Opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft: Rechtsökonomik von action en comblement du passif, Insolvenzverschleppungshaftung und wrongful trading [1 ed.] 9783428543281, 9783428143283

Nur scheinbar zählt die Insolvenzverschleppungshaftung zu den Grundpfeilern des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts. Be

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German Pages 756 Year 2014

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Opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft: Rechtsökonomik von action en comblement du passif, Insolvenzverschleppungshaftung und wrongful trading [1 ed.]
 9783428543281, 9783428143283

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 85

Opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft Rechtsökonomik von action en comblement du passif, Insolvenzverschleppungshaftung und wrongful trading

Von

Philipp Jaspers

Duncker & Humblot · Berlin

PHILIPP JASPERS

Opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 85

Opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft Rechtsökonomik von action en comblement du passif, Insolvenzverschleppungshaftung und wrongful trading

Von

Philipp Jaspers

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-14328-3 (Print) ISBN 978-3-428-54328-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-84328-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern, meiner Familie und meinen Freunden

Vorwort Diese Arbeit hat der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn im Jahr 2013 als Dissertation vorgelegen. Rechtsprechung und Literatur wurden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – bis zum 31. 12. 2013 berücksichtigt. Dank schulde ich zunächst meinem hochverehrten Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dipl.-Kfm. Holger Fleischer, LL.M. (Univ. of Michigan), der nicht nur maßgebliche Hinweise bei der Umfassung des Untersuchungsgegenstandes gegeben, sondern das Promotionsvorhaben in allen Stadien vorbildlich betreut hat. Über den engen Rahmen dieser Arbeit hinaus verdanke ich meinem Doktorvater wissenschaftlich prägende Einsichten in die Sinnhaftigkeit der Verbindung von Ökonomie und Rechtswissenschaft sowie die bereichernde Kraft der Rechtsvergleichung. Nicht unerwähnt bleiben soll der wissenschaftliche Ethos von Herrn Prof. Dr. Fleischer, der in guter wissenschaftlicher Tradition immer bereit gewesen ist, eine abweichende Ansicht, soweit sie nicht auf einem erkennbaren Fehler beruhte, zu akzeptieren. Dank schulde ich weiter Herrn Prof. Dr. Dipl.-Vw. Rainer Hüttemann, dessen Wahl als Zweitgutachter sich für die vorliegende Arbeit als Glücksgriff erwiesen hat, da er aufgrund seiner Doppelqualifikation als Ökonom und Rechtswissenschaftler zahlreiche wertvolle Hinweise geben konnte. Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Univ. of Chicago) und Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler bin ich für die Aufnahme in die Schriftenreihe „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht“ zu großem Dank verpflichtet. Ohne meine Eltern wären weder meine breit angelegten Studien noch diese Arbeit möglich gewesen. Beides haben sie sowohl mit außerordentlicher Geduld als auch Rat und Tat durchgehend unterstützt. Ihnen ist diese Arbeit deshalb vor allen gewidmet. Auch meine Familie und meine Freunde haben diese Arbeit in vielfältiger Weise gefördert. Hervorzuheben ist mein lieber Freund und Studienkollege Prof. Dr. Peter N. Posch, der zahlreiche Passagen der Arbeit und die darin enthaltenen Schlussfolgerungen auf ihre ökonomische Plausibilität hin überprüft hat. Gerade in Zeiten, in denen die klassische Universität nicht selten Ziel von Invektiven ist, nicht unerwähnt bleiben soll meine Alma Mater, die Rheinisch Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Mit relativ unklaren Vorstellungen nach Bonn gekommen, durfte ich in Bonn wissenschaftlich nur beste Erfahrungen machen: wissenschaftliches Exzellenzstreben ohne Borniertheit, Weltoffenheit, Freiheit von

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Vorwort

Forschung und Lehre sowie engagierte Professoren, Mitarbeiter und Studenten. Ich werde meine Bonner Jahre immer in bester Erinnerung behalten. Zu Dank verpflichtet bin ich zudem Leitung und Mitarbeitern des Max-PlanckInstituts für ausländisches und internationales Privatrecht, insbesondere Frau Dipl.Bibl. Elke Halsen-Raffel, die mir die durch zahlreiche Entwicklungen in den betrachteten Rechtsordnungen notwendig gewordene Aktualisierung ermöglicht und nach Kräften unterstützt haben. Abschließend nicht unerwähnt bleiben sollen meine Großeltern, mein Onkel Dr. Heiner Gimpel und mein lieber Freund Helmut Schwan, die jeweils die Fertigstellung dieser Arbeit nicht mehr erleben durften, denen ich aber vieles verdanke. Auch ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt am Main im September 2014

Philipp Jaspers

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 § 2 Rechtsökonomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 II. Knappheit, Präferenzen und Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Das grundlegende Maximierungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3. Risikoaversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4. Bounded Rationality . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 III. Effizienz als legislatorisches Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 IV. Coase-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 V. Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 VI. Unvollständige und asymmetrische Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 VII. Theorie der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 VIII. Principal-Agent-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 IX. Modigliani-Miller und die Irrelevanz der Finanzierungsentscheidung . . . . . . . . 61 X. Darstellungsweise und Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 § 3 Beschränkte Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. Juristische Person und beschränkte Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 III. Ökonomische Aspekte der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Schutz des Privatvermögens: Revision der Risikopräferenzstruktur . . . . . . . 74 2. Sicherung des Gesellschaftsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Senkung der Kontrollkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4. Realisierung von Spezialisierungseffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5. Kapitalmarkteffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Kontrollkosten und Anteilsfungibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Markt für Unternehmenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 c) Portfoliooptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 6. Kapitalsammelstellenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 7. Überlegene Risikoträgerschaft der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 IV. Konnexität zwischen beschränkter Haftung und Geschäftsführerhaftung . . . . . 88

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§ 4 Rechtsökonomik der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Harmonischer Antagonismus: Gläubiger- und Gesellschafterinteressen außerhalb der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Partieller Interessengleichlauf von Gesellschaftern und Gläubigern . . . . . . . 91 2. Eigenkapitalbezogene Agenturkosten und Gläubigerinteresse . . . . . . . . . . . . 92 II. Gesellschafter- und Gläubigerinteressen in der Krise der Gesellschaft . . . . . . . 94 1. Anreizsystem der Gesellschafter bei positiver Fortführungsprognose . . . . . . 94 2. Anreizsystem der Gesellschafter bei negativer Fortführungsprognose . . . . . . 96 a) Überinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Unterinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 c) Verwässerung (Claim Dilution) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 d) Asset withdrawal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Revidierte Anreize in der Krise bei Auseinanderfallen von Eigentum und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Überinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Unterinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Claim dilution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 d) Asset withdrawal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4. Überinvestition, Unterinvestition und Claim Dilution als Probleme des Kapitalgesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 § 5 Intrinsische und extrinsische Managementdisziplinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Staat und Markt als konkurrierende Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 II. Extrinsische Managementdisziplinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Risikoabgeltung über den Zins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Eskomptierung krisenspezifischer Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Asymmetrische Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Qualitätsunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Nachvertragliche Risikorevision (Hold-up/Moral Hazard) . . . . . . . . . 119 c) Praxisnähe der Risikoabgeltungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) Finanzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Warenkreditgeber/Lieferanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 cc) Dienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 dd) Endkunden/Endverbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 ee) Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 ff) Zwangsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d) Rechtsökonomische Ineffizienz der Verhandlungslösung . . . . . . . . . . . . . 141 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Beteiligung der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Beteiligung institutioneller Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Inhaltsverzeichnis

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c) Beteiligung der Kreditgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Personalsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Realsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 d) Sicherungsmöglichkeiten unterschiedlicher Gläubigergruppen . . . . . . . . . 162 4. Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 5. Versicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 III. Marktimmanente/Intrinsische Managementkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Arbeitsmarktdisziplinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Kapitalmarktdisziplinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Der Kapitalmarkt als Disziplinierungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Kapitalmarktdisziplinierung und Fehlanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 c) Nicht börsennotierte Kapitalgesellschaften und der Markt für Unternehmenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 § 6 Verantwortlichkeit der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 I. Mindestkapitalerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Mindestkapitalerfordernisse und opportunistisches Verhalten . . . . . . . . . . . . 195 a) Seriositätsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Signaling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) Revision des Anreizsystems: Initiale Fehlanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 d) Revision des Anreizsystems: krisenbedingte Fehlanreize . . . . . . . . . . . . . 200 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 II. Kapitalschutzsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Kapitalaufbringung und -erhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Kapitalerhaltung und Fehlanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Anzeigepflicht nach §§ 49 Abs. 3 GmbHG, 92 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 206 IV. Eigenkapitalersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Eigenkapitalersatzrecht und opportunistisches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Eigenkapitalersatzrecht und Überinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Eigenkapitalersatzrecht und Unterinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) Eigenkapitalersatzrecht und Claim Dilution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 d) Sonderfall: Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 e) Reform des Eigenkapitalersatzrechtes im Rahmen des MoMiG . . . . . . . . 220 V. Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Vermögensvermischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

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Inhaltsverzeichnis 2. Materielle Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Bremer Vulkan/KBV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 b) Neujustierung der Existenzvernichtungshaftung („Trihotel“) . . . . . . . . . . 236

§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I. Legitimation einer Geschäftsleiterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Der Ordoliberale Ansatz: Einheit von Herrschaft und Haftung . . . . . . . . . . . 239 3. Incentives . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 4. Informationsökonomische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 5. Überlegene Risikoträgerschaft der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 II. Einheit in Vielfalt: Insolvenzverschleppungshaftung, wrongful trading und action en comblement du passif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 III. Maßstab einer effizienten Haftungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Die Doppelfunktion der Insolvenzantragspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Insolvenzgründe als Terminierungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 c) Insolvenzgründe als Auslöser der Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . 249 d) Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 aa) Zahlungsunfähigkeit als Terminierungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 bb) Zahlungsunfähigkeit als Moment of Truth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 cc) Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (1) Zahlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (2) Zahlungseinstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (3) Zahlungsstockung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (4) Liquiditätslücken und Wesentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (5) Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . 264 (6) Ernstliches Einfordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (7) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 e) Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Das Wesen der Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 bb) Überschuldung als Eröffnungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 cc) Überschuldung als haftungsauslösender Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . 273 dd) Überschuldungsfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 ee) Einstufige Überschuldungsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (1) Statische Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (a) Ansatz von Liquidationswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (b) Ansatz von Fortführungswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

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(2) Dynamische Überschuldungsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 ff) Zweigliedrige Überschuldungsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (1) „Überschuldung im Rechtssinne“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (2) Der Überschuldungsbegriff der InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (a) Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (b) Liquidations- und Fortführungswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (c) Ansatz von Aktiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (d) Immaterielle Vermögenswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (e) Firmenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 (f) Passiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 (g) Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen . . . . . . . . . . 299 (h) Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 (i) Fortführungsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 (aa) Prognosegegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 (bb) Prognosezeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (cc) Wahrscheinlichkeitsmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 (dd) Fortführungswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (4) Neufassung des Überschuldungsbegriffs durch das FMStG . . . . . 308 2. Wrongful Trading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 a) Insolvenzeröffnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 b) Rechtsfolgen des Vorliegens eines Insolvenztatbestandes . . . . . . . . . . . . . 317 c) Haftungsauslösender Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 3. Action en comblement du passif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 a) Cessation des paiements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 b) Rechtsfolgen materieller Insolvenzreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 c) Haftungsauslösender Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 V. Sanktioniertes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 1. Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 a) Strikte Antragspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 b) Drei-Wochen-Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 2. Wrongful trading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 3. Action en comblement du passif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 a) Faute de gestion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 b) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 c) Faute grave . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 VI. Subjektives Element/Haftungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 2. Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371

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Inhaltsverzeichnis 3. Wrongful Trading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 4. Action en comblement du passif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 VII. Ermessen der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 1. Funktion der Ermessenseinräumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 2. Ermessen im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . 389 3. Ermessen im Rahmen des wrongful trading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 4. Ermessen im Rahmen der action en comblement du passif . . . . . . . . . . . . . . 394 VIII. Rechtsfolgen I: Zivilrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 1. Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 a) § 64 Abs. 1 GmbHG/§ 92 Abs. 2 AktG a.F./§ 15a InsO n.F. als Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 b) Persönlicher Schutzbereich der Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . 400 c) Sachlicher Schutzbereich der Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . 401 aa) Ersatz des Quotenschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 (1) Der Ansatz: Schadensersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 (2) Effektive Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 bb) Ersatz des Kontrahierungsschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 (1) Historische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 (2) Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 (3) Teleologie der Insolvenzantragspflicht (§ 64 Abs. 1 GmbHG a.F./ § 15a Abs. 1 InsO n.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 (4) Rechtsökonomische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 (a) Tertiäre Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 (b) Risikoverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 (c) Windfall Profits zu Gunsten der Altgläubiger . . . . . . . . . . . . . 424 cc) Ersatz des negativen Interesses der Deliktsgläubiger . . . . . . . . . . . . . 426 (1) Die rechtswissenschaftliche Kontroverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 (2) Rechtsökonomische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 dd) Individualklagebefugnis der Neugläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 (1) Insolvenz als Common Pool-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 (2) Common Pool-Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 (3) Common Pool und par conditio creditorum . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 (4) Common Pool und isolierte Verfolgbarkeit des Neugläubigerschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 (a) Geschäftsführervermögen als Common-Pool . . . . . . . . . . . . . 439 (b) Praktische Probleme einer Klagebefugnis des Verwalters . . . . 443 2. Wrongful Trading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 a) Ermessensabhängige Haftung der Direktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 b) Begünstigte Gläubigergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 c) Anspruchsinhaberschaft und Common-Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454

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d) Tertiäre Kosten des wrongful trading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 3. Action en comblement du passif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 a) Unmittelbare Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 aa) Ermessensabhängige Haftung der Direktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 bb) Kriterien der Ermessensausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 cc) Begünstigte Gläubigergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 dd) Antragsbefugnis und Common-Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 b) Mittelbare Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 aa) Redressement/Liquidation judicaire à titre personnel . . . . . . . . . . . . . 468 bb) Procédure d’extension/primäre Anschlussinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . 470 cc) Action en obligation aux dettes sociales/ action en comblement de passif aggravée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 IX. Rechtsfolgen II: Strafbarkeit und Berufsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 1. Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 a) Anreizwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 b) Prozessuale Aspekte: Tertiäre Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 c) Vermögenswirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 d) Rückwirkungen auf den Markt für Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 2. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 a) Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 b) Berufsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 3. England: Disqualification . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 4. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 a) Strafbarkeit (sanctions pénales): Banqueroute (Art. L. 654 – 1 C. Com.) . 490 b) Berufsverbote (sanctions professionnelles) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 aa) Insolvenzächtung (Faillite personnelle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 bb) Interdiction de gérer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 5. Berufsverbote und Wettbewerb der Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 X. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 2. Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 3. Wrongful Trading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 4. Action en comblement du passif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 XI. Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 1. Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 a) Satzungsmäßig bestellter Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 b) Faktischer Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 aa) Unwirksam bestellte Geschäftsleitungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 bb) Geschäftsleitung ohne Bestellungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

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Inhaltsverzeichnis cc) Einzelfragen faktischer Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 (1) Außenhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 (2) Eigenhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 (3) Vollständige Übernahme aller Bereiche („faktische Mitgeschäftsführung“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 (4) Zeitmoment der Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 (5) Duldung bzw. Kenntnis der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 (6) Juristische Personen als faktische Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . 536 dd) Fallgruppen faktischer Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 (1) Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 (2) Aufsichtsräte und Beiräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 (3) Banken und Finanzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 (4) Professionelle Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 (5) Konzernsachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 3. Wrongful Trading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 a) Directors als Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 b) De iure directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 c) De facto und shadow directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 aa) De facto directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 bb) Shadow directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 cc) Verhältnis von de facto und shadow directorship . . . . . . . . . . . . . . . . 563 dd) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 (1) Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 (2) Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 (3) Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 (4) Konzernsachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 3. Action en comblement du passif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 a) Dirigeants als Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 b) Dirigeants de droit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 c) Dirigeants de fait . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 aa) Positives Tun (activité positive) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 bb) Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 cc) Souveräne und unabhängige Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 dd) Fallgruppen der gérance de fait . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 (1) Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 (2) Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 (3) Aufsichtsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 (4) Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 (5) Konzerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590

Inhaltsverzeichnis

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§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung . . . . . . . 594 I. Informationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 II. Zum Problem der unfreiwilligen Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 1. Pro-Rata-Haftung für Deliktsforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 2. Versicherungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 3. Insolvenzrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 III. Zum Problem der Masselosigkeit: Insolvenzkostenpflichtversicherung . . . . . . . 607 IV. Solvenzbasierte Ausschüttungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 1. Struktur und Kritik des Solvenztests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 2. Solvenztests und opportunistisches Verhalten in der Krise . . . . . . . . . . . . . . 613 V. Insolvenzverursachungshaftung: Ausweitung des Zahlungsverbots des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./ § 64 S. 1 GmbHG n.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 1. Das Zahlungsverbot des § 64 S. 1 GmbHG n.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 2. Ausweitung des Zahlungsverbotes: Insolvenzverursachungshaftung nach § 64 S. 3 GmbHG n.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 VI. Positive Anreizsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 1. Drohende Zahlungsunfähigkeit, Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 2. Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 3. Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 4. Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 5. Weitere Änderungen durch das ESUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 a) Schutzschirmverfahren gemäß § 270b InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 b) Weitere Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 VII. Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 VIII. Allgemeine Geschäftsleiterhaftung (§§ 43 GmbHG, 93 AktG) . . . . . . . . . . . . . 649 IX. Zivilrechtliche Evidenzhaftung (§ 826 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 1. § 826 BGB als Grundlage einer zivilrechtlichen Evidenzhaftung . . . . . . . . . 656 2. Erfasste Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658 3. Subjektives Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659 4. Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen von § 826 BGB . 661 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 662 § 9 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 747

Abkürzungsverzeichnis A.A. a.a.O. AC AcP ADHGB A.d.V. AEUV AG AG AktG All ER Am. Econ. Rev. Am. Econ. Rev. P & P Anh AT BaFin BAI BayObLG BB BCC BCLC BDI BGB BGH BGHSt BGHZ BilMoG BKR BMJ Bull. crim. Bull. Joly sociétés BWA bzw. CA CA (1985/2006) Cal. Corp. Code CalPERS CalSTRS CAPM Cardozo L. Rev.

Anderer Ansicht am angegebenen Ort Law Reports/Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 Anmerkung des Verfassers Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Die Aktiengesellschaft Amtsgericht Aktiengesetz The All England Law Reports American Economic Review American Economic Review Papers & Proceedings Anhang Allgemeiner Teil Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesverband Alternative Investments e.V. Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebsberater British Company Cases Butterworths Company Law Cases Bundesverband der deutschen Industrie Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesministerium für Justiz Bulletin criminel Bulletin Joly Sociétés Betriebswirtschaftliche Auswertungen beziehungsweise Cour d’appel Companies Act (1985/2006) California Corporations Code California Public Employees’ Retirement System California State Teachers Retirement System Capital Asset Pricing Model Cardozo Law Review

Abkürzungsverzeichnis Cass. com. Cass. crim. C. com. CDDA CFL CfiLR C.i.c. Colum. L. Rev. COMI Comp. Law. Cornell L. Rev. C. p. D. D. DAV DB DCGL Del. J. Corp. Law DGB D. inf. rap. DK DNotZ Dr. sociétés D. somm. DStR Duke L. J. DZWiR EBIT EBITDA EBLR EBOR ECFR ecgi EG EG EHUG EIRL EStG EU EuInsVO EURL EuZW e.V. EWHC EWiR

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Cour de cassation – chambre commerciale Cour de cassation – chambre criminelle Code de commerce Companies Directors Disqualification Act Corporate Finance Law Company Financial and Insolvency Law Review Culpa in contrahendo Columbia Law Review Centre of main interests Company Lawyer Cornell Law Review Ceteris paribus Digesten Recueil Dalloz Deutscher Anwaltsverein Der Betrieb Delaware General Corporation Law Delaware Journal of Corporate Law Deutscher Gewerkschaftsbund Recueil Dalloz informations rapides (Unterabschnitt des Recueil Dalloz) Der Konzern Deutsche Notar-Zeitschrift Droit des Sociétés Dalloz sommaires de jurisprudence (Unterabschnitt des Recueil Dalloz) Deutsches Steuerrecht Duke Law Journal Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Earnings before Interest and Taxes Earnings before Interest, Tax, Depreciation and Amortization European Business Law Review European Business Organization Law Review European Company and Financial Law Review European Corporate Governance Institute Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Entrepreneur individuel à responsabilité limitée Einkommenssteuergesetz Europäische Union EU-Verordnung 1346/2000 über Insolvenzverfahren Entreprise Unipersonnelle à Responsabilité Limitée Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein England and Wales High Court Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

20 EZB FAZ FB FEK FoSiG FS Gaz. Pal. GD GDV GewArch GmbHG GmbHR GoA GPR GVGG Harv. L. Rev. HGB h.M. Hrsg. IAS i.d.S. IDW IDW (FAR) IFLR IFRS IILR Inc. InsO IO IPO IRS JBL J. Bus. & Tech. L. JCP/E JCP/G J. Fin. Econ. J. Legal Stud. JNPÖ J. Pol. Econ. JZ KO KTS KuK

Abkürzungsverzeichnis Europäische Zentralbank Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanz Betrieb Forum Europaeum Konzernrecht Forderungssicherungsgesetz Festschrift La Gazette du Palais Generaldirektion Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Gewerbearchiv Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Geschäftsführung ohne Auftrag Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Gesetz zur Vereinfachung der Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung Harvard Law Review Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber International Accounting Standards in diesem Sinne Institut der Wirtschaftsprüfer Institut der Wirtschaftsprüfer (Fachabteilung Recht) International Financial Law Review International Financial Reporting Standards International Insolvency Law Review Incorporated Insolvenzordnung Insolvenzordnung (Österreich) Initial Public Offering Internal Revenue Service Journal of Business Law Journal of Business & Technology Law La Semaine Juridique – Entreprises et Affaires (Juris-Classeur Périodique) La Semaine Juridique – Édition Générale (Juris-Classeur Périodique) Journal of Financial Economics Journal of Legal Studies Jahrbücher für Neue Politische Ökonomie Journal of Political Economy Juristische Zeitung Konkursordnung Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen – Zeitschrift für alle Fragen des Konkurs-, Vergleichs- und Treuhandswesens sowie der Zwangsversteigerung und -verwaltung Kredit und Kapital

Abkürzungsverzeichnis KWG LBO LG LIBOR LLC LLP LPA Ltd. M & A Review MBI MBO MiKaTraG MittBayNot MLR MoMiG MünchKommAktG MünchKommBGB MünchKommInsO m.w.N. N8 NJW NJW-RR NPV NStZ NWB NYSE NYU Journal of Law & Business NZA NZG NZI NZZ OLG PartGG PartG mbB PDG RabelsZ RefE MoMiG RegE MoMiG Rev. proc. coll.

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Gesetz über das Kreditwesen Leveraged Buy Out Landgericht London Interbank Offered Rate Limited Liability Company Limited Liability Partnership Les petites Affiches Private company limited by shares Mergers & Acquisitions Review Management Buy In Management Buy Out Gesetz zur Bekämpfung von Missbräuchen, zur Neuregelung der Kapitalaufbringung und zur Förderung der Transparenz im GmbH-Recht Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Modern Law Review Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung mit weiteren Nachweisen Numéro Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Net Present Value Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Wirtschafts-Briefe – Steuer und Wirtschaftsrecht New York Stock Exchange New York University Journal of Law & Business Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht Neue Zürcher Zeitung Oberlandesgericht Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz) Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung Président directeur générale Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Revue des procédures collectives civiles et commerciales

22 Rev. sociétés RG RIW RMBCA Rn. RNotZ RTD Com. S. SA S.à.r.l. SEAG SEC SE-VO SZW/RSDA TUG TVG u.a. U. Chi. L. Rev. UMAG Urt. U. Toronto L. J. u.U. v. VAG Vand. L. Rev. VersR vgl. VGR Vor VorStAG VW WiSt WLR WM WPg Yale J. on Reg. Yale L. J. ZBB ZCG ZfB

Abkürzungsverzeichnis Revue des sociétés Reichsgericht Recht der internationalen Wirtschaft Revised Model Business Corporations Act Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Revue trimestrielle de droit commercial et de droit économique Seite Société anonyme Société à responsabilité limitée Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) U.S. Securities and Exchange Commission Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht/Revue suisse de droit des affairs et du marche financier Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Tarifvertragsgesetz unter anderem The University of Chicago Law Review Gesetz zur Unternehmensintegrität und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts Urteil University of Toronto Law Journal unter Umständen von/vom/versus Gesetz über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen Vanderbilt Law Review Versicherungsrecht – Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht vergleiche Wissenschaftliche Vereinigung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht e. V. Voraussetzungen Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Die Versicherungswirtschaft Wirtschaftswissenschaftliches Studium Weekly Law Reports Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Die Wirtschaftsprüfung Yale Journal on Regulation Yale Law Journal Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Corporate Governance Zeitschrift für Betriebswirtschaft

Abkürzungsverzeichnis ZGR ZgS ZHR ZinsO ZIP ZPO ZRP ZVglRWiss

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Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

§ 1 Einleitung Seit der Antike ist die Tatsache der Insolvenz bzw. des Konkurses negativ konnotiert und verbunden mit einem Unwerturteil über den Schuldner. So traf den römischen Gemeinschuldner die drakonische Strafe der Infamie als Folge eines Konkursverfahrens1. Auch die Genese der modernen Verkehrswirtschaft in den oberitalienischen Städten im Zeitalter der Renaissance, Keimzelle der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, änderte hieran nichts. Der persönliche Bankrott stellte ein Verbrechen dar, was Balzac zu der berühmten Feststellung „Tuer la fortune d’un homme, c’est quelques fois pis que le tuer lui-même“2 bewog. Selbst in den Vereinigten Staaten hielt sich bis in das 18. Jahrhundert hinein die dem Mittelalter entstammende und sicherlich nicht zuletzt durch die calvinistische Prädestinationslehre unterstützte Vorstellung, dass Überschuldung Sünde sei3. Während Unternehmergeist eingefordert und bei Gelingen honoriert wird, begründet das unternehmerische Scheitern den „Makel des Konkurses“4. Der wirtschaftliche Zusammenbruch wird nach diesem Verständnis der persönlichen Verantwortung des Schuldners zugerechnet, was sich insbesondere in Kriminal- und Ehrenstrafen wie dem Verlust der staatsbürgerlichen Rechte zeigt5. Erst im vergangenen Jahrhundert wandelte sich dieses moralisch verbrämte Insolvenzbild zumindest in Nuancen. Ereignisse wie die dem schwarzen Freitag nachfolgende Weltwirtschaftskrise und die Ölkrisen der 70er Jahre, die jeweils mit einem sprunghaften Anstieg der Insolvenzen einhergingen6, verdeutlichten, dass das Scheitern einer Unternehmung zwar immer primär vom Unternehmensträger zu verantworten ist7, exogene Faktoren das Umfeld aber so komplex gestalten können, dass der Anteil unternehmerischen Missmanagements im Einzelfall durchaus in den Hintergrund zu rücken vermag8.

1 Vgl. Paulus, ZGR 2005, 309 (312); zur Ehrlosigkeit/Infamie Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 13 Rn. 13. 2 Balzac, Sarrasine, S. 9. 3 Vgl. Kübler, ZHR 168 (2004), 216 (216). 4 Vgl. Paulus, ZGR 2005, 309 (309 ff.). 5 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 63; Kübler, ZHR 168 (2004), 216 (216 ff.); Chaput, Droit du redressement, S. 383. 6 Vgl. R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 11; Kübler, ZHR 168 (2004), 216 (218). 7 Vgl. Haas, WM 2006, 1417 (1417). 8 Tabellarischer Überblick über Sterbeursachen von Unternehmen bei Sabel/Weiser, ZfB 1994, 297 (300); vgl. auch Schmiedel, ZfB 54 (1984), 761 (764).

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§ 1 Einleitung

Dennoch ist der Makel des Konkurses nach wie vor eine virulente Größe9. Diese allgemeine Missbilligung der Insolvenz bedarf jedoch Korrekturen. Zunächst besteht der Konnex, den die moralisierende Betrachtungsweise zwischen Insolvenz und Zahlungsmoral herzustellen versucht, zumindest nach der deutschen lex lata nicht. Zahlungsmoral als Vorwurf beinhaltet die Möglichkeit des Schuldners, überhaupt zahlen zu können. Insolvenz liegt hingegen nur dann vor, wenn keine Möglichkeit mehr existiert, Zahlungen zu tätigen; reine Zahlungsunwilligkeit begründet hingegen gerade keine Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne. Das Bild der Insolvenz als eines zu missbilligenden Zustands widerspricht darüber hinaus dem Paradigma einer Wettbewerbsordnung, das in allen westlichen Industriestaaten mehr oder weniger stark stilprägend ist. Konkurrenz als Motor von Innovationen einerseits und Generator von Wohlfahrtseffekten für die Gesellschaft andererseits setzt per definitionem Antagonismus zwischen den Marktteilnehmern voraus. Nach der Logik des Marktprozesses setzen sich die effizienten Unternehmen durch, während ineffiziente Unternehmungen vom Markt verdrängt werden. Der Wettbewerb, stimuliert durch das Gewinnstreben der Akteure, sichert damit die Umsetzung des Grundpostulats jeder Wirtschaftordnung, des Wirtschaftlichkeitsprinzips. Hiernach kommt es der Wirtschaft als Aufgabe zu, theoretisch unendliche Bedürfnisse mit knappen Ressourcen zu befriedigen10. Der Insolvenz als dem tatsächlichen Zusammenbruch des Unternehmens kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Signifikantes Kennzeichen der insolventen Unternehmung ist, das sie nicht fähig ist, die Minimalbedingung des Wirtschaftlichkeitsprinzips, den Nullgewinn, zu verwirklichen11. Gleichzeitig bindet sie für die Dauer ihres Bestehens Produktionsfaktoren – klassisch Arbeit, Kapital und Boden – und somit knappe Güter. Aufgrund der axiomatischen Annahme prinzipiell unbegrenzter Bedürfnisse besteht ein in Nachfrage nach Endprodukten ausgedrücktes Interesse an der wirtschaftlichen Verwendung dieser suboptimal eingesetzten Produktionsfaktoren. Die Insolvenz entzieht dem erfolglosen Unternehmen die Verfügungsgewalt über diese Mittel und stellt sie dem Markt wieder zur Verfügung, damit sie in einer neuen Faktorkombination in einer dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügenden Weise verwendet werden können12. Verlässt man dieses modelltheoretische Utopia, ist selbstverständlich jede Insolvenz mit zahlreichen Kalamitäten für die betroffenen Personengruppen verbunden. Arbeitnehmer verlieren ihren Arbeitsplatz und sind aufgrund der mannigfalti9 Vgl. Paulus, ZGR 2005, 309 (310); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 69. Vgl. auch Jaffé, ZGR 2010, 248 (250) vor dem Hintergrund der durch die Finanzkrise induzierten Umsatzeinbrüche zahlreicher Unternehmen. 10 Vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 1. 11 Ähnlich Schwieters, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 1: Ausdruck eines Scheiterns im Marktprozess, eines für das betroffene Unternehmen ausschlaggebenden Mangels an Wettbewerbsfähigkeit. Vgl. auch Baird/Jackson, U. Chi. L. Rev. 51 (1984), 97 (101 ff.). 12 Vgl. Kübler, ZHR 168 (2004), 216 (222); Paulus, RIW 2013, 577 (577 f.); Baird/Jackson, U. Chi. L. Rev. 51 (1984), 97 (101 ff.); Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (415); Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 74 beschreibt diesen Effekt der Insolvenz als nur reflexartig.

§ 1 Einleitung

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gen tatsächlichen und rechtlichen Friktionen nicht in der Lage, zeitnah eine neue Beschäftigung oder zumindest keine zu vergleichbar günstigen Konditionen zu finden. Gläubiger der Gesellschaft fallen mit einem Großteil ihrer Forderungen aus13. Selbst die öffentliche Hand bleibt vom Schicksal der Unternehmung nicht verschont, da zumindest die Erträge aus Substanzsteuern entfallen14. Trotz dieser für die betroffenen Individuen schwerwiegenden Folgen ist die Insolvenz konstitutives Merkmal einer dynamischen Wettbewerbsordnung. Alternative wäre eine statische Wirtschaft, deren Marktstruktur der eines Kartells entspräche, das den Zusammenbruch jedes einzelnen Mitglieds verhindert, indem es die Konsumentenrente an die Produzenten umleitet und ineffiziente Allokationsentscheidungen generiert. Nicht umsonst hob Fritz Berg in seiner Geschichte gewordenen Auseinandersetzung mit Ludwig Erhard hervor, dass Kartelle Kinder der Krise seien15. Wenn somit der Zusammenbruch von Unternehmen ein notwendiges Übel darstellt16, ist dieser Befund doch nicht gleichbedeutend damit, dass Marktakteure und Staat fatalistisch deren Folgen zu ertragen gezwungen wären. Vielmehr eint die Betroffenen das Bestreben, vermeidbare Zusammenbrüche frühzeitig zu verhindern oder aber die negativen Folgen einer notwendigen Insolvenz im Interesse der Allgemeinheit zu minimieren. Marktakteure und Gesetzgeber sind aufgerufen, einerseits Rettungschancen implementierbar zu machen und andererseits den endgültigen Zusammenbruch eines Unternehmens in effizienter Weise auszugestalten17. Mit besonderer Vehemenz stellt sich diese Aufgabe im Bereich des Kapitalgesellschaftsrechts, wo das sogenannte Privileg der beschränkten Haftung als „Eckpfeiler des Gesellschaftsrechts“ steht18. Im Falle des Zusammenbruchs einer beschränkt haftenden Gesellschaft haftet allein das Gesellschaftsvermögen, so dass die Gläubiger regelmäßig nicht die Gesamtheit der ihnen nominell zustehenden Forderungen durchzusetzen vermögen. Gerade in der Insolvenz verwirklicht sich die beschränkte Haftung. Diese theoretische Möglichkeit einer erhöhten Ausfallwahrscheinlichkeit wird empirisch gestützt durch die rechtsformspezifischen Insolvenzstatistiken. Speziell für die GmbH ist seit den Ölkrisen eine als dramatisch empfundene sprunghafte Zunahme der absoluten Zahl der Unternehmenszusammenbrüche zu konstatieren19. Zwar ist die absolute Zahl der Insolvenzen für sich 13

Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 76. Betonung der mittelbaren Insolvenzfolgen auch bei Lutter/Hommelhoff/Timm, BB 1980, 737 (737). 15 Vgl. zu dieser Debatte „Der Siebenjährige Krieg“, Spiegel v. 3. 7. 1957; vgl. auch Erhard, Prosperity through Competition, S. 134 ff. mit dem Fazit: „Cartels always have to be paid for by a lower standard of living“. 16 Pointiert Seibert, FS Röhricht, 585 (588 f.): „Insolvenzen durch Gesetz verhindern zu wollen, ist genauso realitätsfern, wie es weltfremd ist, zu glauben, man könne Umsatzwachstum und Gewinn durch Gesetz erzwingen“. 17 Ähnlich Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 68 f.; Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (415). 18 Vgl. Vagts, ZGR 1994, 227 (227); vgl. auch Flume, AT 1/2, § 3, III, 1 S. 79 f. 19 Vgl. etwa Kübler, ZGR 1995, 481 (484). 14

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genommen kein aussagekräftiger Indikator besonderer rechtsformspezifischer Insolvenzanfälligkeit, ist doch die GmbH (bzw. die GmbH & Co. KG) mit knapp über einer Million Gesellschaften die verbreiteteste deutsche Rechtsform20. Was die GmbH zum „Problemkind“ des Gesellschaftsrechts macht, ist der zusätzliche Befund einer überdurchschnittlich hohen relativen Insolvenzhäufigkeit, die die anderer Rechtsformen im Schnitt um das drei- bis fünffache übersteigt21. Verschärft wird diese Beobachtung durch den hohen Anteil masseloser Insolvenzen22. Wenn auch Masselosigkeit keinesfalls gleichgesetzt werden kann mit der Verwirtschaftung des gesamten Gesellschaftsvermögens, sondern in erster Linie Folge der Üblichkeit dinglicher Sicherungsrechte ist23, führt sie dennoch zu dem unerwünschten Ergebnis der Verfahrensablehnung. Das staatliche Regelverfahren, das die negativen Folgen einer Insolvenz abschwächen soll, kann nicht greifen24. Während bei der GmbH diese hohen relativen und absoluten Insolvenzzahlen Besorgnis erregen, sind es bei ihrer großen Schwester – historisch eigentlich die Mutter –, der Aktiengesellschaft, die im Einzelfall spektakulären Umstände des Zusammenbruchs häufig börsennotierter und der allgemeinen Öffentlichkeit bekannter Unternehmungen, die darüber hinaus regelmäßig eine Vielzahl weiterer Unternehmen mit in den Untergang reißen. Rechtspolitische Bedeutung kommt beiden Phänomenen, der „katastrophalen Insolvenzstatistik“ der GmbH25 und den nachrichtentauglichen Umständen des Zusammenbruchs großer Aktiengesellschaften dadurch zu, dass sie die Vermutung nähren, dass nicht allein allgemeine Marktkräfte oder ein ungünstiges ordnungspolitisches Umfeld ursächlich für den Untergang dieser Unternehmen sind, sondern rechtsformspezifische Aspekte diese Zahlen mitbestimmen. In Reaktion hierauf haben deshalb Gesetzgeber, Rechtsprechung und Rechtswissenschaft immer wieder die Frage kontrovers diskutiert, ob und wenn ja, in welchem Umfang Gesellschafter und/oder Geschäftsleitung trotz des Privilegs der beschränkten Haftung für nicht beglichene Verbindlichkeiten „ihrer“ Gesellschaften einzustehen haben. Nähert man sich diesem Problem von Seiten des Kapitalgesellschaftsrechts, gilt es, die Besonderheiten beschränkt haftender Kapitalgesellschaften aufzudecken, die ursächlich sind für die hohen Insolvenzzahlen einerseits und die als dramatisch empfundenen konkreten Erscheinungsformen derselben andererseits. Die oberflächliche Betrachtung des forensischen Befundes, 20

Kornblum, GmbHR 2013, 693 (693): 1.098.222 zum Stand 1. 1. 2013. Vgl. Fastrich, DStR 2006, Ulmer, in: Hachenburg, Anh § 30 Rn. 8; Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 6; Goette, KTS 2006, 217 (218); Roth, ZGR 1993, 170 (170 f.); Driesen, GmbHR 2005, R 229 (R229). 22 Vgl. K. Schmidt, ZGR 1998, 633 (638 ff.); Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 68 f.; Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1173). 23 Vgl. Penzlin, NZG 1999, 1203 (1206); vgl. auch schon Fabricius, GmbHR 1970, 137 (140). A.A. offensichtlich K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (648): „Es besteht ein Bedürfnis der Mehrung der Massen durch Haftung, soviel steht fest“. 24 Vgl. Schwieters, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 1 f. 25 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 64 Rn. 4; ders., ZIP 1997, 1173 (1173). 21

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insbesondere der als alarmierend empfundenen Zahlen im Falle der GmbH, legt es nahe, unter zu präzisierenden Voraussetzungen das Haftungsprivileg seinerseits aufzuheben oder einzuschränken. Konsequenterweise müssten damit die Gesellschafter in das Blickfeld einer entsprechenden Korrektur geraten. Tatsächlich haben Gesetzgebung, Rechtsprechung und Wissenschaft diese „Lösungsmöglichkeit“ unter dem Stichwort des Durchgriffs periodisch diskutiert; im Ergebnis jedoch sind vor allem Gesetzgeber und Rechtsprechung hier sehr zurückhaltend geblieben26. Ob die neugeschaffene Figur der Existenzgefährdungshaftung den Ausgangspunkt einer konträren künftigen Entwicklung darstellt, bleibt abzuwarten. Festgehalten werden kann jedoch der Befund, dass die Aktionäre einer Aktiengesellschaft in der Rechtspraxis keine Adressaten korrigierender Maßnahmen sind und auch die Gesellschafter kapitalmarktferner Kapitalgesellschaften nur unter engen Voraussetzungen und ausnahmsweise in die Haftung einrücken. In den Fokus der in letzter Instanz über die Haftung entscheidenden Institutionen Gesetzgebung und Rechtsprechung sind stattdessen Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder geraten27. Eine Vielzahl gesetzlicher und richterrechtlicher Regeln, die sich vom Gesellschafts- über Bilanz-, und Steuer-, bis hinein in das öffentliche Recht und Strafrecht ziehen, legt ihnen zahlreiche Pflichten bei der Führung der Unternehmung auf mit dem Ziel, die aus der Verwendung einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft resultierenden Gefahren zu reduzieren28. Das Haftungsrisiko der Organmitglieder hat sich dabei in den letzten Jahren stetig vergrößert29. Dies überrascht, ruft man sich in Erinnerung, dass Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder nach dem Legaltypus der Kapitalgesellschaft mit den Gesellschaftern nicht identische Fremdorgane sind30. Ihre Stellung ist im faktischen Bereich nicht unähnlich der eines umfassend bevollmächtigten Prokuristen bzw. eines 26

Vgl. Lutter, DB 1994, 129 (129): „Doch die Existenz und die Erörterung dieses Tatbestandes in Büchern und Aufsätzen steht in einem ganz und gar umgekehrten Verhältnis zu seiner realen Bedeutung“. 27 A.A. Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 282, dem zu Folge der „Gläubigerschutz in Deutschland […] im Wesentlichen auf der Inpflichtnahme der Gesellschafter [beruht]“. 28 Vgl. etwa Dreher, ZGR 1992, 22 (22 ff.); Goette, ZGR 2006, 261 (269); Lutter, DB 1994, 129 (135); U. H. Schneider, FS GmbHG, 473 (474); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (504 ff.). 29 Bezeichnend insoweit die Feststellung des Vorsitzenden des II. Senats, Prof. Dr. Alfred Bergmann: „Ich würde niemals Geschäftsführer einer GmbH werden“, zitiert nach: Lojowsky, NZG 2013, 1020. Vgl. auch Kiethe, WM 2007, 722 (722ff); U. H. Schneider, DB 1993, 1909 (1909); Hocker/Bräunig, ZRP 2007, 247; Lohr, NZG 2000, 1204 (1204 ff.); Fleischer, NJW 2009, 2337 (2337). Für die Aktiengesellschaft etwa Schaefer/Missling, NZG 1998, 441 (441). Gleicher Befund aus der Rechtsprechung durch Goette, Stellungnahme RegE MoMiG, S. 11. Ein überproportionaler Anstieg der Belastung der Geschäftsleiter im Vergleich zu der der Gesellschafter ist nach Einschätzung von K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (449 ff.) auch mit dem MoMiG verbunden. Ebenso Römermann, NZI 2008, 641 (642); Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 1; U. H. Schneider, GmbHR 2010, 57 (57 ff.). 30 Vgl. etwa Lutter, ZIP 2007, 841 (841). Vgl. auch die generellen Überlegungen von K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (449 ff.).

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Generalbevollmächtigten, der die Geschicke einer Personengesellschaft trotz des Grundsatzes der Selbstorganschaft in maßgeblicher Weise beeinflusst. Eine spezifisch kapitalgesellschaftsrechtliche Haftungsregel, die allein das Leitungspersonal von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu Adressaten erklärt, muss deshalb Antwort auf spezifische Risiken einer Kapitalgesellschaft sein. Während die Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft primär dem Umstand geschuldet ist, dass die Geschäftsleitung gegen Entgelt Aufgaben Dritter, also als Treuhänder fremde Vermögensinteressen wahrnimmt, gilt für eine Haftungsregel, die Außenstehende schützen soll, dass sie mögliche Gefahren des Haftungsprivilegs zu eliminieren in der Lage sein muss. Augenmerk verdient dabei insbesondere die Phase der Krise, die sich grob umschreiben lässt als ein existenzbedrohender Zustand im Leben der Unternehmung. Während die beschränkte Haftung in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität der Gesellschaft unerheblich ist, wird sie in Krisenzeiten zu einem elementaren Problem. Ab dem Zeitpunkt, in dem das Eigenkapital der Gesellschaft verwirtschaftet ist, sind etwaig anfallende Verluste anders als bei einer Personengesellschaft nicht von den Gesellschaftern, sondern den Gläubigern zu tragen. Das liegt für sich genommen noch in der Logik der Haftungsbeschränkung, die den Gesellschafter trotz vorhandenen Privatvermögens von der Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten freistellt. Es verbleibt jedoch nicht bei dieser intendierten oder doch zumindest in Kauf genommenen Wirkung. Vielmehr verteilt die krisenhafte Zuspitzung der finanzwirtschaftlichen Lage einer Kapitalgesellschaft Chancen und Risiken unternehmerischer Betätigung zwischen Eigenkapitalgebern und Gesellschaftsgläubigern neu. Ist die Unternehmung in einer Weise abgewirtschaftet, dass die Gesellschafter auch bei ihrem endgültigen Scheitern keine weiteren relevanten Vermögensverluste mehr zu gewärtigen haben, verbindet sich die Fortführung der Gesellschaft für sie nur noch mit Chancen, nicht aber mit Risiken. Verspricht unter diesen Voraussetzungen eine unternehmerisch vertretbare Strategie keinen oder doch keinen hinreichenden Ertrag mehr, kann es im Interesse der Gesellschafter liegen, ein spekulatives Investitionsprojekt durchzuführen, d. h. ein solches, bei dem die Scheiternswahrscheinlichkeit deutlich über der des Reüssierens liegt. Die objektive Aussichtslosigkeit eines solchen Unterfangens kann in einem Regime beschränkter Haftung ignoriert werden, weil etwaige Verluste nicht auf das Privatvermögen der Gesellschafter durchschlagen. Der zunächst einmal nur seiner Gesellschaft gegenüber verantwortliche Geschäftsleiter sollte dieses Projekt wahrnehmen. Dieser potentiellen Gefährdungslage der Gläubiger durch unverantwortliches Handeln der Geschäftsleitung versucht im deutschen Recht insbesondere die Insolvenzverschleppungshaftung nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a Abs. 1 InsO n.F. i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB zu begegnen. Hiernach hat ein Geschäftsleiter den Gläubigern die Schäden zu ersetzen, die durch die Fortführung der Gesellschaft unter Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht entstanden sind. Gleichzeitig gerät man durch Etablierung einer derartigen Haftungsanordnung auch in ein Dilemma. Eigentlich verwirklicht sich in der Insolvenz die Haftungs-

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beschränkung auf den Verband31. Den Interessen von Gesellschaftern und Geschäftsleitern, die im Einzelfall oder generell möglicherweise mit gutem Recht auf die Einhaltung des Trennungsprinzips pochen, stehen damit diejenigen Gläubiger gegenüber, die darauf verweisen, dass mit von ihnen gewährten Fremdkapitalien und Vorleistungen nicht nach Belieben verfahren werden dürfe. Dieser Konflikt bildet das zentrale Problem der Auseinandersetzung um den angemessenen Gläubigerschutz32. Bei der Bestimmung von Art und Umfang einer Geschäftsleiterhaftung sind deshalb Legitimation und Grenzen zu ermitteln33. Als allgemeines Postulat lässt sich formulieren, dass die widerstreitenden Interessen von Gesellschaftern und Geschäftsleitung einerseits und Gesellschaftsgläubigern andererseits in einer der Gesamtwohlfahrt am besten genügenden Art und Weise zum Ausgleich zu bringen sind34. Vom Status Quo der durch die Rechtsprechung konkretisierten lex lata ausgehend bedeutet dies, dass nicht jede Ausdehnung der Geschäftsleiterhaftung gesamtgesellschaftlich vorteilhaft ist, vielmehr kann auch eine Begrenzung geboten sein. Ziel ist nicht zwingend ein Mehr an Haftung, „wohl aber […] mehr Plausibilität in ihrer Begründung und mehr Effizienz in ihrer Verwirklichung“35. Dies gilt umso mehr, als für das deutsche Gesellschaftsrecht, insbesondere das der GmbH, konstatiert wird, dass es zu „überschießender Bevorzugung der Gläubiger“ tendiert36 und Gläubigerschutz ein „sehr allgemeines rechtspolitisches Anliegen [ist], das auf der Klägerseite stets Freunde findet“37. Eine empirische Stütze gewinnen diese mahnenden Stimmen insbesondere durch die Aufsehen erregenden, allerdings auch hochkontrovers diskutierten Arbeiten von LaPorta, Lopez-de-Silanes, Shleifer und Vishny, die zu dem Ergebnis gelangen, dass das faktisch höchste Gläubigerschutzniveau nicht etwa in den zivilistischen Staaten wie Deutschland besteht, die über ein Vielzahl geschriebener und ungeschriebener Gläubigerschutzinstrumente verfügen, sondern in den common-law-Jurisdiktionen des angelsächsischen Rechtsraums, die gesetzlichem Gläubigerschutz weit weniger explizite Aufmerksamkeit widmen38. Es bedarf also eines Kriteriums, will man die mit der Haftungsbeschränkung verbundene Verteilung der Risiken durch Haftungsvorschriften in effektiver Weise teilweise revidieren. Hierfür stehen zunächst die klassischen juristischen Instrumente der „Begriffsjurisprudenz“ (Georg Friedrich Puchta)39 bzw. Positivismus (Laband, Windscheid), der Interessenjurisprudenz (Philipp Heck) und der Wertungsjurisprudenz (Karl Larenz) zur Verfügung. Eine Alternative zu dieser klassi31

Vgl. Roth, ZGR 1993, 170 (174); Vetter, ZGR 2005, 788 (790). Vgl. etwa Fastrich, DStR 2005, 656 (658). 33 Vgl. Bork, ZGR 1995, 505 (506); Spindler, JZ 2006, 839 (840). 34 Vgl. Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 9 f. 35 Roth, ZGR 1993, 170 (174 f.). 36 Merkt, ZGR 2004, 305 (312). Vgl. auch K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1073). 37 Schanze, AG 1991, 421 (421); vgl. aus dem Ausland etwa Miola, ECFR 2005, 413 (419). 38 LaPorta/Lopez-de-Silanes/Shleifer/Vishny, J. Fin. 52 (1997), 1131 (1131 ff.). 39 Der von Rudolph von Jhering geprägte Begriff ist eigentlich abwertender Kampfbegriff Hecks. Ziel der Kritik sind insbesondere die Pandektisten. 32

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schen Herangehensweise stellt die ökonomische Analyse des Rechts dar, die ausgehend von der Hypothese, dass sich Menschen entsprechend ihren Neigungen (Präferenzen) entscheiden, versucht, die Wirkungsweise von Rechtsnormen auf das Verhalten der Akteure zu bestimmen. Gleichzeitig verfügt sie mit dem – zugegebenermaßen äußerst umstrittenen – Kriterium der Effizienz über ein eigenständiges Optimalitätskriterium, das insbesondere bei widerstreitenden Interessen eine Lösung zu generieren vermag40. Die Verwendung der ökonomischen Analyse kann im vorliegenden Kontext auch Plausibilität für sich beanspruchen. Zunächst gilt es als weitgehend gesicherter Befund, dass im Wirtschaftsverkehr die der ökonomischen Analyse des Rechts zugrunde liegenden Annahmen der Rationalität und Erwartungsnutzenmaximierung Praxisnähe im Popperschen Sinne besitzen und auch die Zahl entscheidungserheblicher Variablen überschaubar bleibt, was einen Rückschluss von der Theorie auf die Realität überhaupt erst erlaubt. Hinzu kommt, dass das Institut der beschränkten Haftung zur Erreichung bestimmter wirtschaftspolitischer Ziele implementiert wurde und gerade die Rechtsökonomik anders als die klassische Gesellschaftsrechtswissenschaft sich in den letzten drei Jahrzehnten mit den wirtschaftlichen Vor- und Nachteilen dieser Institution intensiv auseinandergesetzt hat. Diese Herangehensweise ist nicht als Einforderung axiomatischer Überlegenheit des ökonomischen Grundansatzes zu verstehen. Auf die unter dem Stichwort des Imperialismus geführte Debatte um Zulässigkeit, Sinnhaftigkeit oder Überlegenheit der ökonomischen Analyse des Rechts ist deshalb an dieser Stelle nur zu verweisen41. Die Verwendung der Rechtsökonomik im Rahmen der vorliegenden Arbeit versteht sich als Beitrag, Aspekte der Kapitalgesellschaft in der Krise unter

40 Vgl. etwa Eidenmüller, JZ 2007, 487 (491). Für eine Orientierung an Fairness- und politischen anstelle des Effizienz-Kriteriums aus jüngerer Zeit etwa Denozza, in: Eidenmüller/ Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 413 (413 ff.) unter Hinweis auf das Fehlen einer allgemein als verbindlich akzeptierten Wohlfahrtsfunktion, deren Maximierung die Aufgabe effizienten Gläubigerschutzes wäre. 41 „Stein des Anstoßes“ ist insbesondere Richard A. Posners umfassendes Werk Economic Analysis of Law, daneben die Arbeiten Gary S. Beckers; zu Posner aus jüngerer Zeit: Mestmäcker, A Legal Theory without Law. Zu Posners Tätigkeit als Richter des Seventh Circuit vgl. den Sonderband der U. Chi. L. Rev. 74 (2007), 1641 (1641 ff.) mit Beiträgen von Baird, Case, Cox, Epstein, Gersen, Henderson, Landes, Levmore, McAdams, Miles, Nussbaum, Picker, Stone, Strahilevitz, Sunstein und Sykes. Einen guten Überblick über Beckers umfassenden Ansatz bietet Becker, The Economic Approach to Human Behavior. Die Extrempositionen in der deutschen Kontroverse sind besetzt durch Adams, Jura 1984, 337 (337 ff.) einerseits, der die Rechtsökonomik als neues Paradigma im Sinn Kuhns versteht, und andererseits Fezer, JZ 1986, 817 (821 ff.), Antwort auf Fezer von Ott/Schäfer, JZ 1988, 213 (213 ff.), Replik von Fezer, JZ 1988, 223 (223 ff.); aus jüngerer Zeit zum Ansatz der behavioral law and economics Eidenmüller, JZ 2005, 216 (216 ff.), sehr kritisch demgegenüber Rittner, JZ 2005, 668 (668 ff.), „Schlusswort“ von Eidenmüller, JZ 2005, 670 (670 f.); vermittelnd Kirchgässner, JZ 1991, 104 (104 ff.); Baumann, DNotZ 2007, 297 (297 ff.); bestandsaufnehmend für den Bereich des Privatrechts Horn, AcP 176 (1976), 307 (307 ff.); zu methodischen Aspekten Laudeur, RabelsZ 64 (2000), 60 (60 ff.); speziell für den Bereich des Kapitalgesellschaftsrechts Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1041 ff.).

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rechtsökonomischen Auspizien zu untersuchen42. Selbst das umstrittene Kriterium der Effizienz verliert an rechtspolitischer Schärfe, wenn man es als Information an Gesetzgeber und Rechtsprechung begreift, welche Wirkungen mit der Wahl alternativer Rechtsregeln verbunden sein könnten43. Begründungsbedürftig erscheint zuletzt, weshalb nicht allein die Rechtsökonomik der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung untersucht wird, sondern der Blick auf das englische wrongful trading und die französische action en comblement du passif bzw. action en responsabilité pour l’insuffisance d’actif44 ausgeweitet wird. Zwar gilt generell, dass Rechtsvergleichung keinen rein deskriptiven Charakter besitzt. Sie erlaubt unter Berücksichtigung der Pfadabhängigkeit allen Rechts bei gleicher rechtspolitischer Zielsetzung in den untersuchten Staaten eine Einschätzung der Effektivität der nationalen Regel und signalisiert etwaigen Verbesserungsbedarf. Diese positiven Wirkungen könnten allerdings auch in einer ausschließlich rechtsvergleichenden Untersuchung erzielt werden, welche ihrerseits den Vorteil bietet, dass sie detaillierter auf die nationalen Eigenheiten einzugehen vermag45. In jüngerer Zeit sind jedoch die spezifischen Vorteile einer Verbindung von Rechtsökonomik und Rechtsvergleichung herausgearbeitet worden. Beiden gemeinsam ist, dass sie funktional und nicht strikt dogmatisch ausgerichtet sind46. Rechtsökonomik lässt sich zunächst als theoretische Erarbeitung allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Problemlagen verstehen, auf die die jeweiligen nationalen Normen eine Antwort vorsehen. Die Rechtsvergleichung ihrerseits ermöglicht es, eine ansonsten nur theoretisch denkbare Alternative auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen, sofern sie in einem Land umgesetzt worden ist. Die Rechtsökonomik stellt somit das tertium comparationis dar47. Dass gerade und nur das englische wrongful trading (sec. 214 IA 1986) und die französische action en comblement du passif 42

Ähnlich Horn, AcP 176 (1976), 307 (311). Vgl. auch Kirchgässner, JZ 1991, 104 (111), der von einem „Angebot an die Rechtswissenschaft“ spricht; versöhnlicher Ansatz auch bei Towfigh/Petersen, in: Towfigh/Petersen, Ökonomische Methoden im Recht, S. 4. 44 Durch Gesetz vom 26. Juli 2005 eingeführte offizielle Bezeichnung der action en comblement du passif. Vgl. Lienhard, D. 2006, S. 301; Le Corre, D. 2005, S. 2297; Mascala, RTD Com. 2006, 209 (210); Zattara-Gros, LPA n8 57 (2007), S. 33. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Klage weiter als action en comblement firmieren wird. Vgl. Souweine, D. 2006, S. 501. 45 Für die Krisenhaftung in Deutschland, England und Frankreich bereits Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft. Für Insolvenzverschleppungshaftung und wrongful trading zuletzt Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht und umfassend Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, für Frankreich Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz. 46 Vgl. Fleischer, FS Wiedemann, 827 (847 f.); gleichsinnig Lombardo, ECFR 2011, 47 (60 ff.); zum Spannungsverhältnis zwischen Funktionalität und übertriebener, weil zum Selbstzweck verkommender Dogmatik Kötz, RabelsZ 54 (1990), 203 (203 ff.). 47 Vgl. Fleischer, FS Wiedemann, 827 (847 f.). Demgegenüber dezidiert gegen den funktionalen Ansatz und für ein dogmatikgetriebenes „europäisches Rechtsgespräch“ („European legal discourse“) Bachner, Creditor Protection in Praivate Companies, S. 20 ff. 43

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(Art. L. 651-2 Code de Commerce n.F.) als Benchmark für die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung herangezogen werden, rechtfertigt sich aus einer Reihe von Überlegungen48. Erstes Momentum ist die in Folge der Zusammenbrüche von Enron und MCI WorldCom49, in Europa stehen hierfür die Namen Ahold und Parmalat, wiederbelebte Aktivität des europäischen Gesetzgebers auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts50. Während die Vereinigten Staaten hierauf primär mit der zeitnah erfolgenden Verabschiedung des Public Company Accounting Reform and Investor Protection Act 2002, besser bekannt als Sarbanes-Oxley-Act reagierten51, entschied sich die Kommission zunächst für eine Bestandsaufnahme, um von dieser Anamnese ausgehend ein Maßnahmenbündel für den Bereich der Corporate Governance zu entwickeln. Unter Rückgriff auf die von der Hochrangigen Expertengruppe auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts unter Leitung von Jaap Winters52 geleisteten Vorarbeiten hat die Europäische Kommission am 25. Mai 2003 den „Aktionsplan Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Verbesserung der Corporate Governance“ angenommen53. Für den speziellen Fragekomplex der Verantwortlichkeit der 48

Gleiche Anamnese bei Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 4 ff. 49 Versuch einer Ursachenanalyse bei Coffee, Cornell L. Rev. 89 (2004), 269 (269 ff.). 50 Allgemein zu europäischen Initiativen zur Verbesserung der Corporate Governance Baums, AG 2007, 57 (57 ff.); Bayer/Schmidt, BB 2008, 454 (454 ff.); Hopt, ZGR 2000, 779 (779 ff.); Lehne, DK 2003, 272 (272 ff.). 51 Vgl. hierzu etwa Cunningham, Colum. L. Rev. 106 (2006), 1698 (1698 ff.); Talley, Colum. L. Rev. 106 (2006), 1641 (1641 ff.); Kersting, ZIP 2003, 233 (233 ff.); Gruson/Kubicek, AG 2003, 337 (337 ff.); Block, BKR 2003, 774 (744 ff.); Möllers, ECFR 2007, 173 (173 ff.); Strauch, NZG 2003, 952 (952 ff.); sehr zurückhaltende Einschätzung von Kosten und Nutzen durch die SEC, vgl. hierzu Aktins, in: Cromme (Hrsg.): Corporate Governance Report 2008, 167 (168 ff.); kritische Würdigung der strafrechtlichen Konsequenzen Note, Harv. L. Rev. 122 (2009), 1728 (1728 ff.), wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Vorschlag, den actual loss zur Strafbemessung heranzuziehen, bereits jetzt Gesetzeslage ist. 52 Vgl. zur Expertengruppe Wiesner, BB 2003, 213 (213 ff.). Die Expertengruppe ihrerseits konnte auf die Auswertung von an die betroffenen Kreise gerichteten Fragebögen sowie auf die Vorarbeiten des Forum Europaeum Konzernrecht zurückgreifen, auch wenn Letztere sich naturgemäß auf den Bereich des Konzernrechts beschränkten. Vgl. hierzu Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (295 f.); Hopt, EuZW 1999, 577; ders., ZHR 171 (2007), 199 (203 f.) sowie die Stellungnahme der German Experts on Corporate Law (Bayer, Fleischer, Hoffmann-Becking, Lutter, Noack, Röhricht, Schmidt, Ulmer, Wiedemann, Winter und Zöllner), ZIP 2002, 1310 (1310 ff.). 53 EG-Kommission, Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, NZG 2003/Sonderbeilage zu NZG Heft 13/2003. Vgl. DAV-Handelsrechtsausschuss, ZIP 2003, 1909 (1909 ff.); van Hulle/ Maul, ZGR 2004, 484 (484 ff.); Baums, Institut für Bankrecht Arbeitspapier Nr. 105; ders., EBOR 8 (2007), 143 (144 ff.); Baum, ZGR 2004, 506 (506 ff.); Bayer, BB 2004, 1 (1 ff.); Habersack, NZG 2004, 1 (1 ff.); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 175 (175 ff.); Hopt, FS Röhricht, 235 (235ff); Maul/Lanfermann/Eggenhofer, BB 2003, 1289 (1289 ff.). Zum Stand der Umsetzung etwa Baums, EBOR 8 (2007), 143 (144 ff.); Hopt, ZHR 171 (2007), 199 (200 ff.) Allgemein zur Corporate Governance-Diskussion Grundsatzkommission Corporate Govern-

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Geschäftsleitung befürwortet der Aktionsplan die „Ausarbeitung einer Regelung über die Konkursverschleppungshaftung, wonach Direktoren persönlich für den Konkurs eines Unternehmens zur Rechenschaft gezogen würden, wenn sie sich bei absehbarer Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens weder zu seiner Rettung und zur Zahlung der ausstehenden Verbindlichkeiten noch zur Konkursanmeldung entschließen […]“54. Wrongful trading und action en comblement du passif werden zwar nicht explizit als Grundlage einer derartigen europäischen Krisenhaftung benannt, jedoch wird beiden Vorschriften im Bericht der High Level Group, auf den der Aktionsplan verweist, Leitbildfunktion zuerkannt55. Nach der Empfehlung der Einführung einer europäischen Rahmenbestimmung für eine „Insolvenzverschleppungshaftung“ liest man dort: „Die britischen Bestimmungen über wrongful trading, die französische und belgische „action en comblement du passif“ und Rechtsvorschriften anderer Länder sind in ihrem Kern ähnlich: Wenn es für die Direktoren absehbar ist, dass die Gesellschaft ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen kann, müssen sie entscheiden, ob sie das Unternehmen retten (und die künftigen Zahlungen an die Gläubiger sicherstellen) oder Insolvenz anmelden. Anderenfalls haften die Direktoren gegenüber den Gläubigern zur Gänze oder zum Teil für deren offene Forderungen“56. Auch die Arbeitsgruppe German Experts on Corporate Law sowie der DAV haben die Einführung einer entsprechenden europäischen Regelung begrüßt57. Die Maßnahme ist vorläufig von der Agenda der Kommission verschwunden und findet sich auch im unlängst veröffentlichten Aktionsplan „Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance“ nicht wieder58, kann aber trotz der kurzfristigen Entscheidung der Generaldirektion Binnenance, NZG 2000, 333 (333 ff.); Kort, in: GroßKommAktG, Vor § 76 Rn. 35 ff.; Hopt, ZGR 2004, 1 (1 ff.); Leyens, JZ 2007, 1061 (1061 ff.); Teichmann, ZGR 2001, 645 (679 ff.); aus ökonomischer Sicht Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 459 ff. 54 EG-Kommission, Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, NZG 2003, Sonderbeilage zu Heft 13/2003, S. 9. Vgl. auch Kalls/Adensamer/Oelkers, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa 134 (137 f.); Fleischer, ZGR 2004, 437 (437 ff.). Positiv gegenüber einer europarechtlichen Krisenhaftung der Geschäftsleitung etwa Ringe/Willemer, EuZW 2006, 621 (624). 55 Darauf, dass weder High Level Group noch der Aktionsplan einer unbedingten Übernahme der Regelungen das Wort reden, weist ausdrücklich Hopt, ZHR 171 (2007), 199 (226) hin. Vgl. auch BDI/HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 29 ff. 56 Vgl. Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa, S. 73. Vgl. auch Kalls/Adensamer/Oelkers, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 134 (137 f.). 57 Vgl. German Experts on Corporate Law, ZIP 2002, 1310 (1314); DAV-Handelsrechtsausschuss, ZIP 2003, 1909 (1912). 58 Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagiertere Aktionäre und besser überlebensfähige Unternehmen. Vgl. hierzu – mit Blick auf

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markt, Überlegungen zur Ersetzung des Kapitalschutzsystems kontinentaleuropäischer Prägung durch ein solvenzorientiertes Ausschüttungssystem in Reaktion auf die Machbarkeitsstudie der KPMG vorläufig aufzugeben, im breiteren Kontext der Diskussion um adäquaten Gläubigerschutz wieder erscheinen59. So wird etwa im Ringen um ein Statut für die europäische Privatgesellschaft bzw. Societas privata Europaea (SPE) eine Orientierung an sec. 214 IA empfohlen60 und auch im Rahmen der unlängst auf Betreiben der Kommission vorgelegten LSE Studie zur Rechtenund Pflichtenlage von Geschäftsleitern in Europa61 findet die krisenbezogene Verantwortlichkeit Beachtung. Für den zur Umsetzung solcher Empfehlungen berufenen europäischen Gesetzgeber stellt sich damit die Frage, an welcher nationalen Regelung er sich zu orientieren hat62. Zumindest textlich weisen die einzelstaatlichen Regelungen erhebliche Unterschiede auf. Ob damit materielle Unterschiede verbunden sind, wird kontrovers beurteilt und den Gegenstand von § 7 bilden. Zweite Entwicklung, die den Blick auf die Rechtslage in den europäischen Nachbarstaaten lenkt, ist die jüngere Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit, die mit den Namen Centros, Überseering und Inspire Art63 verbunden ist und die nach verbreiteter Ansicht die Initialzündung zu einem „Wettbewerb der europäischen Rechtsformen“ darstellt64. Indem es der Europäische Gerichtshof in dieser Urteilsserie als für mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EG/ Art. 49 ff. AEUV) unvereinbar erklärt hat, für im Ausland ordnungsgemäß gegründete Gesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz im Inland das inländidie etwas willkürlich anmutende Agenda der Kommission zu Recht hoffnungsvoll kritisch – Hopt, ZGR 2013, 165 (204 f.); ders., EuZW 2013, 481 (481 ff.); ähnlich Verse, EuZW 2013, 336 (342 ff.). 59 Generaldirektion Binnenmarkt, Position/Ausblick der GD Binnenmarkt und Dienstleistungen zur Durchführbarkeitsstudie über Alternativen zum System der Kapitalerhaltung, S. 1 ff.; KPMG, Feasibility study on an alternative to the capital maintenance regime, S. 1 ff. Vgl. auch Baums, EBOR 8 (2007), 143 (158); Pellens/Schmidt, ZGR 2008, 381 (420 f.). Plädoyer für eine europäische Insolvenzverschleppungshaftung aus jüngerer Zeit: Stöber, ZHR 176 (2012), 326 (326 ff.). 60 So Hommelhoff/Teichmann, DStR 2008, 925 (933): „erwägenswert“, der unlängst bekannt gemachte Vorschlag der Kommission verweist hingegen umfänglich auf das nationale Recht (Art. 31 Statut SPE-E). Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft, S. 30. Zur SPE etwa Drury, EBOR 9 (2008), 125 (125 ff.); van Hulle/Maul, ZGR 2004, 494 (501). 61 Gerner-Beuerle/Paech/Schuster, Study on Directors’ Duties and Liability, S. 208 ff. Zur LSE-Studie Bachmann, ZIP 2013, 1946 (1946 ff.). 62 Die Empfehlung einer europäischen wrongful trading-Haftung bezeichnet Baums, AG 2007, 57 (64) als einen „einigermaßen überraschenden Vorschlag“. 63 Vgl. hierzu Zimmer, NJW 2003, 3585 (3588); K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 493 (493 ff.). 64 So etwa der Befund des BMJ, Referentenentwurf MoMiG, S. 33; Seibert, EBOR 8 (2007), 83 (84). Vgl. auch Bayer/Hofmann, GmbHR 2007, 414 (414 ff.); Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (168 ff.); Kieninger, Aktuelle Entwicklungen des Wettbewerbs der Gesellschaftsrechte, S. 1 ff.; Lieder, DZWiR 2005, 399 (399); Noack/Beurskens, EBOR 9 (2008), 97 (98 ff.); Stork, GewArch 2005, 266 (266 ff.); kritisch gegenüber der Verwendung der Wettbewerbsterminologie Zöllner, GmbHR 2006, 1 (11).

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sche Gesellschaftsstatut anzuwenden, steht es Unternehmen nach bisheriger Lesart weitgehend frei, auch für das Deutschlandgeschäft eine ausländische Rechtsform einzusetzen, ohne gleichzeitig Abstriche im Bereich der Rechts- und Parteifähigkeit wie auch der Haftungsbeschränkung fürchten zu müssen65. Insbesondere die englische private company limited by shares, „Vorbild oder Schreckgespenst des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts“66 war vorübergehend, wohl vor allem aufgrund des attraktiv erscheinenden Fehlens eines Mindestkapitalerfordernisses67, „als alternative Gesellschaftsform zur deutschen GmbH in aller Munde“68. Im Anschluss an die Entscheidungsserie war zunächst die Gründung zahlreicher „deutscher Limiteds“ oder nach anderer Diktion Scheinauslandsgesellschaften zu konstatieren, also Gesellschaften, die in England gegründet werden, aber in Deutschland ihren tatsächlichen Verwaltungssitz haben69. Schätzungen konnten für die Jahre 2005/2006 ihre Zahl auf 25.00070 – 35.00071 und für 2007 46.000 – 50.00072 taxieren. Allerdings war bereits für die Jahre 2009/2010 bundesweit nur noch die Gründung 4000 neuer Limiteds zu konstatieren73. Ursächlich für diese treffend als „Entzauberung“ bezeichnete Entwicklung sind sowohl das gewachsene Wissen darum, dass die Gründungserleichterungen des englischen Rechts im ordentlichen Geschäftsgang 65 So jetzt ausdrücklich der BGH, Urt. v. 13. 3. 2003 – VII ZR 370/98, BGHZ 154, 185 (185 ff.); anders noch der II. Senat in BGH, Urt. v. 1. 7. 2002 – II ZR 380/00, BGHZ 151, 204 (206 ff.); zu den Folgen vgl. etwa Henze, WM 2006, 1653 (1653 ff.); K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 493 (496 ff.); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1201); Wachter, GmbHR 2004, 88 (88 ff.); Walterscheid, DZWiR 2006, 95 (95 ff.); Zöllner, GmbHR 2006, 1 (1 ff.). Kontrovers diskutiert wird, ob die Entscheidungen des EuGH in Sachen Vale (EuGH, Urt. v. 12. 7. 2012 – Rs C-37810, ZIP 2010, 1956) und Cadbury/Schweppes (EuGH, Urt. v. 12.2006 – Rs. C 196/04, ZIP 2006, 1817 (1817 ff.), in denen der EuGH „die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat auf unbestimmte Zeit“ zur Voraussetzung der Einschlägigkeit der Niederlassungsfreiheit erhebt, eine teilweise Revision dieser extensiven Interpretation der Niederlassungsfreiheit durch den EuGH markieren; in diese Richtung etwa Kindler, EuZW 2012, 888 (891 ff.); König/Bormann, NZG 2012, 1241 (1241 ff.); Wolhrab, GPR 2012, 316 (317). Dagegen spricht allerdings, dass der „genuine link“ zum Aufnahmemitglied- und nicht etwa zum Gründungsstaat verlangt wird. 66 Gehrlein, DK 2007, 1 (2). 67 Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (433); Gross/Schork, NZI 2006, 10 (11 f.); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (340); Lieder, DZWiR 2005, 399 (399); Seibert, EBOR 7 (2008), 83 (84 f.). Vgl. auch BDI/HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 3. 68 Goette, ZIP 2005, 1481 (1481); vgl. von Bernstorff, RIW 2004, 498 (498 ff.); Fischer, ZIP 2004, 1477 (1477 f.); Lawlor, NI 2005, 432 (432 ff.); Vetter, ZGR 2005, 788 (789 f.); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (13); Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (88 ff.). 69 Gross/Schork, NZI 2006, 10 (10 f.); Rönnau, ZGR 2005, 832 (835 f.). 70 Rönnau, ZGR 2005, 832 (840): mindestens 25.000 Zöllner, GmbHR 2006, 1 (2), der allerdings auch darauf hinweist, dass in Österreich nur 500 Limiteds aktiv sind. Zur Zahl beim companies house eingetragener deutscher Direktoren vgl. Lawlor, NZI 2005, 432 (432 ff.). 71 Vgl. Wegen/Schlichte, RIW 2006, 801 (801); Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (173). 72 Vgl. Steffek, GmbHR 2007, 810 (810); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 6. 73 Vgl. die Zahlen bei Hefendehl, ZIP 2011, 601 (602).

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keine Entsprechung finden74 sowie die Einführung der UG durch das MoMiG (§ 5a GmbHG)75. Wenn sich damit auch Anfangseuphorie bzw. Kassandrarufe jeweils nicht bestätigt haben, bleibt die Existenz von Auslandsgesellschaften eine virulente Größe76, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass diese weniger als Massenphänonem Bedeutung erlangen, sondern im Zusammenhang mit der Gestaltung maßgeschneiderter Unternehmens- und Corporate-Governance-Strukturen, die sich erst ab einer bestimmten Größenordnung rechnet. Stellvertretend sei auf die gelegentlich genutzte Möglichkeit, zur Vermeidung der ungeliebten deutschen Mitbestimmung eine Auslandsgesellschaft zur Komplementärin einer KG zu erheben, verwiesen77. Aus dieser mindestens potenziellen „Konkurrenz“ zur GmbH erwächst sowohl für die hinter dem rechtlichen Unternehmensträger stehenden Personen als auch für den deutschen Gesetzgeber die Notwendigkeit, Übereinstimmungen und Verschiedenheiten der jeweiligen Ausgestaltung der Geschäftsleiterhaftung festzustellen und im Entscheidungskalkül zu berücksichtigen. Aus Sicht des Unternehmens verschärft sich das Problem der optimalen Rechtsformwahl. Galt es bisher, steuerrechtliche, haftungsrechtliche und organisationsverfassungsrechtliche Aspekte der durch den nationalen Gesetzgeber offerierten Gesellschaftsformen in Ansatz zu bringen, ist es künftig eine im wohlverstandenen Eigeninteresse liegende Notwendigkeit, zusätzlich auch die Vor- und Nachteile der durch die Entscheidungen des EuGH zugänglich gemachten ausländischen Rechtsformen bzw. eventueller Hybridkonstruktionen78 zu berücksichtigen79. Da einer der Kerngründe für die Entscheidung für eine GmbH, GmbH & Co. KG oder Aktiengesellschaft die Möglichkeit der Haftungsbeschrän-

74 FAZ v. 30. Mai 2006; wenig euphorisch auch Goette, ZGR 2006, 261 (278 ff.); ders., Stellungnahme RegE MoMiG, S. 9: „gewisse Modeerscheinung“; Heidinger, DNotZ 2005, 97 (99 ff.); Seibert, FS Röhricht, 585 (596); ders., ZIP 2006, 1157 (1158); ders., EBOR 7 (2008), 83 (85), der allerdings nach wie vor zu Bedenken gibt, dass „entrepreneurs who favour the British private limited company will, of course, not know much about liability for wrongful trading, fraudulent trading, shadow directors and all the instruments by which British company law protects the creditors of the company“; vgl. des Weiteren Zöllner, GmbHR 2006, 1 (10) sowie die Ergebnisse einer Umfrage unter GmbH-Gründern im Freistaat Thüringen durch Bayer/Hoffmann, GmbHR 2007, 414 (414 ff.). 75 Hefendehl, ZIP 2011, 601 (603). 76 Gleicher Befund bei Hefendehl, ZIP 2011, 601 (602): „Ungeachtet dieser relativierenden Zahlen sind allerdings die Limited sowie weitere ausländische Gesellschaftsformen aus dem Wirtschaftsleben in Deutschland nicht mehr wegzudenken“. 77 Schaper, ECFR 2013, 75 (82 u. 103): Stand 2009 hatten lediglich 14 Unternehmen mit einer Belegschaft von im Durschnitt mehr als 2000 Arbeitnehmern von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. 78 Etwa die Ltd. & Co. KG. Hierzu Klöhn/Schaper, ZIP 2012, 49 (49 ff.) und Schaper, ECFR 2013, 75 (75 ff.). 79 Vgl. Wachter, GmbHR 2004, 88 (89); Wegen/Schlichte, RIW 2006, 801 (801 ff.); Zöllner, GmbHR 2006, 1 (2).

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kung ist, gebührt auch der Ausgestaltung der jeweiligen Geschäftsleiterhaftung besondere Aufmerksamkeit80. Auch für den nationalen Gesetzgeber stellt sich das Problem „des Wettbewerbs der Rechtsordnungen“81. Befürchtet wird bisweilen ein race to the bottom bzw. race of laxity, vergleichbar dem oftmals negativ konnotierten Delaware-Effekt des USamerikanischen Gesellschaftsrechts82. Diese Betrachtungsweise ist aber zu Recht auf Kritik gestoßen83. Alternativ ist denkbar, dass sich im Wettbewerb der Rechtsordnungen die Gesellschaftsform durchsetzt, die den Bedürfnissen der beteiligten Verkehrskreise am besten gerecht zu werden vermag84 oder aber wertfrei ein race to nowhere in particular (Bratton) konstatiert werden muss85. Der Gläubigerschutz muss diesem „Konkurrenzkampf“ unter den Gesellschaftsformen nicht zum Opfer fallen. Gesellschafter sind nicht in der Lage, ihren Gläubigern eine bestimmte Haftungsverfassung aufzuzwingen86. Frühes historisches Beispiel hierfür ist der um 1300 in Siena von den dort ansässigen Kaufleuten unternommene Versuch, eine Rechtsform mit Haftungsbeschränkung einzuführen, der aufgrund der Weigerung der betroffenen Geschäftskreise in Restitalien scheiterte87. Auch für die Limited lässt sich konstatieren, dass sie – zu Recht oder Unrecht – aufgrund ihres „SchmuddelImages“ bei Gläubigern, Banken und Kunden keine wesentliche Rolle in den Gründungsüberlegungen von zahlreichen Unternehmern spielt, die auf eine beschränkt haftende Gesellschaft zurückgreifen wollen88. Dennoch, selbst wenn man 80

Vgl. Wengen/Schlichte, RIW 2006, 801 (801 f.). Rechtsökonomisch hierzu G. H. Roth, Gläubigerschutz im Wettbewerb der Rechtsordnungen und Replik von Kirstein, Kommentar zu G. H. Roth: Gläubigerschutz im Wettbewerb der Rechtsordnungen mit Kritik an der Begrifflichkeit, ohne aber den zugrunde liegenden Sachverhalt zu negieren. Vgl. auch Kieninger, Aktuelle Entwicklungen im Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, S. 1 ff. 82 Kritisch etwa Stork, GewArch 2005, 265 (265 ff.); ebenso Hefendehl, ZIP 2011, 601 (607): Kampf um die voraussetzungsloseste Gesellschaftsform; vgl. hierzu auch Rönnau, ZGR 2005, 832 (837); Roth, Gläubigerschutz im Wettbewerb der Rechtsordnungen, S. 2; von Bonin, in: Hirte/Bücker, § 10 Rn. 2. Zum unterschiedlichen Gegenstand dieses Wettbewerbs in Europa, Gründungsvereinfachungen für kleine Unternehmen (cost based regulatory competition) und den Vereinigten Staaten, liberales Organisationsstatut (rule based regulatory competition) vgl. Ventoruzzo, NYU Journal of Law & Business 3 (2007), S. 92 ff. 83 Vgl. etwa von Hase, BB 2006, 2141 (2141); Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (178); Müller, NZG 2003, 414 (417 f.). 84 Schaper, ECFR 2013, 75 (78). 85 Bratton, U. Toronto L. J. 44 (1994), 401 (401); vgl. Kieninger, Aktuelle Entwicklungen im Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, Abstract. 86 Vgl. Kirstein, Kommentar zu G. H. Roth: Gläubigerschutz im Wettbewerb der Rechtsordnungen, S. 6; Roth, Gläubigerschutz im Wettbewerb der Rechtsordnungen, S. 3 ff.; Wachter, GmbHR 2004, 88 (92). 87 Vgl. Vagts, ZGR 1994, 227 (228). 88 Vgl. Bayer/Hoffmann, GmbHR 2007, 414 (415 f.); anders allerdings der Befund von Blöse, GmbHR 2007, R65 (R66): das Betreiben einer Unternehmung in Gestalt einer Limited werde als „schicker“ empfunden. 81

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kein race to the bottom befürchtet, bleibt der Gesetzgeber gehalten, die Angebotspalette seiner Rechtsformen und ihre Ausgestaltung im Detail zu überprüfen89. Existiert eine ausländische Rechtsform, die die inländischen Zielsetzungen besser zu erfüllen vermag, sollte der Gesetzgeber dieses Modell übernehmen, denn zumindest würde er hierdurch die mit der Verwendung einer ausländischen Rechtsform verbundenen Sprachprobleme vermeiden. Schließlich ist auch die Rechtspraxis durch die EuGH-Entscheidungen gezwungen, sich mit den ausländischen Rechtsinstituten auseinanderzusetzen90. In Abhängigkeit von der kollisionsrechtlichen Einordnung von Insolvenzverschleppungshaftung, wrongful trading und action en comblement du passif unterliegt der Geschäftsleiter einer französischen oder englischen Scheinauslandgesellschaft entweder der deutschen, der ausländischen oder möglicherweise gar keiner Geschäftsleiterhaftung. Die Antwort hierauf hängt von der „lebhaften, kaum mehr überschaubaren Diskussion“91 um die Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung sowie der weiteren Qualifikation von wrongful trading und action en comblement du passif ab92. Das Meinungsspektrum umfasst nahezu alle denkbaren Ansichten. So wird die Insolvenzantragspflicht teils als gesellschaftsrechtlich93, teils als insolvenzrechtlich94, teils als deliktsrechtlich, teils als mixtum compositum qualifiziert; die Haftung nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§15a Abs. 1 InsO n.F. i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB entweder als insolvenzrechtlich95 oder gesellschaftsrechtlich96 89

Ausdrücklich Seibert, EBOR 7 (2008), 83 (86 ff.) und auch Goette, ZGR 2006, 261 (262 f.) trotz seiner grundsätzlichen Skepsis gegenüber dem Wettbewerb der Rechtsformen. 90 Vgl. Mäsch, EuZW 2004, 321; Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 6; Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 346. Beispielhaft AG Bad Segeberg, Urt. v. 24. 3. 2005 – 17 C 289/04, NZG 2005, 762 (762 ff.); LG Kiel, Urt. v. 20. 4. 2006 – 10 S 44/05, ZIP 2006, 1248 (1249) zur Frage der Gleichwertigkeit von wrongful trading und Insolvenzverschleppungshaftung, vgl. auch Ringe/Willemer, EuZW 2006, 621 (622); Redeker, ZInsO 2005 1035 (1035). 91 Röhricht, ZIP 2005, 505 (506); Just, ZIP 2006, 1251 (1252). 92 A.A. im Ausgangspunkt wohl Wilms, KTS 2007, 337 (339 f.). 93 Gross/Schork, NZI 2006, 10 (14); Mock/Westhoff, DZWiR 2004, 23 (26 f.); Ringe/ Willemer, EuZW 2006, 621 (623); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (670): „Haftung wegen Verletzung von Verkehrspflichten, wobei lediglich die konkrete Pflichtenlage dem Organisationsrecht entnommen wird“; K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 493 (497 f.); Schmidt, ZInsO 2006, 737 (740); Schumann, DB 2004, 743 (746); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207); Vallender/Fuchs, ZIP 2004, 829 (830); Heinz, Die englische Limited, S. 107; Just, ZIP 2006, 1248 (1252). 94 Vgl. Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 33; Müller, NZG 2003, 414 (416); Walterscheid, DZWiR 2006, 95 (95 ff.); Körber/Kiebisch, JuS 2008, 1041 (1049); Schulz/Wasmeier, RIW 2010, 657 (665); wohl auch Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589 f.). 95 KG, Urt. v. 24. 9. 2008 – 8 U 250/08, ZIP 2009, 2156 (2156 f.) für § 64 Abs. 2 GmbHG a. F.; LG Kiel, Urt. v. 20. 4. 2006 – 10 S 44/05, ZIP 2006, 1248 (1249): Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 33; Müller, NZG 2003, 414 (416); Schulz/Wasmeier, RIW 2010, 657 (665); vgl. Heidinger, DNotZ 2005, 97 (103); Müller, NZG 2003, 414 (417). Die Frage der Qualifikation des Zahlungsverbots nach § 64 GmbHG hat das LG Darmstadt unlängst dem EuGH vorgelegt, vgl. LG Darmstadt, Beschl. v. 15. 5. 2013 – 15 O 29/12, NZG 2013, 797.

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bzw. deliktsrechtlich97 eingeordnet. Zusätzliche Unklarheiten bringt der „Umzug“ der Insolvenzantragspflicht in die Insolvenzordnung mit sich. Sieht man in der Insolvenzverschleppungshaftung eine insolvenzrechtliche Regelung, ist sie auf den Geschäftsleiter einer Scheinauslandsgesellschaft anzuwenden. Grundsätzlich wird nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO das Insolvenzverfahren in dem EU-Mitgliedstaat eröffnet, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen (COMI) hat 98, wobei bei Gesellschaften und juristischen Personen widerleglich vermutet wird, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen mit dem Ort des satzungsmäßigen Sitzes übereinstimmt99. Konsequenz ist, dass für das gesamte Verfahren und seine Wirkungen grundsätzlich das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaates gilt (lex fori concursus)100. Hierunter fallen gemäß Art. 4 Abs. 2 EuInsVO die Voraussetzungen, Durchführung und Beendigung des Verfahrens, worunter bei insolvenzrechtlicher Qualifikation auch die Insolvenzverschleppungshaftung fallen würde101. Umgekehrt haftet der Geschäftsleiter einer deutschen Limited bzw. „Scheinauslandsgesellschaft“ dann wegen wrongful tradings102, wenn man sowohl die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung als auch die Haftung wegen wrongful tradings als (funktional) gesellschaftsrechtlich qualifiziert103. Deutsche Gerichte wären dann gezwungen, sec. 214 IA auf eine „deutsche“ Limited anzuwenden104. Bei deliktsrechtlicher Qualifikation wäre bei Einschlägigkeit der Rom IIVO grundsätzlich das Recht zur Anwendung berufen, in dem der Schaden eingetreten ist105, bei Schäden deutscher Gläubiger also wiederum die Insolvenzverschleppungshaftung. Gelangt man schließlich zu dem doppelten Ergebnis, dass die ausländische Geschäftsleiterhaftung – so der EuGH in der Entscheidung Henri Gourdain/Franz Nadler für die action en comblement du passif 106 und die über96 Vgl. Mock/Westhoff, DZWiR 2004, 23 (26 f.); Ringe/Willemer, EuZW 2006, 621 (624); Just, ZIP 2006, 1251 (1253). 97 Vgl. Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (670). 98 Vgl. hierzu etwa Klöhn/Schaper, ZIP 2003, 49 (50 f.); Wilms, KTS 2007, 337 (338 f.); Vallender/Fuchs, ZIP 2004, 829 (829). 99 Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO. Vgl. Vallender/Fuchs, ZIP 2004, 829 (831). 100 Vgl. Müller, NZG 2003, 414 (415). 101 So etwa LG Kiel, Urt. v. 20. 4. 2006 – 10 S 44/05, ZIP 2006, 1248 (1249). 102 Vgl. Heinz, Die englische Limited, S. 107. 103 Vgl. Ringe/Willemer, EuZW 2006, 621 (624). 104 Zur Idee der funktional gesellschaftsrechtlichen Qualifizierung vgl. Ringe/Willemer, EuZW 2006, 621 (624). Vgl. auch Redeker, ZInsO 2005, 1035 (1037); so wohl im Ergebnis auch Just, ZIP 2006, 1251 (1253); Burg, GmbHR 2004, 1379 (1381). 105 Klöhn/Schaper, ZIP 2003, 49 (50). Außerhalb des Anwendungsbereichs der Rom II-VO wären entweder völkerrechtliche Vorgaben oder deutsches IPR (Art. 40 ff. EGBGB) einschlägig. Vgl. ebda. 106 EuGH Rs. 133/78, Slg. I 1979, 733. Vgl. Cass. com. 5. 5. 2004 (N8 de pourvoi 0102041), bull. civ. IV, n8 78, S. 61; Henry, D. 2004, S. 2145; Vallens, D. 2004, S. 1796; Lienhard, D. 2005, S. 1553; Redeker, ZInsO 2005, 1035 (1037); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 11 f.

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wiegende Meinung im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum Englands bezüglich sec. 214 IA107 – als insolvenzrechtlich zu qualifizieren ist, die Haftung nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a Abs. 1 InsO n.F. hingegen als gesellschaftsrechtlich, würde keine Krisengeschäftsleiterhaftung die Direktoren einer nach französischem oder englischem Recht gegründeten Scheinauslandsgesellschaft treffen108. Um dieses sicherlich unerwünschte Ergebnis109 zu vermeiden, ist vorgeschlagen worden, entweder eine gesetzliche Anordnung zu treffen, wonach durch eine Rückverweisung auf das nationale Insolvenzrecht des Gründungsstaates einer juristischen Person die Anwendbarkeit der ausländischen Haftung sichergestellt werden soll110 oder aber die deutsche Krisenhaftung der Geschäftsleitung stärker im Insolvenzrecht als im Gesellschaftsrecht zu verwurzeln, um sicherzustellen, dass sie unter dem Gesichtspunkt der lex fori concursus Wirksamkeit auch gegenüber den Geschäftsleitern von Scheinauslandgesellschaften entfalten kann111. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Modernisierung des GmbH-Rechts für die letztere dieser Alternativen entschieden, indem er die Antragspflicht in die Insolvenzordnung (§ 15a InsO n.F.) verlagert hat, wobei allerdings unklar ist, inwieweit diese formale Änderung tatsächlich den Charakter der Insolvenzverschleppungshaftung zu beeinflussen vermag112. Dritter Gesichtspunkt, der eine Weitung der Betrachtung auf die Instrumente des französischen und englischen Rechts nahe legt, ist die ebenfalls der durch den EuGH etablierten Konkurrenz der europäischen Gesellschaftsformen geschuldete Absicht des deutschen Gesetzgebers, die Geschäftsleiterhaftung im Kapitalgesellschaftsrecht neu zu justieren, womit gleichzeitig in der Rechtwissenschaft wiederholt erhobene Forderungen nach einer Effektuierung der Krisenhaftung aufgegriffen worden sind113 107 Vgl. hierzu Bicker, GPR 2006, 127 (129); Lawlor, NZI 2005, 432 (434); Ringe/Willemer, EuZW 2006, 621 (624); Schaper, ECFR 2013, 75 (108); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 217. 108 Vgl. Schanze, NZG 2007, 681 (685); Klöhn/Schaper, ZIP 2003, 49 (50). 109 Vgl. etwa LG Kiel, Urt. v. 20. 4. 2006 – 10 S 44/05, ZIP 2006, 1248 (1250): „nicht vertretbar“; Schanze, NZG 2007, 681 (685): „Schutzlücke“. 110 So Hirte, ZInsO 2003, 833 (837); vgl. auch Altmeppen, in: MünchKommAktG Rn. 44 ff. 111 Vgl. hierzu Berner/Klöhn, ZIP 2007, 106 (106); Gross/Schork, NZI 2006, 10 (15); Röhricht, ZIP 2005, 505 (505 ff.); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (1 ff.); ders., in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (161 f.); auch Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2034). 112 Weiterhin für gesellschaftsrechtliche Qualifikation etwa Hirte, ZinsO 2010, 1986; (1990 f.); Stöber, ZHR 176 (2012), 326 (330); die Erwartungshaltung, durch Verortung im Insolvenzrecht den Charakter der Insolvenzverschleppungshaftung modifizieren zu können, zu Recht kritisierend auch Bitter, ZHR 176 (2012), 578 (578): verbreiteter Irrglaube; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 207: in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft; a.A. etwa Holzborn/Just, Haftung und Insolvenz im GmbH-Recht, Rn. 515; Hefendehl, ZIP 2011, 601 (603): § 15a InsO dem Insolvenzstatut zuzurechnen; zumindest im Ergebnis dem Gesetzgeber folgend auch Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 147a ff. 113 Vgl. Seibert, ZIP 2006, 1157 (1158); BDI/HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 9; Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 9 f.;

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und die ihren bisherigen Höhepunkt, wenngleich auch nicht ihren Abschluss im Rahmen der Modernisierung des GmbH-Rechts erfahren hat. Nachdem der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Missbräuchen, zur Neuregelung der Kapitalaufbringung und zur Förderung der Transparenz im GmbH-Recht (MiKaTraG) erst gar nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickte und das Gesetz zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG) der parlamentarischen Diskontinuität zum Opfer gefallen ist114, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)115 u. a. eine Änderung der Geschäftsleiterhaftung nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 GmbHG n.F. eingeführt. Auch die hierin manifest werdende Unzufriedenheit über die nationale Geschäftsleiterhaftung legt den Blick auf die alternativen Haftungstatbestände in den europäischen Nachbarstaaten nahe. Systematisch ist der Auseinandersetzung mit § 15a InsO n.F., sec. 214 IA und Art. L. 651-2 Code de Commerce in § 2 – sozusagen als Apparat – eine Darstellung der zu Grunde gelegten rechtsökonomischen Annahmen vorangestellt. In diesem Zusammenhang werden zunächst die betriebs- und volkswirtschaftlichen Konzepte aus dem reichhaltigen Instrumentenkasten der modernen Wirtschaftswissenschaften benannt, die die Herangehensweise prägen, sowie das Effizienzkriterium vorgestellt. Das Effizienzkriterium als Erkenntnis leitendes Paradigma jeder rechtsökonomischen Analyse verlangt grundsätzlich eine Kosten-Nutzen-Analyse. Eine effizienzorientierte Analyse einer Geschäftsleiterhaftung hat daher etwaigen Vorteilen Mattheus, ZGR 2006, 281 (281ff); Bage, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 169 (172 f.); Noack/Beurskens, EBOR 9 (2008), 97 (102 ff.). Zu den Bemühungen auf Seiten des Gesetzgebers, vgl. Seibert, FS Röhricht, 585 (585 ff.). 114 Vgl. Seibert, ZIP 2006, 1157 (1157). Würdigungen des Gesetzentwurfes zur Reform des Mindeststammkapitals bei Barta, GmbHR 2005, 657 (657 ff.); Kleindiek, DStR 2005, 1366 (1366 ff.); Priester, ZIP 2005, 921 (921 f.); K. Schmidt, DB 2005, 1095 (1095 ff.); Seibert, BB 2005, 1061 (1061 f.); Stork, GewArch 2005, 266 (266 ff.). 115 Vgl. zum RefE MoMiG allgemein BDI/GDV, Stellungnahme zum Referentenentwurf MoMiG, S. 1 ff.; DAV-Handelsrechtsausschuss, Stellungnahme zum Referentenentwurf MoMiG, NZG 2007, 211 (211 ff.); Lutter, BB 2006, 2 (2 ff.); Noack, DB 2006, 1475 (1475 ff.); Schäfer, DStR 2006, 2085 (2085 ff.); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (1 ff.); H. Schmidt, BKR 2007, 1 (1 ff.); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1157 ff.); ders., EBOR 7 (2008), 83 (83 ff.); Wulfetange, BB 2006, 19 (19 ff.); Übersicht über die Rechtsprechung des BGH unter Berücksichtigung des Referentenentwurfs bei Gehrlein, DK 2007, 1 (1 ff.). Zum RegE MoMiG vgl. Breitenstein/ Meyding, BB 2007, 1457 (1457 ff.); Heckschen, DStR 2007, 1442 (1442 ff.); Möller, DK 2008, 1 (1 ff.); Noack, DB 2007, 1395 (1395 ff.); ders./Beurskens, EBOR 9 (2008), 97 (97 ff.); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1072 ff.); ders., GmbHR 2008, 449 (449 ff.); Ulmer, ZIP 2008, 45 (45 ff.); sowie die Stellungnahmen von Wulf Goette, Tilman Götte, Grunewald, Haas, Hirte, Hoffmann-Becking und Lutter im Rahmen der öffentlichen Anhörung vor dem Rechtsausschuss des deutschen Bundestages am 23. 8. 2008. Zur am 1. 11. 2008 in Kraft getretenen Endfassung Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208 (1208 ff.); Römermann, NZI 2008, 641 (641 ff.); Körber/Kiebisch, JuS 2008, 1041 (1041 ff.); Herrler, DNotZ 2008, 903 (903 ff.); Weitnauer, BKR 2009, 18 (18ff). Monographisch Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht; Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs. Erste Urteile zum MoMiG finden sich bei Goette, GWR 2009, 1 (1 ff.).

