechtung 272 f. – Gleichbehandlung der Gesellschafter 64 ff., 276 ff. – Vollwertigkeitsgebot 59 ff., 88 ff. 238 f. siehe auch Vollwertigkeit – Wirksamkeit 272 Aktienrechtsnovelle 1884 46 ff. Anweisungsleistung siehe Drittzahlung der Einlage Aufrechnung der Einlage – Anfechtung 212 ff. – Bestehen einer Gegenforderung 141 – Englisches Recht 36 f. – Erklärung durch die Gesellschaft 142 ff. – Französisches Recht 38 ff., 75 ff., 133 f. – Insolvenzreife 204 ff. – Insolvenzverursachung 208 ff. – Italienisches Recht 37 f. – Kapitalerhaltung 149 ff. – Rechtsnatur 113 ff. – Unternehmerische Sorgfalt 156 ff. – Verbot der Gesellschafteraufrechnung 42 ff., 46 f., 66 ff., 142 ff. Aufrechnungsvertrag siehe Aufrechnung der Einlage – Drittaufrechnung 49 ff., 54 f., 120, 246 – praktische Bedeutung 119 f. – Rechtsnatur 118 ff. – Zulässigkeit 118 Ausstehende Einlage siehe Einlageforderung Bareinlage siehe Einlageforderung Befreiungsverbot 56 f., 82 f., 159 f., 172, 175 f. compensation légale siehe Aufrechnung, französisches Recht

dept equity swap 161 f. Drittleistung siehe Drittzahlung der Einlage Drittzahlung der Einlage – Anfechtung 270 f. – Anweisung der Gesellschaft 266 f. – Insolvenzreife 269 f. – schlichte Drittleistung 55 f., 87 f., 228 ff., 244 Einlage siehe Einlageforderung Einlageforderung – gleichgestellte Forderungen 24 ff. – rückständige Einlagen 20, 170 – Verjährung 137, 172 ff. – Vermögensgegenstand 150 f. – Vollleistung 19, 175, 176 Erstattungsforderung – Abtretung 25 f. – Aufrechnungsverbot des Gesellschafters 142 f. – Inhalt bei Aufrechnung 154 f. Fälligkeit der Einlage 53 f., 102 f. siehe auch Vollwertigkeit Garantiekapital – Betriebsmittelfunktion 186 ff. – Haftungsfondsfunktion 190 ff., 256 ff. – Seriositätsfunktion 166 f., 198 ff. Geldeinlage siehe Einlageforderung Gläubigerschutz 31 ff. Gleichbehandlungsgrundsatz, gesellschaftsrechtlicher – Inhalt 64 ff, 276 ff. – Kritik 278 f. Gleichbehandlungsgrundsatz, insolvenzrechtlicher 205, 260 f., 261 ff. Grundkapital siehe Garantiekapital Haftung bei Verletzung der unternehmerischen Sorgfalt 156 ff. Hin- und Herzahlen 180 ff.

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Stichwortverzeichnis

Insolvenz der Gesellschaft – masselose 63, 107 f., 193 f., 258 ff., 261 ff. – Pflichten des Insolvenzverwalters 171 Insolvenzanfechtung – Deckungsanfechtung 213 f. – Gesellschafterdarlehen 219 ff. – Grundlagen 212 ff. – Normzweck 213 ff. – Rechtsfolge 231 ff. – Schenkung 227 ff. – vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung 221 ff., 271, 272 f., 274 f. insolvenzverursachende Zahlung 137, 197, 208 ff. Kaduzierung 107, 169 ff. Kapitalaufbringung, reale 162 ff. Kapitalerhaltung 149 ff., 196 ff. Leistung der Einlage an einen Dritten siehe Drittzahlung der Einlage Liquidität der Einlage 53 f., 103 f. siehe auch Vollwertigkeit Mindesteinlage 20, 39, 47 f., 49 f., 174 ff., 201 siehe auch Einlage MoMiG 28 f., 31 ff., 111 ff., 188, 196 ff., 199 ff. par conditio creditorum siehe Gleichbehandlungsgrundsatz, insolvenzrechtlicher Pfändung der Einlage – Anfechtung 273 ff. – Vollwertigkeitsgebot 61 f., 88 ff., 238 f. siehe auch Vollwertigkeit – Zulässigkeit 58 f.

Rechtsfortbildung siehe auch Vollwertigkeit – im Kapitalgesellschaftsrecht 28 ff. – Rechtsrückbildung 29 f. Rechtsrückbildung siehe Rechtsfortbildung Rechtsvergleichung 36 ff. Resteinlagen siehe auch Einlageforderung – Aufforderung, Einforderung zur Leistung 20, 59, 145, 168, 172, 277 – Bilanzierung 150 f. Richterrecht siehe Rechtsfortbildung Stammkapital siehe Garantiekapital Unternehmergesellschaft

19, 33, 200

Verdeckte Sacheinlage 122 ff., 126 ff., 250 ff. Verrechnung siehe Aufrechnungsvertrag Vollwertigkeit – Ausnahmen 62 ff., 107 f., 186 ff., 190 ff., 239 ff. – Entstehung und Entwicklung 41 ff., 49 ff. – Forderungsbezogener Ansatz 81 ff., 90 f., 122 ff. – Inhalt 52 ff., 59 f., 84 f., 96 ff. – Kritik 95 ff., 138 ff., 162 ff., 186 ff., 204 ff., 236 ff., 266 ff. – Rechtsfortbildung 30 f. – Schenkungsanfechtung 227 ff. – Vorsatzanfechtung 226 f. – zahlungsbezogener Ansatz 74 ff., 133 ff. Vollwertigkeitsgebot siehe Vollwertigkeit Vollwertigkeitsprinzip siehe Vollwertigkeit Zahlungsbezogener Ansatz 74 ff., 86 f., 95 ff., 133 ff., 237 f., 255 f.