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§ 1 Einleitung

dieser Regel die mit ihrer Einführung verbundenen Nachteile gegenüberzustellen. § 3 stellt vor diesem Hintergrund die Vorteile der beschränkten Haftung sowie die an sie herangetragenen Erwartungen dar, § 4 hingegen die Gefahren, die die Zulassung der Haftungsbeschränkung in der Krise der Kapitalgesellschaft mit sich bringt. Im Zusammenspiel legen die §§ 3,4 das Programm fest, an dem sich Insolvenzverschleppungshaftung, wrongful trading und action en comblement du passif messen lassen müssen. Fehlanreize müssen eingedämmt werden, ohne dabei die positiven Wirkungen der Haftungsbeschränkung nachhaltig zu beeinträchtigen. Bevor jedoch auf die Wirkungen der verschiedenen Rechtsregeln eingegangen wird, sind die Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger in Betracht zu ziehen. Entsprechend ihrer Abkunft als einer Tochter der Wirtschaftswissenschaften, insbesondere der modernen Mikroökonomik, betrachtet die ökonomische Analyse des Rechts immer auch den (hypothetischen) Zustand ohne gesetzliche Regelung. Der Markt ist das Paradigma der Nationalökonomie, jede wirtschaftswissenschaftliche Schule gründet sich entweder im Glauben an die Güte der Marktlösung oder der Kritik der so generierten Ergebnisse116. Gläubigerschutz muss nach dem Marktparadigma nicht notwendigerweise gesetzlich erfolgen, vielmehr können die allgemeinen Marktkräfte ein vergleichbares Ergebnis ohne gesetzgeberisches Tätigwerden herbeiführen. Im Prinzip ist die privatautonome Lösung einer pauschalen gesetzlichen Regelung überlegen, da sie die individuellen Bedürfnisse der Parteien genauer abbilden kann117. Nur dort, wo der Markt nicht bereits die gewünschten Ergebnisse herbeiführt, also in der rechtswissenschaftlichen Terminologie Schutzlücken bestehen, existiert die Notwendigkeit gesetzgeberischen Eingreifens118. § 5 stellt deshalb marktimmanente Schutzmechanismen gegen mit der Haftungsbeschränkung verbundenen Gefahren sowie Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger dar. Gesetzlicher Gläubigerschutz erfolgt im deutschen wie auch in den meisten anderen Rechtsordnungen nicht durch ein einzelnes Rechtsinstitut. Da diese regelmäßig intendiert oder faktisch ineinander spielen, verbietet sich eine isolierte Betrachtung eines einzelnen Instruments119. Deshalb wird der Analyse der krisenbezogenen Geschäftsleiterpflichten in § 6 ein kurzer Überblick über die weiteren Instrumente des deutschen Gläubigerschutzsystems vorangestellt. Im Zentrum stehen 116 Instruktiv zu der Bedeutung dieser Auseinandersetzung für die Politik des 20. Jahrhunderts Yergin/Stanislaw, Staat oder Markt (Im Original in Anlehnung an Lenins bekanntes Wort „The Commanding Heights“). 117 Vgl. etwa Spindler, JZ 2006, 839 (841); genereller Vergleich der Problemlösung durch Recht und Vertrag (= Markt) bei Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (673 ff.). 118 Eine zunehmende Marktorientierung des Rechts konstatiert etwa Eidenmüller, JZ 2007, 487 (488); ähnlich auch Hertig/Lüchinger, Wenn Ökonometrie im Gerichtssaal zur Alltäglichkeit wird, NZZ v. 24./25. 11. 2007. 119 Vgl. Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 10; BDI/ HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 9; Fleischer, in: Eidenmüller/Schön, The Law and Economics of Creditor Protection, 27 (28 f.): Gläubigerschutz als bewegliches System im Sinne Wilburgs; für die Vereinigten Staaten etwa Barondes, Fiduciary Duties in Distressed Corporations, S. 2.

§ 1 Einleitung

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dabei existente und denkbare Sanktionen für die Gesellschafter, sind doch die Gesellschafter die eigentlichen Profiteure der eben benannten Krisenstrategie, so dass es auf einen ersten Blick überlegenswert ist, sie zu Adressaten einer wie auch immer gearteten Krisenhaftung zu erklären. An die Darstellung des so geschaffenen Rahmens und Beurteilungsumfelds schließt sich in § 7 die Darstellung der Geschäftsleiterhaftung in der Krise an. Hierzu wird zunächst ein kurzer Überblick über die Gründe gegeben, die eine Geschäftsleiterhaftung einer Gesellschafterhaftung als strukturell überlegen erscheinen lassen, sowie ein Kriterienkatalog für die Güte einer Haftungsregel entwickelt. Sodann werden Insolvenzverschleppungshaftung, wrongful trading und action en comblement zu passif in ihren wesentlichen Aspekten vorgestellt und daraufhin untersucht, inwieweit die jeweiligen Tatbestandsmerkmale und ihre Ausdeutung durch Wissenschaft und Rechtsprechung ökonomisch fundiert sind. Schließlich werden in einem letzten Abschnitt (§ 8) Alternativkonzepte als Substitute und Komplemente zur Erreichung des Ziels Gläubigerschutz in der Krise der Kapitalgesellschaft erläutert.

§ 2 Rechtsökonomische Grundlagen1 I. Einführung Jede Arbeit, die sich der Rechtsordnung oder Teilen derselben unter der Maxime einer ökonomischen Analyse des Rechts zu nähern sucht, muss in einem ersten Schritt die zugrunde gelegten Annahmen herausstellen. Die Verwendung standardisierter mathematischer und statistischer Darstellungs- und Analyseinstrumente durch alle ökonomischen Teildisziplinen suggeriert eine faktisch nicht vorhandene Einheit der Wirtschaftwissenschaften. Die Voraussetzungen, unter denen Modellergebnisse hergeleitet werden, differieren vielmehr im Einzelfall derart stark, dass sie eine Vergleichbarkeit quantitativer und qualitativer Ergebnisse über mehrere Modelle nicht zulassen. Insbesondere, wenn versucht wird, ausgehend von deduktiv gewonnenen Ergebnissen einzelner Modelle, Rückschlüsse auf die ungleich komplexere Realität zu ziehen, ist es notwendig, im Interesse von Methodenehrlichkeit und Überprüfbarkeit die spezifischen Annahmen über die reale Welt darzustellen. Diese grundsätzliche Feststellung gilt auch für den Bereich der Rechtsökonomik. Zwar ist allen der Rechtsökonomik zuzurechnenden Arbeiten gemeinsam, dass sie im Gegensatz zur (Neo-)Klassik Recht nicht als exogene Variable betrachten, sondern vielmehr zur zentralen endogenen Variable erheben und deshalb der Institutionenökonomik im weiteren Sinne angehören2. Dieser Gemeinsamkeit auf einer abstrakten Ebene stehen aber wesentliche Unterschiede nicht nur im Detail gegenüber. Bezüglich des Erkenntnis leitenden Paradigmas lassen sich in einem Grobschnitt Informationsökonomik, Property-Rights-Theorie, Transaktionskostenökonomik und Agency-Theorien unterscheiden, die teilweise in einem Verhältnis der Komplementarität bzw. Substituierbarkeit, teilweise aber auch in einem solchen der Exklusivität zueinander stehen3. Auch das zu verwendende Wohlfahrtskriterium, also das Maß, an dem die Güte von Rechtsregeln zu messen ist, ist stark umstritten. 1 Zur Genese der ökonomischen Analyse des Rechts vgl. Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts in den U.S.A.; allgemein zur ökonomischen Analyse des Rechts: Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, Weigel, Rechtsökonomik; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts; kurzer Überblick etwa bei Koboldt/Leder/Schmidtchen, WiSt 1992, 334 (334 ff.). 2 Vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 4 f.; Weigel, Rechtsökonomik, XII; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 146 f.; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 9; Baumann, RNotZ 2007, 297 (300). 3 Vgl. Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 396 ff. Überblick über die relevanten Ansätze bei Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 93 ff.

II. Knappheit, Präferenzen und Nutzen

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Im Folgenden sind deshalb die im Weiteren zugrunde gelegten Theoreme und Annahmen über das Marktumfeld vorzustellen.

II. Knappheit, Präferenzen und Nutzen 1. Das grundlegende Maximierungsproblem Grundlegende Prämisse jeder wirtschaftswissenschaftlichen Analyse ist die Annahme grundsätzlich unendlicher Bedürfnisse der Menschen bei gleichzeitig begrenzten Ressourcen, um diese zu befriedigen4. Aus diesem fundamentalen Knappheitsproblem resultiert zunächst für jedes einzelne Individuum ein Entscheidungsproblem. Sind seine Ziele prinzipiell unbegrenzt, die Mittel zu ihrer Erreichung hingegen begrenzt, ist es gezwungen, zwischen alternativen Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung zu entscheiden5. Knappheit führt dazu, dass die Wahl der einen Alternative mit dem Verzicht auf die andere Alternative verbunden ist, es entstehen die sogenannten Opportunitätskosten6. In den Mittelpunkt rückt deshalb die Frage, nach welchen Regeln ein Individuum diesen Konflikt löst, wie es also zu der sich letztlich in seinem Verhalten artikulierenden Entscheidung gelangt. Die Wirtschaftswissenschaften, im Speziellen Mikroökonomik und Rechtsökonomik, gehen hierbei von der Prämisse aus, dass Wirtschaftssubjekte zumindest subjektiv und eingeschränkt rational handeln7. Ein Individuum handelt rational, „wenn es versucht [Hervorhebung des Verfassers], die jeweiligen Maxima zu erreichen“8, also dem „Postulat der Nichtverschwendung folgt“9. Systematisiert weisen die Individuen den Mitteln zur Bedürfnisbefriedigung (Gütern, Dienstleistungen etc. bzw. Handlungsalternativen) einen persönlichen Nutzenwert zu und vergleichen diesen mit dem Nutzenwert alternativer Kombinationen. Die gedachte Gesamtheit dieser

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Vgl. etwa Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. 31 ff.; Kirchgässner, JZ 1991, 104 (106). 5 Vgl. etwa Kirstein, Ökonomische Analyse des Rechts; Posner, Recht und Ökonomie. Eine Einführung, 93 (94); zum konzeptionellen Denken der Ökonomie in Alternativen Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. 21 ff. 6 Die einfachste Illustration des Opportunitätskostenprinzips liegt wohl im Verweis auf den Stellvertreter Geld: die Summe, die für das Bedürfnis A ausgegeben wird, steht nicht für die Befriedigung des Bedürfnisses B zur Verfügung. 7 Vgl. Kirstein, Ökonomische Analyse des Rechts, S. 3 f.; Fees, Mikroökonomie, S. 36 f.; zur bounded rationality grundlegend Simon, Am. Econ. Rev. 69 (1979); 493 (499); vgl. auch Bofinger/Schmidt, WiSt 2003, 107 (107 ff.); Rehberg, Der staatliche Umgang mit Information, S. 10 ff.; Spindler/Klöhn, Der staatliche Umgang mit Information, S. 1 ff.; Wagner, in: MünchKommBGB, Vor § 823 Rn. 60. 8 von Neumann/Morgenstern, Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten, S. 9; vgl. auch Möllers, AcP 208 (2008), 1 (10). 9 Vgl. Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. 33.

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§ 2 Rechtsökonomische Grundlagen

Alternativenvergleiche konstituiert die Präferenzordnung10. Rationalität heißt dann Handeln entsprechend den Vorgaben der Präferenzordnung11. Ist der Nutzen eines Individuums in dieser Weise abschließend definiert, ist unter der Annahme von Sicherheit, d. h. bei Kenntnis bzw. Beschaffbarkeit aller Informationen über die Konsequenzen seines Handelns12, die Entscheidungsregel denkbar einfach. Das Individuum muss nur eine Ordnung zwischen den einzelnen Nutzenwerten herstellen. Es vergleicht den zu erwartenden Nutzenwert aller denkbaren Handlungsalternativen und entscheidet sich letztlich für die mit dem höchsten Nutzenwert13. Entgegen einem verbreiteten Missverständnis, das allerdings auch durch die Darstellungen der ökonomischen Analyse des Rechts forciert wird, enthält sich die Erwartungsnutzentheorie einer Aussage über die Umstände, die Nutzen für ein Individuum generieren. Eine axiomatische Annahme dahingehend, dass für die Akteure nur ihr eigenes Fortkommen eine entscheidungsrelevante Größe darstellt und Haupttriebfeder die Akkumulation von Wirtschaftsgütern im untechnischen Sinne wäre, existiert nicht. Mit dem Modell des homo oeconomicus ist etwa durchaus vereinbar, dass altruistisch gehandelt wird14. Einzig überraschen vermag hier allein, dass die Erwartungsnutzentheorie einen Altruisten als Eigennutzmaximierer ansieht. Er präferiert altruistisches gegenüber egoistischem etc. Handeln und maximiert damit den Nutzen seines Handelns15. Trotz dieser Offenheit der Ziele der Akteure wird auch vorliegend als Prämisse zu Grunde gelegt, dass primäres Anliegen die Generierung von Einkommen ist. Die damit zugegebenermaßen verbundene Vereinfachung ist nicht nur unvermeidbare Komplexitätsreduktion, sondern auch der zu untersuchenden Situation angemessen. So geht auch die Rechtswissenschaft zutreffend davon aus, dass Gläubiger primär an der Befriedigung ihrer Forderungen, Gesellschafter an Gewinnen und Geschäftsführer an der Erzielung von Arbeitseinkommen interessiert sind. Andere Motive mögen die Entscheidungsfindung mit beeinflussen, werden jedoch im Regelfall überlagert und erreichen in der idealtypischen Nutzenfunktion nicht die Schwelle der Fühlbarkeit.

10 Vgl. von Neumann/Morgenstern, Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten, S. 17 f.; Kirchgässner, JZ 1991, 104 (106). 11 Vgl. Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. 33; Fees, Mikroökonomie, S. 35. 12 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 110; Fees, Mikroökonomie, S. 37. 13 Voraussetzung für die Existenz einer derartigen abschließenden Nutzenfunktion ist darüber hinaus die Vergleichbarkeit und Transitivität einer solchen Präferenzordnung. Vgl. Fama/Miller, The Theory of Finance, S. 5 ff. 14 Vgl. etwa Kirchgässner, JZ 1991, 104 (106); Jensen, Journal of Applied Corporate Finance 7 (1994), 40 (40 ff.). 15 Jensen, Journal of Applied Corporate Finance 7 (1994), 40 (40 ff.).

II. Knappheit, Präferenzen und Nutzen

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2. Unsicherheit Komplexer wird das Entscheidungsproblem durch die Berücksichtigung von Risiko und Unsicherheit, „[…] eine[r] der grundlegendsten Lebensbedingungen des Menschen“16. Risiko bezeichnet Unvollkommenheiten des Wissens bezüglich Eintrittswahrscheinlichkeiten und Umweltzuständen, während Ungewissheit gegeben ist, wenn dem Entscheider keinerlei Möglichkeit zur Verfügung steht, eine (objektive oder subjektive) Eintrittswahrscheinlichkeit eines Umweltzustandes zu bestimmen17. Unter Berücksichtigung von Unsicherheit wird das mit der Wahl einer Handlungsalternative generierbare Nutzenniveau Ui nicht allein vom Nutzenwert xi, sondern maßgeblich von der Eintrittswahrscheinlichkeit des jeweiligen Nutzenniveaus bestimmt. In einem ersten Schritt ergibt sich der Nutzen einer Handlungsalternative Ui für ein Individuum damit als Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit pi und generiertem Nutzenniveau xi : Ui ¼ pi xi

Ein Individuum hat in Konsequenz folgende Gesamtnutzenfunktion: maxxi U ¼

N X

pi xi ;

i¼1

die es unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Handlungsalternativen mit Kosten verbunden und seine Mittel begrenzt sind (Budgetrestriktion), maximiert. 3. Risikoaversion Bisher ausgeblendet blieb, dass die Akteure Risiko eigenständige Bedeutung zuerkennen. Die Bedeutung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Umweltzustands erschöpft sich nicht in der Rolle als Multiplikator bei der Erwartungswertbildung einer bestimmten Handlungsalternative (Bernoulli-Kriterium)18. Nur ein risikoneutraler Investor richtet seine Entscheidung ausschließlich am Kriterium des Erwartungswerts aus. Risikoaverse Akteure berücksichtigten hingegen zusätzlich die Standardabweichung s, die die Streuung der umweltabhängigen Einzelergebnisse um den Erwartungswert l abbildet. Nach dem (l,s)-Prinzip entscheidet sich ein risikoscheues Individuum bei gleichem Erwartungswert m für die Alternative mit der geringeren Standardabweichung, bei gleicher Standardabweichung hingegen für die Alternative mit dem höchsten Erwartungswert19. Für die Realität wird man anzu16

Adams, Jura 1984, 337 (342); vgl. Auch Fees, Mikroökonomie, S. 38. Grundlegend Knight, Risk, Uncertainty and Profit, S. 196 ff., insbesondere S. 233 f. Vgl. auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 110; Bamberg/Coenenberg, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 24; Baums, ZGR 2011, 218 (222 f.). 18 Vgl. Bamberg/Coenenberg, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 76 ff. 19 Vgl. etwa Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 566. 17

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§ 2 Rechtsökonomische Grundlagen

nehmen haben, dass private Investoren grundsätzlich risikoavers sind20. Für Unternehmen, aber auch für Gesellschafter, die die wirtschaftlichen Konsequenzen für ihr Privatvermögen durch das Institut der beschränkten Haftung einzugrenzen vermögen, ist hingegen davon auszugehen, dass sie grundsätzlich den Erwartungswert zu maximieren beabsichtigen. 4. Bounded Rationality Kritik an dem Modell der Erwartungsnutzenmaximierung hat sich unter dem bereits benannten Gesichtspunkt der bounded rationality entzündet. Unter Rückgriff auf psychologische Erkenntnisse sowie Ergebnisse wirtschaftswissenschaftlicher Experimente unter Laborbedingungen wird an der Treffgenauigkeit der Vorhersagen der Erwartungsnutzentheorie gezweifelt. Behavioral Law and Economics verlangen deshalb die Berücksichtigung systematischer Fehler (biases) in der Entscheidungsfindung21. Wenn auch die in diesem Zusammenhang identifizierten biases existent sind und durchaus Relevanz beanspruchen können, wird vorliegend dennoch das klassische Modell der Erwartungsnutzentheorie als Erkenntnismaßstab zu Grunde gelegt. Dies lässt sich zunächst rechtfertigen durch die bereits benannte Erwägung, dass im Erwerbs- und Wirtschaftsleben monetären Größen eine besondere Relevanz beizumessen ist, die Nutzenfunktionen der Akteure in diesem Teilgebiet somit eine gewisse Eindimensionalität im Sinne einer Eindeutigkeit erlangt22. Mit dieser Eindeutigkeit verbunden ist, dass sich systematische Fehler relativ unproblematisch als Informationsdefizite im Sinne der klassischen Theorie verstehen lassen23. Als Beispiel diene der mittlerweile allgegenwärtige hindsight bias, wonach die nachträgliche Beurteilung einer getroffenen Entscheidung maßgeblich vom Wissen um den bekannten Ausgang bestimmt wird. Hierin kann man einerseits einen systematischen Fehler sehen, andererseits aber auch eine rationale Reaktion auf bestehende Informationsdefizite. Nach dem letzteren Verständnis vereinfacht sich der Akteur, im vorliegenden Kontext der Richter, die aufgrund unzureichender Information schwere Beurteilung der Entscheidung durch Rekurs auf das Ergebnis, es wird eine Daumenregel mit dem Ziel der Komplexitätsreduktion aufgestellt, von der 20

Ursächlich ist u. a. der sinkende Grenznutzen des Einkommens, vgl. Fees, Mikroökonomie, S. 40; Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 53. 21 Einen Überblick bietet etwa der Sammelband Sunstein, Behavioral Law & Economics, dort auf S. 3 ff. auch Kurzzusammenfassung der wesentlichen biases; Darstellung aktueller Tendenzen etwa bei Amir/Lobel, Colum. L. Rev. 108 (2008), 2098 (2098 ff.); aus dem deutschen Schrifttum jüngst Wiedemann/Wank, JZ 2013, 340 (340 ff.); alternativer Ansatz, das REM (Resourceful, Evaluative Maximizer)-Modell durch das PAM (Pain-Avoidance Model) zu ergänzen bei Jensen, Journal of Applied Corporate Finance 7 (1994), 40 (40 ff.). 22 Etwas anderes gilt für das Verhalten am Kapitalmarkt, das hier allerdings nicht im Zentrum steht. Vgl. aber Posners, Duke L. J. 58 (2009), 1013 (1036 ff.) Annäherung an die Behavioral Finance. 23 Kritisch gegenüber diesen Versuchen der Chicago School, Verzerrungen weitgehend Relevanz im Rahmen der Rechtsökonomik abzusprechen etwa Engel, RabelsZ 67 (2003), 632 (632 f.).

III. Effizienz als legislatorisches Ziel

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man abzurücken bereit ist nur für den Fall, dass überzeugende Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen, vorgetragen werden. Sind hingegen nichtmonetäre Größen Ursache zunächst „unökonomisch“ erscheinender Handlungsalternativen, gilt es zu berücksichtigen, dass diese eigentlich bereits im Rahmen einer Neumann/Morgenstern-Nutzenfunktion abgebildet werden müssten, wenn auch zuzugeben ist, dass in der Ökonomie eine Tendenz besteht, auf die explizite Erfassung dieser Größen zu verzichten, weil sie einerseits – aufgrund ihres individuellen Charakters – generalisierende Aussagen erschweren und andererseits die – als notwendig erachtete – Mathematisierbarkeit praktisch unmöglich machen. Nicht zuletzt muss gelten, dass bisher nicht der Nachweis gelungen ist, inwieweit die Berücksichtigung kognitiver systematischer Fehlleistungen die Ergebnisse der Erwartungsnutzentheorie substantiell in Frage zu stellen vermag. Ist eine Entscheidung zu 95 % auf die Idee der Erwartungsnutzenmaximierung zurückzuführen und lediglich zu 5 % systematischen Fehlern geschuldet, erscheint es angemessen, als Entscheidungsregel erstere anzunehmen und sodann auf den Fehler hinzuweisen. Für das Folgende heißt dies, dass solange von einer rationalen Entscheidung ausgegangen wird, wie nicht ausdrücklich eine Verhaltensanomalie festgestellt wird.

III. Effizienz als legislatorisches Ziel Die Erwartungsnutzentheorie ist zunächst ausschließlich individuelle Entscheidungsregel; sie beschreibt, was für ein konkretes Individuum nutzenmaximierende Strategie ist. Der Gesetzgeber, dem die Wohlfahrt der Gesamtheit der Rechtsunterworfenen als Zielgröße vorgegeben ist, bedarf zusätzlich einer Kennziffer, anhand derer das Ausmaß der Gesamtwohlfahrt abgelesen werden kann. Ein allgemeines, unbestrittenes Wohlfahrtskriterium ist den Wirtschaftswissenschaften nicht zu Eigen24. Die ökonomische Analyse des Rechts verwendet ganz überwiegend das der Lausanner Schule der Wohlfahrtsökonomik entlehnte Kriterium der Effizienz25. Effizient ist eine Allokation von Ressourcen bzw. Handlungsrechten nach dem strikten Konzept der Pareto-Effizienz, wenn keine andere Verteilung möglich ist, die mindestens einen Akteur besser stellt ohne gleichzeitig einen anderen schlechter zu stellen26. Wegen der Rigidität der Pareto-Effizienz wird in der effizienzorientierten rechtsökonomischen Literatur verstärkt auf das schwächere Hicks-Kaldor-Kriterium zurückgegriffen. Hiernach ist eine Ressourcenallokation bereits dann effizient, wenn eine Paretoverbesserung möglich ist, d. h. dann, wenn die Gewinner die Verlierer für 24

Vgl. Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. 81. Vgl. Kirstein, Ökonomische Analyse des Rechts, S. 5 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 6 f.; zuletzt zur Effizienz als Maßstab des Kapitalmarktrechtes Möllers, AcP 208 (2008), 1 (1 ff.) 26 Vgl. Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. 84; Kirchgässner, JZ 1991, 104 (109); Überblick über Theorie und umstrittene Person Paretos bei Schumpeter, Ten Great Economists, S. 110 ff. 25

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§ 2 Rechtsökonomische Grundlagen

erlittene Schäden entschädigen könnten27. Ob es tatsächlich zu einer solchen Kompensation kommt, ist unerheblich. Das Effizienzkriterium sieht sich, insbesondere aus den Reihen der Rechtswissenschaft, teilweise starker Kritik ausgesetzt28. Diese ist insoweit berechtigt, als sich – insbesondere gegen das Hicks-Kaldor-Kriterium – die gleichen Einwände erheben lassen, die dem Benthamschen Utilarismus im Allgemeinen entgegengehalten werden können29. Dies belastet jedoch die Eignung des Effizienzkriteriums als Analyseinstrument nicht, sondern begründet allenfalls Zweifel an der Verbindlichkeit der generierten Ergebnisse. Vielmehr sollte gelten, dass die Darlegungslast auf die Gegner des Effizienzkriteriums übergeht, weshalb die Veränderung einer Situation, die ohne Belastung eines Individuums herbeigeführt werden kann, nicht vorgenommen wird30.

IV. Coase-Theorem Ausgangspunkt jeder ökonomischen Analyse des Rechts bildet das von Stigler sogenannte Coase-Theorem. Hiernach ist unter den Voraussetzungen von vollständiger Konkurrenz und Fehlen von Transaktionskosten die effiziente Ressourcenallokation unabhängig von der Initialverteilung der Rechte. Intuitiver Hintergrund dieses Irrelevanztheorems ist die Überlegung, dass solange noch eine Transaktion durchgeführt werden kann, die mindestens eine Vertragspartei besser stellt, diese Transaktion durchgeführt werden wird. Die Vorteilhaftigkeit dieser Transaktion auch für die vermeintlich nicht begünstigte Partei ergibt sich daraus, dass die begünstigte Partei den realisierbaren Tauschgewinn zu Teilen ihrem potentiellen Vertragspartner anbietet, um diesen zum Kontrahieren zu veranlassen31.

27 Vgl. Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. 93; Weigel, Rechtsökonomik, S. 20 f.; Möllers, AcP 208 (2008), 1 (10); Baumann, RNotZ 2007, 297 (298); zum KaldorHicks-Kriterium als konsensfähiger Regelung Ott/Schäfer, JZ 1988, 213 (218). 28 Umfassende Würdigung des Effizienzkriteriums etwa bei Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip. Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Analyse des Rechts. 29 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa Baumann, RNotZ 2007, 297 (302 f.). Zum Wesen des Utilarismus Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, S. 3: „The interest of the community is one of the most general expressions that can occur in the phraseology of morals: no wonder that the meaning of it is often lost. When it has a meaning, it is this. The community is a fictitious body, composed of the individual persons who are considered as constituting as it were its members. The interest of the community then is, what? – the sum of the interests of the several members who compose it“ [Hervorhebungen im Original]. 30 In diesem Sinne auch Kirchgässner, JZ 1991, 104 (109). Noch weitergehend Schulz, VersR 1984, 618 (618): „Wenn die wirtschaftliche Situation eins Betroffenen verbessert werden kann, ohne dass jemand schlechter gestellt wird, so ist der Wechsel zu diesem Regime vorbehaltlos anstrebenswert“. 31 Coase, Journal of Law and Economics 3 (1960), 1 (1 ff.). Vgl. etwa Baumann, RNotZ 2007, 297 (297).

V. Transaktionskosten

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Das Coase-Theorem scheint auf den ersten Blick jegliche ökonomische Analyse des Rechts obsolet zu machen32. Ist die Verteilung von Rechten irrelevant, weil der Markt durch entsprechende Transaktionen die effiziente Allokation kostenfrei generiert, beschränkte sich die Aufgabe des Rechts darauf, Verfügungsrechte eindeutig zuzuweisen. Das allerdings hieße Coase missinterpretieren. Coase selbst geht nicht von einer transaktionskostenfreien Welt aus. Das Theorem selbst beschreibt nur einen hypothetischen Fall, der Rückschlüsse auf Phänomene der Wirklichkeit zulässt33. Die transaktionskostenfreie Welt dient als Benchmark für reale Zustände. Zu Recht wird deshalb betont, dass die eigentliche Bedeutung des Coase-Theorems in seiner Umkehrung liege34. Das Coase-Theorem verlangt, den Status Quo der Verteilung von Rechten und Pflichten mit der hypothetischen Situation in einem vollständigen Markt zu vergleichen. Übersetzt ergibt sich daraus für das Problem des Gläubigerschutzes, dass zunächst das tatsächliche Marktergebnis als Approximation an den idealen Markt zu betrachten ist. In einem zweiten Schritt sind sodann gesetzliche Eingriffe in die Selbstschutzmechanismen des Marktes daraufhin zu untersuchen, ob sie das tatsächliche Gläubigerschutzniveau in Richtung auf das durch das Coase-Theorem postulierte zu verändern vermögen35.

V. Transaktionskosten Erster gravierender Unterschied zwischen der theoretischen Idealwelt des CoaseTheorems und der Realität ist, dass Märkte dadurch gekennzeichnet sind, dass weder der Abschluss noch die Durchsetzung von Verträgen kostenlos ist. Jede Transaktion ist mit Ressourcenverbrauch verbunden36. Strukturell lassen sich drei Klassen solcher Transaktionskosten unterscheiden: Die Kosten der Vertragsanbahnung (Such- und Informationskosten), die Kosten des Abschlusses von Verträgen (Verhandlungs- und Entscheidungskosten) und schließlich die Kosten der Überwachung und Durchsetzung vertraglicher Leistungspflichten (Überwachungs- und Durchsetzungskosten)37. Entscheidende Dimensionen zur Charakterisierung von Transaktionskosten sind Unsicherheit, Frequenz (Kontakthäufigkeit) und der Grad, bis zum dem haltbare transaktionsspezifische Investitionen angefallen sind. Letztere liegen vor, wenn die

32 Vgl. auch Whincop, in: Ramsay, 43 (45); Wagner, in: MünchKommBGB, Vor § 823 Rn. 39. 33 Vgl. Ott/Schäfer, JZ 1988, 213 (216); Schulz, VersR 1984, 608 (608 ff.). 34 Vgl. Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 45; Stoffels/Lohmann, VersR 2003, 1343 (1343 ff.). 35 Vgl. auch Möllers, AcP 208 (2008), 1 (10); Baumann, RNotZ 2007, 297 (297). 36 Vgl. Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 393; monographisch Williamson, The Economic Institutions of Capitalism. 37 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 134 f.; Baumann, RNotZ 2007, 297 (297).

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Identität der Parteien Bedeutung für die Kostenhöhe hat38. Die Existenz von Transaktionskosten bedingt, dass nicht alle in der Idealwelt günstigen Verträge abgeschlossen werden. Eine an sich vorteilhafte privatautonome Transaktion wird nur dann durchgeführt, wenn der mit ihr verbundene Nutzen diese Kostenposition übersteigt. Für den Gesetzgeber stellt sich damit die Frage, ob durch die Einwirkung auf die (initiale) Verteilung von Rechten und Pflichten bzw. auf die Gestaltung der Verfahren Transaktionskosten gemindert werden können und somit die tatsächliche Allokation der hypothetisch effizienten angenähert werden kann, Reibungsverluste also minimiert werden können39.

VI. Unvollständige und asymmetrische Information Neben der Transaktionskostenfreiheit sind Märkte im Grundmodell der Klassik und Neoklassik gekennzeichnet durch vollständige Information, d. h. jeder Marktteilnehmer kennt alle für seine Entscheidungen relevanten Daten und ist darüber hinaus in der Lage, diese adäquat zu verarbeiten40. Unbestritten ist dieses Kriterium in der Realität nie vollständig erfüllt. Kein Marktakteur besitzt vollständige Kenntnis aller relevanten Parameter oder ist doch nicht in der Lage, sie angemessen zu verarbeiten. Es liegt eingeschränkte Rationalität (bounded rationality) vor41. Unvollständige Information stellt für sich genommen noch keine Beeinträchtigung der Marktfunktionen bei der Verwirklichung einer pareto-effizienten Ressourcenallokation dar. Versteht man Information als Gegenbegriff zu Risiko, wird ein Informationsdefizit von den Parteien als zusätzliches Risiko berücksichtigt und bewertet42. Völlig anders gestaltet sich die Lage, wenn nicht nur unvollständige Information vorliegt, sondern diese gleichzeitig zwischen den Parteien ungleich verteilt ist (Asymmetrische Information). Hiermit verbunden ist die Gefahr opportunistischen Verhaltens, zu verstehen „als Bereitschaft zu Normverletzungen um des eigenen Vorteils willen“43. Opportunistisches Verhalten tritt auf, wenn eine Partei versucht,

38 Vgl. Williamson, Journal of Law and Economics 22 (1979), 233 (239 f.). Beispiel ist etwa ein Arbeitnehmer, der während seiner Beschäftigung für ein Unternehmen spezifisches Wissen angesammelt hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses würde aus Sicht der Unternehmung zusätzliche Kosten der Einarbeitung eines Nachfolgers generieren, der Arbeitnehmer seinerseits müsste – mindestens bis zum Ende der Einarbeitungszeit – Gehaltseinbußen bei einem neuen Arbeitgeber hinnehmen, weil seine Leistung unspezifisch ist. 39 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 143. 40 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 93. 41 Vgl. Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 13 f.; Fleischer, FS Immenga, 575 (576 ff.); Wagner, in: MünchKommBGB, Vor § 823 Rn. 60. 42 Vgl. Spremann, ZfB 60 (1990), 561 (562). 43 Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 133; Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 419; vgl. auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 13 mit dem zutreffenden Hinweis, dass die drastische Sprachregelung der

VI. Unvollständige und asymmetrische Information

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auf Kosten der anderen Seite einen Vorteil zu erlangen, den die Parteien in ihrer ursprünglichen Vereinbarung weder explizit noch implizit in Erwägung gezogen haben44. Strukturell lassen sich dabei Qualitätsunsicherheit (hidden characteristics), hold up und moral hazard unterscheiden. Qualitätsunsicherheit in einer Vertragsbeziehung liegt vor, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nur eine Partei Kenntnis über ein relevantes Merkmal besitzt45. Die hiermit verbundenen Folgen für den Einzelvertrag wie den Gesamtmarkt sind dramatisch. Unter der Annahme, dass das entsprechende vertragsrelevante Merkmal nur zwei Ausprägungen (beispielsweise gut/schlecht) annehmen kann, ist die schlechter informierte Vertragsseite gezwungen, den Durchschnittspreis zu Grunde zu legen46, da sie aufgrund ihrer bestehenden Informationsdefizite lediglich weiß, dass generell zwei Qualitäten im Markt angeboten werden, nicht aber welcher Qualitätsklasse der konkrete Vertragsgegenstand zugehört. Der Käufer preist also ein, dass es sich mit Wahrscheinlichkeit p um einen Gegenstand hoher Qualität und mit der Gegenwahrscheinlichkeit (1-p) um einen Gegenstand niedriger Qualität handelt. Aufgrund des annahmegemäßen Fehlens weitergehender Informationen sind beide Qualitätsausprägungen gleichwahrscheinlich. Jeder derartige Einzelvertrag ist ökonomisch nicht effizient, weil Leistung und Gegenleistung nicht dem gebildeten Erwartungsnutzen der schlechter informierten Vertragsseite entsprechen. Noch schwerwiegender sind die Effekte für den Gesamtmarkt. Legt die schlechter informierte Nachfrageseite grundsätzlich den Durchschnittspreis zu Grunde, erzielen die Anbieter besserer Qualität, Bonität etc. nicht die eigentlich angemessene Gegenleistung. Die Anbieter guter Qualität besitzen damit einen starken Anreiz, die Ware einer Alternativnutzung zuzuführen, anstatt sie am Markt anzubieten. In Akerlofs berühmtem und nobelpreisprämiertem47 Beispiel des KfZ-Gebrauchtwagenmarktes nutzen die Besitzer qualitativ hochwertiger Gebrauchtwagen diese Fahrzeuge für den persönlichen Gebrauch, wodurch sie in der Lage sind, den tatsächlichen Gebrauchswert des Fahrzeugs zu realisieren, und nicht auf den ein Verlustgeschäft darstellenden Verkauf am Markt zum Durchschnittspreis angewiesen sind. Die Anbieter hoher Qualität ziehen sich deshalb nach und nach vom Markt zurück. Gleichzeitig drängen zusätzliche Anbieter niedrigerer Qualität in den Markt, die darüber hinaus einen starken Anreiz besitzen, die bereits niedrige Qualität weiter zu verschlechtern. In dieser

Ökonomie nicht zu dem Missverständnis verleiten darf, opportunistisches Verhalten sei allein vorsätzliches oder betrugsähnliches Verhalten. 44 Vgl. Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (138). 45 Vgl. Spremann, ZfB 60 (1990), 561 (566 f.); Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 420; Whincop, in: Ramsay, 42 (47). 46 Vgl. Hirshleifer, Am. Econ. Rev. 63 (1973) P & P, 33 (36 f.). 47 Genau genommen handelt es sich nicht um einen echten Nobelpreis, sondern den Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel.

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Situation liegt adverse Selektion vor und es entsteht der Markt für Zitronen (market for lemons)48. Hold-up hingegen liegt vor, wenn die besser informierte Partei Vertragslücken ex post opportunistisch zu ihren Gunsten ausnutzt. Es liegt Unsicherheit über das Verhalten einer Partei bei der Vertragsausführung vor. Kennzeichnend für hold-up ist, dass es im Zeitablauf zu Tage tritt und damit auch von der Vertragsgegenseite beobachtet werden kann. Beispiel sind etwa hohe und in einem Kreditvertrag nicht berücksichtigte Entnahmen durch die Gesellschafter einer Schuldnerin, die die Rückzahlungswahrscheinlichkeit eines Kredits senken49. Moral Hazard liegt schließlich vor, wenn wiederum Unsicherheit über das Verhalten einer Partei besteht, gleichzeitig aber auch ex post nicht überprüft werden kann, ob sich die Vertragsgegenseite opportunistisch verhalten hat50.

VII. Theorie der Unternehmung Die klassische Mikroökonomie betrachtet die Unternehmung als Blackbox, also als eine Wirtschaftseinheit mit einem einheitlichen Willen und somit auch einer gemeinsamen Zielfunktion von Kapitaleignern, Management und Arbeitnehmern. Trotz der verschiedenen Interessen dieser Gruppen wird angenommen, dass alle gemeinsam den Gegenwartswert der Firma zu maximieren suchen51. Die Theorie der Unternehmung (theory of the firm) betont demgegenüber, dass eine Unternehmung eine Summe von Verträgen (nexus of contracts) zwischen verschiedenen Produktionsfaktoren ist52. Dieses Verständnis erscheint auf den ersten Blick artifiziell, wird eine Unternehmung doch faktisch als etwas physisch Reales wahrgenommen. Bedeutung gewinnt die Betonung des Vertragscharakters der Unternehmung dadurch, dass sie die Aufmerksamkeit darauf lenkt, dass im Rahmen einer Unternehmung verschiedene Personen(gruppen) zusammengefasst sind, die sich anderenfalls am Markt antagonistisch als Parteien eines Austauschvertrages 48

Vgl. Akerlof, Journal of Quarterly Economics 84 (1970), 488 (489); Spremann, ZfB 60 (1990), 561 (574 f.); Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 121 ff.; Franke/ Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 420; Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 589 ff.; Halpern/Turnbull/Trebilcock, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (141 f.). 49 Vgl. Spremann, ZfB 60 (1990), 561 (583); vgl. hierzu auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 140 f.; Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 596 f. 50 Vgl. Spremann, ZfB 60 (1990), 561 (572); Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (140 f.). 51 Vgl. Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976), 305 (306 f.); Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, S. 15. 52 Vgl. Fama/Jensen, Journal of Law and Economics 26 (1983), 301 (302); Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976), 305 (310 f.); Kraakman, Yale L. J. 93 (1984), 857 (862 ff.); vgl. auch Adams, AG 1990, 243 (246); ders., Ökonomische Theorie des Rechts, S. 232; Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1042 f.); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 10 f.

VII. Theorie der Unternehmung

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gegenüber stünden. Dies leitet über zu der Frage, wieso die Organisationseinheit Unternehmung überhaupt gegründet wird. Die Koordinationsfunktion, die die verschiedenen Ebenen der Geschäftsleitung bei der betriebsinternen Allokation der zur Verfügung stehenden Inputfaktoren leistet, kann hierfür nicht allein ausschlaggebend sein, leistet doch der Preismechanismus theoretisch Gleiches, ohne dass es eines Zurückgreifens auf eine Organisation bedürfte53. Coase, auch auf dem Gebiet der Theorie der Unternehmung der maßgebende Pionier, sieht, ohne Anspruch auf Monokausalität zu erheben, in der Existenz von Transaktionskosten die entscheidende Triebfeder, die Akteure dazu veranlasst, sich in Unternehmen zusammenschließen. Die Unternehmung als hierarchische Institution entsteht, wenn die Transaktionskosten einer Vertragsbeziehung höher sind als die Kosten, die bei Planung, Durchführung, Bewertung und Kontrolle des arbeitsteiligen Prozesses in Hierarchien (also Unternehmen) entstehen54. Alchian and Demsetz hingegen sehen die Ursache der Integration von Verträgen im Problem der Messbarkeit im Falle von Teamarbeit sowie der Drückebergerei (shirking)55. In der neueren Lehre wird sie insbesondere als eine Antwort auf Principal-Agent-Probleme begriffen56. Wiedemann hat unlängst den Nutzen dieser „modischen“ Analyse für das Gesellschaftsrecht in Frage gestellt mit der Erwägung, dass „ein dinglich verfestigtes Sondervermögen […] sich auch gedanklich nicht durch eine Unzahl von Vertragsabsprachen nachahmen [lässt]“57. Das nimmt dem Analyseinstrument jedoch nicht seine Bedeutung. Die Theorie der Unternehmung nimmt nicht für sich in Anspruch, dass durch das Verständnis der Unternehmung als einer Summe von Verträgen die Existenz eines Sondervermögens begründet werden könnte. Rechtsfähigkeit wird von der Institution verliehen, die Rechte zuweist und im Konfliktfall durchsetzt. Wenn die Theorie der Unternehmung demgegenüber den Vertragscharakter einer Gesellschaft bzw. Unternehmung in den Mittelpunkt rückt, geschieht dies, um aufzuzeigen, dass die Gesellschaft als wirtschaftende Einheit nicht gedacht werden kann ohne die auf verschiedene Weise an ihr Beteiligten. Auch ein rechtlich verselbständigtes Sondervermögen hat weder einen eigenen Willen noch ein eigenes Interesse. Selbst wenn man den Willen der Unternehmung aus dem satzungsmäßig bestimmten Unternehmensgegenstand ableitet, ändert sich hieran nichts, ist doch dieser „Wille“ nicht mehr als ein Kompromiss der Willensbetätigungen der Grün53

Vgl. Alchian/Demsetz, Am. Econ. Rev. 62 (1972), 777 (777); Coase, The Nature of the Firm, S. 34 ff. 54 Vgl. auch Willliamson, Journal of Law and Economics 22 (1979); 233 (233); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 643 f.; Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 23 ff. 55 Vgl. auch Alchian/Demsetz, Am. Econ. Rev. 62 (1972), 777 (783); ähnlich auch Posner, Duke L. J. 58 (2009), 1013 (1015); hierzu auch Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 22. 56 Vgl. hierzu sogleich. 57 Vgl. Wiedemann, ZGR 2006, 240 (243); kritisch auch Finch, Oxford Journal of Legal Studies 17 (1997), 227 (243): Vertragsperspektive sei artifiziell; Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (683 f.) unter Hinweis auf den organisationsrechtlichen Charakter von Gesellschaftsverträgen.

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dungsgesellschafter. Noch mehr muss dies gelten im Bereich des Kapitalgesellschaftsrechts, wo die Führung der Gesellschaft nicht in den Händen der faktischen Unternehmensträger liegt, sondern in denen von diesen verschiedener Fremdorgane. Aus dem Kompromisscharakter des Unternehmensgegenstandes, also des gemeinsamen Zwecks des Gesellschaftsrechts, auf eine Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu schließen, mit der Idee, dass es ein Wille ist, der von den Einzelwillen divergiert, erscheint zwar möglich, wäre aber noch artifizieller als die kritisierte nexus of contracts-Betrachtung. Wäre das einem Gesellschaftsvertrag stets immanente Kompromisselement Wesensmerkmal eines rechtlich beachtlichen eigenständigen Willens, ließe sich auch jedem Vertrag ein eigener Wille attestieren. Die im vorliegenden Kontext der Haftung von Geschäftsleitern entscheidende Erkenntnis der Theorie der Unternehmung ist, dass sich Individuen mit Eintritt in die Organisation Unternehmen nicht etwa ihrer Individualität begeben und sich mit bedingungsloser Loyalität mit aller Kraft dem Ziel der Maximierung des Nettogegenwartswerts der Unternehmung verschreiben, sondern Anreize besitzen, ihr eigenes höchstpersönliches Interesse zu verfolgen58. Konsequenz für den Gesetzgeber, der mit der Intention handelt, das Auftreten der Gesellschaft im Rechtsverkehr zu beeinflussen, ist, dass strukturell zwei mögliche Adressaten zur Verfügung stehen59. Einerseits kann man die Unternehmung selbst in die Pflicht nehmen, wie es etwa geschieht, wenn Ansprüche gegen sie begründet werden (enterprise liability)60. Unternehmensintern folgt hierauf eine den Beteiligten überlassene Verteilung der hiermit verbundenen Kosten61. Die Unternehmung wird veranlasst, ein wirkungsvolles Überwachungs- und Kontrollsystem zu etablieren, um Pflichtverstöße der Verwaltungsmitglieder zu minimieren62. Alternative ist die direkte Adressierung der in weitem Sinne an einem Unternehmen Beteiligten (Stakeholder). Ihre Zielfunktion wird angesprochen und damit mittelbar das Verhalten der Gesellschaft gelenkt63. Die Möglichkeit, nicht nur die Gesellschaft als Rechtsträger, sondern auch Geschäftsleitung, Arbeitnehmer etc. für die Erfüllung bestimmter Verhaltensstandards in die Pflicht zu nehmen, erlangt gerade in Krise und Insolvenz besondere Bedeutung. Die abgewickelte juristische Person steht nicht mehr als Adressat eines Verhaltensstandards und Kompensationsobjekt für Ansprüche zur Verfügung. Die Verpflichtung der natürlichen Personen, die für die Gesellschaft handeln, wird damit zur Notwendigkeit, will man auf das Verhalten der Unternehmung Einfluss nehmen. Die Kenntnis der Motivationslagen der betreffenden Gruppen erleichtert dem Gesetzgeber ihre Ansprache durch Anreize und Sanktionen. 58

Vgl. Jensen, Journal of Applied Corporate Finance 7 (1994), 40 (40 ff.). Vgl. Kraakman, Yale L. J. 93 (1984), 857 (857); Fleischer, ZGR 2004, 437 (444). 60 Vgl. Kraakman, Yale L. J. 93 (1984), 857 (858 ff.); Stone, Yale L. J. 90 (1980), 1 (1 ff.). 61 Vgl. Stone, Yale L. J. 90 (1980), 1 (10). 62 Vgl. Fleischer, ZGR 2004, 437 (444); Kraakman, Yale L. J. 93 (1984), 857 (858 f.); Stone, Yale L. J. 90 (1980), 1 (10). 63 Vgl. Kraakman, Yale L. J. 93 (1984), 857 (857); Stone, Yale L. J. 90 (1980), 1 (7 ff.). 59

VIII. Principal-Agent-Theorie

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VIII. Principal-Agent-Theorie Kapitalgesellschaften sind nicht allein durch Haftungsbeschränkung gekennzeichnet, sondern auch dadurch, dass nach der Legaltypik Gesellschafterstellung und Leitung der Gesellschaft auseinanderfallen. Die hiermit verbundenen Gefahren hat bereits Adam Smith in einer berühmten und vielzitierten Kritik zusammengefasst: „Von den Direktoren einer solchen Gesellschaft (Aktiengesellschaft, A.d.V.), die ja bei weitem eher das Geld anderer Leute als ihr eigenes verwalten, kann man daher nicht gut erwarten, dass sie es mit der gleichen Sorgfalt einsetzen und überwachen würden, wie es die Partner in einer privaten Handelsgesellschaft mit dem eigenen zu tun pflegen. Wie die Verwalter eines reichen Mannes halten sie Sorgfalt in kleinen Dingen gerne für etwas, was sich mit dem Ansehen ihres Herrn nicht vertrage, so dass sie es damit auch nicht sehr genau nehmen. Daher müssen Nachlässigkeit und Verschwendung in der Geschäftsleitung stets mehr oder weniger vorherrschen“64. Der systematischen Erfassung der damit verbundenen Konflikte widmet sich die Principal-Agent bzw. Agententheorie. Als Principal-Agent-Beziehung wird ein Vertrag bezeichnet, in dem eine oder mehrere Personen, der bzw. die Prinzipal(e), eine andere Person, den Agenten, engagiert, damit letzterer Teile der eigentlich dem Prinzipal anfallenden Aufgaben erledigt, wobei diese Übertragung beinhaltet, dass auch Entscheidungsrechte delegiert werden65. Weiteres Wesensmerkmal ist darüber hinaus eine in doppelter Hinsicht asymmetrische Informationsverteilung. Einerseits kann der Prinzipal die Tätigkeit des Agenten nicht unmittelbar beobachten. Andererseits macht der Agent Beobachtungen, die dem Prinzipal vorenthalten bleiben66. Dem Agenten steht damit ein gewisser diskretionärer Entscheidungs- und Verhaltensspielraum offen67. Klassischer Fall einer solchen Prinzipal-Agent-Beziehung ist das Auseinanderfallen von Eigentum und Kontrolle bzw. von Management und Risikotragung, wie sie regelmäßig in einer kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaft zu finden ist68. Unter der gleichzeitigen Annahme individueller Erwar64

Vgl. Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 629 f. Vgl. Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976), 305 (308); Bamberg/Coenenberg, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 162 ff.; kritisch Wiedemann, ZGR 2006, 240 (244 f.), der allerdings wohl die deskriptive Bedeutung anerkennt und ihr allein die Eignung zur Lösung normativer Fragestellungen abspricht. Kritisch auch Hopt, ZHR 171 (2007), 199 (211) unter Verweis auf die unterschiedlichen idealtypischen Aktionärsstrukturen in Deutschland einerseits und den USA und Großbritannien andererseits. 66 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 138; Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 425; Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 13 ff.; vgl. auch Ribstein, The Nature of the Fiduciary Relationship, S. 10 ff. 67 Vgl. Bamberg/Coenenberg, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 169. 68 Grundlegend Berle/Means, The Modern Corporation & Private Property. Vgl. auch Fama, J. Pol. Econ. 88 (1980), 288 (289); Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 421; Bamberg/Coenenberg, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 169; Franke/ Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 425; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 645; Coffee, Cornell L. Rev. 89 (2004), 269 (272 ff.); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 11; Ribstein, The Nature of the Fiduciary Relationship, 65

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tungsnutzenmaximierung und asymmetrischer Information resultieren aus dieser Beziehung Konflikte, da die Interessen von Prinzipal und Agent nicht deckungsgleich sind69, der Prinzipal aber nicht in der Lage ist, zu überprüfen, ob sich der Agent vertragsgemäß verhält70. Aus diesem latenten oder virulenten Antagonismus entstehen Vertretungs- bzw. Agenturkosten (agency costs)71. Diese setzen sich zusammen aus den Ausgaben für die Organisation der Beziehung, ihre Überwachung, die Bindung des Agenten sowie dem Outputverlust, der aus dem Umstand resultiert, dass der entsprechende Vertrag nicht vollständig umgesetzt wird, weil die Kosten der vollständigen Umsetzung ihren Nutzen überschreiten und in Konsequenz der Agent immer von den vertraglichen Vorgaben abweicht72. Mit Blick auf den betroffenen Personenkreis lassen sich Agenturkosten in zwei Gruppen unterteilen. Erste Gruppe bilden die erwähnten Kosten, die aus einer Trennung von Eigentum und Kontrolle entstehen, die sogenannten Agenturkosten des Eigenkapitals (managerial agency costs)73. Da Gegenstand der vorliegenden Arbeit das Verhältnis von Gläubigern und – grob formuliert – Gesellschaft ist, bleiben diese im Weiteren ausgeblendet, sofern nicht ausnahmsweise die Trennung von Eigentum und Kontrolle Wirkungen auch im Verhältnis der Unternehmung zu ihren Gläubigern entfaltet74. Von zentraler Bedeutung für dieses Verhältnis sind vielmehr die sogenannten Agenturkosten des Fremdkapitals (financial agency costs)75. Kapitaleigner der in einer Gesellschaft eingesetzten Fremdmittel sind die Gläubiger. Diese begeben sich für den Zeitraum der Kreditierung ihrer Dispositionsbefugnis bezüglich der überlassenen Mittel zu Gunsten der Geschäftsleitung der Schuldnerin. Auch ein Fremdkapitalgeber sieht sich damit der Gefahr opportunistischen Verhaltens durch die Geschäftsleitung ausgesetzt. Anders als einem EigenS. 10 ff.; monographisch für die deutsche AG Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns. Zur aktuellen US-amerikanischen Debatte um die (heutige) Validität der Berle-Means-These vgl. etwa Cheffins/Bank, Is Berle and Means Really a Myth? S. 1 ff. 69 Vgl. Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976), 305 (308); vgl. auch Adams, AG 1990, 63 (63 f.); Ribstein, The Nature of the Fiduciary Relationship, S. 7 ff. Die Existenz eines AgencyKonflikts – aus Sicht des „M&A-Powerhouse“ Wachtell, Lipton, Rosen & Katz – für die Praxis verneinend Lipton/Savitt, Virginia L. Rev. 93 (2007), 733 und aus der Wissenschaft insbesondere der „director primacy“-Ansatz, vgl. vor allem Bainbridge, Shareholder Activism and Institutional Investors, S. 7: „[…] corporate law academics are far too preoccupied with agency costs“. 70 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 138 f. 71 Vgl. Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (179). 72 Vgl. Fama/Jensen, The Journal of Law and Economics 26 (1983), 301 (304 f.); Jensen/ Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976), 305 (308); Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 16. 73 Vgl. Armour, Capital Maintenance, S. 6 ff.; Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1047); ders., ZGR 2007, 168 (179 f.); Fama, J. Pol. Econ. 88 (1980), 288 (289); Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 421; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 645 f. 74 Vgl. auch Tung, The Death of Corporate Contract, S. 9 f. 75 Grundlegend Smith/Warner, J. Fin. Econ. 7 (1979), 117 (117 ff.). Vgl. Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (180).

IX. Modigliani-Miller und die Irrelevanz der Finanzierungsentscheidung

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kapitalgeber ist es einem Fremdkapitalgeber darüber hinaus nicht möglich, auf die mitgliedschaftlichen Verwaltungs- und Kontrollrechte zurückzugreifen. Vielmehr besteht zunächst Bedarf nach privatautonomer Lösung durch Bonding, Überwachung etc.76. Genügen diese Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger nicht, so ist ein gesetzliches Gläubigerschutzregime gehalten, diese Agenturkosten zu minimieren77.

IX. Modigliani-Miller und die Irrelevanz der Finanzierungsentscheidung Einen nicht zu unterschätzenden Parameter bei der Frage nach einem optimalen Gläubigerschutzniveau stellt der mit der konkreten Finanzierungsentscheidung verbundene Verschuldungsgrad des Unternehmens dar. Das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital bestimmt maßgeblich, wer eventuell erwirtschaftete Überschüsse in Form von Ausschüttungen oder Zinsen vereinnahmen darf bzw. etwaige Verluste in Form ausbleibender Ausschüttungen bzw. Kreditausfällen zu tragen hat. Der Rückgriff auf die Erkenntnisse der Finanzierungstheorie ermöglicht in diesem Zusammenhang eine Aussage, ob es Finanzierungsformen bzw. Kapitalstrukturen gibt, die sich als ineffizient erweisen bzw. ob Gestaltungen der Finanzierungsbeziehung denkbar sind, die mit besonderen Risiken für Gläubiger verbunden sind und damit ein Bedürfnis nach gesetzlichem Gläubigerschutz induzieren. In diesem Zusammenhang versuchen Finanzierungsregeln, ausgehend von einem gegebenen Investitionsprogramm, eine optimale Kapitalstruktur zu bestimmen, die dem Ziel dient, bei gegebener Vermögensstruktur die Kapitalstruktur so zu gestalten, dass die Zahlungsfähigkeit langfristig gesichert ist78. Unterschieden werden kann zwischen vertikalen Kapitalstrukturregeln, die die Passivseite der Bilanz isoliert betrachten, und horizontalen Finanzierungsregeln, die Vermögens- und Kapitalstruktur gemeinsam in den Blick nehmen79. Besondere Bedeutung haben in der Vergangenheit die goldene Finanzierungsregel und die goldene Bilanzregel erlangt, die jeweils eine Fristenkongruenz zwischen Finanzmittelbindung auf der Aktivseite und Finanzmittelverfügbarkeit auf der Passivseite in den Blickpunkt stellen80. Wenn auch die goldene Finanzierungsregel und ihr verwandte Konzepte in reiner Form kaum noch vertreten werden, finden sich die ihnen zugrunde liegenden Ideen in variierter Form nach wie vor in Betriebswirtschaftslehre und Rechtswissenschaft. So baut etwa die umstrittene Frage der materiellen Unterkapitalisierung logisch auf der 76

Vgl. Armour, Capital Maintenance, S. 6 ff.; Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1048 f.); R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 62; vgl. auch Sester, ZGR 2006, 1 (8 f.). 77 Vgl. Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (180). 78 Vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 657. 79 Vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 657. 80 Vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 659 f.

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§ 2 Rechtsökonomische Grundlagen

Annahme auf, dass es ein in Relation zum Geschäftsumfang optimales, objektiv bestimmbares Eigenkapitalniveau gibt. In der wirtschaftspolitischen Debatte begegnen Abarten der goldenen Bilanzregel bei der Diskussion um die tatsächliche oder behauptete Eigenkapitallücke, die ebenfalls voraussetzt, dass ein höheres Eigenkapital eine Notwendigkeit darstellt81. In Frage gestellt wurden diese, dem Traditionsstrang der „Betriebswirtschaft als Kunstlehre“ entstammenden Finanzierungsregeln durch die bahnbrechende Arbeit Modiglianis und Millers, die von ihren Befürwortern wie Gegnern einheitlich als der „Beginn der modernen Finanzierungstheorie schlechthin“ gekennzeichnet worden ist82. Modigliani und Miller zeigen, dass unter der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarkts, d. h. einem Kapitalmarkt, der gekennzeichnet ist durch Rationalverhalten der Marktteilnehmer, Mengenanpasserverhalten sowie Abwesenheit von Transaktions- und Informationskosten83, die Entscheidung zwischen Fremd- und Eigenfinanzierung für den Marktwert des Unternehmens irrelevant ist84. Hinter diesem grundlegenden Befund steht eine einfache Arbitrageüberlegung. Existieren zwei Unternehmen, die gleiche ungewisse Zahlungsströme zu generieren vermögen, sich aber in ihrer Finanzierungsweise – idealtypisch Fremd- vs. Eigenfinanzierung – unterscheiden, können, da identische Zahlungspositionen auf perfekten Kapitalmärkten identische Preise besitzen, Unterschiede im Marktwert nur Resultat der jeweiligen Finanzierungsentscheidung sein85. Besitzen Unternehmen, die sich ausschließlich in der Art der Finanzierung unterscheiden, unterschiedliche Preise, setzen Arbitrageoperationen ein, die diesen Preisunterschied in nicht wahrnehmbaren Bruchteilen von Sekunden beseitigen86. Der Marktwert eines Unternehmens ist also bei Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung identisch. Mit der Annahme vollständiger, perfekter Kapitalmärkte legt das ModiglianiMiller-Theorem nicht anders als das Coase-Theorem sehr restriktive Voraussetzungen zu Grunde. Bereits das Auftreten von Finanzintermediären – etwa Geschäftsbanken und Pensionsfonds – indiziert, dass auch hochmoderne Kapitalmärkte nicht perfekt in diesem Sinne sind. In gleicher Weise wie das Coase-Theorem offenbart jedoch auch das Modigliani-Miller-Theorem verschiedene Einsichten in die 81 Vgl. hierzu Kühnberger, Der Jahresabschluss, S. 393 ff. A.A. Kuntz, ZIP 2008, 814 (815), dem zu Folge die Diskussion um die Eigenkapitallücke Investitionsprobleme zum Gegenstand hat. 82 Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 61; vgl. auch Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 27 ff.; Heine/Röpke, RabelsZ 70 (2006), 137 (152). 83 Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 61 f.; Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 532 ff.; Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (126 f.). 84 Modigliani/Miller, Am. Econ. Rev. 48 (1958), 261 (261 ff.); vgl. Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (31). 85 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 29; Breuer, Finanzierungstheorie, S. 61 ff. 86 Vgl. Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 536 ff.

IX. Modigliani-Miller und die Irrelevanz der Finanzierungsentscheidung

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Natur eines Finanzierungskontrakts. Es illustriert zunächst mit aller Deutlichkeit, dass Forderungs- und Beteiligungstitel Partizipation an den gleichen, unsicheren Zahlungsströmen verbriefen87. Ein Kredit wird nicht primär mit Blick auf das bilanziell ausgewiesene Vermögen der Gesellschaft im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewährt, sondern in Relation zu den künftigen, erwarteten Einzahlungsüberschüssen88. Damit verdeutlicht es gleichzeitig, dass die Hauptrisikokomponente des Kreditgebers nicht ein bestimmter Verschuldungsgrad ist, sondern das Risiko der künftigen Einzahlungen89. Dieses exogene, also den Parteien des Finanzierungskontrakts vorgegebene Risiko, das technologische Risiko, trifft Fremd- und Eigenkapital nach der Intention des Vertrages gleichermaßen90. Ökonomische Unterscheidungsmerkmale zwischen Fremd- und Eigenkapital sind somit allein die Priorität des Fremdkapitals sowie die grundsätzliche juristische Erzwingbarkeit der Forderung, die es den Kreditgebern ermöglicht, ihre Ansprüche nicht nur gegen einen etwaigen Ertrag der Unternehmung, sondern auch gegen ihre Substanz durchzusetzen91. Die Eigenkapitalziffer „degeneriert“ faktisch zu einer risikomindernden Position – nicht anders als eine Kreditsicherheit92. In Abgrenzung hierzu wird in der Rechtswissenschaft Eigenkapital definiert als dauerhafte und geplante Vermögensüberlassung durch die Gesellschafter (Investitionsfunktion), seine Verlustbeteiligung (Haftungsfunktion) und seine Gewinnabhängigkeit (Nutzungsfunktion), d. h. durch das Fehlen einer festen Zinsvereinbarung93. Entscheidender Unterschied zu den vorherigen Ausführungen ist, dass dem Fremdkapital nicht dezidiert eine Verlustbeteiligungsfunktion zugewiesen wird. Dass diese Unterscheidung nicht rein begrifflicher Natur ist, wird deutlich, sobald man die Ebene des Gläubigerschutzes betritt. So stellt etwa Wiedemann fest, dass „wer nicht am Gewinn beteiligt wird, auch nicht mit dem Verlust des eingesetzten Kapitals zu rechnen [braucht]; oder umgekehrt formuliert: Gesellschafter, die Gewinnaussichten für sich beanspruchen, dürfen die Verluste nicht zu sozialisieren suchen“, um sodann zu ergänzen, dass „der typische Kreditgeber […] gerade auf die Sicherheitsfunktion des Eigenkapitals [vertraut] und darauf, dass ihn dass Ausfallrisiko nur an letzter Stelle trifft“94. Keine 87 Vgl. R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (188); aus dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum etwa Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 122. 88 Vgl. auch Adams, Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte, S. 44. Anders etwa der praktische Befund von Weitnauer, BKR 2005, 43 (48) der zwischen klassischer Kreditvergabe und Venture Capital-Finanzierung unterscheidet. Nur bei letzterer sei Voraussetzung des Darlehens der wirtschaftliche Erfolg des Projekts. 89 Vgl. auch R. H. Schmidt, ZfB 54 (1984), 717 (718 f.). 90 Vgl. R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (205); Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (127). 91 Zu letzterem vgl. Schwieters, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 14. 92 Allerdings mit der Besonderheit, dass die Gesamtheit der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen abgesichert wird. 93 So etwa Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 244. 94 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 I 1 a), S. 515.

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§ 2 Rechtsökonomische Grundlagen

Divergenz besteht bezüglich der Feststellung, dass die Gläubiger der Gesellschaft das Ausfallrisiko nur an letzter Stelle treffen soll und trifft. Dies ist Grundlage einer Fremdfinanzierung und wird in der Praxis gesichert durch die Prioritätsregel. Ökonomisch nicht gefordert ist hingegen ein notwendiger Konnex zwischen Anspruch auf Residualgewinn und Verlusttragungspflicht. Die Festlegung der genauen Konditionen ist den Parteien überlassen, die diese anhand ihrer individuellen Renditeerwartungen und Risikopräferenzen bestimmen. Die Vereinbarung eines besonders hohen Zinssatzes führt beispielsweise dazu, dass der Kreditgeber einem Eigenkapitalgeber gleich am unternehmerischen Erfolg der Schuldnerin beteiligt ist. Werden durch erfolgreiche Geschäftstätigkeit hohe Einzahlungen erreicht, partizipiert der Kreditgeber aufgrund seines umfänglichen Zinsanspruches hieran in besonderer Weise. Umgekehrt gilt allerdings auch, dass für den Fall der Insolvenz der Schuldnerin seine Verluste in Form ausgereichter Valuta und angelaufener Zinsschulden sehr hoch ausfallen. Während die grundlegende Aussage des Modigliani-Miller-Theorems unter den gemachten Annahmen im finanzwirtschaftlichen Schrifttum unbestritten ist, vermag das neoklassische Finanzierungsmodell weder die Existenz von Institutionen und Finanzintermediären zu erklären95 noch die Existenz der Vielzahl unterschiedlicher Kapitalisierungsgrade, die in der Praxis zu beobachten sind. Zwar sind diese real zu beobachtenden Phänomene nicht grundsätzlich unvereinbar mit den Ergebnissen von Modigliani und Miller, handelt es sich doch bei ihrer Kernthese um ein Irrelevanztheorem. Jedoch müssten die aufwendig bestimmten Kapitalisierungsgrade dann quasi als Laune des Kredit- und Kapitalmarktes verstanden werden96. Schon frühzeitig hat deshalb das finanzwirtschaftliche Schrifttum in Auseinandersetzung mit dem Modigliani-Miller-Theorem nach Ursachen für real zu beobachtende bestimmte Kapitalisierungsgrade gesucht. Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung sind hier in der gebotenen Kürze darzustellen, werden doch in ihrem Rahmen besondere Risiken für Gläubiger identifiziert, die nicht im Finanzierungskontrakt vorweggenommen sind und somit die Grundlage eines ökonomisch legitimierten Gläubigerschutzes zu bieten vermögen. Ein erster die Finanzierungsentscheidung beeinflussender Faktor ist die Existenz eines Steuersystems97. Ein zunehmender Grad an Fremdfinanzierung bedingt einen niedrigeren Gewinnausweis. Ertragsabhängige Steuern, im Falle der Kapitalgesellschaft also insbesondere die Körperschaftssteuer, sind folglich Funktionen des Verschuldungsgrades der Unternehmung98. Durch Fremdfinanzierung ist es einer Kapitalgesellschaft somit möglich, die Steuerlast zu mindern. Konsequenz müsste 95 Auf vollkommenen Kapitalmärkten existieren mangels Bedarfs – fehlende Transaktionskosten und Informationskosten – keine Intermediäre, die Angebot und Nachfrage zusammenführen müssten. Vgl. Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 458. 96 Vgl. Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 521 f. 97 Vgl. Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (31). 98 Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 91.

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ein besonders hoher Grad an Fremdfinanzierung sein. Praktisch wird die Bedeutung solcher Tax-Shield-Effekte der Fremdfinanzierung dadurch gemindert, dass die Zinsen auf die Erträge als Einkommen bei den natürlichen Personen nachbesteuert werden. Theoretisch spricht zudem gegen die Relevanz der steuermindernden Bedeutung der Fremdfinanzierung, dass eigentlich eine Randlösung – 100 %-ige Fremdfinanzierung – die Folge sein müsste, die in der Praxis nicht beobachtet werden kann99. Zweites in die Diskussion um die Erklärung realer Kapitalisierungsgrade eingeführtes Momentum ist die Existenz von direkten und indirekten Insolvenzkosten (bankruptcy costs). Direkte Insolvenzkosten sind die aus der Eröffnung und Durchführung eines Insolvenzverfahrens herrührenden zusätzlichen Abwicklungskosten (Gebühren, Honorare etc.), unter indirekten Insolvenzkosten werden Umsatzeinbußen und Abwanderungseffekte zusammengefasst100. Mit der Zunahme des Verschuldungsgrades steigt c.p. die Zahl der Umweltzustände, in denen die Gesellschaft zahlungsunfähig wird. Der negative Marktwert der direkten und indirekten Insolvenzkosten steigt folglich mit zunehmenden Verschuldungsgrad101. Das Zusammentreffen der beiden gegenläufigen Effekte, Tax-Shield-Effekt und Insolvenzkosten, vermag theoretisch einen optimalen Verschuldungsgrad unter dem Gesichtspunkt der Marktwertmaximierung zu generieren102. Allerdings wird insbesondere für die Insolvenzkosten bezweifelt, ob sie umfänglich genug sind, um statistisch signifikant zu sein103. Wegen der beschränkten Aussagekraft dieser Erklärungen für reale Verschuldungsgrade versuchen neoinstitutionalistische Ansätze der Finanzierungstheorie, ausgehend von der Annahme unvollkommener realer Kapitalmärkte im Allgemeinen und unvollständiger, also vor allem asymmetrischer Information zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern im Besonderen, Kapitalisierungsregeln zu entwickeln104. Für die rechtsökonomische Frage der optimalen gesetzlichen Flankierung der Gläubiger-Schuldner-Beziehung sind diese Gesichtspunkte von besonderer Bedeutung, weil sie Einsichten bezüglich möglicher Ineffizienzen der Marktlösung vermitteln. Sie identifizieren die potentiellen, über das technologische Risiko hinausgehenden Risiken, die in einer Kreditbeziehung auftreten können und können im Weiteren verwendet werden für die Frage, inwieweit sich die ausgemachten Pro99

Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 98; Vgl. Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (31). 100 Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 100 f.; Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 479 ff.; vgl. auch Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (132 f.); Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (31). 101 Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 101 f. 102 Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 102 f.; Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 476 ff. 103 Vgl. Myers, J. Fin. Econ., 5 (1977), 147 (148). 104 Überblick bei R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (186 ff.); vgl. auch Heine/Röpke, RabelsZ 70 (2006), 137 (152 f.).

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bleme verschärfen, wenn Schuldner eine beschränkt haftende Kapitalgesellschaft ist. Akzeptiert man die plausible Annahme asymmetrischer Information zwischen Schuldnergesellschaft und Gläubigern, die sich daraus speist, dass Geschäftsleitung und/oder Gesellschafter bessere Kenntnis über die Unternehmenspolitik besitzen105, ergeben sich die gleichen Problemkonstellationen wie im allgemeinen Fall asymmetrischer Information in Principal-Agenten-Beziehungen: Qualitätsunsicherheit, Hold-up und Moral Hazard. Drei hieraus resultierende besondere Gefahren für die Gläubiger der Gesellschaft hat die neoinstitutionalistische Finanzierungstheorie identifiziert. Erste den Gläubigern drohende Gefahr ist die der Unterinvestition. Unsichere Zahlungsströme als Ergebnis einer bestimmten Handlungsalternative sind nur dann bewertungsrelevant für den Marktwert des Unternehmens, wenn die Handlungsalternative auch wahrgenommen wird. Ein mögliches Investitionsprojekt stellt sich deshalb zunächst als Option dar, die ausgeübt werden kann, aber nicht muss. Bei reiner Eigenkapitalfinanzierung wird die Unternehmung all diejenigen Projekte durchführen, die einen positiven Nettogegenwartswert besitzen. Diese eindeutige Entscheidungsregel verändert sich hingegen bei Hinzutreten von Fremdfinanzierung. Hier kann es unter bestimmten Voraussetzungen für die Geschäftsleitung sinnvoll werden, auf die Durchführung eines objektiv wirtschaftlichen Projektes zu verzichten. Reichen die mit dem Projekt verbundenen Auszahlungen nicht aus, um sämtliche Forderungen des Fremdkapitals zu bedienen, verbleibt keine Parte des Zahlungsstroms, die den Gesellschaftern als Residualeinkommen zufließen würde. In diesem Fall existiert kein Anreiz für die Geschäftsleitung, das Projekt zu realisieren106. Am anderen Ende der Skala findet sich das Problem der Überinvestition. Da die betriebswirtschaftlichen Entscheidungsrechte durch einen einfachen Kreditvertrag nicht beeinträchtigt werden, steht es der Gesellschaft nach dessen Abschluss grundsätzlich frei, das Risiko des finanzierten Projekts über das der Vertragsvereinbarung zu Grunde liegende zu steigern (Überinvestition)107. Dritte, aus der Möglichkeit opportunistischen Verhaltens resultierende Risikoposition für die Gläubiger ist die Möglichkeit der Verwässerung (claim dilution). Erhöht ein Kreditnehmer nach Abschluss des Kreditvertrages den Verschuldungsgrad über das Niveau hinaus, welches der Kreditgeber in Rechnung gestellt hat, steigt ceteris paribus das Ausfallrisiko des Kredits108. In allen drei Konstellationen besitzt die Finanzierungsentscheidung Einfluss auf das Investitionsprogramm der Unternehmung. 105

Vgl. etwa Nippel, zfbf 44 (1992), 990; vgl. auch allgemein Leland/Pyle, J. Fin. 32 (1977), 371 (371); Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 389 ff. 106 Vgl. Myers, J. Fin. Econ. 5 (1977), 147 (148 ff.); Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 418 f.; Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Rev. 2 (2007), 1 (33). 107 Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 177 ff. 108 Vgl. Chava/Kuma/Warga, Agency Costs and the Pricing of Bond Covenants, S, 4; R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (206).

X. Darstellungsweise und Sprachgebrauch

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X. Darstellungsweise und Sprachgebrauch Die ökonomische Analyse des Rechts, wie die modernen Wirtschaftswissenschaften im Allgemeinen, bedient sich oftmals zur Darstellung ihrer Ergebnisse mathematischer Modellierung. Kritiker werfen dieser Darstellungsform vor, sie gebe einer Sozialwissenschaft den Schein naturwissenschaftlicher Genauigkeit109. Die Mathematisierung dient allerdings nicht allein artifiziellen Zwecken, sondern ist insbesondere dann erforderlich, wenn das Ausmaß gegenläufiger quantitativer Effekte im Modell zu bestimmen ist. Trotzdem hat die Kritik einen berechtigten Kern. Die in einem wirtschaftswissenschaftlichen Modell gewonnenen Ergebnisse sind immer richtig unter den gemachten Annahmen. Die Modellwelt stellt jedoch eine erhebliche Vereinfachung der Realität dar110. Auch die Möglichkeit empirischer Überprüfbarkeit beseitigt diese Problematik nur bedingt, hängt doch die Validität der generierten Daten immer von der Bestimmung der zu testenden Zufallsvariablen ab. Auch eine empirische Untersuchung hängt somit stark von dem ihr zugrunde liegenden Modellaufbau ab111. Im Folgenden wird deshalb weitestgehend auf Mathematisierung verzichtet, sowohl bei der Modellpräsentation wie auch ihrer Herleitung. Werden dennoch Zahlenbeispiele verwandt, dient dies allein einer besseren Illustration der dahinter stehenden Intuition. Beispiele werden bewusst einfach gefasst, damit nicht der Schein einer Proportionalität zur Realität entsteht. Diese Vorgehensweise erscheint insbesondere im Bereich der mikroökonomisch fundierten Rechtsökonomik aus zwei Gründen erlaubt. Zum einen sind zahlreiche mikroökonomische Aussagen qualitativer und nicht quantitativer Natur. Zum anderen ist eingängig, dass Menschen gerade nicht mathematisch ihren Erwartungsnutzen maximieren, sondern intuitiv-approximativ112. Zur Legitimation sei zuletzt auf 109

Vgl. Fezer, JZ 1988, 223 (224); vgl. auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 115. 110 Vgl. auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 120; Simon, Am. Econ. Rev. 69 (1979), 493 (493 ff.); Spindler/Klöhn, Der staatliche Umgang mit Information, S. 4: „Natürlich wird die Realität nicht in einer Art Totalmodell abzubilden sein“. 111 Sehr kritisch etwa Rittner, JZ 2005, 668 (668 f.) m.w.N.; sehr viel optimistischer bezüglich des Wertes der Mathematik auch über den konkreten Modellrahmen hinaus Adams, Jura 1984, 337 (345 ff.). Beispielhaft für die bedingte Aussagekraft empirischer Studien ist der von Hertig und Lüchinger konstatierte Befund, dass zunehmend Rechtswissenschaftler ökonometrisch arbeiten aufgrund von Zweifeln an der Richtigkeit der von Ökonomen zugrunde gelegten Rahmenbedingungen, vgl. Hertig/Lüchinger, Wenn Ökonometrie im Gerichtssaal zur Alltäglichkeit wird, NZZ v. 24./25. 11. 2007, S. 13. 112 Klassisch zur Theorie rationaler Erwartungen Keynes, The General Theory of Employment, Money and Interest, S. 161 f.: „Most, probably, of our decisions to do something positive, the full consequences of which will be drawn out over many days to come, can only be taken as a result of animal spirits – of o a spontaneous urge to action rather than inaction, and not as the outcome of a weighted average of quantitative benefits multiplied by quantitative probabilities […] human decisions affecting the future, whether personal or political or economic, cannot depend on strict mathematical expectation, since the basis for making such calculations does not exist; and that is our innate urge to activity which makes the wheels go round, our rational selves choosing between the alternatives as best we are able, calculating where we can,

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§ 2 Rechtsökonomische Grundlagen

Coases bekannte Replik auf die Kritik an der Verbalökonomik hingewiesen: „In my youth it was said that what was too silly to be said may be sung. In modern economics it may be put into mathematics“113.

but often falling back for our motive on whim or sentiment or chance“. Vorsichtig insoweit auch das Vorwort von Fama/Miller, The Theory of Finance: „But the theory of finance has not yet been brought, and perhaps never will be, to the cookbook stage“. 113 Vgl. Coase, Notes on the Problem of Social Costs, 157 (185).

§ 3 Beschränkte Haftung I. Grundlagen Das Prinzip der beschränkten Haftung ist in nahezu jeder entwickelten Wirtschaftsordnung zugänglich1 und eines der prägenden Merkmale des Kapitalgesellschaftsrechts2. Henry Hansmann und Reinier Kraakman identifizieren die Haftungsbeschränkung in ihrer historisch-teleologischen3 Studie über globale Konvergenz im Recht der Körperschaften als einen der fünf Kernbestandteile der idealtypischen modernen Kapitalgesellschaft, des standard shareholder-oriented model of the corporate form4. Empirisch bestätigt wird dieser Befund nicht nur durch die absolute Zahl beschränkt haftender Kapitalgesellschaften5, sondern auch den generell zu beobachtenden Trend, immer weiteren Teilen des Rechtsverkehrs den Zugang zur beschränkten Haftung zu ermöglichen bzw. zu vereinfachen. Beispiele hierfür geben aus dem angelsächsischen Rechtsraum durch den Gesetzgeber er1 In Frankreich für die SA seit 1867 bzw. 1807, für die kleinere S.à.r.l. seit 1925; vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, S. 537 = Rn. 1049; Terboven, Managerhaftung in Deutschland und Frankreich, S. 5 ff.; in Preußen mit dem Eisenbahngesetz von 1838, dem Aktiengesetz von 1843 und dem ADHGB von 1861, allerdings wird erst 1870 das Konzessionsprinzip aufgegeben, die GmbH eröffnet den Zugang zur beschränkten Haftung seit 1892, in England für die private company limited by shares mit dem Gesetz über die Haftungsbeschränkung von Gesellschaften von 1855 (Limited Liability Act 1855 bzw. dem Joint Stock Companies Act 1856) und die weitgehende Anerkennung des Haftungsprivilegs durch das House of Lords im Salomon vs. Salomon-Urteil [1897] AC, 22 (22 ff.) von 1897, vgl. Pennington, Company Law, S. 36 ff.; Fleischer, DStR 2000, 1015 (1016); Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 251; Shearman, Die Private Limited Company, S. 50. 2 Alexander, Harv. L. Rev. 106 (1992), 387 (390); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Rn. 8-1 (=S. 207); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 681; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 40; Lutter, FS GmbHG, 49 (49 ff.); Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1048); Woodward, ZgS 141 (1985), 601 (601); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (72); Schall, ZIP 2005, 965 (965); vgl. auch Teichmann, NJW 2006, 2444 (2445). 3 Das teleologische Moment der Studie wird insbesondere durch die Bezugnahme auf Francis Fukuyamas „The End of History and The Last Man“ deutlich. 4 Vgl. Hansmann/Kraakman, The End of History of Corporate Law, S. 1 ff.; vgl. dies., What is Corporate Law? 1 ff. Die weiteren vier Merkmale sind: full legal personality, including welldefined authority to bind the firm to contracts and to bond these contracts with assets that are the property of the firm as distinct from the firm’s owners; shared ownership by investors of capital; delegated management under a board structure; transferable shares. 5 1998 in England etwa eine Million private Limiteds, vgl. Fleischer, DStR 1998, 1015 (1015).

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§ 3 Beschränkte Haftung

möglichte beschränkt haftende Partnerschaften wie die angelsächsische LLP6 und die sich in den USA zunehmender Beliebtheit erfreuende LLC7, während für Deutschland insbesondere die mit dem MoMiG eingeführten Gründungsvereinfachungen8 und die Figur der Unternehmergesellschaft (§ 5a GmbHG n.F.)9 sowie die Pläne des nordrhein-westfälischen Justizministeriums bezüglich einer BasisGmbH10 und des bayerischen Justizministeriums bezüglich der Einführung eines Kaufmanns mit beschränkter Haftung (KGmbH) zu nennen sind11. Jüngstes nationales Beispiel dieser Entwicklung ist die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartG mbB) gemäß § 8 Abs. 4 PartGG12, wobei allerdings hervorzuheben ist, dass es sich gerade nicht um eine echte Beschränkthafterin nach dem Vorbild von AG und GmbH handelt13, während auf internationalem Parkett sicherlich die Einführung des Einzelunternehmers mit beschränkter Haftung (entrepreneur individuel à responsabilité limitée) in Frankreich den vorläufigen Höhepunkt darstellen dürfte14. Aus dem bloßen Faktum der Üblichkeit und zunehmenden Verbreitung kann allerdings nicht auf die Sinnhaftigkeit der rechtlichen Konstruktion zurück geschlossen werden. Traditionelle Legitimation im Sinne Max Webers, also Legitimation, die „auf dem Alltagsglauben an die Heiligkeit von jeher geltender Traditionen und die Legitimität der durch sie zur Autorität Berufenen“ beruht15, kann es für 6

Zur englischen LLP Freedman, MLR 63 (2000), 317 (322 ff.); Schaper, ECFR 2013, 75 (94 ff.); aus dem deutschen Schrifttum etwa Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393 (1393 ff.); zur US-amerikanischen LLP Schaper, ECFR 2013, 75 (85 ff.). 7 Zahlen bei von Bonin, in: Hirte/Bücker, § 10 Rn. 109 ff.; vgl. auch Schaper, ECFR 2013, 75 (84 ff.): Erfolgsgeschichte insbesondere seit Anerkennung der steuerlichen Behandlung einer LLC als Personengesellschaft (partnership) durch den IRS. 8 Bereits durch den Titel der Pressemitteilung angedeutet: BMJ, Zeit für Gründer – die GmbH-Reform, Pressemitteilung vom 29. Mai 2006; vgl. auch Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208 (1208). 9 Bundesregierung, Regierungsentwurf MoMiG, S. 2; vgl. auch schon den Vorschlag von Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (88 ff.). Zur Unternehmergesellschaft vgl. Drygala, NZG 2007, 561 (561 ff.); Hekschen, DStR 2007, 1442 (1445 f.); Leyendecker, GmbHR 2008, 302 (302 ff.); Lutter, BB 2006, 2 (2 ff.); Noack, DB 2007, 1395 (1396); Priester, ZIP 2006, 161 (161 f.); ders., in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 1 (11); Veil, GmbHR 2007, 1080 (1080 ff.); Schärtl, GmbHR 2007, R 305 (R 305 f.). 10 Justizministerium NRW, Referentenentwurf GVGG; positiv Priester, ZIP 2006, 161 (161 f.); ders., in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 1 (9 f.). 11 Bayerisches Staatsministerium für Justiz, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Kaufmanns mit beschränkter Haftung. Vgl. hierzu Priester, in: VGR (Hrsg.): Die GmbHReform in der Diskussion, 1 (10). 12 Hierzu etwa Römermann/Praß, NZG 2012, 601 (601 ff.). 13 Römermann/Praß, NZG 2012, 601 (603); Haftungsbeschränkung erfasst nur den Bereich der Haftungskonzentration nach § 8 Abs. 2 PartGG. 14 Zum EIRL im vorliegenden Kontext etwa Soinne, Rev. proc. coll. 2011 (Jan./Fev.) Repère, S. 1 ff. 15 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 124.

I. Grundlagen

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eine Gesellschaftsform nicht geben. Juristische Personen sind primär „Zweckgebilde“ (Marcus Lutter), d. h. „Einrichtungen der Rechtsordnung, die bestimmte soziale und wirtschaftliche Aufgaben hervorragend erfüllen“16. Der Wert der Haftungsbeschränkung hängt folglich im Wesentlichen davon ab, inwieweit sie die seitens des Gesetzgebers und der betroffenen Verkehrskreise an sie herangetragenen Erwartungen zu erfüllen in der Lage ist – nicht hingegen von ihrer faktischen Verbreitung. Dennoch erscheint zumindest in weiten Teilen der Rechtswissenschaft die beschränkte Haftung als an sich so eingebürgert, dass eine Erörterung ihrer Legitimation kaum noch stattfindet17. In latentem Widerspruch zu dieser allgemeinen Duldung oder Billigung des Haftungsprivilegs steht allerdings die Tatsache, dass auf dem Felde der Rechtspolitik, in Rechtslehre und Rechtsprechung unter dem zunächst nebulösen Topos Gläubigerschutz18 die Konsequenz der Haftungsbeschränkung – der Verweis der Gläubiger auf das Gesellschaftsvermögen – unter Anwendung/Instrumentalisierung bekannter und neu entwickelter Rechtsinstitute aufzuweichen gesucht wird. Gesetzlich zu verwirklichender Gläubigerschutz ist zu einem „Dauerbrenner der gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Diskussion“ (Spindler)19 avanciert. Stellvertretend genannt seien die verschiedenen Fallgruppen des Durchgriffs, der seit der Bremer Vulkan-Entscheidung zur Rechtsgeschichte zählende Globalausgleich im qualifiziert faktischen Konzern, als jüngste Neuschöpfung die Haftung wegen existenzvernichtendem Eingriff sowie die sukzessive Ausdehnung der Geschäftsleiterhaftung, die ihren bisherigen Kulminationspunkt in der Entscheidung des II. Senats zum Ersatz des Kontrahierungsschadens gefunden hat und flankiert wird von einer Summe gesetzlich begründeter Geschäftsleiterpflichten, die ebenfalls haftungsauslösend wirken. Rein dogmatisch lassen sich diese Weiterungen der Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsleitern zwar durchaus – im Einzelfall mehr oder weniger gut – begründen, in der faktischen Konsequenz stellen sie regelmäßig nichts anderes als eine teilweise Negation des Prinzips der beschränkten Haftung dar, wenn neben das Gesellschaftsvermögen als weitere Haftmasse das Privatvermögen der Gesellschafter oder Geschäftsleiter tritt. Problematisch erscheint 16

Lutter, ZGR 1982, 244 (248). Gleichsinnig Jensen/Ruback, J. Fin. Econ. 11 (1983), 5 (47): „[…] this enormously productive social invention: the corporation“. 17 So auch der Befund u. a. von Lehmann, ZGR 1986, 345 (351); Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 150; Fleischer, ZGR 2001, 1 (16); Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1048 Fn. 9) mit dem Hinweis auf die völlig andere Lage in den Vereinigten Staaten. Deutlich auch: Wiedemann, ZGR 2003, 283 (286): „Das wird selten gefragt und noch seltener beantwortet“. Ausnahmen aus jüngerer Zeit: Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 150 f. und zuletzt Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 31 ff. 18 Als Topos bezeichnet den Gläubigerschutzgedanken bereits Westermann, Gläubigerschutz bei der Neuordnung der GmbH, S. 18; vgl. auch Bachner, Creditor Protection in Private Companies, S. 7 f. Zu Recht stellt etwa auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 12 ff. an den Anfang seiner Untersuchung die Frage „Was ist Gläubigerschutz?“ 19 Spindler, JZ 2006, 839 (839).

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diese konsequente Haftungsausdehnung im Kapitalgesellschaftsrecht, wenn man das Paradigma berücksichtigt, dass effizienter Gläubigerschutz nicht gleichgesetzt werden kann mit der Maximierung der Befriedigung der Gläubigerforderungen im Insolvenzfall. Eine derartige Verabsolutierung des Gläubigerschutzgedankens müsste in letzter Konsequenz den Fall der Bastion der beschränkten Haftung nach sich ziehen20. Rechtsökonomisch lässt sich formulieren, dass das optimale Ausmaß an Gläubigerschutz vielmehr dann erreicht ist, wenn der Grenznutzen der Haftungsprivilegierung ihren Grenzkosten entspricht. Um das sozialoptimale Verhältnis von Gläubigerschutz und Haftungsprivileg zu ermitteln, ist es folglich notwendig, in einem ersten Schritt die aus der Haftungsbeschränkung resultierenden Vorteile darzustellen21. Ein solcher Blick auf das der Haftungsbeschränkung zu Grunde liegende Konzept ermöglicht es, immanente, d. h. bewusst in Kauf genommene Risiken von systemwidrigen Risiken zu trennen, womit später die Sanktionswürdigkeit verschiedener Verhaltensweisen von Gesellschaftern und Geschäftsleitung gemessen werden kann.

II. Juristische Person und beschränkte Haftung Bevor die rechtsökonomischen Gründe für die Zulassung der Haftungsbeschränkung erörtert werden, gilt es vorab zu klären, ob nicht die Rechtskonstruktion der juristischen Person die auf das Gesellschaftsvermögen beschränkte Haftung wesensmäßig nach sich zieht. Wäre dies zu bejahen, wären die Vorteile der Anerkennung der juristischen Person naturnotwendig mit Nachteilen oder Gefahren des Haftungsprivilegs verbunden. Im Rahmen der rechtsökonomischen Bewertung wären dann nicht allein Vor- und Nachteile der Haftungsbeschränkung abzuwägen, vielmehr würde sich die Vorfrage stellen, ob nicht die juristische Person unverzichtbares Merkmal einer modernen Rechtsordnung ist, so dass – selbst wenn man die Haftungsbeschränkung an sich negativ bewertet – sie als „notwendiges Übel“ zu akzeptieren wäre. Ungeachtet aller Ausdifferenziertheit ihrer Dogmatik ist augenscheinlichstes Kennzeichen der juristischen Person die Tatsache, dass sie rechtlich verselbständigt ist, also befähigt ist, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, ohne den Status der natürlichen Person zu besitzen22. Diese Anerkennung oder Schöpfung einer juris20

Auf die Notwendigkeit einer Grenzziehung weisen u. a. hin: Ulmer, GmbHR 1984, 256 (261); Ehricke, AcP 199 (1999), 256 (261 ff.); Mülbert, DK 2004, 151 (156); ders., A synthetic view on creditor protection, S. 4; Medicus, ZGR 1998, 570 (579), der auch daraufhin hinweist, dass existierende Lücken Bestandteil einer wohlerwogenen gesetzlichen Regelung sein können; Spindler, JZ 2006, 839 (840); vgl. auch die Stellungnahme des rechtspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion Jürgen Gebh zum MoMiG: „Gläubigerschutz ist aber auch nicht alles“, zitiert nach: Gebh/Heckelmann, GmbHR 2006, R349. 21 Vgl. auch Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 12 f.; Lehmann, ZGR 1986, 345 (353); Haas, ZHR 170 (2006), 478 (479). 22 Vgl. § 1 BGB und §§ 21 f. BGB.

II. Juristische Person und beschränkte Haftung

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tischen Person als Rechtsträger lässt sich als gemeinsames Anliegen von Verbandsund Fiktionstheorie kennzeichnen. Ziel ist die Abstraktion von den hinter der Gesellschaft stehenden natürlichen Personen. Ist aber rechtliche Verselbständigung das Kernanliegen der Lehre von der juristischen Person, folgt die auf das Gesellschaftsvermögen beschränkte Haftung „nicht ipso iure aus dem ,Wesen‘ der juristischen Person oder dem Trennungsprinzip“23. Vielmehr noch ist selbst die als Verleihung der Rechtsfähigkeit zu verstehende Rechtsbegrifflichkeit der juristischen Person Entscheidung des Gesetzgebers und somit gleichfalls nicht Ausdruck ihres Wesens. Die Zuweisung der Rechtsfähigkeit bleibt rechtliche Kunstschöpfung. Auch bei Anerkennung eines real existierenden Verbandes mit einem einheitlichen Verbandswillen, bleibt es der Willkür des Gesetzgebers überlassen, diesem Willen die Fähigkeit zuzusprechen, Rechte und Pflichten zu begründen. Die dahin gehende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zeigt sich insbesondere auch in § 124 HGB und § 11 InsO. Ein zwingender Konnex zwischen rechtlicher Verselbständigung und beschränkter Haftung existiert somit nicht. Ein Blick in die Dogmatik des Kapitalgesellschaftsrechts in England und Frankreich stützt dieses Ergebnis. In Frankreich erlangen nicht allein Kapitalgesellschaften, sondern auch Personengesellschaften mit der Eintragung in das Handelsregister (registre du commerce et des sociétés) eigene Rechtspersönlichkeit, die personnalité morale24. Rechtspersönlichkeit und unbeschränkte Haftung schließen sich also im französischen Recht nicht aus25. Noch deutlicher wird der fehlende Konnex zwischen beschränkter Haftung und rechtlicher Verselbständigung im englischen Kapitalgesellschaftsrecht. So folgt die Haftungsbeschränkung der private company limited by shares nicht aus ihrem Wesen als Kapitalgesellschaft, sondern wird durch autonome Entscheidung der Gründungsgesellschafter herbeigeführt. Gemäß sec. 2 (3) CA 1985 bzw. sec. 3 (1) – (3) CA 2006 müssen diese erst mittels der liability clause im memorandum of association (CA 1985) bzw. in der constitution (CA 2006) ihre persönliche Haftung ausschließen, um in den Genuss des Haftungsprivilegs zu gelangen26. Die Legitimität der Haftungsbeschränkung kann somit 23 Fischer, ZIP 2004, 1477 (1477); vgl. auch Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, Anh § 30 Rn. 52; Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 112; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaftsrecht, § 4 Rn. 12. 24 Vgl. Art. 1842 C. Civ.: „Les sociétés autres que les sociétés en participation visées au chapitre III jouissent de personnalité morale à compter de leur immatriculation“. Vgl. auch Großerichter, in: Sonnnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S. 332. 25 Vgl. Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 7; Maier-Bridou, Die GmbH in Frankreich, S. 85; Karst, Länderbericht Frankreich, 873 (874 f.); Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 113; Lutter, NJW 1967, 1153 (1154). Deutlich auch Zimmermann, Die Haftung von Geschäftsführern und Gesellschaftern in Frankreich, S. 69: „Damit können beschränkte Haftung und „juristische Person“ nicht begriffsnotwendig miteinander verknüpft werden“. 26 Vgl. Fleischer, DStR 2000, 1015 (1016); Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, S. 222; Kadel, MittBayNot 2006, 102 (103); Shearman, Die Private Limited Company, S. 54; Heinz, Die englische Limited, S. 59;

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nur aus Zweckmäßigkeitserwägungen folgen, in der Terminologie der ökonomischen Analyse des Rechts also durch mit ihr verbundene Effizienzsteigerungen.

III. Ökonomische Aspekte der Haftungsbeschränkung 1. Schutz des Privatvermögens: Revision der Risikopräferenzstruktur Indem die Rechtsordnung mit Aktiengesellschaft und GmbH Rechtsformen zur Verfügung stellt, die grundsätzlich nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen haften (§§ 1 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG), erlaubt sie der bzw. den hinter der Gesellschaft stehenden natürlichen Person(en), unternehmerisch tätig zu werden, ohne hierdurch ihr Privatvermögen dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger auszusetzen. Gesellschafter besitzen vollen Anspruch auf einen möglichen Gewinn, ohne gleichzeitig das gesamte Verlustrisiko tragen zu müssen. Diese zunächst rein individuelle, weil vermeintlich nur die Interessenlage des (potentiellen) Gesellschafters berücksichtigende Wirkung findet ihre grundsätzliche rechtspolitische Berechtigung nach wohl einhelliger Auffassung von juristischem und rechtsökonomischem Schrifttum darin, dass das „Privileg der beschränkten Haftung unternehmerischen Pioniergeist zu beflügeln“ vermag27, um „letztlich zum Nutzen aller den wirtschaftlichen Fortschritt [zu] sichern“28. Zahlreiche wirtschaftspolitisch erwünschte Projekte werden erst unter den Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung realisiert29. Walterscheid, DZWiR 2006, 95 (95ff). Zur neuen Terminologie nach dem CA 2006 vgl. Davies/ Rickford, ECFR 2008, 48 (54 f.); Just, Englisches Gesellschaftsrecht, S. 8. 27 Lehmann, ZGR 1986, 345 (353); ähnlich Kübler, FS Heinsius, 397 (405); Alexander, Harv. L. Rev. 106 (1992), 387 (390); Armour, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 3 (15 f.); Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 17 (22); Hellgardt, WM 2006, 1514 (1519 f.); Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1566); Lutter, FS GmbHG, 49 (51); Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (258); Fastrich, DStR 2006, 656 (656); Wood, Principles of International Insolvency, S. 550; Woodward, ZgS 14 (1985), 601 (601); Teichmann, NJW 2006, 2444 (2445); mit diesem Argument wurde in Frankreich die Einführung der EURL begründet, vgl. Guyon, JBL 1989, 440 (442); die Einführung des GmbHG 1892 war unter diesem Gesichtspunkt zugleich sozialpolitisch motiviert, vgl. Schubert, FS GmbHG, 1 (45 f.). Nicht überzeugt offensichtlich Wiedemann, ZGR 2003, 283 (286). 28 Raiser, ZGR 1995, 156 (165); ähnlich Lutter, DB 1994, 129 (132): „ebenso fraglos hoher volkswirtschaftlicher Nutzen“; Priester, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 1 (22); aus der jüngeren Rechtsprechung etwa Re Douglas Construction Services Ltd. [1988] BCLC 397 (402). 29 Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 13; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 661; vgl. auch Kleindiek, ZGR 2006, 335 (338); Röhricht, FS BGH, 83 (98); Schäfer/Veil, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 9 (11); Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1048 f.); ders., in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 217 (226): enabling function; dies war auch schon bei Verabschiedung des GmbHG das maßgebliche Momentum, vgl.

III. Ökonomische Aspekte der Haftungsbeschränkung

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Diese Intuition basiert implizit auf zwei dahinter stehenden Grundannahmen, zu deren Plausibilität kurz Stellung zu nehmen ist. Erstens legt sie zu Grunde, dass natürliche Personen risikoavers sind, was entsprechend den Ausführungen unter § 2 leicht als realitätsnah erscheint30. Diese generell zu beobachtende Risikopräferenzstruktur natürlicher Personen entfaltet besondere Wirksamkeit im Bereich unternehmerischer Betätigung. Gründung und Betrieb eines Unternehmens sind einerseits mit einem nicht zu vernachlässigenden Aufwand an Arbeitskraft und/oder Kapitalien verbunden, andererseits sind die Folgen eines unternehmerischen Scheiterns oftmals dramatisch. Der Umfang der kumulierten Schulden übersteigt das verbliebene Privatvermögen des Schuldners regelmäßig um ein Vielfaches und treibt diesen auf Jahre in die Verschuldung, in der ihm nur noch sein pfändungsfreies Vermögen verbleibt. Das Prinzip der beschränkten Haftung ermöglicht es hingegen der natürlichen Person, einen Teil ihres Vermögens für die lebensnotwendigen Ausgaben vor dem Zugriff ihrer Gesellschaftsgläubiger zu sichern. Die zweite Annahme, dass die Durchführung derart riskanter Projekte, die Personen ohne den Anreiz der Haftungsbeschränkung nicht durchführen würden, aus gesamtwirtschaftlicher Sicht gewünscht ist, ist geringfügig hintergründiger. Gesamtwirtschaftlich steht dem Nutzen, den der Gesellschafter aus der beschränkten Haftung zieht, zunächst einmal ein Schaden auf Seiten der Gläubiger in ebendieser Höhe gegenüber. Entbindet etwa die Haftungsbeschränkung den Gesellschafter, die Differenz zwischen einer nominellen Forderung D und der tatsächlich gegen die Gesellschaft realisierten Summe X auszugleichen, steht dem ein Forderungsausfall der Gläubiger in Höhe von D-X gegenüber31. Dennoch handelt es sich im Ergebnis nicht um ein schlichtes Nullsummenspiel, bei dem Nutzen des Schuldners und Schaden des Gläubigers sich im gesamtwirtschaftlichen Aggregat auf Null ausgleichen. Besitzen die durch die beschränkte Haftung induzierten Projekte einen positiven Nettogegenwartswert, setzt sich im volkswirtschaftlichen Aggregat dieser positive Erwartungswert nach dem Gesetz der großen Zahl durch32. Die Gesamtwohlfahrt wird gesteigert, in dem der höhere Erwartungswert realisiert wird33. Schubert, FS GmbHG, 1 (1 ff.); vgl. im Übrigen – wenn auch kritisch – Schall, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 294 f. 30 Lediglich für Konzernsachverhalte wird teilweise Risikoneutralität der Konzernobergesellschaft angenommen, vgl. etwa Hansmann/Kraakman, Yale L. J. 100 (1991), 1879 (1882). 31 Hierauf weist auch Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 152 u. 159 hin. 32 Nach dem schwachen Gesetz der großen Zahlen konvergiert das arithmetische Mittel Xn ¼ ðX1 þ . . . þ Xn Þ=n einer unendliche Folge von Zufallsvariablen X1 ; X2 ; X3 ; . . ., die alle denselben Erwartungswert m besitzen, gegen Pð lim Xn ¼ mÞ ¼ 1. n!1 33 Vgl. auch Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 169 f.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 33; im Grundsatz auch Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 285 f., der allerdings gleichzeitig von einer „Sozialisierung von Risiken wirtschaftlichen Handelns“ spricht. Dies erscheint zumindest begrifflich insofern etwas schief, als es nahelegt, die Verlustrisiken würden durch die Allgemeinheit oder sonstige Dritte getragen, die an den Expek-

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Diese ökonomische Legitimation der beschränkten Haftung ist nicht auf große Publikumsgesellschaften beschränkt, sondern gilt in gleicher Weise für – idealtypisch – kleine Gesellschaften wie die GmbH, die private company limited by shares oder die S.à.r.l.34. Nicht anders als ein einzelner Aktionär würde auch der potentielle Gesellschafter einer solchen kleinen Gesellschaft bestimmte Investitionsprojekte trotz ihres positiven Erwartungswertes aufgrund seiner Risikoaversion nicht realisieren. Der Rückgriff auf die haftungsbeschränkte Aktiengesellschaft zur Durchführung des angedachten Unternehmens erweist sich hier als nur teilweise geeignetes Substitut. Gerade ein Schumpeterscher Pionierunternehmer35, der eine Neuerfindung zur Marktreife zu führen beabsichtigt, wird oftmals auf eine Rechtsform wie die GmbH zurückgreifen, da in der Initiationsphase nicht nur das erhöhte Mindestkapitalerfordernis der Aktiengesellschaft hinderlich sein kann, sondern auch die komplexe und vom Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) geprägte Struktur der Aktiengesellschaft unpassend ist. In jüngerer Zeit ist dieser ökonomischen Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung entgegengehalten worden, zumindest im Falle der kleinen Gesellschaft ignoriere sie die realen Gegebenheiten36. Die Anteilseigner derartiger Gesellschaften seien de facto nicht in der Lage, sich der Bestellung persönlicher Sicherheiten zu entziehen, also die gesetzliche Haftungsbeschränkung auch gegenüber den Gläubigern durchzusetzen37. Tatsächlich lässt sich in der Praxis beobachten, dass insbesondere Finanzgläubiger kleiner Gesellschaften – regelmäßig die Hausbank – die Gesellschafter veranlassen, zur Sicherung der Forderungen gegen die Gesellschaft entweder dingliche Sicherungsrechte an Vermögensgegenständen der Gesellschaft und/oder der Gesellschafter einzuräumen oder aber mit ihrem Privatvermögen zu bürgen. Anders als behauptet verliert die gesetzliche Haftungsbeschränkung damit tanzen der Unternehmung nicht partizipieren. Im Regelfall werden die Verlustrisiken hingegen von Gesellschaftern und Gläubigern getragen, die jeweils von den durch die Unternehmung erwirtschafteten Einzahlungsüberschüssen profitieren (Ausnahme: unfreiwillige Gläubiger). Beschränkte Haftung ist Reallokation von Verlustrisiken, nicht „Sozialisierung“ im Sinne eines negativen externen Effekts. Tendenziell wie Schall wohl auch Schäfer/Veil, in: Bachmann/ Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 9 (11). 34 Posner, Economic Analysis of Law, S. 439; Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (434); Kübler, FS Heinsius, 397 (406); Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 33; Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 114; auf die Bedeutung der Haftungsbeschränkung gerade für mittelständische Unternehmen weist auch Röhricht, FS BGH, 83 (98) hin. 35 Vgl. Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 36 Jüngst aus dem deutschen Schrifttum vor allem Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 289: „In der Privatgesellschaft („OHG mbH“) ist die Haftungsbeschränkung demgegenüber ein echtes Privileg für die mitunternehmerischen Gesellschaft gegenüber offenen Handelsgesellschaften/partnerships. Das führt zu einer ganz anderen Begründung und anderen Grenzen“. 37 Freedman, MLR 63 (2000), 317 (332); ähnlich, aber weniger scharf in der Wertung: Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (73).

III. Ökonomische Aspekte der Haftungsbeschränkung

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nicht ihre Bedeutung für die Anteilseigner kleiner Kapitalgesellschaften. Zunächst ließe sich anführen, dass gerade dann, wenn die Gläubiger in der Lage sind, die Haftungsbeschränkung faktisch zu revidieren, kein Bedürfnis für eine Korrektur des Haftungssystems der kleinen Kapitalgesellschaft bestehe. Die effiziente Risikoallokation wird ja bereits durch den Marktmechanismus generiert. Der Gegenansicht muss aber zugegeben werden, dass die Initialverteilung des Ausfallrisikos nur dann irrelevant wäre, entstünden bei der geschilderten Rückverlagerung des Ausfallrisikos auf die Gesellschafter durch Bestellung von Sicherheiten keine zusätzlichen Kosten. Beschränkte Haftung als gesetzlicher Standardvertrag und Reallokation des Ausfallrisikos durch Kreditsicherheiten ist aber in der Realität mit Kosten verbunden. Die aktuelle Gesetzesfassung wäre dann mangels Transaktionskostenoptimalität nicht effizient. Entscheidend gegen die hierauf aufbauende Kritik an der Haftungsbeschränkung spricht aber der Umstand, dass dieselbe trotz der Verbreitung von Personal- und Realsicherheiten Nutzen auch für die Gesellschafter kleiner Kapitalgesellschaften zu stiften in der Lage ist. Die Gegenansicht ignoriert oder unterschätzt die Differenz, die zwischen einem Regime unbeschränkter Haftung und einem Regime einer gesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung unter gleichzeitiger Bestellung von Personal- und Realsicherheiten besteht. Bestellt etwa ein Alleingesellschafter-Geschäftsführer eine Hypothek oder Grundschuld an seinem Privatgrundstück, ist seine Haftung nach wie vor vermögensmäßig begrenzt, nämlich auf den Betrag, um den sein Privatvermögen geschmälert wird, wenn er die Zwangsvollstreckung in sein Grundstück gemäß § 1147 BGB (i.V.m. § 1192 Abs. 1 BGB) zu dulden hat. Vergleichbares gilt für die Bestellung einer Bürgschaft, die einerseits als Höchstbetragsbürgschaft vereinbart werden kann und andererseits nur für einen Bruchteil der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen bestellt wird. Wirtschaftliche Konsequenz ist auch hier, dass die hinter der Gesellschaft stehende natürliche Person nicht in vollem Umfang für die Gesellschaftsverbindlichkeiten einzustehen hat. Auch bei Bestellung persönlicher Sicherheiten kann ein Gesellschafter somit die Inanspruchnahme seines Privatvermögens begrenzen, so dass nicht durch einen „Zwang zur Besicherung“ diese Legitimation der Haftungsbeschränkung in der Praxis irrelevant wäre. Auf eine dem deutschen Recht eigentümliche Komponente dieses grundsätzlichen Legitimationsstranges haben in jüngerer Zeit Eidenmüller und Engert hingewiesen. In Relation zu den Vereinigten Staaten ist die Insolvenz einer natürlichen Person in Deutschland kostspieliger. Eine Restschuldbefreiung ist zum einen an strenge Voraussetzungen geknüpft, zum anderen tritt die endgültige Entlastung des Schuldners nach bisheriger Rechtslage frühestens nach Ablauf von 6 Jahren ein (§§ 287 Abs. 2, 300 Abs. 1 InsO). In diesem Zeitraum ist der Schuldner beschränkt auf das pfändungsfreie Einkommen; Anreize, das Humankapital optimal einzusetzen, sinken. Diese im internationalen Vergleich drastischen Folgen einer Privatinsolvenz führen zu einer überdurchschnittlich hohen nationalen Risikoaversion. Können diese speziellen Kosten der Insolvenz einer natürlichen Person durch Einsatz einer haftungsbeschränkten Kapitalgesellschaft vermieden werden, liegt darin ein

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zusätzlicher Effizienzgewinn, der durch die Senkung der überproportional hohen nationalen Risikoaversion erreicht wird38. 2. Sicherung des Gesellschaftsvermögens Auch die Umkehrung des Abschottungseffektes zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen generiert Wohlfahrtseffekte. Das Trennungsprinzip wirkt nicht nur zu Gunsten der Gesellschafter, sondern auch zu Gunsten der Gesellschaft (affirmative asset partitioning). Es schützt das Gesellschaftsvermögen vor dem Zugriff der Privatgläubiger der Gesellschafter und verhindert damit, dass ein an sich profitables Unternehmen allein aus dem Grunde liquidiert werden muss, dass sich ein Gesellschafter in seinem Privatleben stark verschuldet hat39. Der Privatgläubiger eines Gesellschafters kann zwar die Aktien oder Geschäftsanteile seines Schuldners pfänden, um sich aus ihrem Verkauf zu befriedigen. Betroffen von einer solchen Transaktion ist aber allein die Zusammensetzung der Gesellschafter, die wirtschaftliche Position der Gesellschaft bleibt unangetastet40. Lebensfähige Wirtschaftseinheiten werden durch das Trennungsprinzip geschützt, der Volkswirtschaft bleibt der positive Saldo von Going Concern- und Break Up-Werten erhalten. Diese grundsätzliche Infektionsgefahr ist für den Bereich konzernierter Unternehmen auch in der Rechtswissenschaft früh erkannt worden. So hat Marcus Lutter in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Einheit in Trennung in Unternehmensgruppen, d. h. die Bildung mehrerer haftungsrechtlich verselbständigter Vermögensmassen, nicht allein legitime Risikoverteilung sei, sondern auch volkswirtschaftlich zweckmäßig, „denn sie verhindert – jedenfalls in der Theorie –, dass sich der Flächenbrand einer ganzen Stadt entwickelt“41. Dominoeffekte in Konzernen werden verhindert, so dass Konzernbestandteile, die lebensfähig sind, erhalten bleiben. Die vermittels affirmative asset partitioning generierten Wohlfahrtseffekte sind dabei im Grundsatz unabhängig von Größe und Realstruktur der betroffenen Unternehmung. Eine ökonomisch fundierte widerlegliche Vermutung dafür, dass „wegen der „Höchstpersönlichkeit“ der typischen Privatgesellschaft und der üblichen Mithaftung der Betreiber, [rasche Liquidation und sauberer Neustart] aus ökonomischer Sicht weit eher als bei einem Großunternehmen [angezeigt erscheinen]“ (Schall)42 38

Eidenmüller/Engert, GmbHR 2004, 433 (434); vgl. auch Eidenmüller/Grunewald/ Noack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 17 (22) sowie allgemein zur Korrelation zwischen unternehmerischer Betätigung und schuldnerfreundlichen Insolvenzregimen Armour, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 3 (16). 39 Vgl. Hansmann/Kraakman, Yale L. J. 110 (2000), 387 (390); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 662; Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (678 f.); Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 4; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 284 f. 40 Vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 662 f. 41 Lutter, ZGR 1982, 244 (246 f.); vgl. auch Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 161. 42 Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 288.

III. Ökonomische Aspekte der Haftungsbeschränkung

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besteht zumindest in dieser Allgemeinheit nicht. Ökonomisch plausibel ist ein affirmative asset partitioning vielmehr bereits dann, wenn a) die betreffende Unternehmung über einen going-concern verfügt und b) die Realisierung dieses GoingConcerns-Werts nicht an die Anteilseignerstellung desjenigen Gesellschafters geknüpft ist, dem aufgrund privater Turbulenzen der Verlust seiner Mitgliedschaft durch Vollstreckung in seinen Anteil droht. 3. Senkung der Kontrollkosten Legaltypisch für GmbH und AG als Kapitalgesellschaften ist die Trennung von Eigentum und Kontrolle (Fremdorganschaft). Anteilseigner als Risikoträger und Residualanspruchsberechtigte und Geschäftsleitung sind nicht zwingend personenidentisch43. Eine Principal-Agent-Beziehung entsteht, die für die Anteilseigner die Gefahr birgt, dass es zu Qualitätsunsicherheit, Hold Up oder Moral Hazard kommt44. Die durch eigensüchtiges Verhalten der Geschäftsleitung induzierten Agenturkosten beeinträchtigen zunächst die Höhe des Gewinnanspruchs der Anteilseigner und im schlimmsten Falle fehlender Gewinne auch den Wert seiner Einlage. Die Existenz dieser aus der Trennung von Eigentum und Kontrolle resultierenden eigenkapitalbezogenen Agenturkosten (managerial agency costs) induziert auf Seiten der Prinzipale das Bedürfnis nach (kostspieliger) Überwachung. Ceteris paribus steigt dieses Kontrollbedürfnis der Gesellschafter mit dem Risiko, dem sie sich durch die Möglichkeit opportunistischen Verhaltens seitens der Geschäftsleitung ausgesetzt sehen. Beschränkte Haftung begrenzt dieses Risiko, dem sich der Anteilseigner ausgesetzt sieht. Die Ausbeutungsoffenheit der Positionen von Gesellschaftern und Aktionären sinkt, ohne dass sie gezwungen wären, für dieses Ergebnis einen aufwendigen Kontrollapparat zu etablieren45. Wiederum steht in Zweifel, ob diese Legitimation auch für Gesellschaften mit einem zahlenmäßig überschaubaren Gesellschafterkreis Geltung beanspruchen kann. Evident ist, dass im keineswegs pathologischen Extremfall eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers kein Principal-Agent-Konflikt existiert, der einer Abmilderung durch die Haftungsbeschränkung bedürfte. Technisch formuliert besteht vollständige Synchronität zwischen der Interessenlage der Gesellschafterseite und der Geschäftsleitung (bzw. Eigentum und Kontrolle)46. Der Gesellschafter hat nur solche Risiken zu tragen, die er selbst eingegangen ist. Ähnlich gestaltet sich die 43

Vgl. stellvertretend Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 11 f. Vgl. Cheffins/Bank, Is Berle and Means Really a Myth? S. 2. 45 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 48 ff.; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 41; dies., U. Chi. L. Rev. 52 (1985), 89 (94); Fleischer, ZGR 2001, 1 (17 ff.); Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 31 f.; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 13; Leyendecker, GmbHR 2008, 302 (303); R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (199); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 46. 46 Vgl. Freedman, MLR 63 (2000), 317 (331). 44

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Situation bei mehreren Gesellschaftern, wenn diese alle an der Geschäftsleitung der Gesellschaft teilnehmen. Selbstverständlich bestehen auch hier Anreize, die eigene Position auf Kosten der Mitgesellschafter zu verbessern, jedoch sind aktiv an der Geschäftsleitung beteiligte Gesellschafter geborene Kontrolleure, sie verfügen über Einsicht in die Geschäftsvorgänge und können dementsprechend Risiken besser identifizieren. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, durch entsprechende Satzungsgestaltung die isolierte Handlungsfähigkeit einzuschränken (z. B. durch Wahl der gesetzlichen Regel einer Gesamtvertretung entsprechend § 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG). Diese Gesichtspunkte greifen jedoch schon dann nicht mehr, sofern Gesellschaften zwar gleichfalls über einen überschaubaren Mitgliederkreis verfügen, jedoch nicht alle Anteilseigner gleichzeitig Mitglieder der Geschäftsleitung sind. Beispielhaft sei eine Familiengesellschaft genannt, in der ein einzelnes Familienmitglied die Geschäftsführung innehat, während die Gruppe der übrigen Familienmitglieder sich auf die Rolle als passive Anteilsinhaber beschränkt. Zwar ist das Ausmaß der notwendigen Kontrolle bei begrenztem Gesellschafterkreis regelmäßig überschaubar47. Nicht ignoriert werden darf jedoch, dass solche passiven Gesellschafter auch in einer kleinen Gesellschaft regelmäßig kein Interesse haben, ihnen satzungsmäßig zustehende und faktisch ausübbare Kontrollrechte wahrzunehmen. Ihre Ausübung ist mit erheblichen Opportunitätskosten verbunden. Da die Gesellschafter annahmegemäß nicht an der Geschäftsleitung beteiligt sind, sind Informationen zu beschaffen, zu werten und eventuelle Reaktionen hierauf vorzubereiten. Die tatsächliche Rechtsdurchsetzung, etwa über das Weisungsrecht der GmbHGesellschafterversammlung oder eine actio pro socio, ist erneut kostenintensiv. Auch die Entlastung solcher Gesellschafter von anderenfalls notwendiger Kontrolle ist deshalb mit Effizienzsteigerungen verbunden. Den Gesellschaftern wird einerseits ermöglicht, ihrer eigentlichen Beschäftigung nachzugehen, andererseits werden sie gleichzeitig veranlasst, trotz Risikoaversion Finanzmittel der Gesellschaft zu überlassen. Im Ergebnis steigt die der Gesamtwirtschaft zur Verfügung stehende Investitionssumme. Ohne Freistellung von den umfänglichen Haftungsrisiken unbeschränkter Haftung wäre hingegen damit zu rechnen, dass sich zumindest ein Teil dieser Personen aus der Finanzierung unternehmerischer Projekte zurückzieht oder aber ihre eigentliche Beschäftigung aufgibt, um eine kontrollierende und leitende Funktion in der Gesellschaft einzunehmen. 4. Realisierung von Spezialisierungseffekten Eng verbunden mit der kontrollkostentheoretischen Legitimation der Haftungsbeschränkung ist die Argumentation, dass beschränkte Haftung positive Spezialisierungseffekte zu generieren vermag. Die Legitimation der Haftungsbeschränkung als Instrument zur Senkung der Agenturkosten des Eigenkapitals bei Auseinanderfallen von Eigentum und Kontrolle setzt implizit die Prämisse voraus, dass eine 47 Vgl. Fleischer, ZGR 2001, 1 (17); Fama/Jensen, Journal of Law and Economics 26 (1983), 301 (304).

III. Ökonomische Aspekte der Haftungsbeschränkung

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solche Trennung dieser Funktionen effizient ist; anderenfalls wäre es kontraproduktiv, ihre Durchsetzung durch das Institut der beschränkten Haftung zu fördern. Seit Adam Smiths Jahrhundertwerk An Inquiry into the Causes and the Nature of the Wealth of Nations ist es nationalökonomisches Allgemeingut, dass durch Spezialisierung positive Wohlfahrtseffekte generiert werden48. Auch die Trennung von Eigentum und Kontrolle, die die moderne Kapitalgesellschaft mit dem Institut der Fremdorganschaft ermöglicht, lässt sich als Spezialisierung in diesem Sinne begreifen49, wenn auch Smith selbst – wie dargestellt – in diesem Punkt sehr kritisch geblieben ist. Individuelle Entscheidungskompetenz gründet sich auf Talent und Ausbildung, während die Befähigung zum Risikotragen zum einen auf dem bloßen Faktum vorhandenen Kapitals beruht, zum anderen auf der Fähigkeit, Risiken auszugleichen durch Diversifikation50. Idealtypisch führt eine Unternehmung Arbeitnehmer und leitende Angestellte („Manager“), denen es an Kapital mangelt, einerseits und Kapitaleigner, die nicht über die erforderlichen Produktionsfähigkeiten und Geschäftsleitungskenntnisse verfügen, andererseits, zusammen51. Die Unternehmung als institutionelle Integration von Verträgen ermöglicht es damit, dass Entscheider nach ihrer Befähigung zum Entscheiden und Risikoträger (Kapitalgeber) nach ihrer Eignung zum Risikotragen ausgewählt werden können52. Diesen durch Spezialisierung erzeugten positiven Vermögenseffekten müssen (potentielle) Eigentümer, die bewusst die Leitungsmacht in der Gesellschaft an Externe delegieren, die aus der damit begründeten Prinzipal-Agent-Beziehung resultierenden Agenturkosten des Eigenkapitals gegenüberstellen53. Mit steigenden Agenturkosten wird der Anreiz zur eigentlich effizienten Arbeitsteilung gesenkt. Hier entfaltet die Haftungsbeschränkung Wirksamkeit. Sie erleichtert die Realisierung von Spezialisierungseffekten, indem sie zwar nicht die Agenturkosten selbst zu vermeiden vermag, wohl aber das Ausmaß der individuellen Betroffenheit durch die Agenturkosten54. Lassen sich somit aus ökonomischer Sicht zwei alternative Paare – Spezialisierung mit durch Haftungsbeschränkung reduzierten managerial agency costs – und 48

Vgl. Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 9 ff. Vgl. Fama/Jensen, The Journal of Law and Economics 26 (1983), 301 (301 ff.); Fleischer, ZGR 2001, 1 (16 f.); Cheffins, Are good Managers required for a Seperation of Ownership and Control? S. 1; Kraakman, Yale L. J. 93 (1984), 857 (862). 50 Zur Diversifikation vgl. sogleich unter § 3, III. 5. c). 51 Kraakman, Yale L. J. 93 (1984), 857 (862); Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 159. 52 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 41; Fama/Jensen, Journal of Law and Economics 26 (1983), 301 (306); Cheffins, Are good Managers required for a Separation of Ownership and Control? S. 1. Auch diese Argumentation findet sich bereits in der Vorphase der Verabschiedung des GmbHG, vgl. Schubert, FS GmbHG, 1 (16). 53 R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (201). 54 Kritisch gegenüber der agency-theoretischen Legitimation der Haftungsbeschränkung Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1587 f.). 49

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Konzentration ohne agency costs und Spezialisierung – identifizieren, ist damit noch nicht beantwortet, welche Alternative volkswirtschaftlich effizient ist. Auch hier gilt, dass, wäre die Wertvernichtung durch Agenturkosten umfangreicher als die positiven Wohlfahrtseffekte der Spezialisierung, es ineffizient wäre, die Haftungsbeschränkung unter dem Gesichtspunkt der Spezialisierung rechtfertigen zu wollen. Im rechtsökonomischen Schrifttum wird jedoch verbreitet angenommen, dass die durch die Trennung von Eigentum und Kontrolle generierten Spezialisierungseffekte die induzierten Agenten-Kosten übersteigen55. Zum Beweis wird oftmals auf die Tatsache der Durchsetzung des Haftungsprivilegs in der Praxis verwiesen56. Ältere Studien scheinen ein anderes Bild zu zeichnen. Monsen, Chiu und Cooley etwa gelangen zu dem Ergebnis, dass Profitmaximierung eher zu finden sei bei Gesellschaften, in denen Eigentum und Kontrolle zusammenfallen57. Die Aussagekraft für die generelle Vorteilhaftigkeit der Spezialisierung ist allerdings begrenzt, da ein Zusammenfallen von Eigentum und Kontrolle bereits dann angenommen wird, wenn ein Anteilseigner zumindest fünf Prozent der Anteile hält und die latente Gefahr eines Wieder an sich Reißens weiterer Anteile besteht. Kamerschen hingegen ermittelt einen positiven Zusammenhang zwischen Gewinnraten und Wechsel zur Managementführung, stellt aber gleichzeitig fest, dass dieser wesentlich geringer ist als für die weiteren getesteten Kennziffern Gesamtvermögen, Marktzutrittsschranken und Industriewachstumsrate58. Diese durchaus zwiespältigen Ergebnisse von Vergleichen inhabergeführter Unternehmen mit durch Fremdorgane geleiteten Unternehmen dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in zahlreichen Fällen ein Auseinanderfallen von Eigentum und Kontrolle eine schlichte Notwendigkeit darstellt. Unternehmensgrößen erreichen teilweise Dimensionen, die eine Inhabergeschäftsleitung in den meisten Fällen als illusorisch erscheinen lassen. Hinzutreten insbesondere Nachfolgeprobleme. Ein Auseinanderfallen von Eigentum und Kontrolle wird immer dann notwendig, wenn der bisherige Unternehmensleiter abtritt und sich im unmittelbarem Umfeld keine geeigneten Personen finden, die sowohl über die notwendigen Kapitalien (zum Erwerb und) zum Betrieb der Unternehmung als auch die erforderlichen unternehmerischen Fähigkeiten verfügen. 5. Kapitalmarkteffizienz Schließlich ist nach allgemein geteilter Ansicht das Haftungsprivileg elementare Funktionsbedingung moderner Kapitalmärkte59. 55

Vgl. Bamberg/Coenenberg, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 169. Vgl. Easterbrook/Fischel, U. Chi. L. Rev. 52 (1985), 89 (94). 57 Vgl. Monsen/Chiu/Cooley, Quarterly Journal of Economics 82 (1968), 435 (440 ff.). 58 Vgl. Kamerschen, Am. Econ. Rev. 58 (1968), 432 (439 ff.). 59 Vgl. Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (137 ff.); Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 48, ders., Ökonomische Theorie des Rechts, S. 234 f.; Woodward, ZgS 141 (1985), 601 (601); Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/ 56

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a) Kontrollkosten und Anteilsfungibilität Zunächst entfaltet das Kontrollkostenargument hier besondere Wirkmächtigkeit. Unter einem Regime unbeschränkter Haftung steht die Gesamtheit der Anteilseigner für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ein. Der Gesamtwert der haftenden Vermögensmassen – Gesellschaftsvermögen und Vermögen der haftenden Aktionäre – wäre wesentliche Bestimmungsgröße für die Ertragsfähigkeit des Unternehmens, da die Fremdkapitalkosten mit höherer Unterlegung durch Haftmasse sinken60. Der Marktwert der Unternehmung wird damit nicht allein durch bereits realisiertes und erwartetes künftiges Vermögen der Gesellschaft bestimmt, sondern auch durch den Umfang des Privatvermögens der Aktionäre61. Börsenakteure, die Kosten und Nutzen eines Investments in einer unbeschränkt haftenden Aktiengesellschaft abwägen, wären gehalten, nicht allein die Entwicklung des Gesellschaftsvermögens, sondern auch der Privatvermögen der Aktionäre zu überwachen62. Im Falle einer börsennotierten Aktiengesellschaft mit nur einigermaßen umfänglichem Streubesitz ist die Ermittlung dieser Vermögenswerte mit prohibitiv hohen Informationskosten verbunden63. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Ermittlung der Gesamthaftmasse nicht nur statisch im Zeitpunkt der Kaufentscheidung vorgenommen werden müsste, sondern dynamisch-kontinuierlich über den Zeitraum des Investments. Das Anwachsen des ökonomisch erforderlichen Kontrollaufwands würde die Handelbarkeit von Aktien in schwerwiegender Weise belasten. Die Zulassung der Haftungsbeschränkung entbindet die Kapitalmarktakteure von dieser – wenn überhaupt – nur schwer zu leistenden Überwachungsobliegenheit. Haften die Anteilseigner ausschließlich mit ihrer Einlage, wird der Fremdkapitalzins nur durch das vorhandene Gesellschaftsvermögen und die erwarteten Erträge der Gesellschaft bestimmt, Kennziffern, die von professionellen Kapitalmarktakteuren ermittelt bzw. prognostiziert und auch nicht-professionellen Investoren in aufbereiteter Form durch Informationsintermediäre (Analysten, Rating-Agenturen, Wirtschaftsdienste etc.) zugänglich gemacht werden. Insoweit stellt die ausnahms-

Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 4; Teichmann, NJW 2006, 2444 (2445); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 46. 60 Vgl. Woodward, ZgS 141 (1985), 601 (604); Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 235. 61 Easterbrook/Fischel, U. Chi. L. Rev. 52 (1985), 89 (92); Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (130 ff.); Fleischer, ZGR 2001, 1 (17); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Rn. 8-1 = S. 207; Lehmann, ZGR 1986, 345 (354 Fn. 56); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 663; Woodward, ZgS 141 (1985), 601 (602). 62 Vgl. Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (135 f.); Kübler, FS Heinsius, 379 (405); Prentice, Corporate Personality, 99 (101); vgl. auch Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 49; Woodward, ZgS 141 (1985), 601 (602 ff.). 63 Vgl. Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 32; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 663.

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lose Geltung des Trennungsprinzips eine Funktionsbedingung des Aktienmarktes dar64. Allerdings wirkt sich dieser Wohlfahrtseffekt der Haftungsbeschränkung nur bei kapitalmarktnahen Gesellschaften aus und trägt somit nichts bei zur Legitimation der Haftungsbeschränkung bei kleinen Gesellschaften wie der GmbH, der private company limited by shares und der S.à.r.l.65. Zunächst ist regelmäßig die Umschlaghäufigkeit der Anteile an diesen Gesellschaften niedrig, teilweise forciert durch den Gesetzgeber wie durch das Erfordernis notarieller Beurkundung in § 15 GmbHG. Das Formerfordernis soll nach dem Willen des Gesetzgebers gerade Spekulationen mit GmbH-Geschäftsanteilen vorbeugen und die bisherigen Anteilseigner vor einem überraschenden Wechsel in der Zusammensetzung der Gesellschafter schützen. Weiter handelt es sich bei Transaktionen, durch die Unternehmensanteile an kleinen Gesellschaften übertragen werden, regelmäßig um Unternehmenskäufe, die keine rein passiven Investments darstellen, sondern mindestens der Erlangung von Mehrheitsherrschaft in der Gesellschaft dienen. Im Rahmen derartiger Transaktionen gehört die Durchführung einer Due Diligence zum Standard, so dass häufig keine Entlastung der Übertragung von anderenfalls notwendiger Kontrolltätigkeit erforderlich ist. b) Markt für Unternehmenskontrolle Indem das Institut der Haftungsbeschränkung die Fungibilität der Anteile an Kapitalgesellschaften ermöglicht bzw. erleichtert, erweist es sich gleichzeitig als notwendige Voraussetzung für die Genese eines Marktes für Unternehmenskontrolle66. Dieser fördert die Effizienz, indem er die Leitungsmacht in Kapitalgesellschaften grundsätzlich auf die Personen überträgt, die marktwertmaximierend agieren67. c) Portfoliooptimierung Beschränkte Haftung ermöglicht es Anlegern schließlich, ein optimales Portefeuille zu halten68. Entsprechend den Vorgaben der Portfoliotheorie sollten Investoren ihre Vermögensanlagen diversifizieren. Grundlage dieser eindeutigen Hand64 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 49; Kübler, FS Heinsius, 397 (406); Lehmann, ZGR 1986, 345 (354 f.); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 663; vgl. auch Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 4; Leyendecker, GmbHR 2008, 302 (303). 65 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 55 f. 66 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 50. 67 Ausführlich unter § 4, III. 2. 68 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 51; Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1595 ff.); Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 4; Teichmann, NJW 2006, 2444 (2445).

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lungsanweisung ist der Effekt, dass sich das Risiko eines solchen Portfolios auf das systematische, d. h. das allgemeine Marktrisiko begrenzen lässt69. Im Idealfall hält ein Anleger relativ zu seinem Gesamtanlagebetrag nur atomistische Beteiligungen an einer Vielzahl unterschiedlicher Gesellschaften. Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung einer derartigen Diversifizierung ist zunächst die Möglichkeit einer Trennung von Eigentum und Kontrolle, da es dem einzelnen Anleger selbstverständlich nicht möglich ist, die Leitungsmacht in allen diesen Gesellschaften auszuüben70. Gleichzeitig sinkt bei einer breiten Fächerung des Portfolios das vermögensmäßige Interesse des Anlegers an der Überwachung der Einzelgesellschaft. Kontrolle und Überwachung sind kostspielig und deshalb ins Verhältnis zu den erwarteten Erträgen aus dem zu kontrollierenden Investment zu setzen. Aufgrund der nur atomistischen Beteiligung ist der positive Vermögenseffekt der Ausübung von Kontrollrechten gering, während die Kosten der Etablierung effizienter Überwachung einen gewissen Fixkostensockel besitzen. In Konsequenz übt der Anteilseigner die ihm zustehenden Kontrollrechte nicht aus71, er verfällt in „rationale Apathie“72. Dieser Verzicht bei gleichzeitiger Diversifikation setzt aber voraus, dass hieraus für den Anleger nicht Nachteile resultieren, die umfangreicher sind als die Vorteile der Diversifikation. Unter einem Regime unbeschränkter Haftung sieht sich jeder Investor dem vollen Verlustrisiko jeder Gesellschaft ausgesetzt, in der er engagiert ist. Diversifikation führt in einem solchen Umfeld zu einer Kumulation überproportional hoher Risiken73. Die mit der Diversifikation eigentlich intendierte Reduzierung von Risiken verkehrt sich in ihr Gegenteil. Im worst case-Szenario unbeschränkter Aktionärshaftung kommt es zu einem Abstandnehmen weiter Kreise von einem Engagement in Beteiligungstiteln. Technisch sinkt die Markttiefe, wodurch die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte zusätzlich beeinträchtigt wird. Selbst unter der doppelten Annahme, dass die Anleger im Markt engagiert bleiben und gleichzeitig in der Lage sind, ihre Kontrollrechte ihren Präferenzen entsprechend auszuüben, würde eine gesamtgesellschaftlich suboptimale Lösung generiert, weil risikoaverse Investoren vor dem Hintergrund der Drohung unbeschränkter Haftung

69 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 43; Fama, J. Pol. Econ. 88 (1980), 288 (291); zu den verschiedenen Modellen und Maßen der Portfolioselektion vgl. etwa Breuer/Gürtler/Schuhmacher, Portfoliomanagement; Elton/Gruber, Modern Portfolio Theory and Investment Analysis. 70 Fama/Jensen, Journal of Law and Economics 26 (1983), 301 (306). 71 Fama, J. Pol. Econ. 88 (1980), 288 (291). 72 Vgl. Adams, AG 1990, 63 (75); vgl. auch Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 450 f. Gleicher Befund jetzt auch im Aktionsplan der Kommission, vgl. EU-Komission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagiertere Aktionäre und besser überlebensfähige Unternehmen, Brüssel COM (2012) 740/2, S. 3. 73 Vgl. Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1597).

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sichere Projekte selbst solchen mit einem höheren Nettogegenwartswert vorziehen werden74. Diesen ungewollten Folgeeffekten unbeschränkter Haftung beugt die Haftungsbeschränkung vor. Dem Anleger wird es ermöglicht, zunächst das Risiko seiner Einzelbeteiligungen zu minimieren, um sodann das Gesamtrisiko seines Portfolios mittels Diversifikation auf das systematische Risiko zu begrenzen75. Indem die Gesellschafter durch Diversifizierung bis zu einem gewissen Grad das Risiko von Projekten ignorieren können, wird es gleichzeitig der Geschäftsleitung möglich, riskante, aber positive Erträge versprechende Projekte zu realisieren, die aufgrund ihres Erwartungswertes volkswirtschaftlich erwünscht sind, jedoch wegen der individuellen Risikoaversion natürlicher Personen nicht durchgeführt würden76. Auch diese ökonomische Plausibilisierung der Zulassung der beschränkten Haftung ist nicht unwidersprochen geblieben. Diversifizierung sei grundsätzlich nicht vorteilhaft, die Kontrolle der Geschäftsleitung besser zu erreichen über konzentrierte Investments77. Diese Kritik vermag indes nicht zu überzeugen, denn sie vermengt zwei zu trennende Gesichtspunkte. Konzentration senkt die managerial agency costs, zumindest für den Fall, dass sie mit einem optimalen Kontrollniveau einhergehen sollte. Dem technologischen Risiko des Einzeltitels bleibt das Portfolio vollständig ausgesetzt. Um der Risikoaversion natürlicher Personen entgegenzuwirken, bleibt es erforderlich, gerade die Auswirkungen dieses systematischen Risikos auszuschalten bzw. zu mildern, da es die Hauptrisikokomponente unternehmerischer Tätigkeit darstellt. Indem durch Diversifikation das technologische Risiko des Portfolios minimiert wird, werden auch Fremdgeschäftsführer in die Lage versetzt, riskantere Projekte zu realisieren als in einer Volkswirtschaft, in der unbeschränkte Haftung zwingend für jede Gesellschaftsform vorgeschrieben ist78. 6. Kapitalsammelstellenfunktion Ihren historischen Siegeszug verdankt die beschränkt haftende Kapitalgesellschaft ihrer aus der Summe dieser Vorteile gespeisten idealen Eignung als Kapi-

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Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 48. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 48; Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 165; Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 17 (22); Fleischer, ZGR 2001, 1 (17); Lehmann, ZGR 1986, 345 (354). 76 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 51; vgl. auch von der Crone, SZW/RSDA 2006, 2 (6); Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1361) ausführlich zum Zusammenhang mit dem im Hintergrund stehenden CAPM (Capital Asset Pricing Model). 77 Freedman, MLR 63 (2000), 317 (326 f.) m.w.N. 78 Easterbrook/Fischel, U. Chi. L. Rev. 52 (1985), 89 (95); Fleischer, ZGR 2001, 1 (17). 75

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talsammelstelle79. Industrialisierung und die Erschließung der Welt als globaler Wirtschaftsraum im Zeitalter der Entdeckungen und der anschließenden Kolonialisierung offenbarten das Bedürfnis der Wirtschaft nach Kapital in einem Umfang, das von Einzelpersonen bzw. einem beschränkten Kreis von Financiers nicht zu stemmen war; bekannte Beispiele sind etwa Eisenbahnbau und Kolonialgesellschaften80. Notwendig wurde damit der Zugriff auf die Kapitalien breiterer Bevölkerungsschichten, die in keinerlei Beziehung zu der einzelnen Gesellschaft standen81 und folglich keinerlei Kontrolle über die Geschäftsleitung auszuüben vermochten. Die Möglichkeit, das Verlustrisiko auf einen bestimmten Betrag zu beschränken, stellte sich hier also mit besonderer Dringlichkeit82. Das Prinzip der Haftungsbeschränkung unterstützt somit die Kapitalsammelstellenfunktion der Aktiengesellschaft, wenn es sie nicht überhaupt erst ermöglicht, indem sie das Investitionsrisiko für den Anleger überschaubar macht83. 7. Überlegene Risikoträgerschaft der Gläubiger Beschränkte Haftung reduziert nicht das mit unternehmerischer Tätigkeit verbundene Risiko84, da dieses Ausfluss der Unsicherheit in den Zahlungsströmen ist. Beschränkte Haftung verteilt jedoch das Ausfallrisiko zwischen Gläubigern und Gesellschaftern85. Unter idealen Bedingungen dürften mit einer gesetzlichen Haftungsbeschränkung grundsätzlich keine Effizienzwirkungen verbunden sein. Bei Fehlen von Transaktionskosten tragen das Insolvenzrisiko die Personen, die hierfür am besten geeignet sind. Unabhängig von der Anfangsverteilung der Risiken findet entsprechend der Annahme des Coase-Theorems eine Reallokation statt86. Die Existenz von Transaktionskosten kann jedoch diesen, die effiziente gesamtwirtschaftliche Lösung herbeiführenden Reallokationsprozess einschränken oder zur Gänze verhindern. Für die Rechtsordnung resultiert hieraus die Aufgabe, eine Anfangsverteilung der Risiken vorzunehmen, die bereits der effizienten entspricht und Reallokationsmaß79 Vgl. Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (118); Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 47; ders., Ökonomische Theorie des Rechts, S. 233 f.; Barta, GmbHR 2005, 657 (660); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 13; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 283 f. u. S. 289 f.; siehe auch schon Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 282 f. 80 Zur Bedeutung der letzteren für die Einführung des GmbHG vgl. Schubert, FS GmbHG, 1 (4 ff.). 81 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 47; ders., Ökonomische The orie des Rechts, S. 234. 82 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 47. 83 Vgl. Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 234; Fleischer, ZGR 2001, 1 (17). 84 Vgl. Woodward, ZgS 141 (1985), 601 (601). 85 Vgl. Woodward, ZgS 141 (1985), 601 (601). 86 Vgl. hierzu in allgemeinem Kontext Stoffels/Lohmann, VersR 2003, 1343 (1343 ff.).

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nahmen überflüssig macht. Die Zurverfügungstellung der beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft durch den Gesetzgeber ist unter diesem Gesichtspunkt dann gerechtfertigt, wenn die Gesellschaftsgläubiger als überlegene Risikoträger zu qualifizieren sind, die auch in einer Coase-Welt das über das Gesellschaftsvermögen hinausgehende Ausfallrisiko übernehmen würden87. Zwar übernehmen Aktionäre bzw. Gesellschafter aufgrund der Prioritätsregel ein höheres strukturelles Risiko als die Gläubiger bezüglich einer Einzelunternehmung. Dennoch wird teilweise eine überlegene Risikoträgerschaft der Gläubiger angenommen88. Gläubiger sind hiernach überlegene Risikoträger, wenn sie hinreichend diversifiziert und aktive Kontrolleure sind89. Die Annahme überlegener Risikoträgerschaft der Gläubiger ist allerdings nicht unbestritten geblieben. Gesellschafter wie Gesellschaftsgläubiger seien Investoren der Unternehmung, deren Ansprüche auf zukünftige Einzahlungsüberschüsse allein aufgrund unterschiedlicher Risikopräferenzen voneinander unterschieden seien90. Eine generelle Beurteilung verbietet sich in diesem Zusammenhang. Im Falle einer börsennotierten Kapitalgesellschaft ist einerseits das Humankapital der Geschäftsleitung wenig diversifiziert, andererseits sollten die Anteilseigner ein diversifiziertes Portfolio halten. Gläubiger der Gesellschaft, insbesondere Warenkreditgeber und Dienstleister, mögen demgegenüber wenig diversifiziert sein. In der personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaft werden hingegen in zahlreichen Fällen die Gesellschafter ihre Vermögenswerte in der Gesellschaft konzentriert haben, gleichzeitig aber auch Kontrollrechte ausüben. Nicht zuletzt wird im Folgenden zu berücksichtigen sein, inwieweit es sich um steuerbare oder allgemeine Marktrisiken handelt.

IV. Konnexität zwischen beschränkter Haftung und Geschäftsführerhaftung Das kapitalgesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip umfasst zunächst nur die Haftungsverteilung zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft einerseits und Gläubigergesamtheit andererseits. Über eine Inpflichtnahme der Geschäftsleiter ist damit für sich noch keine Aussage getroffen. Diesem beschränkten Ansatz folgt die lex lata nicht. § 13 Abs. 2 GmbHG bestimmt vielmehr, dass für die Gesellschaftsverbindlichkeiten nur das Gesellschaftsvermögen haftet91. Zutreffend wird dementsprechend von zahlreichen Autoren der Geltungsbereich der Haftungsbeschrän-

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Vgl. hierzu auch Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1588 ff.). Posner, U. Chi. L. Rev. 43 (1976), 499 (502). 89 In diese Richtung etwa Goddard, in: Ramsay, 169 (171); vgl. Eidenmüller/Grunewald/ Noack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 17 (40); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (338); Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1604 f.) für die public corporation. 90 Vgl. Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1589). 91 Vgl. U. H. Schneider, FS GmbHG, 473 (474). 88

IV. Konnexität zwischen beschränkter Haftung und Geschäftsführerhaftung

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kung im Kapitalgesellschaftsrecht sowohl auf die Gesellschafter wie auch die Geschäftsleiter erstreckt92. Kapitalgesellschaftsrechtliche Haftungsregeln, die wie Insolvenzverschleppungshaftung, wrongful trading und action en comblement du passif einen insolvenzbedingten Forderungsausfall auf Seiten der Gläubiger voraussetzen, brechen somit zunächst mit dem Grundsatz des Haftungsprivilegs93. Dies lässt sich auch nicht durch den Verweis entkräften, dass im Falle der Geschäftsleiterhaftung nicht nur nicht die Gesellschafter hafteten, sondern die Geschäftsleiter und diese vor allem nicht für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen hätten, sondern für eigene Pflichtverletzungen94. Dieses rein dogmatische Ergebnis kann in der wirtschaftlichen Konsequenz nur dann Gültigkeit beanspruchen, wenn es sich um kapitalgesellschaftsrechtlich neutrale Pflichten handelt, wie etwa die allgemeine deliktsrechtliche Haftung des Managements für eigenes Handeln95. Sind die Pflichten der Geschäftsleitung hingegen in hinreichend enger Form mit dem Wesen des Trennungsprinzips, also der alleinigen Haftung des Gesellschaftsvermögens in der Insolvenz, verknüpft, handelt es sich bei der hieraus resultierenden Haftung um eine Aufweichung des Haftungsprivilegs, weil der Vorwurf regelmäßig darin liegt, dass die Gesellschaftsgläubiger nicht vollständig befriedigt werden96. Dementsprechend werden fraudulent und wrongful trading in England sowie die action en comblement in Frankreich als Fälle eines gesetzlichen lifting of the corporate veil bzw. lève le voile de la personnalité morale verstanden97. Illustrierend sei darauf verwiesen, dass, statuierte man eine Außenhaftung der Geschäftsleitung für nicht der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters entsprechendes Verhalten und würde hierunter auch den Tatbestand fassen, dass die Gesellschaft nicht in der Lage ist, im Insolvenzfall ihre Verbindlichkeiten vollständig zu befriedigen, wäre das Trennungsprinzip damit 92 Vgl. Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 232; Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 23; Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (74); Hopt, FS Mestmäcker, 909 (913); Lutter, DB 1994, 129 (129); Sester, ZGR 2006, 1 (8 f.); Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 290; Ulmer, GmbHR 1984, 256 (261). 93 Explizit für die action en comblement du passif etwa Süß, EuZW, 65; in der englischen Literatur wird wrongful trading dementsprechend zumeist nicht im Rahmen der directors duties, sondern der Ausnahmen zum Prinzip der beschränkten Haftung erörtert, vgl. etwa Pennington, Company Law, S. 43 ff.; kritisch allerdings Noonan/Watson, JBL 2006, 763 (783 ff.). Vgl. im Übrigen auch Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 291, der hierin allerdings keine „Grenze der Haftungsbeschränkung im eigentlichen Sinn“ erkennen will. 94 So aber etwa Bork, ZGR 1995, 505 (516 f.). 95 vgl. hierzu Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 48 f. 96 Mit der gebotenen Deutlichkeit auch schon der Befund für die action en comblement du passif bei Zimmermann, Haftung von Geschäftsführern und Gesellschaftern in Frankreich: „[…] im Ergebnis eine Durchbrechung der beschränkten Haftung“. 97 Vgl. etwa Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (249); Guyon, Droit des Affaires II, S. 414 f.; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 255.

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§ 3 Beschränkte Haftung

aufgegeben. Juristisch-dogmatisch läge eine eigene Pflichtverletzung vor, die den Vorwurf einer de iure Strukturhaftung abzuwenden vermag, gleichzeitig erreicht man aber ein vergleichbares Ergebnis wie bei unbeschränkter Haftung (der Geschäftsleiter), denn es haften in diesem Fall sowohl das Gesellschaftsvermögen wie auch das einer natürlichen Person. Die Zulassung einer Organaußenhaftung wirkt unter solchen Voraussetzungen zurück auf die Erwartungen, die rechtspolitisch an die Kunstschöpfung der Kapitalgesellschaft mit begrenzter Haftung herangetragen werden. Wenn diese zunächst natürliche Personen veranlassen soll, durch das Instrument einer Gesellschaft in riskante Projekte mit positivem Erwartungswert zu investieren, wird dieses Ziel durch eine Geschäftsleiterhaftung möglicherweise in gleicher Weise konterkariert wie durch eine unbeschränkte Strukturhaftung der Gesellschafter nach dem Vorbild der Personengesellschaften. Zwar beseitigt die Inpflichtnahme der Geschäftsleitung nicht den für den Adressatenkreis der Gesellschafter gesteigerten Impuls, sich zu engagieren. Solange sie nicht gleichzeitig als Geschäftsführer der Gesellschaft agieren, bleibt ihre primäre Investitionsentscheidung unbeeinflusst. Beeinflusst wird aber die sekundäre Investitionsentscheidung, also die Verwendung der durch die Gesellschafter aufgebrachten Kapitalien durch die Geschäftsleitung im Rahmen des operativen Geschäfts. Die Haftungsandrohung für den Fall der Insolvenz steigert die Risikoaversion der Geschäftsleitung, die in Reaktion hierauf eine vorsichtigere, konservativere Geschäftspolitik wählen wird98. Im schlimmsten denkbaren Fall sorgt das „Damoklesschwert einer existenzvernichtenden Haftung“ für eine Lähmung der Initiative der Geschäftsleitung99. Der durch die Haftungsbeschränkung herbeigeführte Effekt faktisch gesenkter Risikoaversion der Gesellschafter wird also durch die Etablierung einer Geschäftsleiterhaftung teilweise, vollständig oder sogar überkompensiert. Die gesetzlich gewollte höhere Risikobereitschaft wird konterkariert mit der Folge, dass eine Vielzahl von Projekten mit positivem Erwartungswert nicht realisiert wird und die Volkswirtschaft ihr Produktionspotential nicht ausschöpft100. Dieser Befund ist nicht etwa neu, schon die Nationalzeitung schrieb am 3. 11. 1891 über die Bundesratsvorlage des GmbH-Gesetzes, „dass die neue Gesellschaftsform ihren wirtschaftlichen Zweck verfehlen würde, wenn die Erleichterungen, die sie gewährt, behufs Erweiterungen des Kreises nutzbringender Unternehmungen, vollständig auf der anderen Seite wieder durch lästige Bedingungen oder Beschränkungen aufgewogen werden, die das Kapital abschrecken, statt es anzuziehen“101. Konsequenterweise müssen grundsätzlich auch die Geschäftsleiter von einer Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten freigestellt werden. 98 Fleischer, RIW 1999, 576 (581); ders., FS Wiedemann, 827 (829 f.); Goette, FS BGH, 123 (124 f.); Hopt, FS Mestmäcker, 909 (914 f.); Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 3 f.; von der Crone, SZW/RSDA 1/2006, 2 (16). 99 Kübler, ZGR 1995, 481 (497). 100 Vgl. etwa Fleischer, ZIP 2004, 685 (686 f.) für den Fall der Innenhaftung der Geschäftsleiter gegenüber ihrer Gesellschaft. 101 Zitiert nach Schubert, FS GmbHG, 1 (1).

§ 4 Rechtsökonomik der Krise I. Harmonischer Antagonismus: Gläubiger- und Gesellschafterinteressen außerhalb der Krise 1. Partieller Interessengleichlauf von Gesellschaftern und Gläubigern Wesen der Haftungsbeschränkung im Kapitalgesellschaftsrecht ist, dass im Insolvenzfall die Gläubiger möglicherweise bzw. wahrscheinlich nur einen Teil ihrer Forderungen gegen die Schuldnergesellschaft durchzusetzen vermögen. Nicht die Gesellschafter, sondern die Gläubiger tragen dieses letzte Risiko. Solange allerdings die Gesellschaft einen positiven Nettogegenwartswert besitzt – und realisiert – aktualisiert sich dieses Ausfallrisiko nicht. Schwankungen im periodischen Unternehmenserfolg werden primär von den Gesellschaftern bzw. Aktionären getragen, indem ihr Anspruch auf das periodische Residualeinkommen – Gewinn bzw. Dividende – entsprechend steigt oder fällt. Ein positiver Nettogegenwartswert einer Unternehmung sorgt zugleich für eine zumindest teilweise Synchronisierung der Interessen von Eigen- und Fremdkapitalgebern. Das Eingehen unternehmerisch nicht mehr vertretbarer Risiken würde nicht nur die Kredite der Gläubiger in Gefahr bringen, sondern auch die aus den künftigen erwarteten Zahlungsströmen resultierenden Ansprüche der Unternehmenseigner auf den Residualgewinn1. Die Wahl einer unter Risiko-Rendite-Gesichtspunkten suboptimalen Strategie wäre für die Anteilseigner insbesondere deshalb regelmäßig mit erheblichen Risiken verbunden, weil das Verlustrisiko, dem sie sich ausgesetzt sehen, nicht auf den ursprünglichen Einlagebetrag begrenzt ist2, also etwa auf den Anteil der 25.000 Euro Mindestkapital im Falle der GmbH, die der jeweilige Gesellschafter aufzubringen verpflichtet war. Vielmehr lässt sich das 1 Vgl. Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (340 f.); ders., JZ 2006, 839 (842); Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 129; Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 431; Davies, EBOR 7 (2006), 302 (303 f.); Kraakman, Yale L. J. 93 (1984), 857 (862); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 15. 2 Die oftmals verwendete Formulierung, dass sich das Risiko der Gesellschafter auf Einlageleistung bzw. Kaufpreis einer Aktie beschränkt (etwa bei Kraakman, Yale L. J. 93 (1984), 857 (862), v. Werder, ZIP 2009, 500 (501) speist sich aus einer anderen Überlegung. Bezogen auf sein bereits realisiertes Privatvermögen riskiert ein Anleger nur diesen Betrag. Anzumerken ist allerdings, dass auch diese Formulierung nicht völlig richtig ist, weil sie die Opportunitätskosten ignoriert. Verlustbetrag ist vielmehr die Einlage aufgezinst auf ihren heutigen Wert (also mindestens verzinst mit dem Zinssatz einer risikolosen Anlage).

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§ 4 Rechtsökonomik der Krise

Ausmaß möglicher Verluste virtuell in drei Komponenten unterteilen. Erster Bestandteil ist der Betrag der ursprünglichen Leistung auf das Kapital, soweit es im Entscheidungszeitpunkt noch vorhanden ist. Zweite Komponente ist ein etwaiger Wertzuwachs, den der Geschäftsanteil durch unternehmerischen Erfolg seit der Unternehmensgründung erfahren hat und der noch nicht durch Ausschüttung aus dem Gesellschaftsvermögen entlassen worden ist. Schließlich verkörpert der Geschäftsanteil den Barwert der darüber hinaus erzielbaren erwarteten künftigen Gewinne3. Indem die Anteilseigner an der Bewahrung dieser bereits erzielten und der Realisierung der erwarteten Vermögenswerte ein genuines Interesse haben, sorgen sie für einen reflexartigen Schutz der Gesellschaftsgläubiger4. Solange es Gesellschaftern und Geschäftsleitern gelingt, den Beteiligungswert zu erhalten oder zu mehren, droht auch dem vorrangig zu bedienenden Fremdkapital keine Ausfallgefahr. Selbstverständlich sind die Interessen nicht vollständig deckungsgleich, denn ein höheres Risiko bei gleichbleibendem Erwartungswert liegt immer im Interesse der Residualanspruchsberechtigten, da ihr Finanzierungskontrakt sie allein an den Spitzen der Zahlungsströme partizipieren lässt5. Allerdings kann durch Anpassung des Zinssatzes auch der Ertrag riskanterer Zahlungsströme abweichend zwischen Gläubigern und Gesellschaftern verteilt werden6. Bis zu einem gewissen Grad dominiert das Ziel der Maximierung des Unternehmenswerts das Handeln der Akteure7 und verbürgt einen mittelbaren Schutz der ausbeutungsoffenen Gläubigerpositionen8. 2. Eigenkapitalbezogene Agenturkosten und Gläubigerinteresse Fallen Eigentum und Kontrolle auseinander, wie dies in der AG typischerweise der Fall und auch bei der GmbH nicht pathologisch ist, entsteht eine Principal-AgentBeziehung. Jedoch handelt es sich hierbei um den klassischen Fall der negativen Folgen der Interessendivergenz zwischen Anteilseignern und Geschäftsleitung, die 3

Ähnlich unterteilt auch Myers, J. Fin. Econ. 6 (1977), 147 (150 ff.) , der zwischen assets in place und growth opportunities unterscheidet. Vgl. auch Davies, EBOR 7 (2006), 302 (303); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 III 1 d), S. 541 f. 4 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 302 (303); Teichmann, NJW 2006, 2444 (2445); Roth, NZG 2003, 1081 (1083); Kandestin, Vand. L. Rev. 60 (2007), 1235 (1237). Vgl. auch Henze, NZG 2003, 649 (654 f.) für den Fall einer mehrgliedrigen Gesellschaft mit Mehrheitsgesellschafter. 5 Vgl. Baird/Jackson, Vand. L. Rev. 38 (1985), 829 (833 f.); Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (873); Campbell/Frost, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed Corporations, S. 1; Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (134); Jackson, Yale L. J. 91 (1982), 857 (888); Klöhn, ZGR 2008, 110 (112); Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1589 f.); Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (650); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 15. 6 A.A. offensichtlich Klöhn, RIW 2008, 37 (38); ders., ZGR 2008, 110 (112 f.). 7 Ähnlich R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (190); ders., ZfB 54 (1984), 717 (717). 8 Vgl. auch Cahn, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 289 (296); Drenckhan, GmbHR 2006, 1296 (1296); Hommelhoff/Teichmann, DStR 2008, 928 (932).

I. Harmonischer Antagonismus

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daraus resultieren, dass unter der Hypothese individueller Rationalität, Manager „ihre Aufgabe mit einem gerüttelten Maß an Eigennutz [erfüllen]“9. Opportunistisches Verhalten der Geschäftsleitung bedroht zwar wie jede Abweichung vom Ziel der Marktwertmaximierung nicht nur die Gewinnansprüche der Gesellschafter, sondern auch die Positionen der Gesellschaftsgläubiger. Hauptbetroffene sind jedoch Gesellschafter und Aktionäre. Erwirtschaftet die Unternehmung etwa konstant Gewinn, beeinflussen die Agenturkosten des Eigenkapitals allein den Umfang dieser Gewinne negativ. In Konsequenz ist die Minimierung der Agenturkosten des Eigenkapitals zuvörderst Aufgabe der Anteilseigner und kann ihnen auch überlassen bleiben, da sie das stärkste Interesse an ihrer Begrenzung haben. Privatautonome Mechanismen zur Eindämmung der Agenturkosten des Eigenkapitals sind etwa Aktienoptionsprogramme bzw. anders gestaltete erfolgsorientierte Vergütungssysteme, Absetzung und Kapitalentzugsregeln. Flankiert werden diese Mechanismen von gesetzlichen Pflichten, insbesondere den §§ 43 Abs. 1 GmbHG; 93 Abs. 1 AktG, ergänzt um richterrechtlich entwickelte Institute wie etwa die Geschäftschancenlehre (corporate opportunities)10. Vom kapitalgesellschaftsrechtlichen Standpunkt ist schließlich zu berücksichtigen, dass diese mittelbaren Kosten für Gläubiger und Gesellschafter nicht Ausfluss der Haftungsbeschränkung sind, sondern der nur partiellen Identität der Interessen von Gesellschaftern und Geschäftsleitern. Das Problem stellt sich in gleicher Weise bei einem einzelkaufmännischen Unternehmen, einer GbR oder oHG, wo auch der Grundsatz der Selbstorganschaft nicht ausschließt, dass Prokuristen und Generalbevollmächtigte ihre leitenden Funktionen in einer Weise ausüben, dass die Positionen von Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern in gleicher Weise ausgebeutet werden wie durch die Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften.

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Schmitz-Herscheid, JNPÖ 2 (1983), 181 (189). Vgl. zum Ganzen: Fleischer, ZGR 2001, 1 (7 ff.); ders., ZHR 168 (2004), 673 (705); Baird/Henderson, Other People’s Money, S. 1 ff.; Mokal, Cambridge Law Journal 2000, 335 (346 f.); Wenger, JNPÖ 6 (1987), 217 (218 ff.); in der US-amerikanischen Diskussion werden deshalb fiduciary duties als „gap fillers“ zur Überwindung von Agenturkosten verstanden, vgl. Campbell/Frost, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed Corporations, S. 30; Kandestin, Vand. L. Rev. 60 (2007), 1231 (1241 f.); Tung, Journal of Business & Technology Law 1 (2007), 1201 (1209 ff.); ders., The Death of Corporate Contract, S. 9; Ribstein, The Structure of the Fiduciary Relationship, S. 7 ff. Vgl. auch Ayres/Gertner, Yale L. J. 99 (1989), 87 (87) mit eigenständigem Lösungsansatz. 10

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§ 4 Rechtsökonomik der Krise

II. Gesellschafter- und Gläubigerinteressen in der Krise der Gesellschaft 1. Anreizsystem der Gesellschafter bei positiver Fortführungsprognose Diese Teilidentität der Interessenlagen von Anteilseignern und Gesellschaftsgläubigern besteht jedoch nicht zwingend fort, wenn die Gesellschaft in eine Krise gerät11. Berühmt geworden ist die Umschreibung dieses Phänomens durch den Delaware Court of Chancery: „[the] possibility of insolvency can do curious things to incentives, exposing creditors to risks of opportunistic behavior and creating complexities for directors“12. Der Begriff der Krise i.d.S. ist allerdings mit einigen Unwägbarkeiten verbunden. Wenig hilfreich ist die Formulierung vicinity of insolvency, die die Gerichte Delawares heranziehen13. Einen ersten Orientierungspunkt bildet die betriebswirtschaftliche Krisenforschung, die zwischen strategischen Krisen (Erfolgspotenziale/ strategische Ziele wie Marktanteile bedroht), operativen bzw. Erfolgskrisen (Erfolgsziele wie z. B. Umsatzrentabilität bedroht), Liquiditätskrisen (Liquiditätsziele wie z. B. dynamische Verschuldungsgrade bedroht) und Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung) unterscheidet14. Diese Definition bedarf jedoch weiterer Eingrenzung für den vorliegenden Kontext. Strategische und operative Krisen als Ausgangspunkte geschäftlicher Negativentwicklungen gehen regelmäßig noch nicht einher mit einer Verschlechterung der finanzwirtschaftlichen Situation, sondern induzieren allein ein Bedürfnis nach einem strategischen oder operativen Turn-Around. Die Gläubigerinteressen sind hiermit nicht notwendig betroffen. Ein Auseinanderlaufen von Gesellschafter- und Gläubigerinteressen droht erst dann, wenn keine betriebswirtschaftlich vertretbaren Projekte mehr durchgeführt werden können. Krise sei deshalb hier verstanden als ein Zustand deutlich erhöhter Insolvenzwahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit15. Die 11 Ho, Deepening Insolvency, S. 20; Fleischer, ZGR 2004, 437 (446); Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 132 ff.; Klöhn, RIW 2008, 37 (38); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 26; Cahn, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 289 (296). 12 Chancellor Allen in Credit Lyonnais Bank Nederland, N.V. v. Pathe Communications Corp., Del. J. Corp. Law 17 (1992), 1099 (1155). Vgl. auch Kandestin, Vand. L. Rev. 60 (2007), 121235 (1237): „a financially distressed firm is a different beast than a solvent firm“. 13 Vgl. Campbell/Frost, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed Companies, S. 4. 14 Vgl. Kucher/Meitner, FB 2004, 713 (713 f.); Klockenbrink/Wömpener, FB 2007, 641 (641); ähnlich weit Drenckhan, Gläubigerschutz in der Krise der GmbH, S. 38 f.: Krise liegt vor, wenn Unternehmen von dem geplanten Entwicklungsweg nachteilig abweicht und Erfolgspotentiale zu erodieren beginnen. 15 Ähnlich Reuter, BB 2003, 1797 (1779): „Das Unternehmen ist in seiner Existenz bedroht, oder es liegen Umstände vor, die zu solcher Existenzbedrohung führen können, wenn ihnen nicht gewehrt wird“; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 16: (drohende) Insolvenz

II. Gesellschafter- und Gläubigerinteressen in der Krise der Gesellschaft

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Überlebensfähigkeit bzw. Existenz der Gesellschaft – genauer des betriebenen Unternehmens – steht in Frage, wobei das endgültige Scheitern nicht notwendiges Schicksal ist16. Aus einer solchen Definition des Stadiums der Krise folgt, dass die ersten zwei Bestandteile des virtuellen Gesamtbeteiligungswerts, ursprüngliche Leistung in das Gesellschaftsvermögen und Zuwächse durch Thesaurierung in der Vergangenheit, de facto nicht mehr vorhanden sind. Anhaltender wirtschaftlicher Misserfolg hat diese Komponenten aufgezehrt. Einzig verbleibende Verlustposition der Anteilseigner ist damit ein eventuell bestehender positiver Nettogegenwartswert zukünftiger Zahlungsströme. Dieser wird zur allein bestimmenden oder doch dominierenden Variable für die weitere Leitung der Gesellschaft durch Gesellschafter und Geschäftsleitung. Aus Sicht der Gesellschaftsgläubiger lassen sich damit zwei grundlegend verschiedenen Situationen in Abhängigkeit vom Vorzeichen des Nettogegenwartswerts im Zeitpunkt der Krise unterscheiden. Ist die Fortführungsprognose objektiv, also gemessen an einem hohem Erwartungswert mit hinreichend hoher Eintrittswahrscheinlichkeit, günstig, besitzen Anteilseigner ein genuines Interesse, den damit verbundenen positiven Nettogegenwartswert im Zeitablauf zu realisieren. Die Krise wird ihre Ursache hier regelmäßig in behebbaren Management- oder Finanzierungsfehlern haben17. Die Fortführung des Unternehmens liegt unter diesen Voraussetzungen auch im Interesse der Gesellschaftsgläubiger, insbesondere dann wenn eine sofortige Liquidation aufgrund der mit ihr verbundenen Abwicklungskosten zu einer nicht vollständigen Befriedigung ihrer Ansprüche führen würde und die positiven Aussichten der Unternehmensentwicklung eine vollständige Befriedigung in Zukunft hinreichend sicher erscheinen lassen. Gleichzeitig sind die Gläubiger hierdurch nicht gezwungen, den Nettogegenwartswert möglicher Anschlussgeschäfte mit der wieder gesundeten Gesellschaft abzuschreiben. Zuletzt und insbesondere besteht in dieser Konstellation keine Gefahr opportunistischen Verhaltens durch die Gesellschaft. Steigern die Gesellschafter bei Existenz eines positiven Nettogegenwartswerts zukünftiger Zahlungsströme das unternehmerische Risiko auf Kosten der Gläubiger, verlieren sie zwar keinen bereits realisierten Vermögenswert, beeinträchtigen aber ihren Anspruch auf künftiges Residualeinkommen. Bei hinreichend positiven Zukunftsaussichten rentiert sich eine Risikosteigerung auf Kosten der Gläubiger nicht18. Der als Zeitraum erhöhter Opportunismusgefahr. Vgl. auch Drenckhan, GmbHR 2006, 1296 (1296): „Die betriebswirtschaftliche Krise ist ein Zustand, der die Lebensfähigkeit eines Unternehmens, d. h. seine Existenz bedroht, indem wesentliche Ziele und Werte des Unternehmens unmittelbar gefährdet sind“. 16 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 148. 17 Vgl. Klockenbrink/Wömpener, FB 2007, 641 (642). 18 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 302 (306). Diesem Gesichtspunkt wird in der Kritik an Credit Lyonnais kaum Bedeutung beigemessen, wonach jede Risikosteigerung als im Interesse der Gesellschafter liegend bezeichnet wird. Vgl. etwa Tung, Journal of Business & Technology Law 1 (2007), 1201 (1207 f.): „A diversified shareholder wants managers to take all shareholder

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§ 4 Rechtsökonomik der Krise

häufig anders lautende Befund im juristischen Schrifttum19, wonach ab einer rechnerischen bzw. bilanziellen Überschuldungssituation die Fortführung der überschuldeten Gesellschaft immer zu Lasten der Gläubiger gehe, ignoriert das oben genannte Interesse der Gläubiger an einer vollständigen Befriedigung und an der Möglichkeit von Anschlussgeschäften sowie die Tatsache, dass ökonomisch grundsätzlich kein Unterschied zwischen realisierten und erwarteten Vermögenswerten besteht. Dies muss gerade für eine Unternehmung gelten, deren einziger Zweck ist, durch Einsatz von Mitteln heute (Investitionen) Einzahlungsüberschüsse morgen zu erwirtschaften20. 2. Anreizsystem der Gesellschafter bei negativer Fortführungsprognose Völlig anders gestaltet sich das Anreizsystem für Gesellschafter und Geschäftsleitung einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft, falls die Gesellschaft einen negativen Nettogegenwartswert besitzt. Verschiedene Konstellationen mit unterschiedlichen Gefährdungspotentialen für die Gruppe der Gläubiger müssen hierbei unterschieden werden21. a) Überinvestition Unter einem Regime unbeschränkter Haftung würde kein Gesellschafter für die Durchführung eines Investitionsprojektes mit einem negativen Nettogegenwartswert votieren. Gleiches gilt aufgrund der Annahme von Risikoaversion für solche Investitionsprojekte, die zwar einen positiven Nettogegenwartswert aufweisen, der Eintritt des positiven Zustands aber vergleichsweise unwahrscheinlich ist bzw. die negativen Folgen des schlechten Zustands besonders gravierend sind. Das Haftungsprivileg hingegen ermöglicht es Gesellschaftern, unter bestimmten Voraussetzungen die mit einem Investitionsprojekt verbundenen negativen Vermögenseffekte auszublenden. Ist die Gesellschaft vermögenslos, sind eventuell anfallende weitere Verluste nicht mehr von den Gesellschaftern zu tragen, sondern vertiefen nur noch eine bevorstehende oder bereits eingetretene Überschuldung. Gewinne und Verluste sind asymmetrisch zwischen Gesellschaftern und Gläubigern verteilt22. Es wealth maximizing bets, especially those for which losses would be born by creditors. From this perspective, every firm is always in the zone of insolvency“. 19 So etwa Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (83), der ab der Überschuldung kein Verlustpotential für die Gesellschafter zu erkennen vermag. 20 Deutlich Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1350). 21 Überblick bei Bratton, in: Eidenmülller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 37 (43 ff.). 22 Vgl. Fleischer, ZGR 2004, 437 (446); Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 132; Klöhn, ZGR 2008, 110 (113 f.). An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass man darauf abstellt, dass die Fortführung der Gesellschaft als Option auf zukünftige Einzahlungsüberschüsse entsprechend der Optionstheorie immer einen positiven Wert besitzt (so Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107

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beginnt das gamble for resurrection 23 bzw. das betting the bank’s money24 – auch als shoot the moon investment strategy beschrieben25. Das Schicksal der vermögenslosen Gesellschaft ohne realistische Zukunftsperspektive ist für die Gesellschafter ohne Bedeutung. Die mit einem Weiterwirtschaften trotz fehlender tragbarer Erfolgsaussichten verbundenen Verluste werden ausschließlich von den Gläubigern der Gesellschaft getragen, diese sind Träger des Residualrisikos26, ohne gleichzeitig umfänglich in die Rechte – Vermögens- wie Verwaltungsrechte – der Residualanspruchsberechtigten einzurücken27. Noch mehr, die Gesellschafter besitzen in Ermangelung Erfolg versprechender Alternativen einen starken Anreiz, riskante Projekte zu realisieren, weil sie alles zu gewinnen und nichts zu verlieren haben28. Reüssiert ein spekulatives Projekt, profitieren die Gesellschafter als Residualanspruchsberechtigte; scheitert das Projekt hingegen, führt es allein zu einer Vertiefung der Überschuldung der Gesellschaft, die die Gesellschafter aufgrund des Trennungsprinzips ignorieren können29.

(2007), 1321 (1382 f.)). Bei einer Gesellschaft ohne Marktchancen erreicht dieser Wert keine entscheidungsrelevante Dimension. 23 Vgl. Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 428; Kuhner, ZGR 2005, 753 (768 f.); Teichmann, NJW 2006, 2444 (2447); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 2 f.; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 14 ff. 24 Vgl. Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1048 f.). 25 Vgl. Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (134). 26 Vgl. Armour, Corporate Insolvency, S. 1; Böckmann, Gläubigerschutz bei GmbH und close corporation, S. 1 ff.; Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 477; Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (297); Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (413); Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (666 ff.); Davies, AG 1998, 346 (349); ders., EBOR 7 (2006), 302 (306); Fleischer, ZGR 2004, 437 (446 f.); Haas, WM 2006, 1417 (1420); Hansmann/Kraakman, Yale L. J. 100 (1992), 1879 (1883 f.); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (82 ff.); Keay, Wrongful Trading, S. 2 f.; Kuhner, ZGR 2005, 753 (768 f.); Lennarts, EBOR 8 (2007), 131 (132); Schön, ZGR 2000, 706 (714); Lehne, DK 2003, 272 (274); Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (340 ff.); Veil, ZGR 2006, 374 (397); Tung, Journal of Business & Technology Law, 1 (2007), 1201 (1206 ff.); Tung, The Death of Corporate Contract, S. 9; Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (1 ff.); Vetter, ZGR 2005, 788 (800 f.). 27 Vgl. Vice Chancellor Strine in Re Production Resources Group LLC v. NCT Group., Inc. 863 A. 2d. 772 (Del. Ch. 2004) unter Rekurs auf Lin, Vand. L. Rev. 46 (1993), 1485 (1492). 28 Vgl. Bainbridge, Fiduciary Duties’ in the Vicinity of Insolvency, S. 26 f.; Enriques/ Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1166 (1169 f.); Kandestin, Vand. L. Rev. 60 (2007), 1235 (1237); Keay, Wrongful Trading, S. 2 f.; Klöhn, RIW 2008, 37 (39); Lennarts, EBOR 8 (2007), 131 (133); Oesterle, in: Ramsay, 19 (24); Ramsay, in: Ramsay, 1 (9 f.); R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 27 f.; Redeker, DZWiR 2005, 497 (501); Spindler, JZ 2006, 838 (840); Telfer, Risk and Insolvent Trading, 127 (128 f.); Wackerbarth, NZI 2009, 145 (147); vgl. auch Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 34 ff.; Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 26; Bitter, ZHR 176 (2012), 578 (579); Campbell/Frost, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed Corporations, S. 35 f. 29 Vgl. Tung, Journal of Business & Technology Law 1 (2007), 1201 (1206); Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (1 ff.); Klöhn, NZG 2013, 81 (82 f.).

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§ 4 Rechtsökonomik der Krise

Zwei Effekte dieser Wirkung des Haftungsprivilegs in der Krise sind unter Effizienzgesichtspunkten als besonders bedenklich zu qualifizieren30. Zunächst kann es durch die Möglichkeit, die negativen Folgen einer unternehmerischen Entscheidung auszublenden, für die Gesellschafter subjektiv rational werden, Projekte mit einem negativen Nettogegenwartswert zu wählen31, also solche, die man als „objektiv unvernünftig“32 zu bezeichnen hat. Als Beispiel diene eine beschränkt haftende Gesellschaft G, die Verbindlichkeiten in Höhe von 100 E aufweist, denen keine Vermögenswerte gegenüberstehen. Unter Ausnutzung einer noch offenen Kreditlinie ist es möglich, das Investitionsprojekt I zu realisieren. In Zustand 1, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % eintritt, führt die Durchführung dieses Projektes zu einem Verlust in Höhe von 1.000 E. In Zustand 2, der mit der Gegenwahrscheinlichkeit von 10 % eintritt, ergibt sich hingegen ein Einzahlungsüberschuss von 2.000 E. Ohne Berücksichtigung des Haftungsprivilegs ergibt sich somit als Erwartungswert des Projektes I: EðI Þ ¼ 0; 9 ¡ ð¢1:000Þ þ 0; 1 ¡ 2000 ¼ ¢700

Aufgrund des negativen Erwartungswertes würde das Projekt selbst von einem risikoneutralen Investor bzw. Gesellschafter nicht durchgeführt. Anderes gilt jedoch unter Berücksichtigung des Haftungsprivilegs. Mit der Durchführung von I verbundene Verluste treffen nicht den Gesellschafter, sondern die Gläubiger. Es ergibt sich der revidierte Erwartungswert: EŸ ðI Þ ¼ 0; 9 ¡ 0 þ 0; 1 ¡ 2000 ¼ 200

Für den Gesellschafter ist die Durchführung ceteris paribus deshalb trotz des objektiv negativen Erwartungswerts rational. Im schlechtesten Zustand verliert er nichts, während er bei Eintritt des günstigen Zustands nicht nur in der Lage ist, die bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 100 E zu begleichen, sondern zudem 100 E erhält. Die beabsichtigte Funktion der Haftungsbeschränkung, die Entscheidungsfunktion risikoaverser Individuen zu beeinflussen, damit diese riskante Projekte mit positivem Erwartungswert durchführen, verkehrt sich in ihr Gegenteil. Das 30

Das Überinvestitionsproblem als wenig gravierend aufgrund empirischer Irrelevanz empfindet etwa Tung, Journal of Business & Technology Law 1 (2007), 1201 (1216). 31 Vgl. Adler, U. Chi. L. Rev. 62 (1995), 575 (590 ff.); Barondes, Fiduciary Duties in Distressed Corporations, S. 30; Bebckuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (873 f.); Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 182 f.; Booth, The Duty to Creditors Reconsidered, S. 4 ff.; Cahn, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 289 (296); Chava/Kumar/Warga, Agency Costs and the Pricing of Bond Covenants, S. 5; Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 482 f; Davies, EBOR 7 (2006), 302 (307); Kanda, J. Legal Stud. 21 (1992), 431 (433); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (338); Klöhn, NZG 2013, 81 (83); Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1565); Masulis/Thomas, U. Chi. L. Rev. 76 (2009), 219 (239); Tung, Journal of Business & Technology Law 1 (2007), 1201 (1207). 32 Vetter, ZGR 2005, 788 (800 f.). Vgl. auch Campbell/Frost, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed Corporations, S. 13: „stupid or dishonest managerial conduct“; Moore, Comp. Law. 2006, 237 (238): „[…] irrationally risky decisions aimed at salvaging the fortunes of the business at all possible cost“.

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Haftungsprivileg veranlasst nunmehr Gesellschafter und Geschäftsleiter, Investitionsprojekte mit negativem Erwartungswert zu wählen, der sich – nicht anders als ein positiver Erwartungswert – nach dem Gesetz der großen Zahl im gesamtwirtschaftlichen Aggregat durchsetzen wird. Selbstverständlich wird die Gesellschaft derart exzessiv riskante Projekte nicht durchführen, wenn alternativ sicherere Investitionsmöglichkeiten existieren, deren revidierter Erwartungswert höher ist als der revidierte Erwartungswert der spekulativen Strategie33. Jedoch ist es naheliegend, davon auszugehen, dass in einer wirklich existenzbedrohenden Krise der Gesellschaft die Zahl aussichtsreicher Projekte gegen Null tendiert. Die uneingeschränkte Fortgeltung der Haftungsbeschränkung in der Krise der Gesellschaft führt also einerseits zu einer gesamtwirtschaftlich ineffizienten Investitionsentscheidung und andererseits zu einer wirklichen Gefährdung von Gläubigerpositionen, ohne dass diese Gefährdung ökonomisch zu rechtfertigen wäre. Zweite aus rechtsökonomischer Sicht ungewollte Folge der krisenbedingten Revision des Anreizsystems ist, dass selbst wenn Handlungsalternativen bestehen, die auch bei Außerachtlassung der Haftungsbeschränkung einen positiven Erwartungswert besitzen, diese nicht zwingend von den Gesellschaftern gewählt werden. Spekulative Projekte haben gegebenenfalls einen höheren revidierten Erwartungswert. Die Haftungsbeschränkung induziert also ein Verhalten, das auf einem perfekten Markt irrational wäre. Als Beispiel möge etwa der Gesellschaft neben Projekt I noch die Möglichkeit zur Durchführung des konservativen Investitionsprojektes J zur Verfügung stehen, das mit einer Wahrscheinlichkeit von jeweils 50 % entweder zu Einzahlungen in Höhe von 100 oder aber in Höhe von 75 führt. Die gleichzeitige Durchführung von I und J sei – etwa aufgrund von Budget- oder Kapazitätsbeschränkungen – ausgeschlossen. J besitzt einen Erwartungswert EðJ Þ ¼ 0; 5 ¡ 100 þ 0; 5 ¡ 50 ¼ 75;

Es ergibt sich also: EðI Þ < EðJ Þ < EŸ ðI Þ;

so dass ein rationaler Gesellschafter trotz der objektiven ökonomischen Unvernünftigkeit des Projekts I und der Verfügbarkeit der objektiv gewinnversprechenden Alternative J dennoch die unsichere Variante I vorzieht34. Wesen und Dramatik der Fehlanreize zu Überinvestition verdeutlichen zunächst die Fälle Fred Smith (Federal Express) einerseits und In Re Tri-State Paving Inc. andererseits. Die Geschäftsleiter der in beiden Fällen mindestens kurz vor Insolvenzreife stehenden Gesellschaften griffen jeweils nach dem letzten Strohhalm – dem Weg nach Las Vegas. Die gleiche, unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten selbstverständlich absolut unvertretbare Strategie führte jedoch zu diametral entgegen gesetzten Resultaten. Smith gewann das Spiel (buchstäblich) und vermochte in der Folge einen der größten und erfolgreichsten Konzerne der Welt zu 33 34

Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 302 (307). Vgl. auch Kanda, J. Legal Stud. 21 (1992), 431 (433).

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schaffen. Die Geschäftsreise nach Las Vegas stellt heute nicht mehr als eine Anekdote in einem auch ansonsten facettenreichen Lebenslauf dar. Ganz anders hingegen das Schicksal der Direktoren der Tri-State Paving Inc., deren Reise nach Las Vegas vor Gericht endete und ihnen den Vorwurf eintrug, dass sie buchstäblich die Gesellschaft verspielt hätten (bet the company)35. Beispielhaft illustriert wird das Phänomen der Überinvestition auch durch den Sachverhalt der Grundlagenentscheidung zu sec. 214 IA 1986 Re Produce Marketing Consortium Ltd. Beklagt waren die Geschäftsführer-Gesellschafter der PMC Limited. Den Unternehmensgegenstand der PMC bildete die Tätigkeit als Kommissionsagentin zypriotischen Obstes auf dem englischen Markt. Nachdem das Unternehmen bereits seit 1981 defizitär geführt wurde, verschlechterte sich die Lage zusehends im Laufe des Jahres 1986. Mit dem Ziel, diesen zunächst stetigen, sich dann beschleunigenden Abwärtstrend aufzuhalten, beschlossen die Geschäftsleiter der PMC gegen Ende desselben Jahres, die gelieferten Früchte nicht mehr unmittelbar nach Eingang umzuschlagen, sondern tiefgekühlt einzulagern, um im Falle eines erwarteten oder doch zumindest erhofften Anstiegs des Preisniveaus auf dem Markt für Südfrüchte eine Umsatz- und Ergebnissteigerung zu erzielen. Das Vorhaben misslang, der erwartete bzw. erhoffte Preisanstieg blieb aus. Das Gericht stellte fest, dass es zwar durchaus gängige Praxis sei, Früchte vorübergehend einzulagern, um Preisschwankungen auszunutzen. Zu berücksichtigen sei aber auch, dass Früchte höchstens fünf Monate tiefgekühlt aufbewahrt werden könnten. Mit zunehmender Dauer der Lagerung sank damit einerseits die Wahrscheinlichkeit, dass es noch zum rettenden Preisanstieg auf dem Obstmarkt kommen würde, andererseits wuchs die Wahrscheinlichkeit eines Totalausfalls durch ein Verfaulen der Früchte36. Die Direktoren der PMC setzten also alles auf die vage Hoffnung eines Preisanstiegs, offensichtlich geleitet davon, dass ein Scheitern nur die Gläubiger, nicht aber sie selbst als Gesellschafter treffen würde. Nicht besser das Verhalten der Direktoren in der Entscheidung Roberts v Frohlich, die aus unberechtigter Sorglosigkeit (wilfully blind optimism/reckless belief) darauf „vertrauten“, dass „something might turn up“; wobei das Verhalten der betroffenen Direktoren im zu Grunde liegenden Sachverhalt sicherlich auch nicht dadurch in einem günstigeren Licht erscheint, dass sich die dahingehenden Hoffnungen der Geschäftsleitung insbesondere daraus speisten, einen Dritten mit den Untergang zu reißen („if only because FCL and HBoS could be sucked into the development to such a degree that, in order to salvage something, they would crack under pressure and would „share the pain“)37. Ein vergleichbarer Sachverhalt spekulativen Zuwartens liegt auch einem Urteil des BGH vom 25. 07. 2005 zugrunde. Den Unternehmensgegenstand der später insolventen Gesellschaft bildete die Vermittlung kommunaler Schuldscheindarlehen. 35

Dwyer v. Jones (In re Tri-State Paving, Inc.), 32 B.R. 2, 3 (Bankr. W.D. PA 1982). Re Produce Marketing Consortium (No 2) [1989] BCLC 520 (535 ff.); gestraffter Überblick über den umfänglichen Sachverhalt bei Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (86 ff.). 37 Roberts v Frohlich, [2011] 2 BCLC, 625 (663 f.). 36

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Umsatz und Gewinn resultierten maßgeblich aus der zwischen kurz- und langfristigen Finanzierungstiteln bestehenden Zinsdifferenz. Aufgrund einer inversen Zinsstruktur schrieb das zunächst profitable Unternehmen rote Zahlen, die finanzwirtschaftliche Lage der Gesellschaft verschlechterte sich zusehends. Die Geschäftsleitung der GmbH unterließ es, aktiv Gegenmaßnahmen zu ergreifen, sondern verharrte lethargisch in der Hoffnung auf eine baldige Änderung der Zinsstruktur am Kreditmarkt38. Auch hier verschlechterten Gesellschafter und Geschäftsleitung die Befriedigungschancen der Gläubiger allein aufgrund der unbestimmten Hoffnung auf eine Besserung. Subtilere Formen spekulativen Verhaltens lassen sich im Umfeld der zahlreichen aufgrund und anlässlich der Finanzkrise zu beobachtenden Großinsolvenzen identifizieren. Sollte tatsächlich, wie kolportiert39, die Vorbereitung eines Insolvenzplanes für die verschiedenen Arcandor-Gesellschaften bewusst unterlassen worden sein, um stärkeren Druck auf KfW und Politik auszuüben, hat man auch hierin einen Musterfall spekulativen Zuwartens zu sehen. Wissend um die ausstehenden und nicht prolongierungsfähigen Kreditlinien wird die zumindest hilfsweise Vorbereitung der Insolvenz unterlassen in der vagen Hoffnung, durch eine positive Entscheidung der KfW den Großaktionären Schickedanz und Sal. Oppenheim doch noch ihr Investment zu retten. Die eigentlich betriebswirtschaftlich gebotenen Maßnahmen unterbleiben, weil die Eigentümer alles zu gewinnen und nichts zu verlieren haben. b) Unterinvestition Wie dargestellt muss unterschieden werden zwischen der Option, ein Investitionsprojekt mit positivem Nettogegenwartswert durchführen zu können, und der tatsächlichen Ausübung dieser Option. Die Entscheidung hierüber weist das Gesellschaftsrecht ausschließlich Geschäftsleitung und – zumindest im Falle der GmbH – Gesellschaftern zu. Mit dieser Konzentration der Entscheidungsbefugnisse ist verbunden, dass nur solche Projekte durchgeführt werden, die zumindest auch für die Anteilseigner vorteilhaft sind. Gleichzeitig sinkt aufgrund der Geltung der Prioritätsregel mit steigendem Verschuldungsgrad die Zahl der Projekte, die Nutzen auch für die Gesellschafter generieren. Die erwirtschafteten Zahlungsströme reichen u. U. allein zur Befriedigung der Ansprüche des Fremdkapitals40. Aus Sicht der Gläubiger ist hiermit die Gefahr verbunden, dass eine stark verschuldete Gesellschaft Optionen auf Handlungsmöglichkeiten mit positivem Nettogegenwartswert nicht zieht, weil allein das Fremdkapital aus den Zahlungsströmen befriedigt werden könnte41, 38

Vgl. BGH, Urt. v. 25. 7. 2005 – II ZR 390/03 = NZI 2006, 58 (58). Vgl. Handelsblatt v. 10. 6. 2009, S. 1: „Die Zukunft verspielt“. 40 Vgl. Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (134 f.); Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1169). 41 Vgl. Adler, U. Chi. L. Rev. 62 (1995), 575 (598); Bratton, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 37 (45); Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (134 f.); Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 431; Valsan/Yahya, 39

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während die mit dem Projekt gleichzeitig verbundenen Kosten und Mühen für die Gesellschafter nicht vergütet würden. Eine derart indifferente Haltung gegenüber aussichtsreichen Investitionsprojekten wird wiederum nachhaltig gefördert durch das Institut der Haftungsbeschränkung42. Im Falle unbeschränkter Haftung der Gesellschafter sollte dieser Fehlanreiz nicht auftreten, denn für den Gesellschafter stellt die Durchführung des Projekts die Möglichkeit dar, die im Insolvenzfall erfolgende Inanspruchnahme seines Privatvermögens zu begrenzen. Erst durch das Haftungsprivileg und die damit einhergehende Isolierung seines Privatvermögens wird der Verzicht auf die Ausübung der Option subjektiv rational. Auch das Problem der Unterinvestition stellt sich somit als spezifisch kapitalgesellschaftsrechtliches Phänomen dar. Gläubigerschutz wie das Ziel gesamtwirtschaftlicher Effizienz verlangen in diesem Kontext nach einer Beantwortung der Frage, wie die Gesellschaft trotz fehlender Anreize ihrer Gesellschafter zur Durchführung des Projektes bewegt werden kann43. c) Verwässerung (Claim Dilution) Zuletzt besteht in der Krise der Gesellschaft aus Gläubigersicht die Gefahr, dass es zu einer Verwässerung ihrer Forderungen (claim dilution) kommt44. Der Marktwert einer Fremdkapitalposition ist u. a. eine Funktion der Gesamtverschuldung des Unternehmens45. Das Ausfallrisiko eines Kredits wird maßgeblich durch die Entwicklung des Verschuldungsgrades mitbestimmt. Unter der Voraussetzung, dass die Parteien eines Finanzierungskontraktes in einem Zeitpunkt t=0 das Risiko korrekt zu bepreisen in der Lage sind, werden sie einen dem Risiko entsprechenden Zins vereinbaren. Kommt es später zu einem Forderungsausfall, realisiert sich für den Gläubiger genau das übernommene und vergütete Risiko. Eine Externalisierung von Risiken auf die Gläubiger bleibt aus. Anderes gilt jedoch, wenn ein Gläubiger nicht genau prognostizieren kann, wie sich der Schuldner nach Vertragsabschluss verhalten wird, also in den Situationen des Moral Hazard und des Hold Up. Sind Fremdmittel einmal überlassen, wird es für den Schuldner lukrativ, weiteres Fremdkapital aufzunehmen46. Die zusätzlichen Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (46). siehe auch R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 28; Arnold, DK 2007, 118 (119). 42 Vgl. Hansmann/Kraakman, Yale L. J. 100 (1991), 1879 (1883); Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 484; vgl. auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 14. 43 Während die Problematik der Überinvestition in der Rechtswissenschaft mittlerweile allgemein diskutiert wird, werden die aus der Haftungsbeschränkung resultierenden Unterinvestitionsprobleme noch kaum rezipiert. 44 Vgl. Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1169); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 14. Vgl. auch Kanda, J. Legal Stud. 21 (1992), 431 (432 f.), der die Effekte gleichrangig konkurrierender Darlehen als „the sharing problem“ kennzeichnet. 45 Vgl. Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (134). 46 Vgl. Arnold, DK 2007, 118 (119 f.); Bratton, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 37 (44); Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1169); Ramsay, in: Ramsay, 1 (9).

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Finanzmittel ermöglichen bei Reüssieren des in Aussicht genommenen Investitionsprojektes über den Hebeleffekt eine höhere Eigenkapitalrendite, während bei Scheitern des in Rede stehenden Projektes primär die Kreditgeber Vermögenseinbußen erleiden, die daraus resultieren, dass das vertraglich übernommene Risiko nicht dem tatsächlich realisierten Risiko entspricht. Während die jeweils zuletzt eingetretenen Gläubiger sich das höhere Risiko durch einen entsprechenden Zins oder aber durch bestimmte Sicherungsrechte vergüten lassen (können), partizipieren die Altgläubiger nicht von einer damit verbundenen Steigerung des Marktwertes des Eigenkapitals47. Bei unverändertem Zins werden ihre Forderungen gegen die Gesellschaft teilweise entwertet48. Praktisch eindrucksvollstes Beispiel solcher Verwässerungsverluste ist der mit einem LBO regelmäßig verbundene Rückgang des Marktwerts bestehender Forderungen49. Erneut gilt, dass dieser negative Anreiz besondere Wirkmächtigkeit aufgrund der Geltung des Haftungsprivilegs erlangt50. Unter einem Regime unbeschränkter Haftung wären die Anreize des Schuldners zur Verwässerung begrenzt. Dem Nutzen des durch zusätzliche Fremdkapitalaufnahme gesteigerten Leverage-Effektes muss der Schuldner die Kosten der höheren Inanspruchnahme seines Privatvermögens gegenüber stellen. Durch einen zu hohen Fremdfinanzierungsanteil riskiert der Schuldner den vollständigen Verlust seines Privatvermögens und damit seiner Lebensgrundlage. Anderes gilt jedoch in einem Regime beschränkter Haftung. Den Gesellschaftern der Schuldnerin droht hier durch Verwässerung der Anteile keine weitere Vermögenseinbuße. Gerade in der Krise der Gesellschaft gilt damit, dass der Leverage-Effekt zum dominierenden Motiv werden kann, da wiederum die Gesellschafter nichts zu verlieren haben durch eine mehr oder weniger bewusst erfolgende Verwässerung der Anteile. Gleichzeitig ermöglicht die weitere Fremdkapitalaufnahme die Aufrechterhaltung der Liquidität und damit der Geschäftstätigkeit, wodurch ein zusätzlicher Anreiz zur Verwässerung gesetzt wird. d) Asset withdrawal Verstärkt werden diese im operativen Geschäft und Finanzierungsgebaren auftretenden Fehlanreize durch die Möglichkeit zur Vermögensverlagerung (asset 47

Vgl. Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 489 ff.; Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (134); Drukarczyk, ZGR 1979, 552 (557); Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 484 f. 48 Über den neuen (höheren) risikoadjustierten Diskontierungssatz. Vgl. Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 491. 49 Vgl. Bratton, Duke L. J. 1989, 92 (92 ff.); Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 485; Demott, Duke L. J. 1989, 1 (23 ff.); Baird/Jackson, Vand. L. Rev. 38 (1985), 829 (850 ff.). Im Falle des Buyouts von RJR Nabisco durch KKR sank der Marktwert der Unternehmensanleihen um 298 Millionen Dollar. 50 A.A. wohl Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 127 f.

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withdrawal/diversion)51. Droht die Insolvenz des Unternehmens, ermöglicht die Existenz einer rechtlich eigenständigen und beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern die Verlagerung der Vermögenswerte der Gesellschaft in ihr Privatvermögen. Verstrickung und Insolvenzbeschlag werden verhindert. Ist das Schicksal der Unternehmung besiegelt, muss die Rettung möglichst umfangreicher Vermögensgegenstände oberste Prämisse eines rational handelnden Gesellschafters sein52. Konsequent betrieben minimiert asset withdrawal die im Insolvenzfall zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stehende Haftmasse53. Gleichzeitig steigt die allgemeine Insolvenzwahrscheinlichkeit, da eventuell anfallende Verluste nicht durch Eigenkapital aufgefangen werden können. Nicht zuletzt steigert die Möglichkeit zum asset withdrawal die krisenbedingten Fehlanreize. Dies gilt zunächst für das Phänomen der Überinvestition. Bei vollständigem Fehlen von in der Gesellschaft gebundenen Werten entscheidet allein die Fortführungsprognose, ob eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger aus Sicht der Gesellschafter subjektiv rational ist. Eigene Vermögenswerte werden annahmegemäß nicht gefährdet, da sie der Gesellschaft spätestens im Zeitpunkt der Krise entzogen wurden. Auch Unterinvestitionsphänomene werden befördert. Entziehen die Gesellschafter der Gesellschaft kontinuierlich Vermögenswerte, wird der Zeitpunkt, in dem die Gesellschaft Erträge nur noch zu Gunsten der Gläubiger erzielt, früher erreicht. Claim dilution schließlich wird mittelbar und unmittelbar gefördert. Der Abzug von Vermögenswerten entwertet die bestehenden Gläubigerforderungen direkt und setzt darüber hinaus einen Anreiz, weiteres Fremdkapital aufzunehmen, da Gesellschafterpositionen durch die erhöhte Insolvenzgefahr in geringerem Umfang gefährdet werden. Die durch Neuverschuldung aufgenommenen Mittel können ihrerseits für Ausschüttungen an die Eigenkapitalgeber verwendet werden54. 3. Revidierte Anreize in der Krise bei Auseinanderfallen von Eigentum und Kontrolle a) Überinvestition Fraglich ist, ob sich die Phänomene der Über- und Unterinvestition auf den Fall beschränken, dass Gesellschafter und Geschäftsleitung zwar rechtlich zu separierende Funktionsträger sind, faktisch aber Personenidentität besteht. Profiteure der aus der Revision des Anreizsystems resultierenden Chancen sind zuvörderst die 51 Vgl. Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1168 f.); Bratton, in: Eidenmüller/Schön, The Law and Economics of Creditor Protection, 37 (46). 52 Vgl. Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 484; Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1169). 53 Vgl. Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 431; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 14: „Gefahr einer Ausplünderung des Gesellschaftsvermögens“. 54 Vgl. Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 431.

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Gesellschafter als Anspruchsberechtigte auf den Residualgewinn im Falle eines Reüssierens der spekulativen Strategie55. Jedoch können auch (Nur)Geschäftsleiter den besonderen Krisenanreizen ausgesetzt sein56. Einfachster denkbarer Fall ist, dass die Geschäftsleitung in Erfüllung ihres Anstellungsvertrages, der sie an die Interessen der Gesellschafter bindet, die Chancen aus der Fortführung für die Gesellschafter wahrnimmt57. Allerdings widerspricht dieses Szenario der Annahme, dass die Verwaltung einer Kapitalgesellschaft gerade nicht sklavisch die Wünsche der Anteilseigner zu erfüllen trachtet. Insoweit ist der im US-amerikanischen Schrifttum immer wiederkehrende Einwand, dass sich die Geschäftsleitung überriskanten Strategien, die einerseits den Gesellschaftern Erträge versprechen, gleichzeitig aber ihre häufig nicht unterbezahlten Positionen gefährden, widersetzen wird, teilweise berechtigt58. Allerdings ignoriert diese generalisierende Betrachtungsweise die Tatsache, dass auch das Anreizsystem der Geschäftsleitung maßgeblich davon bestimmt wird, ob Aussicht besteht, die Gesellschaft wenigstens mittelfristig mehr oder weniger erfolgreich fortführen zu können. Ist damit zu rechnen, dass auch bei Verzicht auf eventuell zur Verfügung stehende spekulative Projekte die Gesellschaft nicht zu retten ist, hält genuines Eigeninteresse auch die Geschäftsleitung zu opportunistischem Verhalten in der Krise an59. Mit der Durchführung des spekulativen Projekts besteht unter solchen Voraussetzungen zumindest die theoretische Möglichkeit, den konkreten Arbeitsplatz zu erhalten60. Hieran können die Mitglieder der Geschäftsleitung im Einzelfall ein starkes Interesse besitzen. Eine neue Anstellung ist gegebenenfalls schlechter vergütet, was insbesondere dann der Fall sein wird, wenn vertragsspezifische Investitionen getätigt worden sind, d. h. solche Investitionen, die nur in der augenblicklichen Beschäftigung Ertrag abwerfen. Die Aufnahme einer neuen Beschäftigung ist dann mit dem Verlust dieses Wertes verbunden61. In Anschlag zu bringen sind schließlich die Such- und Abschlusskosten. Der 55 Baums, Die Corporate-Governance-Empfehlungen des Winter-II-Papiers aus deutscher Sicht, S. 9 etwa sieht die Anreize zur Risikosteigerung als besonders ausgeprägt an im Falle von Mehrheitsgesellschaftern bzw. -aktionären. Vgl. auch Lennarts, EBOR 8 (2007), 131 (133); Bainbridge, Directors’ Fiduciary Duties in the Vicinity of Insolvency, S. 25 ff.; Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 2 f.; vgl. zum Konzept der Residualanspruchsberechtigung auch von der Crone, SZW/RSDA 1 (2006), 2 (14 f.). 56 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 302 (308); Prentice, Corporate Personality, 99 (105); Thole, ZIP 2007, 1590 (1593). A.A. offensichtlich Bainbridge, Directors’ Fiduciary Duties in the Vicinity of Insolvency, S. 28; Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1378). 57 Vgl. Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 483; Spindler, JZ 2006, 839 (842); vgl. auch Tung, J. Bus. & Tech. L. 2 (2007), 1201 (1206 f.); ders., The Death of Corporate Contract, S. 9 f. 58 Bainbridge, Directors’ Fiduciary Duties in the Vicinity of Insolvency, S. 28; Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1378). 59 Vgl. Lennarts, EBOR 8 (2007), 131 (133). 60 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 302 (308); nur bei positiver Fortführungsprognose wird er die Zukunft der Gesellschaft nicht aufs Spiel setzen, hierzu Booth, The Duty to Creditors Reconsidered, S. 7 f. 61 Vgl. hierzu etwa Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 41 ff.

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Anreiz zum Moral Hazard wächst demnach umgekehrt proportional zu der Wahrscheinlichkeit, einen vergleichbar gut dotierten Arbeitsplatz zu finden. Hinzu kommt die Aussicht, dass im Erfolgsfall der Ruf der Geschäftsleiter unberührt bleibt, also nicht mit dem Makel der Insolvenz behaftet ist62 – das Beispiel von Fred Smith sei in Erinnerung gerufen. Ex post gelten sie dann möglicherweise nicht als unverantwortliche Hasardeure, sondern können sich als erfolgreiche Sanierer präsentieren. Eine Insolvenzeröffnung hingegen macht das tatsächliche oder vermeintliche Versagen der Geschäftsleitung publik und wird zur Blamage mit der Folge, dass die Geschäftsleiter lieber „weiterwursteln“ in der Hoffnung auf Besserung. Erweist sich diese Hoffnung dann als trügerisch, fallen erneut Verluste an, die zu weiterer Kreditaufnahme zwingen und die Vermögensmasse weiter aufzehren63. Diese allgemeinen Anreize verschärfen sich, wenn auch die Mitglieder des Managements zu den unmittelbaren Gewinnern einer potentiell gläubigergefährdenden Unternehmenspolitik gehören, wenn sie also über eine Beteiligung oder eine Bonusregel am Unternehmenserfolg beteiligt sind. Auch für sie gilt dann, dass es nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen gibt64. b) Unterinvestition Auch Unterinvestitionsprobleme werden durch ein Auseinanderfallen von Eigentum und Kontrolle nicht ausgeschlossen; allerdings müssen verschiedene Konstellationen unterschieden werden. Ist der Geschäftsführer nicht am Unternehmenserfolg beteiligt, ist entscheidende Größe in seinem Kalkül die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, um auch zukünftig Arbeitseinkommen erzielen zu können und seine Reputation zu erhalten. Stehen in dieser Situation Handlungsalternativen zur Auswahl, die zwar allein eine Befriedigung der Gläubiger ermöglichen, auf diesem Wege aber das Leben der Gesellschaft verlängern, hat er durchaus den Anreiz, diese Alternativen zu wählen anstatt in Lethargie zu verharren65. Mindestens für einen gewissen Zeitraum verbleibt er in seiner Position und bezieht Einkommen, womit sich zugleich ein Zeitfenster für die Suche nach einer Alternativbeschäftigung öffnet. Anders stellt sich das Entscheidungsproblem der Geschäftsleitung dar, wenn die Option der Fortführung unter Verzicht auf Opportunismus allein eine umfänglichere Befriedigung der Gläubiger ermöglicht, das Leben der Gesellschaft aber nicht wesentlich zu verlängern vermag. Der Einsatz der Geschäftsleitung steht dann in keinem Verhältnis zu den eventuell resultierenden Vorteilen. In Konsequenz geben die 62 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 302 (308 f); Pribilla, KTS 1958, 1 (6); vgl. auch von der Crone, SZW/RSDA 1/2006, 2 (6). 63 Vgl. Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 18. 64 Baums, Die Corporate-Governance-Empfehlungen des Winter-II-Papiers aus deutscher Sicht, S. 9; Davies, AG 1998, 346 (349); Prentice, Corporate Personality, 99 (105); Mokal, Cambridge Law Journal 2000, 335 (350); für diese Konstellation auch Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1379). 65 In diese Richtung auch Tung, J. Bus. & Tech. L. 2 (2007), 1201 (1216); vgl. auch das Beispiel bei Kanda, J. Legal Stud. 21 (1992), 431 (434).

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Geschäftsleiter auf, ihre Bezahlung rechtfertigt den Mehraufwand nicht, vielmehr ist es rational die verbleibende Zeit der Organdauer technisch mit Freizeit zu verbringen66. c) Claim dilution Vergleichbares gilt für den Fall der Verwässerung. Claim dilution besitzt aus Sicht eines reinen Fremdgeschäftsführers sowohl Vor- als auch Nachteile. Einerseits gilt, dass die mit zunehmendem Verschuldungsgrad ansteigende Insolvenzwahrscheinlichkeit für den Geschäftsführer alle mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen negativen Konsequenzen zeitigen kann. Auf der anderen Seite vermag auch ein Geschäftsleiter persönlich von einer Strategie der Verwässerung zu profitieren. Ist seine Vergütung mit erfolgsabhängigen Komponenten ausgestaltet, wirkt sich die durch den Leverage-Effekt induzierte höhere Verzinsung auf das Eigenkapital einkommenserhöhend aus. In der Krise treten weitere Fehlanreize hinzu. Die Fortführung der Gesellschaft unter ausschließlichem Rückgriff auf Fremdkapital ermöglicht das Verbleiben im Amt. Gleichzeitig muss der Geschäftsleiter keine Sanktion – Abberufung und Kündigung – seitens der Gesellschafterversammlung erwarten und zwar selbst dann nicht, wenn die Fortführung des defizitären Geschäftsbetriebs allein zu weiteren Verlusten der Gesellschaft führt. Da diese Verluste allein durch die Fremdkapitalgeber finanziert werden, birgt die Fortsetzung der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft für ihre Anteilseigner keine Risiken und eröffnet die immerhin theoretische Aussicht auf einen Turn Around. Widerstand von Seiten der Anteilseigner hat der Geschäftsleiter nicht zu befürchten. d) Asset withdrawal Deutlich schwächer ausgeprägt sind die Fehlanreize, denen sich eine Fremdgeschäftsführung ausgesetzt sieht, demgegenüber im Falle des asset withdrawals. Profiteure einer Rückübertragung von Vermögensgegenständen des Gesellschaftsvermögens auf die Anteilseigner sind praktisch ausschließlich die Gesellschafter. Für Fremdorgane erhöht asset withdrawal demgegenüber allein die Gefahr eines insolvenzbedingten Arbeitsplatzverlusts. Entsprechend ist das Phänomen empirisch primär bei inhabergeführten GmbH sowie bei Aktiengesellschaften mit einem dominierenden Anteilseigner zu beobachten. 4. Überinvestition, Unterinvestition und Claim Dilution als Probleme des Kapitalgesellschaftsrechts Zuletzt stellt sich die Frage, ob es sich bei Über- und Unterinvestition und Claim Dilution um spezifisch kapitalgesellschaftsrechtliche Phänomene handelt, die 66 Aus dem juristischen Schrifttum etwa Böckmann, Gläubigerschutz bei GmbH und close corporation, S. 204.

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Ausfluss des Privilegs der beschränkten Haftung sind. Anderenfalls müsste sich der Fokus in gleicher Weise auf das leitende Personal von einzelkaufmännischen Unternehmen und Gesellschaften im Allgemeinen richten. Wie gesehen ist die den Gesellschaftern und Geschäftsleitern mit dem Trennungsprinzip eingeräumte Möglichkeit, negative Vermögenswirkungen auszublenden, notwendige Bedingung der Genese des fehlerhaften Anreizsystems in der Krise. Dennoch ist das Problem nicht beschränkt auf den Bereich rechtlich beschränkter Haftung. Vielmehr können die fehlerhaften Anreize auch dann auftreten, wenn das Vermögen einer Privatperson – also z. B. eines Einzelkaufmanns – (fast) völlig verbraucht ist67. Auch ein solcher Unternehmer braucht die negativen Vermögenswirkungen spekulativer Strategien nicht in Rechnung zu stellen, weil kein Vermögen als potentielles Haftungsobjekt gefährdet ist. Nahe zu liegen scheint damit zunächst, dass es sich nicht um ein spezifisch kapitalgesellschaftsrechtliches Phänomen handelt und somit auch nicht beschränkt auf den Bereich der Beschränkthafter isoliert betrachtet werden kann. Dies erscheint jedoch nur auf den ersten Blick plausibel68. Die faktische Haftungsbeschränkung ist ein Momentum, das die Rechtsordnung als Datum hinnehmen und gegebenenfalls mit nichtmonetären Anreizen beantworten muss. Ganz anders sieht die Verantwortlichkeit der Rechtsordnung gegenüber den betroffenen Verkehrskreisen aus in dem Falle, in dem erst die gesetzlich eingeräumte Haftungsbeschränkung die Fehlanreize hervorbringt. Das Bemühen nach effizienter Ausgestaltung einerseits sowie die Möglichkeit, auf weitere Vermögensmassen zuzugreifen, erlaubt und erfordert es hier, bei Fehlen ausreichenden Schutzes über eine entsprechende Modifikation des Haftungsprivilegs nachzudenken. Anders als die faktische Haftungsbeschränkung ist die rechtliche Haftungsbeschränkung gerade kein fatalistisch hinzunehmendes Datum.

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So auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 15. Gleichsinnig Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 15: „Obwohl das Opportunismusrisiko kein exklusives Problem des Kapitalgesellschaftsrechts darstellt, ist es mit dem Prinzip der beschränkten Haftung eng verknüpft“. 68

§ 5 Intrinsische und extrinsische Managementdisziplinierung I. Staat und Markt als konkurrierende Systeme Die Identifizierung krisenspezifischer Fehlanreize induziert nicht eo ipso ein Bedürfnis nach einer gesetzlichen Verhaltensregel, die diesen entgegenwirkt. Unter der Annahme von Rationalverhalten der Individuen wirken in einer Marktwirtschaft Rechtsregeln wie allgemeine Marktanreize auf die Akteure und beeinflussen sie in ihrer Entscheidungsfindung1. Der Rechtsordnung stehen damit grundsätzlich zwei Optionen zur Verfügung, rechtspolitische Ziele durch Einwirkung auf die Anreize der Rechtsunterworfenen zu realisieren. Entweder kann eine mit Belohnung oder Sanktion operierende Rechtsregel eingesetzt oder aber durch bewusstes gesetzgeberisches Unterlassen den allgemeinen Marktkräften zum Durchbruch verholfen werden. Auch für das gesamtgesellschaftliche Teilziel effizienten Gläubigerschutzes konkurrieren diese zwei grundsätzlichen Konzepte zur Lösung des verbundenen Optimierungsproblems2. Unter der Voraussetzung perfekter, transaktionskostenfreier Märkte und gleichzeitiger Orientierung am Effizienzkriterium wäre die reine Marktlösung immer vorzuziehen, da sie entsprechend dem Coase-Theorem wie auch dem ersten Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie stets pareto-effizient ist (first best-Lösung)3. Gesellschafter und Gläubiger treffen eine optimale Vereinbarung über die mit der Haftungsbeschränkung verbundenen Risiken. Eine Alternativlösung unter Einsatz rechtlicher Steuerungsmechanismen könnte folglich im besten Fall zu einer unter Allokationsgesichtspunkten gleich hohen Wohlfahrt führen. Von diesem Optimalitätsaxiom der Marktlösung ausgehend wird insbesondere von den Vertretern der Chicago School eine Art „widerlegliche Vermutung“ für die Überlegenheit der privatautonomen Lösung auch für die Praxis aufgestellt4. Liegen allerdings die be1 Vgl. Cheffins, Does Law Matter? S. 1 ff.; Spindler/Klöhn, Das europäische Informationsmodell im Lichte von Behavioral Economics, S. 1 ff. Vgl. konkret zum Fall der krisenspezifischen Fehlanreize Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 425 ff. 2 Vgl. etwa Miola, ECFR 2005, 413 (413 f.); Mülbert, A synthetic view of different concepts of creditor protection, S. 6 f.; Ramsay, in: Ramsay, 1 (9); Wood, Principles of International Insolvency, S. 554. 3 Vgl. Spremann, ZfB 60 (1990), 561 (573). Vgl. auch Arnold, DK 2007, 118 (119). 4 Vgl. beispielhaft Easterbrook/Fischel, U. Chi. L. Rev. 52 (1985), 611 (617): „Though information is the basis of all contracts, many contracts are enforced best through self-help

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nannten Störfaktoren Transaktionskosten, Informationsasymmetrien und Externalitäten vor, ist auch unter Allokationsgesichtspunkten die wohlfahrtstheoretische Optimalität der Marktlösung nicht ex definitione garantiert. Eine durch die Rechtsordnung modifizierte Lösung kann unter diesen Voraussetzungen pareto- bzw. Hicks-Kaldor-besser als das tatsächliche Marktgleichgewicht sein. Staat und Markt stehen dabei nicht in einem strikten Alternativenverhältnis zueinander, vielmehr lassen sich mit Günter H. Roth drei Kategorien der modifizierenden Wirkung des Rechts auf das Marktergebnis identifizieren. Zunächst kann gesetzlichen Regelungen eine reine Hilfsfunktion zukommen in dem Sinne, dass die Marktmacht bzw. die Funktionsfähigkeit des Marktes gestärkt und dadurch die Kosten der Entscheidungsfindung und ihrer Durchsetzung gesenkt werden5. Praktisches Beispiel einer solchen Stärkung der Marktmechanismen ist etwa die in den USA und zunehmend auch auf europäischer Ebene zu beobachtende Abkehr vom institutionellen Gläubigerschutz hin zum Regelungsziel der Informationsbeschaffung, die Informationsasymmetrien abzubauen hilft und damit den Parteien eine wirklichkeitsnähere Vertragsgrundlage verschafft (kapitalmarktorientierte Rechungslegung bzw. decision-usefulness-Konzept)6. Die tatsächliche getroffene Entscheidung entspricht damit in höherem Maße der intendierten und generiert somit einen höheren Zielerreichungsgrad bezogen auf die individuellen Nutzenfunktionen, was im Aggregat eine höhere soziale Wohlfahrt nach sich zieht. Zweite Funktion ist die Ersatzfunktion des Rechts. Das Recht übernimmt die Steuerung des Verhaltens der Individuen dort, wo der Markt die Leistung nicht oder das Recht sie besser erbringen kann – zu denken ist insbesondere an klassische Fälle des Marktversagens7. Schließlich kann dem Recht auch reine Störfunktion zukommen. Das Recht behindert und verfälscht die Marktmechanismen, worauf die Marktkräfte ihrerseits versuchen werden, Ausweich- und Vermeidungsstrategien zu entwickeln, um den rechtlichen Effekt zu annulieren8. Bei letzteren handelt es sich um „unerwünschtes Recht“9. Dieser doppelte Befund der abstrakt-generellen Paretooptimalität des Marktergebnisses einerseits sowie des Vorliegens von Funktionsschwächen andererseits wirft die Frage auf, an welchen Stellen und in welchem Umfang Recht helfend und/ oder ersetzend eingesetzt werden muss. Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage muss sein, was bereits der Markt leistet. Die real zu beobachtende Marktlösung fungiert als Benchmark, an der sich eine um Effizienzsteigerung bemühte Rechtsregel messen lassen muss. Wird das gewünschte Verhalten bereits durch den Marktmechanismus erreicht, ist aus Effizienzgründen der Einsatz des Rechts minremedies rather than actions at law“. Anschauliche Einführung in die Gedankenwelt der Chicago School bei van Overtveldt, The Chicago School. 5 Vgl. Roth, ZGR 1986, 371 (375); vgl. auch Schmitz-Herscheidt, JNPÖ 2 (1983), 181 (194 f.). 6 Vgl. Kübler, ZHR 159 (1995), 550 (556); Heuer/Theile, IAS/IFRS-Handbuch, S. 3. 7 Vgl. Roth, ZGR 1986, 370 (375). 8 Vgl. Roth, ZGR 1986, 370 (375). 9 Vgl. Roth, ZGR 1986, 370 (375).

I. Staat und Markt als konkurrierende Systeme

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destens überflüssig, im schlechtesten Fall sogar, weil mit zusätzlichen Kosten verbunden, kontraproduktiv10. Konkretisiert ist zunächst der Zustand zu betrachten, welcher ohne Existenz einer Rechtsregel besteht (bzw. bestehen würde), also das Ergebnis, das durch reale nicht-perfekte Märkte hervorgebracht wird. Die Gläubiger sind in diesem Modell darauf verwiesen, sich selbst zu helfen (self-help-approach)11. Dieser ist sodann mit einem Zustand mit Rechtsregel zu vergleichen. Insofern als Insolvenzverschleppungshaftung, wrongful trading und action en comblement du passif jeweils dem Ziel dienen, bestimmte, als gläubigergefährdend erachtete Verhaltensweisen einer Gesellschaft durch eine Haftung der Geschäftsleitung präventiv zu vermeiden bzw. im Falle des Verstoßes mit einer kompensatorischen Zahlung an die Gläubiger zu sanktionieren12, ist dementsprechend in einem ersten Schritt die Disziplinierung der Geschäftsleitung durch den Markt zu untersuchen. Ex ante wirkende Verhaltenssteuerung und ex post erfolgende Kompensation bestimmter Verhaltensweisen lassen sich auch in Abwesenheit von Rechtsregeln am Markt beobachten. Die entsprechenden Mechanismen und Verhaltensmuster der maßgeblichen Akteure werden unter dem Begriff der Instrumente zur Managementdisziplinierung zusammengefasst13. Einzelne Wirkungsmechanismen werden dabei regelmäßig zu bestimmten Obergruppen zusammengefasst, wobei Schwerpunktsetzungen und Überschneidungen eine einheitliche Klassifizierung unmöglich machen. So unterscheiden etwa Richter/Furubotn mit interner Disziplinierung (Honorierung), Arbeitsmarktdisziplinierung, Produktmarktdisziplinierung und Kapitalmarktdisziplinierung vier Instrumentengruppen14, während Spremann Belohnung, Evolution, Gesetz, Arbeitsmarkt, Führungsgruppe, Reputation und Clan identifiziert15. Diesen Einzelkategorien wird hier die terminologisch etwas unge10

Vgl. Davies, AG 1998, 346 (349); Rehberg, Der staatliche Umgang mit Information, S. 20; Möllers, AcP 208 (2008), 1 (15). Zu denken ist an die unmittelbaren Kosten des Rechts einerseits, Gesetzgebungsprozess bis zu den Durchsetzungskosten in der Praxis, und andererseits die mittelbaren Kosten, die daraus resultieren können, dass die einer Rechtsregel inhärenten Verzerrungen des Marktmechanismus neue, ungewollte Ineffizienzen mit sich bringen (Allokationsfehler). Selbstverständlich kann auch die reine Marktlösung nicht auf die Existenz von Recht verzichten, da u. a. Verträge nicht mehr durchgesetzt würden. Vgl. etwa Rehberg, Der staatliche Umgang mit Information, S. 20 ff. Vgl. auch Poppers berühmtes Vorwort zur 7. Auflage der offenen Gesellschaft „Der Rechtsstaat und der freie Markt“, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Einleitung Xff. Vgl. auch Friedman, Capitalism and Freedom, S. 15: „The existence of a free market does not of course eliminate the need for government. On the contrary, government is essential both as a forum for determining the ,rules of the game‘ and as an umpire to interpret and enforce the rules decided on“. 11 Vgl. Lennarts, EBOR 8 (2007), 131 (134); vgl. auch Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 95. 12 von Werder, ZIP 2009, 500 (500) stellt diesen Funktionen noch die Sühnefunktion an die Seite. 13 Die Begrifflichkeit hält mittlerweile auch Einzug in den juristischen Sprachgebrauch, vgl. etwa Haas, WM 2006, 1369 ff., 1417 ff. 14 Vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 434. 15 Vgl. Spremann, Wirtschaft, Investition und Finanzierung, S. 648 ff.

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§ 5 Intrinsische und extrinsische Managementdisziplinierung

naue16 Grobunterscheidung zwischen extrinsischer und intrinsischer Disziplinierung zur Seite gestellt. Als intrinsisch im hier verwendeten Sinn ist ein Disziplinierungsinstrument dann zu verstehen, wenn sich ein Agent – also Geschäftsleiter – ohne äußere Einflussnahme allein aufgrund individuell rationalen Verhaltens entsprechend den Interessen der Prinzipale – Eigen- und Fremdkapitalgeber – verhält. Extrinsische Disziplinierung wird hingegen angenommen, wenn der Agent erst durch Druck und Einflussnahme von außen bestimmt werden muss, sich entsprechend den Interessen der Prinzipale zu verhalten. Insbesondere an vertraglich auferlegte Pflichten ist hierbei zu denken. Diese Unterscheidungsebene dient der Hervorhebung eines strukturellen Kostenunterschieds bei der Implementierung der verschiedenen Disziplinierungsinstrumente. Im Gegensatz zur extrinsischen erfordert intrinsische Steuerung keine explizite Interaktion zwischen den interessierten Parteien. In Konsequenz fallen keine Transaktionskosten an, so dass für die hierunter zu subsumierenden Steuerungsmechanismen keine Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen ist. Prohibitiv hohe Transaktionskosten verhindern also nicht den erwünschten Disziplinierungseffekt. Vorauszuschicken ist schließlich, dass eine Vielzahl der Managementdisziplinierungsinstrumente primär der Auflösung des klassischen Principal-Agent-Konfliktes zwischen Gesellschaftern bzw. Aktionären einerseits und Geschäftsleitung andererseits dient. Wie gesehen, werden die Gläubiger bei effizienter Ausgestaltung dieser Mechanismen reflexartig und partiell mitgeschützt, solange die Gesellschaft über hinreichende Ertragaussichten verfügt. Weil aber mit der Revision des Anreizsystems dieser Gleichlauf einem strikten Antagonismus zwischen Anteilseignern und Gesellschaftsgläubigern weicht, ist für jeden Kontrollmechanismus auch bei Bejahung seiner grundsätzlichen Eignung zur Disziplinierung des Managements weiter zu fragen, ob er diese Funktion auch in der Krise der Kapitalgesellschaft zu erfüllen vermag.

II. Extrinsische Managementdisziplinierung 1. Risikoabgeltung über den Zins Im Falle der insolvenzbedingten Liquidation einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung tragen die Gesellschaftsgläubiger das nicht durch Eigenkapital gedeckte Risiko, indem sie nur einen Teil ihres nominellen Forderungsbestandes gegen die 16 In der Motivationspsychologie bezeichnet extrinsische Motivation Handlungen, die nicht um ihrer selbst willen, sondern um ihres Ergebnisses willen vorgenommen werden, während bei intrinsischer Motivation die Handlung selbst motivierend wirkt. Vgl. etwa Staw, Intrinsic and Extrinsic Motivation. In dieser Terminologie sind auch die vorliegend als intrinsisch bezeichneten Managementdiszplinierungsinstrumente extrinsischer Natur. Im vorliegenden Kontext hingegen wird intrinsisch in einem weiteren Sinne verstanden als Verhaltensmuster, das nicht erst an den Entscheider durch Dritte herangetragen werden muss, sondern dass er aus sich heraus verwirklicht – wenn auch gegebenenfalls unter Berücksichtigung zu erwartender Reaktionen von Dritten.

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Gemeinschuldnerin durchzusetzen vermögen17. Diese mit der Zulassung der Haftungsbeschränkung gesetzlich erlaubte Risikoverlagerung legitimiert sich zunächst durch die mit der Haftungsbeschränkung verbundenen positiven gesamtwirtschaftlichen Effekte18. Nicht beantwortet ist damit die Frage, ob diesen positiven Effekten durch den Forderungsausfall bedingte Nutzeneinbußen für Gläubiger und Gesamtwirtschaft in gleichem oder darüber hinausgehendem Umfang gegenüberstehen, die eine Einschränkung des Haftungsprivilegs erforderlich machen. Entsprechend der Dogmatik des Schadensersatzrechts lässt sich im Insolvenzfall ein Vermögensschaden des jeweils betroffenen Gläubigers in Höhe seines Ausfalls konstatieren. Jeder Gesellschaftsgläubiger ist Inhaber einer Forderung in der vertraglich vereinbarten Höhe zuzüglich einer etwaig von der Gesellschaft zu leistenden Zinsschuld. In der Insolvenz erhält er jedoch nur den quotal auf ihn entfallenden Anteil am verbliebenen, in der Regel nicht mehr zum vollständigen Schuldendienst ausreichenden Gesellschaftsvermögen19. Nach der Differenzmethode erleidet der Gläubiger einen Schaden in Höhe dieses Forderungsausfalls. Zurück in der Sprache der Ökonomie könnte diese Verlagerung des Ausfallsrisikos von den Gesellschaftern auf die Gläubiger eine Externalität darstellen, also eine Situation, in der das Handeln eines Wirtschaftssubjektes die Nutzenfunktion eines anderen beeinflusst, ohne dass im Vorfeld eine Markttransaktion stattgefunden hätte20. Das Fehlen einer Markttransaktion bedeutet aus Sicht des Betroffenen, dass er einen positiven oder negativen – hier negativen – Effekt auf seine Nutzenfunktion zu dulden hat, ohne dass dieser Vor- bzw. Nachteil über den Markt vergütet würde21. Die mit der gesetzlichen Haftungsbeschränkung verbundene Risikoverlagerung stellt allerdings nur dann einen solchen negativen externen Effekt dar, wenn das im Vergleich zu Personengesellschaften strukturell höhere Ausfallrisiko nicht vergütet, sondern quasi auf die Gesellschaftsgläubiger überwälzt würde. Ein potentieller Gläubiger ist jedoch der mit der Haftungsbeschränkung einhergehenden Verlagerung des Insolvenzrisikos nicht per se schutzlos ausgeliefert. Eine nicht ausschließlich eigenfinanzierte Kapitalgesellschaft sieht sich bei Gründung wie auch im laufenden Geschäftsbetrieb vor die Aufgabe gestellt, Fremdkapital entweder von professionellen Finanzkreditgebern oder aber ihren Lieferanten und Dienstleistern zu akquirieren, um die notwendige Solvenz sicherzustellen22. In dieser Situation, in der die 17 Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 61; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 661 f. 18 Vgl. § 2. 19 Zur besonderen Problematik der Schadensberechnung bei Kreditentscheidungen unter Unsicherheit vgl. ausführlich unter § 6, VIII. 1. a) aa) (1). 20 Roth, ZGR 1986, 371 (374); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 661; zu Externalitäten vgl. etwa Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 531 ff.; Fees, Mikroökonomie, S. 498 ff. 21 Vgl. Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1584). 22 Vgl. Davies, AG 1998, 246 (348).

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Gesellschaft gezwungen ist, sich an Dritte zu wenden, um die erforderlichen finanziellen Ressourcen zu beschaffen, steht diesen als potentiellen Vertragspartnern die Möglichkeit offen, auf der privatautonomen Ebene des Vertrages Vorkehrungen gegen einen Ausfall zu treffen. Ist ihnen die Eigenkapitalausstattung der beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft bekannt und erfolgen keine nachvertraglichen Vermögensverschiebungen, kennen sie damit die rechtsformspezifische Risikoträchtigkeit des Kredits. Gläubiger haben damit die Möglichkeit, sich das aus der Verwendung der Haftungsbeschränkung resultierende erhöhte Ausfallrisiko durch einen Zinsaufschlag vergüten zu lassen oder aber zu den angebotenen Konditionen den Vertragsschluss vollständig zu verweigern23. Sie können also die mit der Haftungsbeschränkung einhergehende Verlagerung des Ausfallrisikos entweder zur Gänze ablehnen oder aber akzeptieren im Gegenzug für einen höheren Erwartungswert; praktisch lässt sich ein Gläubiger in diesem Falle seine Bereitschaft zur Inkaufnahme des erhöhten Risikos abkaufen24. Die Unsicherheit der Rückzahlung der Darlehensvaluta wird explizit berücksichtigt25. Zu trennen sind damit der juristische Wert „Darlehensforderung im Vergabezeitpunkt“, der dem Nominalwert entspricht, und der tatsächliche wirtschaftliche Wert der Forderung, der sich als Funktion von Nominalbetrag, tatsächlichem Rückzahlungsbetrag und Rückzahlungswahrscheinlichkeit darstellt. Schließt der Gläubiger einen in dieser Weise an seine Risikopräferenzen angepassten Vertrag, erfolgt eine marktmäßige Vergütung des mit der Haftungsbeschränkung verbundenen erhöhten Ausfallrisikos, das die Gläubiger in der Insolvenz der Kapitalgesellschaft zu tragen haben. Beschränkte Haftung führt bei einer derart angepassten Vertragsgestaltung nicht zu einer Externalisierung von Risiken26. 23 Vgl. auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 23. Der Kreditzinssatz lässt sich weiter untergliedern in fünf Komponenten: Geld- bzw. Kapitalmarktzins, Betriebskostensatz, Standardrisikokosten, Eigenkapitalkostensatz, Gewinnaufschlag, vgl. Becker/Brackschulze/Müller, DStR 2004, 740 (741). Die hier relevante Komponente sind die Standardrisikokosten. 24 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 57; Halpern/Trebilcock/ Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (127 f.); Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1584); R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (191); vgl. auch Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 188; Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (259); Kuntz, ZIP 2008, 814 (815); diese Argumentation existierte gleichfalls schon während der GmbHG-Genese, vgl. Schubert, FS GmbHG, 1 (18 f.). 25 Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 9 ff.; Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (133); Schwieters, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 19 ff.; vgl. auch Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 31 f.; Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1584); Woodward, ZgS 141 (1985), 601 (601). 26 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 56 f.; Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 157; Goddard, in: Ramsay, 169 (170 f.); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (338); R. H. Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 412 ff.; Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1048 ff.). A.A. Zöllner, GmbHR 2006, 1 (12): wer das gesetzliche Mindestkapital nicht aufbringen könne, „gründet von vorneherein zu Lasten seiner Gläubiger.“ Wohl auch Böckmann, Gläubigerschutz bei GmbH und close corporation, S. 1: „und die Gefahr des Scheiterns auf die Gläubiger abzuwälzen“ und

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Voraussetzung ist, dass den Gläubigern hinreichende Information zur Kalkulation der Risiken zur Verfügung steht. Ein Teil des für die Gläubiger hierfür erforderlichen Wissens über Rechtsform und Haftungsstatut – persönliche oder beschränkte Haftung – wird bereits über den Numerus Clausus der Gesellschaftsformen als allgemein zugängliche Information zur Verfügung gestellt27 und abgesichert durch die Rechtsscheinvorschriften. So sichert etwa § 19 HGB, dass Gesellschafter einer GmbH und Aktionäre einer AG nicht nach außen als persönlich haftende Gesellschafter auftreten, um sich im Insolvenzfall auf die Haftungsverfassung ihrer Gesellschaft zu berufen. Allerdings ermöglichen diese Informationsquellen für sich genommen das Zustandekommen einer rationalen risikoadäquaten Entscheidung der Gläubiger nur sehr bedingt28. Kenntnisse über die gewählte Gesellschaftsform und das abstrakt-generelle Haftungsstatut gewähren keinerlei Informationen über die aktuelle Finanzverfassung29. Die damit verbundenen Probleme werden auch nicht durch gesetzliche Bilanzpflichten im Zusammenspiel mit obligatorischer Registerpublizität (etwa § 10 GmbHG) – bei börsennotierten Aktiengesellschaften ergänzt durch die erweiterten Informationspflichten des Kapitalmarktrechtes30 – aufgefangen. Externe Rechungslegung und Kapitalmarktpublizität gewähren ebenfalls keinen auch nur annähernd fortlaufenden Einblick in die Verhältnisse einer potentiellen Schuldnergesellschaft. Jahres- und Konzernabschluss sind vergangenheits- und nicht zukunftsbezogen31, während die Risikoträchtigkeit einer Finanzierung primär von der Entwicklung künftiger Zahlungsströme bestimmt wird. Speziell für Deutschland tritt hinzu, dass die Rechnungslegung nach HGB primär dem institutionellen Gläubigerschutz durch Ausschüttungssperrung dient und nicht versucht, ein besonders wirklichkeitsgetreues Abbild der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft zu zeichnen32. Sie dient damit nicht der Ermöglichung ex ante richtiger Entscheidung, sondern gewährleistet einen ex post-Schutz. Andererseits ermöglicht eine Jahresabschlussanalyse zumindest mittel- und längerfristige Trends der Geschäftsentwicklung zu identifizieren und einen allgemeinen Eindruck über die Krisenfestigkeit Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 8; ders., in: Bachmann/Casper/ Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (35). Ähnlich auch Heidinger, DNotZ 2005, 97 (99) und Schäfer/Veil, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 9 (11), wobei nicht deutlich wird, ob die Zulassung der Haftungsbeschränkung an sich nach Ansicht der Autoren Externalitäten hervorruft oder nur das später darzustellende Risiko opportunistischen Verhaltens; missverständlich Haas, ZHR 170 (2006), 478 (479). 27 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 664 f. 28 So auch Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (134). 29 Offensichtlich unkritisch insoweit Lombardo/Wunderlich, Haftungsdurchgriff im Recht der Kapitalgesellschaften, S. 13 Rn. 39. 30 Vgl. Schön, ZGR 2000, 706 (711 ff.). 31 Vgl. etwa Fleischer, DStR 2000, 1015 (1019 f.). 32 Vgl. Böckmann, Gläubigerschutz bei GmbH und close corporation, S. 93 ff., der allerdings auch darauf hinweist, dass auch in einzelvertraglichen Covenants das Vorsichtsprinzip wiederkehrt. Vgl. ebda. S. 151 f. Keine volle Gültigkeit kann dieser Befund darüber hinaus für den Konzernabschluss beanspruchen, der gemäß § 315a HGB nach IFRS aufzustellen ist.

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der Gesellschaft zu gewinnen33. Ein Gläubiger, der auf die zur Verfügung gestellten Daten zurückgreift, kann sich einen Eindruck verschaffen, ob ein niedriges oder hohes Ausfallrisiko besteht, das einer besonderen Absicherung bedarf. Darüber hinaus ist die begrenzte Kalkulierbarkeit auf der Basis zur Verfügung stehender Daten kein Spezifikum des Kapitalgesellschaftsrechts, sondern trifft in gleicher Weise auf Personengesellschaften zu. Festzuhalten ist damit als Ausgangsbefund, dass beschränkte Haftung als gesetzlicher Standardvertrag nicht einseitig auf Kosten der Gläubiger erfolgt, wenn es diesen im Vorfeld des Vertragsschlusses möglich ist, auf entsprechender Informationsgrundlage eine Evaluierung der mit einer Kreditierungsentscheidung verbundenen Risiken durchzuführen. Es wird somit auch nicht das dem Unternehmensgegenstand immanente Risiko auf die Gesellschaftsgläubiger externalisiert34. Nicht Minimierung des Ausfallsrisikos ist das unter Effizienzgesichtspunkten zu erreichende Ziel, sondern korrekte Risikoeinschätzung. a) Eskomptierung krisenspezifischer Risiken Fraglich ist, ob auch das zusätzliche, aus der krisenbedingten Revision des Anreizsystems resultierende Risiko über den Zinsmechanismus im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abgebildet werden kann. Intuition, die gegen eine solche Risikoeskomptierung spricht, ist, dass Kreditverträge häufig in einem Zeitpunkt abgeschlossen werden, in dem die Krise und damit auch die Möglichkeit einer Spekulation auf Kosten der Gläubiger fern sind. Dennoch kann im Ergebnis nichts anderes gelten als im Standardmodell der Risikoabgeltungstheorie. Rationale Marktteilnehmer antizipieren, dass sich Anteilseigner und ihre Unternehmen nach der Kreditgewährung so verhalten, dass sie ihre persönliche Wohlfahrt – auch auf Kosten der Gläubiger – maximieren35. In Abwesenheit gesetzlicher krisenspezifischer Gesellschafter- und Geschäftsleiterpflichten stellen Gläubiger somit auch in Rechnung, dass diese ab einem bestimmten kritischen Zeitpunkt den Anreiz haben, riskante Projekte zu favorisieren (Überinvestition) und/oder aber auf eine Projektdurchführung gänzlich zu verzichten (Unterinvestition) und in diesem Rahmen den Wert des Eigenkapitals durch Zuführung neuen Fremdkapitals zu steigern (claim dilution). Wie für jedes andere Risiko können die Kreditgeber auch für diese zunächst nur abstrakt bestehende Möglichkeit einer gläubigergefährdenden Unternehmensfüh-

33 So auch Böckmann, Gläubigerschutz bei GmbH und close corporation, S. 120 ff. mit dem Hinweis, dass die Informationsnotwendigkeit mit abnehmender Gesellschaftsgröße sinke, weil andere Faktoren wie Qualität des Managements in den Fokus der Gläubiger rückten. 34 Vgl. Posner, U. Chi. L. Rev. 43 (1976), 499 (502 f.). 35 Vgl. Smith/Warner, J. Fin. Econ. 7 (1979), 117 (119); anders wohl Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 62, der davon ausgeht, dass bei einem Abweichen vom Ziel der Gewinnmaximierung Prognosen unmöglich werden.

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rung in der Krise einen Zinsaufschlag von ihrem Vertragspartner einfordern36. Theoretisch sind schlicht die Wahrscheinlichkeit, dass eine Krise auftritt, die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Gesellschaft in dieser Krise opportunistisch verhalten wird und der Umfang des durch die opportunistische Strategie geminderten Rückzahlungsbetrages in Anschlag zu bringen und hiervon ausgehend die Kreditkonditionen zu modifizieren. Auch die besonderen Krisenanreize sind im Grundmodell also in den Vertragsbedingungen ausgleichbar. Der mit opportunistischem Krisenverhalten verbundene Wohlfahrtsverlust ist dann nicht etwa von den Gläubigern zu tragen, sondern fällt in Form höherer Zinsen auf die Schuldnergesellschaft zurück bzw. in letzter Konsequenz auf den oder die Gesellschafter37. Erfolgt eine solche Berücksichtigung der krisenbedingten Revision des Anreizsystems, wird der Vorteil der beschränkten Haftung zur Gänze ausgeglichen. Eine neben einen derart angepassten Kreditvertrag tretende gesetzlich angeordnete Durchgriffs- oder Geschäftsleiterhaftung für ein in solcher Weise antizipiertes Krisenverhalten würde dann einen windfall profit für die Gesellschaftsgläubiger darstellen38. b) Asymmetrische Information Eine effiziente Bewertung des mit der Fremdfinanzierung verbundenen Ausfallrisikos durch die Gläubiger setzt voraus, dass sich das im Vertrag eingepreiste Risiko nicht von dem später tatsächlich durch die Geschäftsleitung eingegangenen Risiko unterscheidet39. Unproblematisch ist die Existenz von symmetrisch verteilter Unsicherheit über bestimmte Zustandsrealisationen der Zukunft. Beiden Parteien bekannte Unsicherheit kann im Vertrag entsprechend den jeweiligen Risikopräferenzen berücksichtigt werden. Völlig anders stellt sich die Lage bei Vorliegen asymmetrischer Information dar, wenn also der Kreditnehmer besser informiert ist über die Diskrepanz zwischen kommuniziertem und tatsächlich geplantem Risiko (Qualitätsunsicherheit) bzw. über sein nach Vertragsabschluss liegendes Geschäftsgebaren im Allgemeinen (Hold Up/Moral Hazard)40.

36 Vgl. Fischel, Yale L. J 99 (1989), 131 (135 f.); Tung, J. Bus. & Tech. L. 1 (2007), 1201 (1212 ff.). 37 Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 178 f. 38 Vgl. hierzu auch Roth, ZGR 1986, 371 (374); Tung, J. Bus. & Tech. L. 1 (2007), 1201 (1209 f.). 39 Vgl. Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (134). 40 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 33 f.; Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (413); siehe auch Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (134), der exogene Ereignisse und Fehlverhalten des Schuldners (debtor misbehavior) als Ursachen identifiziert.

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aa) Qualitätsunsicherheit Liegt asymmetrische Information in Form von hidden information bzw. Qualitätsunsicherheit vor, fallen objektiv erforderliche und tatsächlich vereinbarte Gegenleistung eines Vertrages auseinander. Im Falle einer Kreditentscheidung liegt der vereinbarte Zins unter dem, der risikoadäquat wäre. Beispielhaft sei der Fall genannt, dass das anvisierte und zu finanzierende Investitionsprojekt deutliche geringere und unsicherere Zukunftsaussichten besitzt, als es der Kreditnehmer seinem Kreditgeber vermittelt hat. Dem Gläubiger fehlt damit die zur Einpreisung opportunistischen Verhaltens notwendige Kenntnis sowohl über die Wahrscheinlichkeit einer krisenhaften Zuspitzung als auch über den Umfang eventueller Schäden eigensüchtigen Verhaltens der Schuldnerin. Asymmetrische Information ist bis zu einem gewissen Grade ein Datum in dem Sinne, dass der Gläubiger sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht beeinflussen kann. Gleichwohl stehen Gläubiger der daraus resultierenden Möglichkeit zur Ausbeutung nicht völlig schutzlos gegenüber. Entscheidend ist, zusätzliche Information zu generieren, die Auskunft gibt über die tatsächlichen Risiken und Chancen der konkreten Unternehmung. Auf Spence zurück geht die Erkenntnis, dass die Beobachtung bestimmter Eigenschaften und Verhaltensweisen der besser informierten Partei diesem Ziel zuträglich ist (Signaling). Kern des Signaling ist, dass es nicht allein für den Gläubiger, sondern auch für die besser informierte Partei vorteilhaft sein kann, ihre überlegene Information dem Gläubiger zugänglich zu machen41. Gehört ein Kreditnehmer zur Gruppe der Schuldner hoher Bonität besitzt er ein genuines Interesse, diesen Umstand dem Kreditmarkt zu signalisieren; anderenfalls wäre er auf den Durchschnittszinssatz verwiesen. Ein Schuldner hoher Bonität gibt deshalb Information als implizite Garantie frei42. Signaling als Mittel zur Überwindung von Qualitätsunsicherheit stellt verschiedene Anforderungen an die Signale sowie den Signalisierungsprozess. Zunächst muss das Signal überhaupt kommunizierbar sein, weiter muss es sich um ein Merkmal handeln, das nur die Schuldner höherer Bonität zu senden in der Lage sind (Glaubwürdigkeit) und schließlich muss es für den Adressaten sowohl wahrnehmbar sein wie auch von diesem tatsächlich wahrgenommen werden43. In diesem Zusammenhang gewinnt erstmalig die initiale Finanzierungsentscheidung der Gesell-

41 Vgl. Spence, Quarterly Journal of Economics 87 (1973), 355 (355 ff.); vgl. auch Heine/ Röpke, RabelsZ 70 (2006), 137 (157 f.); Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 423 f. 42 Vgl. Hirshleifer, Am. Econ. Rev. 63 (1973) (P & P) 31 (37). 43 Vgl. Spence, Quarterly Journal of Economics 87 (1973), 355 (357); Spremann, ZfB 60 (1990), 561 (579 f.); Rehberg, Das staatliche Informationsmodell, S. 23; Heine/Röpke, RabelsZ 70 (2006), 137 (153 f.); Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 423 f.

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schaft über die Höhe des Eigenkapitals ökonomische Bedeutung44. Diese erlaubt den Gläubigern der Gesellschaft Rückschlüsse darauf, inwieweit die Gesellschafter bereit sind, eigenes Kapital aufs Spiel zu setzen, um die zukünftigen unsicheren Erträge aus der unternehmerischen Tätigkeit zu realisieren und gibt damit einen Anhaltspunkt, wie sie die Zukunftsaussichten evaluieren. Durch die Wahl eines hohen Eigenkapitalanteils signalisiert die Gesellschaft also, dass sie eine hohe Wahrscheinlichkeit des Reüssierens sieht45. Besondere Bedeutung kommt dieser Signalisierungsfunktion für den Bereich der beschränkt haftenden Kapitalgesellschaften zu, da bei unbeschränkter Haftung strukturell das Signal ausgesandt wird, dass die Gesellschafter für ein Scheitern der Unternehmung mit dem Nettogegenwartswert ihres Lebenseinkommen einstehen wollen. bb) Nachvertragliche Risikorevision (Hold-up/Moral Hazard) Nach Abschluss eines Kreditvertrages steht es der Geschäftsleitung der Schuldnergesellschaft grundsätzlich frei, das wirtschaftliche Risiko der Unternehmung über das den Fremdkapitalgebern vergütete Maß hinaus zu steigern. Ursächlich ist, dass die betriebswirtschaftlichen Kontroll- und Entscheidungsrechte durch den Kreditvertrag nicht berührt werden und somit weiterhin bei der Geschäftsleitung und im Falle der GmbH bei den Gesellschaftern (§ 37 Abs. 1 GmbHG) liegen46. Eine solche Risikosteigerung entspricht dem Interesse der Gesellschafter, für die nicht stetige Einzahlungsüberschüsse von Bedeutung sind, sondern Einzahlungsspitzen, die sich in einem schwankenden, aber doch hohen Residualgewinn widerspiegeln47. Erhöht die Geschäftsleitung auf diese Anreize hin das Risiko, entspricht die zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbarte Risikoprämie nicht mehr dem tatsächlich durch die Geschäftsleitung gewählten Risiko48. Es kommt zu einer Vermögensverschiebung – genauer einer Verschiebung von Erwartungswertbestandteilen – von den Kreditgebern auf die Anteilseigner (fremdkapitalbezogene Agenturkosten)49, die als nicht vergütetes Risiko aus Sicht der Gläubiger einen

44 Neben ihrer Funktion als risikobegrenzender Faktor, der aber bei symmetrischer Information über den Zins ausgeglichen wird. Vgl. auch Heine/Röpke, RabelsZ 70 (2006), 137 (153 ff.); Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 423 f. 45 Leland/Pyle, J. Fin. 32 (1977), 371 (371 ff.); vgl. auch Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 40 f.; Breuer, Finanzierungstheorie, S. 119 ff.; Spremann, ZfB 60 (1990), 561 (568). 46 Vgl. Burger/Schellberg, BB 1995, 261 (261): „der unbedingte Zahlungsanspruch einerseits und die (weitgehende Autonomie) des Kreditnehmers andererseits führen zur Ausbeutungsoffenheit von Gläubigerpositionen“. Vgl. auch Drukarczyk, ZGR 1979, 553 (557). 47 Vgl. Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 416. 48 Vgl. Walter, AG 1998, 370 (371); Kuntz, ZIP 2008, 814 (815). 49 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 62 f.; Armour, Corporate Insolvency, S. 16; R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 61 f.

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negativen externen Effekt darstellt50. Antizipieren rationale Kreditgeber diese nachvertragliche Risikorevision durch die Geschäftsleitung, reagieren sie hierauf mit verschlechterten Kreditkonditionen oder aber dem gänzlichen Verzicht auf die Kreditvergabe. Nicht anders als im Falle der Qualitätsunsicherheit setzt dies allerdings voraus, dass die möglichen Handlungsalternativen dem Gläubiger im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt sind, was bei Vorliegen von asymmetrischer Information in Form von hidden action definitionsgemäß nicht der Fall ist. Der Geschäftsleitung steht vielmehr ein diskretionärer Handlungs- und Entscheidungsspielraum zur Verfügung, der nicht über den Zins kompensiert werden kann, da der Kreditgeber ein ex ante unbekanntes Risiko nicht beziffern kann. Dass diese Konstellation in der Praxis mehr oder weniger immer gegeben ist, ist leicht einsichtig, berücksichtigt man, dass Unternehmen auf variable Instrumente zur Risikoveränderung (Hedging etc.) zurückgreifen können, die der Geschäftsleitung eine faktisch unbeschränkte Zahl von Handlungsalternativen ermöglichen51. Unter dieser Voraussetzung gilt, dass es zu jeder im Kreditvertrag eingepreisten Risikoerhöhung eine riskantere Alternative gibt, die mit einer Verlagerung von Erwartungswerten zu Ungunsten der Gläubiger verbunden ist. Den Gläubigern ist es nicht möglich, auch diese der Geschäftsleitung offen stehenden Optionen zu berücksichtigen. Konsequenz eines dahingehenden Versuches wäre, dass – entsprechend dem Schema eines Bertrand-Preiswettbewerbes52 – der Zins für die maximal riskante Unternehmensstrategie bei allen Unternehmen zu Grunde zu legen wäre. In der Praxis wird deshalb eine asymmetrische Informationsverteilung im Sinne von hidden action vielmehr dazu führen, dass Kreditkonditionen die durchschnittliche Projektqualität widerspiegeln53. Dieser Ausgangsbefund bedeutet nicht, dass hidden action ohne Eingreifen gesetzlicher Regeln unsanktioniert bleiben würde. Hidden action als definitionsgemäß nach Vertragsschluss beobachtbares Verhalten des Schuldners kann vielmehr in Folgeverträgen durch die Vertragspartner pönalisiert werden (Reputationseffekt). Als Reputation wird „die Tatsache [bezeichnet], dass ein Unternehmer in der Ver50 Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 177; Easterbrook/Fischel, U. Chi. L. Rev. 52 (1985), 89 (104 f.); Nippel, zfbf 44 (1992), 990 (990); Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 20 f.; Posner, U. Chi. L. Rev. 43 (1976), 499 (508). 51 Die Unvollständigkeit von Verträgen wird plastisch beschrieben in Oregon RSA No. 6, Inc. v. Castle Rock Cellular of Oregon Ltd. Partnership, 840 F. Supp. 770 (776 ff.) (D. Oregon 1993): „If in each contract the parties had to expressly describe and prohibit every artifice by which the parties could potentially deprive each other of the fruits of their agreement, the contracts would soon become as long as the tax code, as difficult to interpret, and (like the tax code) still contain innumerable loopholes available to a party that wished to avoid the spirit of its bargain“. 52 Im einfachen Bertrand-Duopol konkurrieren zwei Unternehmen durch Setzung des Preises. Beide Unternehmen versuchen, durch Unterbieten des Preises des anderen jeweils die gesamte Nachfrage auf sich zu ziehen. Im Ergebnis stellt sich als Marktpreis wie im Falle vollständiger Konkurrenz Preis = Grenzkosten ein. 53 Vgl. Leland/Pyle, J. Fin. 32 (1977), 371 (371).

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gangenheit seinen Verpflichtungen aus einer Kreditaufnahme nachgekommen ist“54, also die Kreditwürdigkeit55. Erkennen Kreditgeber, dass ein Kreditnehmer nach Abschluss des Kreditvertrages das Risiko zu ihren Lasten gesteigert hat, reagieren sie hierauf mit einer Verschlechterung der Konditionen einer Anschlussfinanzierung56. Die Schuldnergesellschaft muss den Vorteilen einer nachvertraglichen Risikorevision die damit verbundenen höheren zukünftigen Fremdfinanzierungskosten gegenüberstellen57. Ist der Reputationsmechanismus des Marktes wirksam ausgebildet, verzichtet die Schuldnergesellschaft aus rationalem Kalkül regelmäßig auf die Wahl der Handlungsalternative Risikosteigerung durch Ausbeutung von Gläubigerpositionen58. Entscheidend ist im Einzelfall, ob die Erträge der Reputationsstrategie die der Spekulationsstrategie überwiegen. Sind letztere hinreichend groß, wird die Schuldnergesellschaft nicht in Reputation investieren oder aber bereits realisierte Reputation ausnutzen59. Schließlich ist festzuhalten, dass existentielle Voraussetzung einer Disziplinierung durch Reputation ist, dass die Gläubiger ex post erkennen können, dass die Schuldnergesellschaft ihre Geschäftspolitik zu ihren Lasten verändert hat60, technisch also eine Hold Up-Situation. Für den kritischen Sonderfall einer existenzbedrohenden Krise der Schuldnergesellschaft stehen der Wirksamkeit des Reputationsmechanismus zusätzliche Hindernisse entgegen. Die Investition in Reputation, also der Verzicht auf opportunistisches Verhalten gegenüber den Gläubigern, erweist sich für einen Schuldner nur dann als rational, wenn weitere Kreditvergabeentscheidungen zu erwarten sind, in denen der Schuldner die Prämie für die gezeigte Vertragstreue realisieren kann. Die Kosten opportunistischen Verhaltens sinken mit abnehmender Zahl künftiger Kreditvergabeentscheidungen. Im Extremfall eines „Endspiels“ ist opportunistisches Verhalten für die Schuldnergesellschaft immer vorteilhaft, weil für den Gläubiger definitionsgemäß keine Möglichkeit zur Sanktionierung zur Verfügung 54 Nippel, zfbf 44 (1992), 990 (1008); allgemein zum Reputationsmechanismus Klein/ Leffler, J. Pol. Econ. 89 (1981), 615 (615 ff.); vgl. auch Ribstein, The Structure of the Fiduciary Relation, S. 7 f. 55 Spremann, ZfB 58 (1988), 613 (613); vgl. auch R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (210). Ein hiervon zu unterscheidender sozialpsychologischer Reputationsbegriff findet sich etwa bei v. Werder, ZIP 2009, 500 (502), der maßgeblich auf die Stellung in der Gruppe der Peers abstellt. 56 Vgl. Tung, J. Bus. & Tech. L. 1 (2007), 1201 (1209 ff.); Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1170); Ramsay, in: Ramsay, 1 (11); Whincop, in: Ramsay, 42 (48 f.); Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (33). 57 Vgl. auch Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1170 f.). 58 Vgl. Armour, Corporate Insolvency, S. 16; Klein/Leffler, J. Pol. Econ. 89 (1981); 615 (620); Nippel, zfbf 44 (1992), 990 (1008); Telfer, Risk and Insolvent Trading, 127 (132); Valsan/ Yahya, Virginia Law & Business Rev. 2 (2007), 1 (33). ablehnend gegenüber Reputationseffekten aus dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 62; anders der Befund von Böckmann, Gläubigerschutz bei GmbH und close corporation, S. 175 f. 59 Vgl. Klein/Leffler, J. Pol. Econ. 89 (1981), 615 (616 f.); Ramsay, in: Ramsay, 1 (11). 60 Vgl. Klein/Leffler, J. Pol. Econ. 89 (1981), 615 (617).

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steht (last-period-Problem). Gerade in einer solchen Endspielsituation befindet sich aber die Kapitalgesellschaft, deren Überlebenschancen nur noch gering sind61. Aufgrund des wahrscheinlichen Endes ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Existenz kann die Leitung der Gesellschaft die latente Drohung der Gläubiger, auf opportunistisches Verhalten mit einer Sanktion im Rahmen der folgenden Kreditverhandlungen zu reagieren, weitgehend ignorieren. Gleichzeitig drängt das durch Aufzehrung des Gesellschaftsvermögens revidierte Anreizsystem zur Wahl besonders riskanter Alternativen. Gelingt auf diese Weise die – zumindest zeitweise – Rettung der Gesellschaft, müssen zwar erhöhte Zinsen in Kauf genommen werden, die Alternative der sofortigen Abwicklung der Gesellschaft unter Verzicht auf Opportunismus ist jedoch entscheidungstheoretisch immer strikt dominiert. c) Praxisnähe der Risikoabgeltungstheorie Stark umstritten ist, inwieweit das Modell der Risikoabgeltungstheorie der beschränkten Haftung in der Praxis trägt62. Angezweifelt wird insbesondere, ob die Gruppe der Fremdkapitalgeber und sonstigen Gläubiger als eine homogene Gruppe gedacht werden kann. Zumindest hermeneutisch lassen sich verschiedene Typen von Gesellschaftsgläubigern identifizieren63. In einer ersten Unterscheidung kann zwischen freiwilligen Gläubigern, die selbstbestimmt ein Schuldverhältnis mit einer beschränkt haftenden Gesellschaft begründet haben, und unfreiwilligen Gläubigern, also solchen, die ohne eigene Entscheidung einen Anspruch gegen die Gesellschaft erworben haben, differenziert werden64. Unfreiwillige Gläubiger in diesem Sinne müssen dabei unterschieden werden von den Gläubigern eines gesetzlichen Schuldverhältnisses im Sinne des deutschen Zivilrechts. Der Inhaber eines Anspruchs aus GoA oder aus ungerechtfertiger Bereicherung65 hat sich nicht unfreiwillig mit der Gesellschaft schuldrechtlich verbunden. Vielmehr stellt nach der durch von Caemmerer begründeten Typologie66 zumindest die Leistungskondiktion einen Annex zum Vertragsrecht dar, während eine Geschäftsführung ohne Auftrag bereits nach der gesetzlichen Definition voraussetzt, dass sich der Geschäftsführer mit Fremdgeschäftsführungswillen, also bewusst, für die Belange eines Dritten einsetzt, was sich wiederum als Entscheidung, mit diesem Dritten in schuldrechtliche Beziehungen zu treten, qualifizieren lässt. Unfreiwillige Gläubigerschaft im hier ver61 Vgl. Whincop, in: Ramsay, 42 (49); Goddard, in: Ramsay, 169 (172); Prentice, Corporate Personality, 99 (104). 62 Vgl. nur Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 95. 63 Vgl. Tung, Death of Corporate Contract, S. 19: „much more diverse bunch of right holders than are shareholders“. 64 Vgl. etwa Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (864 ff.); Landers, U. Chi. L. Rev. 42 (1975), 589 (596 f. Fn. 22); Spindler, JZ 2006, 839 (841); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 95; Miola, ECFR 2008, 413 (471 ff.). 65 Soweit nicht Ansprüche aus Eingriffskondiktion streitgegenständlich sind. 66 Vgl. von Caemmerer, FS Rabel I, 333 (333 ff.).

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wendeten, stärker rechtsökonomisch geprägten Sinne ist hingegen nur anzunehmen bei Fehlen einer privatautonomen Entscheidung über die Begründung eines Schuldverhältnisses67. Insofern ist einerseits an die Eingriffskondiktion zu denken, andererseits auch und vor allem an das Deliktsrecht68. Neben dieser ersten Grobunterscheidung lassen sich im Bereich der freiwilligen Gläubiger verschiedene idealtypische Untergruppen ausmachen. Ohne rechtsökonomische Implikation lassen sich deskriptiv Darlehensgläubiger, Lieferanten, Kunden und Arbeitnehmer identifizieren. Mit diesem Befund ist die Frage aufgeworfen, ob sich alle diese Gruppen entsprechend den Vorgaben der Theorie der Risikoeskomptierung verhalten bzw. ob dies unter rechtsökonomischen Auspizien von ihnen erwartet werden kann. Die Antwort hierauf fällt in der Wissenschaft nicht eindeutig aus. Während etwa Easterbrook/Fischel die aus Arbeitnehmern, Warenkreditgebern, Kunden und Finanzgläubigern zusammengesetzte Gruppe der freiwilligen Gläubiger (voluntary creditors) weitgehend als homogene Gruppe behandeln69, wird teilweise auf die unterkomplexe Struktur einer solchen Einheitsbetrachtung verwiesen. Die jeweils durch bestimmte Merkmale geprägten Gläubigergruppen dürften nicht „in einen Topf geworfen werden“70. Nach letzterer Ansicht verlangt die Verschiedenheit zwischen den Gruppen gegebenenfalls besondere Schutzvorkehrungen, da effektiver Selbstschutz nicht von jeder Gruppe zu erwarten sei71. Im Folgenden ist deshalb herauszuarbeiten, inwieweit strukturelle Unterschiede in den Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger zu diagnostizieren sind. Sind diese hinreichend schwach, kann gegebenenfalls ein externer Effekt vorliegen, der mit Mitteln des Rechts zu bekämpfen wäre.

67 Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 22 f. weist zutreffend darauf hin, dass gegebenenfalls weitere Differenzierungen erforderlich sind, wenn etwa eine deliktische Schädigung im Rahmen eines bestehenden vertraglichen Schuldverhältnisses erfolgt. Hier wäre dann danach zu differenzieren, ob es sich um deliktische Schädigungen handelt, die im Rahmen der Vertragsverhandlungen antizipiert worden sind bzw. die ein verständiger Gläubiger hätte antizipieren müssen. 68 Anders Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 185 f., der als Zwangsgläubiger die Gläubiger aus gesetzlichen Schuldverhältnissen kennzeichnet. Dem ähnlich auch Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 95. 69 Vgl. Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 50 ff.; in gleiche Richtung Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1188 f.); Lombardo/Wunderlich, Haftungsdurchgriff im Recht der Kapitalgesellschaften, S. 23 Rn. 74. 70 Roth, ZGR 1986, 371 (376); vgl. auch Kandestin, Vand. L. Rev. 60 (2007), 1235 (1262 f.); Landers, U. Chi. L. Rev. 43 (1976); 527 (533); Freedman, MLR 63 (2003), 317 (330); Klöhn, ZGR 2008, 110 (151 ff.); Vetter, ZGR 2005, 788 (791); Goette, Stellungnahme RegE MoMiG, S. 3; so wohl auch Leyendecker, GmbHR 2008, 302 (304). In der Tendenz auch Campbell/Frost, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed Corporations, S. 34. 71 Vgl. etwa Vetter, ZGR 2005, 788 (791); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 95 f.; Goette, ZGR 2008, 436 (443); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 3.

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aa) Finanzgläubiger Die weitestgehenden Möglichkeiten zur Beurteilung und Einpreisung von Kreditrisiken besitzen professionelle Kreditgeber, d. h. insbesondere die Geschäftsbanken72. Institutionelle Kreditgeber sind einerseits nach dem KWG zur eingehenden Prüfung verpflichtet73, andererseits ist praktisch der Abschluss eines Darlehensvertrages ohne vorherige Kreditwürdigkeitsprüfung anhand des Jahresabschlusses undenkbar74. Zweifel an der Geltung der Risikoabgeltungstheorie erweckte bisher insbesondere die Art und Weise der Steuerung der Kreditrisiken durch Geschäftsbanken. Anstatt die Kreditkonditionen jeweils für den Einzelschuldner zu ermitteln, wurde ein gewogenes Ausfallrisiko für ein Kreditportfolio ermittelt. Die Bonität des Einzelschuldners blieb hiernach weitgehend ausgeblendet. Ermöglicht wurde diese Praxis durch die wenig einzelfallsensiblen Basel-I-Kriterien, wonach Kredite generell und unterschiedslos mit einer Eigenkapitalquote von 8 % zu unterlegen waren. Zumindest für die Zeit nach Inkrafttreten der Basel-II-Vereinbarung75 ist dieser Kritik der Boden entzogen. Kreditinstitute sind nunmehr gehalten, die Eigenkapitalquote entsprechend der Bonität des Schuldners zu variieren76. Ziel dieser Neuerung ist gerade die Sensibilisierung für die individuelle Risikoträchtigkeit eines Kreditengagements und damit die Vermeidung der Subventionierung schlechter durch gute Kredite77. Dass Kreditinstitute nicht nur gesetzlich angehalten sind, ihre Vergabepraxis an der Solvenz zu orientieren, sondern auch faktisch hierzu in der Lage sind, wird durch zahlreiche Studien belegt. Franks/Sussman etwa stellen in einer Studie über die Krisenfinanzierung kleinerer Kapitalgesellschaften in England fest, dass Banken in einer Krisensituation praktisch nie eine Ausweitung des Kreditvolumens vornehmen78, also informiert sind über die konkrete finanzwirtschaftliche Lage der Schuldnerin und aus dieser Kenntnis Konsequenzen ziehen. 72 Vgl. Freedman, MLR 63 (2003), 317 (330); Klöhn, ZGR 2008, 110 (151 f.); Landers, U. Chi. L. Rev. 43 (1976), 527 (540); Röhricht, FS BGH, 83 (99); Vetter, ZGR 2004, 324 (331); Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (659). Vgl. auch Armour, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economcis of Creditor Protection, 3 (9): „[…] paradigm adjusting creditor might be a bank […]“; und gleichsinnig Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 118: „Paradigma für einen adjusting creditor bildet die Hausbank […]“. 73 Vgl. Reuter, BB 2003, 1797 (1799). § 18 KWG knüpft allerdings an das Erreichen bestimmter Schwellenwerte an. 74 Vgl. Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1049); Wittig, WM 1996, 1381 (1386). 75 Basel III ist insoweit mit keinen Änderungen verbunden, da lediglich der Umfang der Eigenkapitalunterlegung erhöht wird. Vgl. etwa Becker/Böttger/Ergün/Müller, DStR 2011, 375 (376 ff.). 76 Vgl. Langenbucher, BKR 2005, 134 (134 ff.); Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 3; Schiessl, ZHR 170 (2006), 522 (522 ff.); zu den gesellschaftsrechtlichen Implikationen Hennrichs, ZGR 2006, 563 (563 ff.). 77 Vgl. Hennrichs, ZGR 2006, 563 (564 f.); Langenbucher, BKR 2005, 134 (134 ff.). 78 Vgl. Franks/Sussman, Resolving Financial Distress by Way of a Contract, S. 26.

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Dennoch werden auch allgemeinere Bedenken gegen die These einer kalkulierten Kreditvergabeentscheidung der Banken formuliert. Banken seien zunächst nicht risikofreudig, ihr liebstes Risiko sei vielmehr das Nullrisiko, vorrangiges Ziel deshalb die dingliche Sicherung oder doch zumindest die Bürgschaft79. Selbstverständlich sind Banken nicht risikofreudig im entscheidungstheoretischen Sinn und bevorzugen ceteris paribus – also bei gegebener Auszahlungshöhe – das Nullrisiko. Sie berücksichtigen andererseits aber auch den Trade-Off zwischen Risiko und Rendite80. Das riskantere Engagement generiert den höheren Zins und vermag damit die Rentabilitätskennziffern der Bank, anhand derer ihre Geschäftsleitung von den Anteilseignern gemessen wird, zu verbessern. Dass nicht nur Investment-, sondern auch Universalbanken durchaus Appetit auf Risiko verspüren, kann nach der Destabilisierung der internationalen Kapitalmärkte im Rahmen der Finanzkrise kaum mehr in Zweifel stehen. Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang die Möglichkeit zur Diversifizierung, also die Fähigkeit einer Geschäftsbank zur Streuung ihrer Kreditrisiken. Im Gegensatz zu anderen Gläubigergruppen verfügen institutionelle Kreditgeber über ein umfangreiches Kreditportfolio, indem isoliert existente Risiken sich im Aggregat teilweise neutralisieren. Zur Illustration sei die überzeichnete Situation genannt, in der die kreditgebende Bank zwei Kredite gleichen Volumens (100) an zwei Unternehmen U1 und U2 vergibt, deren Geschäftsentwicklung perfekt negativ miteinander korreliert ist. Die Auszahlungsmatrix für die Unternehmen stellt sich dann wie folgt dar: Z1 (WS = 0,5)

Z2 (WS = 0,5)

U1

140

90

U2

90

140

Ohne Berücksichtigung von Renditevorgaben kann die Bank durch Festsetzung eines Zinses in Höhe von 10 % eine sichere Auszahlung in Höhe von 200 generieren, denn es gilt EðZ1 Þ þ EðZ2 Þ ¼ 0; 5ð90 þ 110Þ þ 0; 5ð110 þ 90Þ ¼ 200 In Zustand 1 etwa vermag Unternehmen 2 nur 90 % des valutierten Betrages zurückzahlen. Unternehmen 1 ist jedoch aufgrund des positiven Geschäftsverlaufs in der Lage, sowohl den ausgereichten Kredit in Höhe von 100 zurückzuzahlen als auch die aufgelaufene Zinsschuld in Höhe von 10 zu begleichen. Obwohl beide Kreditverträge isoliert mit einem Ausfallrisiko behaftet sind, führt die Verknüpfung gegenläufiger Kreditrisiken im Zusammenspiel mit kompensatorischen Zinsen zu einer sicheren Einzahlung auf Seiten der Bank. Auch unter Berücksichtigung von Renditevorgaben ändert sich an dieser grundsätzlichen Möglichkeit zur Begrenzung von Kreditausfallrisiken nichts. Durch 79

Vgl. Roth, ZGR 1986, 371 (376). So auch Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 44 Fn. 47. 80

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den Kreditmarkt oder die Eigentümer sei der Bank als Aufgabe gestellt, eine Verzinsung von 10 % auf das eingesetzte Kapital zu erzielen. Die Zielfunktion der Bank lautet damit: 0; 5ð100 þ i ¡ 100Þ þ 0; 5 ¡ 90 ¼ 110 , iŸ ¼

3 ¼33,3 10

Vereinbart die Bank bei beiden Projekten den risikoadjustierten Zins iŸ , so erreicht sie die sichere Einzahlung und erhält darüber hinaus eine ebenfalls sichere 10 %-ige Verzinsung. Schon hier sei angemerkt, dass, gestünde man ihr jetzt zusätzlich einen Anspruch gegen das Privatvermögen der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Privatpersonen in Höhe des Ausfalls zu, würde dies einen Windfall Profit darstellen81. Das gewählte Beispiel ist in den Zahlenangaben überzeichnet, insbesondere ist perfekte negative Korrelation von Geschäftsergebnissen nicht praxisnah, da bestimmte exogene Faktoren – etwa Konjunkturentwicklungen, steuerliche Rahmenbedingungen etc. – die Ergebnisse aller Unternehmen treffen82. Es zeigt aber doch die Möglichkeiten der Diversifizierung. Je mehr Projekte mit positivem Erwartungswert finanziert werden, desto geringer wird das Gesamtrisiko des Kreditportfolios. Das ergibt sich einerseits aus dem Gesetz der großen Zahl und andererseits daraus, dass Investitionsprojekte nicht perfekt positiv korreliert sind. Dieser Effekt der Portfoliodiversifizierung ist Grundgedanke von Posners Theorie der überlegenen Risikoträgerschaft der Fremdkapitalgeber83. Selbst wenn die relative und absolute Risikoaversion der Fremdkapitalgeber größer sein sollte als die der Eigenkapitalgeber, sind sie doch überlegen in der Fähigkeit, das aus dem Eintritt eines negativen Umweltzustands resultierende Risiko zu tragen, indem es durch andere Portfoliobestandteile ausgeglichen wird. Gleiches gilt zwar im Prinzip auch für Anteilseigner von Kapitalgesellschaften, wenn sie ihrerseits ihr Portfolio diversifiziert haben. Gerade bei kleinen Gesellschaften gilt jedoch wie dargestellt, dass die Gesellschafter konzentrierte Investments halten und aufgrund von Budgetbeschränkungen nicht in der Lage sind, ihr Anteilsportfolio hinreichend zu streuen. Das Risiko einer ungünstigen Geschäftsentwicklung trifft diese Anteilseigner deshalb oftmals mit voller Härte. Auch der weitere Einwand, Geschäftsbanken seien nicht hinreichend kalkulationssicher, anderenfalls „wären die spektakulären Ausfälle bei inländischen Groß81 Vgl. auch Conaway, Trenwalla: A Call for Rationalizing Fiduciary Duties to Creditors in Delaware, S. 4. 82 Hier besteht allerdings u. a. über die Beteiligung an Hedgefonds die Möglichkeit, mit der allgemeinen Marktentwicklung negativ korrelierte Positionen einzugehen. Im Prinzip stellt auch die Kombination aus Positionen in Staatsanleihen und Credit Default Swaps eine Möglichkeit dar, sowohl Zins- als auch Unternehmensrisiken zu beseitigen, sogenannter perfect hedge. 83 Vgl. Posner, U. Chi. L. R. 43 (1976), 499 (502).

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kunden nicht erklärlich, deren Risiko […] nicht durch adäquate Risikoprämien aufgefangen wurde“84, trägt nicht. Es ist unzulässig, aus der ex post beobachtbaren Tatsache des Ausfalls eines Kredits auf die ex ante erfolgende Risikoentscheidung des Kreditgebers zu schließen85. Aufgrund der letztlich unendlichen Vielzahl von Einflussfaktoren sind auch Geschäftsbanken nicht in der Lage, Wahrscheinlichkeiten und Zustandsausprägungen mit letzter Präzision zu prognostizieren, wie dies in den Modellen der Entscheidungstheorie suggeriert wird. Das ist aber nicht gleichbedeutend mit der Feststellung, dass hohe Ausfälle des Kreditgebers bei gleichzeitig niedrigem Zinssatz ihre Ursache in einer fehlerhaften Umfeldanalyse bzw. nachfolgenden Risikoentscheidung haben. Faktisch kein Kredit besitzt eine 100 %-ige Rückzahlungswahrscheinlichkeit. Auch im Zeitpunkt der Kreditvergabeentscheidung solvente Unternehmen können in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten mit der Folge, dass Kredite notleidend werden. Die Eintrittswahrscheinlichkeit hierfür kann ex ante derart gering gewesen sein, dass sie im Zinssatz kaum zu erkennen ist. Für die Gruppe der Finanzgläubiger ist daher insgesamt davon auszugehen, dass sie in der Lage sind, die Risiken, die aus einem mit einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft abgeschlossenen Finanzierungskontrakt resultieren, zu beherrschen. Dieser Befund wird auch nicht durch die Verwerfungen der Finanzkrise belastet. Die realisierten, in zahlreichen Fällen existenzbedrohenden Risiken entstammen nicht dem hier im Fokus stehenden Kreditkundengeschäft, sondern maßgeblich dem Eigenhandel der Geschäftsbanken in Finanzinstrumenten. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die krisenhafte Zuspitzung nicht allein Folge systematisch unzureichender Geschäftspolitik von Kredit- und Finanzinstituten ist86, sondern auch exogene Faktoren einen erheblichen Teil der Verantwortung tragen. Als Auslöser ist die politisch motivierte Sonderkonjunktur auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt (housing policy) im Zusammenspiel mit einer unverantwortlichen und allein auf Kurzfristdenken beruhenden Geldpolitik auch und vor allem der Federal Reserve zu nennen, die ein ganzes Marktsegment besonders ausfallfreudiger Kredite geschaffen hat, wobei gerade Regierungsstellen die jetzt angefeindete Verbriefungspraxis initiierten. Entgegen den Vorstellungen der Öffentlichkeit sind weniger Derivate Ursache des Übels, sondern die Tatsache, dass diesen Derivaten ein miserables Underlying zu Grunde liegt. Nicht übersehen werden darf auch die Bedeutung des true-and-fair-value-Grundsatzes87. Strukturierte Hypothekenverbriefungen als nicht standardisierte Over-the-Counter-Produkte besitzen generell bereits eine minimale Markttiefe, so dass die entsprechenden Papiere bei ersten Krisenanzeichen in der Bilanz nicht mehr aktiviert werden können – 84

Roth, ZGR 1986, 371 (376). So auch Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 44 Rn. 47; zweifelnd auch Kübler, FS Heinsius, 397 (409). 86 Diese betonend allerdings G 20, Declaration of the Summit on Financial Markets and the World Economy, vgl. auch Lutter, ZIP 2009, 197 (197 ff.). 87 Den der BilMoG-Gesetzgeber nicht zuletzt wegen der Erfahrungen der Finanzkrise nicht uneingeschränkt übernommen hat. Vgl. etwa Zwirner, NZG 2009, 530 (531). 85

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unabhängig von ihrem tatsächlichen Wert88. Nicht zuletzt nicht zu unterschätzen ist die Rolle des Gesetzgebers – allerdings unterstützt von findigen, vermeintlich im Interesse ihrer Mandanten handelnden Wirtschaftsjuristen89 –, der die systematische Auslagerung von Risiken aus der Bilanz erlaubt (off balance sheet activities/„true sales“) und damit eine Globalsteuerung der Gesamtrisiken für Banken erheblich erschwert hat90. Diese Möglichkeit zur Auslagerung besonderer Risiken begründete erhebliche diskretionäre, mit der Gesamtverantwortung des Vorstands eigentlich nicht zu vereinbarende Entscheidungsspielräume für subalterne Bankmitarbeiter und verurteilte jede ernstgemeinte Kontrolle durch den Aufsichtsrat bereits im Ansatz zum Scheitern91. Allerdings existieren andere Gesichtspunkte, die grundsätzliche Zweifel am Funktionieren der Risikoabgeltung durch Banken zu begründen vermögen. Ein solches Hindernis stellt insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum wucherähnlichen Geschäft dar. Hiernach kann ein Kreditvertrag wegen der Höhe des vereinbarten Zinses auch dann nach § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig sein, wenn er die strengen und in der Gerichtspraxis regelmäßig nicht zu beweisenden Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB nicht erfüllt. Voraussetzung ist objektiv ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung und subjektiv ein Handeln in verwerflicher Gesinnung. Das Erfordernis des objektiven Missverhältnisses hat der BGH durch zwei Kriterien konkretisiert: ein solches liegt vor, wenn entweder der effektive Vertragszins den marktüblichen Zins um 100 % überschreitet, oder aber 12 Prozentpunkte über diesem liegt92. Die Grundsätze über das „wucherähnliche Geschäft“ sind nicht auf den Bereich des Verbraucherkredit88 Ursachenanalysen etwa bei: Wahlen, The Subprime Crisis, 1 (1 ff.); Bebchuk, A Plan for Adressing the Financial Crisis, 1 (1 ff.); Hellwig, Systematic Risk in the Financial Sector, S. 1 ff. Vgl. auch G 20, Declaration of the Summit on Financial Markets and the World Economy; dies., Progress Report on the Actions of the Washington Action Plan, S. 1. 89 Zur in Deutschland noch kaum diskutierten Rolle der Wirtschaftsanwälte bei der Begleitung maximal formal legalen Verhaltens vgl. aus der US-amerikanischen Debatte etwa Coffee, Texas L. Rev. 84 (2005), 59 (59 ff.); Simon, Texas L. Rev. 84 (2005), 83 (83 ff.). 90 Nach § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB BilMoG sind ab dem Jahr 2010 solche Zweckgesellschaften bzw. SPE/SPV (Special Purpose Entities/Special Purpose Vehicles) im Konzernabschluss darzustellen, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Chancen und Risiken dem Mutterunternehmen zuzurechnen sind, vgl. Zwirner, NZG 2009, 530 (535 f.); Kümpel/Piel, DStR 2009, 1222 (1222 ff.). Das Problem ist im Übrigen keine Neuentdeckung der Finanzmarktkrise, sondern war bereits im Umfeld des Enron-Skandals virulent geworden: vgl. etwa Coffee, Texas L. Rev. 84 (2005), 58 (58). 91 Zur gesetzgeberischen Aktivität: G 20, Declaration of the Summit on Financial Markets and the World Economy; Bartsch, ZRP 2009, 97 (97 ff.); Fischer zu Cramburg, NZG 2009, 462 (462). Allgemein zur Finanzkrise aus dem juristischen Schrifttum zur Finanzkrise etwa U. H. Schneider, ZRP 2009, 119 (119 ff.) (zum „too big to fail“-Problem); Beaucamp, ZRP 2009, 121, 121 (Haftungsweiterungen für fehlerhafte Finanzinnovationen); zur Organhaftung der Verantwortlichen auf Seiten der Bank Lutter, ZIP 2009, 197 (197 ff.); Langenbucher, ZBB 2013, 16 (16 ff.). 92 Zu den Problemen, die mit der Übernahme der Zinssteuerung durch die EZB verbunden sind, vgl. Horn, BKR 2006, 1 (2).

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vertrages beschränkt, wenn auch unklar ist, ob das 100 % bzw. das 12 ProzentpunkteKriterium im Unternehmensverkehr in gleicher Weise Geltung beanspruchen können93. Würden diese starren Grenzen tatsächlich auch für gewerbliche Kreditverträge den Makel der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit begründen, wären Geschäftsbanken nur sehr eingeschränkt in der Lage, risikoadäquate Zinssätze festzulegen, denn zahlreiche Unternehmen verfügen entweder über einen fast spekulativen Unternehmensgegenstand oder aber befinden sich in einer wirtschaftlich angeschlagenen Situation, was jeweils einen deutlich über den Grenzen der BGH-Regeln liegenden Zinssatz verlangen würde. Unter Annahme von Rationalverhalten verbliebe Banken wegen der Nichtigkeitsfolge allein die Wahl zwischen den Alternativen Minimierung des Ausfallrisikos durch Bestellung von Sicherheiten und Einschränkung ihres Angebots an riskanten Krediten94. Die zitierte ständige Rechtsprechung erscheint allerdings sehr stark am Leitbild des Verbraucherkreditvertrages orientiert und erweist sich somit für den Kreditmarkt für gewerbliche Kredite höchstens bedingt geeignet, was teilweise auch in den Entscheidungen des BGH anklingt95. Eine zu starre, den Umständen des Einzelfalls keine Rechnung tragende Grenzziehung würde dabei sowohl mit den Interessen des Kreditnehmers wie auch des Kreditgebers kollidieren. Das heißt nicht, dass gewerbliche Kreditverträge als Austauschgeschäfte privatautonom agierender Wirtschaftssubjekte niemals mit dem Makel der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB behaftet sein können. Nur erscheint die pauschale Übernahme der starren Grenzen für den gewerblichen Bereich nicht zielführend96. Ein eigentlicher Marktzins für gewerbliche Kredite existiert nicht, wie etwa der Vergleich des Niveaus von Interbankenzinsen (z. B. LIBOR) mit dem riskanter Anlageformen, als Extremform seien Junk Bonds genannt, zeigt. Ein Marktzins lässt sich immer nur für gleiche Risikoklassen ermitteln97. Will man sich gewerblichen Krediten unter dem Aspekt der Sittenwidrigkeit nähern, erscheint es vor diesem Hintergrund angebracht, auf das Verhältnis von Risiko und Zinssatz abzustellen. Soweit Unternehmen von S&P, Moody‘s oder Fitch geratet sein sollten, kann man etwa auf diese Bonitätskennziffern zurückgreifen98. Horn weist darauf hin, dass ein solcher Ansatz durchaus mit der ständigen Rechtsprechung zum wucherähnlichen Geschäft versöhnt werden kann. Grundgedanke ist jeweils, „den vertraglich vereinbarten Zins mit einem Marktzins zu vergleichen, der nach objektiven Kriterien für vergleichbare Darlehensverträge ermittelt worden ist“99. Im Gegensatz zum 12 Prozentpunkte-Kriterium kann dabei 93

Vgl. Horn, BKR 2006, 1 (1 ff.). Vgl. Bigus, Ineffiziente Gläubigerbefriedigung, S. 5; auf die Problematik der Wuchergrenze weist bereits Roth, ZGR 1986, 371 (376) Fn. 18 hin. 95 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 8. 2. 1994 – XI ZR 77/93 = NJW 1994, 1275 f. (1275 f.), vgl. für einen Überblick über die Rechtsprechung Horn, BKR 2006, 1 (3 ff.). 96 So auch Horn, BKR 2006, 1 (4). 97 Kritisch schon Hopt, ZfB 54 (1984), 743 (747) bezüglich gröbster Raster. 98 Vgl. etwa Kanda, J. Legal Stud. 21 (1992), 431 (445 f.). 99 Horn, BKR 2006, 1 (4). 94

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auch die 100 %-Grenze als Faustregel dienen, nur eben bezogen auf den Referenzzins für unter Risikogesichtspunkten gleiche Darlehensverträge100. bb) Warenkreditgeber/Lieferanten Die zweite, vom relativen Umfang des Finanzierungsvolumens101 bedeutende Gläubigergruppe ist die der Warenkreditgeber. Nicht anders als Geschäftsbanken treffen auch sie im Zeitpunkt der Kreditvergabe eine Entscheidung unter Unsicherheit, in deren Rahmen sie sich das Risiko über den Zins vergüten lassen können102. Regelmäßig verfügen Warenkreditgeber jedoch nicht über die Ressourcen, um eine ähnlich genaue Risikoentscheidung vorzubereiten und durchzusetzen103. Ein Lieferant wird zwar oftmals wegen der im Vergleich mit einer Geschäftsbank höheren Kontaktfrequenz einen guten Einblick über die laufende Geschäftsentwicklung der Schuldnergesellschaft besitzen104, jedoch eher im Sinne einer allgemeinen Bewertung wie „gut“ oder „schlecht“. Eine genaue Risikokalkulation ist auf einer derart beschränkten Datenbasis nur ansatzweise möglich. Zugleich zeitigt die Kontaktfrequenz auch negative Folgen für die Anreize der Lieferanten, die der Kreditierung immanenten Risiken zu bestimmen und in den Vertragskonditionen zu berücksichtigen105. Mit zunehmender Kontaktfrequenz sinkt ceteris paribus das zu kreditierende Volumen der Einzeltransaktion. Der Grenznutzen einer Sicherung über den Zins wird somit schneller erreicht106. Auch das Ausweichen auf einen standardisierten Vertrag stellt keine zwingend effiziente Lösung dieses Problems dar. Zwar sinken durch Standardisierung die vertragsbezogenen Transaktionskosten, jedoch ist selbst bei gleich bleibenden Preisen und Mengen das Risiko von sich ständig ändernden Faktoren abhängig, die es zu erfassen und in rechnerische Größen in das Vertragswerk umzusetzen gilt107. Standardisierten Verträgen ist damit das Problem 100

Vgl. Horn, BKR 2006, 1 (4 f.). Franks/Sussman, Resolving Financial Distress by Way of a Contract, S. 16 ff. berichten, dass Finanzgläubiger und Warenkreditgeber zusammen 80 % der Fremdfinanzierung kleiner Gesellschaften stellen, in Einzelfällen kann der Anteil der Warenkreditgeber allein 75 % betragen. Vgl. auch Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (498). 102 Vgl. auch Böckmann, Gläubigerschutz bei GmbH und close corporation, S. 177. 103 Vgl. etwa Kandestin, Vand. L. Rev. 60 (2007), 1235 (1263); a.A. Oesterle, in: Ramsay, 29 (32 f.). 104 So auch Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (498), der auch auf den häufig vorhandenen Informationsaustausch innerhalb dieser Gläubigergruppe hinweist. 105 Vgl. Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (885 f.); Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (498). 106 Vgl. auch Böckmann, Gläubigerschutz bei GmbH und close corporation, S. 177; Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (498 ff.); Tung, Death of Corporate Contract, S. 22; Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (885). 107 Vgl. auch Freedman, MLR 63 (2000), 331 (339). 101

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der Qualitätsunsicherheit immanent. Die Vertragsbedingungen sind ohne Bezug zur wirtschaftlichen Lage der konkreten Schuldnergesellschaft formuliert und bilden gerade die spezifischen Risiken der Geschäftsbeziehung nicht ab108. Schließlich erweist sich eine Absicherung des Ausfallsrisikos über den Zins für Warenkreditgeber auch aus einem anderen Grunde als kritisch. Unternehmensgegenstand eines Kreditinstituts ist allein die entgeltliche Mittelüberlassung, potentieller Vertragspartner folglich jede um Fremdkapital nachsuchende Unternehmung. Einer Geschäftsbank steht damit die gesamte Breite des Marktes als Vertragspartner zur Verfügung, unabhängig von Branche, Unternehmensgröße etc. Im Gegensatz dazu halten Lieferanten ein wenig diversifiziertes Portfolio. Während die Zahl der belieferten Unternehmen durchaus groß sein kann, werden sie doch bis zu einem gewissen Grade einer bestimmten Branche entstammen. Diversifikation über eine Vielzahl von Branchen und Industriezweigen ist Warenkreditgebern regelmäßig nicht möglich109. Sie tragen damit das technologische Risiko dieses Industriezweiges vollständig. Der bei Banken wirksame Mechanismus, dass durch notleidende Kredite eingetretene Verluste durch Risikozinsen vollständig bedienter Kredite ausgeglichen werden, entfaltet weniger Wirksamkeit, weil die Unternehmensentwicklung der Schuldnergesellschaften eines Warenkreditgebers stärker positiv korreliert ist. Zuletzt wird angeführt, dass auch situationsbedingte Umstände die Warenkreditgeber daran hindern, auf eine Risikoeskomptierung zu verzichten, etwa eine schlechte Auftragslage in konjunkturell ungünstigen Zeiten110. Dieser Befund ist einerseits für sich genommen zutreffend, rechtfertigt andererseits aber nicht, die Haftungsbeschränkung unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit einer Gläubigergruppe einzuschränken. Entscheidet sich ein Warenkreditgeber oder sieht er sich wirtschaftlich gezwungen, auf eine Risikoprämie zu verzichten, weil auch seine wirtschaftliche Existenz bedroht ist, ist es seine freie Entscheidung, einen nicht risikoadäquaten Warenkredit zu vergeben. Die Umstände, die ihn dazu zwingen, stammen aus seiner Sphäre, sein wirtschaftlicher Misserfolg ist ursächlich bzw. eine branchenspezifische Konjunkturschwäche. Sein beschränkt haftender Vertragspartner ist für diese Risiken nicht verantwortlich. Nicht die beschränkt haftende Gesellschaft spekuliert in diesem Fall auf Kosten der Gläubiger, vielmehr spekuliert der Gläubiger, der hofft, mit dem Warenkredit einen Profit erzielen zu können. Beschränkt haftende Gesellschafter sind keine Gewährsträger für Nachlässigkeit marktschwacher Unternehmungen.

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Vgl. Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (885 f.). Vgl. Kandestin, Vand. L. Rev. 60 (2007), 1235 (1263). Vgl. auch Halpern/Trebilcock/ Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (142), die allerdings offenlassen, ob dieser Effekt durch die branchenspezifischen Kenntnisse aufgefangen wird. A.A. offensichtlich Oesterle, in: Ramsay, 19 (32), wonach Warenkreditgeber die Risiken des Kontrahierens mit einer Kapitalgesellschaft durch Diversifizierung auffangen können sollen. 110 Vgl. Roth, Gläubigerschutz im Wettbewerb der Rechtsordnungen, S. 8. 109

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Wenn auch dieses letzte Argument somit nicht für eine Einschränkung der Haftungsbeschränkung angeführt werden kann, bleibt gleichwohl festzuhalten, dass Warenkreditgebern die Möglichkeit, den Zins zur Kompensation von Ausfallrisiken zu verwenden, nur eingeschränkt zur Verfügung steht111. Aufgrund ihrer fehlenden Fähigkeit zur Diversifikation über verschiedene Branchen hinweg sind sie insbesondere keine überlegenen Risikoträger112. Maßnahmen des Rechts sind damit aus ihrer Sicht entscheidender als für Finanzgläubiger113. Die fehlende Fähigkeit von Warenkreditgebern, die spezifischen Risiken in den Einzelverträgen durch entsprechend angepasste Konditionen abzubilden, ist allerdings nicht zwingend damit verbunden, dass sie durch Gesellschaften mit beschränkter Haftung ausgebeutet würden i.d.S., dass Risiken unkompensiert auf sie überwälzt würden114. Vielmehr ist es gleichermaßen denkbar, dass der Rückgriff auf Standardvertragsbedingungen die Schuldnergesellschaft benachteiligt, weil ihr ein zu hoher Zinssatz aufoktroyiert wird. Welcher Effekt in der Praxis dominiert, lässt sich nicht losgelöst vom Einzelfall beurteilen, da die Antwort auf diese Frage abhängig ist vom Verhältnis zwischen tatsächlichem Risiko der Unternehmung und dem in den jeweiligen Standardverträgen zu Grunde gelegten. Gegen eine generelle Schutzbedürftigkeit der Warenkreditgeber spricht in diesem Zusammenhang allerdings der empirische Befund, dass Lieferantenkredite in der Praxis durchgängig ein besonders hohes Zinsniveau besitzen115. In Verbindung mit den ebenfalls üblichen standardisierten Sicherungsinstrumenten sowie der Möglichkeit, Vorauszahlungen oder enge Zahlungsziele zu vereinbaren, ist nicht ausgeschlossen, dass Warenkreditgeber durch zusätzliche rechtliche Schutzinstrumente einen windfall profit zugesprochen erhalten116. cc) Dienstleister Vergleichbaren Schwierigkeiten bei der Implementierung einer Vertragslösung wie die Warenkreditgeber sieht sich die Gruppe der Dienstleister ausgesetzt, wobei 111

Sehr weitgehend Klöhn, ZGR 2008, 110 (151), dem zu Folge Lieferanten aufgrund fehlender „Verhandlungsmacht“ keine Möglichkeit besitzen, ihren Anspruch vertraglich zu sichern. 112 Vgl. Freedman, MLR 63 (2000), 317 (330). A.A. wohl Telfer, Risk and Insolvent Trading, 127 (131), der die Möglichkeit, das Ausfallrisiko auf verschiedene Kunden zu diversifizieren, als ausreichend erachtet. Dabei wird allerdings ignoriert, dass die Adressenausfallrisiken hier regelmäßig positiv miteinander korreliert sein werden, so dass in der Sache ein Exposure gegenüber einem Klumpenrisiko besteht. 113 Vgl. Freedman, MLR 63 (2000), 317 (330); Posner, U. Chi. L. Rev. 43 (1976), 499 (505). 114 So ausdrücklich auch Bebchuk/Fried, Yale L. J.105 (1996), 857 (887). 115 Vgl. etwa R. H. Schmidt, ZfB 54 (1984), 717 (730); vgl. auch Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 76 f. (für den Sonderfall einer Aufspaltung in Besitzund Betriebsgesellschaft). 116 Gegen die Schutzbedürftigkeit von Warenkreditgebern etwa Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (663); zurückhaltend auch Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/ Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 118.

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ihre Position regelmäßig noch ungünstiger sein wird. Während Warenkreditgeber einerseits auf standardisierte Sicherungsinstrumente wie Eigentumsvorbehalte zurückgreifen können und andererseits wegen ihrer laufenden Geschäftsverbindung zur Schuldnergesellschaft einen groben Überblick über die Lage der Gesellschaft besitzen, ist die Vertragsbeziehung zwischen Dienstleister und beschränkt haftender Gesellschaft typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien sowohl nur ein einziges Mal bzw. sporadisch in rechtsgeschäftlichen Kontakt treten als auch dadurch, dass standardisierte Sicherungsmittel nicht in gleichem Umfang zur Verfügung stehen117. Hinzu kommt, dass das Transaktionsvolumen in der Regel geringer als bei Warenlieferungen ist, so dass die Kosten der Risikokalkulation aus Sicht des Dienstleisters sich nicht rechnen118. Kübler formuliert pointiert, dass es kein wünschenswerter Zustand sei, „dass der zur Abdichtung eines Rohrbruchs gerufene Klempner auf Vorlage des Jahresabschlusses besteht, bevor er zur Zange greift“119, während Lutter den Handwerker, der bei einem Auftrag nach der Bilanz fragt, gerne kennenlernen würde120. Rechtsregeln können damit grundsätzlich Effizienzsteigerungen im Verhältnis Dienstleister zu beschränkt haftender Kapitalgesellschaft generieren. Wenn unlängst demgegenüber darauf hingewiesen worden ist, dass auch von Dienstleistern erwartet werden könne, dass sie gewisse Plausibilitätserwägungen anstellten121, mag dies generell zutreffen, jedoch ist fraglich bis zu welchem Grade, wie bereits das von Kübler gewählte Beispiel darstellt. Nicht zu tragen vermag hingegen der Einwand, dass der Verzicht auf eine Bonitätsprüfung auf rationaler Geschäftspraxis beruhe122 und somit also nicht korrekturbedürftig sei. Zutreffend ist, dass ein einzelner Dienstleister rebus sic stantibus subjektiv rational handelt, wenn er die Durchführung einer Bonitätsprüfung unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten unterlässt. Hiervon zu trennen ist aber die rechtsökonomisch effiziente Lösung. Der Verzicht auf die Bonitätsprüfung resultiert aus den mit ihr verbundenen hohen Transaktions- bzw. Informationskosten. Benchmark für die Effizienz der realen Marktlösung ist jedoch die Coase-Welt ohne Transaktions- und Informationskosten. In Abwesenheit von Transaktionshindernissen würden Dienstleister selbstverständlich jede Information über die Schuldnergesellschaft erhalten wollen, damit der Vertrag tatsächlich die Präferenzen der Parteien widerspiegelt. Insofern ist der 117 Vgl. auch Mankowski, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (500); Klöhn, ZGR 2008, 110 (151); Kuntz, ZIP 2008, 814 (818). Pathologische Beispiele wie eine outgesourcte IT-Abteilung bleiben aus der Betrachtung ausgeklammert. 118 Vgl. Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (864); Heine/Röpke, RabelsZ 70 (2006), 137 (148); vgl. auch Fleischer, in: Eidenmüller/Schön, The Law and Economics of Creditor Protection, 27 (30 f.). 119 Kübler, ZHR 159 (1995), 550 (556); vgl. auch ders., FS Heinsius, 397 (408 f.); im Ergebnis auch Kleindiek, ZGR 2006, 335 (338). 120 Vgl. Lutter, AG 1998, 375 (376); aufgegriffen auch bei Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 23. 121 Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 43; eine Schutzbedürftigkeit verneinend auch Ehricke AcP 199 (1999), 257 (288). 122 Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 43.

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Vertragsabschluss unter Verzicht auf eine Bonitätsprüfung kein effizienter Zustand, weil er im hypothetischen Optimum nicht gewählt würde. Eine plausiblere Möglichkeit, die Schutzbedürftigkeit von Dienstleistern unter Effizienzgesichtspunkten zu verneinen, existiert mit Blick auf die in Rede stehenden Transaktionsvolumina, die gleichzeitig den maximal kreditierbaren Betrag darstellen. Der Geschäftsumfang ist regelmäßig derart klein, dass ein Bestehen auf augenblicklicher Zahlung durchaus möglich ist123. Verweigert der Auftraggeber in derartigen Fällen im Vorfeld des Vertragsschlusses die Vereinbarung sofortiger Zahlung, ist dies starkes Indiz für fehlende Bonität, an dem man den Dienstleister ex post festhalten kann124. Auch die gesetzliche Vorleistungspflicht stellt kein unüberwindliches Hindernis dar, weil sie in ihren Auswirkungen u. a. durch die Vereinbarung von Abschlagszahlungen gemildert werden kann125. dd) Endkunden/Endverbraucher Auch Endkunden bzw. Endverbraucher zählen zu den Gläubigern beschränkt haftender Kapitalgesellschaften. Kunde und Kapitalgesellschaft sind zwar regelmäßig nicht durch explizite Finanzierungskontrakte i.e.S., also Darlehensverträge, Vorleistungspflichten etc. miteinander verbunden. Jedoch besitzen Endverbraucher oftmals vertraglich eingeräumte Gewährleistungsansprüche und vertragliche Produkthaftungsansprüche, deren Realisierbarkeit von der Solvenz und damit dem wirtschaftlichen Schicksal der Gesellschaft abhängig ist126. Deutlicher wird die Gläubigerstellung der Kunden, wenn sich ein Gewährleistungsrecht in einem Schadensersatzanspruch kristallisiert127. In der Theorie ist es auch Kunden möglich, das Ausfallrisiko der Gesellschaft und die damit verbundene Entwertung der Gewährleistungsansprüche in die Vertragsgestaltung einfließen zu lassen in der Weise, dass ein entsprechend erhöhtes Ausfallrisiko eine Minderung des Kaufpreises bedingt128. Es erscheint jedoch praxisnah,

123 In diese Richtung Seibt, ZHR 171 (2007), 282 (294) auch Bachmann/Eidenmüller/ Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 119; Telfer, Risk and Insolvent Trading, 127 (131); andeutungsweise auch bei Fastrich, DStR 2006, 656 (662 f.) für den Fall einer verbesserten Informationslage. Ein nur geringes Ausbeutungsrisiko konstatiert auch Klöhn, ZGR 2008, 110 (154); vgl. auch Re Stanford Services Ltd. [1987] BCLC 607 (616). Zu letzterem Hawke, JBL 1989, 54 (55 ff.). 124 Ähnlich Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1189). 125 Unentschieden Spindler, JZ 2006, 839 (843). A.A. ausdrücklich Goette, Stellungnahme RegE MoMiG, S. 3. 126 Der Marktwert eines Gewährleistungsanspruchs ergibt sich als einfache Differenz der Gegenleistung eines Vertrages mit und der eines Vertrages ohne Gewährleistungsausschluss. 127 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 65 ff.; Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (494). 128 Die Befähigung hierzu nimmt etwa Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 43 f. an.

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hierbei prohibitiv hohe Informations- und Durchsetzungskosten anzunehmen129. Die Breite des Produktangebotes, der sich ein Konsument in der modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft gegenüber gestellt sieht, ist für sich unüberschaubar. Bereits die Würdigung der Güte der einzelnen angebotenen Produkte und Dienstleistungen ist kaum zu meistern. Um das insolvenzbedingte Ausfallrisiko, dem existierende und latente Ansprüche ausgesetzt sind, zu evaluieren, müsste der Kunde darüber hinaus die finanzwirtschaftliche und unternehmerische Entwicklung näherungsweise bestimmen und prognostizieren, was evident unmöglich ist. Alleine zwei Ausnahmen erscheinen denkbar. Erstens ist davon auszugehen, dass bei der Anschaffung besonders kostspieliger Güter wie einem Kfz eine intensivere Beschäftigung mit dem Kaufgegenstand und seinem Hersteller erfolgt. Zweitens kann Information auch durch Intermediäre generiert werden, auf die der Kunde zurückgreifen kann130. Dennoch verbleiben selbst in diesen Fällen unüberwindbare Hindernisse. Beispielhaft sei der Kauf eines Medikamentes genannt, bei dem regelmäßig die Gefahr schwerer Nebenwirkungen besteht, die wiederum mit immensen Folgekosten für den Käufer einhergehen können. Der Konsument muss in diesem Fall einerseits die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Nebenwirkung im Allgemeinen kalkulieren, sodann inwieweit er selbst mit höherer oder geringerer Wahrscheinlichkeit zu den Betroffenen zählen wird und schließlich inwieweit das anbietende Unternehmen in einem eintretenden Unglückfall nicht zur Begleichung berechtigter Ansprüche in der Lage sein wird. ee) Arbeitnehmer Die letzte Großgruppe der freiwilligen Gläubiger einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft bilden ihre Arbeitnehmer131. Auch an ihrer Fähigkeit, insolvenzbedingte Risiken in ihren Arbeitsverträgen einzupreisen, bestehen Zweifel132. Zwar gilt für Arbeitnehmer in gesteigertem Maße, dass sie sich gegen das Risiko eines Forderungsausfalls in der Insolvenz werden absichern wollen, da sie ihr Risiko

129 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 65 f.; ähnlich wohl Fleischer, in: Eidenmüller/Schön, The Law and Economics of Creditor Protection, 27 (30) und Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (494). 130 Zur Bedeutung der Intermediäre vgl. etwa Rehberg, Das staatliche Informationsmodell, S. 22. 131 Arbeitnehmer sind Gläubiger insofern, als sie der Gesellschaft auf Zeit ihr Humankapital leihen vgl. Halpern/Trebilcock/Turnbull, Uni. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (131). Ausgeklammert bleiben die leitenden Angestellten, die sich einerseits in einer völlig anderen Lage befinden und auch bedingt durch den Untersuchungsgegenstand, der sich gerade der Gefährdung von Gläubigerpositionen durch die Geschäftsleitung widmet. Vgl. hierzu Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 42 f. 132 Vgl. etwa Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 63 ff.; Roth, ZGR 1986, 376 (377); Miola, ECFR 2008, 413 (472).

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regelmäßig nicht diversifizieren können, ihr persönliches Schicksal also stark verknüpft ist mit dem der sie anstellenden Unternehmung133. Andererseits wirkt auch hier das Marginalprinzip. Arbeitnehmer beschaffen sich nur solange Informationen über die aktuelle und zu erwartende künftige Solvenz potentieller Arbeitgeber, wie der erwartete Grenzertrag der zusätzlichen Information die Grenzkosten der Informationssuche nicht übersteigt134. Entscheidend ist also, ob die Beschaffung und Verarbeitung der entsprechenden Daten für Arbeitnehmer mit prohibitiv hohen Kosten verbunden ist. Für die Befähigung der Belegschaft zur korrekten Risikoanalyse spricht, dass sie einerseits aufgrund ihrer Nähe zur Unternehmung Zugang zu einer breiteren Informationsbasis als große Teile außen stehender Gläubiger besitzt135 und anderseits auf die Informations- und Einflussrechte der arbeitsrechtlichen Kollektivorgane zurückgreifen kann136. Demgegenüber existieren jedoch auch Faktoren, die Zweifel an der Fähigkeit einzelner Arbeitnehmer zur Eskomptierung allgemeiner und spezifisch kapitalgesellschaftlicher Insolvenzrisiken begründen. Arbeitnehmer verfügen zunächst regelmäßig nicht über die hierfür erforderlichen Ressourcen. Da ein Arbeitnehmer – anders als selbst ein kleines Dienstleistungsunternehmen – nicht einmal über ein simples Rechnungswesen verfügt, kann er die Evaluierung dieses Risikos nicht meistern. Arbeitnehmer befinden sich im Moment, in dem sie ihren Arbeitsvertrag abschließen, in der klassischen Akerlof-Situation asymmetrischer Information. Ihnen ist bewusst und bekannt, dass eine bestimmte Zahl von Unternehmen mit beschränkter Haftung zur Vergütung der erbrachten Leistung nicht in der Lage sein wird und auch, dass durch eine unwirtschaftliche Fortführung die Werthaltigkeit ihrer Forderungen zusätzlich beeinträchtigt wird. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist es aber faktisch unmöglich, herauszufiltern, welcher potentielle Arbeitgeber zu diesen gehört, sofern es sich nicht um Blue Chips handelt, die allgemeine Marktreputation besitzen137. Ein gewisser Ausgleich dieser bei Vertragsbeginn bestehenden Qualitätsunsicherheit ergibt sich aus dem mittel- bzw. langfristigen Charakter eines Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmer können im Zeitablauf Informationen über die Gesellschaft sammeln und die Werthaltigkeit der ihnen arbeitsvertraglich eingeräumten Ansprüche besser abschätzen. Fraglich bleibt aber, ob erstens eine näherungsweise Prognose des finanzwirtschaftlichen Risikos der Gesellschaft möglich ist und zweitens inwieweit 133

Vgl. Kübler, FS Heinsius, 397 (408); Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (143); Noakes, in: Ramsay, 129 (129 ff.); vgl. auch Telfer, Risk and Insolvent Trading, 127 (131 f.). 134 Vgl. Stigler, J. Pol. Econ. 70 (1962), Supplement, 94 (96) zur allgemeinen Frage des Lohnes; handelt der Arbeitnehmer rational und maximiert den Gegenwartswert seines Lohneinkommens, stellt sich der Lohn dar als der aus seiner gesamten aktuellen und zukünftigen Beschäftigung resultierende Zahlungsstrom, in dessen Erwartungswert auch das Risiko von Zahlungen zu bestimmten Zeitpunkten fällt. 135 Vgl. Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (143). 136 So Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 42 f. 137 A.A. offensichtlich Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1189 f.).

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hieraus rechtstatsächlich Nachverhandlungen entstehen. Wird eine nach allgemeinen Kriterien bestimmte Tätigkeit ausgeübt, wird es sich um weitgehend standardisierte Arbeitsverträge handeln, so dass der Rahmen für Vertragsanpassungen beschränkt ist. Gleichzeitig erschwert der mittel- und langfristige Charakter von Arbeitsverträgen auch die Eskomptierung später bekannt werdender Risiken in bestehende Verträge. Langfristige Verträge sind gekennzeichnet durch eine hohe Zahl unsicherer Variablen138. Der Arbeitnehmer befindet sich damit in einer ausbeutungsoffenen Position. Die Existenz kollektivrechtlicher Entscheidungsträger, auf deren Unterstützung Arbeitnehmer zurückgreifen können, hilft dem Eskomptierungsproblem nicht grundsätzlich ab. Gewerkschaften als maßgebliche Akteure der überindividuellen Ebene sind prinzipiell bestrebt, branchenbezogene Flächenarrangements durchzusetzen. Das spezifische Insolvenzrisiko der einzelnen Unternehmung findet in diesen Vertragswerken keine Berücksichtigung. Gerade auf einem relevanten Markt bzw. Segment konkurrieren jedoch die Unternehmen einer Branche mit dem Ziel, den Opponenten vom Markt zu verdrängen. Einheitliche Vertragsbedingungen für alle Arbeitnehmer ignorieren damit gerade die wettbewerbsbedingten Bestandteile der Insolvenzwahrscheinlichkeit und stellen deshalb keine Grundlage risikoadäquater Einzelarbeitsverträge dar. Gleichzeitig existieren strukturelle endogene und exogene Nachteile der Arbeitnehmerseite im Vergleich zu anderen Gläubigergruppen. Endogener, d. h. aus der Vertragsbeziehung entstammender Faktor, der Anpassungsreaktionen erschwert, ist die Existenz transaktionsspezifischer Investitionen139. Sobald aufgrund von betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen etc. keine 100 %-ige interbetriebliche Fungibilität der Arbeitsleistung gegeben ist, muss ein Arbeitnehmer in Rechnung stellen, dass er bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes den durch die spezifische Investition generierten Mehrwert seines Lebenseinkommens zu verlieren droht. Den Vorteilen eines an sich günstigen Arbeitsplatzwechsels (Senkung der insolvenzbedingten Ausfallgefahr) muss er den Verlust des Barwerts der spezifischen Investition gegenüberstellen. Bis zu einem gewissen Grade ist ein Arbeitnehmer aus Rationalitätserwägungen an seinen bisherigen Arbeitsplatz gebunden, selbst wenn er festzustellen in der Lage ist, dass die Geschäftsleitung seine Position ausbeutet (locked into-Effekt)140. Der Einwand, dass die Kosten der spezifischen Investition regelmäßig der Unternehmer trage141, ignoriert, dass nicht die ursprüngliche Kostenlast maß138

Vgl. Williamson, Journal of Law and Economics 22 (1979), 233 (237). Vgl. hierzu etwa Bainbridge, Much Ado about Little? Directors’ Fiduciary Duties in the Vicinity of Insolvency, Journal of Business & Technology Law 2007, S. 30; Ribstein, The Structure of the Fiduciary Relationship, S. 26. 140 Vgl. Freedman, MLR 63 (2000), 317 (348); Hansmann/Kraakman, The End of History of Corporate Law, S. 5; Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 246 ff.; zur Transaktionskostenspezifität von Arbeitsverhältnissen allgemein Williamson, Journal of Law and Economics 22 (1979), 233 (240 f.); Bull, Quarterly Journal of Economics 102 (1987), 147 (147 ff.). 141 So Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 43 Rn. 44. 139

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geblich ist, sondern ob in der konkreten Entscheidungssituation der Arbeitnehmer eine übermäßige Bindung an das Unternehmen besitzt, weil er den Verlust eines mittlerweile ihm zugeordneten Vermögenswertes riskiert. Steigt das Insolvenzrisiko in einem weit nach Abschluss des die Konditionen festlegenden ursprünglichen Arbeitsvertrages liegenden Zeitpunkt, muss der Beschäftigte unabhängig von der ursprünglichen Kostentragung den Mehrwert der arbeitsplatzspezifischen Investition für den Kündigungsfall aufgeben. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob spezifische Humankapitalinvestitionen eine entscheidungserhebliche Dimension erreichen142. Hinzu treten exogene Faktoren, die eine näherungsweise Risikoentscheidung erschweren bzw. aus Sicht des Akteurs irrational werden lassen. Gestaltet sich die Lage des Arbeitsmarktes in Folge struktureller, konjunktureller und friktioneller Arbeitslosigkeit schwierig, rückt die Bonität des Schuldner-Arbeitgebers bei der Entscheidung des Arbeitnehmers in den Hintergrund, da die Suche nach einem besseren Arbeitsplatz ihrerseits mit hohen Kosten verbunden sein wird143. Unter diesen Voraussetzungen befindet sich ein Arbeitnehmer in einem Dilemma, wenn die Geschäftsleitung sich opportunistisch verhält und damit seine Lohnforderungen partiell entwertet. Er kann einerseits versuchen, durch Einfordern einer Risikoprämie die ursprüngliche vertragliche Risikoverteilung wiederherzustellen. Verbunden hiermit sind aber die Gesellschaft treffende höhere Lohnkosten, die ceteris paribus die Insolvenzwahrscheinlichkeit wachsen lassen. Kündigt er, verliert er hingegen den Wert der spezifischen Investition und ist den krisenbedingten erhöhten Opportunitätskosten einer langwierigen Suche nach einer Alternativbeschäftigung ausgesetzt. Schließlich wird für einen auch unter Effizienzgesichtspunkten erhöhten gesetzlichen Schutzbedarf darauf verwiesen, dass bestehende Tarifverträge einer risikoadäquaten Entscheidung entgegenstehen könnten144. Diese Beobachtung ist aber nicht zwingend. Aufgrund der Geltung des tarifvertraglichen Günstigkeitsprinzips (§ 4 Abs. 3 TVG) ist es dem einzelnen Arbeitnehmer möglich, durch Individualvertrag von einem Tariflohn, der das unternehmens- und rechtsformspezifische Insolvenzausfallrisiko nur unzureichend abbildet, abzuweichen145. Auch dann, wenn der Tariflohn entgegen der ihm zugedachten Funktion einer Mindestbedingung für verschiedene branchengebundene Unternehmen zu hoch liegt, droht keine Risikoverlagerung zu Lasten der Arbeitnehmer. Betroffener ist hier der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer muss unter Effizienzgesichtspunkten als „übersichert“ gelten. Allein faktisch kann ein Tariflohn entgegenstehen, nämlich dann, wenn die Tatsache seiner bloßen Existenz es dem Arbeitnehmer unmöglich machen sollte, in den Vertrags142 Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 43 geht davon aus, dass diese sehr gering sind. 143 Vgl. Roth, Gläubigerschutz im Wettbewerb der Rechtsordnungen, S. 8. 144 Kübler, FS Heinsius, 397 (408); vgl. auch Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 42. 145 Was der Tariflohn generell nicht kann, da er die tarifgebundenen Wirtschaftsbereiche und nicht das Einzelunternehmen als Regelungsgegenstand hat.

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verhandlungen mit dem Arbeitgeber bessere Konditionen als die tarifvertraglich festgesetzten durchzusetzen. Diesen Schwierigkeiten der Arbeitnehmerseite, einen risikoadäquaten Lohn zu bestimmen und zu vereinbaren, stehen Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses gegenüber, die die Notwendigkeit gesetzlichen Korrekturbedarfs als weniger dringlich erscheinen lassen. Das Ausmaß der Kreditierungsleistung der Arbeitnehmer an eine Gesellschaft ist durch den Umfang ihrer Vorleistungspflicht begrenzt146. Anderes muss allein dann gelten, wenn es dem Arbeitnehmer aufgrund der oben benannten Friktionen nicht möglich ist, nach einem Austritt aus der Gesellschaft für die Dauer der Vertragslaufzeit eine vergleichbare Beschäftigung zu finden oder aber, wenn sich die Gesellschaft durch Pensionszusagen intern fremdfinanziert. Schließlich trägt auch das Insolvenzrecht den Interessen der Arbeitnehmer in nicht unerheblichem Ausmaß Rechnung. Nach § 183 SGB III ist die Bundesagentur für Arbeit verpflichtet, Insolvenzgeld an die Arbeitnehmer einer insolventen Gesellschaft zu zahlen147. Die negativen Effekte einer Insolvenz werden für Arbeitnehmer also teilweise durch gesetzliche Sonderregelungen bereits aufgefangen148. ff) Zwangsgläubiger Trotz aller Unterschiede im Detail eint die Gruppe der freiwilligen Gläubiger das Bestehen der zumindest abstrakten Möglichkeit, sich Risiken ex ante über den Zins vergüten zu lassen oder aber auf die Begründung einer Kreditbeziehung mit einer beschränkt haftenden Gesellschaft zur Gänze zu verzichten für den Fall, dass die von der Schuldnerin angebotene Komposition von Risiko und Rendite mit Blick auf die individuelle Präferenzstruktur nicht lukrativ erscheint. Hiervon völlig verschieden ist die Situation der unfreiwilligen bzw. Zwangsgläubiger, also der Personen, die z. B. durch einen durch das Unternehmen verursachten Unfall geschädigt worden sind und in Folge dessen dahin lautende Ansprüche geltend machen149. Im Vorfeld der anspruchsbegründenden Handlung erfolgt keine Markttransaktion zwischen der beschränkt haftenden Gesellschaft und dem (späteren) Zwangsgläubiger, in welcher die Gesellschaft diesem das Recht abkaufen würde, ihn schädigen zu dürfen. Die These kalkulierter Risikoübernahme kann somit nicht greifen150. Bekannte Beispiele be146 In gleiche Richtung auch Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 42 f. 147 Vgl. Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 100 ff. 148 Für eine insolvenzrechliche Erfassung der Sonderstellung der Arbeitnehmer etwa Telfer, Risk and Insolvent Trading, 127 (131 f.). 149 Vgl. Kübler, FS Heinsius, 397 (407); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 665. 150 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 57 f.; Alexander, Harv. L. Rev. 106 (1992), 387 (390 f.); Banerjea, ZIP 1999, 1153 (1156); Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (882 f.); Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 157 f. u. 185 f.; Campbell/Frost, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed

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sonderer Relevanz sind etwa Produkthaftung und Verkehrsunfälle151. Es liegt eine wirkliche Risikoexternalisierung vor, die unter Effizienzgesichtspunkten sozial suboptimale Entscheidungen generiert152. Hinzu tritt, dass unfreiwillige Gläubiger regelmäßig nicht in der Lage sind, ihr Risiko zu diversifizieren153. Anders als bei Arbeitnehmern wird die mit Blick auf insolvenzbedingte Forderungsausfälle schwache Position der Deliktsgläubiger auch nicht im Rahmen der Insolvenzordnung aufgewertet. Das „deutsche Insolvenzrecht [steht] seit eh und je auf dem Standpunkt, der Deliktsgläubiger verdiene im Insolvenzverfahren keinerlei Vorrecht“154. Allein reflexartig zugute gekommen ist den Deliktsgläubigern die weitgehende Abschaffung der Vorrechte von Staat und Arbeitnehmern155. Einzige Ausnahme von diesem Grundsatz bildet die Behandlung der Forderungen von Deliktsgläubigern im Verfahren der Restschuldbefreiung, die ex definitione nicht geeignet ist, im besonders sensiblen Bereich des Kapitalgesellschaftsrechts für Ausgleich zu sorgen156. Schutz vor einer Risikoexternalisierung vermag damit allein das Eigeninteresse der Gesellschaft und ihrer Geschäftsleitungsorgane zu vermitteln. Um nicht durch Corporations, S. 34; Fleischer, DStR 2000, 1015 (1020); Freedman, MLR 63 (2000), 317 (330, 339 f.); Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 36 f.; Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (145); Keay, Wrongful Trading and the Liability of Company Directors, S. 9; Kleindiek, ZGR 2006, 335 (338); Kuhner, ZGR 2005, 753 (761); Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1584 f.); Lieder, DZWiR 2005, 399 (402); Lutter, AG 1998, 375 (376); Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (490); Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (259); Micheler, ZGR 2004, 324 (331); Mülbert, A synthetic view of different concepts of creditor protection, S. 19; Schön, ZGR 2000, 706 (727); Stone, Yale L. J. 90 (1980), 1 (67 ff.); Whincop, in: Ramsay, 42 (46 f.). Gleiches gilt auch für die Steuer erhebende öffentliche Hand, kann hier aber nicht weiter verfolgt werden, vgl. Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (884); Landers, U. Chi. L. Rev. 43 (1976), 527 (529); Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (491); aus der Rechtsprechung etwa Re Stanford Services Ltd. [1987] BCLC, 607 (616 f.). Allerdings ist der Staat, anders als der idealtypische Deliktsgläubiger, in der Lage durch Gestaltung der Gesetzeslage eine Externalisierung zu seinen Lasten zu verhindern, vgl. etwa Fleischer, in: Eidenmüller/Schön, The Law and Economics of Creditor Protection, 27 (30) (Hinweis auf § 69 AO); Spindler, JZ 2006, 838 (841); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 21; vgl. differenzierend Bachmann/ Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 119. Gegen die generelle Schutzbedürftigkeit gesetzlicher Gläubiger etwa Ehricke, AcP 199 (1999), 257 (286), auch Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (663 f.), der allerdings gerade für opportunistisches Verhalten eine Ausnahme gelten lassen will. 151 Vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 665. 152 Vgl. Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1584 f.). 153 Vgl. Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1602). 154 Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1045 f.). 155 Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1045 f.); in den USA gilt Vergleichbares, auch dort konkurrieren Deliktsgläubiger mit den ungesicherten Gläubigern, vgl. Hansmann/Kraakman, Yale L. J. (1991), 1879 (1884); 11 U.S.C. § 507 (1986). 156 Vgl. Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1046 f.).

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den Eintritt eines im Deliktsbereich oftmals exorbitant hohen Haftungsfalles die Zukunft einer eigentlich prosperierenden Gesellschaft aufs Spiel zu setzen, haben die Entscheidungsträger der Gesellschaft einen starken Anreiz, sich gegen Risiken aus Produkthaftung zu versichern157. Aufgrund der Vielzahl von Haftungstatbeständen, die ihrerseits nur einen Teil der realen Schädigungsmöglichkeiten abbilden, ist eine vollständige versicherungsrechtliche Absicherung der Deliktsgläubiger jedoch nicht gegeben. In der Krise tritt hinzu, dass gerade hier der Anreiz zur Versicherung weitgehend entfällt. Nach Eintritt der krisenbedingten Revision des Anreizsystems gefährdet der Verzicht auf Versicherung nicht mehr realistischer Weise zu erwartende zukünftige Einzahlungsüberschüsse. Der Anreiz zur Versicherung wird nicht nur abgeschwächt, sondern es wird gleichzeitig ein Anreiz zum Verzicht auf Versicherung gesetzt. Die vage Expektanz auf positive Einzahlungsüberschüsse wird dominierender Handlungsimpetus, weil durch das Instrument der beschränkten Haftung keine negativen Vermögenswirkungen hiermit verbunden sind. d) Rechtsökonomische Ineffizienz der Verhandlungslösung Selbst wenn man als Arbeitshypothese unterstellt, dass die Gesamtheit der Vertrags- und auch Deliktsgläubiger in der Lage ist, sich das mit der Haftungsbeschränkung einhergehende höhere Ausfallrisiko über den Zins vergüten zu lassen, handelt es sich nicht zwingend um einen gesamtwirtschaftlich effizienten Zustand158. Wie unter § 4 dargestellt, führt die Revision des Anreizsystems in der Krise der Kapitalgesellschaft dazu, dass auch und gerade Investitionsprojekte und unternehmerische Handlungsalternativen mit einem negativen Gegenwartswert realisiert werden. Ein, wenn nicht das Hauptziel der Zulassung der Haftungsbeschränkung als Standardvertrag ist zwar, die Risikobereitschaft potentieller Unternehmer und passiver Eigenkapitalgeber zu steigern, um den Erwartungswert des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Nicht gewollt ist hingegen, dass unternehmerische Entscheidungen getroffen werden, die bereits ex ante einen negativen Nettogegenwartswert besitzen. Derartige Projekte generieren nur unter der hinreichend praxisfernen Annahme einer im entscheidungstheoretischen Sinne risikofreudigen Gesellschaft einen Nutzen. Auch das Reüssieren eines spekulativen Projektes im Einzelfall rechtfertigt kein hiervon abweichendes Urteil, da auch für Investitionen mit negativem Gegenwartswert das Gesetz der großen Zahl wirkt mit der Folge, dass sich dieser negative Nettogegenwartswert im volkswirtschaftlichen Aggregat durchsetzt. Preisen die Gläubiger diese Ausfallrisiken ein, kommt es zwar nicht zu einer Externalisierung von Risiken159, da das mit der Möglichkeit opportunistischen 157 Vgl. auch Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 186 f. 158 Ähnlich jüngst Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 122. 159 Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 19. Von einer dahingehenden Fähigkeit der Gläubiger ausgehend etwa Kanda, J. Legal Stud. 21 (1992), 431 (446).

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Verhaltens einhergehende zusätzliche Risiko im Ergebnis die Gesellschafter in Form höherer Zinsen zu tragen haben160. Jedoch ist auch dieser nur bei symmetrischer Informationsverteilung denkbare Zustand nicht effizient161. Die Eskomptierung opportunistischen Verhaltens der Schuldnergesellschaft stellt in Rechnung, dass es zur Durchführung spekulativer Strategien kommt und sichert die Gläubiger gegen die negativen Folgen derselben. Sie verhindert die Spekulation nicht, sondern realloziert allein das Risiko. Wenn die Gesellschaft aber im Vertrag einen Preis für die Existenz von Möglichkeiten zur Ausbeutung von Gläubigerpositionen zu zahlen hat, wird sie diese auch in der Krise wahrnehmen. Es kommt also im Ergebnis doch zur Realisierung der spekulativen Investitionsprojekte, deren negative Nettogegenwartswerte die Aggregatsleistung der Volkswirtschaft belasten. Es bleibt jedoch nicht bei diesem Effekt. Müssen die Kreditgeber davon ausgehen, dass jeder Kreditnehmer den Fehlanreizen im Falle einer Krise ausgesetzt ist und ihnen „erliegt“, wird die damit verbundene Entwertung der Forderung in jedem Finanzierungskontrakt berücksichtigt. Der Fremdkapitalzins über alle Risikoklassen steigt als Konsequenz. Betriebs- wie volkswirtschaftlich einher geht eine ineffiziente Investitionsentscheidung, denn die zusätzliche Risikokomponente führt dazu, dass Projekte erst ab einem höheren Zinssatz realisiert werden, sich also der Break-evenZinssatz verschiebt162. Eine Rechtsregel, die diese mit der Haftungsbeschränkung verbundenen Fehlanreize bei gleichzeitiger Bewahrung ihrer positiven Effekte ausgleichen würde, wäre also in der Lage, eine Effizienzsteigerung herbeizuführen. Die Beseitigung dieser aus den fehlerhaften Anreizen herrührenden Ineffizienz liegt im gemeinsamen Interesse von Schuldnergesellschaft und ihren Gläubigern163. e) Zwischenergebnis Beiden Vertragsparteien ex ante bekannte Risiken können grundsätzlich in die Konditionen eines Finanzierungskontraktes eingepreist werden. Das gilt sowohl für die allgemeinen Risiken unternehmerischer Betätigung (technologisches Risiko) als auch für das speziell aus der gesetzlichen Haftungsbeschränkung folgende erhöhte Ausfallrisiko (rechtsformspezifisches Risiko). Geht ein Gläubiger in Kenntnis dieser Risiken eine Vertragsbeziehung mit der Schuldnergesellschaft ein, kann von einem 160

Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 178 f.; vgl. auch Goddard, in: Ramsay, 169 (172); R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 77 f.; Whincop, in: Ramsay, 42 (47). 161 Insoweit a.A. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 19: „Wäre die Zukunft eines Schuldners vollständig transparent, so erübrigten sich – in der Theorie – gesetzliche Maßnahmen zum Gläubigerschutz jedenfall im Hinblick auf solche Gläubiger, die sich vertraglich absichern können“. 162 Vgl. auch Whincop, in: Ramsay, 42 (47). 163 Vgl. hierzu auch R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 61 ff. A.A. insoweit Kanda, J. Legal Stud. 21 (1992), 431 (447), der annimmt, die Kosten der Eindämmung der Fehlanreize würden deren gesamtwirtschaftlichen Nutzen übersteigen.

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wirtschaftlichen Schaden nicht gesprochen werden, solange sich ein erwartetes Risiko realisiert („ you made your bed, now you have to lie in it“)164. Andererseits erschweren Phänomene der Realität das reibungslose Funktionieren des Zinsmechanismus. Regelmäßig fehlen hinreichende Informationen für eine adäquate Risikoevaluierung oder aber die Aufbereitung der Daten erweist sich als unverhältnismäßig aufwändig. Insbesondere für kleine und mittlere Gläubiger sollte die Einhaltung des Prinzips des caveat creditor regelmäßig mit prohibitiv hohen Kosten verbunden sein165. Verträge sind demzufolge unvollständig166. Diese Informationsdefizite werden teilweise durch die insbesondere durch die EU-Kommission (Generaldirektion Binnenmarkt) und den EuGH als Instrument des Gläubigerschutzes vorangetriebene Ausweitung der gesetzlichen Publizitätspflichten gemildert167. Gestärkt werden kann die Unternehmenspublizität durch den Gesetzgeber zunächst durch eine Ausweitung der publizitätspflichtigen Tatsachen, Verbesserung der Informationsfunktion der zu veröffentlichenden Daten168 und einen vereinfachten Zugang zu den entsprechenden Informationen (Unternehmensregister)169. Hinzu tritt ein verbessertes Enforcement, etwa dadurch, dass Gesellschaften 164

Vgl. Bainbridge, Fiduciary Duties to Creditors, S. 15; vgl. auch Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1173), aus der Rechtsprechung insbesondere Leo Strine in North American Catholic Educational Programming Foundation Inc. v. Gheewalla, Del., 930 A. 2d 92 (2007) 99: „It is well established that the directors owe their fiduciary obligations to the corporation and its shareholders. While shareholders rely on directors acting as fiduciaries to protect their interests, creditors are afforded protection through contractual agreements, fraud and fraudulent conveyance law, implied covenants of good faith and fair dealing, general commercial law and other sources of creditor rights. Delaware courts have traditionally been reluctant to expand existing fiduciary duties. Accordingly, ,the general rule is that directors do not owe creditors duties beyond the relevant contractual terms‘“. A.A. Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 295, der in der Haftungsbeschänkung ein legitimationsbedürtiges „,Recht‘ zur Gläubigergefährdung und damit konsequent sogar zur Gläubigerschädigung sieht“. 165 Vgl. auch Goette, ZGR 2006, 261 (276 f.); Ramsay, in: Ramsay, S. 10. 166 Vgl. Bainbridge, Fiduciary Duties to Creditors in the Vicinity of Insolvency, S. 3. 167 Vgl. Schall, ZIP 2005, 965 (965); Schnorr, ZHR 170 (2006), 9 (15); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 15. Zur Publizitätsorientierung der EU vgl. etwa Schnorr, ZHR 170 (2006), 9 (26ff); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (671): „der EuGH für den Gläubigerschutz zentral auf Publizität setzt“. Zur Bedeutung der Rechnungslegung bei asymmetrischer Information Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 453 ff. 168 So etwa die Idee des BilMoG. Vgl. Pellens/Kemper, ZGR 2008, 381 (382). Vgl. zum BilMoG ebda. S. 399 ff. sowie Hommelhoff, ZGR 2008, 250 (250 ff.); Burwitz, NZG 2008, 694 (694 ff.); vgl. auch KMPG (Hrsg.): Modernisierung der HGB-Bilanzierung, Beilage zu DB 2008/Heft 1, mit Beiträgen von Erchinger/Wendholtz, Stibi/Fuchs, Kühne/Keller, Laubach/ Kraus, Beyhs/Melcher, Klaus/Pelz, Wiechens/Helke, Hasenburg/Hausen, Drinhausen/Dehmel, Schurbohm-Ebneth/Zoeger, Dörfler/Adrian, Wendholt/Wesermann, Melcher/Mattheus und Erchinger/Melcher; zur Endfassung Meyer, DStR 2009, 762 (762 ff.); Zwirner, NZG 2009, 530 (530 ff.); Scheffler, AG 2009, R214 f.; Einbettung in die Bilanzrechtsgeschichte seit dem AktG 1965 bei Küting, DStR 2009, 288 (288 ff.). 169 Vgl. allgemein Drukarczyk, ZGR 1979, 552 (557 f.).

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angehalten werden, ihren Publizitätspflichten überhaupt nachzukommen, bzw. durch Erhöhung der Verlässlichkeit der publizierten Tatsachen170. Einen ersten Schritt in diese Richtung stellen EHUG171 und TUG172 dar; denkbar erscheint darüber hinaus, den gesetzlichen Buchführungspflichten (§ 283 StGB; § 41 GmbHG, § 91 Abs. 1 AktG) den Charakter von Schutzgesetzen i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zuzusprechen173. Durch eine verbesserte Informationslage wird zunächst das allgemeine Risiko asymmetrischer Information in Gestalt von Qualitätsunsicherheit gemindert. In den Worten der Vertragstheorie werden die Vereinbarungen zwischen Schuldner und Gläubiger vollständiger. Darüber hinaus vermögen ereignisbezogene Publizitätspflichten Moral Hazard und Hold Up zu begrenzen bzw. die Gläubiger auf die Gefahr hinzuweisen, dass eine Revision des Anreizsystems der Geschäftsleitung ihre Position ausbeutungsoffen macht. Ereignisorientierte Offenlegungspflichten wie die allerdings nur für kapitalmarktorientierte Gesellschaften geltende Ad-Hoc-Publizität nach § 15 WpHG greifen auch bei krisenbezogenen Ereignissen wie größeren Verlusten und Aufwendungen, der Kündigung von Kreditlinien, dem hälftigen Verlust des Grund- bzw. Stammkapitals sowie bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung174. Aktuellen und künftigen Gläubigern wird signalisiert, dass die krisenbedingte Revision des Anreizsystems eingetreten ist oder doch unmittelbar bevorsteht. Andererseits gilt auch, dass eine unreflektierte Ausweitung des Publizitätsregimes nicht zwingend zu einem verbesserten und effizienteren Gläubigerselbstschutz führt. Gesamtwirtschaftlich gilt es in einem ersten Schritt die teilweise beachtlichen Kosten der Erfüllung der Publizitätspflichten für die betroffenen Un-

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Vgl. hierzu Müßig, NZG 2004, 796 (796 ff.). Zum EHUG Spindler, WM 2006, 109 (109 ff.); Schlotter, BB 2007, 1 (1 ff.); Kleinert/ Kleinert, GmbHR 2007, R49 f. 172 Vgl. allgemein Noack, AG 2003, 537 (537 ff.); Weber, NJW 2006, 3685 (3687). Zum TUG d’Arcy/Meyer, DK 2005, 151 (151 ff.); Bosse, DB 2007, 39 (39 ff.); Fleischer, ZIP 2007, 97 (97 ff.); Heldt/Ziemann, NZG 2005, 652 (652ff). Nießen, NZG 2007, 41 (41 ff.); Rodewald/ Unger, BB 2006, 1917 (1917 ff.). 173 Dafür etwa Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1568 (1571); Haas, GmbHR 2006, 729 (730 f.); Merkt, Unternehmenspublizität, S. 249 ff., 481; Schnorr, ZHR 170 (2006), 9 (9 ff.). Grundsätzlich befürwortend, jedoch nicht als allgemeine Fahrlässigkeitshaftung Fleischer, WM 2006, 2021 (2021 ff.); ders., ZIP 2007, 97 (103); ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 26 ff., de lege ferenda Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 152 f. Dagegen die noch als herrschend zu bezeichnende Meinung: vgl. Godin/Wilhelmi, AktG, § 91 Anm 3; Grigoleit/Tomasic, in. Grigoleit, AktG, § 91 Rn. 1 u. Rn. 4; Hüffer, AktG, § 91 Abs. 3; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 91 Rn. 1; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung des Unternehmens, § 91 AktG, Rn. 17; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rn. 20; Ehricke, AcP 199 (1999), 257 (294). 174 Vgl. Hirte, ZInsO 2006, 1289 (1292); Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 92 Rn. 6. Zur Frage der Ad-Hoc-Publizität von Covenants vgl. Schackmann/ Behling, FB 2004, 789 (793 ff.). 171

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ternehmen in Rechnung zu stellen175. Finanzielle Ressourcen werden gebunden und stehen somit nicht für die Realisierung von Investitionsprojekten zur Verfügung. Unbeachtlich wären diese Kosten nur dann, wenn sie generell durch die Vorteile der Offenlegung ausgeglichen würden. Hier gilt, dass jedes Unternehmen nicht nur Betroffener der Publizitätspflichten, sondern auch Profiteur derselben ist, insoweit als ihm der Zugriff auf die Daten seiner Schuldnerunternehmen gewährt wird. Der Nettoeffekt ist jedoch unklar. Und selbst unter Zugrundelegung der isolierten Gläubigersicht ist eine stetige Ausweitung der Datenbasis nicht zwingend effizient. Zusätzliche Information ist nur solange sinnvoll, wie ihr Grenznutzen die Grenzkosten nicht überschreitet176. Eine Informationsflut erschwert es, zwischen wesentlichen und unwesentlichen Aufgaben zu trennen (information overload)177. Schon für das geltende Offenlegungsregime wird teilweise konstatiert, dass „die Publizitätspflichten so stark ausgeweitet worden [sind], dass die damit erreichte Unübersichtlichkeit die Aussagekraft der veröffentlichten Daten und Informationen nahezu vollständig kompensiert“178. Zuletzt vermögen gesetzliche Publizitätspflichten keinen Lösungsbeitrag zum Problem der unfreiwilligen Gläubiger zu leisten179. Als Zwischenbefund kann damit festgehalten werden, dass es zumindest den anpassungsfähigen Gläubigern durchaus möglich ist, auf das mit der Haftungsbeschränkung verbundene Ausfallrisiko zu reagieren180. Aus tatsächlichen Gründen ist diese Reaktion jedoch nur begrenzt möglich, so dass eine ausreichende Abgeltung der erhöhten Risiken entweder über alternative Gläubigerselbstschutzmechanismen zu erfolgen hat oder aber durch eine gesetzliche Regelung, die ihrerseits allerdings zunächst einem Effizienztest standhalten müsste181. 175

Speziell für die GmbH Mattheus, ZGR 2006, 281 (286). Dies wurde insbesondere bei der Verpflichtung zur Publizierung von Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung vorgebracht: vgl. d’Arcy/Meyer, DK 2005, 151 (157); Möllers, ZBB 2003, 390 (395 ff.); Revell/Cotton, IFLR 5/2004, 35 (35). In aktuellem Kontext – IRFS für KMU – Hommelhoff, ZGR 2008, 250 (262 ff.). 176 Vgl. Rehberg, Das staatliche Informationsmodell, S. 27 ff.; vgl. auch Baum, ZGR 2004, 506 (507). 177 Vgl. Rehberg, Das staatliche Informationsmodell, S. 27. Vgl. auch die bei Baum, ZGR 2004, 506 (508) zitierte Aussage, „dass unternehmerische Fehlurteile nicht auf zu wenig, sondern auf einem Zuviel an Information beruhten“. Allgemein auch Fleischer, NZG 2006, 561 (569). 178 Hakelmacker, WPg 2007, 154 (160); vgl. auch Rehberg, Der staatliche Umgang mit Information, S. 27; Spindler/Klöhn, Der staatliche Umgang mit Information, S. 4. 179 Vgl. Ramsay, in: Ramsay, 1 (10). 180 Durch Publizität gewährleistetem Gläubigerselbstschutz zumindest für die „Privatgesellschaft“ praktische Bedeutung absprechend wohl Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 296 f.: caveat emptor-Prinzip genüge nirgends. 181 Vgl. auch Spindler, JZ 2006, 839 (841); Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (666); a.A. Bainbridge, Directors’ Duties to Creditors in the Vicinity of Insolvency, S. 33. Als allgemeines Ziel formuliert auch Tung, The Death of Corporate Contract, S. 51: „Our goal is to minimize the sum of the costs of overinvestment and the costs of preventing it“.

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§ 5 Intrinsische und extrinsische Managementdisziplinierung

2. Beteiligung a) Beteiligung der Geschäftsleitung Zu den praktisch bedeutsamsten Instrumenten zur Vermeidung und Minderung von Agenturkosten gehört die Einräumung einer Beteiligung der Geschäftsleitung am Unternehmenserfolg182. Der dahinter stehende Wirkmechanismus ist denkbar einfach. Handelt es sich um einen Alleingesellschafter-Geschäftsführer, entstehen keine Agenturkosten des Eigenkapitals durch die Tätigkeit eines Geschäftsleiters, die sich nicht mit den Interessen der Gesellschafter vereinbaren lässt183. Dogmatisch kann unterschieden werden zwischen der Zielfunktion des Gesellschafters und jener der Gesellschaft, jedoch steht es dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer frei, den Gesellschaftszweck derart festzulegen, dass sich dieser mit seinen persönlichen Präferenzen deckt. Ökonomisch stellt die Gesellschaft dann nichts anderes dar als ein Vehikel zur Maximierung seines eigenen persönlichen Nutzens. Auch im Falle echter Fremdorganschaft kann durch Einräumen von Partizipation am Unternehmenserfolg, etwa in Form ergebnisabhängiger Boni184 und Tantiemen, Phantom Stocks, Stock Appreciation Rights, Stock Options oder einer Beteiligung eine (teilweise) Synchronisierung der Interessen von Gesellschaftern und Geschäftsleitung erreicht werden185. Indem einem Geschäftsleiter ein Anspruch auf das Residualeinkommen der Gesellschaft eingeräumt wird, liegt es auch in seinem Interesse, den Gewinn zu steigern und diesen nicht durch opportunistisches Verhalten zu gefährden186. Solange allerdings die Beteiligungsquote der Geschäftsleitung unter 100 % liegt, wird opportunistisches Verhalten nicht vollständig unterbunden, weil

182

Vgl. Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (705); Teichmann, ZGR 2001, 645 ( 661 ff.). Vgl. Fama, J. Pol. Econ. 88 (1980), 288 (295). 184 Ergebnisbezogene Boni in diesem Sinne sind zu unterscheiden von den im Rahmen der Finanzkrise in die Kritik geratenen gleichfalls als Boni bezeichneten Halteprämien zur Bewahrung des Humankapitals eines übernommenen Unternehmens. Dass auch diese entgegen verbreiteter Kritik betriebswirtschaftliche Plausibilität besitzen können, dürften die Folgen ihres Fehlens im Falle der Übernahmen von Bankers Trust durch die Deutsche Bank und Kleinwort Wasserstein durch die Dresdner Bank mit hinreichender Deutlichkeit belegen. 185 Vgl. Spremann, Wirtschaft, Investition und Finanzierung, S. 684 f. Zu den rechtlichen Aspekten von Anreizregelungen vgl. etwa Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797 (797 ff.); Fleischer, DStR 2005, 1318 (1320 f.). 186 Vgl. Teichmann, ZGR 2001, 645 (646). Allerdings bestehen dann Anreize zum earning management. Umfassende Darstellung etwa bei Bebchuk/Fried, Journal of Applied Corporate Finance 17 (2005) Nr. 4, 8 (8 ff.); dies., Pay without Performance; instruktiv auch Posner, Duke L. J. 58 (2009), 1013 (1013 ff.); aus dem deutschen Schrifttum etwa Thüsing, ZGR 2003, 457 (472 ff.). Vgl. zur Problematik auch den Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorStAG), Bt.-Drs. 16/12278. Hierzu DIHK, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorStAG), BT-Dr 16/12278, NZG 2009, 538 (538 ff.). zu Fehlanreizen variabler Vergütungssysteme und ihrer Relevanz im Rahmen der Finanzkrise v. Werder, ZIP 2009, 500 (503 f.). 183

II. Extrinsische Managementdisziplinierung

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Teile der Verzichtsleistung der Geschäftsleitung sozialisiert werden187. Während die subjektiven Vorteile opportunistischen Verhaltens ausschließlich dem Geschäftsleiter zufließen, muss er den durch Verzicht hierauf erhöhten Gewinn mit seinen Mitgesellschaftern teilen188. Dennoch ist es über erfolgsabhängige Vergütungskomponenten möglich, die Agenturkosten des Eigenkapitals deutlich zu mindern. Für die Gläubiger heißt dies, dass in wirtschaftlich gesunden Zeiten der beschriebene partielle Interessengleichlauf mit den Anteilseigern auf die Mitglieder der Geschäftsleitung erstreckt wird. Die Anpassung der Präferenzstruktur der Geschäftsleitung an die der Gesellschafter impliziert die an die Präferenzstruktur der Kreditgeber189. Wie aber auch im Verhältnis „genuiner“ Gesellschafter zu den Gesellschaftsgläubigern endet diese Interessensynchronität mit dem Erreichen einer tiefgreifenden Krise. Auch für den beteiligten Geschäftsleiter gilt, dass der Wert der ihm eingeräumten Beteiligung sich in diesem Zeitpunkt bereits verflüchtigt hat, so dass auch aus seiner Sicht eine Spekulation nur mit Chancen verbunden ist. Der beteiligte Geschäftsleiter sieht sich sogar einer Verdopplung der Anreize zu riskanten Handlungsalternativen ausgesetzt190. Scheitert die Spekulation, verliert er durch den Konkurs seinen Arbeitsplatz und der Wert seiner Beteiligung bleibt gleich Null. Dieses Ergebnis unterscheidet sich aber nicht vom demjenigen, dass aus der angezeigten Liquidation der Gesellschaft resultieren würde. Glückt die riskante Strategie hingegen, behält ein beteiligter Geschäftsleiter nicht allein seine Stellung, sondern profitiert zusätzlich in seiner Eigenschaft als Mitberechtigter auf den Residualgewinn. Während also außerhalb von Krisenszenarien Beteiligungen durchaus geeignet sind, Principal-Agent-Konflikte, sowohl zwischen Geschäftsleitung und Gesellschaftern einerseits als auch zwischen Geschäftsleitung und Gesellschaftsgläubigern andererseits zu lösen, verschärfen sie den letztgenannten Konflikt in der Krise der Gesellschaft noch zusätzlich.

187 Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 154 ff.; Franke/Hax, Finanzwirtschaft der Unternehmung und Kapitalmarkt, S. 429; Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976), 305 (312 f.). 188 Vgl. Bainbridge, Tex. L. Rev. 83 (2005), 1615, (1632). 189 Wenn Baird/Rasmussen, U. Pa. L. Rev. 154 (2006), 1209 (1211 Fn. 4) demgegenüber die Relevanz einer Angleichung der Zielfunktion als im Vergleich zur Auswahl des richtigen Managers sekundär bezeichnen („Many accounts of corporate gerovernance, however, focus on issues such as executive compensation. Putting the right contacts in place matters, of course, but such things are a second order effect. A Jack Welch performs better at the margin the more his contract aligns his incentives with those of General Electric, but the challenge of writing such contract pales, in terms of difficulty and the stakes involved, in comparision to finding and recruiting a Jack Welch in the first place“) entwertet dies die Bedeutung einer Glättung der Agenturkosten nicht; vielmehr gilt – wie auch Baird und Rasmussen implizit feststellen, dass nachdem ein Jack Welch gefunden worden ist, auch dessen Präferenzstruktur nach Möglichkeit an die der Gesellschaft anzupassen ist. 190 Die Risiken dieser Doppelstellung betonend auch Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (342 f.).

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§ 5 Intrinsische und extrinsische Managementdisziplinierung

b) Beteiligung institutioneller Investoren Für den Bereich der Kapitalmärkte wird ihm Rahmen der Corporate GovernanceDebatte regelmäßig die Gruppe der institutionellen Investoren genannt, um Kontrollkonflikten zu begegnen191. Dahinter steht die Überlegung, dass institutionelle Anleger als professionelle Akteure eine gewisse Gewähr für die wirtschaftliche Rationalität ihrer Entscheidung bieten und gleichzeitig einen Großteil der Gesamtmarktkapitalisierung – und damit der Kontroll- bzw. Verwaltungsrechte – in ihren Portfolios halten. Weltweit hielten klassische institutionelle Investoren, Pensions-, Investmentfonds und Versicherungen, im Jahre 2007 etwa 60 % aller Börsentitel192. Aufgrund dieses Befundes wird seit Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts verstärkt diskutiert, inwieweit institutionelle Anleger intrinsische Anreize zur Ausübung ihrer mitgliedschaftlichen Verwaltungs- und Kontrollrechte besitzen, sich also nicht auf die passive reine Portfolioverwaltung beschränken und in Konsequenz die Freiräume für opportunistisches Verhalten der Geschäftsleitung beschränken (shareholder activism)193. Zwei Gesichtspunkte nähren allerdings Zweifel an der Berechtigung dahingehender Erwartungen. Auch institutionelle Investoren, zumindest solche traditioneller Prägung wie Pensionsfonds, Versicherungen etc., handeln grundsätzlich entsprechend den Geboten der Portfoliotheorie. Folglich halten auch sie nur atomistische Investments an einer Vielzahl von Gesellschaften194. Die Empirie bestätigt, dass die 191 Vgl. Kort, in: GroßKommAktG, Vor § 76 Rn. 37; Guyon, FS Lutter, 83 (92); Leyens, JZ 2007, 1061 (1070 f.); Anabtawi/Stout, Stan. L. Rev. 60 (2008), 1255 (1276); Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 89 ff. 192 Vgl. Ernstberger/Herz, in: Leible/Lehmann, Hedgefonds und Private Equity, 33 (39); Kahan/Rock, Hedge Funds in Corporate Governance and Corporate Control, S. 1 ff.; Anabtawi/ Stout, Stan. L. Rev. 60 (2008), 1255 (1276). 193 Vgl. den Überblicksartikel von Black, The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law, Bd. 3, S. 459 ff.; Williams, Institutional Activism Positive for Shareholders, Panelists Say; Romano, Yale J. on Reg. 18 (2001), 174 (174 ff.); Kort, in: GroßKommAktG, Vor § 76 Rn. 69; Schaefer, NZG 2007, 900 (900 ff.); Schreyögg/Unglaube, AG 2013, 97 (97 ff.). Zur historischen Entwicklung in den Vereinigten Staaten Gilian/Starks, The Evolution of Shareholder Activism in the United States, S. 1 ff. Vgl. auch die tendenziösen Ausführungen von Thaeter/Guski, AG 2007, 301 (301 ff.) zur Sicht der Verwaltungsberater, denen zu Folge die Organisation von Widerstand gegen die Verwaltung „politisch“, „kampagnenartig“, „einseitig“, „suggestiv“, „bloß (sic!, A.d.V.) strategisch motivierte Erschütterung der Herrschaftsstruktur (sic!, A.d.V.)“ etc. ist; differenzierter aus Sicht der Vorstandsberatung Schiessl, ZIP 2009, 689, 695; skeptisch aus der US-amerikanischen Beratung auch Lipton, Business Lawyer 80 (2005), 1369 (1376): „[…] It would be a mistake to shift the regulatory focus toward such over-engineering of board structure, composition and responsibilities or toward bright-line limitations on executive compensation. […] Each company, through its independent nominating committee, is in the best position to determine the most suitable mix of attributes for its board […]“. Zu den diesbezüglichen Folgen des UMAG etwa Duve/Basak, BB 2006, 1345 (1345 ff.). 194 Vgl. Baums/Scott, Taking Shareholder Protection Seriously, S. 12; Kahan/Rock, Hedge Funds in Corporate Governance and Corporate Control, S. 19; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 90; Anabtawi/Stout, Stan. L. Rev. 60 (2008), 1255 (1276) allerdings mit

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Beteiligung institutioneller Investoren an einer einzelnen Unternehmung in relativen Zahlen marginal ist195. Die kumulierte Bedeutung dieser Gruppe muss damit getrennt werden von ihrer individuellen Stellung gegenüber dem einzelnen zu überwachenden Unternehmen. Ist die Beteiligung eines institutionellen Investors in absoluten Zahlen bedeutend, aber relativ zum gehaltenen Gesamtportfolio gering, besteht subjektiv auch für diesen institutionellen Investor kein Anreiz, bestehende Überwachungsrechte auszuüben196. Der Exit durch Verkauf erscheint demgegenüber als renditeträchtigere Handlungsalternative (sog. wall street rule)197. Auch die gezielte Ansprache institutioneller Investoren durch Instrumente wie den UK Stewardship Code198 und das Aufkommen von Dienstleistern wie RiskMetrics, dem ehemaligen ISS, Glass Lewis oder Manifest ist nicht mit einer vollständigen Abkehr von der wall street rule verbunden199. Zwar verhalten sich traditionelle institutionelle Anleger aufgrund der von RiskMetrics u. a. geleisteten Beratung nicht mehr vollständig apathisch. Vorschläge der Verwaltung zu den Tagesordnungspunkten werden nicht mehr einfach abgenickt und im Einzelfall sogar Oppositionsanträge auf Verweigerung der Entlastung und Durchführung einer Sonderprüfung unterstützt. Stellvertretend sei auf das eindrucksvolle Beispiel der 59 %-igen Opposition der Aktionäre der Royal Dutch Shell gegen den Vergütungsplan ihres board verwiesen200. Allerdings beschränken sich die nach Jahrzehnten rationaler Apathie noch schlaftrunkenen institutionellen Investoren auf die Einflussnahme durch Ausübung ihres ohnehin bestehenden Stimmrechts. Sowohl der Aufkauf strategisch relevanter Aktienpakete als auch die Initiierung von Maßnahmen zur aktiven Einflussnahme – Sonderprüfung, Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters und vor allem dem Hinweis, dass auch traditionelle institutionelle Investoren (u. a. Vanguard, Fidelity und CalPERS) zunehmend aktivere Rollen einnehmen. 195 Vgl. etwa die Zahlen bei Gerke/Mager/Förstermann, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 503 (511); Talley, U. Chi. L. Rev. 76 (2009), 335 (346 f.). 196 Fleischer, ZGR 2011, 155 (164 f.), für die Untergruppe der Hedge-Fonds vgl. Kahan/ Rock, Hedge Funds in Corporate Governance and Corporate Control, S. 1 ff.; die erheblichen Kosten des shareholder activism betonend Bainbridge, Shareholder Activism and Institutional Investors, S. 12 f.: „[…] coordinating shareholder activism may remain a game not worth playing, because the benefits are low“. Vgl. auch Wilsing, ZGR 2012, 292 (298). 197 Auch „Wall Street Walk“, vgl. Shareholders at the Gates, Economist v. 9. 3. 2013, S. 57; Gilian/Starks, The Evolution of Shareholder Activism in the United States, S. 5. Vgl. zur nach wie vor bestehenden Bedeutung dieser Strategie: Williams, Institutional Activism Positive for Shareholders, Panelists Say. Zu weiteren Anreizen institutioneller Investoren in einem Bullenmarkt, die die Ausübung von Kontrolle unwahrscheinlich werden lassen, vgl. etwa Coffee, Cornell L. Rev. 89 (2004), 269 (298 ff.). 198 Abrufbar auf der Webseite des Financial Reporting Council. Vgl. hierzu aus dem deutschen Schrifttum etwa Fleischer, ZGR 2011, 155 (161 ff.); Wilsing, ZGR 2012, 291 (293 f.). 199 In jüngerer Zeit entzündet sich allerdings auch am Institut der Stimmrechtsberater Kritik. Vgl. Fleischer, ZGR 2011, 155 (169 ff.); Wilsing, ZGR 2012, 292 (294 ff.). 200 Financial Times Europe v. 20. 5. 2009, S. 1: „Investor rebellion over Shell pay report“; Handelsblatt v. 20. 5. 2009, S. 16: „Shell-Aktionäre sagen Nein zu Bonus-Plan“. Vgl. auch den allgemeinen Befund in „Shareholderers at the Gate“, Economist v. 9. 3. 2013, S. 58: „One thing seems certain: the days of guaranteed boredom at annual meetings are gone“.

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Gegenanträge zur Aufsichtsratswahl – sind hingegen nur in Einzelfällen zu beobachten201; wenn auch zu beachten ist, dass das Gebaren auf der Hauptversammlung kein verlässlicher Seismograph für die tatsächliche Einflussnahme durch institutionelle Investoren ist202. Skeptiker melden zudem Zweifel an, ob es sich bei institutionellen Investoren tatsächlich um der Maximierung des Nettogegenwartswerts der Unternehmung und damit zumindest reflexartig dem Interesse des Gesamtaktionariats verpflichtete Kontrolleure handelt; im Fokus der Kritik stehen dabei insbesondere staatlich (CalPERS, CalSTRS) oder gewerkschaftlich dominierte (union pension funds) Akteure203. Nektar kann dahingehende Kritik insbesondere aus dem empirischen Befund saugen, dass zumindest die offene Einflussnahme institutioneller Investoren bisher ohne nennenswerte Rückwirkungen auf die Wertentwicklung der betroffenen Unternehmen geblieben ist204. Schließlich weisen Kritiker wohl nicht völlig zu Unrecht darauf hin, dass Einflussnahme und Kontrolle durch institutionelle Investoren das grundsätzliche Principal-Agent-Problem der modernen Publikumsgesellschaft nicht völlig zu lösen vermögen, sondern bestenfalls auf eine andere Ebene verlagert: die Etablierung effektiver Kontrolle reduziert einerseits die Agenturkosten des Eigenkapitals auf Ebene des Anlageobjekts, andererseits ist die Übertragung der Anlageentscheidung auf Intermediäre mit neuen Agenturkosten im

201

Vgl. Davis, U. Chi. L. Rev. 76 (2009), 83 (94 ff.); auch Spindler, in: Leible/Lehmann (Hrsg.): Hedgefonds und Private Equity – Fluch oder Segen? 99 (101) konstatiert eher konservative Beteiligungsstrategien und eher passives Verhalten. Schreyögg/Unglaube, AG 2013, 97 (103) kommen für die Jahre 2002 – 2005 zu dem Ergebnis, dass nur 0,8 % der Gegen- und Ergänzungsanträge durch Finanzinvestoren gestellt wurden, wobei von den damit erfassten in absoluten Zahlen sechs Ergänzungs- und Gegenanträgen vier durch die Wyser-Pratte Management Co., Inc. im Zusammenhang mit der unternehmerischen Auseinandersetzung um die Zukunft der IWKA AG (heute KUKA AG) gestellt wurden. Überraschend hoch demgegenüber der relative Anteil der Finanzinvestoren an der Gesamtzahl der Wortmeldungen, den Schreyögg/ Unglaube, AG 2013, 97 (103) mit 6,1 % angeben; hier wäre zu erwarten gewesen, dass Finanzinvestoren nicht die Hauptversammlung, sondern Roadshows und One-on-Ones zur Befriedigung ihres Informationsbedarfs benutzen. Die statistische Signifikanz des Phänomens des Shareholder activism verneinend etwa Bainbridge, Shareholder Activism and Institutional Investors, S. 10 ff.: „[…] most institutions appear to to be just as apathetic as individual shareholders“; einen Einfluss auf den Firmwert US-amerikanischer Unternehmen verneinend auch noch Black, The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law, Bd. 3, S. 459 ff. 202 Vgl. auch das „caveat“ von Schreyögg/Unglaube, AG 2013, 97 (109). 203 Bainbridge, Shareholder Activism and Institutional Investors, S. 15 f., der aber auch anerkennt, dass in zahlreichen Fällen die Interessen institutioneller Investoren mit denen des Restaktionaritäts übereinstimmen; vorsichtiger etwa Black, The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law, Bd. 3, S. 459 ff. Vgl. auch die Nachweise bei Schreyögg/Unglaube, AG 2013, 97 (98 Fn. 16). 204 Übersicht bei Romano, Yale J. on Reg. 18 (2001), 174 (187 ff.). Gleichzeitig existieren allerdings auch Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass die Einflussnahme ausgewählter institutioneller Anleger mit signifikanten Performance-Effekten verbunden ist. Hierzu etwa Gilian/Starks, The Evolution of Shareholder Activism in the United States, S. 25 ff.

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Verhältnis zwischen Fondsverwaltung und Anlegern verbunden205 ; nicht diskutiert wird dabei allerdings, ob im Falle, dass nicht nur das eigentliche Unternehmen, sondern auch der aktivistische Aktionär seinerseits börsennotiert ist, die Genese eines Systems wechselseitiger checks and balances zu beobachten ist. Völlig anders gerieren sich die jüngeren Erscheinungsformen institutioneller Investoren. Insbesondere Private Equity-Unternehmen und solche Hedge Fonds, die sich nicht der Back-End-Arbitrage verschrieben haben, beschränken sich nicht auf die Rolle als passive Dividendenempfänger, sondern nehmen aktiv Einfluss auf die Unternehmensleitung206. Allerdings wird auch die damit verbundene Einflussnahme auf das Schicksal der Unternehmung als nicht völlig unbedenklich angesehen207. In einem allgemeinen Kontext haben insbesondere die Aktivitäten von Hedge-Fonds das Misstrauen der Rechtswissenschaft auf sich gezogen208. Auf den zu Grunde liegenden, durch die Finanzkrise zusätzlich angefachten Paradigmenstreit, ob aktivistische Hedge-Fonds und Venture-Kapitalisten eine übertriebene Kurzfristperspektive besitzen und hierdurch die langfristige Ertragsfähigkeit gefährden, oder es einen solchen Konflikt aufgrund der Informationseffizienz des Marktes (Efficient Capital Market Hypothesis) überhaupt nicht geben kann, kann hier nur verwiesen werden209. Bedeutsamer ist im vorliegenden Zusammenhang die Beobachtung, dass 205 Bainbridge, Shareholder Activism and Institutional Investors, S. 17: […] it should be noted that institutional investor activism does not solve the principal-agent problem but rather merely relocates its locus“. 206 Vgl. Anabtawi/Stout, Stan. L. Rev. 60 (2008), 1255 (1276 ff.); Gilian/Starks, The Evolution of Shareholder Activism in the United States, S. 4; Erede, ECFR 2013, 328 (328 ff.); vgl. auch die Beiträge zum 2. Bayreuther Forum für Wirtschafts- und Medien von Lehmann, Ernstberger/Herz, Franke, Dornseifer, Kubo, Spindler, Zimmer, Ohler, Casper, Fischer, von Einem, Striezel/Müller in Leible/Lehmann (Hrsg.); Hedgefonds und Private Equity – Fluch oder Segen? sowie von Bartlett, Birdthistle/Henderson, Epstein/Rose, Fried, Litvak, Masulis/Thomas, Partnoy, Ribstein, James C. Spindler und Talley zum Symposion der University of Chicago Law School The Going Private Phenonmenon: Causes and Implications in: U. Chi. L. Rev. 76 (2009), S. 7 ff. 207 Vgl. Schaefer, NZG 2007, 900 (900); von der Crone, SZW/RSDA 1 /2006, 2 (15); Kahan/Rock, Hedge Funds in Corporate Governance and Corporate Control, S. 2; Bernhardt, NZG 2009, 498. Aus Sicht der Delaware-Rechtsprechung Strine, Harv. L. Rev. 119 (2006), 1759 (1764 ff.). Empirisch etwa Lerner, J. Fin. 50 (1995), 301 (301 ff.) mit der Beobachtung, dass Venture-Kapitalisten im Umfeld der Ersetzung des CEO verstärkt im board vertreten sind und der Wohnort der von Venture-Capital-Gesellschaften gestellten Direktoren signifikant näher am Unternehmenssitz liegt. 208 Vgl. Leyens, JZ 2007, 1061 (1070); vgl. auch Schmolke, ZGR 2008, 225 (227); Bernhardt, NZG 2009, 498; Würdigung unter Berücksichtigung von Corporate Governance-Gesichtspunkten bei Spindler, in: Leible/Lehmann (Hrsg.); Hedgefonds und Private Equity – Fluch oder Segen? 99 (99 ff.). Zur Sicht des Börsenreferats beim Bundesfinanzministerium vgl. Franke, in: Leible/Lehmann (Hrsg.); Hedgefonds und Private Equity – Fluch oder Segen? 49 (49 ff.). 209 Vgl. hierzu etwa Kahan/Rock, Hedge-Funds in Corporate Governance and Corporate Control, S. 47 ff.; Fleischer, ZGR 2008, 185 (187 ff.); Anabtawi/Stout, Stan. L. Rev. 60 (2008), 1255 (1290 ff.). Diesem Vorwurf sahen sich bereits F. Ross Johnsons und KKRs LBO-Angebote für RJR Nabisco ausgesetzt, vgl. Demott, Duke L. J. 1989, 1 (1 ff.). Demgegenüber wird zu-

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institutionelle Investoren Information und Einfluss nicht über die gesetzlich vorgezeichneten Transmissionsriemen ausüben. Offensichtlich dominiert das persönliche (one-on-one) bzw. Kamingespräch als Informations- und Einflusskanal210. Während im Falle der GmbH der durch Anteilsbesitz vermittelte Einfluss legal über das Instrument des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung ausgeübt werden kann, bestehen im Falle der Aktiengesellschaft Probleme, wenn die Einflussnahme am Aufsichtsrat vorbei erfolgt211. Blendet man die aktienrechtliche Bedenklichkeit dieses Vorgehens einmal aus, ist dieses Vorgehen sowohl mit Vorteilen als auch mit nicht zu unterschätzenden Risiken für Gläubiger und an den getroffenen Absprachen nicht beteiligte Investoren verbunden. Die Rücksprache mit und Beratung durch professionelle Investoren erlaubt der Verwaltung den Rückgriff auf das Know-How dieser ausgewiesenen Experten. Gespaltener muss die Bewertung ausfallen, soweit die Agenturkosten des Eigenkapitals betroffen sind. Die aktive Einflussnahme eines bedeutenden und informierten Gesellschafters vermag das level playing field für opportunistisches Verhalten deutlich zu verringern212. Insbesondere Selbstbedienungsexzesse nach dem Vorbild der 80er Jahre, in denen aus Fuhrparks mehrere Maschinen starke persönliche, aber von der Gesellschaft finanzierte Flugparks wurden, werden nicht die Gnade von Hedge-Fonds und Private EquityUnternehmen finden. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass Verwaltung und institutioneller Investor Vereinbarungen treffen, die allein zu Gunsten des Letzteren wirksam werden („rob Peter to pay Paul“-Strategien)213. Vergleichbaren Gefahren sehen sich auch Gläubiger ausgesetzt. Auch institutionelle Investoren handeln als Aktionäre bzw. Gesellschafter. Selbst unter der Voraussetzung, dass sie Kontrollrechte tatsächlich und effizient ausüben, wird Schutz gegen opportunistisches Verhalten hiermit nicht garantiert. Als Eigenkapitalgeber unterliegen institutionelle Investoren nicht anders als ein gewöhnlicher Gesellschafter den Fehlanreizen in der Krise der Kapitalgesellschaft. Gelingt es ihnen nicht, zeitnah ihre Beteiligung zu veräußern, besteht aus subjektiv rationalen Renditeerwägungen ein Anreiz, spekulative Strategien der Unternehmungsführung zu stützen. Gemindert werden können diese generellen Fehlanreize allein durch den mindest für PE-Investoren ihr besonders ausgeprägter Langfristinvestmenthorizont betont, so etwa Davis, U. Chi. L. Rev. 76 (2009), 83 (88 ff.). 210 Vgl. Schaefer, NZG 2007, 900 (900 f.); vgl. auch Thaeter/Guski, AG 2007, 301 (301); so auch die Einschätzung bei Schreyögg/Unglaube, AG 2013, 97 (109). 211 Vgl. Kort, in: GroßKommAktG, § 76 Rn. 23; Schaefer, NZG 2007, 900 (900 ff.); Wilsing, ZGR 2012, 291 (297 ff.). 212 Vgl. Kahan/Rock, Hedge Funds and in Corporate Control, S. 3. A.A. offensichtlich wiederum Thaether/Guski, AG 2007, 301 (303 f.), die (faktisch) zu begründen suchen, dass mit zunehmendem Konsens unter den Aktionären die Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft (gemeint ist die Verwaltung) wachsen. Offensichtlich unerheblich soll dabei anders als im Konzernrecht sein, ob eine koordinierte Aktionärsmehrheit versucht, sich auf Kosten der nicht an einer Absprache beteiligten Aktionäre zu bereichern („Jedenfalls nimmt das Maß der Treuepflicht mit zunehmender Absprache und effektiver Interessenbündelung zu“). 213 Anabtawi/Stout, Stan. L. Rev. 60 (2008), 1255 (1280).

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Umstand, dass hiermit Reputationsverluste für die betreffenden institutionellen Investoren verbunden sind. Hier wird man allerdings zu differenzieren haben. Während Pensionsfonds und Versicherungen als auf das Wohlwollen von Öffentlichkeit und Staat angewiesene Akteure durchaus durch Reputationseffekte von offensichtlich opportunistischem Verhalten abgehalten werden sollten, gilt anderes für Private Equity und Hedge Fonds, die zu Recht oder zu Unrecht im Kreuzfeuer einer allgemeinen Kritik stehen, so dass man auch rechtstatsächlich beobachten kann, dass nach dem Motto gehandelt wird, „ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert“. Gleichzeitig offenbaren allerdings auch die teilweise gewählten Firmen – man wird hier insbesondere an den zwischenzeitlich recht zahnlos daherkommenden Höllenhund zu denken haben –, dass nur teilweise ein Bedürfnis nach allgemeiner Marktreputation gesehen wird, man vielmehr besondere Aggressivität und Schärfe signalisieren will214. c) Beteiligung der Kreditgeber Beteiligungsmodelle und institutionelle Investoren fallen somit weitgehend aus bei der Minderung der Agenturkosten des Fremdkapitals. In Anamnese dieses Funktionsdefizites der gängigen Disziplinierungsinstrumente erscheint es zunächst naheliegend, zu Lasten der Gläubiger sich auswirkende Kontrollkonflikte aufzulösen, indem Fremdkapitalgeber als potentielle Opfer spekulativer Strategien selbst Verwaltungsrechte erwerben und ausüben215. Diese Lösung hat aus Gläubigersicht zunächst den Vorzug, dass sie im Gegensatz zu den beiden vorbenannten Beteiligungsmodellen nicht von einer Willkürentscheidung der Eigenkapitalgeber abhängt, sondern – eine entsprechende Verkaufsbereitschaft auf Gesellschafterseite vorausgesetzt – von den Gläubigern selbst umgesetzt werden kann. Insbesondere ist dabei an Banken zu denken, denen schon in ihrer Eigenschaft als Finanzintermediäre, die Kreditangebot und Kreditnachfrage zusammenführen, die Rolle eines delegated monitor zufällt, also einer Kontrollinstanz, die Informationen über die Kreditnehmer sammelt und auswertet216. Sie entlastet damit die Einleger von der durch diese kaum zu meisternden Informationsbeschaffungs- und Evaluationsaufgabe217. Informationsasymmetrien zwischen Unternehmen und Einlegern (Anlegern) werden abgebaut und die Informationseffizienz des Marktes gesteigert218. Diese Sonderrolle von Banken kann auch zu Gunsten der Gläubiger aktiviert werden. Aufgrund der Ku214 Es findet sich allerdings auch das andere Extrem, wie das Beispiel des in Deutschland aufgrund des gemeinsam mit Atticus verhinderten Erwerbs der London Stock Exchange durch die Deutsche Börse AG kritisch beäugten TCI-Fonds = The Children’s Investment Fund Management UK LLP, belegt. 215 Allgemein zur Bedeutung von Banken für die Corporate Governance eines Unternehmens Gerke/Mager/Förstermann, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 503 (503 ff.); Raiser, NJW 1996, 2257 (2257 ff.). 216 Vgl. Tung, Death of Corporate Contract, S. 25. 217 Vgl. Diamond, Review of Economic Studies 51 (1984), 393 (393 ff.); Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 457 ff. 218 Vgl. Leyens, JZ 2007, 1061 (1071).

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mulation von Information in Händen der Bank steigt die Wahrscheinlichkeit, dass opportunistisches Verhalten der Geschäftsleitung der Schuldnerin zeitnah entdeckt wird. Dieser Anstieg der Entdeckungswahrscheinlichkeit führt dazu, dass spekulatives Handeln entweder bereits ex ante unterbunden oder aber im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger bekannt wird219. Die Agenturkosten des Fremdkapitals sinken. Denkbar wäre also auch, dass Gläubigerbanken Beteiligungspakete an den kreditnehmenden Gesellschaften erwerben, um Informations- (§§ 131 AktG, 51a GmbHG) und Verwaltungsrechte zu erlangen, die ihnen die Verhinderung gläubigerschädigender Unternehmensstrategien erlauben220. Bedenken an der Wirksamkeit dieses Mechanismus zur Senkung der Agenturkosten des Fremdkapitals weckt der empirische Befund, dass die Liquidation der Deutschland AG ein starkes Desengagement der Banken nach sich gezogen hat und offensichtlich weder Bereitschaft besteht noch ein Bedürfnis gesehen wird, diesen Zustand zu revidieren. Auch aus theoretischer Sicht sprechen gewichtige Argumente gegen eine Vermischung der Rollen von Eigen- und Fremdkapitalgebern. Aus Sicht der Anteilseigner birgt die Beteiligung eines Kreditgebers die Gefahr, dass dieser sein umfangreiches Kreditengagement auf Kosten der Mitgesellschafter oder Aktionäre zu retten versucht221. Ist hingegen der Anteil der Beteiligungstitel am Gesamtportfolio der Bank im Vergleich zu dem der Fremdfinanzierung hinreichend groß, droht für die anderen Gläubiger der Gesellschaft die Gefahr, dass die Bank primär denselben Fehlanreizen wie ein Nurgesellschafter gehorcht. Übersteigt der Erwartungswert einer Spekulationsstrategie den der Rückzahlung aus Forderungen bei unmittelbarer Liquidation, wird die Bank die Geschäftsleitung in ihrem opportunistischen Verhalten unterstützen. Diese Gefahr potenziert sich, wenn das Kreditengagement der Bank durch vorrangige Sicherungsrechte gegen insolvenzbedingte Forderungsausfälle immunisiert wurde und die finanzwirtschaftliche Lage der Gesellschaft ausgeblendet werden kann. Allein in dem Fall, dass auch Sicherungsgüter durch die spekulative Strategie in ihrem Bestand bedroht würden, könnte sich diese aus Sicht der Bank als suboptimal erweisen. Die Doppelrolle als Gläubiger und Anteilseigner führt also zu einer Vielzahl von Konflikten, die sie nicht als geeignetes Mittel erscheinen lassen, opportunistischem Verhalten entgegenzusteuern222. Als Beispiel solcher Konfliktlagen ist auf die Beton- und Monierbau/WestLB-Entscheidung zu verweisen, in der die Bank ihre Doppelrolle zu Lasten der weiteren 219 Vgl. Tung, Death of Corporate Contract, S. 25 ff.; vgl. auch Baums, Should Banks Own Industrial Firms? S. 8; Gerke/Mager/Förstermann, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 503 (520). 220 Vgl. zu diesem Aspekt Baums, Should Banks Own Industrial Firms? S. 14 f. 221 Die Probleme des Depotstimmrechts würden sie dann vervielfachen. Vgl. Hopt/Leyens, Board Models in Europe, S. 6 f. 222 Kritisch etwa auch Säcker, AG 2004, 180 (183): „Ein Banker, der ein Kreditengagement seiner Bank einem Unternehmen gegenüber zu überwachen hat, gehört, wie heute allgemein akzeptiert ist, nicht in dessen Aufsichtsrat“. Weniger skeptisch etwa Raiser, NJW 1996, 2257 (2257 ff.).

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Stakeholder auszunutzen suchte223. Nicht ohne Grund begegnet deshalb das Aktienrecht dem Zusammenfall von wahrscheinlicher bzw. potentieller Gläubigerstellung und Stimmrechtsausübung durch empty-voting in der Sonderform des Depotstimmrechts der Banken mit einer gewissen Reserve (§ 128 Abs. 2 AktG). 3. Kreditsicherheiten a) Grundlagen In Deutschland dominierendes Instrument der Gläubiger, um das mit einem Unternehmenszusammenbruch verbundene Ausfallrisiko zu begrenzen, sind Kreditsicherheiten. Allgemein sind hierunter „Zugriffsrechte bestimmter Gläubiger auf Vermögensgegenstände bzw. Rechte des Schuldners, die sie dann ausüben dürfen, wenn der Schuldner im Kreditvertrag festgelegte Zahlungen nicht vertragskonform leistet“, zu verstehen224. Ökonomisch stellt die Bestellung von Kreditsicherheiten eine ex ante erfolgende Revision der Auszahlungsmatrix dar, indem in allen Umweltzuständen, in denen der Gläubiger keine volle Rückzahlung erlangt, der Umfang des Ausfalls begrenzt wird auf die Differenz zwischen dem Wert des Sicherungsgutes und nomineller Forderung225. Während bei der Risikoabgeltung über den Zins das Risiko selbst unverändert bleibt und lediglich eine entsprechend höhere Gegenleistung vereinbart wird, reduzieren Kreditsicherheiten das Ausfallrisiko mit der Folge, dass auch bei riskanten Projekten der Zins nicht angepasst werden muss226. Der Nutzen für den Kreditnehmer besteht in der Senkung der Kreditkosten des besicherten Darlehensbetrages227 bzw. in weniger restriktiven schuldrechtlichen Bindungen (Covenants)228. Für den einzelnen Gläubiger ist die Besicherung von ausgereichten Krediten mit einer Reihe von Vorteilen verbunden. Zunächst ermöglicht sie es, die Überwachungskosten des Kredits gering zu halten. Je geringer der ungesicherte Anteil des Fremdkapitalengagements ist, desto unnötiger wird die Etablierung kostenintensiver 223

BGH, Urt. v. 26. 03. 1984, II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (385 ff.) („BuM/WestLB“). Drukarczyk, ZIP 1987, 205 (205); ähnlich Burger/Schellberg, ZfB 65 (1995), 411 (416); ein weiterer Begriff bei Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 428 f.: „jegliche Vereinbarung in Kreditverträgen, die darauf gerichtet – und dazu geeignet – ist, das Vertrauen des Gläubigers in die Rückzahlungsfähigkeit des Schuldners zu stärken.“ Hierunter fallen dann auch Informationsrechte, Zustimmungsvorbehalte etc., siehe dazu sogleich unter § 4, II. 2. 225 Vgl. auch Drukarczyk, ZIP 1987, 205 (206). 226 Vgl. Baird/Jackson, U. Chi. L. Rev. 51 (1984), 97 (112); vgl. auch Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1068 f.), der insoweit von Risikobegrenzung anstelle von Risikokompensation spricht (ebda. S. 1050). 227 Vgl. Baird/Jackson, U. Chi. L. Rev. 51 (1985), 97 (112); Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (917 ff.); Burger/Schellberg, ZfB 65 (1995), 501 (513 f.); R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (213). 228 Vgl. Stulz/Johnson, J. Fin. Econ. 14 (1985), 501 (513 f.). 224

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Kontrolle229. Die negativen Folgen einer Insolvenz werden für den Gläubiger reduziert, im Falle vollständiger Absicherung eines Kredits sind Gläubiger nicht gehalten, sich überhaupt um Insolvenzwahrscheinlichkeiten und Befriedigungsquoten zu kümmern230. Besitzt der Gläubiger etwa ein Aussonderungsrecht ist einzig für ihn relevante und damit zu beobachtende Position die Wertentwicklung des Sicherungsgutes231. Besondere Bedeutung besitzen Sicherungsrechte in asymmetrischen Informationslagen. Bedingt vermag eine Besicherung bereits die aus Qualitätsunsicherheit herrührende Ausbeutungsoffenheit der Gläubigerpositionen einzuschränken. Bezieht sich die Unsicherheit allein auf den Risikograd des Unternehmens, nicht aber auf den Sicherungsgegenstand, ist sie für den Kreditgeber weitgehend unbeachtlich, da im Insolvenzfall nicht die erwirtschafteten Erträge sein Befriedigungsobjekt darstellen, sondern das Sicherungsgut. Auf gleichem Wege minimieren Sicherungsrechte die Gefahren nachvertraglicher Risikorevision durch Hold Up und Moral Hazard. Einen vollständig gesicherten Gläubiger tangieren diese Formen gläubigerschädigenden Verhaltens nicht, solange die Risikoerhöhung nicht den Wert des Sicherungsgutes erfasst232. Schließlich braucht ein Gläubiger nicht mit einer Entwertung seiner Forderung in Folge von Verwässerung zu rechnen. Kreditsicherheiten sind „me-first“-Regeln, räumen also Priorität ein, so dass auch eine vertragswidrige Ausweitung des Verschuldungsgrades der Gesellschaft ignoriert werden kann233. Andererseits ist selbst für umfänglich besicherte Gläubiger die Insolvenz der Schuldnergesellschaft nicht völlig ohne Kosten. Scheitert die Gesellschaft, verlieren alle Gläubiger den Nettogegenwartswert der erwarteten zukünftigen Verträge234. Nur in dem Falle, in dem es sich um eine auch unter günstigsten Umständen nicht überlebensfähige Gesellschaft handelt, wäre der Kapital229 Vgl. Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 202; Drukarczyk, ZIP 1987, 205 (206); Easterbrook/Fischel, U. Chi. L. Rev. 53 (1985), 89 (99); Hommelhoff, ZfB 54 (1984), 698 (705 f.); Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1068). 230 Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 914 f.); Drukarczyk, ZIP 1987, 205 (206); Tung, Death of Corporate Contract, S. 20. 231 Vgl. Burger/Schellberg, ZfB 65 (1995), 411 (417); R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (211 f.); Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (877 f.); bei Mülbert, A synthetic view of different concepts of creditor protection, S. 20 nicht deutlich, wenn davon gesprochen wird, Besicherung befreie von jedem Informationsrisiko. Vgl. auch Baird/Jackson, U. Chi. L. Rev. 51 (1984), 97 (114 f.). 232 Vgl. Burger/Schellberg, BB 1995, 261 (261 f.); Mülbert, A synthetic view of different concepts of creditor protection, S. 20; R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (212); ders./Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 430 f.; Callison, Duty Shift to Creditors, S. 23. 233 Vgl. R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (212 f.). 234 Vgl. Drukarczyk, ZIP 1985, 205 (210); Schmiedel, ZfB 54 (1984), 781 (781); nicht erwähnt bei Armour/Mokal, Reforming the Governance of Corporate Rescue, S. 3: „The drawback was of, course, that were the company’s assets worth more than the bank was owned, nothing obliged the bank to do anything to save the business“. Auch sie stellen an anderer Stelle jedoch fest: „It will be in the bank’s interest to save a valuable customer“(vgl ebda. S. 51.). Dieser Effekt sollte insbesondere für Warenkreditgeber von Bedeutung sein. Vgl. Tung, Death of Corporate Contract, S. 21.

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wert künftiger Erträge aus Anschlussgeschäften gleich Null. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch die Mehrzahl der gesicherten Gläubiger zumindest teilweise ausfällt235. Diesen positiven Effekten für den einzelnen Gläubiger stehen erhebliche Nachteile für die Masse der ungesicherten Gläubiger, im deutschen Recht also der einfachen Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO), gegenüber. Zuvörderst gilt, dass je umfänglicher und krisenfester die Besicherung von Forderungen ausfällt, desto weniger Verteilungsmasse für die ungesicherten Insolvenzgläubiger zur Verfügung steht236. Bei gegebenem Gesellschaftsvermögen im Liquidationszeitpunkt senkt jede vollständige Besicherung die erzielbare Quote für die ungesicherten Gläubiger. Dieser Konnex wird im deutschen Insolvenzrecht hinreichend deutlich dadurch illustriert, dass der Aussonderung unterliegende Gegenstände, die zumindest wirtschaftlich dem Vermögen der Gemeinschuldnerin zugeordnet waren, nicht in die Masse fallen. Nach der Logik der Rechtsprechung des Großen Senats zur nachträglichen Übersicherung bei revolvierenden Globalsicherheiten sollte sogar regelmäßig die Besicherungspraxis so ausgestaltet sein, dass eine Gesellschaft bereits im nicht überschuldeten Zustand nicht in der Lage ist, die Forderungen ihrer ungesicherten Gläubiger vollständig, wenn überhaupt zu befriedigen. Erlaubt doch die Rechtsprechung, dass ein Forderungsvolumen zu 110 % durch Gegenstände des Gesellschaftsvermögens abgesichert werden kann und die eigentliche Grenze für das Entstehen eines Freigabeanspruchs erst bei 150 % des Schätzwerts liegt237. Das Insolvenzrisiko vermögen Kreditsicherheiten somit für die Gesamtgläubigerschaft nicht zu senken, vielmehr handelt es sich um sharing rules, d. h. Regelungen zur Verteilung des Risikos unter mehreren Gläubigern oder wie LoPucki formuliert, „security is an agreement between A and B that C takes nothing“238. Auch auf das Kontrollniveau kann sich Existenz von Kreditsicherheiten negativ auswirken. Ein vollständig gesicherter Gläubiger besitzt starke Anreize, sich auf die Überwachung der Wertentwicklung des Sicherungsgutes zu beschränken. Befördert wird diese Abstinenz durch § 14 InsO und seine Auslegung durch die Rechtsprechung des BGH. Hiernach ist es einem vollständig gesicherten Gläubiger aufgrund mangelnden rechtlichen Interesses versagt, einen Gläubigerantrag zu

235

Vgl. Drukarczyk, ZIP 1987, 205 (210). Vgl. Bebchuk/Fried, Yale L. J. 195 (1996), 857 (861); Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 203; Davies, AG 1998, 346 (350); Hopt, ZfB 54 (1984), 743 (747 f.). 237 BGH (GS), Urt. V. 27. 11. 1997 – GSZ 1 u. 2/97, BGHZ 137, 212 (228 ff.); wenn auch die Übertragung dieser fixen Grundsätze auf die anfängliche Übersicherung nicht in Betracht kommt, BGH, Urt. V. 12. 3. 1998 – IX ZR 74/95, NJW 1998, 671, 2047 (2047 ff.). 238 LoPucki, Va. L. Rev. 80 (1994), 1887 (1899). Vgl. auch Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1068 f.); R. H. Schmidt, ZfB 54 (1984), 717 (728); Baird/Jackson, Vand. L. Rev. 38 (1985), 829 (848); dies., U. Chi. L. Rev. 51 (1984), 97 (112 f.); Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (868 ff.). 236

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stellen239. Gerade Geschäftsbanken und andere Finanzgläubiger als natürliche freiwillige Überwacher werden hierdurch ohne Not aus der Verantwortung für eine zeitnahe Verfahrenseröffnung entlassen240. Das Kontrollniveau sinkt, wenn nicht die ungesicherten Gläubiger die notwendigen Kontrollaufgaben übernehmen241. Ein Einrücken der ungesicherten Gläubiger in diese Funktion ist bereits aufgrund ihrer Informationsdefizite unwahrscheinlich. Ohne detaillierte Kenntnis sind ungesicherte Gläubiger nicht in der Lage, ihr bestehendes Insolvenzantragsrecht auszuüben242. Ungewollte Folgekonsequenz ist, dass die zielgenaue Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereitelt wird. Der gesicherte Gläubiger überwacht einerseits nicht und hat andererseits auch kein Interesse an einer frühen Verfahrensauslösung, da die weitere Verringerung des Gesellschaftsvermögens ihn nicht betrifft243, während die ungesicherten Gläubiger bereits nicht fähig sind, effektive Kontrolle auszuüben. Zusätzlich sinken mit zunehmender Besicherung auch für ungesicherte Gläubiger die Anreize, eine zeitnahe Verfahrensauslösung herbeizuführen. Durch die Existenz umfänglicher Sicherungsrechte gilt auch für sie das fehlerhafte Anreizschemata, dass sie bei zeitnaher Liquidation faktisch nichts erhalten und damit auch für sie die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs nur mit Chancen und nicht mit Risiken verbunden ist244. Nicht zuletzt erschwert die Existenz von Kreditsicherheiten die Eigensicherung der Gläubiger durch das Instrument des Zinses. Erlaubt die Rechtsordnung wie etwa in Deutschland, dass Sicherheiten ohne Publizitätsakt bestellt werden, wird es einem ungesicherten Gläubiger unmöglich gemacht, das genaue Risiko der Kreditgewährung einzuschätzen. Ihm fehlt die Kenntnis über das augenblicklich zur allgemeinen Gläubigerbefriedigung verfügbare Gesellschaftsvermögen. Die Zulassung stiller Sicherungsrechte schafft somit eine zusätzliche Asymmetrie in unbesicherten Finanzierungsbeziehungen245. 239 BGH, Beschl. v. 29. 11. 2007 – IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281 (282 f.); vgl. auch Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 48. 240 Vgl. zur Informationslage der Geschäftsbanken Hopt, ZfB 54 (1984), 743 (748); R. H. Schmidt, ZfB 54 (1984), 717 (717); Tung, Death of Corporate Contract, S. 18: „typically the low-cost monitor“; Wood, Principles of International Insolvency, S. 554. 241 Vgl. hierzu Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (865). Drukarczyk, ZIP 1987, 205 (210). 242 Vgl. Franke, ZfB 54 (1984), 692 (693); R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 98. 243 Vgl. Franke, ZfB 54 (1984), 692 (693); R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 98; Schmiedel, ZfB 54 (1984), 761 (764). In bestimmten Situationen kann allerdings ein gesicherter Gläubiger auch der Fortführung der Gesellschaft gegenüber indifferent sein (wenn der Wert seiner Sicherung hiervon beeinträchtigt ist). Vgl. Baird/Jackson, U. Chi. L. Rev. 51 (1984), 97 (105 f.). 244 Vgl. Baird/Jackson, U. Chi. L. Rev. 51 (1985), 97 (107). Zum Interesse ungesicherter Gläubiger an der Fortführung der Schuldnerin auch Callison, Duty Shift to Creditors, S. 22 f.; Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1353 f.). 245 Vgl. zu diesem Aspekt Kuntz, ZIP 2008, 814 (820); auf die Bedeutung der genauen Kenntnis über das Ausmaß der Besicherung für ungesicherte Gläubiger weisen auch Burger/

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Fraglich ist, ob diesen Nachteilen für die Gesamtheit der Gläubiger auch Vorteile aus der Möglichkeit der Bestellung von Kreditsicherheiten zufließen. Indem Kreditsicherheiten risiko- und damit zinsmindernd wirken, werden möglicherweise Personen erst zur Kapitalüberlassung bewogen, die trotz hoher Verzinsung aufgrund des Ausfallsrisikos hierzu nicht bereit gewesen wären246. Die Bereitschaft zur Hingabe von Fremdkapital würde damit gefördert, was volkswirtschaftlich vorteilhaft ist, da zahlreiche Investitionsprojekte mit positivem Gegenwartswert erst bei ausreichendem Kapitalzufluss realisiert werden können. Darüber hinaus können Kreditsicherheiten speziell dem Problem der Unterinvestition entgegenwirken. Indem der Fremdkapitalzins sinken kann, stehen bei gleichen Zahlungsströmen früher Gewinne für Ausschüttungen an die Residualanspruchsberechtigten zur Verfügung. Eine kritische Unterinvestitionslage tritt später ein, weil Anteilseignern ein größerer Anteil der künftigen Zahlungsströme zusteht247. Andererseits verschärft sich die latente Gefahr der Überinvestition. Gesicherte Gläubiger müssen im Insolvenzfall keine Konkurrenz ungesicherter Gläubiger, insbesondere von Zwangsgläubigern befürchten, und brauchen deshalb bei ihrer Kreditvergabeentscheidung keine Rücksicht zu nehmen248. Die Geschäftsleitung kann deshalb bis zu einem gewissen Grad die Risikoträchtigkeit des Geschäfts – etwa durch Verzicht auf Vorsichtsmaßnahmen – steigern, ohne hiervon durch eine drohende Sanktion seitens des gesicherten Gläubigers abgehalten zu werden. Die durch die Haftungsbeschränkung gesetzten Fehlanreize verschärfen sich unter diesen Voraussetzungen durch Sicherungsrechte249. Die Evaluierung und Abwägung dieser Vor- und Nachteile ist schwierig und kann hier nicht geleistet werden250. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Praxis wiederum Sicherungsmechanismen gegen Sicherungsrechte etabliert hat wie etwa Negativklauseln und Poolverträge251 und auch der Gesetzgeber den Antagonismus mittels verschiedener Ansätze zu mildern sucht. Das englische Recht hat etwa im Zuge der Abschaffung der Vorrechte der Krone im Insolvenzverfahren, in sec. 176 IA n.F. Teile der floating charge für die Gruppe ungesicherter Gläubiger reserviert252. Dem vergleichbar hat der deutsche Insolvenzrechtsreformgesetzgeber eine Beteiligung der gesicherten Gläubiger an den Insolvenzkosten vorgesehen (§§ 170 f. InsO), wobei diese Entscheidung allerdings primär darauf zurückführen ist, dass die VerSchellberg, ZfB 65 (1995) hin; als Mittel einer verbesserten Verfahrensauslösung etwa bei Franke, ZfB 54 (1984), 692 (694). 246 Vgl. R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 94. 247 Vgl. Stulz/Johnson, J. Fin. Econ. 14 (1985), 501 (513). 248 Vgl. Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (898 ff.). 249 Vgl. Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (899 f.). 250 Vgl. hierzu auch R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 95 ff.; ders., ZfB 54 (1984), 717 (728 ff.); monographisch Adams, Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte. 251 Vgl. R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 99 f. 252 Vgl. hierzu Armour/Mokal, Reforming the Governance of Corporate Rescue, S. 47 f.

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wertung von Mobiliarsicherheiten den Insolvenzverwalter stark in Anspruch nimmt, die Masse aber belastet. Es handelt sich um eine reine Umsetzung des Äquivalenzprinzips253, die keinen Ausgleich der Verteilungskonflikte zwischen den unterschiedlichen Gläubigergruppen zum Ziel hat. Aus der allgemeineren Fragestellung nach der Sinnhaftigkeit und effizienten Ausgestaltung eines Kreditsicherungsrechts wird im Folgenden allein der Teilaspekt herausgegriffen, in welcher Weise Sicherungsrechte auf die krisenbedingten Fehlanreize wirken, um damit die Frage beantworten zu können, ob sie im Zusammenspiel mit der Risikovergütung über den Zins ausreichenden Schutz zu gewährleisten vermögen. b) Personalsicherheiten Naturgemäß besonderen Einfluss auf das Anreizsystem von Gesellschaftern und Geschäftsleitung nimmt die Bestellung von Personalsicherheiten aus deren Privatvermögen. Wird beispielsweise eine Ausfallbürgschaft oder ein Schuldbeitritt eines Gesellschafters oder Geschäftsführers vereinbart, wird damit faktisch, wenn auch nicht dogmatisch, das Trennungsprinzip – teilweise – aufgehoben254. Ob eine natürliche Person, etwa als Einzelkaufmann oder Personengesellschafter, direkt und unmittelbar für Verbindlichkeiten aus einem Geschäftsbetrieb haften muss oder aber akzessorisch als Bürge für die Verbindlichkeiten einer GmbH, ist ein dogmatischkonstruktiver Unterschied, zeitigt aber die gleichen wirtschaftlichen Konsequenzen für das Vermögen der betroffenen Person. In dem Moment, in dem eine vollständige Ausfallhaftung des Gesellschafters für Gesellschaftsverbindlichkeiten vereinbart wird, steht der Gesellschafter mit seinem gesamten Vermögen ein. Das durch die Besonderheiten der Haftungsbeschränkung revidierte fehlerhafte Anreizsystem gelangt unter diesen Voraussetzungen nicht zum Durchbruch. Die wirtschaftlichen Folgen der Spekulationsstrategie sind vom Gesellschafter wieder in Rechnung zu stellen, da sie ihn – vermittelt über die Personalsicherheit – treffen. Insbesondere die Wahl von Handlungsalternativen mit negativem Erwartungswert wird irrational, da der Gesellschafter damit rechnen muss, dass sich der negative Erwartungswert durchsetzt. Nur wenn auch die persönliche Haftung eines Gesellschafters im Einzelfall faktisch aufgrund fehlender Vermögenswerte leer läuft, zeigen sich auch bei Existenz von Personalsicherheiten die fehlerhaften Anreize. Wie gezeigt, handelt es sich hierbei jedoch um kein spezifisch kapitalgesellschaftsrechtliches Phänomen, da es in gleicher Weise bei einem Einzelkaufmann oder dem persönlichen haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft auftreten kann. Für nicht residualan253

Vgl. hierzu Burger/Schellberg, ZfB 65 (1995), 411 (413 f.). Vgl. Meyer/Hermes, GmbHR 2005, 807 (812); Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (135); auch Kirstein, Kommentar zu G. H. Roth: Gläubigerschutz im Wettbewerb der Rechtsordnungen, S. 6: „Die Konstruktion aus GmbH und persönlichen Bürgschaften ist allenfalls noch steuerlich von der GbR zu unterscheiden, aber nicht im Hinblick auf die Haftung des Privatvermögens“. Zu ergänzen ist, dass die GmbH es auch dann noch ermöglicht, den personengesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Selbstorganschaft zu überwinden. 254

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spruchsberechtigte Geschäftsleiter ergeben sich vergleichbare Effekte. Dem möglichen Erhalt ihrer Anstellung müssen sie die Verluste im Falle des Scheiterns der Spekulationsstrategie gegenüberstellen. Auch hier gilt, dass sie zumindest auf jedes Projekt mit einem negativen Nettogegenwartswert verzichten werden. Festzuhalten ist aber auch, dass die Wiederherstellung des unrevidierten Anreizsystems durch die Vertragspraxis nicht vollständig erfolgt. Nicht jede Forderung gegen eine Gesellschaft wird durch die Vereinbarung einer persönlichen Einstandspflicht von Gesellschaftern und/oder Geschäftsleitern255 abgesichert. Im Einzelfall kann deshalb bei in Relation zum Umfang des besicherten Forderungsvolumens hinreichend großem Erwartungswert eine Spekulation doch subjektiv rational sein256. Und auch das andere Extrem einer weitgehenden Verpfändung der Vermögensgegenstände des Privatvermögens stellt keine rechtsökonomisch effiziente Lösung dar. Die Inpflichtnahme des Privatvermögens von Gesellschaftern und Geschäftsleitern tritt immer dann ein, wenn das Gesellschaftsvermögen nicht zur Befriedigung der Verbindlichkeiten ausreicht. Es unterbindet damit nicht allein opportunistisches Verhalten der Geschäftsleitung, sondern steigert auch die Risikoaversion der Entscheidungsträger auf Seiten der Gesellschaft. Der eigentlich durch die Haftungsbeschränkung intendierte Effekt, die Risikoaversion natürlicher Personen zu senken, wird durch Personalsicherheiten konterkariert257. c) Realsicherheiten Vor- und Nachteile von Realsicherheiten verhalten sich weitestgehend parallel zu denen von Personalsicherheiten. Auch Realsicherheiten ermöglichen eine Reduzierung der Kontrollintensität. Zu überwachen ist auch hier allein die Veränderung der Werthaltigkeit des Sicherungsgutes, die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Situation des Schuldners verliert an Bedeutung258. Dies gilt zumindest dann, wenn der Gläubiger im Insolvenzfall ein Aussonderungsrecht und nicht ein bloßes Absonderungsrecht auf vorzugsweise Befriedigung besitzt. Allerdings ist die Praxis dadurch gekennzeichnet, dass Realsicherheiten häufig primär aus dem Gesellschaftsvermögen und nicht aus dem Vermögen ihrer Gesellschafter und Geschäftsleiter gestellt werden. Diese Vermögensgegenstände sind in einer ernsthaften Krise der Gesellschaft, in der der endgültige wirtschaftliche Zusammenbruch und damit die Insolvenz droht, ohnehin verstrickt und aus diesem Grund keine entscheidungserhebliche Größe für die Entscheidungsträger der Unternehmung. Tendenziell ähnlich fällt der Befund auch dann aus, wenn es sich um Sicherungsge255 Das englische Recht kennt allerdings mit sec. 306 (1) CA die Möglichkeit, im memorandum of association eine persönliche Einstandspflicht für die Geschäftsleitung allgemein festzulegen. 256 Vgl. Mülbert, A synthetic view of different concepts of creditor protection, S. 20 f. 257 Ähnlich Whincop, in: Ramsay, 42 (52). 258 In Rechnung zu stellen ist darüber hinaus auch die Möglichkeit eines Verlusts aufgrund gutgläubigen Erwerbs durch einen Dritten.

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genstände aus dem Privatvermögen der Gesellschafter und Geschäftsführer handelt. Auch hier gilt, dass mit dem Sicherungsvertrag das Schicksal des oder der Einzelgegenstände notwendig von der finanzwirtschaftlichen Situation der Gesellschaft abhängt. Auch hier kann der Verlust des Gegenstands als Faktum betrachtet werden, das die Entscheidungsfindung nicht mehr beeinflusst. Opportunistisches Verhalten wird nicht unterbunden. Es gilt also wiederum der Befund, dass eine Entlastung durch Kreditsicherheiten mit einem Anstieg des allgemeinen unternehmerischen Risikos verbunden ist. d) Sicherungsmöglichkeiten unterschiedlicher Gläubigergruppen Nicht anders als im Falle der Risikoeskomptierung über den Zins muss auch im Falle von Kreditsicherheiten zwischen einzelnen Gläubigergruppen unterschieden werden. Entsprechend ihrer Bedeutung für die Unternehmensfinanzierung sind institutionelle Kreditgeber regelmäßig in der Lage, Sicherungswünsche gegenüber der Schuldnergesellschaft durchzusetzen259. Meyer und Hermes zufolge sind 78 % der von diesen ausgereichten Kredite besichert, wobei sowohl Personal- als auch Realsicherheiten vorkommen, allerdings mit einer deutlichen Tendenz, sich Grundpfandrechte einräumen zu lassen260. Die theoretische Gefahr eines suboptimalen Kontrollniveaus wird durch diesen empirischen Befund nahe gelegt. Insbesondere die immobiliarrechtliche Sicherung ermöglicht es institutionellen Kreditgebern als eigentlich geborenen Überwachern, die Krise einer Gesellschaft weitgehend auszublenden. Zwar ist auch für Geschäftsbanken die Bestellung von Sicherheiten mit einer Reihe von Unwägbarkeiten verbunden261, jedoch erscheinen diese als übersichtlich. Vergleichbares gilt im Fall der Warenlieferanten. Während Zweifel bestehen an ihrer Fähigkeit, sich das Ausfallrisiko der Gesellschaft über den Zins vergüten zu lassen, gestattet ihnen die Existenz standardisierter Sicherungsinstrumente wie Eigentumsvorbehalt und Sicherungszession eine transaktionskostenarme Bestellung von Sicherheiten, die in der Praxis häufig genutzt wird. Ein geringes Sicherungsniveau weisen hingegen die Forderungen von Dienstleistern und Werkunternehmern auf262, während Ansprüche von Arbeitnehmern und Kunden faktisch ungesichert sind. Eine Sonderrolle nehmen schließlich wiederum die unfreiwilligen Gläubiger ein. Ebenso wenig wie sie in der Lage sind, sich ihre Schädigung von der Gesellschaft abkaufen zu lassen, haben sie bereits per definitionem 259

Vgl. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Rn. 8-3 (=S. 211 f.). Vgl. Meyer/Hermes, GmbHR 2005, 807 (814); für den Spezialfall der Aufspaltung von Unternehmungen in Betriebs- und Besitzgesellschaften wurde in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine 80 %-ige Besicherungsquote festgestellt, vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 75 f. 261 Vgl. etwa Peltzer, GmbHR 1995, 15 (22). 262 Vgl. Mülbert, A synthetic view of different concepts of creditor protection, S. 20; Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 202; Goette, Stellungnahme RegE MoMiG, S. 3. 260

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keine Gelegenheit, etwaig entstehende Ansprüche für den Insolvenzfall zu besichern263. Vielmehr korrespondiert die den Vertragsgläubigern eingeräumte Möglichkeit der Bestellung von Sicherheiten für den Insolvenzfall ceteris paribus mit einer Verschlechterung der Befriedigungschancen der Deliktsgläubiger. Mit Priorität ausgestattete Sicherungsrechte schmälern die verbleibende Masse und stellen somit für einen unfreiwilligen Gläubiger, der keine willentliche Entscheidung für die Begründung einer ungesicherten Forderung getroffen hat, wirtschaftlich einen Vertrag zu Lasten Dritter dar264. Hiermit einher geht eine Gefährdung der Wohlfahrtseffekte, um derentwillen das System der außervertraglichen Haftung eingeführt wurde. Im Besonderen gilt dies für Gesellschaften, in denen die Gesellschafter faktisch kein Verlustrisiko zu tragen haben. Treffen die Folgen von Sorgfaltspflichtverstößen allein ein marginales Gesellschaftsvermögen, besteht kein Anreiz die korrespondierenden Sorgfaltsanforderungen einzuhalten, ebenso wenig wie ein Anreiz zur Versicherung265. 4. Covenants Im Rahmen der Privatautonomie sind Gläubiger nicht allein darauf verwiesen, ihr Verlustrisiko durch die Bestellung von Real- und Personalsicherheiten zu minimieren oder sich dieses über einen höheren Zins vergüten zu lassen. Vielmehr ist es darüber hinaus gehend möglich, Verhaltenspflichten für die Schuldnergesellschaft vertraglich zu begründen. Derartige Abreden können auch für die Krise der Gesellschaft ein spezielles Pflichtenprogramm festlegen266. Die Einräumung solcher Einflussrechte kann dabei auch im Interesse der Gesellschaft liegen. Einflussrechte minimieren im Idealfall die Gefahr opportunistischen Verhaltens, das Risiko der Kreditgewährung sinkt, was zu einem niedrigeren Zinssatz führt, sogenannte costly contracting hypothesis von Smith und Warner267. Tatsächlich beschränken sich real zu beobachtende Finanzierungskontrakte nicht auf die Festlegung der monetären Rechte und Pflichten der Beteiligten, sondern beinhalten gleichzeitig Informationsrechte und -pflichten sowie Einwirkungs- und

263 Vgl. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Rn. 8-3 (=S. 212); Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (491); Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1046). 264 Vgl. Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1068 f.); vgl. auch Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (491). 265 Vgl. Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1068 ff.) 266 Maesch/Voß, FB 2007, 1 (3 ff.); Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (789); Telfer, Risk and Insolvent Trading, 127 (130 f.). 267 Vgl. Baird/Jackson, Vand. L. Rev. 38 (1985), 829 (835); Davies, EBOR 7 (2006), 301 (310); Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1172); Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (136); Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (133 f.); K. M. Schmidt, in: Eidenmüller/Schön, The Law and Economics of Creditor Protection, 87 (88); Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (651) Fn. 12.

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Gestaltungsrechte268. Für den deutschen Rechtsraum als seit langem üblich bezeichnet werden können Negativklauseln269, Pari-Passu-Klauseln und Rangrücktrittsvereinbarungen für Gesellschafterdarlehen270. Weitaus verbreiteter und in den Erscheinungsformen sehr viel ausdifferenzierter sind derartige schuldrechtliche Nebenabreden im angelsächsischen, insbesondere US-amerikanischen Geschäftsverkehr in Form sogenannter Covenants. Je nach Ausgestaltung gewähren Covenants Einblick in und Einfluss auf die Geschäftsleitung und die Gestaltung des Schuldnerunternehmens271. Struktureller Unterschied zu den in Deutschland traditionellen Formen vertraglicher Nebenabreden zwischen Gläubiger und Schuldner ist, dass Covenants erstens bezogen auf die Gesamtsituation des Unternehmens formuliert werden, zweitens Mindestanforderungen an verschiedene betriebliche Kennziffern wie Verschuldung, Eigenkapital, Ertrag und Liquidität stellen und drittens, dass die Grenzen durch feste Zahlenwerte fixiert werden272. Besondere Bedeutung für das Ziel einer Verhaltenssteuerung der Geschäftsleitung kommt ihnen deshalb zu, weil sie im Gegensatz zur herkömmlichen „statischen und kurativen“ Besicherungspraxis, die nur den Unglückfall im Auge hat und versucht, „Stücke aus dem Leichnam zu holen und zu verwerten“, ,,die Prophylaxe in den Mittelpunkt stellen“273. Anders als die Besicherung suchen sie nicht den individuellen Schaden eines Gläubigers im Insolvenzfall gering zu halten, sondern dienen der Vermeidung der Insolvenz durch Begründung von Verhaltenspflichten für die Geschäftsleitung274. In einer ersten Unterscheidung kann zwischen reporting covenants, die dem Gläubiger Einblick in die Interna der Schuldnergesellschaft gewähren, und financial covenants, die bestimmte Bindungen der Geschäftspolitik des Kreditnehmers be-

268 Vgl. Breuer, Finanzierungstheorie, S. 7; R. H. Schmidt, KuK 14 (1981), 186 (210 f.); Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (413); Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (789). Für den Sonderfall von Hochzins (High Yield)-Anleihen vgl. auch Schlitt/Hekmat/Kasten, AG 2011, 429 (430 ff.), wobei allerdings zu beachten ist, dass es sich – abweichend vom klassischen Kreditgeschäft – nicht um laufend einzuhaltende maintenance, sondern anlassbezogene incurrence covenants handelt (sog. covenant package). Der maßgebliche Unterschied liegt in dem Umstand, dass insbesondere bestimmte financial covenants nicht in regelmäßigen Abständen durch die Konsorten auf ihre Einhaltung untersucht werden, sondern erst im Rahmen eines im package bezeichneten Anlasses, der zudem rechtspraktisch durch den Schuldner dem Anleihegläubiger bzw. dem Anleihetreuhänder anzeigt werden muss. 269 Vgl. Mucke, WM 2006, 1804 (1804 ff.). 270 Vgl. Wittig, WM 1996, 1381 (1382); teilweise auch als Instrument zur Absicherung eines zentralen Cash-Managements innerhalb einer Holding-Struktur vgl. Reuter, NZI 2001, 393 (394). 271 Vgl. Fleischer, ZIP 1998, 313 (313); Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (789); Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (651 f.); Thießen, ZBB 1996, 19 (19); Wittig, WM 1996, 1381 (1381); Nouvertné, ZIP 2012, 2139 (2140 ff.). 272 Vgl. Reuter, BB 2003, 1797 (1799); Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (790); Wittig, WM 1996, 1381 (1382). 273 Peltzer, GmbHR 1995, 15 (23). 274 Vgl. etwa Davies, EBOR 7 (2006), 302 (305); Fischel, Yale L. J. 89 (1989), 131 (136).

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inhalten, differenziert werden275. Daneben kennt die Praxis disposal of assets covenants, die den Erhalt des Schuldnervermögens sicherstellen sollen, in Deutschland aber wegen § 137 BGB nur begrenzt Wirksamkeit entfalten können276. Diesen verwandt sind negative pledge covenants, welche die Bestellung von Sicherheiten für Dritte an die Zustimmung des Vertragspartners binden277. Schließlich kann sich ein Gläubiger durch change of business covenants bzw. change of control covenants ein Zustimmungsrecht für wesentliche Unternehmensentscheidungen wie eine Änderung des Unternehmensgegenstandes oder einen Gesellschafterwechsel einräumen lassen278. Sanktioniert wird eine Zuwiderhandlung durch den Kreditnehmer (breach of covenants) im Regelfall durch sofortige Fälligstellung des Kredites und/oder die Verpflichtung des Kreditnehmers zur Bestellung weiterer Sicherheiten279. Im Einzelfall werden zusätzlich Erweiterungen von Zustimmungsrechten sowie die Umwandlung von Krediten in Eigenkapital (debt to equity swaps) vereinbart280. Reporting covenants lassen sich – in Abwesenheit gesetzlich vermittelter Einsichtsrechte – als Grundvoraussetzung für effektiven Selbstschutz der Gläubiger kennzeichnen281. Eine adäquate Reaktion auf gläubigergefährdendes Verhalten der Schuldnergesellschaft setzt voraus, dass dieses als solches überhaupt erkannt wird. Die Begründung von Informationsrechten der Gläubiger und Verhaltenspflichten der Schuldnergesellschaft kann gerade in der Krise zügige und effiziente Reaktionen

275 Vgl. Habersack, ZGR 1982, 384 (394); Maesch/Voß, FB 2007, 1 (4); Merkt, ZGR 2004, 305 (313); Nouvertné, ZIP 2012, 2139 (2140); Weitnauer, BKR 2005, 43 (48). Hinzutreten im Einzelfall spezielle sogenannte non-financial covenants vgl. Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (789). 276 Vgl. Maesch/Voß, FB 2007, 1 (4). 277 Vgl. Habersack, ZGR 1982, 384 (394); Mucke, WM 2006, 1804 (1804 ff.). Darüber hinaus übernehmen Covenants in den Vereinigten Staaten die Aufgaben, die in Deutschland bzw. Europa das System des Kapitalschutzes erfüllt, vgl. etwa Merkt, ZGR 2004, 305 (313); Ferran, The Place for Creditor Protection on the Agenda for Modernisation of Company Law in the European Union, S. 15. 278 Vgl. Maesch/Voß, FB 2007, 1 (4); Weitnauer, BKR 2005, 43 (48). 279 Vgl. Fleischer, ZIP 1998, 313 (313); Maesch/Voß, FB 2007, 1 (4); Nouvertné, ZIP 2012, 2139 (2140);Wittig, WM 1996, 1381 (1385); Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (413); Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (798). Alternativ erklären sich Banken in der Praxis gegen eine zusätzliche Gebühr mittels eines sog. Standstills oder Waivers bereit, für einen vorgegebenen Zeitraum, die aus einem breach of Covenants folgenden Exekutionsrechte nicht auszuüben. Vgl. etwa Nouvertné, ZIP 2012, 2139 (2141 f.); im Rahmen der Verhandlungen über einen Waiver können Banken zudem unter Umständen weitere Forderungen, etwa die Ersetzung des amtierenden Vorstands durch einen Sanierungsexperten, realisieren. Vgl. Baird/Rasmussen, U. Pa. L. Rev. 154 (2006), 1209 (1212) anhand des Beispiels des Doughnut –Franchisers Krispy Kreme Doughnut Corporation. 280 Vgl. Thießen, ZBB 1996, 19 (21); Wittig, WM 1996, 1381 (1385). 281 Vgl. Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (789); vgl. auch Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (136); Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (133 f.).

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seitens der Kreditgeber befördern282 und damit letztlich die Gefahr opportunistischen Verhaltens zu Lasten der Gläubiger verringern283. Financial covenants hingegen versuchen allgemein durch die Verpflichtung zur Einhaltung betriebswirtschaftlicher Kennziffern die Geschäftsleitung zu einer Berücksichtigung der Gläubigerinteressen zu veranlassen, die bei ausschließlicher Orientierung am Gesellschafts- bzw. Gesellschafterinteresse gerade nicht erfolgt. In einer Grobunterscheidung, die Hybriderscheinungsformen nicht berücksichtigt, kann zwischen Eigenkapitalklauseln, Verschuldungsgradklauseln, Zinsdeckungsklauseln und Liquiditätsklauseln differenziert werden284. Allen Klauselformen ist gemeinsam, dass sie die Möglichkeit zu opportunistischem Verhalten erheblich einschränken285. Eigenkapitalkennziffern (net worth requirements) verpflichten die Schuldnerin, ein Mindesteigenkapital vorzuhalten, das nicht unterschritten werden darf. Hierdurch wird sichergestellt, dass über die Gesamtdauer der Kreditierung für die Gesellschafter relevante Vermögenspositionen in der Gesellschaft gebunden sind. Hinreichend genau festgelegt und überwacht, wird Überinvestition hierdurch irrational. Wird darüber hinaus vertraglich ein konstantes Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital (debt-to-equity-ratio) festgelegt, werden auch die Fehlanreize zu Unterinvestition und Claim dilution adressiert. Die Verwässerung der bisher aufgebauten Fremdkapitalpositionen wird unmittelbar verboten286. Auch das Unterinvestitionsproblem wird vermieden, wenn durch Einhaltung der Covenants ein konstantes Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital garantiert wird, das den Gesellschaftern ausreichende Partizipation an den Zahlungsströmen ermöglicht. Zinsdeckungsklauseln sehen ein Verhältnis von EBIT bzw. EBITDA zum Gesamtzins, den der Kreditnehmer zu leisten hat, vor. Sie geben insbesondere darüber Auskunft, inwieweit der Schuldner in der Lage ist, Zinszahlungen aus den Unternehmenserträgen zu leisten287 und ermöglichen den Rückschluss, ob das Unternehmensergebnis für sich ausreicht, um den Fremdkapitaldienst zu leisten bzw. ob hinreichende Überschüsse für die Gesellschafter erwirtschaftet werden. Liquiditätskennzahlen schließlich dienen insbesondere dazu, dass aktivierte, aber noch nicht beglichene Forderungen kein fehlerhaftes Bild von der tatsächlichen Finanzlage der Gesell-

282 Vgl. Habersack, ZGR 1982, 384 (394); Maesch/Voß, FB 2007, 1 (3); Wittig, WM 1996, 1381 (1381 f.). 283 Vgl. etwa Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (413); Tung, Death of Corporate Contract, S. 26. Weitaus pessimistischer Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (497): „umso mehr als der Gewinn dieser Strategie [die Verwendung von Covenants] für die handelnden Gläubiger nicht erkennbar ist“. 284 Vgl. Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (790). 285 Vgl. Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (879); Jackson, Yale L. J. 91 (1982), 857 (888 ff.); Tung, Death of Corporate Contract, S. 25 ff.; Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (133 ff.); Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (45). 286 Bratton, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 37 (49 f.). 287 Vgl. Schackmann/Behling, FB 2004, 789 ( 791).

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schaft zeichnen288. Gerade in den Insolvenzen, in denen der Ausfall eines oder mehrerer bedeutender Kunden für die finanzwirtschaftliche Schieflage verantwortlich zeichnet, wird Gläubigern hiermit eine zeitnahe Reaktion ermöglicht. Covenants beschränken die Unternehmensführung durch die Geschäftsleitung nicht allein durch vorgeschriebene Bilanzkennziffern. Ist den Kreditgebern – etwa aufgrund von Branchenspezifika – bekannt, welche konkreten Handlungsvarianten der Gesellschaft zur Risikosteigerung zur Verfügung stehen, kann es diese durch sogenannte negative covenants bzw. non-financial covenants gänzlich verbieten oder aber an ihre Zustimmung binden289. Wird die entsprechende Handlung dennoch vorgenommen, stellt auch dies einen breach of covenants dar290. Gegen Covenants als geeignetes Instrument zur Managementdisziplinierung im Interesse der Gläubiger werden verschiedene Einwände formuliert. Für Deutschland wurde bis in die jüngste Vergangenheit der empirische Befund herangezogen, dass Covenants nicht stark verbreitet waren und folglich keine ausreichende Kontrolldichte zu gewährleisten vermochten. Im Rahmen der Integration globaler Kapitalmärkte ist aber auch für Deutschland und Kontinentaleuropa eine zunehmende Verbreitung zu attestieren291. Dieser Trend internationaler Konvergenz wird zusätzlich beschleunigt durch die Wahrnehmung, insbesondere der institutionellen Kreditgeber, dass das gesetzliche Gläubigerschutzsystem nicht in der Lage ist, Forderungsausfällen bei Unternehmensinsolvenzen in hinreichendem Maße entgegenzuwirken292. Für die Gegenwart wird man mittlerweile zu konstatieren haben, dass Covenants auch in Deutschland zu den Standardsicherungsinstrumenten einflussreicher professioneller Gläubiger zählen. Allerdings werden auch grundsätzlichere Einwände erhoben. Dies betrifft zunächst die zu Grunde liegende Datenbasis. Financial Covenants greifen auf Kennzahlen des unternehmensinternen Rechnungswesens zurück, die notwendig vergangenheitsorientiert sind. Dies beeinträchtigt ihre Funktion als Frühwarnsystem. Verschärft wird dies durch den Umstand, dass in krisengeschüttelten Unternehmen die Zahlenwerke oftmals lücken- und/oder fehlerhaft sind293. Diesem Missstand kann allerdings durch entsprechende Vertragsgestaltung entgegengewirkt werden, indem etwa der Kreditnehmer verpflichtet wird, in regelmäßigen Abständen über die augenblickliche Lage Bericht zu erstat288

Vgl. Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (791). Vgl. etwa Nouvertné, ZIP 2012, 2139 (2140 f.). 290 Vgl. Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (790); Tung, Journal of Business & Technology Law 1 (2007), 1201 (1213); vgl. auch Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (136). 291 Vgl. etwa Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (789): „inzwischen etabliertes Mittel der nachhaltigen Kreditsicherung“; vgl. auch Ferran, The Place for Creditor Protection on the Agenda for Modernisation of Company Law in the European Union, S. 6; Merkt, ZGR 2004, 305 (314); Nouvertné, ZIP 2012, 2139 (2140): „zunehmend auch bei der Mittelstandsfinanzierung verlangt und vereinbart“; Mucke, WM 2006, 1804 (1804 f.); Thießen, ZBB 1996, 19 (19). 292 Vgl. Wittig, WM 1996, 1381 (1381). 293 Vgl. Wittig, WM 1996, 1381 (1386); positiver demgegenüber Peltzer, GmbHR 1995, 15 (23). 289

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ten294. Eine unterjährige Berichtspflicht würde auch die beklagte lückenhafte Buchführung eindämmen, weil der Kreditnehmer Sanktionen nicht erst bei Ablauf der gesetzlichen Fristen zu fürchten hätte, sondern bereits vor Abschluss des Rechnungsjahres. Mit gleicher Argumentation lässt sich auch der weitere, gegen die Besicherung von Krediten durch Covenants vorgebrachte Einwand entkräften, dass Covenants für den Gläubiger wenig Nutzen generieren, wenn sie nur stichtagsbezogen einzuhalten sind295. Die gemachten Einwände können allerdings unter Berücksichtigung der Kontrollkosten durchaus Gewicht erlangen. Covenants bedingen für den Kreditgeber höhere Monitoring-Kosten als Kreditsicherheiten296. Informationsrechte (Reporting Covenants) müssen ausgeübt werden, was in concreto heißt, die Information muss beschafft, aufgearbeitet und analysiert werden. Vergleichbares gilt für Financial Covenants, da die schlichte Aussage des Kreditnehmers, die vereinbarten Zielwerte seien erreicht worden, ein Muster ohne Wert ist297. Diese Kosten fallen bei einer insolvenzfesten Besicherung nicht an. Ob demgegenüber die relativen Vorteile von Covenants dies auszugleichen vermögen, ist nicht eindeutig. Covenants können dem Kreditgeber den Gegenwartswert der Anschlussgeschäfte sichern, wenn sie dazu beitragen, einen vermeidbaren Unternehmenszusammenbruch abzuwenden. Die mit Covenants verbundene Intensivierung der Kontrolle erweist sich aus Sicht eines Gläubigers allerdings nur solange als rational, wie der Barwert der Anschlussgeschäfte den Barwert anfallender Kontrollkosten übersteigt. Denkbar erscheint also, dass die Verkürzung der Berichts- und Prüfungszeiträume ein nicht mehr legitimierbares Anwachsen der Kontrollkosten mit sich bringen würde, so dass die geschilderten Probleme – Vergangenheitsbezug und Stichtagsbezogenheit – in der Praxis nicht überwindbare Hürden darstellen. Bezüglich der Gläubigerseite erscheint schließlich wie im Falle der konventionellen Kreditsicherung eine Unterscheidung zwischen den einzelnen oben beschriebenen Gläubigergruppen geboten. Covenants sind stark individualisierte Vertragswerke, die auf Faktoren wie die Eigenart des Unternehmens (Größe, Rechtsform), Branche, allgemeines konjunkturelles Umfeld abgestimmt werden müssen298. Die Vereinbarung der Nebenabreden verursacht dementsprechend umfangreiche Transaktionskosten, die von hohen Ausübungs- und Durchsetzungskosten flankiert werden. Für Gläubiger erweist sich ihre Vereinbarung nur dann als 294

Vgl. hierzu etwa Reuter, BB 2003, 1797 (1799). So die Kritik von Wittig, WM 1996, 1381 (1384). 296 Vgl. Stulz/Johnson, J. Fin. Econ. 14 (1985), 501 (511 f.); Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 448. 297 Das gilt insbesondere mit Blick auf die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Schuldnerin und Gläubigern, die auch durch Reporting Covenants nicht vollständig überwunden werden kann, vgl. etwa K. M. Schmidt, in: Eidenmüller/Schön, The Law and Economics of Creditor Protection, 87 (90). 298 Vgl. Mülbert, A synthetic view of different concepts of creditor protection, S. 19 f.; Thießen, ZBB 1996, 1381 (1384); Wittig, WM 1996, 1381 (1384). 295

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lohnend, wenn umfänglichere Kreditvolumina in Rede stehen; anderenfalls übersteigt bereits der fixe Anteil der Vertragskosten den mit der Risikoreduktion verbundenen Nutzen. Für vorleistende Dienstleister, Werkunternehmer und Warenkreditgeber, die nur wenig umfängliche Transaktionen mit der Gesellschaft abwickeln, kommen Covenants als Sicherungsmittel damit nicht in Betracht299. Und für die Gruppe der unfreiwilligen Gläubiger gilt erneut, dass ihnen bereits die Möglichkeit fehlt, dieses Sicherungsinstrument zu verwenden300. Covenants tragen zum Schutz dieser Gläubigergruppen nur dann bei, wenn in Folge bestehender Covenants institutioneller Kreditgeber diese entweder Sanierungsmaßnahmen veranlassen und mit Sachverstand begleiten oder aber eine unausweichliche Liquidation der Schuldnerin rechtzeitig durch das vertraglich erzwungene Zusammenspiel zwischen Gesellschaft und Gläubigern eingeleitet wird301. Ein solcher reflexartiger Schutz der Gläubigergesamtheit ist aber nicht zwingende Folge der Existenz von Covenants; ein durch Covenants gesicherter Gläubiger handelt nicht pars pro toto derselben302, erfüllt also nicht die „Aufgabe eines Sachwalters der kleinen Gläubiger“303. Seine individuellen Interessen können mit denen der Restgläubigerschaft konfligieren. Beispielhaft sei genannt, dass dem durch Covenants gesicherten Gläubiger infolge eines Informationsrechts der unvermeidliche Zusammenbruch weit vor Eröffnung 299 Vgl. Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (652); Klöhn, ZGR 2008, 110 (151 f.); Kuntz, ZIP 2008, 814 (818); Priester, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 1 (6 f.); Telfer, Risk and Insolvent Trading, 127 (131.), der gleichzeitig darauf hinweist, dass mitnichten der Gläubiger zwingend die verhandlungsschwächere Partei ist; vgl. auch Merkt, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 93 (107). Für den Fall der Verbraucher Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (495). 300 Vgl. Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (652); zu der Möglichkeit, dass unfreiwillige Gläubiger mittelbar durch bestimmte Covenants mitgeschützt werden Merkt, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 93 (107 f.). 301 Sehr optimistisch Tung, Death of Corporate Contract, S. 26 ff.; Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1172); auch Klöhn, ZGR 2008, 110 (153 f.); Seibt, ZHR 171 (2004), 282 (294 f.); Wood, Principles of International Insolvency, S. 554; vgl. auch Baird/Jackson, Vand. L. Rev. 38 (1985), 829 (834 f.); Ferran, The Place for Creditor Protection on the Agenda for Modernisation of Company Law in the European Union, S. 9 f.; Merkt, ZGR 2004, 305 (313); Mülbert, DK 2004, 151 (157). 302 Vgl. Ferran, The Place for Creditor Protection on the Agenda for Modernisation of Company Law in the European Union, S. 10; Mülbert, A synthetic view of different concepts of creditor protection, S. 19 f.; Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 157 f.; Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (15); Kuhner, ZGR 2005, 753 (763); Tung, Death of Corporate Contract, S. 18. 303 Merkt, ZGR 2004, 305 (313); optimistischer ders., in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 93 (107 f.); deutlich auch Ferran, The Place for Creditor Protection on the Agenda for Modernisation of Company Law in the European Union, S. 10: „Furthermore, at the end of the day covenants are designed to protect the individual interests of the creditors who are parties to the relevant contracts rather than the collective interests of all creditors“. Vgl. des Weiteren Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (495 ff.); allerdings überkritisch; reduzieren Covenants den Opportunismus auf Seiten der Schuldnergesellschaft, profitieren davon alle Gläubiger. Positiver auch Mülbert, DK 2004, 151 (157).

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des Gesamtvollstreckungsverfahrens bekannt wird. Aus Sicht des informierten Gläubigers ist es rational, seine Forderungen entweder im Einvernehmen mit der Schuldnergesellschaft zu realisieren oder aber im Wege der Einzelzwangsvollstreckung Zugriff auf das verbliebene Gesellschaftsvermögen zu nehmen304. Während dem Einzelgläubiger dieser Informationsvorsprung eine maximale Befriedigungsquote verspricht, reduziert sich gleichzeitig die Befriedigungsquote der übrigen Gläubiger. Partielle Sicherung der ungesicherten Gläubiger gegenüber einer solchen allein individuell nutzenmaximierenden Strategie bietet die Vereinbarung einer cross-default-clause, die den Kreditnehmer verpflichtet, auch seine mit Dritten abgeschlossenen Verträge, insbesondere Kreditverträge, einzuhalten 305. Da diese allerdings wie auch ein negative pledge covenant ein rein schuldrechtliches Versprechen enthält bzw. in US-amerikanischer Diktion ein pure promise, erweisen sich derartige Covenants gerade im Ernstfall der Insolvenzfall als wirkungslos306. Die Wirksamkeit von Covenants als Instrument zur Begrenzung der financial agency costs hängt zuletzt maßgeblich von ihrer rechtlichen Behandlung ab. In diesem Zusammenhang wird befürchtet, dass die Vereinbarung vertraglicher Einflussrechte zum Anlass genommen wird für eine Umqualifizierung der durch Covenants gesicherten Kredite in materielles Eigenkapital307, dem „größte[n] anzunehmenden Unfall im Unternehmenskreditgeschäft“308. Kreditgeber wären dann gehalten, die Vorteile der Informations- und Einflussrechte abzuwägen gegen die Folgen eines dennoch erfolgenden Forderungsausfalles, die dann schwerer wiegen würden, weil materielles Eigenkapital überhaupt nicht oder doch nur nachrangig (§ 199 S. 1 InsO) bedient wird. Eine derartige Umqualifizierung würde Covenants einen wesentlichen Teil ihrer Attraktivität nehmen. Ansatzpunkte hierfür sind in der lex lata durchaus erkennbar. US-amerikanische Gerichte etwa haben auf Grundlage des auf die Deep-Rock-Doktrin des Supreme Court309 zurückgehenden § 510 (c) Bankruptcy Code Darlehen von Nichtgesellschaftern zurückgestellt (equitable subordination), wenn diese wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft genommen haben310. Ähnliches ist für das englische Recht zu beob304

Unter Berücksichtigung des Insolvenzrechtsregimes ist die Handlung möglicherweise nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbar. 305 Vgl. etwa Franke, ZfB 54 (1984), 692 (694); Maesch/Voß, FB 2007, 1 (4). 306 Vgl. das Fazit von Picker, U. Chi. L. Rev. 74 (2007), 1845 (1853): „[…] meaning that, when it actually mattered – at the point of debtor’s insolvency and when the negative pledge had been breached by granting a security interest – it was of no use at all“. 307 Vgl. hierzu etwa Maesch/Voß, FB 2007, 1 (4 ff.); Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (797ff); Reuter, NZI 2006, 393 (397 ff.). 308 Diem, BKR 2002, 1034 (1034). 309 Taylor v. Standard Gas and Electric Company, 306 U.S. 307 (1939), insbesondere S. 322 ff. Deep Rock selbst war eine durch Einflussnahmen von Standard in den Ruin geführte Tochter von Standard. Zweite Leitentscheidung ist Pepper v. Litton, 308 U.S. 295 (1939) 306 ff. 310 Vgl. Habersack, ZGR 1982, 384, 391 f.; Skeel/Krause-Vilmar, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 261 (265 ff.); Wiedemann, FS Beusch, 893 (912); von Bonin, in: Hirte/Bücker, § 10 Rn. 100.

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achten, wo der Grundsatz gilt, dass die Gleichbehandlung aller Gläubiger dann zu durchbrechen ist, wenn eine besondere Nähebeziehung des Gläubigers zum Schuldner vorliegt311, ebenso wie für das französische Recht, wo eine Sanktionierung des Kreditgebers wegen fehlerhafter Geschäftsführung droht312. In Deutschland sieht sich eine Fremdfinanzierung unter Zuhilfenahme von Covenants möglicherweise vergleichbaren Sanktionen auf der Grundlage von § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG a.F. bzw. den insolvenzrechtlichen Nachfolgeregelungen des MoMiG ausgesetzt. Wenn der BGH in seiner Pfandgläubigerentscheidung Kredite aufgrund gleichzeitig vereinbarter atypischer Einflussrechte als eigenkapitalersetzend qualifiziert hat313, könnte dies auch Standardrechtsfolge der Fixierung von Covenants sein, die ebenfalls weitgehende Einflussrechte vorsehen314. Alternativ droht der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB wegen sittenwidriger Knebelung der Schuldnergesellschaft bzw. die Erfassung als faktischer Geschäftsführer315. Gegen eine solche mögliche Qualifizierung wird allerdings für den Regelfall zu Recht eingewandt, dass „Covenants Ausdruck eines natürlichen Interessengegensatzes [sind], wie er zwischen den Parteien eines Austauschvertrages im Allgemeinen und zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer im Besonderen besteht“316. In der Tat können Covenants als grundsätzlich legitimes Mittel zur Begrenzung von Ausfallrisiken angesehen werden. Solange die Einflussnahme der Eindämmung von Moral Hazard und Hold Up dient, ist sie gerade vor dem Hintergrund der Zielsetzung effizienten Gläubigerschutzes zu begrüßen. Eine Grenze ist dann zu ziehen, wenn die Einflussnahme nicht mehr der Minimierung der financial agency costs dient, sondern der Kreditgeber seine Einflussrechte zur Ausbeutung der Positionen der Restgläubiger einsetzt, sich also seinerseits opportunistisch verhält. Im Ansatz zutreffend ist es deshalb, wenn im rechtswissenschaftlichen Schrifttum als zusätzliche Voraussetzung einer Umqualifizierung eines Darlehens in materielles Eigenkapital verlangt wird, dass der Darlehensgeber eine vermögensmäßige bzw. Ergebnisbeteiligung besitzt317. Dogmatisch rechtfertigen lässt sich diese Doppelanforderung an eine Umqualifizierung eines durch einen Dritten gestellten Kredits damit, dass mit einer gesellschafts311

Vgl. Odiath, LMCLQ 1990, 205 (209). Vgl. Merkt, ZGR 2004, 305 (314). 313 BGH, Urt. v. 13. 7. 1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191 (195 f.): „[…] insbesondere wenn er wie ein Gesellschafter die Geschicke der Gesellschaft mitzubestimmen berechtigt ist“. Vgl. hierzu Diem, BKR 2002, 1034 (1035 ff.); Maesch/Voß, FB 2007, 1 (6); Schackmann/ Behling, FB 2004, 789 (798); Weitnauer, BKR 2005, 43 (46), allgemein zur Pfandgläubigerentscheidung etwa Meier-Reimer, FS Rowedder, 245 (245 ff.). 314 Vgl. Cahn, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 289 (293); H. Schmidt, BKR 2007, 1 (2 f.); Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (797). 315 Vgl. Fleischer, ZIP 1998, 313, (314 ff.); Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (496). 316 Vgl. Habersack, ZGR 1982, 384 (397); vgl. auch Maesch/Voß, FB 2007, 1 (5); Weitnauer, BKR 2005, 43 (48 f.). 317 A.A. etwa Maesch/Voß, FB 2007, 1 (6 ff.) (Ergebnisbeteiligung auch in Form eines ergebnisabhängigen Zinssatzes bzw. Verpfändung von Gewinnansprüchen). 312

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rechtlichen Mitgliedschaft sowohl Teilhabe- als auch Vermögensrechte verbunden sind, beide sind Wesensmerkmale der Beteiligung318. In diesem Fall rückt der Fremdkapitalgeber in die Position eines Residualanspruchsberechtigten ein mit der Folge, dass auch er dem revidierten Anreizsystem der Krise ausgesetzt ist. Allerdings sollte noch weiter einschränkend verlangt werden, dass sich der Gläubiger auch faktisch opportunistisch verhält. Die Einnahme einer gesellschaftergleichen Stellung begründet grundsätzlich nur die Gefahr, dass die Position weiterer Gläubiger ausgebeutet wird, ob es hierzu tatsächlich kommt, ist hingegen offen. Trotz dieses positiven rechtsökonomischen Befundes ist nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung dennoch die durch Covenants vermittelte Einflussnahme extensiv sanktioniert. Denkbar ist zum einen, dass der Gesichtspunkt allgemeiner Verhaltensverantwortlichkeit hervorgehoben wird, zum anderen drohen die Gefahren der stark gesellschaftsrechtlich orientierten Betrachtungsweise, dass, wer Einfluss wie ein Gesellschafter nehme, sich auch ansonsten so behandeln lassen müsse319. Nicht die mit der Ausübung von Rechten intendierten Ziele würden bei einer solchen Betrachtungsweise zum Anknüpfungspunkt, sondern das Faktum der Ausübung von Rechten an sich. Nicht zuletzt können auch die vertraglich vereinbarten Sanktionen für den Fall eines breach of covenants mit zwingendem Gesetzesrecht konfligieren. So kann insbesondere die Verpflichtung zur Bestellung weiterer Sicherheiten aufgrund inkongruenter Deckung nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbar sein320. Ist die vertraglich vereinbarte Sanktion aufgrund Verstoßes gegen die Rechtsordnung unwirksam, verliert sie ihr verhaltenssteuerndes Drohpotential für die Schuldnergesellschaft. Der mit der Vereinbarung von Covenants im Gläubigerinteresse erzielte Disziplinierungseffekt bliebe damit theoretischer Natur. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Covenants zunächst ein Instrument darstellen, die Gefahr opportunistischen Verhaltens zu mindern. Ermöglicht wird eine Einflussnahme auf die Geschäftspolitik durch die Gläubiger, so dass diese nicht mehr ausschließlich an den Interessen der Gesellschafter ausgerichtet werden kann. Andererseits sind derartige vertragliche Nebenabreden kostenintensiv und deshalb nicht für jeden Kreditgeber attraktiv. Die Dichte der Überwachung ist somit unvollständig. Schließlich birgt eine schuldrechtliche Vereinbarung in Mehrpersonenverhältnissen auch hier die Gefahr, dass ein einzelner Gläubiger seine Position in ineffizienter Weise zu Lasten der anderen Gläubiger ausnutzt bzw. hierzu kollusiv mit der Gesellschaft und ihrer unternehmerischen Führung zusammenwirkt.

318 319 320

Vgl. Weitnauer, BKR 2005, 43 (45). Vgl. etwa Weitnauer, BKR 2005, 43 (45); s.a. Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (798). Vgl. Maesch/Voß, FB 2007, 1 (4 Fn. 45).

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5. Versicherungspflicht Für die Rechtswissenschaft, die den Gläubiger oftmals in einer Opferrolle sieht, nicht unbedingt naheliegend, aber unter Berücksichtigung der Kernaussage des Coase-Theorems nicht von vorneherein ausgeschlossen ist es, Gläubiger – sozusagen nach dem Grundsatz ius civile scriptum est vigilantibus321 – darauf zu verweisen, sich gegen die Risiken, die aus der Insolvenz einer beschränkt haftenden Gesellschaft resultieren, zu versichern (caveat creditor)322. Eine Versicherungspflicht der Gläubiger beseitigt theoretisch die Notwendigkeit einer Organhaftung323. Die negativen Folgen einer Insolvenz werden in diesem Fall durch den Versicherer getragen, während die Gläubiger allein die entsprechenden Prämien zu entrichten hätten. Praktischer Vorteil dieser Lösung ist das Fehlen jeglicher Implementierungsprobleme. Verweigert man den Gläubigern einer beschränkt haftenden Gesellschaft gesetzliche Ansprüche gegen Gesellschafter und Geschäftsleitung, besteht faktisch eine Versicherungspflicht – insbesondere auch für die Gläubiger, die nicht in der Lage sind, sich Sicherheiten einräumen zu lassen. Auch entstehen keine Transaktionskosten der Rechtsdurchsetzung (Prozesskosten), da diese bei Anwendung des Grundsatzes casum sentit dominus annahmegemäß gleich Null sind324. Schließlich ist es über eine Versicherungspflicht der Gläubiger möglich, auch die Risiken der Deliktsgläubiger zu kompensieren, was sich insbesondere dann als effiziente Lösung darstellen würde, wenn unfreiwillige Gläubiger in Relation zu Gesellschaftern und Gläubigern überlegene Risikoträger wären325. Zweifel bestehen jedoch bereits an der Existenz eines ausreichenden Versicherungsmarktes, weil Akteure Risiken aus verschiedenen Gründen nicht vollständig versichern326. Im vorliegenden Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist, dass durch eine Versicherungspflicht dem beschriebenen Krisenphänomen, dass es zur Durchführung von Investitionsprojekten mit negativem Gegenwartswert kommt, nicht entgegengewirkt wird. Die Anreize für Gesellschafter und Geschäftsleiter, die Haftungsbeschränkung zu Lasten der Gläubiger auszunutzen, werden nicht beseitigt, weil die Versicherung keine Einwirkungsmöglichkeit auf die mit ihr vertraglich nicht verbundene Geschäftsleitung hat. Den Ineffizienzen, die aus der krisenbedingten Revision des Anreizsystems resultieren, würde damit nicht entgegengesteuert. 321

D. 42.8.24 (Cervidius Scaevola). Eine Versicherungspflicht der Opfer wurde allerdings für den Bereich der Verkehrsunfälle von von Hippel und Tunc in die Diskussion eingebracht. Vgl. hierzu Adams, Ökonomische Analyse der Gefährdungs- und Verschuldenshaftung, S. 12 ff. In der rechtsökonomischen Diskussion vertreten insbesondere die Contractarians eine Pflicht der Gläubiger, sich zu versichern, vgl. hierzu Keay, Wrongful Trading and the Liability of Company Directors, S. 10 ff. 323 Vgl. Shavell, Foundations of Economic Analysis of Law, S. 175. 324 Vgl. Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (142). 325 Vgl. Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1603). 326 Vgl. Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1603). 322

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III. Marktimmanente/Intrinsische Managementkontrolle 1. Arbeitsmarktdisziplinierung Geschäftsleitung stellt eine spezifisch konfigurierte Dienstleistung dar, die auf einem Segment des Arbeitsmarktes nachgefragt wird. Die Selektions- und Steuerungsfunktion des Marktes entscheidet, ob ein Geschäftsleiter eine Anstellung erhält und zu welchen Konditionen. Auf diesem Markt für Führungskräfte sehen sich amtierende Geschäftsleiter einer doppelten Konkurrenz ausgesetzt. Unternehmensintern droht die Ersetzung durch Angehörige niederer Führungsebenen, während von außen die latente Drohung einer Ersetzung durch einen Unternehmensfremden besteht327. Geschäftsleiter, die aufgrund des Rationalitätsaxioms versuchen, den Nettogegenwartswert ihres Lebenseinkommens zu maximieren, sind damit angehalten, die Erwartungen des Marktes für Führungskräfte zu (über)treffen. Die Wahl spekulativer Handlungsstrategien wird unterbunden, sofern der Markt für Führungskräfte hierauf mit empfindlichen Abschlägen bei der Vergütung reagiert328. Bedenken hinsichtlich der generellen Eignung des Arbeitsmarktes zur Beschränkung der Agenturkosten des Fremdkapitals weckt zunächst die Überlegung, dass die Nachfrageseite dieses Marktes aus den Arbeitgebern, wirtschaftlich also den Gesellschaftern, gebildet wird. Die Gesellschafter als Residualanspruchsberechtigte sind die Personen, die das größte wirtschaftliche Interesse an einer Spekulation auf Kosten der Gläubiger haben. Konsequenterweise sollten gerade solche Geschäftsleiter nachgefragt werden, die neben der allgemeinen Eignung auch die Bereitschaft mitbringen, dem revidierten Anreizsystem in der Krise der Kapitalgesellschaft entsprechend zu handeln. Ceteris paribus nimmt ein hierzu bereiter Geschäftsleiter aus Sicht der Gesellschafter eine weitere günstige Option wahr. Korrespondierend ist der Marktwert des durch diesen Geschäftsleiter zur Verfügung gestellten Humankapitals höher. Verlässt man diese ceteris paribus-Betrachtung, erscheint eine Milderung der Fehlanreize durch den Markt für Führungskräfte möglich. Anteilseigner haben etwaige Reaktionen der Faktormärkte, insbesondere der Kapital- und Kreditmärkte, auf ihre Personalentscheidungen in Rechnung zu stellen. Antizipieren Kreditgeber, dass sich die Geschäftsleitung der Schuldnerin in einer möglichen Krise opportunistisch verhält, erhöhen sie den Zins als Reaktion auf die Anstellung eines solchen

327

Grundlegend Fama, J. Pol. Econ. 88 (1980), 288 (289); vgl. auch Spremann, Wirtschaft, Investition und Finanzierung, S. 685; Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (704); Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 231 ff.; kritisch zur Innendisziplinierung Wenger, JNPÖ 6 (1987), 217 (230 f.). 328 Vgl. hierzu Fama, J. Pol. Econ. 88 (1980), 288 (292); Mokal, Cambridge Law Journal 2000, 335 (350); Telfer, Risk and Insolvent Trading, 127 (133); ohne ausdrückliche Inbezugnahme der rechtsökonomischen Theorie grundsätzlich positiv gegenüber der Disziplinierungskraft für freigesetzte Führungskräfte Horn, ZIP 1997, 1129 (1130 f.); vgl. auch Spindler, JZ 2006, 839 (842).

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Geschäftsleiters329. Die Gesellschafter sehen sich somit im Zeitpunkt der Anstellung vor die Alternativen gestellt, den im Ernstfall zu Opportunismus bereiten Geschäftsleiter einzustellen und dafür am Kreditmarkt durch ungünstigere Konditionen bestraft zu werden, oder aber einen Geschäftsleiter, der Gewähr für eine rationale Unternehmenspolitik bietet, um hierfür durch einen niedrigeren Zinssatz entlohnt zu werden. Der grundsätzlich zu Opportunismus bereite Geschäftsleiter selbst muss etwaige Rückwirkungen auf den Nettogegenwartswert seines Lebenseinkommens berücksichtigen. Weil die Gesellschaft, die den zur Risikosteigerung bereiten Manager einstellt, höhere Zinsen zu tragen hat, wird ein Geschäftsleiter, der mit diesem Makel behaftet ist, bei einer Wiederbeschäftigung nur eine verschlechterte Vergütung aushandeln können oder aber im aus seiner Sicht worst case überhaupt keine Anstellung mehr finden330. Es bestehen jedoch Zweifel an der reibungslosen Funktion dieses Mechanismus331. Die Drohung steigender Zinssätze entfaltet keine disziplinierende Wirkung, wenn die Gesellschaft an einer Bewertung der Leistung ihrer Geschäftsleitung durch den Kapital- und Kreditmarkt nicht interessiert ist332. Die Krise der Unternehmung stellt aufgrund ihres Endspielcharakters den Lehrbuchfall einer solchen Situation dar333. Die Disziplinierungskraft des Marktes für Führungskräfte hängt damit entscheidend davon ab, inwieweit Gesellschafter und Geschäftsleiter nach der Liquidation der betroffenen Gesellschaft mit weiteren Sanktionen zu rechnen haben. In diesem Zusammenhang bleibt im theoretischen Grundmodell zunächst ausgeblendet, dass auch Managementleistungen ihrerseits firmen- oder branchenspezifisch sind334. Je firmenspezifischer die Arbeitsleistung des konkreten Geschäftsleiters ist, desto weniger marktgängig ist sie335. Ein Geschäftsleiter, der auf opportunistisches Verhalten verzichtet, bezieht in einer vergleichbaren Alternativbeschäftigung nicht notwendig ein vergleichbares Einkommen. Die Verteidigung der bisherigen Stellung durch überriskante Strategien kann damit auch bei eigentlich hoffnungsloser Lage dominierender Handlungsimpetus werden336. Und auch für den Fall, dass der Geschäftsleiter allgemein marktfähige Qualifikationen besitzt, bleibt der Verlust der bisherigen und die Suche nach einer neuen Anstellung mit Risiken und Kosten (Anbahnungs- und Abschlusskosten) verbunden, die höher sein können als die 329 Vgl. Mokal, Corporate Insolvency Law, S. 285 ff.; vgl. auch Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (704). 330 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 302 (308 f.); vgl. auch Keay, Wrongful Trading and the Liability of Company Directors, S. 16; Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1171). 331 Überblick über verschiedene Kritikstränge bei Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 232 ff. 332 Vgl. Mokal, Cambridge L. J. 335 (352); Whincop, in: Ramsay, 42 (55). 333 Vgl. Whincop, in: Ramsay, 42 (55). 334 Vgl. Mokal, Cambridge L. J., 335 (350 f.). 335 Vgl. Schmitz-Herscheidt, JNPÖ 2 (1983), 181 (205). 336 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 302 (308).

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Nachteile, die aus dem Scheitern einer Spekulation für den Barwert seines Lebenseinkommens resultieren337. Markttechnisch sind zusätzlich die Folgen unvollständiger und asymmetrischer Information zu berücksichtigen, die erhebliche Bedeutung für den Grad der disziplinierenden Wirkung besitzen. Die Bewertungsfähigkeit des Marktes für Führungskräfte ist in der Praxis stark abhängig von dem konkreten Tätigkeitsfeld des Geschäftsleiters. Zur Bewertung der Performance des Vorstands einer börsennotierten Kapitalgesellschaft steht sowohl ein umfangreicher Informationspool als auch eine durch professionelle Informationsintermediäre vorgenommene Sichtung dieser Daten zur Verfügung, die sich durch Dienstleister wie RiskMetrics bis hin zu konkreten Handlungsanweisungen, z. B. über die Frage der Entlastung verdichten. Diese Informationen sind zu einem nicht unerheblichen Teil auch für Nicht-Insider verfügbar, da Analysten und allgemeine Wirtschaftspresse die ausgewerteten Daten für die Allgemeinheit aufbereiten338. Nicht zuletzt werden bei Kapitalmarktgesellschaften Informationen, die den Marktwert beeinflussen, eingepreist und damit durch den Börsenkurs zeitnah der Allgemeinheit signalisiert. Insbesondere krisenhafte Entwicklungen solcher Unternehmen stehen im Fokus einer breiten Öffentlichkeit. Für den Markt für Führungskräfte heißt das, dass mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden kann, ob der Manager trotz fehlerfreier Arbeitsleistung Opfer ungünstiger Umstände geworden ist, die Erblast eines Vorgängers zu drückend war, um einen turn-around zu realisieren, allgemeine Marktentwicklungen eine Branche getroffen haben oder aber individuelles Verschulden der Geschäftsleiter den Niedergang der Unternehmung herbeigeführt hat. Ein Zugriff auf Bewertungen der Managementleistungen der betreffenden Personen ist damit ohne prohibitiv hohe Kosten möglich. Für kleine Gesellschaften hingegen ist eine Bewertung weitaus schwieriger339. Diese stehen regelmäßig nicht im Fokus des Medieninteresses, so dass auch die durch die zwingenden Publizitätsvorschriften erhältlichen Informationen nicht immer in komprimierter Form vorliegen werden. Berücksichtigt man die Zahl von ca. einer Million GmbH in Deutschland, ist evident, dass selbst für Geschäftsbanken die Evaluierung einzelner Manager nicht geleistet werden kann. Aus Gründen notwendiger Komplexitätsreduktion sind Kreditgeber und Informationsintermediäre damit gezwungen, zur Beurteilung dieser Geschäftsleiter auf weniger aussagekräftige Kennziffern und Umstände zurückzugreifen, die nicht kontinuierlich erhoben werden, sondern bedarfsabhängig im Einzelfall. Für das bewertungsrelevante Merkmal „Krisengebaren der Geschäftsleitung“ muss davon ausgegangen werden, dass die bloße Tatsache, dass das Unternehmen in die Insolvenz geführt wird, einen 337

Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 302 (308). Vgl. allerdings kritisch zur Interessenverquickung von Analysten und den Rückwirkungen auf ihre Empfehlungen Coffee, Cornell L. Rev. 89 (2004), 269 (282 ff.). 339 Zweifelnd an der Bewertungsfähigkeit des Marktes für Führungskräfte kleiner Gesellschaften auch Keay, Wrongful Trading and the Liability of Companies Directors, S. 16. 338

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entscheidenden Faktor bei der Bewertung darstellt340. Hiermit wird für Geschäftsleiter ein starker Anreiz gesetzt, alles in die Rettung der Gesellschaft zu investieren. Vermag der Verzicht auf opportunistisches Verhalten den Makel der Insolvenz nicht abzuwenden oder doch zu mildern, besteht für den vor die Wahl gestellten Geschäftsleiter kein Anlass, die Gesellschaft ordnungsgemäß abzuwickeln. Schließlich ist auch empirisch der Konnex zwischen Performance und Entlohnung angezweifelt worden. Medoff/Abraham etwa konstatieren, dass die Entgelthöhe in den von ihnen untersuchten Unternehmen weniger Ausdruck der individuell erbrachten Leistung als vielmehr proportional zur Zeit ist, die die Führungskraft im entsprechenden Unternehmen verbracht hat341. Für die Eignung des Marktes für Führungskräfte zur Disziplinierung des Managements fasst Wenger resignierend zusammen, dass „ihr Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber nur noch von einem Grundsatz geprägt sein kann: Bis dass der Tod uns scheidet“342. Zumindest für große börsennotierte Gesellschaften wird man aber auch in zunehmendem Maße zu konstatieren haben, dass sich die Halbwertszeit einer Vorstandskarriere drastisch verringert hat. Dennoch wird man im Gesamtergebnis festhalten müssen, dass die durch den Markt für Führungskräfte geleistete Disziplinierung gerade bezüglich der spezifischen Krisenanreize höchst unvollständig ist343. 2. Kapitalmarktdisziplinierung a) Der Kapitalmarkt als Disziplinierungsinstrument Unter der Grundannahme, dass die Leitungsmacht über eine Kapitalgesellschaft ein marktfähiges Gut ist, dienen Zusammenschlüsse und Übernahmen nicht allein der Verwirklichung von Skalenerträgen, Synergien und Monopol- bzw. Oligopolrenten, sondern sind auch Reaktion des Kapitalmarktes auf eine Unterbewertung des Unternehmens als Folge eines suboptimalen Einsatzes des dispositiven Faktors344. Auf informationseffizienten Kapitalmärkten spiegeln Börsenkurse den tatsächlichen Wert der Unternehmung wieder345. Erweist sich die Leistung der aktuell operierenden Geschäftsleitung als suboptimal, entsteht eine Diskrepanz zwischen tat340 Ähnlich Davis, U. Chi. L. Rev. 76 (2009), 83 (92): „If the company is forced into bankruptcy, the directors may be exposed to liability on a number of theories and would at minimum suffer a blow to their reputations“. 341 Medoff/Abraham, Quarterly Journal of Economics 95 (1980), 703 (703 ff.). 342 Wenger, JNPÖ 6 (1987), 217 (229). 343 Grundsätzlich skeptisch auch Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 234. A.A. etwa Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1171). 344 Vgl. Manne, J. Pol. Econ. 73 (1965), 110 (112); Jensen/Ruback, J. Fin. Econ. 11 (1983), 5 (5 ff.); siehe auch Baums/Scott, Taking Shareholder Protection Seriously? S. 14 f.; Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1047); Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 468 ff.; Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 121 ff. 345 Vgl. Manne, J. Pol. Econ. 73 (1965), 110 (112).

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sächlich realisierten Gewinnen und denen, die bei Einsatz eines Benchmark-Managements zu erzielen wären. Weil das Ertragspotential der Unternehmung nicht ausgeschöpft wird, entsteht eine Übernahmedrohung, nach deren Vollzug die eigentlich erzielbaren Gewinne generiert werden346. Die Geschäftsleitungen kapitalmarktnaher Unternehmungen sehen sich damit beständig einer latenten Übernahmedrohung ausgesetzt347. Da die Transaktion allein darauf gerichtet ist, das alte Management zu ersetzen, müssen die Geschäftsleiter bestmöglichen Einsatz zeigen, um nicht in Folge einer Übernahme ihre Organstellung und damit einen Teil ihres Lebenseinkommens zu verlieren. Dieser Druck führt zu einer strikteren Orientierung am Ziel der Unternehmenswertmaximierung und damit zu einer Reduktion sowohl der Agenturkosten des Eigen- als auch des Fremdkapitals348. Bedeutung kommt dem einerseits zu, weil annahmegemäß diversifizierte Investoren keinen Anreiz zur Wahrnehmung ihrer Kontrollrechte besitzen349, andererseits es keine durch Legislative und Jurisdiktion endgültig objektivierbaren Standards guter Unternehmensführung gibt350. Im Gegensatz hierzu sichert der Börsenkurs bis zu einem gewissen Grad Objektivität, weil er die Summe der individuellen Bewertungen einer unüberschaubaren Zahl von Investoren widerspiegelt, die, wenn sie selbst nicht über hinreichende Informationen verfügen, auf die Informationssammlungen professioneller Intermediäre wie Banken, Fonds und institutioneller Anlegern zurückgreifen können. Hervorstechendstes wirtschaftshistorisches Beispiel dieses Mechanismus stellt das in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts zu beobachtende Phänomen der corporate raiders dar351. Übernahmedrohung und damit auch der verbundene Disziplinierungseffekt sind aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unvollständig352. Vollständig wäre eine 346 Vgl. Jensen/Ruback, J. Fin. Econ. 11 (1983), 5 (5 ff.); Adams, AG 1990, 63 (64); ders., AG 1990, 243 (244); Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 121. 347 Vgl. Jensen/Ruback, J. Fin. Econ. 11 (1983), 5 (43 ff.); Teichmann, ZGR 2001, 645 (646). 348 Vgl. Manne, J. Pol. Econ. 73 (1965), 110 (112); vgl. auch Baums, Feindliche Übernahmen und Managementkontrolle, S. 1 f.; Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1041); Hopt, Modern Company and Capital Market Problems, S. 32; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 422; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 657; Schanz, NZG 2000, 338 (339). 349 Adams, AG 1990, 243 (244). 350 Vgl. Adams, AG 1990, 63 (70). 351 Illustriert wird dies durch die Aussage T Boone Pickens, seinerzeit einer der umstrittensten raiders, dass drastische Managementfehlleistungen Auslöser der zwei größten Übernahmen gewesen seien: „management had compiled a miserable longterm operating record“. Boone Pickens Jr., Harv. Bus. Rev. 64 (1986), 375 (375). Dahinter stand allerdings gleichzeitig auch die allgemeine Managementdebatte zwischen Konglomerats- und Konzentrationsstrategien, vgl. etwa Adams, AG 1990, 63 (65). 352 Überblick über die Kritik an der Kapitalmarktdisziplinierung bei Meier-Schatz, ZHR 149 (1985), 76 (95 ff.); Bedenken auch bei Wenger, JNPÖ 6 (1987), 217 (221); Kort, in: GroßKommAktG, § 76 Rn. 101. Überblick über frühe empirische Studien bei Jensen/Ruback, J. Fin. Economics 11 (1983), 5 (5 ff.).

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Übernahmedrohung nur in einer transaktionskostenfreien Welt353. Informationskosten einerseits und Transaktionskosten, d. h. vorliegend die Gesamtheit der M&AKosten, andererseits, reduzieren die Möglichkeit von Arbitrage auf dem Markt für Unternehmenskontrolle354. Die Unvollständigkeit der Drohung beseitigt allerdings nicht zur Gänze den disziplinierenden Effekt, sondern nur dann, wenn Transaktionsund Informationskosten die mit der Übernahme verbundenen Effizienzgewinne übersteigen. Zumindest für besonders erfolglos wirtschaftende Geschäftsleitungen bleibt die Übernahmedrohung folglich virulent355. Diesen den Friktionen realer Kapitalmärkte geschuldeten Effekt mag man dahingehend interpretieren, dass auch der Markt für Unternehmenskontrolle Geschäftsleitern faktisch ein business judgment einräumt. Erst wenn die Geschäftsleitung evident und gravierend gegen das Gebot der Marktwertmaximierung verstößt, wird sie ersetzt356. Schwerer wiegt die Beobachtung, dass die Existenz von Transaktionskosten entgegen gesetzte Effekte wie greenmailings (targeted repurchase agreements bzw. stand-still-agreements) zu induzieren vermag. Hier erwirbt ein Investor einen Teil der Aktien und droht mit der vollständigen Übernahme der Gesellschaft, falls diese ihm sein Aktienpaket nicht zu einem über dem Ankaufspreis liegenden Rückkaufpreis abnimmt357. Das ineffiziente Management wird also gerade nicht ersetzt, sondern verbleibt im Amt, während die Gesellschaft – Anteilseigner, Gläubiger und weitere Stakeholder – mit den sunk costs des Greenmailing belastet wird358. Der Grad der Eignung des Kapitalmarktes zur Disziplinierung der Geschäftsleitung hängt weiter davon ab, inwieweit Börsenkurse überhaupt einen korrekten Indikator für Managementleistungen darstellen359. Dahinter steht die grundsätzliche Frage, ob Kapitalmärkte informationseffizient sind und wenn ja, in welchem Grade360. In diesem Zusammenhang hat unlängst Michael C. Jensen darauf hingewiesen, dass fehlende Informationseffizienz nicht allein die Möglichkeit einer fundamental nicht gerechtfertigten Unterbewertung, sondern auch einer Überwertung umschließt. Überwertung definiert Jensen als einen Zustand der Gesellschaft, indem die Geschäftsleitung objektiv nicht im Stande ist, eine dem Börsenkurs entsprechende Performance zu erbringen361. Als Beispiele aus der Praxis sind World353

Vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 422. Vgl. Meier-Schatz, ZHR 149 (1985), 76 (105 f.). 355 Vgl. Manne, J. Pol. Econ. 73 (1965), 110 (113). 356 Vgl. Meier-Schatz, ZHR 149 (1985), 76 (106). 357 Vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 422; Anabtawi/Stout, Stan. L. Rev. 60 (2008), 1255 (1385); Schaefer/Eichner, NZG 2003, 150 (152). 358 Wenn auch gemildert durch die Neufassung des Internal Revenue Code von 1987: I.R.C. § 5881 (2000). Zur Behandlung im deutschen Recht etwa Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 125. 359 Vgl. Baums, Feindliche Übernahmen und Managementkontrolle, S. 5; Teichmann, ZGR 2001, 645 (658). 360 Vgl. auch Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1048). 361 Vgl. Jensen, Agency Costs of Overvalued Equity, S. 2. 354

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Com, Enron, Nortel und eToys zu nennen, also gerade jene Unternehmen, deren Zusammenbruch in den Vereinigten Staaten die Verabschiedung des SarbanesOxley-Act zur Folge hatte und in Europa die Corporate Governance-Debatte intensiviert hat. Die Problematik einer Überbewertung liegt darin, dass der Markt für Unternehmenskontrolle hierauf nicht reagieren kann. Kauf eines überbewerteten Unternehmens, Beseitigung der Überbewertung und gewinnbringender Verkauf ist nicht möglich362. Bedenken gegen die Disziplinierungsfunktion des Kapitalmarktes werden schließlich unter Verweis auf die Praxis formuliert, in der eine Vielzahl freundlicher und feindlicher Übernahmen nicht der Absetzung einer suboptimal agierenden Geschäftsleitung dient, sondern der Realisierung vermeintlicher und tatsächlicher Synergieeffekte bzw. einem empire building363. Allerdings ist damit keine Aussage über die generelle Wirksamkeit des Instruments verbunden; vielmehr bewahrt diese Beobachtung allein vor dem sicherlich fehlerhaften Befund, dass in allen real zu beobachtenden Übernahmen über den Markt für Unternehmenskontrolle ein erfolgloser Vorstand abgestraft würde – eine Überevaluierung der Effektivität der Kontrolle durch den Kapitalmarkt wird vermieden364. Neben diese sich bereits aus der (aktuellen) Natur des Kapitalmarktes ergebenden Friktionen treten zahlreiche kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtliche Institute der Lex lata, die die Übernahmedrohung entschärfen, wenn nicht beseitigen365. Allgemein könnte die Übernahmedrohung mit dem in § 76 Abs. 1 AktG festgeschriebenen Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands nicht zu vereinbaren sein, die diesen nach wohl nahezu einhelliger, aber nicht durchgehend überzeugender Auffassung im juristischen Schrifttum ermächtigt, von der Vorgabe strenger Marktwertmaximierung abzuweichen366. Zu berücksichtigen ist andererseits, dass eine Übernahme mit diesem Grundsatz dann nicht konfligiert, wenn sie die in der Satzung der Gesellschaft festgeschriebenen, von der Gewinnmaximierung abweichenden Ziele effizienter zu erreichen vermag367. Hinzu treten die zahlreichen Hindernisse der praktischen Durchführung einer Übernahme368 wie Höchst- und Mehrfachstimm-

362

Vgl. Jensen, Agency Costs of Overvalued Equity, S. 2. Vgl. Meier-Schatz, ZHR 149 (1985), 76 (101); Teichmann, ZGR 2001, 645 (659). 364 Vgl. Hopt, Company and Capital Market Problems, S. 32 f. 365 Vgl. Teichmann, ZGR 2001, 645 (660 f.); Schanz, NZG 2000, 337 (337 ff.); für die USA etwa schon Jensen/Ruback, J. Fin. Econ. 11 (1983), 5 (22 ff.) zu den negativen Wohlfahrtseffekten der Übernahmeregulierung. 366 Zum Unternehmensinteresse im Übernahmekontext vgl. etwa Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 119 f. 367 Vgl. Baums, Feindliche Übernahmen und Managementkontrolle, S. 8 f.; vgl. auch Adams, AG 1990, 243 (245 ff.). 368 Allgemein: Baums, Feindliche Übernahmen und Managementkontrolle, S. 2; Schmidt/ Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 470. Einen guten Überblick aus der Praxis bietet auch die auf Deutschland allerdings nur bedingt übertragbare be363

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rechte369, die Möglichkeit des Erwerbs eigener Aktien370, golden parachutes, Martin Liptons poison pills (shareholder rights plan)371, change of control-Klauseln, Goldene Aktien372, die Veräußerung von crown jewels373, unter weiteren Voraussetzungen das Depotstimmrecht der Banken374, sowie auch und vor allem die mit der mehr als fragwürdigen Angebotspflicht nach § 35 WpÜG verbundenen Kosten375 und unter anderen Vorzeichen das Kartellrecht, sofern die übernahmewillige Gesellschaft auf dem gleichen relevanten Markt im Sinne des Kartellrechts wie die Zielgesellschaft agiert376. Zwar geht das WpÜG von dem Grundsatz aus, dass sich der Vorstand Maßnahmen zu enthalten hat, durch die eine Übernahme verhindert wird (Neutralitätsgebot bzw. Vereitelungsverbot, § 33 WpÜG)377. Jedoch ist die Liste der Ausnahmen so lang, dass die Bedeutung dieses Grundsatzes verschwindend gering ist378. Erhebliche weitere Belastungen für den deutschen Markt für Unternehmenskontrolle haben in jüngerer Zeit das Risikobegrenzungsgesetz379 und das Anlegerschutzverbesserungsgesetz gebracht, die die Kosten einer feindlichen Übernahme für kannte Takeover Response Checklist von Wachtell, Lipton, Rosen & Katz (Stand November 2011) mit dem Fazit: „Takeover defense is an art, not a science“. 369 Vgl. Adams, AG 1990, 63 (70 ff.); Schanz, NZG 2000, 337 (342). 370 In den durch § 71(a) AktG gezogenen Grenzen. Vgl. Schaefer/Eigner, NZG 2003, 150 (152); Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 119 f.; Schanz, NZG 2000, 337 (345 f.) 371 Vgl. insbesondere Lipton, U. Chi. L. Rev. 69 (2002), 1037 (1037 ff.) gg. Bebchuk, U. Chi. L. Rev. 69 (2002), 973 (973 ff.). Vgl. auch Schaefer/Eichner, NZG 2003, 150 (152). Die Bedeutung der Poison Pill als Anti-Takeover-Instrument des US-amerikanischen Markts für Unternehmenskontrolle kann kaum überschätzt werden. Ihre Verbreitung zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts hat dazu geführt, dass die Erfolgsquote feindlicher Übernahmen von 50 % während der 80er Jahre auf 20 % während der 90er Jahre gesunken ist. Vgl. Black, The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law, Bd. 3, S. 459 ff. In der Bundesrepublik Deutschland gehört sie demgegenüber zu der überschaubaren Gruppe nicht zulässiger Verteidigungsstrategien. 372 Zur Vereinbarkeit dieser Instrumente mit der Neutralitätspflicht des Vorstands nach § 33 WpÜG vgl. etwa Schaefer/Eichner, NZG 2003, 150 (150 ff.). Zu den Neuregelungen durch das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz Weber, NJW 2006, 3685 (3689 f.); Knott, NZG 2006, 849 (849 ff.). 373 Vgl. Schaefer/Eichner, NZG 2003, 150 (153); Schanz, NZG 2000, 337 (346 f.). 374 Vgl. Adams, AG 1990, 63 (75 f.). 375 Vgl. Hopt, Modern Company and Capital Markets, S. 34. 376 Vgl. schon Manne, J. Pol. Econ. 73 (1965), 110 (110). 377 Strikt gegen jede Neutralitätspflicht des Leitungsorgans etwa Lipton, Business Lawyer 60 (2005), 1369 (1369 ff.): „[…] board of directors is the gatekeeper for significant business transactions“. 378 Vgl. Spindler, in: MünchKommAktG, Vor § 76, Rn. 29; vgl. auch Hüffer, AktG, § 76 Rn. 15 g: „Neutralitätspflicht […] der Sache nach gescheitert“; sehr skeptisch auch Diregger/ Winner, WM 2002, 1583 (1590 ff.); wenig optimistisch auch Bebchuk/Fried, Journal of Applied Corporate Finance 4/17 (2005), 8 (14). Allgemein zur Neutralitätspflicht nach § 33 WpÜG Altmeppen, ZIP 2001, 1073 (1073 ff.); Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (1 ff.). 379 Vgl. hierzu Fleischer, ZGR 2008, 185 (192); Kritik von Seiten des BAI bei Dornseifer, in: Leible/Lehmann (Hrsg.): Hedegefonds und Private Equity, 77 (77 ff.).

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einen potenziellen Erwerber drastisch ansteigen lassen haben. In summa wird man damit festzuhalten haben, dass die deutsche lex lata die Wirkmächtigkeit der ohnehin nur beschränkten Drohung einer Übernahme auf dem Markt für Unternehmenskontrolle noch zusätzlich beschränkt. b) Kapitalmarktdisziplinierung und Fehlanreize Ihrer Grundstruktur nach setzt auch die Managementdisziplinierung über den Kapitalmarkt voraus, dass die Gesellschaft einen positiven Nettogegenwartswert besitzt. Die Ersetzung der Geschäftsleitung stellt sich für gesellschaftsexterne Investoren nur dann als Gewinn versprechende Option dar, wenn im Anschluss an die Übernahme höhere Einzahlungsüberschüsse generiert werden, die sowohl den Kaufpreis wieder einbringen als auch eine Verzinsung auf das zur Finanzierung eingesetzte Eigenkapital ermöglichen. Diese notwendige Voraussetzung einer effizienzsteigernden Übernahme ist gerade im Falle einer objektiv liquidationswürdigen Gesellschaft, der keine Investitionsprojekte mit positivem Erwartungswert zur Verfügung stehen, nicht erfüllt380. Die Kapitalmarktdisziplinierung über den Markt für Unternehmenskontrolle ist primär ein Instrument, um den Marktwert von Gesellschaften zu steigern, die eine ineffiziente Führung besitzen, einen nicht marktfähigen Gegenstand kann auch sie nicht zur Marktreife führen. Sie kann somit auch nicht zielgenau den Fehlanreizen entgegensteuern. Allein indem sie bereits im Vorfeld einer Unternehmenskrise die Ressourcen in einer Weise umleitet, dass sie unter Allokationsgesichtspunkten effizient eingesetzt werden, kann die latente Drohung einer Übernahme den Gefahren, die aus der Haftungsbeschränkung resultieren, entgegenwirken. c) Nicht börsennotierte Kapitalgesellschaften und der Markt für Unternehmenskontrolle Häufig wird betont, dass die am Markt für Unternehmenskontrolle bestehende Drohung allein von den Geschäftsleitungen börsennotierter Gesellschaften zu beachten sei. Jedoch sehen sich auch nicht börsennotierte Kapitalgesellschaften einer grundsätzlichen Übernahmedrohung ausgesetzt381. Liegt keine Vinkulierung vor, sind auch GmbH-Geschäftsanteile – unter den Einschränkungen des § 15 GmbHG – frei handelbar. Fehlende Verkaufsbereitschaft auf Gesellschafterseite ist kein Argument gegen die Existenz eines Marktes für die Kontrolle nicht börsennotierter 380 Ähnlich Teichmann, ZGR 2001, 645 (659); vgl. auch Klockenbrink/Wömpener, FB 207, 641 (642 f.); Baird/Rasmussen, U. Pa. L. Rev. 154 (2006), 1209 (1211): „The market for corporate control does little work in an environment in which the books of the business are untrustworthy. Something is missing from standard accounts of corporate governance“; eine Situation, die gerade bei einer krisenhaften Zuspitzung der wirtschaftlichen Entwicklung eines Unternehmens zu konstatieren ist. 381 Dezidiert anderer Ansicht Kuntz, GmbHR 2008, 121 (123): „Ein öffentlicher Markt, der Druck auf die Manager ausübt, fehlt“.

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Unternehmen. Verkaufsbereitschaft auf Seiten der Anteilseigner ist sowohl im Fall einer Übernahme nach dem WpÜG als auch bei Erwerb einer GmbH durch share oder asset deal notwendige Voraussetzung382. Ein Aktionär muss nicht anders als ein GmbH-Gesellschafter durch ein lukratives Angebot zum Verkauf bewegt werden. Aus der Praxis wird allerdings berichtet, dass insbesondere bei Familienunternehmen emotionale Bindungen die Verkaufsbereitschaft erheblich mindern oder doch zu überzogenen Kaufpreisvorstellungen führen383. Im Hintergrund steht das strukturelle Problem, dass im Falle des Erwerbs einer personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaft die subjektiven Erwartungen eines begrenzten Personenkreises, der regelmäßig nicht nur Anlegerinteressen verfolgt, sondern auch die Unternehmerfunktion einnimmt, den Abschluss mitbestimmen und diese subjektiven Erwartungen nicht durch das objektivierte Verfahren einer anonymen Marktbewertung – Börsenkurs – korrigiert werden. Subjektive Fehleinschätzungen verhindern jedoch nicht per se, sondern nur im Einzelfall Kontrolltransaktionen zur Absetzung eines unfähigen Managements. Größtes Hindernis der Praxis ist, dass nicht auf eine institutionalisierte Handelsplattform zurückgegriffen werden kann, die einerseits Angebot und Nachfrage zentral zusammenführt und damit Markttiefe generiert und andererseits Gewähr dafür bietet, dass existente Informationen eskomptiert werden. Die Bewertungsleistung muss prinzipiell von einem übernahmewilligen Investor in aufwändiger individueller Unternehmensbewertung durchgeführt werden, wobei negativ zu Buche schlägt, dass die Publizitätspflichten kapitalmarktferner Gesellschaften weniger umfangreich sind und zumindest in der deutschen Praxis in der Mehrzahl der Fälle nicht erfüllt werden384. Die Informationsbeschaffung verteuert sich damit im Vergleich zum Kapitalmarkt deutlich385. Die privatautonome Informationsbeschaffung – etwa im Rahmen einer Due Diligence386 – stellt hierfür nur bedingt ein Substitut dar, weil einer solchen bereits konkrete Verhandlungen vorausgehen387 und der im Datenraum zur Verfügung gestellte Informationsbestand bis zu einem gewissen Grad der Willkür der Geschäftsleitung der Zielgesellschaft überlassen bleibt. Einen partiellen Ausgleich dieser Defizite stellt der wachstumsstarke Private Equity382 Zu den Determinanten der Verkaufsbereitschaft der Anteilseigner von Krisenunternehmen. Vgl. Klockenbrink/Wömpener, FB 2007, 641 (643). 383 Vgl. hierzu die Auswertung von Klockenbrink/Wömpener, FB 2007, 641 (643 f.). 384 Vgl. Armour/Hertig/Kanda, in: Kraakman et al., The Anatomy of Corporate Law, S. 124 f. Mit dem EHUG (vgl. hierzu etwa Liebscher/Scharff, NJW 2006, 3745 (3745 ff.)), das nicht zuletzt dem Ziel dient, die bisher zu konstatierende Trägheit deutscher GmbH bei der Erfüllung von Publizitätspflichten, zu beenden, hat diesbezüglich allerdings eine Trendwende eingesetzt. 385 Vgl. etwa Hitschler, BB 1990, 1877 (1879). 386 Zu ihrer praktischen Relevanz in Deutschland vgl. etwa Böttcher, NZG 2005, 49 (49 ff.); Kiethe, NZG 1999, 976 (976). 387 Regelmäßig zumindest ein Letter of Intent, dessen Abschluss voraussetzt, dass die Gesellschafter und Geschäftsführung einer Übernahme positiv gegenüberstehen.

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und Hedge-Fonds-Sektor dar388. Bei den branchenzugehörigen Unternehmen handelt es sich um Gesellschaften, deren Unternehmensgegenstand gerade darin besteht, unterbewertete Unternehmen zu erkennen, zu erwerben und nach einer „Frischzellenkur“ zurück in die Selbstständigkeit zu entlassen („Exit“). Durch ihre Fokussierung auf Übernahmen tragen sie die bei börsennotierten Gesellschaften durch die Gesamtheit der Kapitalmarktteilnehmer geleistete Informationsbeschaffung– und verarbeitung. Dass die Reduktion der Fremdverwaltungskosten eine der Haupttriebfedern des Private Equity-Sektors ist, wird besonders deutlich beim MBI (Management Buy In)389. Nicht anders als eine Kapitalmarktübernahme ist der Auskauf der bisherigen Eigentümer darauf gerichtet, durch Ersetzung der amtierenden Geschäftsleitung die Profitabilität der Gesellschaft zu steigern390. Vorsichtiger zu beurteilen ist die diesbezügliche Wirkkraft eines MBO (Management Buy Out)391. Kauft das existierende Management die Gesellschafter aus, wird gerade nicht ein ineffizientes Management ersetzt, sondern die bisher amtierende Geschäftsleitung übernimmt zusätzlich die Eigentümerposition392. Dennoch existieren auch hier Aspekte, die eine Senkung der Agenturkosten als Folge des MBO nahelegen. Zumindest vorsätzlich erzeugte Agenturkosten des Eigenkapitals sollten drastisch sinken, weil die Effekte opportunistischen Verhaltens nunmehr auf die Geschäftsleiter in ihrer Eigenschaft als Residualanspruchsberechtigte zurückschlagen393. Hinzu tritt, dass faktisch jeder Buy Out durch professionelle Finanzkredit388

Speziell zur Bedeutung für Krisenunternehmen vgl. Klockenbrink/Wömpener, FB 2007, 641 (641 ff.); Kucher/Meitner, FB 2004, 713 (714); Labbé/Rudolph, FB 2008, 97 (98); allgemein Kahan/Rock, Hedge Funds in Corporate Governance and Corporate Control, S. 8ff; Rudolph, ZGR 2008, 161 (161 ff.); vgl. auch U. H. Schneider, NZG 2007, 888 (888): „Neben dem organisierten Primär- und Sekundärmarkt für börsennotierte Unternehmen ist ein dritter Markt für Unternehmensbeteiligungen für nicht börsennotierte Unternehmen entstanden“. Vgl. ebda. auch zu den Risiken in Abhängigkeit von den strategischen Zielen des übernahmewilligen Investors. Vgl. auch Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (651) sowie schon Hitschler, BB 1990, 1877 (1877 ff.). 389 Beispielhaft nach wie vor KKRs Übernahme von RJR Nabisco als Reaktion auf den intendierten MBO. Vgl. etwa Demott, Duke L. J. 1989, 1 (1 ff.) und Bratton, in: Eidenmüller/ Schön, The Law and Economics of Creditor Protection, 37 (56 ff.), der auch die Entwicklung, am US-amerikanischen Bond-Markt bei Investment-Grade-Anleihen keine Covenants mehr zu verlangen, nachzeichnet. 390 Vgl. auch Klockenbrink/Wömpener, FB 2007, 641 (643); Rudolph, ZGR 2008, 161 (162). Die während der Raider-Bewegung der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts dominierende Zerschlagung von quersubventionierten Konglomeraten dürfte aufgrund des gegenläufigen Management-Zeitgeists (core competences, riding the experience curve etc.) heute kaum noch eine entscheidende Rolle spielen. 391 Zu den zahlreichen, sich teilweise überschneidenden Definitionen im Buy Out-Bereich vgl. Kitzman, Private Equity in Deutschland, S. 7 ff.; Hitschler, BB 1990, 1877 (1877 ff.). 392 Zu den mit einer Beteiligung der Geschäftsleitung im Rahmen einer Private EquityTransaktion verbundenen Rechtsproblemen etwa Hohaus/Weber, BB 2006, 2089 (2089 ff.). 393 Nach Haas/Müller, GmbHR 2004, 1169 (1177) sehen sich die finanzierenden Investoren bei einem MBO „einem besonders engagierten Management gegenüber“. Vgl. auch Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (653).

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geber begleitet wird, die während der Dauer ihres finanziellen Engagements starken Einfluss geltend machen, um die Geschäftsleitung zur Marktwertmaximierung anzuhalten394. Private Equity-Unternehmen bieten als zentrale Leistungen neben der Kapitalbeteiligung und der Unterstützung bei der Suche nach weiteren Kapitalgebern die Mitwirkung bei der strategischen Planung sowie die Vervollständigung des Managementteams an395. Nicht zuletzt gilt es die Besonderheiten der GmbH-Verfassung zu berücksichtigen. Die überragende Stellung in der GmbH weist das Gesetz anders als in der Aktiengesellschaft, deren Vorstand die Geschäfte in eigener Verantwortung leitet (§ 76 AktG), nicht der Geschäftsführung zu, sondern der Gesellschafterversammlung. Bestehen unternehmerische Defizite auf Seiten der Gesellschafter – denkbar insbesondere bei Nachfolgen in Familienunternehmen – befördert die Ersetzung dieser intervenierenden, ineffizienten Eigentümer eine verbesserte Ressourcenallokation. Anzumerken ist, dass es sich hierbei allerdings nicht um die Lösung des typischen Principal-Agent-Problems handelt, da gerade nicht die Fremdverwalter für den Ressourcenverbrauch verantwortlich zeichnen, sondern die Eigentümer selbst. Diese Quasi-Umkehrung ist Ausfluss der von Agency-Theorie nicht erwarteten Tatsache, dass die GmbH-Verfassung Spezialisierungseffekte durch die Trennung von Eigentum und Kontrolle partiell aufhebt oder doch erschwert, wenn sie ein diskretionäres Regime der Gesellschafter über die professionalisierten Manager zulässt. Buy-Outs sind somit strukturell in gleicher Weise wie Kapitalmarktübernahmen geeignet, Geschäftsleitungsfehler zu unterbinden und damit die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz zu minimieren. Zweites wesentliches Hindernis der Wirkmächtigkeit des Marktes für Kontrolle nicht börsennotierter Gesellschaften ist der bisher fehlende Zugang zu den Kapitalien einer anonymen Anlegermasse. Auch dieser Befund relativiert sich jedoch durch Finanzinnovationen und das Auftreten neuartiger Finanzmarktakteure. Finanzierungsschwierigkeiten, die aus dem Fehlen eines organisierten Kapitalmarktes resultieren, können zunächst durch Ausweichen auf LBO-Finanzierungen umgangen werden396. Ein strukturell höheres potentielles Finanzierungsvolumen verspricht 394 Vgl. Masulis/Thomas, U. Chi. L. Rev. 76 (2009), 219 (219 ff.); Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (650); Ernstberger/Herz, in: Leible/Lehmann (Hrsg.), Hedgefonds und Private Equity, 33 (35 f.), so auch Franke, in: Leible/Lehmann (Hrsg.), Hedgefonds und Private Equity, 47 (48) aus der Sicht des Bundesfinanzministeriums. 395 Vgl. Klockenbrink/Wömpener, FB 2007, 641 (646); Rudolph, ZGR 2008, 161 (161 f.); Masulis/Thomas, U. Chi. L. Rev. 76 (2009), 219 (223 ff.). 396 Zu den Voraussetzungen einer Leverage-Finanzierung beim Erwerb von Krisenunternehmen Klockenbrink/Wömpener, FB 2007, 641 (644); Hitschler, BB 1990, 1877 (1879); LBOs als Mittel zur Restrukturierung mittelständischer Unternehmen bei Rensinghoff/Böhmert, M&A Review 2001, 509 (509 ff.). Zu den damit verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten und Rechtsfragen U. H. Schneider, NZG 2007, 888 (888 ff.); Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (655 ff.); Riegger, ZGR 2008, 233 (233 ff.); Schmolke, ZGR 2008, 225 (225 ff.). Zur möglichen Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs Schulz/Israel, NZG 2005, 329 (329 ff.); Seibt, ZHR 171 (2007), 282 (282 ff.); Weitnauer, ZIP 2005, 790 (790 ff.).

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darüber hinaus der zunehmend zu konstatierende Befund, dass Private Equity-Unternehmen und Hedge-Fonds ihre Mittelbeschaffung in stärkerem Maße über die Auflage von Dachfonds oder einen IPO des Dachfonds (MAN Group) erledigen397. Die Masse der potenziellen Fondsanleger wird damit zur potenziellen Finanzierungsquelle. Private Equity-Unternehmen und Hedge-Fonds wirken insoweit als Intermediäre, die hinreichende Liquidität sammeln und damit Markttiefe generieren398. Dieser grundsätzlich positiven Einschätzung des Auftretens weiterer Marktakteure stehen auch nicht die berichteten Missbrauchsfälle entgegen. Unzweifelhaft ist es marktordnungspolitisch kaum hinnehmbar, wenn Hedge Fonds Einfluss ermöglichenden Anteilsbesitz an einer börsennotierten Kapitalgesellschaft erwerben, gleichzeitig am Derivatemarkt Short-Positionen des entsprechenden Unternehmens aufbauen, um sodann ihren Einfluss auf die Geschäftsleitung geltend zu machen, um diese zu den Marktwert negativ beeinflussenden Handlungen zu veranlassen399. Selbst eine Häufung von Missbrauchsfällen darf nicht zu einer pauschalen Verurteilung eines Phänomens an sich führen. Zu berücksichtigen ist einerseits, dass bei entsprechender Information möglicherweise Konkurrenten des Hedge-Fonds ein Interesse daran haben, die opportunistische Umleitung von Vermögenswerten zu vereiteln und ihrerseits in Arbitragetransaktionen eintreten, und zum anderen, dass in evidenten Missbrauchsfällen durchaus gesetzliche Instrumentarien bestehen, um Exzesse einem Regulativ zuzuführen. So erscheint es durchaus möglich, den missbräuchlichen, weil Werte vernichtenden Einfluss bestimmter Anteilseigner unter Rückgriff auf die durch die Linotype400 und Girmes401-Entscheidungen des BGH skizzierten Treuepflichten eines Aktionärs zu erfassen. Es erscheint nicht zufällig, dass die Mehrzahl der besonders kritischen Einflussnahmen strategischer Investoren aus den USA berichtet werden, wo man sich traditionell unter Rekurs auf die Beobachtungen von Berle und Means mit der Formulierung von fiduciary duties für Anteilseigner – mit Ausnahmen allein für freeze outs, Mehrheits- bzw. beherrschende (actual controlling) Gesellschafter402 und close corporations – schwer tut403. 397 Vgl. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (652); Kubo, in: Leible/Lehmann (Hrsg.), Hedgefonds und Private Equity, 87 (87 Fn. 1). 398 Zur Intermediärsfunktion auch Rudolph, ZGR 2008, 161 (161 ff.); Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, S. 457 ff.; Franke, in: Leible/Lehmann (Hrsg.), Hedgefonds und Private Equity, 47 (48); so auch die Hoffnung des UBGG, vgl. Fischer, in: Leible/Lehmann (Hrsg.), Hedgefonds und Private Equity, 179 (181). 399 So der Hedge Fonds Perry Capital im Rahmen der geplanten Übernahme von King Pharmaceuticals durch Mylan Laboratories. Vgl. Anabtawi/Stout, Stan. L. Rev. 60 (2008), 1255 (1286 ff.); Davis, U. Chi. L. Rev. 76 (2009), 83 (97). Zur Marktmanipulation durch HedgeFonds auch Zimmer, in: Leible/Lehmann (Hrsg.): Hedgefonds und Private Equity, 125 (125 ff.). 400 BGH, Urt. v. 1. 2. 1988 – II ZR 75/87 = BGHZ 103, 184 (184 ff.) („Linotype“). 401 BGH, Urt. v. 20. 3. 1995 – II ZR 205/94 = NJW 1995, 1739 (1739 ff.) („Girmes“). 402 Vgl. etwa Kahn v. Lynch Communications Systems, Del.Supr., 638 A.2d 1110 (1113): „This Court has held that „a shareholder owes a fiduciary duty if it owns a majority interest in or exercises control [Hervorhebung im Original] over the business affairs of the Corporation“.

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Nicht anders als im Recht der börsennotierten Gesellschaft errichtet das Recht aber auch zahlreiche Hindernisse, die Kontrolltransaktionen bei nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften erschweren und die Disziplinierungskraft dieses „grauen Marktes für Unternehmenskontrolle“ einschränken. Das geltende GmbHRecht steht der Fungibilität von GmbH-Anteilen äußerst kritisch gegenüber. So wird das transaktionskostenerhöhende404 doppelte Erfordernis notarieller Beurkundung (§ 15 GmbHG), das trotz wachsender Kritik auch mit dem MoMiG nicht aufgegeben worden ist405, nicht nur mit den allgemeinen Funktionen Beweissicherung, Richtigkeitsgewähr, Belehrung und Warnung legitimiert, sondern auch mit der GmbHrechtlichen Sonderbegründung, dass einer Spekulation mit Geschäftsanteilen vorgebeugt werden solle406. Als moderne Spielart dieser Argumentation findet sich in jüngerer Zeit, dass Anleger vor dem Erwerb riskanter oder verlustbringender Beteiligungen geschützt werden müssten407. Nicht zu übersehen ist allerdings auch, dass diese traditionellen Argumentationsmuster in jüngerer Zeit auf breiter Ebene an Unterstützung verlieren. Insbesondere das vermeintlich spezifisch kapitalgesellschaftsrechtliche, inhaltlich allerdings überaus fragwürdige Anliegen des § 15 GmbHG, Spekulationen mit GmbH-Geschäftsanteilen zu verhindern bzw. sie nicht zum Gegenstand des freien Handelsverkehrs werden zu lassen, verliert in der Interessenabwägung des Gesetzgebers zu Recht offensichtlich spürbar an Gewicht408. Zunächst erscheint unklar, weshalb die notarielle Beurkundung eine Spekulation mit Geschäftsanteilen verhindern können soll409. Zudem bezweckt das allgemeine Kapitalgesellschaftsrecht grundsätzlich eine höhere Fungibilität der Anteile410, eine Wertung, die mittlerweile auch das GmbH-Recht erreicht, wie die Aufgabe der 403

Vgl. Anabtawi/Stout, Stan. L. Rev. 60 (2008), 1255 (1255 ff.). Vgl. Thiessen, DStR 2007, 260 (260). Kritisch gegenüber der notariellen Beurkundung nach § 15 GmbHG etwa BDI/HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 42 ff.; BDI/GDV, Stellungnahme RefE MoMiG, S. 8. 405 Unentschieden in der Bewertung dieser Entscheidung etwa H. Schmidt, BKR 2007, 1 (1). 406 BGH, Urteil v. 25. 9. 1996 – VIII ZR 172/95, ZIP 1996, 1901 (1902); vgl. BDI/ HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 43; Bayer, DNotZ 2009, 887, 887 ff. 407 Vgl. hierzu BDI/HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 43. 408 Anders noch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, vgl. Gehrlein, DK 2007, 1 (2 f.); ohne Einschränkungen anerkennend auch Bayer, DNotZ 2009, 887 (887 ff.). Auch in der Instanzenrechtsprechung wird die traditionelle Begründung nicht weiter hinterfragt, vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2. 3. 2011 – 3 Wx 236/10, NJW 2011, 1370 (1370): „Durch diese Förmlichkeit soll in erster Linie im Interesse des Anlegerschutzes der leichte und spekulative Handel mit Geschäftsanteilen an einer deutschen GmbH ausgeschlossen und der Nachweis der Rechtsübertragung erleichtert werden“. Allerdings bleibt die Entscheidung die Antwort schuldig, weshalb es dem Anlegerschutz dienen soll, dass die Fungibilität der Anteile eingeschränkt wird. Richtigerweise kann man allenfalls auf den Schutz der legaltypisch personalistischen Struktur der GmbH abstellen. 409 Vgl. BDI/HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 44. 410 Vgl. BDI/HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 44. 404

188

§ 5 Intrinsische und extrinsische Managementdisziplinierung

Restriktionen bezüglich Stückelung, Teilbarkeit und Mehranteilsinhaberschaft411 sowie die Ermöglichung des insbesondere von Seiten der Transaktionspraxis befürworteten gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen zeigen412. Nicht eindeutig beurteilen lässt sich, inwieweit die Freistellung von den WpÜGNormen Hindernis oder Motor eines Marktes für die Übernahme nicht börsennotierter Unternehmen darstellt. Einerseits wird die Kontrollerlangung vereinfacht, indem sie weder an ein aufwendiges Procedere geknüpft ist noch an ein Pflichtangebot413. Letzteres ermöglicht dem Erwerber eines GmbH-Geschäftsanteils, sich darauf zu beschränken, die ökonomisch notwendigen Stimmanteile zur Ersetzung des Managements zu erwerben; er ist damit nicht gezwungen, die Früchte seiner Arbeit – Identifikation eines unterbewerteten Unternehmens – im Kreise der Altaktionäre der Zielgesellschaft zu sozialisieren. Andererseits ist die Geschäftsführung der Zielgesellschaft nicht der – mehr oder weniger rigiden – Neutralitätspflicht unterworfen414. Hierin darf man jedoch aufgrund der Besonderheiten der deutschen GmbH-Verfassung kein unüberwindbares Hindernis ökonomisch angezeigter Übernahmen sehen. Eine Mehrheit verkaufswilliger Anteilseigner kann eine Fremdgeschäftsführung, die aufgrund der Drohung ihrer Absetzung nicht zur Zusammenarbeit mit dem potenziellen Erwerber bereit ist, durch Ausübung ihres Weisungsrechts415 zur Kooperation mit dem Erwerber anhalten oder sie notfalls absetzen416. Ein wirkliches Hindernis für die Praxis stellen hingegen die in zahllosen Gesellschaftsverträgen befindlichen Vorkaufs- und Andienungsrechte zu Gunsten der Mitgesellschafter dar. Geplante Erwerbe verzögern sich hierdurch und stehen unter Risiko des Erwerbs durch einen Mitgesellschafter. Dennoch wird man insgesamt festhalten können, dass auch die Leitungsmacht nicht börsennotierter Unternehmen zu einem marktfähigen Gut wird.

411

Vgl. Noack, DB 2007, 1395 (1399); Thiessen, DStR 2007, 260 (260). Vgl. Noack, DB 2007, 1395 (1399); Thiessen, DStR 2007, 260 (260); Götze/Bressler, NZG 2007, 894 (894 ff.); Hekschen, DStR 2007, 1442 (1449 f.); Rau, DStR 2006, 1892 (1892 ff.); BDI/GDV, Stellungnahme RefE MoMiG, S. 9 ff. 413 Sehr kritisch zur Einführung des Pflichtangebotes durch das WpÜG unter dem Gesichtspunkt der Konzerneingangskontrolle Altmeppen, ZIP 2001, 1073 (1080 ff.). 414 Die allerdings ohnehin kaum über die bereits nach allgemeinem Aktien- und GmbHRecht bestehenden Treuepflichten und Schädigungsverbote hinausgeht, so etwa Altmeppen, ZIP 2001, 1073 (1073 ff.); ähnlich Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (1 f.). 415 § 37 Abs. 2 GmbHG. 416 § 38 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 46 Nr. 5 GmbHG, wobei das GmbH-Recht den Widerruf der Bestellung – in Abgrenzung zum Aktienrecht (§ 84 Abs. 3 S.1 AktG) – nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes knüpft. 412

IV. Zusammenfassung

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IV. Zusammenfassung Die Berücksichtigung der Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger streitet grundsätzlich für Zurückhaltung bei der Einführung gläubigerschützender Instrumente417. Inhalt eines Finanzierungskontrakts ist die Teilnahme an den erwarteten Einzahlungsüberschüssen der Unternehmung. Gläubiger übernehmen nicht anders als Gesellschafter bewusst einen Teil des damit verbundenen Risikos. Dieses allgemeine bzw. technologische Ausfallrisiko sowie das durch das Institut der beschränkten Haftung rechtsformspezifische zusätzliche Ausfallrisiko ist in Konsequenz solange kein Anknüpfungspunkt für eine gesetzliche Haftungsregel zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger, solange sich allein das vertraglich übernommene Risiko realisiert418. Anderenfalls würden den Gläubigern windfall profits zugestanden und die positiven Wohlfahrtseffekte der beschränkten Haftung gefährdet. Im Ergebnis dürfen deshalb insbesondere ex post zu konstatierende Ausfälle in der Insolvenz von Kapitalgesellschaften für sich nicht als gesetzgeberischen Handlungsbedarf indizierende Ereignisse angesehen werden. Vielmehr ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ein wie großer Anteil der Ausfälle in den Verträgen von Schuldnergesellschaft und Gläubigern antizipiert wurde. Ausnahmen von diesem Grundsatz erscheinen nur dann gerechtfertigt, wenn Gläubiger nicht in der Lage sind, entsprechende Kreditverträge- oder Konditionen durchzusetzen. Diese Grundvoraussetzung staatlichen Gläubigerschutzes ist zunächst ausnahmslos für unfreiwillige Gläubiger erfüllt. Externalisiert eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung Risiken auf unfreiwillige Gläubiger, können diese nicht unter Hinweis darauf, dass jeder für die Folgen seines Handelns Verantwortung tragen muss, an den Schädiger verwiesen werden mit der Konsequenz, dass sie gegebenenfalls mit ihren Forderungen ausfallen419. Der Vorwurf, der einem unfreiwilligen Gläubiger gegenüber erhoben werden kann, ist allein der, „zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein“ – zweifelsohne keine Setzung eines rechtlich relevanten Risikos. Ökonomisch spricht darüber hinaus für eine besondere – gesetzliche – Berücksichtigung der Gefahren für die Deliktsgläubiger, dass Externalitäten per definitionem ineffizient sind. Aber auch das durch Gläubigerselbsthilfe generierte Schutzniveau weist eine Reihe von Defiziten auf420. Transaktionskosten verhindern eine vollständige Aufklärung vertraglicher Risiken sowie ihre Einpreisung in den Kreditvertrag. Ver417

Vgl. Tung, The Death of Corporate Contract, S. 8; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (663 f.). 418 So auch Heine/Röpke, RabelsZ 70 (2006), 138 (147). 419 So aber explizit Ehricke, AcP 1999, 257 (288). 420 So auch der Befund von Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 12 f.; Wood, Principles of International Insolvency, S. 554; A.A. die US-amerikanischen Contractarians. Deutlich etwa Tung, Death of Corporate Contract, Abstract: „contract primacy“; Barondes, Fiduciary Duties in Distressed Corporations, S. 21. Aus der deutschen Praxis Seibt, ZHR 171 (2007), 282 (294).

190

§ 5 Intrinsische und extrinsische Managementdisziplinierung

schärft wird dieser Befund durch das Vorliegen asymmetrischer Information. Gesellschaftern und Geschäftsleitung als Inhabern der betriebswirtschaftlichen Entscheidungsrechte steht es regelmäßig offen, die Positionen der Gläubiger auszubeuten. Die aus der US-amerikanischen Vertragspraxis bekannten sogenannten Big Boy-Letter421, die dazu bestimmt sind, bestehende Informationsasymmetrien zu erfassen, vermögen diesen Befund nicht zu ändern, weil die schlechter informierte Vertragsgegenseite definitionsgemäß nicht weiß, über ein Risiko welcher Größenordnung sie kontrahiert. Auch die alternativ zur Verfügung stehenden Instrumente des Gläubigerselbstschutzes bieten nur bedingten Schutz gegen die mit der krisenbedingten Revision des Anreizsystems der Geschäftsleitung verbundenen Gefahren. Reputationseffekte verlieren in der Last-Period-Situation der Krise ihre Wirkmächtigkeit422. Kreditsicherheiten hingegen mindern die Folgewirkungen von Qualitätsunsicherheit, Hold Up und Moral Hazard allein für Sicherungsnehmer und induzieren regelmäßig gleichzeitig ein suboptimales Kontrollniveau. Opportunistisches Verhalten wird hierdurch nicht unterbunden, sondern gefördert. Allein die Betroffenheit innerhalb der Gruppe der Gläubiger wird realloziiert. Zielgenaueren Schutz vermitteln demgegenüber Covenants, indem sie die Geschäftsleitung zur Einhaltung bestimmter betriebswirtschaftlicher Standards verpflichten. Entgegen der landläufigen Ansicht der Contractarians423 begrenzen jedoch auch Covenants die spezifischen Gefahren der Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung nicht in hinreichendem, d. h. effizientem Umfang. Covenants als hochkomplexe Vertragswerke sind mit erheblichen Transaktionskosten verbunden. Ihr Einsatz ist damit nur dann rational, wenn das Kreditvolumen eine bestimmte kritische Grenze überschreitet. In Konsequenz wird auch in Zukunft bei zahlreichen Gesellschaften dieses Instrument nicht zum Einsatz gelangen. Darüber hinaus sind auch Covenants nicht in der Lage, jede denkbare Risikoerhöhung abzubilden bzw. auf ihre Anamnese mit einer zeitnahen Sanktionierung zu reagieren. Aus Sicht nicht-anpassungsfähiger Gläubiger besonders bedenklich ist schließlich, dass die intrinsischen Instrumente der Managementdisziplinierung, also die Instrumente, die keine oftmals unrentablen Investitionen seitens der Gläubiger voraussetzen, nur sehr unvollständigen Schutz gegen opportunistisches Verhalten der Vertragsgegenseite zu bieten vermögen. Die latente Ersetzungsdrohung auf Kapital- und Arbeitsmarkt ist aus rechtlichen und tatsächlichen 421

Vgl. hierzu etwa Henderson, U. Chi. L. Rev. 74 (2007), 1739 (1755 f.). So Mülbert, DK 2004, 151 (153). Die Bedeutung von Reputationseffekten und ihrer Wirkungslosigkeit wird oftmals in der sich gegen Krisenpflichten aussprechenden US-amerikanischen Literatur nicht diskutiert. Vgl. etwa Frost/Campbell, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed Corporations, S. 36 ff. 423 Vgl. Tung, The Death of Corporate Contract, S. 6 ff.; Conaway, Trenwalla: A Call for Rationalizing Fiduciary Duties to Creditors in Delaware, S. 2 ff., inhaltich identisch Callison, Duty Shift to Creditors, S. 19; kurzer Überblick über die unterschiedlichen Paradigmen von contractarians und anti-contractarians bei Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (685 f.); instruktiv und knapp auch Bainbridge, Tex. L. Rev. 83 (2005), 1615 (1645 ff.). 422

IV. Zusammenfassung

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Gründen höchst unvollständig und bietet gerade gegen die krisenspezifischen Anreize keinen wirklichen Schutz. Eine Rechtsregel, die die Schwächen der durch Markt zur Verfügung gestellten Schutzmechanismen vermeidet und gleichzeitig nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, ist deshalb aus Effizienzgründen grundsätzlich geboten424. Als generelle Aufgabe wird dieser zugewiesen sein, der mit der Haftungsbeschränkung verbundenen Externalisierung von Risiken auf unfreiwillige Gläubiger entgegenzuwirken sowie vertragliche Gläubiger davor zu schützen, dass Gesellschafter und Geschäftsleitung durch opportunistisches Verhalten die Gläubigerpositionen einem über das technologische Risiko hinausgehenden Gefährdungspotential aussetzen425.

424

Vgl. Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 13; Teichmann, NJW 2006, 2444 (2451); Whincop, in: Ramsay, 42 (57ff); Heine/Röpke, RabelsZ 70 (2006), 137 (148). 425 Gegen eine Verlagerung des technologischen Risikos auf die Geschäftsleiter auch Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 13. Gegen einen gesetzlichen Schutz gegen die dargestellten Gefahren etwa Campbell/Frost, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed Corporations, S. 39. Die Debatte um die Existenz von Krisenpflichten bezeichnet Tung, Death of Corporate Contract, Abstract als „worrisome trend in corporate law and sholarship“; ähnlich Conaway, Trenwalla: A Call for Rationalizing Fiduciary Duties to Creditors in Delaware, S. 4: „[…] the duty to creditors […] makes a mockery of fundamental marketplace bargaining […]“.

§ 6 Verantwortlichkeit der Gesellschafter Nähert man sich dem Problem der krisenbedingten Fehlanreize beschränkt haftender Kapitalgesellschaften, erscheint die Etablierung einer Geschäftsleiterhaftung nicht zwingend. Strukturell gleichwertig unter präventiv-anreizleitenden und kompensatorischen Gesichtspunkten ist die Inpflichtnahme der Gesellschafter1. Kompensatorisch, also bezüglich des Ausgleichs eingetretener Vermögenseinbußen der Gläubiger, ist zunächst entscheidend, dass auf eine weitere Haftungsmasse neben dem beschränkten Vermögen der Schuldnergesellschaft zurückgegriffen werden kann2. Ob sich der Zugriff auf das Gesellschaftervermögen oder das der Geschäftsleiter als lohnender erweist, ist Frage des Einzelfalls. Auch bezüglich der durch den Gesetzgeber intendierten Lenkungswirkungen ist der Gesellschafter tauglicher Adressat. Eine hierzu bestimmte Rechtsregel muss zwar letztlich das Verhalten des Ausführenden beeinflussen, was bei Trennung von Eigentum und Kontrolle der Geschäftsleiter und nicht der Gesellschafter ist. Unterstellt man jedoch, dass der Principal-Agent-Konflikt zwischen Anteilseignern und Management durch Einsatz entsprechender Mechanismen hinreichend geglättet ist, handeln Geschäftsführer und Vorstände annahmegemäß im Interesse ihrer Gesellschafter und Aktionäre. Loyale Geschäftsleiter wählen deshalb in der Krise die spekulative Strategie, um Gesellschaftern und Aktionären die unwahrscheinlichen, aber möglichen Residualgewinne derselben zu sichern. Wirkt nun das Gesetz auf die Anreizfunktion der Gesellschafter in einer Weise ein, dass eine Risikoerhöhung mehr Kosten als Nutzen verspricht, wird der im Interesse seiner Prinzipale handelnde Geschäftsleiter auf eine solche verzichten. Für Rechtsformen wie die deutsche GmbH, in der den Gesellschaftern bzw. der Gesellschafterversammlung eine überragende Rolle eingeräumt wird, sind die Effekte einer Einflussnahme auf die Zielfunktion der Gesellschafter noch unmittelbarer: einerseits vermögen die Gesellschafter vermittels ihres Weisungsrechts die Leitung der Gesellschaft im Bedarfsfall an sich zu ziehen, andererseits lebt ein Fremdgeschäftsführer unter dem Damoklesschwert jederzeitiger Abberufbarkeit und besitzt deshalb ein genuines Eigeninteresse, den Vorstellungen „seiner“ Gesellschafter zu entsprechen. 1 Für eine stärkere Fokussierung auf den Gesellschafter etwa Roth, ZGR 1989, 421 (429 f.); vgl. auch schon Ulmer, GmbHR 1984, 256 (263): „[…] Haftung der Geschäftsführer könne sich dem Einwand aussetzen, damit würden nicht selten die Falschen getroffen, da die Konkursverschleppung gewöhnlich den Gesellschaftern zugute kommt und häufig auch von diesen veranlasst wird“. Zur Problematik auch Davies, EBOR 7 (2006), 301 (312). 2 Vgl. Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1043 f.); Böckmann, Gläubigerschutz bei GmbH und close corporation, S. 125; Fritsche/Lieder, DZWiR 2004, 93 (100); Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (209).

I. Mindestkapitalerfordernisse

193

Im Folgenden wird deshalb zunächst die lex lata der deutschen Gläubigerschutzvorschriften, die die Gesellschafter zum Adressaten erklären, darauf untersucht, inwieweit sie geeignet ist, den Folgen der Fehlanreize in der Krise entgegenzusteuern. Sodann ist auf die in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung diskutierten außergesetzlichen Durchgriffstatbestände einzugehen, denen im vorliegenden Rahmen besondere Bedeutung zukommt, da ihnen häufig zumindest terminologisch die Aufgabe zugewiesen wird, einer Spekulation zu Lasten der Gläubiger entgegenzuwirken. Die Darstellung bleibt auf die deutschen Durchgriffstatbestände begrenzt, was legitim erscheint, da weder das französische Recht3 noch das englische Recht4 eine nennenswerte Durchgriffsdogmatik entwickelt haben.

I. Mindestkapitalerfordernisse 1. Einführung Das zeitlich am frühesten ansetzende Instrument des Gesellschaftsrechts zum Schutz der Gläubiger einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft ist die Bindung der Aufnahme des Geschäftsbetriebs an die Erbringung eines gesetzlich fixierten Eigenkapitals (§§ 7 AktG; 5 Abs. 1 GmbHG). Insbesondere in der deutschen Diskussion ist dem Mindestkapital bis in jüngste Zeit elementare Bedeutung im Gesamtsystem des Gläubigerschutzes beigemessen worden5. Mindestkapitalziffern in Verbindung mit den Grundsätzen der realen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung wurden als tragendes Prinzip desselben und „Kulturleistung ersten Ranges“ angesehen6 und noch 1969 konnte Tillmann den Gedanken seiner Abschaffung „als zu futuristisch empfinden, als dass er eine Chance hätte, in der gegenwärtigen Gesetzgebungspraxis Berücksichtigung zu finden“7. Völlig gewandelt hat sich dieser Befund in Folge der durch Centros, Überseering und Inspire Art einsetzenden Reformdiskussion. In den kontinentaleuropäischen Staaten hat eine lebhafte Debatte 3 Vgl. Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (275); Zöllner, GmbHR 2006, 1 (7); in Frankreich ist dominierendes Instrument die Geschäftsleiterhaftung. 4 Vgl. etwa Payne/Prentice, in: Ramsay, 190 (190 ff.). Leitentscheidung ist Adams v Cape Industries plc [1990] Ch 433 (433 ff.). 5 Vgl. etwa Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 5 Rn. 11 („Hauptpfeiler der Gläubigersicherung“); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 248: „zentrales Kennzeichen der Kapitalgesellschaft“; Goette, Die GmbH, S. 35. Auch die Praxis sieht nach einer jüngeren Umfrage im gesetzlichen Mindestkapital einen wichtigen Bestandteil des Gläubigerschutzes, vgl. Köhler/Marten/Schlereth, DB 2007, 2729 (2731). 6 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 IV 1b = S. 556 f.; vgl. auch Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 248; Schärtl, GmbHR 2007, 345 (346). 7 Tillmann, GmbHR 1969, 227 (228), ähnlich der Befund von Fabricius, GmbHR 1970, 137 (137): „ob zu Recht oder zu Unrecht – wenig Aussicht auf Erfolg“. Allerdings wurde die Notwendigkeit eines Mindestkapitals bereits in der Diskussion um die Einführung der GmbH teilweise negiert, vgl. hierzu Schubert, FS GmbHG, 1 (19 f.).

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§ 6 Verantwortlichkeit der Gesellschafter

um Nutz und Frommen einer Mindestkapitalziffer eingesetzt8, die bereits erste Korrekturen in den Gesellschaftsrechten der Mitgliedstaaten nach sich gezogen hat. Nachdem zunächst Frankreich als kontinentaleuropäischer Pionier mit der Loi pour l’initiative économique9 u. a. das System der Nennkapitalziffer für die nicht der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie unterliegenden kleinen Gesellschaften zur Gänze abgeschafft hat, verzichten nunmehr auch die beiden bisherigen Bastionen des Mindestkapitalerfordernisses Niederlande und Österreich ganz – niederländische „flex-bv“10 bzw. weitgehend – Absenkung des Mindeststammkapitals für die österreichische GmbH auf EUR 10.00011 – auf ein dahingehendes Kapitalisierungsgebot, während in Spanien mit der Einführung der „Blitz-GmbH“, der Sociedad limitada nueva empresa (SLNE) massive Erleichterungen im Gründungsrecht der personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaft eingeführt wurden12. Auch das MoMiG, das sich buchstäblich in letzter Minute gegen eine nicht unerhebliche Absenkung des Mindestkapitals entschieden hat, sieht u. a. mit der Einführung der

8 Vgl. Barta, GmbHR 2005, 657 (657 ff.); Bayer, ZGR 2006, 220 (231 ff.); Engert, ZHR 170 (2006), 296 (296 ff.); Fastrich, DStR 2006, 656 (658); Heine/Röpke, RabelsZ 70 (2006), 138 (138 ff.); Heidinger, DNotZ 2005, 97 (97 ff.); Kieninger, Aktuelle Entwicklungen des Wettbewerbs der Gesellschaftsrechte, S. 12 f.; Kuhner, ZGR 2005, 753 (754 ff.); Prahm, ZGR 2006, 367 (367 ff.), Priester, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH in der Reform der Diskussion, 1 (3 ff.); Schluck-Amend, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 25 (25 ff.); Thole, KTS 2007, 293 (298); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 130; rechtsvergleichend Miola, ECFR 2005, 413 (413 ff.). Für die Abschaffung des Mindestkapitals Mülbert, DK 2004, 151 (151 ff.); in diese Richtung jüngst auch Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 156; indifferent gegenüber Zulassung der Billig-GmbH: Bayer, ZGR 2007, 220 (232); Schön, DK 2004, 162 (166) ähnlich auch Goette, ZGR, 2006, 261 (277 f.): „von weniger großer Bedeutung“; K. Schmidt: „Bauernopfer“, zitiert nach Lieder, ZGR 2007, 241 (242); Walter, AG 1998, 370 (371); Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 17 (39), die die Aufstellung eines solchen Erfordernisses den nationalen Gesetzgebern überlassen wollen, damit die Praxis darüber entscheidet, ob hieran festzuhalten ist. Für seine Beibehaltung Kleindiek, ZGR 2006, 335 (341 ff.); DAV-Handelsrechtsausschuss, Stellungnahme zum Referentenentwurf MoMiG, NZG 2007, 211 (212); German Experts on Corporate Law, ZIP 2002, 1310 (1316 f.); Hekschen, DStR 2007, 1442 (1444 f.); Priester, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 1 (8). 9 Loi n8 2003-721 v. 1. 8. 2003, J.O. n8 179 v. 5. 8. 2003, S. 13449 (abrufbar unter www.legifr ance.gouv.fr) Art. L223-2 I 1 C.Com. Vgl. Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 346 (346 ff.). Zu weiteren Gründungserleichterungen durch das LIE vgl. Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459 (459 ff.). Unklar ist allerdings, ob die EuGH-Rechtsprechung ursächlich war oder aber das allgemeine Bestreben zur Deregulierung der Unternehmensgründung für kleine Unternehmen. Vgl. Kieninger, Aktuelle Entwicklungen im Wettbewerb der Gesellschaftsrechte, S. 15 f. 10 Zur flex-bv aus dem deutschen Schrifttum etwa Hirschfeld, RIW 2013, 134 (134 ff.); Hiort/Marges/Schurings, CFL 2013, 33 (33 ff.). 11 Vgl. zum Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz (GesRÄG) 2013 etwa Jung, GmbHR 2013, 745 (745 ff.); zu den steuerlichen Implikationen der Novelle Knörzer, GmbHR 2013, 1031 (1031 ff.) 12 Vgl. Bascopé/Hering, GmbHR 2005, 609 (609 ff.); Kieninger, Aktuelle Entwicklungen des Wettbewerbs der Gesellschaftsrechte, S. 16 f.

I. Mindestkapitalerfordernisse

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Unternehmergesellschaft Modifikationen in den Bereichen Mindestkapital, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung vor13. 2. Mindestkapitalerfordernisse und opportunistisches Verhalten a) Seriositätsschwelle Die einer gesetzlichen Mindestkapitalziffer regelmäßig zugewiesene Hauptfunktion ist die einer Seriositätsschwelle14 bzw. einer pause for thought15. Dahinter verbirgt sich die Intuition, unternehmerische Betätigung mittels einer besonders „gefährlichen“ beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft müsse an einen gewissen Aufwand gekoppelt werden, um unseriöse und leichtfertige Gründungen zu verhindern16. Ob es zur Erreichung dieses Zieles allerdings einer gesetzlichen Mindestkapitalziffer bedarf, kann mit gutem Recht bezweifelt werden. Bereits das System der Normativbestimmungen verlangt von angehenden Gesellschaftern eine Reihe wohl zu überlegender Schritte, die Zeit, Kosten und Mühen verursachen. Eine Satzung muss aufgesetzt und einem Notar zur Prüfung vorlegt werden17, Geschäftsführerverträge müssen abgeschlossen werden usw. Dieser formale Aufwand an sich stellt bereits eine Seriositätsschwelle dar. Auch greift die Überlegung zu kurz, dass nur eine Eigenbeteiligung den Gesellschaftern die wirtschaftliche Tragweite ihrer unternehmerischen Betätigung vor Augen zu führen in der Lage wäre. Im Regelfall der kleinen Gesellschaft stellen Gesellschafter als Gesellschafter-Geschäftsführer ihr Humankapital in den Dienst der Gesellschaft und haben dementsprechend Opportunitätskosten in Form verlorengegangenen Alternativeinkommens und gegebenenfalls Freizeit hinzunehmen. Nicht zuletzt der jeder Unternehmung immanente Finanzierungsbedarf wirkt rechtspraktisch als hinreichende Seriositätsschwelle. Verzichtet die Geschäftsleitung einer neugegründeten Gesellschaft auf die Zuführung von Eigenmitteln, bedarf sie zur Aufnahme des Geschäftsbetriebes Fremdmitteln. In diesem Zusammenhang lässt es die zunehmend restriktive Kreditpolitik gegenüber kleineren Unternehmen als hinreichend unwahrscheinlich erscheinen, dass die Gesellschafter nicht auch ohne Mindestkapital auf die Bedeutung 13

§ 5a GmbHG. Vgl. hierzu etwa Kallmeyer, DB 2007, 2755 (2755 ff.). So auch ausdrücklich das BMJ, Pressemitteilung v. 29. Mai 2006, S. 2; German Experts on Corporate Law, ZIP 2002, 1310 (1316); Heine/Röpke, RabelsZ 70 (2006), 138 (143); Miola, ECFR 2005, 413 (420); Pellens/Schmidt, ZGR 2008, 381 (384); Priester, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 1 (4); Seibert, EBOR 7 (2008), 83 (87); vgl. auch Noack/ Beurskens, EBOR 9 (2008), 97 (110); Schwaiger, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 2 Rn. 95; Schärtl, GmbHR 2007, R 305 (R 306); tendenziell auch H. Schmidt, BKR 2007, 1 (2). 15 Hicks, JBL 2001, 433 (453). 16 Vgl. Fleischer, DStR 2000, 1015 (1020); Pellens/Schmidt, ZGR 2008, 381 (396); Vetter, ZGR 1995, 788 (800); Wachter, GmbHR 2004, 88 (97); kritisch Mülbert, A synthetic view of different concepts of creditor protection, S. 29. 17 So werden denn auch erhöhte Notarsgebühren als Alternative zu einer gesetzlichen Mindestkapitalziffer diskutiert. Vgl. Prahm, ZGR 2006, 366 (367). 14

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§ 6 Verantwortlichkeit der Gesellschafter

ihrer Entscheidung hingewiesen werden18. Im Ergebnis lässt sich damit keine Notwendigkeit konstatieren, Gesellschaftern einen eigenständigen Finanzierungsbeitrag abzuverlangen, um sie auf die Bedeutung der Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit mittels einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft hinzuweisen. Ein anderer Gesichtspunkt wird hingegen berührt, wenn Teile des Schrifttums die Seriositätsschwelle dahingehend verstehen, dass den (zukünftigen) Gesellschaftern ein Mindestverlustbeitrag abverlangt wird19. Wie zu zeigen sein wird, stellt die Verlustbeitragsfunktion einen wesentlichen Bestandteil der ökonomischen Legitimierbarkeit einer gesetzlichen Mindestkapitalziffer dar. Diese Verlustbeitragsfunktion ist jedoch begrifflich und inhaltlich von der Funktion als Seriositätsschwelle zu trennen. Anderenfalls droht der fehlerhafte Rückschluss, dass der Grad an Eigenmitteln über die Seriosität einer Unternehmung entscheide. Determinanten unternehmerischen Reüssierens sind primär Konzept, Planung, Implementierung, Sicherung einer angemessenen Durchführung etc. Lediglich mittelbar, indem es (auch, aber nicht nur) unseriöse Gründungen verteuert und damit eine genauere Prüfung verlangt, lässt sich ein Mindestkapitalerfordernis als Seriositätsschwelle begreifen20. b) Signaling Ökonomische Bedeutung kann ein von den Gesellschaftern aufzubringendes bzw. aufgebrachtes Mindestkapital bei Vorliegen von asymmetrischer Information in Form von Qualitätsunsicherheit erlangen. Der Eigenkapitalanteil an der Gesamtfinanzierung der Unternehmung besitzt Signal-Wirkung bezüglich der Einschätzung der Qualität der unternehmerischen Ertragschancen durch die Gesellschafter. Eine gesetzlich fixierte Mindestkapitalziffer generiert für die Gläubiger die Information, dass die Gesellschafter zumindest diesen Betrag als Verlustrisiko für die Realisierung ihrer ursprünglichen Geschäftsidee zu übernehmen bereit sind21. Es unterstützt die Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger, indem es die Informationsbasis der Ent-

18 Aus der Bankpraxis Walter, AG 1998, 370 (371): „Als Bank fühlen wir uns durchaus in der Lage, die Bonität unserer Kunden eigenständig zu beurteilen, uns hierauf aufbauend ein Krediturteil zu bilden und diese Position in den Verhandlungen mit dem Kreditnehmer zu vertreten“. 19 So etwa Kleindiek, ZGR 2006, 335 (342); in diese Richtung auch Lutter, AG 1998, 375 (375); Priester, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 1 (5 f.). 20 Vgl. Kleindiek, ZGR 2006, 335 (343). 21 Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (435 f.); Pellens/Schmidt, ZGR 2008, 381 (397 ff.); Mankowski, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (502); Schön, DK 2004, 162 (166 f.); Armour, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 3 (13); ohne Inbezugnahme der ökonomischen Signaling-Theorie auch Zöllner, GmbHR 2006, 1 (10); H. Schmidt, BKR 2007, 1 (2), Miola, ECFR 2008, 413 (477); in gleiche Richtung auch Kleindiek, ZGR 2006, 335 (343); Barta, GmbHR 2005, 657 (661 f.).

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scheidung verbessert und ist insoweit strukturell geeignet, dem Problem adverser Selektion entgegenzuwirken22. Die durch ein gesetzlich fixiertes Mindestkapital generierte zusätzliche Information ist für den Kreditmarkt respektive die Gruppe der freiwilligen Gläubiger allerdings nur unter der Voraussetzung verwertbar, dass das Signal zielgenau die überlegene Information der Vertragsgegenseite im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufdeckt23. In diesem Zusammenhang wird die Aussagekraft des durch ein Mindestkapitalerfordernis ausgesandten Signals zunächst nachhaltig dadurch beeinträchtigt, dass für große und kleine, risikoreiche und risikoarme Unternehmen eine einheitliche Mindestkapitalziffer vorgesehen ist24. Ohne Bezug zur Risikoträchtigkeit und Größe einer Unternehmung bleibt ein Mindestkapitalerfordernis ein Muster ohne Wert. Bedeutender ist in diesem Zusammenhang die in das Ermessen der Gesellschafter gestellte Möglichkeit, eine über das Mindestkapitalerfordernis hinausgehende Initialkapitalisierung in der Satzung festzuschreiben, die sich als „kollektives Vertragsangebot“ bzw. „individuell gewählte Kapitalgarantie“ an die Gläubiger verstehen lässt25. Die Gesellschafter signalisieren hiermit ihre Bereitschaft, das Unternehmen mit dem angegebenen Betrag an Eigenkapital zu unterstützen und nur hierüber hinausgehende Bestandteile des Gesellschaftsvermögens im Wege der Ausschüttung abzuziehen26. Im Gegensatz zu einer gesetzlich festgeschriebenen Mindestkapitalziffer kann ein derart durch die Satzung festgeschriebenes Mindestkapital in eine vernünftige Relation zu Größe und Risikoträchtigkeit der Unternehmung gebracht werden. Dementsprechend erscheint auch ein vollständiger Verzicht auf jedwede gesetzliche Mindestkapitalziffer vertretbar. Notwendig, aber auch ausreichend wäre eine Ausschüttungssperre, die die Gesellschafter an eine einmal ausgesprochene Haftkapitalzusage bindet. In diese Richtung zielend verlangte bereits der Entwurf des MiKaTraG die Angabe des gezeichneten und eingezahlten Stammkapitals auf Geschäftsbriefen im Gegenzug für den vollständigen Verzicht auf ein gesetzlich festgesetztes Mindestkapital27.

22 Vgl. Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 23 f.; Noack/Beurskens, EBOR 9 (2008), 97 (110 f.). 23 Vgl. auch Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (190). 24 Vgl. etwa Lutter, AG 1998, 375 (375); Miola, ECFR 2008, 413 (434); sehr kritisch Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1185 f.). 25 Vgl. Schön, DK 2004, 162 (166); Armour, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 3 (16 f.); Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 5 Rn. 12c; vgl. auch Kleindiek, ZGR 2005, 335 (346 ff.); Roth, DNotZ 2006, 166 (168); in diese Richtung auch BGH, Beschl. v. 7. 7. 2003 – II ZB 04/02 = BGHZ 155, 318 (326). Zur Bedeutung in der Praxis vgl. Köhler/Marten/Schlereth, DB 2007, 2729 (2730). 26 Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 157. 27 Vgl. Kleindiek, DStR 2005, 1366 (1367). Positiv gegenüber dem Ausweis auf Geschäftsbriefen auch Lutter, BB 2006, 2 (2 ff.).

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Allerdings bleibt auch unter Zugrundelegung der Hypothese, dass die gesetzlich oder vertraglich festgesetzte Höhe des Mindestkapitals eine adäquate Größenordnung besitzt, die Informationswirkung rudimentär. Es erlaubt eine Aussage über mindestens vorhandenes Eigenkapital allein für den kurzen Moment der Gesellschaftsgründung28. Da das Mindestkapital nicht verhindern kann, dass das Initialkapital der Gesellschaft im Geschäftsgang verwirtschaftet wird29, nimmt seine Informationswirkung im Zeitablauf ab. Informationsökonomisch ist damit zugleich die Gefahr verbunden, dass das Informationssignal fehlerhaft ist. So besitzt der Ausweis über ein hohes gezeichnetes und eingezahltes Stammkapital auch dann noch rechtliche Gültigkeit, wenn die Gesellschaft über kein freies Vermögen (§ 30 Abs. 1 GmbHG) mehr verfügt, überschuldet (§ 64 Abs. 1 GmbHG bzw. § 15a InsO) oder vermögenslos (§ 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG) ist30. Es droht der fehlerhafte Rückschluss von einer ursprünglich intakten Finanzlage auf die augenblickliche31. Zielführender, weil eine zeitnähere Information generierend, erscheint demgegenüber der Vorschlag von Fastrich, bestimmte Kennziffern aus dem letzten Jahresabschluss auf den Geschäftsbriefen auszuweisen32. Diese hätte überdies den nicht unerwünschten Nebeneffekt, die Geschäftsleitung zu einer rechtzeitigen Aufstellung des Jahresabschlusses anzuhalten, da anderenfalls der Rechtsverkehr den Eindruck gewinnen könnte, dass die Buchführung des Vertragspartners Defizite aufweist. Als Ergebnis wird man festzuhalten haben, dass ein gesetzliches Mindestkapital zumindest einen beschränkten Beitrag zum Gläubigerselbstschutz zu leisten vermag, indem es diesen das Signal vermittelt, dass die Gründungsgesellschafter zumindest im Gründungszeitpunkt bereit waren, für die Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes 25.000 E bzw. 50.000 E aufzubringen. Allerdings gilt, dass die SignalFunktion Bedeutung nur für die weniger schutzwürdigen freiwilligen Gläubiger besitzt, da unfreiwilligen Gläubigern keine Entscheidung ermöglicht wird, ob sie von einer Gesellschaft mit dem ausgewiesenen Eigenkapitalisierungsgrad geschädigt werden wollen oder nicht33.

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Vgl. Drygala, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 277 (279 f.); Kuhner, ZGR 2005, 753 (771); Mülbert, DK 2004, 151 (157); Schön, DK 2004, 162 (165); Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 5 Rn. 13; Kleindiek, ZGR 2006, 335 (337); vgl. auch schon Fabricius, GmbHR 1970, 137 (139 f.). 29 Vgl. Kallmeyer, DB 2007, 2755 (2755). 30 Vgl. K. Schmidt, DB 2005, 1095 (1096). 31 Vgl. Kleindiek, DStR 2005, 1366 (1367); K. Schmidt, DB 2005, 1095 (1096 f.). 32 Fastrich, nach Kober, MittBayNot 2006, 208 (209); ähnlich Schärtl, GmbHR 2007, 345 (349), der im Rahmen seines Ansparmodells („akkumulierendes Stammkapitalkonzept“) einen Ausweis des jeweils aktuellen Stammkapitals verlangt. 33 Vgl. Mülbert, DK 2004, 151 (157).

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c) Revision des Anreizsystems: Initiale Fehlanreize Fraglich ist, ob gesetzliche Mindestkapitalerfordernisse den Anreizen zu nachvertraglichem Fehlverhalten zu begegnen vermögen. Die durch das Institut der beschränkten Haftung bedingten Fehlanreize treten auf, wenn die Gesellschafter keine oder doch zumindest keine subjektiv relevanten Vermögenseinbußen in Form eingebrachten Eigenkapitals oder aber Ansprüchen auf den zukünftigen Residualertrag zu gewärtigen haben. Diese Voraussetzungen sind nicht zwingend an eine Krise aufgrund andauernden wirtschaftlichen Misserfolgs geknüpft, sondern können bereits im Gründungsstadium einer Kapitalgesellschaft erfüllt sein. Denkbar ist zunächst, dass eine Beschränkthafterin im guten Glauben an ihren unternehmerischen Erfolg gegründet wird, sich jedoch bereits nach kurzer Zeit offenbart, dass die der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen nicht hinreichend profitabel sind, um einen angemessenen Residualgewinn abzuwerfen. Erkennen die Gesellschafter die fehlende Marktfähigkeit und sind sie nicht mit Eigenkapital engagiert, wird die Wahl spekulativer Strategien unmittelbar subjektiv rational34. Bereits im Gründungszeitpunkt gilt dann die Faustformel, dass im unwahrscheinlichen Erfolgsfall die Gesellschafter den Löwenanteil der Zahlungsströme erhalten, während im wahrscheinlichen Scheiternsfall ihr Verlustrisiko gleich Null ist. Alternativ besteht mit Erkennen der fehlenden Ertragsaussichten die Gefahr von Unterinvestitionsproblemen. Eine ausschließliche Fremdverschuldung spricht die zukünftigen Zahlungsströme maßgeblich den Gesellschaftsgläubigern zu, so dass nur bei hoher Profitabilität die Gesellschafter mit einem return on investment rechnen dürfen. Der notwendige Aufwand an persönlichem Engagement steht in keinem Verhältnis zu den mehr als vagen Gewinnaussichten. Die „Krise“ setzt bei einer solchen Gesellschaft bereits im Zeitpunkt ihrer Gründung ein. Darüber noch hinausgehend kann aufgrund der mit der gesetzlichen Haftungsbeschränkung verbundenen Reallokation von Verlusten und Gewinnen selbst die bewusste Gründung einer objektiv nicht überlebensfähigen Gesellschaft subjektiv rational sein, wenn spekulative Strategien hinreichend hohe Gewinne versprechen35. Diese initialen Fehlanreize federt ein gesetzliches Mindestkapitalerfordernis teilweise ab, indem es den Gesellschaftern ein über den Gründungsaufwand hinausgehendes zusätzliches Mindestverlustrisiko in Höhe der gesetzlich geforderten Einlage zuweist36. Die Anreize, eine Kapitalgesellschaft bereits unmittelbar nach Gründung für eine Spekulation einzusetzen, sinken37. Eine strukturelle Erleichterung bedeutet dies insbesondere für die unfrei34

Vgl. Davies, AG 1998, 346 (352); Vetter, ZGR 2005, 788 (801). Abzuziehen ist die anteilige Belastung mit den Gründungskosten, die aber im Falle der GmbH mit geschätzten 1000 Euro kaum ins Gewicht fällt. Implizit zu den initialen Fehlanreizen Teichmann, NJW 2006, 2444 (2446). 36 Die Verlustzuweisung wird auch bei Mankowski, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (502); Leyendecker, GmbHR 2008, 302 (306); Schärtl, GmbHR 2007, 345 (347); Vetter, ZGR 2005, 788 (800); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (14) betont. 37 Vgl. Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (502); Walter, AG 1998, 370 (371); Schärtl, GmbHR 2007, 345 (347). 35

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willigen Gläubiger, da dieser Effekt in gleicher Weise zugunsten freiwilliger wie unfreiwilliger Gläubiger wirkt38. Allerdings wirken sich die konstruktiven Schwächen eines gesetzlichen Mindestkapitalerfordernisses auch bei Begrenzung der rechtsformspezifischen Fehlanreize aus. Für Unternehmen mit einigermaßen umfänglichem Geschäftsbetrieb ist ein gesetzlich oktroyiertes Mindestverlustrisiko in Höhe von 25.000 Euro verschwindend gering39. Die Lukrativität opportunistischen Verhaltens wird für diese Gesellschaften und ihre Anteilseigner gar nicht oder nur marginal gesenkt, wenn der revidierte Erwartungswert der spekulativen Handlungsalternative deutlich über dem möglichen Verlust der 25.000 Euro liegt. Dies gilt in noch stärkerem Maße, wenn das Mindestkapital durch eine Mehrzahl von Gesellschaftern aufgebracht wird. Zwar mindert ein Anwachsen der Gesellschafterzahl den jeweiligen Anspruch auf den Residualgewinn. Gleichzeitig sinkt aber auch der durch die Einlage verkörperte Verlustanteil des Einzelgesellschafters. Unter der Annahme persönlicher Risikoaversion der Gesellschafter ist der Nutzen der Aufteilung des Verlustrisikos größer als die Nutzeneinbuße in Folge der geminderten Residualanspruchsberechtigung. Dennoch ist im Ergebnis festzuhalten, dass ein gesetzliches Mindestkapital die mit der Haftungsbeschränkung verbundenen Fehlanreize abzumildern vermag. Insoweit als Gründungen, die allein der Realisierung der Ertragschancen eines eigentlich unwirtschaftlichen Unternehmens dienen, erschwert werden, wirkt sich das Mindestkapital als „Seriositätsschwelle“ aus. Ob es zur Erzielung dieses Effektes tatsächlich eines Mindestkapitals bedarf, wird mit Blick auf die Möglichkeit der Vereinbarung von Covenants teilweise bezweifelt. Auch Covenants verpflichten die Gesellschaft zur Aufbringung und zum Erhalt eines Mindestkapitals bzw. darüber hinaus gehend eines Working Capital40 und werden anders als das gesetzlich fixe Mindestkapitalerfordernis mit Blick auf die konkreten Daten der Schuldnerin formuliert. Dem sind allerdings die geschilderten Nachteile von Covenants gegenüberzustellen und vor allem die Tatsache, dass Covenants, um Wirksamkeit entfalten zu können, überhaupt erst vereinbart werden müssen. Ist dies nicht der Fall, bietet ein moderates Mindestkapitalerfordernis einen gewissen Residualschutz, der auch aus Gesellschaftersicht positiv ist, falls hierdurch die Fremdfinanzierungskosten gesenkt werden. d) Revision des Anreizsystems: krisenbedingte Fehlanreize Keinen Schutz bietet ein Mindestkapitalerfordernis hingegen gegen die originären Krisenanreize, also solche Fehlanreize, die nicht als Folge einer allein Spe38 Vgl. Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (503); Spindler, JZ 2006, 839 (842); Miola, ECFR 2008, 413 (471 f.). 39 Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (434) Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 17 (20 f.); Goette, ZGR 2006, 261 (265 f.); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 250; Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (502 f.), siehe auch BMJ, Referentenentwurf MoMiG, S. 37. 40 Vgl. Mülbert, DK 2004, 151 (156).

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kulationszwecken dienenden Gesellschaftsgründung auftreten, sondern einem Rückgang des Nettogegenwartswerts im Rahmen des Geschäftsablaufs entspringen. Da die Gesellschafter – sofern nicht vertraglich vereinbart – nicht zu Nachschüssen verpflichtet sind, kann auch ein anfänglich aufgebrachtes Mindestkapital durch anhaltende Verluste aufgezehrt werden41. Weder können Mindestkapitalerfordernisse ein erfolgreiches Wirtschaften der Gesellschaft vom Zeitpunkt ihrer Gründung bis zu einer eventuellen Liquidation sicherstellen, noch sind sie hierzu bestimmt42. In Anlehnung an Würdingers bekanntes Bild des Mindestkapitals als einer Staumauer, ab deren Überschreiten Geld an die Gesellschafter abfließen könne43, formuliert Wiedemann pointiert, dass auch eine hohe Staumauer nicht zu verhindern vermag, dass es nicht regnet44. Indem Mindestkapitalerfordernisse somit nicht sicher zu stellen vermögen, dass über den gesamten Lebenszyklus der Unternehmung aus Sicht der Gesellschafter relevante und damit schützenswerte Vermögenspositionen in der Gesellschaft gebunden sind, hindern sie nicht die krisenbedingte Revision des Anreizsystems45. Wird das Mindestkapital durch anhaltende Verluste aufgezehrt und ist auch für die Zukunft keine Rückkehr in die Gewinnzone zu erwarten, treten dieselben Fehlanreize auf wie bei einer Gesellschaft, die nie einer gesetzlichen Mindestkapitalisierungspflicht unterworfen war46. Anderes würde nur dann gelten, wenn eine solche Kapitalisierungspflicht nicht nur statisch den Moment der Gründung betrachten würde, sondern dynamisch den unangetasteten Erhalt des Mindestkapitals über die Lebensdauer sichern würde47. Einen gewissen Vorfeldschutz gegen krisenbedingte Fehlanreize bewirkt allein die sogenannte Verlustpolster- bzw. Pufferfunktion48. Im Geschäftsgang anfallende Verluste treffen nach der Prioritätsregel zunächst das Eigenkapital. Ein Mindestkapitalerfordernis sichert, dass überhaupt Eigenkapital in der Gesellschaft vorhanden ist, verzögert damit den Prozess finanzwirtschaftlichen Ausblutens der Ge-

41 Vgl. Mülbert, DK 2004, 151 (155); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 249; Kallmeyer, DB 2007, 2755 (2755). 42 Vgl. Davies, AG 1998, 346 (352); Fleischer, DStR 2000, 1015 (1020). 43 Vgl. Würdinger, Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, S. 32. 44 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 IV 1 b, S. 557; vgl. auch Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 249. Auch Würdinger selbst weist darauf hin, dass es nicht vor Verdunstung schützen könne. 45 Vgl. auch Davies, EBOR 7 (2006), 301 (310); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 125. 46 Vgl. auch Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 17 (39). 47 Vgl. Freedman, MLR 63 (2000), 317 (336); Vetter, ZGR 2005, 788 (799). 48 Vgl. Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (134): „the incentive to invest in risky projects is a direct function of the amount the borrower has at the risk – the size of equity cushion“. Vgl. auch Lutter, AG 1998, 375 (375); Pellens/Schmidt, ZGR 2008, 381 (384); Priester, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 1 (6); Schwaiger, in: Becksches Handbuch der GmbH, § 2 Rn. 86.

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sellschaft und senkt c.p. die Insolvenzwahrscheinlichkeit49. Objektiv irrationale Risikoerhöhungen werden erst zu einem späteren Zeitpunkt lukrativ, da die Gesellschafter in frühen Stadien der Krise den Verlust des Teils ihrer Einlage in Rechnung zu stellen haben, der ihnen nach Abzug der Verluste und der Kosten einer Liquidation verbleiben würde. Die praktische Relevanz dieser Pufferfunktion wird aber auch in der Rechtswissenschaft skeptisch betrachtet50. Die Sicherungswirkung richtet sich nach der Relation des Mindestkapitals zu Umfang und Risikoträchtigkeit der Geschäftstätigkeit, die von Unternehmung zu Unternehmung variiert51. Aus Gläubigersicht tritt hinzu, dass das Ausmaß des gesetzlichen Sicherungseffekts darüber hinaus davon abhängt, in welchem Zeitpunkt ein Anspruch gegen die Gesellschaft begründet wird. An der Grenze zwischen Unterbilanz und Überschuldung existiert kein Eigenkapital mehr, das diese Pufferfunktion wahrnehmen würde52. Gerade die Krisenanreize werden damit nicht adressiert. e) Ergebnis Die Verpflichtung zur Erbringung eines bestimmten Mindestkapitals leistet einen gewissen Beitrag zur Bekämpfung der durch die Haftungsbeschränkung bewirkten Fehlanreize53. Einerseits werden die Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger durch ein zusätzliches Signal verbessert, zum anderen wird ein Vorfeldschutz produziert, indem fehlerhafte Anreize nicht sofort auftreten bzw. ihre Virulenz im Vorfeld einer Krise gemildert wird. Andererseits gilt auch hier der allgemeine Befund, dass die gläubigerschützende Wirkung eines Systems einer festen Nennkapitalziffer gering ist54. Fehlanreize werden nur unter ganz bestimmten Bedingungen eingeschränkt. 49

Vgl. auch Eidenmüller/Grunewald/Noack, in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 17 (26 f.); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (338); Kuhner, ZGR 2005, 753 (772); Mülbert, DK 2004, 151 (154). 50 Vgl. statt vieler Roth, DNotZ 2006, 166 (166). 51 Vgl. Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 17 (26 Rn. 30); Kuhner, ZGR 2005, 753 (772); Mülbert, DK 2004, 151 (154 f.); Roth, DNotZ 2006, 166 (167); H. Schmidt, BKR 2007, 1 (2). 52 Auf den situativen Charakter der Pufferfunktion weist nachdrücklich auch Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 249 hin. 53 So Kleindiek, ZGR 2006, 335 (340). Insoweit ist auch dem Befund von Lombardo/ Wunderlich, Haftungsdurchgriff im Recht der Kapitalgesellschaften, S. 15 Rn. 45, wonach „Vorschriften über ein gesetzliches Mindestkapital aus ökonomischer Sicht nicht nur überflüssig, sondern auch und vor allem ineffizient sind, kann als allgemein bekannt gelten“ nicht zu folgen. Im Übrigen überzeugt auch die Begründung der Autoren für die vermeintlichen Ineffizienzen nur bedingt, wenn darauf abgestellt wird, dass in den Vereinigten Staaten und Großbritannien das Wirtschaftsleben auch bei Fehlen von entsprechenden Regelungen nicht zusammengebrochen sei. Verfechter des Mindeststammkapitals können hier in gleicher Weise argumentieren, dass dieses Erfordernis knapp eine Million Gesellschaften nicht gehindert hat, das Schutzschild der beschränkten Haftung durch Gründung einer GmbH in Anspruch zu nehmen. 54 Vgl. K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (3).

II. Kapitalschutzsystem

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Ein gesetzliches Mindestkapitalerfordernis, gleich welcher Höhe, stellt somit keine allgemeine Lösung der Gefahr opportunistischen Verhaltens in der Krise der Kapitalgesellschaft dar. Für die generelle Debatte um Nutz und Frommen eines gesetzlichen Mindestkapitals lässt sich dieses Ergebnis insoweit verwenden, als die Existenz krisenbedingter Fehlanreize kaum als Legitimationsgrundlage einer gesetzlich festgesetzten Mindestkapitalziffer angeführt werden kann. Die Notwendigkeit eines Mindestkapitalerfordernisses wird damit maßgeblich von der Beantwortung der Frage abhängig bleiben, ob im Aggregat der Volkswirtschaft ein Verlust entsteht, weil Kleinstgründungen mit positivem Erwartungswert am Markteintritt gehindert werden, oder aber Schäden verhindert werden, weil unseriöse Gründungen mit negativem Erwartungswert verhindert werden55.

II. Kapitalschutzsystem 1. Kapitalaufbringung und -erhaltung Ergänzt werden gesetzliche Mindestkapitalerfordernisse durch das Recht der Kapitalaufbringung- und erhaltung (§§ 57 Abs. 3 AktG; 5, 8 Abs. 2 S. 2, 9, 19, 30, 31 GmbHG). Hiernach ist es verboten, das nach den Kapitalaufbringungsvorschriften aufgebrachte Vermögen offen oder verdeckt an die Gesellschafter zurückfließen zu lassen56. § 30 GmbHG verbietet die Auszahlung von Gesellschaftsvermögen, wenn zum Zeitpunkt der Auszahlung eine Unterbilanz besteht, die durch die Auskehrung herbeigeführt oder verschärft wird57. Weitergehend erlaubt das Aktienrecht vor Auflösung der Gesellschaft allein die Ausschüttung des Bilanzgewinns (§ 57 Abs. 3 AktG). Das Kapitalerhaltungsrecht ist zunächst notwendiges Korrelat der Pflicht zur Aufbringung eines gesetzlichen Mindestkapitals. Eine entsprechende Verpflichtung der Gesellschafter würde leer laufen, wäre es Anteilseignern nicht verwehrt, ihre durch das Prinzip der realen Kapitalaufbringung gesicherte Leistung auf Stamm- und Grundkapital unmittelbar nach der Einzahlung wieder an sich auszahlen zu lassen58.

55 Vgl. hierzu etwa Miola, ECFR 2005, 413 (413 ff.). Ähnlich Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 36. 56 Vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 265; Pellens/Schmidt, ZGR 2008, 381 (384). Zu den Neuregelungen des Kapitalschutzsystems durch das MoMiG etwa Herrier, DNotZ 2008, 903 (903 ff.). 57 Vgl. Heidinger, DNotZ 2005, 96 (110 f.); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 121. 58 Vgl. etwa Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 17 (20); Heidinger, DNotZ 2005, 97 (110); Armour, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 3 (8) (für den Fall einer fehlenden effektiven Verpflichtung, das Kapital aufzubringen). Das ist der zutreffende Ausgangspunkt der im Detail bisher streitigen Behandlung des Hin- und Herzahlens, die nunmehr in § 19 Abs. 5 GmbHG n.F. einer

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§ 6 Verantwortlichkeit der Gesellschafter

Andererseits ist eine Mindestkapitalziffer nicht notwendige Voraussetzung eines gesetzlichen Nennkapitalsystems wie es rechtspraktisch das Beispiel der private company limited by shares zeigt59. Existieren Stammkapital und stammkapitalbezogene Ausschüttungssperre, dient das Kapitalerhaltungsrecht als gesetzliche Absicherung der dargestellten Verlustpufferfunktion des Eigenkapitals60. Fehlt eine gesetzliche Mindestkapitalziffer, sichert das Kapitalerhaltungsrecht nicht den Abfluss ursprünglich eingezahlten Kapitals, sondern regelt allgemein die Zulässigkeit von Verlagerungen von Vermögenswerten zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern61. Es untersagt – insbesondere bei finanzwirtschaftlichen Schieflagen – Vermögensverlagerungen auf die Gesellschafter und hindert damit, dass eine Kapitalgesellschaft als leere Hülle als Vehikel für eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger eingesetzt wird. Es unterbindet damit ausdrücklich einen Teil opportunistischen Verhaltens (asset withdrawal) in der Krise der Kapitalgesellschaft62. Der Anwendungsbereich des Kapitalschutzsystems beschränkt sich jedoch auf den Bereich der Vermögensverlagerungen von der Gesellschaft auf die Gesellschafter bzw. ihnen gleichgestellte Dritte. Offen ist, ob hiermit zumindest mittelbar auch ein Beitrag zur Bekämpfung der Fehlanreize in der Krise der Kapitalgesellschaft verbunden ist. 2. Kapitalerhaltung und Fehlanreize Fehlen vertragliche oder gesetzliche Bindungen, steht es den Gesellschaftern frei, der Gesellschaft eingebrachte und/oder realisierte Vermögenswerte zu entziehen. Mit der Verlagerung eigener Mittel verändert sich das Anreizschema für Gesellschafter und Geschäftsleiter. Ob dieser Entzug des bilanziell abbildbaren Vermögens der Gesellschaft die Wahl von Projekten mit negativem Nettogegenwartswert rational werden lässt, hängt wiederum von der prognostizierten Ertragsentwicklung der Gesellschaft ab. Verspricht eine unternehmenswertmaximierende Geschäftspolitik hinreichend große Gewinne, werden diese durch eine Spekulation auf Kosten der gesetzlichen Lösung zugeführt worden ist. Zum Verhältnis von Kapitalaufbringung- und erhaltung auch Henze, NZG 2003, 649 (652 f.). 59 Vgl. auch Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 17 (20); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (337); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (3); a.A. allerdings Shearman, Die Private Limited Company, S. 57: „Es ist offensichtlich, dass ein solcher Schutz künstlich und nicht besonders werthaltig ist, wenn die Gesellschaft nur über ein Minimum an Stammkapital verfügt“. Überaus kritisch ist hingegen die Verbindung eines Nennkapitalsystems ohne Mindestkapital bei gleichzeitiger Insolvenzantragspflicht für den Fall einer (bilanziell ermittelten) Überschuldung wie im Falle der UG. 60 Vgl. Kleindiek, ZGR 2006, 335 (339). 61 Vgl. Kleindiek, ZGR 2006, 335 (339); Schön, DK 2004, 162 (165); vgl. auch Bayer, ZGR 2007, 220 (239); Kallmeyer, DB 2007, 2755 (2757). 62 Vgl. Mülbert, DK 2004, 151 (159); Schön, DK 2004, 162 (167 f.); Weller, DStR 2007, 116 (116); Spindler, JZ 2006, 839 (843); ähnlich Kleindiek, ZGR 2006, 335 (339); sehr skeptisch aufgrund der Bilanzorientierung des Kapitalschutzsystems Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1190).

II. Kapitalschutzsystem

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Gläubiger gefährdet. Anders gestaltet sich die Entscheidungssituation bei fehlender Fortführungswürdigkeit. Erkennen die Gesellschafter dies hinreichend früh, ist es ihnen ohne gesetzlichen oder vertraglichen Kapitalschutz nicht verwehrt, ihre im Unternehmen gebundenen Vermögenswerte abzuziehen und vor einer Entwertung durch die Unternehmensfortführung zu sichern. Bei Fehlen eines Kapitalschutzes sind sie also nicht gezwungen, den Weg der ordentlichen Liquidation zu beschreiten, um ihr Restvermögen aus der Gesellschaft abzuziehen. Es verbleibt eine nicht fortführungswürdige Gesellschaft, die allein durch die Gläubiger finanziert wird. Ein rationaler Gesellschafter erkennt dies und übt die Option einer nur noch mit Chancen, nicht aber Risiken verbundenen Fortführung dieser Gesellschaft aus. Das Kapitalschutzsystem unterbindet, wie dargestellt, eine solche Strategie, indem es bereits den ersten notwendigen Schritt, den Abzug der verbliebenen Vermögenswerte unterbindet. Erreichen die in der Gesellschaft gebundenen Vermögenswerte eine für die Gesellschafter entscheidungserhebliche Dimension, ist die ordnungsgemäße Liquidation die dominante Strategie. Andererseits ist das Kapitalschutzsystem für sich nicht in der Lage, die krisenbedingten Fehlanreize auszuschalten. Auch das Kapitalschutzsystem vermag nicht zu verhindern, dass das Gesellschaftsvermögen im Rahmen des gewöhnlichen Geschäfts aufgezehrt wird63. Die Gesellschaft kann damit, auch ohne dass eine Verlagerung von Gesellschaftsvermögen auf die Gesellschafter oder Dritte erfolgt, ein Stadium erreichen, indem die Gesellschafter alles zu gewinnen und nichts zu verlieren haben mit den beschriebenen Konsequenzen. Im Einzelfall kann das Kapitalerhaltungsrecht die Fehlanreize sogar verstärken, weil Ausschüttungssperren die Gesellschafter zur unternehmensinternen Reinvestition ihrer Mittel zwingen. Bei Fehlen hinreichend aussichtsreicher Projekte wird damit gerade ein Anreiz zur Unterinvestition und/oder zum gamble for resurrection gesetzt64. Welcher dieser beiden Effekte sich im Ergebnis durchsetzt, ist unklar65. Gegen die Effektivität des Kapitalschutzsystems bei der Bekämpfung der Fehlanreize spricht, dass die gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapitalhöhe als Ausschüttungssperre in keinem Verhältnis zu Umfang und Risikoträchtigkeit steht66. Im Grundsatz steht es Gesellschaftern frei, in Anamnese auf eine unumkehrbare Krise, der Gesellschaft bis zur Höhe des Mindeststammkapitals ihre Vermögenswerte zu entziehen67, so dass bei der 63

Vgl. Drygala, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 277 (279); K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (189); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 265; Mattheus, ZGR 2006, 281 (281 f.). 64 Keay, Wrongful Trading and the Liability of Company Directors, S. 8; auch Hansmann/ Kraakman, Yale L. J. 100 (1991), 1879 (1884) für den Spezialfall der Deliktsgläubiger. 65 Vgl. Kuhner, ZGR 2005, 757 (769). 66 Mülbert, DK 2004, 151 (160). Alternative Kennzahlen finden sich im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht im RMBCA und im UFTA. 67 Es steht dann allerdings die Drohung einer Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs im Raum. Im Aktienrecht darf hingegen aufgrund der umfassenden Vermögensbindung vor Auflösung grundsätzlich nur der Bilanzgewinn an die Aktionäre verteilt werden (§ 57 Abs. 3 AktG), möglich sind daneben allerdings auch Rückzahlungen aus freien Rücklagen,

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§ 6 Verantwortlichkeit der Gesellschafter

Entscheidung der Gesellschafter zwischen Liquidation zur Rettung eingebrachter Vermögenswerte und Spekulation auf Kosten der Gläubiger allein der Anteil des Mindestkapitals anzusetzen ist. Darüber hinaus befinden sich Gesellschaften, die sich mit der krisenbedingten Revision des Anreizsystems konfrontiert sehen, regelmäßig bereits im Stadium der Unterbilanz. Auch das Kapitalerhaltungsrecht generiert damit im Zusammenspiel mit einem gesetzlichen oder satzungsmäßigen Nennkapital als Ausschüttungssperre einen Vorfeldschutz, wenn es Gesellschafter hindert, die nicht fortführungswürdige Gesellschaft auszuplündern und dann zum Schaden der Gesellschaftsgläubiger in die Insolvenz zu steuern. Es setzt für Gesellschafter nicht fortführungswürdiger Unternehmen einen Anreiz, das Regelverfahren der Liquidation einzuleiten. Andererseits ermöglicht es keine zielgenaue Ansprache der Fehlanreize zu Überinvestition, Unterinvestition und claim dilution, sondern lässt diese regelmäßig unsanktioniert.

III. Anzeigepflicht nach §§ 49 Abs. 3 GmbHG, 92 Abs. 1 AktG § 49 Abs. 3 GmbHG und § 92 Abs. 1 AktG statuieren für Geschäftsführer und Mitglieder des Vorstands die Pflicht, bei einem durch eine Jahres- oder Zwischenbilanz ausgewiesenem Verlust der Hälfte des satzungsmäßigen Stamm- bzw. Grundkapitals68 unverzüglich die Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung einzuberufen69. Gemeinsamer Zweck beider, im Wesentlichen wortgleicher Bestimmungen ist die Etablierung eines wenn auch „bescheidenen“ (G.H. Roth) Frühwarnsystems70. In Konsequenz ist das Erreichen materieller Insolvenzreife keine Tatbestandsvoraussetzung der Anzeigepflicht71.

insbesondere aus den sonstigen Zuzahlungen in das Eigenkapital gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB. 68 Zur streitigen Berechnung vgl. Liebscher, in: Sudhoff, GmbH & Co. KG, § 16 Rn. 75 f.; Nowotny, FS Semler, 231 (242 ff.); für Übertragung der Grundsätze aus § 64 Abs. 1 GmbHG Müller, ZGR 1985, 191 (203); für die AG: Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 12 ff.; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92, Rn. 9 f. Anderes gilt nach dem MoMiG für die Unternehmergesellschaft. Hier ist die Gesellschafterversammlung bei drohender Zahlungsunfähigkeit einzuberufen (§ 5a Abs. 4 GmbHG). Dies rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass eine solche Gesellschaft regelmäßig nur über ein minimales Stammkapital verfügen wird. 69 De lege ferenda für eine darüber hinausgehende Pflicht der Geschäftsleitung zur Evaluierung von Sanierungsaussichten Veil, ZGR 2006, 374 (382). 70 Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 11; vgl. auch Goette, ZGR 2006, 261 (269); Müller, ZGR 1985, 191 (193 ff.). Zu dem durch das KonTraG eingeführten Risikomanagementsystem des § 91 Abs. 2 AktG und seiner Anwendung im GmbH-Recht vgl. Hommelhoff, FS Sandrock, 373 (373 ff.); Altmeppen, ZGR 1999, 291 (300 ff.); Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297 (300 ff.). 71 Vgl. Götker, Der Geschäftsführer in der Krise der GmbH, S. 134; für die AG: Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 8.

III. Anzeigepflicht nach §§ 49 Abs. 3 GmbHG, 92 Abs. 1 AktG

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Direkter Gläubigerschutz in der Form, dass den Gläubigern durch die Normen ein Anspruch gegen die Geschäftsleiter oder untätige Gesellschafter eingeräumt würde, erwächst hieraus nicht, da sie nach ganz herrschender Meinung unmittelbar nur den Interessen der Gesellschafter und Aktionäre zu dienen bestimmt sind und diesen keinerlei Handlungspflichten auferlegt werden72. Gesellschafter und Aktionäre sollen über die Insolvenzgefahr benachrichtigt werden, um Gegenmaßnahmen ergreifen zu können73. Ökonomischer Hintergrund dieser Beschränkung des Schutzbereichs der Norm auf die Gruppe der Anteilseigner ist, dass bei Verlust der Hälfte des Grund- oder Stammkapitals primär ihre Vermögensinteressen betroffen sind, falls es in Folge weiteren wirtschaftlichen Misserfolgs zu einer weiteren Aufzehrung der Eigenkapitalreserven der Gesellschaft kommt74. Mittelbar wird aber auch den Gläubigern Schutz zuteil. Durch die drohende Sanktion einer Haftung nach §§ 43 Abs. 2 GmbHG; 92 Abs. 2 AktG bzw. einer Strafbarkeit nach den §§ 84 Abs. 1 GmbHG n.F.; 401 AktG n.F. wird die Geschäftsleitung angehalten, ihrer Informationspflicht gegenüber den Anteilseignern nachzukommen75. Genügen sie dieser Pflicht, wie vom Gesetz durch das Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ gefordert, zeitnah, ist im Idealfall das satzungsmäßige Stamm- bzw. Grundkapital noch fast hälftig im Unternehmen gebunden. Stellt dieses verbliebene Eigenkapital für die Anteilseigner eine relevante Vermögensgröße dar, werden sie auf ein Verhalten der Geschäftsleitung hinwirken, welches diese Vermögensposition so weit als möglich sichert76. Existieren valide Chancen, die Gesellschaft in die Gewinnzone zurückzuführen, wird die Geschäftsleitung mit den notwendigen Reorganisationsmaßnahmen betraut, ist hingegen das wirtschaftliche Schicksal der Unternehmung besiegelt, wird die Liquidation bzw. Abwicklung eingeleitet, nach deren Abschluss das verbliebene Vermögen an die Gesellschafter bzw. Aktionäre ausgekehrt wird (§§ 72 S. 1 GmbHG, 271 Abs. 1 AktG). Eine überriskante Unternehmensstrategie ist in dieser Situation für die Gesellschafter auch subjektiv nicht rational, weil die wahrscheinlicheren Verluste die Eigenkapi72 Vgl. Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 11; Nowotny, FS Semler, 213 (247 f.); Veil, ZGR 2006, Ulmer, GmbHR 1984, 374 (375); für die AG: Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 2; Hüffer, AktG, § 92 Rn. 15; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 92 Rn. 6; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 18. 73 Vgl. Kalls/Adensamer/Oelkers, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 134 (138); Nowotny, FS Semler, 231 (236); Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 2. 74 Vgl. Pribilla, KTS 1958, 1 (2); vgl. auch Kiethe, WM 2007, 722 (727). 75 Vgl. Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 16; für die AG: Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 17; Hüffer, AktG, § 92 Rn. 15; Darüber hinaus wird § 92 Abs. 1 AktG teilweise als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Aktionäre angesehen (so Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 26; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 17; a.A. Hüffer, AktG, § 92 Rn. 15; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, § 92 Rn. 21), was im Ergebnis unbeachtlich ist, da sich der Schaden der Aktionäre mit dem der Gesellschaft deckt. 76 Auf die Bedeutung der Ansprache des ökonomischen Kalküls der Gesellschafter weist auch Müller, ZGR 1985, 191 (194 f.) hin.

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§ 6 Verantwortlichkeit der Gesellschafter

talpositionen bedrohen. Den Vorteilen der Spekulation müssen ihre Nachteile gegenübergestellt werden. Selbst bei fehlender Überlebensfähigkeit werden die Gesellschafter dann von übertriebenem opportunistischen Verhalten abgehalten, wenn sie im Rahmen einer Liquidation entscheidungsrelevante Vermögenswerte erzielen können. Es kann deshalb auch nicht dem Befund gefolgt werden, dass der – theoretische – Normzweck nicht darin bestehe, „den Gesellschaftern im letzten Augenblick den geordneten, selbstbestimmten Rückzug durch eine Liquidationsentscheidung zu sichern, sondern durch ein taugliches, gesetzlich vorgegebenes Krisenwarnsignal eine frühzeitige Therapie zu ermöglichen“77. Dieses eingeschränkte Verständnis von Normzweck und Funktionsweise der §§ 49 Abs. 3 GmbHG; 92 Abs. 1 AktG geht bereits von einer zu restriktiven und fehlerhaften Prämisse aus. Wenn ausschließlicher Zweck die Therapie „erkrankter“ Unternehmen sein soll, steht dahinter die Annahme genereller Therapiefähigkeit insolvenzbedrohter Unternehmen. Faktisch aber existieren Unternehmungen, die entweder aufgrund eines nicht marktfähigen Unternehmensgegenstandes niemals lebensfähig waren oder ihre Überlebensfähigkeit im Laufe des Wettbewerbs eingebüßt haben. Gerade diese Unternehmen sind es, bei denen die krisenbedingte Revision des Anreizsystems ihre volle negative Wirkung entfaltet. Indem die Anzeigepflicht die Entscheidung über Fortführung oder Liquidation in ein früheres Stadium verlegt, wird gerade bei fehlender Fortführungswürdigkeit die Liquidation der Gesellschaft zur nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv rationalen Reaktion. Zwar verlangen die §§ 92 Abs. 1 AktG, 49 Abs. 3 GmbHG nicht, dass die Gesellschaft ihre Tätigkeit einstellt, wenn die Hälfte des Stamm- oder Grundkapitals verloren ist78. Dies rechtfertigt sich zum einen aus dem Umstand, dass anderenfalls insbesondere schwach eigenkapitalisierte Gesellschaften trotz eines positiven Nettogegenwartswerts aufgelöst werden müssten. Zum anderen ist die Statuierung einer Liquidationspflicht auch bei Gesellschaften mit negativem Nettogegenwartswert im Prinzip nicht erforderlich. Die Gesellschafter werden aus wohlverstandenem Eigeninteresse die Liquidation ihrer Gesellschaft betreiben, um nicht durch eine Fortführung ihr in derselben gebundenes Restvermögen zu verlieren. Die Alternative des Weiterwirtschaftens würde allein das Ausmaß ihres Verlustes erhöhen, indem auch die andere Hälfte des Grundoder Stammkapitals aufgezehrt würde. Die Anzeigepflicht stellt die Gesellschafter einer nicht fortführungswürdigen Gesellschaft vor die Wahl, die Liquidation einzuleiten, um ihr Vermögen zu retten, oder aber durch Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes weitere Verluste in Kauf zu nehmen. Das Gesetz kann den Gesellschaftern diese Entscheidung überlassen, weil, solange das in der Gesellschaft gebundene Vermögen eine relevante Größenordnung erreicht, die Fortführung irrational wäre.

77

Nowotny, FS Semler, 231 (258). Der Arbeitskreis GmbH-Reform sah bei Untätigkeit der Gesellschafter im Anschluss an die Benachrichtigung nach § 49 Abs. 3 GmbHG noch die persönliche Haftung der Gesellschafter vor, vgl. hierzu Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 IV 2 b (3), S. 564. 78

IV. Eigenkapitalersatzrecht

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Anders stellt sich die Entscheidungsfunktion der Gesellschafter dar, wenn die Hälfte des Stamm- oder Grundkapitals für die Anteilseigner nur eine quantité négligéable ist, was insbesondere bei unterkapitalisierten Gesellschaften regelmäßig anzunehmen ist. Verfügt etwa eine GmbH nur über ein Stammkapital in der gesetzlich geforderten Mindesthöhe von 25.000 E, betreibt aber ein Geschäft von einigem Umfang, wird das verbleibende Verlustrisiko von maximal 12.500 E den Anreizen zur Spekulation kaum entgegen wirken79. Dies gilt umso mehr, als bei rasanter Talfahrt einer Unternehmung der hälftigen Aufzehrung des Stamm- oder Grundkapitals dessen vollständiger Verlust zeitlich unmittelbar nachfolgen kann. Rationale Gesellschafter antizipieren unter diesen Voraussetzungen, dass auch durch Liquidation das Restvermögen nicht rechtzeitig aus der Gesellschaft abgezogen werden kann und wählen in Konsequenz schon im Vorfeld des weiteren Vermögensverlustes die Variante, die ihnen höchst unsichere, aber hohe Erträge verspricht80. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Anzeigepflicht der Geschäftsleitung unter bestimmten Voraussetzungen einer Spekulation auf Kosten der Gläubiger entgegen zu wirken vermag. Dies wird erreicht, indem den Gesellschaftern (faktisch) eine Entscheidung über Fortsetzung oder Liquidation in einem Zeitpunkt abverlangt wird, zu dem das revidierte Anreizsystem nicht oder doch nicht mit voller Wirksamkeit zum Tragen kommt, weil die Gesellschafter eigene Verluste berücksichtigen müssen. Die Effizienz dieses Mechanismus ist jedoch an eine Reihe von in der Praxis zweifelhaften Faktoren geknüpft. Zunächst muss die Geschäftsleitung den Verlust der Hälfte des satzungsmäßigen Eigenkapitals zeitnah erkennen. Weiter muss die Hälfte des Stamm- oder Grundkapitals für die Anteilseigner eine entscheidungserhebliche Größe darstellen. Und schließlich muss auch nach Abzug der Liquidationskosten ein ausschüttungsfähiger Überschuss verbleiben, der seinerseits eine entscheidungserhebliche Größe für die Gesellschafter darstellt.

IV. Eigenkapitalersatzrecht 1. Grundlagen Zu den überkommenen Säulen des deutschen Gläubigerschutzrechts gehört das seit Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts maßgeblich durch den BGH entwickelte Eigenkapitalersatzrecht81, das im Rahmen der kleinen GmbH-Novelle 1980 79 Zur Einzelfallabhängigkeit der Wirksamkeit von § 49 Abs. 3 GmbHG vgl. auch Veil, ZGR 2006, 374 (380). 80 Zum Problem des späten Eingreifens von § 49 Abs. 3 GmbHG vgl. Rodewald/Unger, BB 2006, 113 (114); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 111 f.; Miola, ECFR 2005, 413 (426 f.). 81 Grundlegend BGH, Urt. v. 14. 12. 1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (271 ff.) („LuftTaxi“). Zu Grundlagen und Entwicklung vgl. Goette, ZHR 162 (1998). 223 (223 ff.).

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§ 6 Verantwortlichkeit der Gesellschafter

durch den Gesetzgeber in positivrechtlicher Form bestätigt wurde82. Dieser Befund kann trotz der umfangreichen Änderungen und Neufundierung durch das MoMiG auch für die lex lata Geltung beanspruchen. Auch das reformierte GmbH-Recht übernimmt den Grundgedanken des klassischen Eigenkapitalersatzrechtes, dass durch Gesellschafter zur Verfügung gestellte Fremdmittel einer rechtlichen Sonderbehandlung, nämlich einer eigenkapitalähnlichen, bedürfen. Anders als das Kapitalerhaltungsrecht verhindert das Eigenkapitalersatzrecht überkommener Prägung nicht Rückflüsse des gebundenen Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter83. Grundgedanke des klassischen wie auch des durch das MoMiG modifizierten Kapitalersatzrechtes ist vielmehr, dass Fremdmittel in bestimmten Situationen aus Gründen des Gläubigerschutzes wie haftendes Eigenkapital behandelt werden (Umqualifizierung)84. Nach dem bis zum Inkrafttreten des MoMiG geltenden klassischen Eigenkapitalersatzrecht lag diese, die Umqualifizierung rechtfertigende Sondersituation mit dem Erreichen der „Krise der Gesellschaft“, d. h. der Kreditunwürdigkeit, vor. Gemäß § 32a GmbHG a.F. war Kreditunwürdigkeit in diesem Sinne dadurch gekennzeichnet, dass die Gesellschaft „im Zeitpunkt der Leistung von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen hätte erhalten können und deshalb ohne Leistung hätte liquidiert werden müssen“85. Das Tatbestandsmerkmal der Kreditgewährung im Zeitpunkt der Krise war unstreitig dann erfüllt, wenn ein Gesellschafter nach Eintritt der Krise ein neues Darlehen an die Gesellschaft ausgereicht hatte. Nach Ansicht der Rechtsprechung und Teilen der Literatur galt gleiches auch für sogenannte „stehen gelassene Darlehen“, d. h. Kredite, die ein Gesellschafter zwar zu einem Zeitpunkt eingeräumt hatte, als die Gesellschaft noch kreditwürdig war, jedoch nach Beginn einer Krise nicht abgezogen hatte, obwohl er hierzu objektiv in der Lage gewesen wäre86. Hinzutreten musste schließlich als subjektives Element, dass der Gesellschafter die

82

Zur modifizierten Anwendung auf die AG BGH, Urteil v. 26. 03. 1984, II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (385 ff.) („BuM/WestLB“), vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 291 f.; Junker, ZHR 156 (1992). 394 (394 ff.) Veil, ZGR 2000, 223 (223 ff.). 83 Vgl. Heidinger, DNotZ 2005, 97 (112). 84 Vgl. von Gerkan, ZGR 1997, 173 (174); Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (33 f.); Meilicke, GmbHR 2007, 225 (225). 85 BGH, Urt. v. 24. 03. 1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (326 ff.); BGH, Urt. v. 21. 09. 1981 – I ZR 104/80, BGHZ 81, 311 (314 f.); BGH, Urt. v. 14. 12. 1992 – II ZR 298/91, BGHZ 121, 31 (38); Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., §§ 32a/b, Rn. 19; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., §§ 32a, 32b Rn. 41; Bezzenberger, FS Bezzenberger, 23 (24); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 277. Kritik an der fehlenden Aussagekraft der benannten Kriterien etwa bei Reiner, FS Boujoung, 415 (431 ff.). 86 BGH, Urt. v. 16. 10. 1989 – II ZR 307/88, BGHZ 109, 55 (60). Vgl. Heidinger, DNotZ 2005, 97 (112); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 55 f.; Lutter/ Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (34).

IV. Eigenkapitalersatzrecht

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Krise der Gesellschaft hätte erkennen können und darauf nicht reagiert hatte, obwohl er dazu im Stande war („echte Finanzierungsentscheidung“)87. Auf der Rechtsfolgenseite war das Eigenkapitalersatzrecht durch eine Zweispurigkeit gekennzeichnet: es konkurrierten die so genannten Novellen- und Rechtsprechungsregeln88. Die Novellenregeln – §§ 32a Abs. 1 GmbHG a.F.; 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. – bestimmten den Rangrücktritt der Rückzahlungsforderung des darlehensgebenden Gesellschafters in der Insolvenz. Wurde ein kapitalersetzendes Darlehen im letzten Jahr vor der Insolvenz getilgt, standen im Insolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter und außerhalb des Insolvenzverfahrens den einzelnen Gläubigern Anfechtungsrechte gegen diese Tilgung zu (§§ 135 InsO, 6 AnfG). Nach den BGH-Regeln, die nach ständiger Rechtsprechung des II. Zivilsenates neben den Novellenregeln weiter Geltung beanspruchen konnten89, unterfielen Gesellschafterleistungen mit eigenkapitalersetzendem Charakter zusätzlich den §§ 30, 31 GmbHG (analog) und durften dementsprechend in einer Krise nicht an den Darlehensgeber zurückgezahlt werden, allerdings entsprechend dem kapitalerhaltungsrechtlichen Charakter der §§ 30, 31 GmbHG nur insoweit, als durch sie eine Unterbilanz oder eine darüber hinausgehende Überschuldung abgedeckt werden musste. Erfolgte eine durch § 30 GmbHG untersagte Zahlung, stand der Gesellschaft ein Erstattungsanspruch gegen den ehemaligen Gesellschafter zu (§ 31 GmbHG analog). Seit langem umstritten und auch durch die Neufundierung des Eigenkapitalersatzrechtes nicht obsolet geworden ist die Frage, ob durch die gemeinsame Rechtsfolge des Eigenkapitalersatzrechts, es Gesellschaftern zu verbieten, in Krisenzeiten zugleich als Fremdkapitalgeber aufzutreten, tatsächlich ein Beitrag zum intendierten Gläubigerschutz geleistet wird90. Schwierigkeiten bereitet bereits, die 87

BGH, Urt. v. 26. 11. 1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (334 ff.); BGH, Urt. v. 16. 10. 1989 – II ZR 207/88, BGHZ 109, 55 (60); BGH, Urt. v. 14. 12. 1992 – II ZR 298/91, BGHZ 121, 31 (31 ff.); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 55; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 286; Veil, ZGR 2000, 223 (237 f.). 88 Vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 280 f.; Heidinger, DNotZ 2005, 97 (112 f.). 89 BGH, Urt. v. 21. 09. 1981 – II ZR 104/80, BGHZ 81, 311 (314). Vgl. Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., §§ 32a/b Rn. 10 ff. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 281. Kritisch gegenüber der Weitergeltung der Rechtsprechungsregeln etwa BDI/ HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 33; Thiessen, DStR 2007, 202 (206 f.); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1076); Thole, KTS 2007, 293 (297). Dies verteidigend zuletzt Gehrlein, BB 2008, 846 (846). 90 Vgl. Mülbert, DK 2004, 151 (159); kritisch aufgrund der Sanierungsfeindlichkeit etwa Claussen, GmbHR 1996, 316 (316 ff.); zweifelnd auch Seibert, ZIP 2006, 1157 (1160). Dass Ziel der Bestimmungen beider Teilbereiche des Rechtsinstituts der Gläubigerschutz ist, ist weitgehend anerkannt (vgl. etwa BGH, Urt. v. 16. 10. 1989 – II ZR 307/88, BGHZ 109, 55 (59); Goette, ZHR 162 (1998) 223 (223); Schmidt, ZGR 1980, (567) 574. Das ist ersichtlich für die Novellenregelung, die Fremdgläubiger durch den Rangrücktritt in der Insolvenz unmittelbar zu schützen sucht. Für die BGH-Regeln gilt, dass diesem Ziel rechtstechnisch nur mittelbar gedient wird, da die §§ 30, 31 GmbHG direkt nur dem Fortbestand der Gesellschaft zielen, durch

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§ 6 Verantwortlichkeit der Gesellschafter

innere Legitimation für diese Nichtanerkennung der Finanzierungsentscheidung des Gesellschafters zu benennen91. Weder das klassische Eigenkapitalersatzrecht noch die Neuerungen des MoMiG behandeln das von einem Gesellschafter gewährte Darlehen als das, was es eigentlich ist – als Darlehen. Der BGH hat die Umqualifizierung in seiner Grundlagenentscheidung zunächst auf die Erwägung gestützt, es stelle ein widersprüchliches Verhalten dar, wenn der Gesellschafter ein Darlehen zur Abwehr der Zahlungsunfähigkeit und Konkursantragspflicht gewähre, dieses aber später wieder abziehe92. In der Sache handele es sich bei den zugeführten Beträgen um (materielles) Eigenkapital, das nur falsch bezeichnet sei (nominelle Unterkapitalisierung)93. Diese formale Herleitung ist zu Recht auf zahlreiche Gegenstimmen, auch unter den grundsätzlichen Befürwortern des Eigenkapitalersatzrechtes, gestoßen94. Ein darlehensgewährender Gesellschafter macht deutlich, dass er Fremd- und kein Eigenkapital bzw. keine Leistung, die im Insolvenzfall nur nachrangig bedient wird, zur Verfügung stellen will. Zieht er das Darlehen später unter den vertraglich vereinbarten Bedingungen ab, tut er genau das, was vereinbart worden ist und setzt sich in Konsequenz nicht in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten95. Ein anderer Befund ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Umgehung. Mit der Finanzierung durch Gesellschafterdarlehen lassen sich eine Reihe gesetzlich legitimer Ziele realisieren96. Das kostspielige und zeitaufwendige Verfahren einer Kapitalerhöhung kann umgangen werden97. Entfallen ist demgegenüber die nach früherem Recht zulässige weitgehende Abzugsfähigkeit der von der Gesellschaft gezahlten Darlehenszinsen bei der steuerlichen Gewinnermittlung(§ 8a KStG a.F.)98. Auch finanzierungstheoretisch ergeben sich zunächst keine Einwände gegen den kombinierten Einsatz von Fremd- und Eigenmitteln. Der Gesellschafter vermag durch eine solche Mischung sein Engagement in der konkreten Gesellschaft seinen Risikopräferenzen anzupassen. Grundsätzlich Bindung des Gesellschaftsvermögens. Aus letzterem kritisch Grund etwa Reiner, FS Boujong, 415 (439 f.). 91 Vgl. etwa Grunewald, GmbHR 1997, 7 (7): „ungeklärter Normzweck“; Koppensteiner, AG 1998, 308 (309): „bis heute zumindest unklar“. Überblick über die verschiedenen Begründungsansätze bei Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., §§ 32a/ Rn. 3 f. 92 BGHZ, Urt. v. 14. 12. 1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (271 ff.) („Luft-Taxi“). 93 Vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 276 f.; Ehricke, AcP 199 (1999), 256 (276 ff.), allerdings kritisch gegenüber den verwandten Begrifflichkeiten. 94 Vgl. Meilicke, GmbHR 2007, 225 (227); Veil, ZGR 2000, 223 (231). A.A. Goette, ZHR 162 (1998), 223 (224). 95 Vgl. Grunewald, GmbHR 1997, 7 (8); Junker, ZHR 156 (1992), 394 (396); Koppensteiner, AG 1998, 308 (317); Maier-Reimer, FS Rowedder, 245 (269); Meilicke, GmbHR 2007, 225 (227); Reiner, FS Boujong, 415 (424 f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III, S. 533 f. 96 Vgl. K. Schmidt, ZGR 1980, 567 (571); Ulmer, ZIP 1984, 1163 (1166). 97 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 86; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 277. 98 Vgl. zur alten Rechtslage etwa noch Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 277.

IV. Eigenkapitalersatzrecht

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sind hiermit auch keine negativen Wirkungen für Mitgesellschafter und Gläubiger verbunden. Die höhere Rückzahlungswahrscheinlichkeit des Darlehens im Vergleich zur Einlage erkauft sich der Gesellschafter durch Verzicht auf die nur dem Residualanspruchsberechtigten zustehenden Einzahlungsspitzen (Gewinnanteile) und vice versa99. Alternativ ist deshalb das Eigenkapitalersatzrecht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte gestützt worden100. Ein Gesellschafter, der sein Darlehen zur Unzeit abziehe, handele nicht subjektiv, sondern objektiv widersprüchlich101. Am Markt entstehe durch die Weiterfinanzierung mittels Gesellschafterdarlehen der Eindruck eines leistungsfähigen Unternehmens, an welchem sich die Gesellschafter aufgrund eines objektiven Verkehrsschutzes festhalten lassen müssten. Hierbei soll es sich nicht um das konkrete Vertrauen handeln, das bestimmte Verkehrsteilnehmer der Gesellschaft entgegenbringen, sondern um ein normativ-typisiertes allgemeines Vertrauen102. Auch diese Herleitung des Eigenkapitalersatzrechtes sieht sich Einwänden ausgesetzt. Das Maß an Fremdfinanzierung ist kein Indikator für die Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Die Darlehenshingabe betrifft zunächst nur die Finanzierungsseite, nicht hingegen das Investitionsprogramm der Unternehmung. Nicht zuletzt kann aufgrund der Bedeutung, die der Gesellschafterfremdfinanzierung in der deutschen Finanzierungspraxis zukommt, kaum von einem Vertrauen in ein bestimmtes, übliches Ausmaß an Eigenkapitalfinanzierung gesprochen werden103. Dass dies nicht eine Unsitte im Geschäftsverkehr darstellt, sondern aus legitimen Gründen erfolgt, wurde bereits dargelegt. Vor diesem Hintergrund stellt die Lehre vom abstrakten Vertrauensschutz für sich keine Legitimation des Eigenkapitalersatzrechtes dar, sondern verlagert diese Frage nur auf eine nächste Ebene. 99 Offensichtlich a.A. Bitter, ZHR 176 (2012), 581 (582), der davon ausgeht, die Kombination von Fremd- und Eigenfinanzierung ermögliche einem Gläubiger-Gesellschafter sein Ausfallrisiko zu minimieren, ohne gleichzeitig Abstriche bei Rendite bzw. Ertrag hinnehmen zu müssen. Das ist insofern unzutreffend, als auch der Gesellschafter-Gläubiger nur auf seine Eigenkapitalbeteiligung die EK-Rendite erzielt, während er für den Teil seiner Finanzierungsleistung, der in Darlehen erbracht ist, nur den vereinbarten Zins realisieren kann. Anderes würde nur dann gelten, wenn die Gesellschafterdarlehen mit einem Koupon begeben würden, der über der (maximal zu erwartenden) Eigenkapitalrendite liegt. Dies ist in der Praxis allerdings nicht zu beobachten. Wie Bitter, a.a.O., wohl auch Bachmann/Eidenmüller/Engert/ Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 160. Ausnahmen gelten für Alleingesellschafter und mehrgliedrige Gesellschaften, in denen sämtliche Gesellschafter ihrem Anteilsbesitz entsprechenden Quoten im Rahmen der Darlehensfinanzierung übernehmen. 100 Grundlegend Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (35 f.). 101 Vgl. Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (36). 102 BGH, Urt. v. 26. 03. 1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (388 f.); BGH, Urt. v. 16. 10. 1989 – II ZR 307/88, BGHZ 109, 55 (57); Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (36 f.); Ulmer, ZIP 1984, 1163 (1166); ähnlich noch Gehrlein, BB 2008, 846 (849): „[…] trifft den Gesellschafter eine Verantwortung für die Folgen dieser Finanzierung, weil er auf diese Weise gegenüber dem redlichen Geschäftsverkehr den Anschein einer ausreichenden Kapitalausstattung erweckt“. 103 Vgl. Grunewald, GmbHR 1997, 7 (8); Koppensteiner, AG 1998, 308 (315).

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Begründungsbedürftig ist dann nämlich, weshalb ein abstraktes, nicht-individuell vorhandenes – letztlich also fingiertes – Vertrauen geschützt wird bzw. werden sollte. Schließlich trägt auch die als informationsökonomisch zu bezeichnende Legitimation, die darauf abstellt, dass der Darlehen gewährende Gesellschafter aufgrund seiner Doppel- und Insiderrolle als Gläubiger und Miteigentümer im Gegensatz zum gewöhnlichen Gläubiger über bessere Einsicht in die Geschäfte der Gesellschaft verfüge104, nur sehr bedingt. Empirisch lässt sich keine zwingende Verbindung von Informationsstand und Gesellschafterstellung begründen. Passive (Minderheits-) Gesellschafter sind in zahlreichen Fällen über die Geschäftsentwicklung nur im Groben informiert, während gleichzeitig zahlreiche Gläubiger nicht nur über den Umstand informiert sind, dass die Gesellschaft maßgeblich über Gesellschafterdarlehen finanziert ist105, sondern auch die aktuelle Lage der Gesellschaft aus ihrem Tagesgeschäft kennen106. Nicht zu folgen ist auch dem Einwand, dass einzige Ursache der Einnahme der Doppelstellung sei, sich Priorität gegenüber externen Gläubigern zu verschaffen107. Rechtliche Priorität vermag sich ein Gesellschafter durch Darlehensgewährung nicht zu verschaffen, vielmehr gilt, dass er in Abwesenheit der Eigenkapitalersatzregeln gleiche Behandlung wie ein Nurgläubiger erfährt. Allerdings vermag ein Gesellschafter, seine faktischen und rechtlich verfestigten (§ 51a GmbHG) Informationsrechte dazu zu nutzen, seine Darlehen gegebenenfalls zeitig abzuziehen108. Den notwendigen Informationsstand besitzen jedoch nur aktive Gesellschafter, während den besten Informationsstand die Geschäftsführer haben. Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass die Inanspruchnahme unberechtigter Priorität im Rahmen des Anfechtungsrechts erfasst wird. Mittlerweile dominierende Legitimationsgrundlage ist die so genannte Finanzierungs-(folgen)Verantwortung. Gesellschafter sind hiernach in der Krise zwar nicht verpflichtet, der Gesellschaft neue Mittel zu Verfügung zu stellen, entscheiden sie sich jedoch dies zu tun, so werden die aufgebrachten Mittel unabhängig von ihrer formalen Rechtsnatur wie haftendes Kapital behandelt109. Die Rückforderung eines kapitalersetzenden Darlehens stellt hiernach einen Widerspruch zu den objektiven Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung dar110. Zu Recht ist dem 104 Noack, DB 2007, 1395 (1398); Ulmer, ZIP 1984, 1163 (1166 ff.). Hierauf stellt neuerdings auch Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 52 ab. 105 Vgl. Grunewald, GmbHR 1997, 6 (8); Koppensteiner, AG 1998, 308 (315); MaierReimer, FS Rowedder, 245 (269 f.). 106 Das spricht nach Ansicht von Noack, DB 2007, 1395 (1398) nicht gegen eine Rechtfertigung des Eigenkapitalersatzrechtes. 107 So etwa der Diskussionsbericht von Engert, EBOR 7 (2006), 353 (354 f.); aus der Rechtsprechung etwa BGH, Urt. v. 16. 03. 1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (289). 108 Vgl. Drukarczyk, ZGR 1979, 552 (557). 109 BGH, Urt. v. 16. 03. 1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (289); vgl. Goette, ZHR 162 (1998), 223 (225 f.); Junker, ZHR 156 (1992), 394 (396 f.); Kleindiek, ZGR 2005, 335 (353); v. Gerkan, ZGR 1997, 173 (176); Veil, ZGR 2000, 223 (232). 110 Vgl. Junker, ZHR 156 (1992), 394 (397).

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entgegengehalten worden, dass die Finanzierungsverantwortung die Rechtsfolge als Legitimationsgrundlage heranzieht und insoweit wenig weiterführend ist111. Als gemeinsamen Ausgangspunkt dieser verschiedenen Anknüpfungspunkte zur Begründung des Eigenkapitalersatzrechtes wird man die Annahme zu sehen haben, dass durch die Einnahme einer Nur-Darlehensgeberstellung eine Risikoverlagerung zu Lasten der Gläubiger der Gesellschaft stattfindet112. Dahinter steht die Überlegung, dass das sich im Stadium der Krise befindende Unternehmen abgewirtschaftet sei und eigentlich liquidiert werden müsse113. Die Darlehensfinanzierung durch Gesellschafter dient dann allein der künstlichen Verlängerung des Todeskampfes der Gesellschaft114. Dies ist jedoch zunächst pure Prämisse115. Die Frage, ob die Fortführung unter Verwendung von Gesellschafterdarlehen in der Krise mit einer Steigerung des Ausfallrisikos verbunden ist, kann nicht losgelöst vom Einzelfall beurteilt werden116. Die Zuführung liquider Mittel kann auch die Rettung eines überlebensfähigen Unternehmens ermöglichen und damit dessen Going-Concern-Wert auch für die Gläubiger sichern117. Es wäre eine einseitige Betrachtung, nur die aus der Fortführung drohenden Risiken zu berücksichtigen, nicht aber die Chancen118. Dafür dass in zahlreichen, durch das Eigenkapitalersatzrecht erfassten Fällen noch gewisse Sanierungschancen bestehen, spricht insbesondere, dass Tatbestandsvoraussetzung eine Finanzierungsentscheidung seitens der Gesellschafter ist. Bloße Passivität oder das Weiterwirtschaften mit den vorhandenen Ressourcen ist nicht tatbestandlich. Faktisch wird jedoch niemand schlechtem Geld gutes hinterherwerfen119, was insbesondere mit Blick auf die allgemeinkundig niedrigen Insolvenzquoten gilt, die ein Gläubiger – und damit auch ein Gläubiger-Gesellschafter – zu realisieren vermag120. Anzuerkennen sein wird allein ein gewisser Bias aufgrund persönlicher Betroffenheit und dem verbreiteten Glauben in die eigenen Fähigkeiten. Und selbst wenn man als Arbeitshypothese unterstellt, dass die Fortführung der konkreten Gesellschaft mit 111

Vgl. Reiner, FS Boujoung, 415 (421 f.). In diese Richtung etwa Spindler, JZ 2006, 839 (844); v. Gerkan, ZGR 1997, 173 (176); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 52; Ulmer, ZIP 1984, 1163 (1166). 113 Vgl. etwa Veil, ZGR 2000, 223 (233): „wenn die objektiv gebotene Liquidation bzw. Insolvenz unterbleibt […]“. 114 Zuletzt Goette, ZGR 2008, 436 (444); Gleiche Interpretation der unterschiedlichen Begründungsstränge des Eigenkapitalersatzrechts bei Reiner, FS Boujong, 415 (438 ff.). 115 Grunewald, GmbHR 1997, 7 (8). 116 Vgl. Thiessen, DStR 2007, 202 (206): „ebenso idealtypisch wie spekulativ“. 117 Vgl. Koppensteiner, AG 1998, 308 (314); vgl. auch Grunewald, GmbHR 2007, 7 (8); Claussen, GmbHR 1996, 316 (320). Dies zeigt auch deutlich die Modifikation des Eigenkapitalersatzrechts durch das KapAEG. 118 So aber tendenziell Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 277. Vgl. dagegen Meilicke, GmbHR 2007, 225 (228); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 77. 119 Vgl. Meilicke, GmbHR 2007, 225 (228); Koppensteiner, AG 1998, 308 (314). 120 Hierauf hinweisend Cahn, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 289 (297). 112

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einem nicht hinnehmbaren Risiko für die Gläubiger verbunden ist, überrascht die durch das Eigenkapitalersatzrecht gesetzte Rechtsfolge. Zu erwarten wäre ein Liquidationsbefehl, denn die fehlende objektive Wirtschaftlichkeit eines Investitionsprogramms ist unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Finanzierung. Die Realisierung des ex ante als nicht wirtschaftlich erkennbaren Rettungsplanes führt regelmäßig nicht allein zur Aufzehrung der nachträglich von Gesellschafterseite aufgebrachten Mittel, sondern auch zu einer weiteren Entwertung der Gläubigerforderungen. Ob der Todeskampf durch Eigenkapital oder Fremdkapital ermöglicht wurde, ist unter dieser Prämisse von nur marginaler Bedeutung121. 2. Eigenkapitalersatzrecht und opportunistisches Verhalten Wie dargestellt, sprechen auch aus finanzierungstheoretischer Sicht zunächst keine grundsätzlichen Einwände gegen eine teilweise Darlehensfinanzierung durch einen Gesellschafter. Finanzierungskontrakte dienen der Aufteilung des Risikos und der Erträge zukünftiger Zahlungsströme. Die Mischung von Fremd- und Eigenbeteiligung ermöglicht einem Gesellschafter eine an seine Risikopräferenzen angepasste Investitionsentscheidung. Ein ungerechtfertigter Vorteil wird ihm damit zunächst nicht zu Teil. Das durch Darlehenshingabe eingeschränkte Risiko bezahlt der Gesellschafter durch den Verzicht auf die höhere Rendite, die mittels Eigenkapitalfinanzierung zu erzielen gewesen wäre. Hinzu treten weitere Vorteile wie die Eindämmung des Free Cash Flow122. Anders könnte dieser Befund allerdings dann ausfallen, wenn das Eigenkapitalersatzrecht einen Beitrag zur Begrenzung der krisenspezifischen Fehlanreize leisten würde. In diese Richtung zielend sieht etwa Spindler unter Rekurs auf das von der Rechtsprechung geforderte zusätzliche subjektive Momentum die Grundlage der Finanzierungs-(folgen)Verantwortung in einer pflichtenbasierten Verantwortung der Gesellschafter in Insolvenznähe. Aufgrund seiner besonderen Einfluss- und Informationsmöglichkeiten unterliege ein Gesellschafter in diesem kritischen Zeitraum anderen Anreizen als ein „gewöhnlicher“ Fremdkapitalgeber123. Gesellschafter neigten mehr als zuvor zu risikoträchtigen Projekten und zu opportunistischem Verhalten124. Dieser zutreffende Ausgangsbefund wirft die Frage auf, ob das Ei-

121

Ähnlich Reiner, FS Boujoung, 415 (441). Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 85; Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (658). 123 Vgl. Spindler, JZ 2006, 839 (844). 124 So Spindler, JZ 2006, 839 (845). Im Ansatz auch Noack, DB 2007, 1395 (1398): „Aus der Möglichkeit, das eigene Geld vorzeitig „in Sicherheit zu bringen“, erwächst der Anreiz, übermäßige Risiken zulasten Dritter einzugehen, um im Falle eines Erfolgs mit einer entsprechenden Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital belohnt zu werden“. Ansätze finden sich auch in der Rechtsprechung, etwa in: BGH, Urt. v. 16. 03. 1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (388): „soll nicht […] auf dem Rücken der Gesellschaftsgläubiger spekulieren dürfen“. 122

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genkapitalersatzrecht bzw. sein noch namenloser Nachfolger den Anreizen zu Überinvestition, Unterinvestition und claim dilution wirksam zu begegnen vermag. a) Eigenkapitalersatzrecht und Überinvestition Anreize zur Überinvestition entstehen, wenn der Nettogegenwartswert der Gesellschaft hinreichend niedrig ist und relevante Vermögenswerte der Gesellschafter durch eine Fortführung nicht gefährdet werden, insbesondere also dann, wenn die Fortführung der Gesellschaft keine Projekte mit positivem Erwartungswert zulässt. In einer solchen Situation sollte jedoch gerade eine Zuführung weiterer Mittel, unabhängig von ihrer Eigenschaft als Fremd- oder Eigenkapital, nicht erfolgen. Der Gesellschafter rückt mit dieser Entscheidung bezüglich des als Fremdkapital gewährten Teils seines Finanzierungsbeitrags in die Position eines Gläubigers ein125. Er übernimmt ein erhebliches eigenes Finanzierungsrisiko126. Jede opportunistische Handlung, die seine Stellung als Gesellschafter verbessert, verschlechtert gleichzeitig seine neubegründete Stellung als Gläubiger. Berücksichtigt man die durch einen negativen Nettogegenwartswert ausgedrückte hohe Scheiternswahrscheinlichkeit des spekulativen Projekts einerseits und die geringe Quote, die auf ein mit einfachen Insolvenzforderungen konkurrierendes Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz entfällt, erscheint die Finanzierung einer spekulativen Strategie unter Einsatz eigener Mittel als überaus unwahrscheinlich, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass schlechtem Geld gutes hinterher geworfen wird127. Gerade die fehlenden Vermögensinteressen der Gesellschafter sind per definitionem Treiber des spekulativen Handelns der Geschäftsleitung und Gesellschafter. GesellschafterFremdfinanzierung führt hingegen zu einer teilweisen Synchronisierung der Interessen von Gesellschaftern und Gläubigern auch in der Krise der Kapitalgesellschaft. Die Überinvestitionsproblematik wird bei hinreichend großem Kreditvolumen entschärft. Investiert der Gesellschafter zusätzliche Mittel in die in Not geratene Unternehmung, muss regelmäßig davon ausgegangen werden, dass er echte Sanierungschancen erkennt. Anderenfalls riskiert er den Verlust seiner Gläubigerforderungen in der Insolvenz. Reüssiert die Sanierung, profitiert die Gesamtheit der Gläubiger128. Etwas anderes mag allein in den Ausnahmefällen gelten, in denen die Zuführung eigener Mittel es dem Gesellschafter ermöglicht, in großem Umfang

125

Tendenziell auch Spindler, JZ 2006, 839 (845). Koppensteiner, AG 1998, 308 (314). 127 Koppensteiner, AG 1998, 308 (314). Für möglich erachtet auch von Skeel/Krause-Vilmar, in: Law and Economics of Creditor Protection, 261 (285) mit dem zutreffenden Hinweis, dass dies nicht gelten kann, wenn dem Gesellschafter-Gläubiger gestattet wird, sich über Sicherheiten Priorität gegenüber den weiteren Gläubigern der Gesellschaft zu verschaffen: „[…] the security enables the shareholder to have her cake and eat it too“. A.A. aber offensichlich Thole, ZHR 176 (2012), 513 (520). 128 Koppensteiner, AG 1998, 308 (314 f.). 126

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Fremdmittel zu akquirieren. In derartigen Konstellationen könnte sich jedoch auch die Zuführung von Eigenkapital in gleicher Weise als subjektiv rational erweisen. Zusätzlich gefördert werden Überinvestitionsprobleme durch das Institut stehen gelassener Darlehen bzw. allgemeiner Nachrangigkeit von Gesellschafterkrediten. Antizipiert der Gesellschafter, dass auf außerhalb der Krise gewährte Kredite im Insolvenzfall regelmäßig nicht einmal die Quote erzielt wird, muss er den Kreditanteil seines Engagements in der Gesellschaft ohnehin abschreiben. Die Anreize zu opportunistischem Verhalten werden unter diesem Gesichtspunkt durch das Institut des Eigenkapitalersatzrechts erhöht. In einem früheren Zeitpunkt ist die Kapitalanlage in der Gesellschaft wertlos und deshalb für den Gesellschafter keine entscheidungserhebliche Größe mehr. Die mit der Darlehensfinanzierung seitens des Gesellschafters auch in der Krise fortbestehende teilweise Synchronisierung mit den Interessen echter Fremdgläubiger wird durch das Institut des Eigenkapitalersatzrechtes gesetzlich unterbunden. b) Eigenkapitalersatzrecht und Unterinvestition Kontraproduktiv wirkt das Eigenkapitalersatzrecht auch bezüglich der Unterinvestitionsproblematik. Wesen der Unterinvestition ist, dass zwar Projekte mit einem positiven Nettogegenwartswert durchgeführt werden könnten, jedoch entweder die Einzahlungsüberschüsse zu gering sind, um den Gesellschaftern entscheidungserhebliche Residualansprüche zu verschaffen oder aber eine aus der Vergangenheit herrührende Verschuldung so umfänglich ist, dass sie ansonsten ausschüttungsfähige Überschüsse in der Gesellschaft bindet. Die Gesellschafter haben in diesem Fall kein Interesse an der Durchführung der entsprechenden Projekte. Im Gegensatz zu den Eigenkapitalpositionen sind Darlehen der Gesellschafter hiervon nicht betroffen. In ihrer Eigenschaft als Fremdkapitalgeber haben die Gesellschafter ein Interesse an der Durchführung der entsprechenden Maßnahmen, um Zins- und Tilgungsleistungen auf die von ihnen ausgereichten Darlehen zu realisieren. Damit gilt, je umfänglicher der Anteil der Fremdfinanzierung ist, desto unrentabler wird aus Sicht der Gesellschafter der Verzicht auf Projekte mit positivem Nettogegenwartswert. Der Gesellschafter, der die Gesellschaft in erheblichem Maße über Gesellschafterdarlehen finanziert, ist nicht darauf angewiesen, zusätzlich eine Verzinsung auf das Eigenkapital zu erhalten. Auch wenn das Gesellschaftsvermögen nicht ausreicht, um Gewinne zu erzielen, sondern allein die Befriedigung des Fremdkapitals erlaubt, partizipiert der Gesellschafter. Mit zunehmendem Ausmaß der Fremdfinanzierung sinken somit die Anreize zu Unterinvestition. Diesen positiven Effekt beseitigt eine eigenkapitalgleiche Behandlung von Gesellschafterdarlehen. Auch der fremdfinanzierende Gesellschafter hat unter der Voraussetzung, dass er in Krise und Insolvenz keine Tilgung/Verzinsung auf seine Darlehensvaluta erwarten kann, keinen Anreiz, wirtschaftlich vernünftige Projekte durchzuführen. Insoweit wirkt die Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen fehlanreizbefördernd.

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c) Eigenkapitalersatzrecht und Claim Dilution Zuletzt wirkt diese Intuition auch bezüglich der den Gläubigern drohenden Verwässerung ihrer Forderungen. Hat ein Gesellschafter in einem Zeitpunkt x ein Darlehen gewährt, so beeinträchtigt jede nicht geplante weitere Kreditaufnahme nach diesem Zeitpunkt auch den Wert seiner eigenen Forderung, die Masse potentiell konkurrierender Insolvenzforderungen wächst, während die erwartete Quote durch das Hinzutreten dieser Forderungen sinkt. Der Anreiz zur Verwässerung wird also durch Gesellschafterdarlehen gleichfalls gesenkt. Auch in dieser Situation führt die Umqualifizierung in Eigenkapital zur Beseitigung dieses eigentlich erwünschten Effekts. Die negativen Rückwirkungen auf die Befriedigungswahrscheinlichkeit kann bzw. muss der Gesellschafter ignorieren. Subjektiv rationale Antwort hierauf ist es, claim dilution zu betreiben, um die (nunmehr) allein maßgeblichen Einzahlungsspitzen zu maximieren. Es lässt sich somit festhalten, dass – verlässt man die Ebene struktureller Risikoverteilung – unter Anreizgesichtspunkten aus Gläubigersicht ein Fremdkapitalengagement durchaus sinnvoll sein kann. d) Sonderfall: Sicherheiten Unter anreizspezifischen Gesichtspunkten verbleibt ein Anwendungsbereich für das Eigenkapitalersatzrecht allein für die Fälle einer Gesellschafter-Fremdfinanzierung unter gleichzeitiger Bestellung von Sicherheiten. Gelingt einem Gesellschafter-Gläubiger die vollständige oder weitgehende Besicherung der ausgereichten Darlehensvaluta, gilt für ihn – nicht anders als für einen gewöhnlichen gesicherten Drittgläubiger –, dass er eventuelle Rückwirkungen des Investitionsprogramms der Schuldnergesellschaft auf die Rückzahlungswahrscheinlichkeit seines Darlehens ignorieren kann. In Abgrenzung zu einem Drittgläubiger unterliegt der darlehensgebende Gesellschafter gleichzeitig den krisenspezifischen Fehlanreizen zu Überinvestition, Unterinvestition und Claim Dilution. Soweit zunächst das Phänomen der Überinvestition betroffen ist, wird durch die Besicherung der durch die Darlehensfinanzierung bewirkte zumindest teilweise Interessengleichlauf zwischen Gesellschafter und Gläubigern eingeebnet, da die Durchführung einer lukrativen, aber spekulativen Strategie keinen Einfluss auf die Rückzahlungwahrscheinlichkeit des Gesellschafterdarlehens mehr besitzt. Im Gegenteil kann die Darlehensgewährung unter gleichzeitiger Bestellung von Sicherheiten das Überinvestionsproblem sogar noch verschärfen: erfordert die Realisierung eines spekulativen Projektes die zusätzliche Aufnahme liquider Mittel, sind diese aber am Kreditmarkt nicht oder doch nur zu ungünstigen Konditionen zu erlangen, ermöglicht erst die Gesellschafterfremdfinanzierung die Ausnutzung der krisenspezifischen Fehlanreize129. Weniger eindeutig fällt das Ergebnis mit Blick auf eventuelle 129 Anzumerken ist allerdings, dass unter idealtypischen Bedingungen aufgrund der bestehenden Möglichkeit zur Besicherung auch ein Drittgläubiger noch bereit sein sollte, die zur

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Unterinvestitionsprobleme auf. Hier ist denkbar, dass ein Gesellschafter sich erst durch die Möglichkeit der Besicherung bereit findet, der Gesellschaft die notwendigen weiteren Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, deren Überlassung die entfallene persönliche Betroffenheit durch das Interesse am Schicksal der Sicherheit erst wiederherstellt. Wiederum eindeutig kontraproduktiv wirkt sich die Besicherung von Gellschafterdarlehen hinsichtlich der drohenden Gefährdung von Gläubigerpositionen durch Verwässerung aus. Der gesicherte Gesellschaftergläubiger kann eventuelle Verwässerungseffekte auf seine Fremdkapitalpositionen ignorieren und besitzt in Folge dessen die gleichen Anreize zur Verwässerung der bestehenden Fremdkapitalbasis wie im Falle reiner Eigenkapitalfinanzierung. Aufgrund der im Saldo negativen Effekte einer Gesellschafterfremdfinanzierung unter gleichzeitiger Bestellung von Sicherheiten, erscheint insoweit eine eigenkapitalgleiche Behandlung von Gesellschafterdarlehen angezeigt, d. h. Gesellschafterdarlehen sollten de lege ferenda das Schicksal echten Eigenkapitals, nämlich die fehlende Möglichkeit zur Bestellung von Sicherheiten, teilen130. e) Reform des Eigenkapitalersatzrechtes im Rahmen des MoMiG In Reaktion auf die zunehmende grundsätzliche Kritik hat der Reformgesetzgeber das Eigenkapitalersatzrecht in seiner klassischen Gestalt zwar nicht wirklich abgeschafft, aber umfassend neufundiert131. Auf der – insbesondere mit Blick auf die AG – nunmehr rechtsformneutral ausgestalteten Tatbestandsseite entfällt das kritische Merkmal der Kapitalersatzfunktion132. Dahinter stehen das rechtspolitische Anliegen, das als überkompliziert geltende Eigenkapitalersatzrecht für den Praktiker wieder handhabbar zu machen133. Gleichzeitig wird die Behandlung von Gesellschafterdarlehen und diesen gleichgestellten Gesellschafterleistungen ausschließlich im Insolvenzrecht verortet (§ 39 InsO) und eine einheitlichen Rechtsfolge – An-

Realisierung des spekulativen Projektes notwendige Valuta zur Verfügung zu stellen. Für die Praxis sind hieran aber durchaus Zweifel angebracht, vgl. etwa Cahn, in: Eidenmüller/Engert, Law and Economics of Creditor Protection, 289 (300 f.). 130 So auch Cahn, in: Eidenmüller/Engert, Law and Economics of Creditor Protection, 289 (300). 131 Vgl. zur Neuregelung etwa Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (325 ff.); Weitnauer, BKR 2009, 18 (19 ff.). 132 Vgl. Blöse, GmbHR 2007, R65 (R66); Gehrlein, BB 2008, 846 (846 ff.); Haas, Stellungnahme RegE MoMiG, S. 31 ff.; Hekschen, DStR 2007, 1442 (1447 f.); Noack, DB 2007, 1395 (1397 f.); Schäfer, DStR 2006, 2085 (2086 ff.); Thiessen, DStR 2007, 202 (205 ff.); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1077 f.); ders., GmbHR 2008, 449 (454 f.); Wälzholz, DStR 2007, 1914 (1918 ff.); speziell zu den konzernrechtlichen Implikationen Burg/Westerheide, BB 2008, 62 (62 ff.), siehe auch bereits die 12 Thesen von Huber/Habersack, BB 2006, 1 (1 ff.). 133 Vgl. Seibert, ZIP 2006, 1157 (1160 f.); Gehrlein, BB 2008, 846 (846); Hekschen, DStR 2007, 1442 (1448); vgl. auch Huber/Habersack, BB 2006, 1 (1).

IV. Eigenkapitalersatzrecht

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fechtbarkeit nach § 135 InsO n.F. – festgesetzt134. Die Ansiedlung im Insolvenzrecht dient zunächst dem Zweck, die Regelung diskriminierungsfrei auch bei Scheinauslandsgesellschaften zur Anwendung zu bringen135. Gleichzeitig wird das bisherige unbefriedigende Nebeneinander von Novellen- und Rechtsprechungsregeln beseitigt. Zur Sicherung dieser einheitlichen insolvenzrechtlichen Rechtsfolge enthält § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG aufgrund der Erfahrungen der kleinen GmbH-Novelle einen an die Rechtsprechung gerichteten ausdrücklichen Nichtanwendungsbefehl. Praktisch heißt dies, dass alle Gesellschafterdarlehen und ihnen gleichgestellte Leistungen nur noch nachrangige Insolvenzforderungen zu begründen vermögen, ohne dass der kapitalersetzende Charakter der Leistung von Bedeutung wäre136. Hiermit wird im Vergleich zur bisherigen Rechtslage eine deutliche Vereinfachung herbeigeführt137. Es ist nur noch festzustellen, ob ein Gesellschafter ein Darlehen gewährt und hierfür ein Gläubiger zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag Befriedigung oder Sicherheit erlangt hat. Die schwierige Bestimmung von Kreditunwürdigkeit und Krise erübrigt sich138. Ob man in dieser Neufundierung einen Fort- oder Rückschritt zu sehen hat, hängt maßgeblich von der persönlichen Grundpositionierung ab, ob man also in der Ungleichbehandlung von Gesellschafterdarlehen eine sanierungsfeindliche Einschränkung der Privatautonomie sieht oder aber ein aus Gläubigerschutzgründen notwendiges Korrelat der beschränkten Haftung. Auf die hierüber entbrannte Debatte kann an dieser Stelle nur verwiesen werden139. Für den begrenzten Bereich der Fehlanreize in der Krise der Kapitalgesellschaft ist entsprechend den obigen Ausführungen die Neuregelung problematisch. Entscheidend für die Richtung, in der Fehlanreize in der Krise durch das Eigenkapitalersatzrecht modifiziert werden, ist, inwieweit die Verdrängung der darlehensgewährenden Gesellschafter aus ihrer Rolle als Fremdkapitalgeber erfolgt. Durch Aufgabe der Rechtsprechungsregeln wird der Anwendungsbereich des Eigenkapitalersatzrechts zunächst insoweit eingeschränkt, als Darlehen auch dann zurückbezahlt werden dürfen, wenn sie im Zeitpunkt einer

134 Vgl. K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1077); Kallmeyer, DB 2007, 2755 (2758); Schäfer, DStR 2006, 2085 (2087). 135 Vgl. Hekschen, DStR 2007, 1442 (1448); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (7); ders., GmbHR 2007, 1072 (1076 f.); Thiessen, DStR 2007, 202 (205); Teichmann, NJW 2006, 2444 (2450). Allerdings bestehen berechtigte Zweifel, ob allein die formale Neuverortung tatsächlich ausreichend ist, um eine insolvenzrechtliche Qualifizierung herbeizuführen. Vgl. allgemein Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 11 f. 136 Vgl. Noack, DB 2007, 1395 (1398); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (8); ders., GmbHR 2007, 1072 (1077); Teichmann, NJW 2006, 2444 (2450). 137 Vgl. Teichmann, NJW 2006, 2444 (2450); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1077); Kallmeyer, DB 2007, 2755 (2755); Huber/Habersack, BB 2006, 1 (1 ff.). 138 Vgl. Thiessen, DStR 2007, 202 (206). 139 Vgl. Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (327 ff.) m.w.N.; vgl. auch Thole, ZHR 176 (2012), 513 (513 ff.) insbesondere zu der Frage, ob das neufundierte Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen einer neuen Legitimation bedarf.

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§ 6 Verantwortlichkeit der Gesellschafter

Unterbilanz erfolgen140. Ein Gesellschafter-Gläubiger bzw. ein für diesen agierender Geschäftsführer wird hierdurch im Prinzip veranlasst, die Auswirkungen seiner unternehmerischen Entscheidungen auf die Fremdkapitalpositionen stärker in Rechnung zu stellen. Andererseits erfährt die Umqualifizierung von Fremd- in (faktisches) Eigenkapital durch Aufhebung des Kriteriums der Krise eine tatbestandliche Ausweitung. Eine Differenzierung findet nicht statt; eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen werden unabhängig davon, ob konkret der Vorwurf opportunistischen Verhaltens erhoben werden kann, über einen Kamm geschoren werden, wenn sie im letzten Jahr vor Insolvenzantrag oder danach gewährt werden141. Die unter anreizspezifischen Gesichtspunkten besonders erstrebenswerte Teilsynchronisation von Gläubiger- und Gesellschafterinteressen in der Krise der Kapitalgesellschaft wird damit verhindert. Im Ergebnis vermag damit auch das durch das MoMiG modifizierte Eigenkapitalersatzrecht nicht, Über- und Unterinvestition und Claim Dilution Herr zu werden.

V. Durchgriffshaftung Besondere Aufmerksamkeit bei der Frage der Krisenverantwortlichkeit der Gesellschafter einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft verdient das Institut des Durchgriffs. Dies ergibt sich zunächst bereits daraus, dass es in der Rechtswissenschaft häufig als Reaktion auf eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger apostrophiert wird, was nahe legt, dass hier speziell opportunistisches Verhalten angesprochen wird. Hinzu kommen die besonders weitgehenden Rechtsfolgen des Durchgriffs. Die Gesellschafter haften hier analog § 128 HGB persönlich, unmittelbar und unbeschränkt für die durch die Gesellschaft begründeten Verbindlichkeiten. De iure und auch in der wirtschaftlichen Konsequenz wird das Haftungsprivileg gänzlich beseitigt. Während sich aus Sicht der Gläubiger, die eigentlich mit einer beschränkt haftenden Gesellschaft kontrahiert haben, der Durchgriff in zahlreichen Fällen als Geschenk des Himmels erweisen und deshalb sicher begrüßt wird, gilt es gleichzeitig zu berücksichtigen, dass eine extensive Anwendung dieses Instituts aufgrund der drakonischen Rechtsfolge sowohl die Wohlfahrtswirkungen der beschränkten Haftung als auch die im Einzelfall durchaus legitimen Interessen der Gesellschafter an der Abschottung ihres Privatvermögens nachhaltig beeinträchtigt. Der deshalb gebotenen Vorsicht bei der Anwendung des Durchgriffs trägt die deutsche Rechtswissenschaft dadurch Rechnung, dass sie allein drei Fallgruppen ernsthaft als mögliche Anwendungsfälle eines Durchgriffs diskutiert – Vermögensbzw. Sphärenvermischung, materielle Unterkapitalisierung und existenzvernichtende Eingriffe. 140

§ 30 Abs. 1 S. 3 RegE MoMiG. Vgl. Kallmeyer, DB 2007, 2755 (2757). Vgl. Spindler, JZ 2006, 839 (845); Thiessen, DStR 2007, 202 (206); Teichmann, NJW 2006, 2444 (2445). Einen per-se-Nachrang ablehnend auch Skeel/Krause-Vilmar, in: Law and Economics of Creditor Protection, 261 (282 f.). 141

V. Durchgriffshaftung

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1. Vermögensvermischung Die im Grundsätzlichen wohl am wenigsten umstrittene und auch durch die Rechtsvergleichung abgesicherte142 Ausnahme vom Durchgriffsverbot des § 13 Abs. 2 GmbHG stellt der Durchgriff wegen Vermögensvermischung- bzw. Sphärenvermischung dar143. Anwendungsvoraussetzung ist, dass sich Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftervermögen faktisch nicht mehr trennen lassen144. Ursächlich hierfür wird in der Praxis regelmäßig unzureichende Buchführung – Waschkorblage – oder eine sonstige (beabsichtigte) Verschleierung sein145. Juristisch steht hinter diesem Tatbestand die Logik, dass der Gesellschafter die Gesellschaft als „seine“ angesehen habe und in Konsequenz die Unterscheidung zwischen „mein“ und „dein“ der Gesellschaft vernachlässigt habe; insofern kann es unter das Rechtsinstitut des venire contra factum proprium subsumiert werden146. Auch ökonomisch lässt sich der Tatbestand legitimieren. Die Beschränkung der Haftung auf eine bestimmte Vermögensmasse kann nur dann zulässig sein, wenn diese identifizierbar vorhanden ist. Anderenfalls läuft der Grundsatz der Vermögenstrennung ins Leere147. Diese Voraussetzung steht in keinerlei logischem Widerspruch zu den Wohlfahrtseffekten der beschränkten Haftung. Es kann von einem Gesellschafter ohne Weiteres verlangt werden, Privatvermögen und seine Einlage getrennt zu halten. Auch droht im Rahmen der Haftung wegen Vermögensvermischung nicht die Gefahr, dass ein passiver Gesellschafter für Verfehlungen von Mitgesellschaftern oder Geschäftsführern in Sippenhaft genommen wird. Die Rechtsprechung kommt zu diesem richtigen Ergebnis, indem sie die Vermögens142 Vgl. nur die confusion des patrimoines gemäß Art. L.621-2 Al. 2 C. Com.: „A la demande de l’administrateur, du mandataire judicaire, du ministère public, ou d’office, la procédure ouverte, peut être étendu à une ou plusieurs autres personnes en cas de confusion de leur patrimoine avec celui du débiteur ou de fictivité de la personne morale. A cette fin, le tribunal ayant ouvert la procédure initiale reste competent“. 143 Zuletzt (beiläufig) anerkannt in BGH, Beschl. v. 7. 1. 2008 – II ZR 314/08, DZWiR 2008, 174 (175); BGH, Urt. v. 14. 11. 2005 – II 178/03, NZG 2006, 350 (350 ff.); aus der Rechtsprechung auch OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631 (633 f.); vgl. Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 14 ff.; Wiedemann, ZGR 2003, 283 (287): „kann […] als gesichert gelten“. Hierfür auch Ehricke, AcP 199 (1999), 257 (291 ff.), der aber aufgrund eines anderen Rechtsgrunds – Verletzung der Buchführungspflichten – eine Binnenhaftung gegenüber der Gesellschaft befürwortet. Das Institut findet sich in den meisten Rechtsordnungen vgl. Wood, Principles of International Insolvency, S. 609 f. Zur Sphärenvermischung als eigenständiger Untergruppe vgl. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 20. 144 Vgl. Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (213); Haas, GmbHR 2006, 729 (731). 145 Vgl. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 14. 146 Lutter, ZGR 1982, 244 (251). 147 Vgl. Haas, NZI 2006, 494 (498) allerdings kritisch insofern, dass das Gesetz die Geschäftsführer zu den grundsätzlichen Adressaten der Rechnungspflichten erklärt. Vgl. auch ders., Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 84; ders., GmbHR 2006, 729 (731).

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vermischung nicht als Zustands-, sondern als Verhaltenshaftung einordnet148. Einzig die einzelfallblinde Rechtsfolge des Durchgriffs stößt vereinzelt auf Kritik149. Das Vorliegen einer Vermögensvermischung begründet die unbeschränkte und unmittelbare Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern gemäß § 128 HGB analog150, die theoretisch trennbaren Vermögensmassen Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftervermögen werden zusammengefasst. Affirmative asset partitioning, also der Schutz des Gesellschaftsvermögens vor dem den Fortbestand der Gesellschaft gefährdenden Zugriff der Privatgläubiger eines Gesellschafters, wird damit vereitelt151. Allerdings übersieht die sich hieran entzündende Kritik, dass diese Vereitelung eines wohlfahrtsfördernden Effektes der beschränkten Haftung nicht dem Rechtsinstitut der Vermögensvermischung geschuldet ist, sondern den durch das Handeln der Gesellschafter begründeten tatsächlichen Umständen. Letztlich stellt die Vermögensvermischung keinen echten Durchgriff i.d.S. dar, dass die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch mit ihrem Privatvermögen einzustehen hätten, sondern vielmehr eine Vollstreckungsregel, die verhindert, dass allein die unzureichende Zuordnung der Vermögenswerte durch die Gesellschafter eine Liquidierung der ausstehenden Forderungen gegen die Gesellschaft und/oder den Gesellschafter unmöglich macht. Im Übrigen vermag auch das von der Kritik vorgebrachte Alternativmodell, wonach bei Waschkorblagen zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger eine extensive Auslegung des Gewahrsamsbegriffs in § 808 ZPO greift, die der Gesellschafter nur im Rahmen der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) widerlegen können soll152, nicht zu überzeugen. Die Vorteile des affirmative asset partitioning werden hierdurch nicht bewahrt, da es gerade Anwendungsvoraussetzung der Vermögensvermischung ist, dass – auch unter Berücksichtigung der unzulänglichen Buchführung der Schuldnergesellschaft – die existierenden Vermögenswerte nicht eindeutig zugeordnet werden können. Es stellt sich deshalb die Frage, mit welchem Vortrag der Gesellschafter seine Drittwiderspruchsklage, dass sich der entsprechende Gegenstand in seinem Privateigentum befindet, schlüssig stellen und vor allem mit welchen Beweismitteln er hierzu Beweis antreten können sollte. Des Weiteren wäre mit diesem Modell ein wirksames affirmative asset partitioning nur dann möglich, wenn die zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger wirkende extensive Gewahrsamsvermutung gleichzeitig eine Beweislastumkehr zu Ungunsten der Privatgläubiger begründet, da anderenfalls doch mit einer Vollstreckung in für das Überleben der – in den einschlägigen Fallkon148 BGH, Urt. v. 14. 11. 2005 – II ZR 178/03, NZG 2006, 350 (352 f.). Vgl. auch Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 14; Fischer, NZI 2006, 313 (330). 149 So Lombardo/Wunderlich, Haftungsdurchgriff im Recht der Kapitalgesellschaften, S. 19 ff. 150 Vgl. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 14 i.V.m. 11. 151 Vgl. Lombardo/Wunderlich, Haftungsdurchgriff im Recht der Kapitalgesellschaften, S. 19 ff. 152 So Lombardo/Wunderlich, Haftungsdurchgriff im Recht der Kapitalgesellschaften, S. 20 f.

V. Durchgriffshaftung

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stellationen allerdings ohnehin insolventen – Gesellschaft durch die Privatgläubiger zu rechnen ist. Eine solche Diskriminierung der Privatgläubiger eines Gesellschafters in Waschkorblagen erscheint nur schwer begründbar. Nicht zu überzeugen vermag zuletzt der Einwand, dass der Tatbestand der Vermögensvermischung zu einer ineffizienten Kapitalallokation führe, weil die Gesellschafter zur Vermeidung der drakonischen Rechtsfolge zu viele Ressourcen in die Dokumentation des Gesellschaftsvermögens investieren würden153. Von den Gesellschaftern wird nichts weiter verlangt, als dass sie die Überführung eines Gegenstands in das Gesellschaftsvermögen oder aber seinen Rückfluss in das Vermögen der Gesellschafter dokumentieren. Zudem steht mit dem Geschäftsführer eine Person zur Verfügung, die bereits kraft Gesetzes (§ 41 GmbHG) zur Bestandsaufnahme verpflichtet ist. Nicht zuletzt ist die eindeutige Zuweisung von Vermögenswerten im – ordnungsgemäßen – Geschäftsverkehr ohnehin aufgrund der Notwendigkeit und Üblichkeit der Einräumung von Kreditsicherungsrechten Alltag. Zusätzliche Anforderungen werden somit durch den Tatbestand der Vermögensvermischung nicht formuliert. Im vorliegenden Kontext der krisenbedingten Revision des Anreizsystems von Gesellschaftern und Geschäftsleitung vermag der Tatbestand der Vermögensvermischung jedoch keinen nennenswerten Beitrag zur Bekämpfung opportunistischen Verhaltens zu leisten. Die Vermögensvermischung ist kein krisenorientierter Durchgriffstatbestand, auch wenn sich die Frage regelmäßig erst in der Insolvenz der Kapitalgesellschaft aktualisiert, wenn Gläubiger versuchen, Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen zu nehmen. Die Drohung des Durchgriffs hält allein dazu an, eine ordnungsgemäße Buchführung zu unterhalten und Gesellschafts- und Privatvermögen zu separieren. Die Anreize zu opportunistischem Verhalten werden hingegen nicht oder doch noch nur mittelbar adressiert, indem die Verschleierung der Buchführung mit drastischen Rechtsfolgen belegt wird. Gesellschaftern und Geschäftsleitung wird es etwa erschwert, verbliebene Vermögensgegenstände der Gesellschaft entgegen den Geboten des Kapitalschutzrechts abzuziehen und ihre Verantwortlichkeit unter Verweis auf die unklare vermögensrechtliche Zuordnung der jeweiligen Streitgegenstände zu leugnen. Man wird die Bedeutung des Durchgriffs wegen Vermögensvermischung deshalb nicht zuletzt darin zu sehen haben, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Verfolgung von Fehlverhalten in der Krise zu schaffen. Hiergegen spricht auch nicht der in anderem Kontext zutreffende Befund der fehlenden Präventionswirkung von Haftungsregeln. Eine Waschkorblage, die die Zuordnung von Vermögensgegenständen unmöglich macht, wird spätestens im Rahmen der Aufarbeitung des Geschäftsjahres durch den Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer offensichtlich, der seinerseits auf die damit verbundenen Haftungsrisiken hinweisen, wenn nicht sogar den Bestätigungsvermerk verweigern wird.

153

Lombardo/Wunderlich, Haftungsdurchgriff im Recht der Kapitalgesellschaften, S. 19 f.

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2. Materielle Unterkapitalisierung Als weiterer Anwendungsfall eines Durchgriffs auf das Vermögen der Gesellschafter wird die materielle Unterkapitalisierung „als brennendes Rechtsproblem“154 diskutiert. Gesetzlich normiert ist allein die nominelle Unterkapitalisierung, die vorliegt, wenn die Gesellschafter der Gesellschaft zwar Kapital zur Verfügung gestellt, dies jedoch nicht in Form von Eigen-, sondern von Fremdkapital getan haben. Materielle Kapitalisierungsgebote gehen hingegen der Frage nach, ob es ein angemessenes Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital gibt und – falls dies bejaht werden kann – ob ein Verstoß gegen eine derartige Finanzierungsregel einen Durchgriff auf das Privatvermögen der Gesellschafter zur Folge hat bzw. haben muss. In Unterscheidung zum Eigenkapitalersatzrecht wird bzw. würde dem Gesellschafter durch eine Pflicht zur materiellen Kapitalisierung nicht allein die Wahl einer bestimmten Finanzierungsform vorgegeben, sondern darüber hinaus eine Pflicht auferlegt, diese Finanzierungsentscheidung überhaupt zu treffen155. Die zur Legitimation des Eigenkapitalersatzrechts entwickelte Finanzierungs-(folgen)Verantwortung würde also vom Bereich des „wie“ auf den Bereich des „ob“ ausgedehnt. Das Gesetz äußert sich zur Existenz eines solchen Kapitalisierungsgebots – abgesehen von den Bereichsausnahmen für das Kredit- und Versicherungsgewerbe – nicht156 und auch der Referentenentwurf des MoMiG atmet die deutliche Zurückhaltung des Gesetzgebers gegenüber der Anerkennung eines solchen Rechtsinstituts, wenn festgestellt wird: „Einer Unterkapitalisierungshaftung redet der Entwurf mit der [im RefE noch vorgesehenen, A.d.V.] Absenkung des Mindeststammkapitals nicht das Wort“ 157. Während der Bundesgerichtshof zu einem grundsätzlich gleichen Verdikt kommt158, ist in der Literatur unter den Stichworten Normzwecklehre159, 154

K. Schmidt, DB 2005, 1095 (1095). Partiell anders fehlt der Befund für das österreichische Eigenkapitalersatzrecht aus. Auch wenn dieses in weiten Teilen eine Rezeption des deutschen Eigenkapitalersatzrechtes klassischer Prägung darstellt, nimmt das österreichische Recht auch die materielle Kapitalisierung in den Blick, wenn es die Krise der Gesellschaft nicht nur bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung annimmt, sondern auch dann, wenn die Eigenmittelquote der Gesellschaft weniger als 8 % und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre beträgt. Vgl. etwa Rieder/Huemer, Gesellschaftsrecht, S. 291. 156 Vgl. Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 36 Rn. 35 = S. 513; K. Schmidt, ZGR 1980, 567 (570); Ulmer, in: Hachenburg, Anh § 30 Rn. 10. 157 BMJ, Regierungsentwurf MoMiG, S. 38. Strikt ablehnend etwa auch Ehricke, AcP 199 (1999), 257 (285). 158 Die die Regel bestätigende Ausnahme findet sich in BGH, Urt. v. 8. 7. 1970 – VIII ZR 28/ 69, BGHZ 54, 222 (224 ff.); tendenziell auch BGH, Urteil v. 16. 03. 1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (289). Ansonsten ablehnend, siehe BGH, Urt. v. 14. 12. 1959 – II ZR 187/57, BGHZ 21, 258 (268 f.): „Gesetzlich kann nicht bestimmt werden, dass das Stammkapital einer GmbH nach dem mutmaßlichen Kapitalbedarf zu bestimmen ist. Denn eine solche Vorschrift brächte Rechtsunsicherheit mit sich“. Vgl. auch Henze, NZG 2003, 649 (652). Aus der Literatur ablehnend etwa Boujoung, FS Reiner, 415 (434). Vgl. auch BGH, Urt. v. 28. 4. 2008 – II ZR 264/ 06, ZIP 2008, 1232 (1233 ff.) zur Frage, ob bei einer „Aschenputtelgesellschaft“ eine Haftung 155

V. Durchgriffshaftung

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Subjektive Missbrauchslehre160, Lehre vom Organisationsfehler161, Erklärungshaftung162, Theorie des institutionellen Rechtsmissbrauchs und Treuepflicht der Gesellschafter entweder die de lege lata-Existenz eines Durchgriffs wegen materieller Unterkapitalisierung oder zumindest die Notwendigkeit der Anerkennung dieses Instituts postuliert worden. Gemeinsamer Ausgangspunkt dieser konkurrierenden Konzepte ist, dass die gesetzlichen Mindestkapitalerfordernisse von 25.000 bzw. 50.000 Euro oftmals, wenn nicht in der Mehrzahl der Fälle, in keiner Relation zum tatsächlichen Geschäftsumfang der Gesellschaft als Unternehmensträgerin stehen163, vielmehr nur einen „symbolischen Notgroschen“164 darstellen, dessen eigentliche Bedeutung sich in der dargestellten Funktion als „Seriositätsschwelle“ erschöpft165. Auch die an das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen geknüpften Rechtsfolgen unterscheiden sich im Wesentlichen nicht. Alle Theorien nehmen eine Einstandspflicht des Gesellschafters für die Schulden der Gesellschaft an, entweder in der klassischen Form der Durchgriffshaftung als Außenhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern166 oder aber als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft, die im Insolvenzfall durch den Insolvenzverwalter geltend zu machen ist. Regelmäßig wird die Haftung der Gesellschafter von dem zusätzlichen Erfordernis einer qualifizierten materiellen Unterkapitalisierung abhängig gemacht, die nach der bekannten Definition Peter Ulmers voraussetzt, „dass die finanzielle Ausstattung der Gesellschaft unter Einschluss etwaiger Gesellschafterdarlehen eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichend ist und einen Misserfolg zu Lasten der Gläubiger bei normalem Geschäftsverlauf mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt“167. Nach Intention ihrer Fürsprecher soll die Rechtsfigur der materiellen Unterkapitalisierung verhindern, dass die Rechtsform der GmbH für eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger eingesetzt wird, indem durch überraschende Geschäftsentwicklung erzielte Gewinne den Gesellschaftern zufließen, während die wahrwegen existenzvernichtenden Eingriffs in Betracht kommt. Aus der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung etwa BAG, Beschl. v. 15. 3. 2011 – 1 ABR 97/09, NZA 2011, 1112 (1115). 159 Vgl. Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (59 ff.). 160 Vgl. Serick, JZ 1956, 198 (203 f.). 161 Vgl. Reinhardt, FS Lehmann II, 576 (588 ff.). 162 Erman, KTS 1959, 129 (132 f.). 163 Vgl. Ulmer, in: Hachenburg, Anh § 30 Rn. 1; illustrativ das Beispiel der früheren Lufthansa-Tochter Lufthansa Service GmbH, die (zeitweise) bei einem Umsatz von 220 Millionen DM über ein Stammkapital von 20.000 DM verfügte, bei Lutter, ZGR 1982, 244 (249). 164 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 IV 3, S. 565. 165 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 IV 3, S. 565. 166 So etwa Lutter, ZGR 1982, 244 (250); ders./Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (62 f.) (allerdings Einziehungsrecht für den Konkursverwalter); Raiser, ZGR 1995, 156 (168 f.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 IV 3 b, S. 572. 167 Vgl. Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG Anh § 30 Rn. 2; gleichsinnig Banerjea, ZIP 1999, 1153 (1155); Raiser, ZGR 1995, 156 (166).

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§ 6 Verantwortlichkeit der Gesellschafter

scheinlicheren Verluste aufgrund eines nicht ausreichenden Haftungspuffers von den Gläubigern zu tragen sind168. Ziel ist, eine im Lichte der Haftungsrisiken unzureichende Eigenkapitalausstattung zu sanktionieren. Konkretisiert wird verlangt, dass die Eigenkapitalausstattung mit den Risiken wachsen muss, damit eine Externalisierung dieser Risiken auf die Gesellschaftsgläubiger verhindert wird169. Von dieser einer materiellen Kapitalisierungspflicht zugewiesenen Funktion erscheint es möglich, dass sie den Fehlanreizen in der Krise wehren kann. Je umfangreicher die Vermögenswerte sind, die die Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen eingebracht haben, desto stärker wird ihr Anreiz, nur ihrem persönlichen, nicht durch die Haftungsbeschränkung revidiertem Anreizsystem entsprechende Vorhaben und Investitionsprojekte auszuführen bzw. durch einen von ihnen instruierten Fremdgeschäftsführer ausführen zu lassen. Der „symbolische Notgroschen“170 eines gesetzlichen Mindestkapitalerfordernisses, der bei hinreichend kleinen Unternehmungen diesen Effekt zu leisten vermag, ist hierzu bereits bei mittelgroßen Unternehmungen nicht in der Lage. Eine Pflicht zur materiellen Kapitalisierung der Gesellschaft führt zumindest dazu, dass der Anreiz, eine Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung zu dem alleinigen Zweck zu gründen, eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger zu implementieren, gesenkt wird. Insbesondere nicht anpassungsfähige und unfreiwillige Gläubiger werden durch im Unternehmen gebundenes Eigenkapital geschützt171. Im Gegensatz zu einem gesetzlichen Mindestkapital sieht sich ein Gebot zur materiellen Kapitalisierung auch nicht dem Einwand ausgesetzt, dass es blind sei für den Geschäftsumfang und die Risikoträchtigkeit der konkreten Einzelunternehmung172. Eine Reihe von Aspekten nährt jedoch Zweifel an Wirksamkeit und Treffgenauigkeit einer Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung. Allgemein werden Bedenken dahingehend geltend gemacht, ob es möglich ist, die ökonomisch richtige Kapitalisierungsquote für Gesellschaften zu bestimmen173. Gleichzeitig droht die Gefahr, dass durch ein hinreichend scharfes Eigenkapitaler-

168

Vgl. Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG Anh § 30 Rn. 11. Vgl. Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1056 f.). 170 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 IV 3, S. 565. 171 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 58 f. 172 Vgl. Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, Anh § 30 Rn. 1. 173 Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 49; Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 156: keine Operationalisierung möglich; Ehricke, AcP 199 (1999), 257 (281 f.); Roth, in: Altmeppen/Roth, GmbHG § 5 Rn. 12; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2 F VII 5, Rn. 147 = S. 383; Roth, ZGR 1993, 170 (176); Vetter, ZGR 2005, 7888 (817); Spindler, JZ 2006, 839 (842); auch Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, Anh § 30 Rn. 6, vgl. allerdings auch Rn. 18. Positiv demgegenüber Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 67 ff. Zumindest erwägend Schäfer/Veil, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 9 (11 f.). 169

V. Durchgriffshaftung

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fordernis das Privileg der beschränkten Haftung obsolet wird174. Umfangreiche Pflichten zur Kapitalausstattung haben in vielen Fällen die faktische Konsequenz, dass ein Gesellschafter nicht in der Lage ist, einen hinreichenden Teil seines Privatvermögens von der Einstandspflicht für die Gesellschaftsschulden zu entbinden. Die natürliche Risikoaversion der hinter der Gesellschaft stehenden Personen lebt trotz des Haftungsprivilegs wieder auf, entweder in der Weise, dass die Gesellschafter zwar die Gesellschaft bei Gründung mit ausreichendem Kapital versehen, sie aber in Folge eine überaus konservative Geschäftspolitik betreiben, um diese in der Gesellschaft gebundene Komponente ihres Vermögens nicht dem vollständigen Verlustrisiko einer ertragsversprechenden, aber riskanten Unternehmenspolitik auszusetzen oder aber, indem sie bereits die Gründung einer Kapitalgesellschaft unterlassen, da sie die Rechtsfolge des Durchgriffs fürchten175. Die mit der Zulassung der Haftungsbeschränkung verbundene Verteilung der unternehmerischen Risiken zwischen Gesellschaftern und Gläubigern würde damit revidiert176. Darüber hinaus stellt sich nicht anders als im Falle eines gesetzlichen Mindestkapitalerfordernisses die Frage nach der Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung. Eine Gesellschaft, die nur ein Minimum an Eigenkapital ausweist, wird nicht in der Lage sein, die zur Einrichtung und zum Erhalt des Geschäftsbetriebs notwendigen Fremdmittel zu akquirieren. Geschäftsbanken und andere professionelle Kreditgeber verweigern die Einräumung von Kreditlinien, falls riskante Zahlungsströme eine Unterlegung durch Eigenkapital verlangen177. Neben diese allgemeinen Schwachstellen tritt für das spezifische Problem opportunistischen Verhaltens hinzu, dass auch ein Gebot zur materiellen Kapitalisierung der Gesellschaft allein im Gründungszeitpunkt vorliegenden Fehlanreizen entgegen wirken kann, indem den Gesellschaftern ein Mindestverlustrisiko auferlegt wird. In der Krise hingegen vermag eine solche erweiterte Finanzierungsverantwortung opportunistisches Verhalten nicht zu begrenzen. Auch ein ursprünglich angemessenes Haftkapital kann durch anhaltenden Misserfolg verwirtschaftet werden. Folge ist das Auftreten der benannten Fehlanreize. Auch eine materielle Kapitalisierungspflicht begründet nach unbestrittener Ansicht keine Nachschusspflicht bei Aufzehrung des Gesellschaftsvermögens. Hieran ändert auch die teilweise neben einer Pflicht zur anfänglichen angemessenen Ausstattung mit Haftkapital eingeforderte Pflicht zur nachträglichen Kapitalisierung nichts, die greifen soll, wenn sich ein erhöhter Eigenkapitalbedarf im Verlauf der Geschäftstätigkeit zeigt, etwa als Folge einer Ausweitung des Geschäftsbetriebs178. Da es sich auch hierbei nicht um eine echte Nachschusspflicht handelt, werden nur strukturelle Risiken 174

Vgl. Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2 F VII 5a Rn. 149 = S. 384. Anders etwa Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG Anh § 30 Rn. 22 „angesichts der klar definierten Haftungsvoraussetzungen“. 176 Vgl. Spindler, JZ 2006, 839 (842 f.). 177 Vgl. Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 5 Rn. 12. 178 Vgl. Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, Anh § 30 Rn. 22; Böckmann, Gläubigerschutz bei GmbH und close corporation, S. 250 f. 175

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adressiert, nicht jedoch situative, die aus der finanzwirtschaftlichen Entwicklung resultieren. Zuletzt erscheint die Gestaltung der materiellen Unterkapitalisierung als Durchgriffshaftung nicht unproblematisch. Einerseits verhindert sie, dass durch ein finanzwirtschaftliches Oktroiprinzip Unternehmensgründungen erhebliche Hindernisse bereitet werden179. Andererseits ist es dennoch widersprüchlich, die Notwendigkeit eines ex ante eingreifenden Konzessionssystems für den Zugang zur beschränkten Haftung zu verneinen, ex post aber doch die Gewährung des Haftungsprivilegs von einer Prüfung durch staatliche Stellen abhängig zu machen180. 3. Existenzvernichtungshaftung a) Bremer Vulkan/KBV Jüngste Schöpfung auf dem Gebiet des Durchgriffs war die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs181. Das Wesen der Existenzvernichtungshaftung beschreibt der BGH dabei wie folgt: „Der Schutz einer abhängigen GmbH gegen Einzeleingriffe ihres Alleingesellschafters folgt nicht dem Haftungssystem des Konzernrechts des Aktienrechts (§§ 291 ff., 311 ff. AktG), sondern ist auf die Erhaltung und die Gewährung ihres Bestandsschutzes beschränkt, der eine angemessene Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der GmbH erfordert. An einer solchen Rücksichtnahme fehlt es, wenn die GmbH infolge der Eingriffe ihres Alleingesellschafters ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen kann“182. Anders als die Haftung im qualifizierten faktischen Konzern ist das Institut der Existenzvernichtungshaftung nicht an das Vorliegen einer Konzernlage geknüpft183. Durch diese Aufgabe der Beschränkung auf das Recht der faktisch verbundenen Unternehmen ist 179

Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 69. In diese Richtung auch schon Fabricius, GmbHR 1970, 137 (140). 181 Vgl. hierzu etwa noch Seibt, ZHR 171 (2007), 282 (307 ff.); für Durchgriffshaftung aus der Instanzenrechtsprechung etwa OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631 (633). 182 BGH, Urt. v. 17. 09. 2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10 (16 f.); BGH, Urt. v. 25. 02. 2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 (67 f.); BGH, Urt. v. 26. 6. 2002 – II ZR 300/00, BGHZ 151, 181 (186 f.); BGH, Urt. v. 13. 12. 2004 – II ZR 206/02, BB 2005, 232 (232 ff.); BGH, Urteil v. 13. 12. 2004 – II ZR 256/02, BB; 2005, 286 f (286 f.); umfassend zum Bremer Vulkan/KBVKonzept Liebscher, GmbH-Konzernrecht S. 155 ff. mit zahlreichen w.N.; vorgezeichnet bereits im TBB-Urteil: BGH, Urt. v. 29. 3. 1983 –II 265/91, AG 371 (371 ff.); vgl. hierzu etwa Lutter, DB 1994, 129 (129 ff.); Schanze, AG 1993, 376 (376 ff.), den Vorläufercharakter aufzeigend Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2036 f.). Für eine (modifizierte) Beibehaltung der Haftung im qualifiziert faktischen Konzern Wiedemann, ZGR 2003, 283 (295 f.). Zum qualifiziert faktischen Konzern etwa Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Anh § 13 Rn. 146 f.; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 302 Rn. 7 ff.; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh § 13 Rn. 92 ff.; Ulmer, AG 1986, 123 (123 ff.). Zu seiner Rolle im früheren Gesamtkonzept des BGH zur Innenhaftung im GmbH-Konzern etwa Stimpel, AG 1986, 317 (317 ff.). Die Entwicklung der Rechtsprechung von Autokran bis zu Bremer Vulkan/KBV zeichnet etwa Henze, NZG 2003, 649 (653 ff.) nach. 183 Vgl. Böckmann, Gläubigerschutz und close corporation, S. 248; Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2036); Drenckhan, GmbHR 2006, 1296 (1300); Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 214. 180

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die Existenzvernichtungshaftung strukturell geeignet, generelle Fehlentwicklungen in der beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft zu verhindern bzw. sie im Falle eines Verstoßes ex post zu sanktionieren. Dies gilt insbesondere, weil die Existenzvernichtungshaftung allgemein als Sanktion für ein näher zu definierendes eigensüchtiges Verhalten der Gesellschafter verstanden wird184. Konkreter Vorwurf, der einem Gesellschafter gemacht wird, ist, dass er keine angemessene Rücksicht auf die Erhaltung der Fähigkeit der Gesellschaft zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten genommen habe185. Umgekehrt formuliert statuiert die Existenzvernichtungshaftung das an jeden Gesellschafter gerichtete Gebot, bestandsvernichtende Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen zu unterlassen, worunter Maßnahmen verstanden werden, die die GmbH zum Schaden ihrer Gläubiger außerhalb des unternehmerischen Risikos in die Insolvenz treiben186. Die hiermit grob skizzierte Reichweite des Instituts ist in ihren genauen Grenzen höchst undeutlich. Während die letztere Umschreibung durchaus so gelesen werden kann, dass die Existenzvernichtungshaftung die Eingehung über das technologische hinausgehender Risiken erfassen soll und folglich der Eindämmung opportunistischen Verhaltens seitens der Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft dienen würde187, mutet die durch den BGH und weite Teile der Literatur verwandte Sprachregel von dem vermeintlichen Interesse der Gesellschaft an der Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten im Kapitalgesellschaftsrecht nicht nur äußerst befremdlich an188, sondern eröffnet Spielräume für ein weit darüber hinausgehendes extensives Verständnis. Hat die Gesellschaft ein Interesse nur an der Befriedigung besonders qualifizierter Forderungen, nur eines Teils ihrer Forderungen oder aber möglicherweise sogar an der Befriedigung all ihrer Forderungen? Diese begriffliche und inhaltliche Unschärfe begründet die Gefahr einer Unterminierung des Prinzips der beschränkten Haftung, was Ausdruck findet in Befürchtungen des Schrifttums, dass der existenzvernichtende Eingriff eine „gesellschaftsrechtliche Wunderwaffe zur Bekämpfung aller tatsächlichen oder angeblichen Schutzdefizite [sei], die ausgedehnt werden könnte auf jede insolvenzverschleppende Einflussnahme“189. Allerdings wird bisher in Rechtsprechung und Großteilen des rechtswissenschaftlichen Schrifttums grundsätzlich als weiteres 184 Vgl. Röhricht, FS BGH, 83 (92); vgl. auch Goette, ZIP 2005, 1481 (1486 f.); Vetter, ZGR 2005, 788 (813). 185 Vgl. Röhricht, FS BGH, 83 (92); Gehrlein, DK 2007, 1 (6); Goette, ZIP 2005, 1481 (1487); Henze, WM 2006, 1353 (1356); Schön, ZHR 168 (2004), 268 (281 f.); Vetter, ZGR 2005, 788 (811); Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2036). 186 Vgl. Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2 F VII 5b Rn. 150 = S. 385. 187 In diesem Sinne Drenckhan, GmbHR 2006, 1296 (1301). 188 Wenn man die Gesellschaft schon in dieser Weise personalisieren will, wird man doch festhalten müssen, dass sie primär kundtut: ich will nicht voll haften. Die Behauptung eines Interesses an der angemessenen Befriedigung ihrer Gläubiger wird man zumindest sprachlich als verunglückt zu bezeichnen haben, gewinnt man doch den Eindruck, die kurz vor der Abwicklung stehende juristische Person wolle sich mit Anstand aus dem Leben verabschieden. 189 Vetter, ZGR 2005, 788 (815); kritisch gegenüber Ansätzen, die auf ein Eigeninteresse einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft abstellen schon Karollus, ZIP 1995, 269 (273).

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Tatbestandsmerkmal verlangt, dass es zu einem (planmäßigen) Entzug von Vermögen der Gesellschaft zugunsten des Gesellschafters kommt190, d. h. es bedarf einer Vermögensübertragung von der Gesellschaft auf die Gesellschafter191. Die Erforderlichkeit einer Vermögensverlagerung wurde bisher auch daran erkennbar, dass der BGH den grundsätzlichen Vorrang der Kapitalerhaltungsregeln nach §§ 30, 31 GmbHG betonte192, die ebenfalls bezwecken, Vermögensverschiebungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern zu unterbinden. Wenn auch mit dem Kriterium der Vermögensverlagerung eine notwendige Eingrenzung der anderenfalls kaum fassbaren Existenzvernichtungshaftung verbunden ist, wird damit ihre Eignung zur Beschränkung opportunistischen Verhaltens stark eingeschränkt193. Die Anreize zur Wahl einer gläubigergefährdenden Handlungsalternative wachsen in dem Maße, indem sich das Gesellschaftsvermögen mindert und der Verlustbetrag der Gesellschafter in Konsequenz minimiert wird. Nicht vorhandenes Vermögen, sondern das weitgehende Fehlen eines Gesellschaftsvermögens ist Voraussetzung der krisenbedingten Revision des Anreizsystems. Ziel spekulativer Strategien ist nicht, der Gesellschaft weiteres Vermögen zu entziehen, sondern sie im Erfolgsfall zu retten194. Eine tatbestandlich derart eng gefasste Existenzvernichtungshaftung vermag allenfalls einen mittelbaren Beitrag zur Eindämmung der mit der Haftungsbeschränkung verbundenen Möglichkeiten zu opportunistischem Verhalten zu leisten. Die Gesellschafter einer in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen GmbH werden durch das Institut daran gehindert, etwaiges, das Stammkapital überschreitende Vermögen abzuziehen, um im Anschluss an diese Vermögensverlagerung die Gesellschaft zu einem Spekulationsversuch einzusetzen (asset withdrawal). Allerdings begrenzt der BGH das Erfordernis einer Vermögensübertragung dadurch, indem er nicht verlangt, dass der Vermögenstransfer sich zwingend bilanziell niedergeschlagen hat195. Beispiele solcher nicht bilanzwirksamer Vermögensverlagerungen stellen die Übernahme aller wichtigen Vertragsverhältnisse durch eine Nachfolgegesellschaft, die Übertragung ganzer Geschäftsfelder, Abzug von betriebsnotwendigem Personal, die Preisgabe von Vertriebsrechten oder anderer Geschäftschancen zugunsten der Muttergesellschaft 190 Zuletzt BGH, Urt. v. 28. 4. 2008 – II ZR 264/06, ZIP 2008, 1232 (1233 f.); vgl. auch Gehrlein, DK 2007, 1 (6); Schön, ZHR 168 (2004), 268 (272 f.); Vetter, ZGR 2005, 788 (811 f.). 191 BGH, Urt. v. 13. 12. 2004 – II ZR 206/02, BB 2005, 232 (232 ff.). Vgl. Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2037 f.); Fischer, ZIP 2004, 1477 (1480); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (359); Schaefer/Steinmetz, WM 2007, 2265 (2268); grundsätzlich auch Röhricht, ZIP 2005, 505 (514). 192 BGH, Urt. v. 17. 9. 2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10 (16 f.); BGH, Urteil v. 13. 12. 2004 – II ZR 256/02, BB 2005, 286 (286 f.); vgl. zu diesem Gesichtspunkt Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2038 f.). 193 Dezidiert in diese Richtung Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2038). Unter Hinweis auf die Möglichkeit des gambling for resurrection explizit für die Aufgabe des Kriteriums der Vermögensverlagerung Thole, ZIP 2007, 1590 (1594). 194 Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2038). 195 Vgl. Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2038); dies., ZGR 2008, 34 (37 ff.).

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bzw. die Abwerbung des Kundenstammes dar196. Trotz dieser Weiterungen steht im Zentrum der bisherigen Rechtsprechung dennoch der Vorwurf der Selbstbedienung durch Verlagerung von Vermögenswerten von der Gesellschaft auf die Gesellschafter197. Diese stark an der Vermögensverlagerung orientierte Rechtsprechung findet allerdings keine uneingeschränkte Gefolgschaft. Schon für die Vorgängerregelung der Haftung im qualifizierten faktischen Konzern wurde postuliert, dass diese der Unterscheidung zwischen „guter“ und „böser“ Konzernleitung diene198. Legt man diese Differenzierung auch dem Institut der Existenzvernichtungshaftung zu Grunde, erscheint die Vermögensverschiebung auf die Gesellschafter (asset withdrawal) nur als eine Fallgruppe desselben. Dementsprechend wird in der Literatur erwogen, eine „Spekulation auf Kosten der Gläubiger“ als existenzvernichtenden Eingriff zu behandeln199, worunter sich sprachlich zumindest Überinvestitionsstrategien erfassen lassen würden. Noch ungeklärt ist, inwieweit der Bundesgerichtshof solchen extensiven Tatbestandsdefinitionen zu folgen bereit ist. In einem Urteil vom 13. Dezember 2004 hat er sich grundsätzlich gegen eine Ausweitung der Existenzvernichtungshaftung auf bloße Managementfehlleistungen ausgesprochen; im ersten Leitsatz des Urteils heißt es hierzu: „der zur persönlichen Haftung des GmbH-Gesellschafters führende Haftungstatbestand des „existenzvernichtenden Eingriffs“ bezieht sich nicht auf Managementfehler bei dem Betrieb des Gesellschaftsunternehmens, sondern setzt einen gezielten betriebsfremden Zwecken dienenden Eingriff des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen voraus“200. Diese Einschränkung bedeutet jedoch nicht zwangsläufig eine Ausklammerung opportunistischen Verhaltens. Dogmatisch muss allein eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger als betriebsfremder Eingriff qualifiziert werden, um die Haftung in dieser Konstellation zu ermöglichen201. So führt denn auch Volker Röhricht, selbst wegweisend an der Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung beteiligt und Vorsit196 BGH, Urt. v. 13. 12. 2004 – II ZR 206/02, BB 2005, 232 (232 ff.); vgl. Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2037 f.); Roth, DNotZ 2006, 166 (170); Schaefer/Steinmetz, WM 2007, 2265 (2266). 197 BGH, Urt. v. 28. 4. 2008 – II ZR 264/06, ZIP 2008, 1232 (1234). 198 Vgl. Röhricht, FS BGH, 83 (120); ähnlich Banerjea, ZIP 1999, 1153 (1161); vgl. auch Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (666). 199 Dem folgend Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203 (1205). Vgl. hierzu Schön, ZHR 168 (2004), 268 (288 f.); Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2038); als offen wird diese Frage bei Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (218) bezeichnet; vgl. auch Roth, DNotZ 2006, 166 (171); ders., NZG 2003, 1081 (1083); zweifelnd Streit/Bürk, DB 2008, 742 (748). Zur erkennbaren Abkehr vom Erfordernis einer Vermögensverlagerung vgl. auch Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (666). 200 BGH, Urt. v. 13. 12. 2004 – II ZR 256/02, BB 2005, 286 (286 f.); dem folgend K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (458); vgl. hierzu auch Gehrlein, DK 2007, 1 (6 f.); ders., WM 2008, 761 (762); Henze, WM 2006, 1653 (1661); ders., NZG 2003, 649 (658); Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2038). 201 Vgl. auch Fischer, ZIP 2004, 1477 (1480).

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zender des II. Senats während des Urteils vom 13. Dezember 2004, aus, dass einerseits „diese Rechtsfigur nicht dazu dient, eine Haftung für ein Fehlverhalten von Geschäftsführern im Vorfeld der Insolvenz zu installieren“, andererseits aber von diesem Grundsatz dann eine Ausnahme zu machen sei, „wenn die Eingehung unvertretbar riskanter Spekulationsgeschäfte, für die allerdings in der Situation des ohnehin schon verlorenen Eigenkapitals ein besonderer fehlgeleiteter Anreiz bestehen mag“, in Rede steht202. Nach diesem Verständnis wäre der existenzvernichtende Eingriff trotz des Fehlens einer Vermögensübertragung in der oben benannten Fallgruppe einschlägig. Die damit verbundene Sanktionierung opportunistischen Verhaltens wäre aufgrund der anderenfalls eintretenden Effizienzverluste grundsätzlich positiv zu bewerten. Geht die Gesellschaft übertriebene oder unvertretbare Risiken ein, darf es aus Gründen eines effizienzorientierten Gläubigerschutzes keine Rolle spielen, ob die Risikosteigerung mittels einer Vermögensverschiebung oder auf anderem Weg erfolgt203. Es bestehen allerdings Zweifel, ob das im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Institut des existenzvernichtenden Eingriffs eine probate Lösung dieses Problems darstellt. Zunächst ist allgemein festzuhalten, dass die Subsumtion der Fallgruppe der Spekulation zu Lasten der Gläubiger bereits an die sprachlichen Grenzen des Instituts stößt. Von einer Existenzvernichtung bzw. Bestandsvernichtung kann nicht gesprochen werden, wenn die Gesellschafter bemüht sind, die Gesellschaft zu retten. Der Vorwurf einer Vermögensverlagerung im Vorfeld des Unternehmenszusammenbruchs muss qualitativ geschieden werden von dem opportunistischen Verhaltens in der Krise. Während im ersten Fall Gesellschafter versuchen, die Gesellschaft soweit als möglich auszuplündern und damit zumindest bedingt vorsätzlich in die Insolvenz führen, wird in letzterem Falle eine aussichtslose Rettungschance implementiert. Derartige Bedenken sind allerdings zunächst rein terminologischer Natur, so dass ihnen durch eine Präzisierung der Tatbestandsvoraussetzungen Rechnung getragen werden kann – alternative Formulierungsvorschläge stehen mit dem bestands- und existenzgefährdenden Eingriff zur Verfügung. Gewichtiger erscheinen hingegen die Einwände gegen die Plausibilität der Zuordnung existenzvernichtender Eingriffe in den Bereich der Durchgriffstatbestände i.S. einer reinen Gesellschafterhaftung. Der klassische Durchgriff – Vermögensvermischung, materielle Unterkapitalisierung – erfasst genuine Gesellschaftermaßnahmen wie etwa die Finanzierungsentscheidung204. Die Realisierung einer 202 Röhricht, ZIP 2005, 505 (514); ähnlich Roth, NZG 2003, 1081 (1082); in der Tendenz auch Schaefer/Steinmetz, WM 2007, 2265 (2269); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 83. Zur fehlenden Anwendbarkeit bei Managementfehlern vgl. Weller, DStR 2007, 116 (119); Schaefer/Steinmetz, WM 2007, 2265 (2266); vgl. zur Frage der Anwendbarkeit des existenzvernichtenden Eingriffs auf Fälle unvertretbarer Risiken auch Schulz/ Israel, NZG 2005, 329 (331 ff.). 203 Vgl. Roth, NZG 2003, 1081 (1082 f.). 204 Deutlich für die Existenzvernichtungshaftung BGH, Urt. v. 17. 09. 2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10 (17 f.): „[…] als auch der Anspruch der Gesellschaft wegen eines bestands-

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überriskanten Unternehmenspolitik ist hingegen eindeutig dem operativen Bereich zuzuordnen205. Konsequenterweise müsste die Bestands- bzw. Existenzgefährdung durch Über-, Unterinvestition und Verwässerung im Bereich der Geschäftsleiterhaftung angesiedelt werden206. Die dogmatische Verortung bestands- bzw. existenzvernichtender Eingriffe ist in diesem Zusammenhang nicht allein Geschmacksfrage, sondern zeitigt erhebliche praktische Folgen. Ist eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger auf eine unbeeinflusste Entscheidung eines Fremdgeschäftsführers zurückzuführen, läuft die Haftung wegen Existenzgefährdung nach dem Bremer Vulkan/KBV-Konzept leer. Einerseits trifft sie aufgrund der fehlenden Gesellschafterstellung nicht den Geschäftsleiter, der die überriskante Option gewählt hat, andererseits aber auch nicht den oder die Gesellschafter. Eine autonome Entscheidung der Geschäftsleitung kann den Gesellschaftern nicht zugerechnet werden und somit auch nicht der Vorwurf erhoben werden, sie hätten keine angemessene Rücksicht auf das Eigeninteresse der Gesellschaft an der Befriedigung ihrer Verbindlichkeiten genommen. Und wiederum ist zu berücksichtigen, dass der Durchgriff nur eine Rechtsfolge kennt, die persönliche vollständige Einstandspflicht der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft207. Aus Sicht der maximale Kompensation begehrenden Gläubiger ist diese Rechtsfolge optimal, das Kriterium der Effizienz erfordert aber auch die Veranschlagung der verbundenen Nutzeneinbußen der Gesellschafter. Ein Durchgriff gleicht nicht allein die Entwertung bestehender Forderungen durch Moral Hazard und Hold Up aus, sondern beinhaltet regelmäßig einen windfall profit. Er beinhaltet faktisch eine Strafkomponente, indem er auch das technologische Risiko – trotz anderslautender Finanzierungskontrakte – auf die Gesellschafter verlagert. Diese Rechtsfolge der unbeschränkten, verschuldensunabhängigen Durchgriffshaftung ist „selbst dem II. Zivilsenat zu hart erschienen“208, weshalb er dem Gesellschafter den Nachweis gestattete, dass der Gesellschaft im Vergleich zu ihrer Vermögenslage bei einem redlichen Verhalten nur ein begrenzter Nachteil entstanden ist mit der Folge, dass nur dieser Teil auszugleichen ist209. Jedoch war es faktisch regelmäßig nicht möglich, darzulegen, dass der vernichtenden Eingriffs in ihr Vermögen und ihre Geschäftschancen nach den Grundsätzen der Entscheidung BGHZ 122, 123 ff. richtet sich grundsätzlich allein gegen ihren Gesellschafter, nicht aber auch gegen dessen Organe“. 205 Vgl. auch Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1337) „Priority decisions relate to the distribution of assets. Investment decisions, by definition involve the use of assets, not their distribution“. 206 Ähnlich Spindler, JZ 2006, 839 (849) im Rahmen seines zusammenführenden Pflichtenkonzepts. Die Ausgestaltung als Gesellschafterhaftung aufgrund der Organisationsverfassung der GmbH hingegen befürwortend Weller, DStR 2007, 116 (117). 207 Vgl. Gehrlein, DK 2007, 1 (7); Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2040); K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (457). 208 Goette, ZGR 2006, 261 (267). 209 Vgl. Gehrlein, DK 2007, 1 (7); Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2040 f.); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 87. Kritisch wegen der fehlenden Vereinbarkeit mit der Rechtsfigur des Durchgriffs etwa Dauner-Lieb, ZGR 2008, 34 (39).

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Vermögensentzug zumindest nicht mit(ursächlich) für die weitere dramatische Vermögensentwicklung in der geschädigten Gesellschaft geworden war, so dass auch nach der einschränkenden Auslegung des BGH der echte Durchgriff die Regelrechtsfolge bleiben musste. Trotz des an sich legitimen Anliegens der Existenzvernichtungshaftung wurde diese in ihrer durch Vulkan und KBV geprägten Gestalt auch auf Seiten der Rechtsprechung „nicht unbedingt als das non plus ultra an[ge] sehen“210. b) Neujustierung der Existenzvernichtungshaftung („Trihotel“) Mit der „Trihotel“-Entscheidung hat der BGH an der Existenzvernichtungshaftung festgehalten, sie jedoch – Kritik aus der Rechtswissenschaft aufgreifend – auf eine in Teilen neue dogmatische Grundlage gestellt211. Ausdrücklich aufgegeben wird das Konzept einer eigenständigen Haftungsfigur mit der Rechtsfolge des Durchgriffs. Stattdessen knüpft der Senat die Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens an und ordnet sie in Gestalt einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung allein in § 826 BGB ein212. Zweite wesentliche Korrektur ist, dass die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs nunmehr in Anspruchskonkurrenz zu §§ 30, 31 GmbHG tritt213. Der Tatbestand der Existenzvernichtung selbst bleibt im Übrigen unverändert. Das Merkmal der Sittenwidrigkeit wird ausgefüllt durch die Missachtung des Interesses der Gesellschaft, 210

Vgl. Goette, ZGR 2006, 261 (266 f.); deutlich Schanze, NZG 2007, 681 (682): „Jenseits der Wertungen im Einzelfall lag auch bei der Tatbestandstechnik vieles im Argen“, K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (456): „Unstimmigkeit zwischen dem Tatbestand […] und der Rechtsfolge“. 211 BGH, Urt. v. 16. 7. 2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 (246 ff.) = NZG 2007, 667 (667 ff.)(„Trihotel“); BGH, Beschl. V. 7. 1. 2008 – II ZR 314/05, DZWiR 2008, 174 (174 f.); BGH, Urt. v. 9. 2. 2009 – II ZR 292/07, BeckRS 2009, 10357 = GWR 2009, 280931 (Umbeck) („Sanitary“). Vgl. hierzu Altmeppen, ZIP 2008, 1201 (1201 ff.); Dauner-Lieb, ZGR 2008, 34 (34 ff.); Gehrlein, WM 2008, 761 (761 ff.); Haas, ZIP 2009, 1257 (1257 ff.); Hönn, WM 2008, 769 (769 ff.); Schaefer/Steinmetz, WM 2007, 2265 (2265); Schanze, NZG 2007, 681 (681 ff.); K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (456 ff.); Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (666 ff.); Streit/ Bürk, DB 2008, 742 (748 f.); Lieder, DZWiR 2008, 145 (145 ff.). Für eine deliktsrechtliche Qualifizierung bereits Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034 (2041); Haas, Gutachten DJT 2006, E 83 ff., E 90; Bayer, BB 2003, 2357 (2365); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (669 f.); Spindler, JZ 2006, 839 (848). Zur tatbestandlichen Nähe vgl. auch das ITZ-Urteil BGH, Urt. v. 20. 9. 2004 – II ZR 302/02, WM 2004, 2254 (2254 ff.), vgl. hierzu auch Sester, ZGR 2006, 1 (6 f.); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 301 f.; Schaefer/Steinmetz, WM 2007, 2265 (2267). Ablehnend zur Anwendung der Existenzvernichtungshaftung im faktischen Aktienkonzern LG, Kiel, Urt. v. 20. 3. 2009 – 14-195/03, GWR 2009, 280906 (Plückelmann). Einen Überblick über den Stand der Instanzenrechtsprechung bietet Röck, DZWiR 2012, 97 (97 ff.). 212 BGH, Urt. v. 16. 7. 2007 – II ZR 3/04, NZG 2007, 667 (668) („Trihotel“); BGH, Urt. v. 28. 4. 2008 – II ZR 264/06, ZIP 2008, 1232 (1233 ff.) („Gamma“). Positiv Schaefer/Steinmetz, WM 2007, 2265 (2271 f.). Kritisch gegenüber der Verortung im Jedermanns-Haftungstatbestand des § 826 BGB Wilhelm, EWiR 2007, 557 (558); K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (458); Hönn, WM 2008, 769 (775 ff.). 213 BGH, Urteil vom 16. 7. 2007 – II ZR 3/04, NZG 2007, 667 (672); hierzu Gehrlein, WM 2008, 761 (761); Lieder, DZWiR 2008, 145 (146).

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ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Aufgewertet wird allerdings das schon nach bisheriger Rechtslage mehr oder weniger explizit berücksichtigte subjektive Element. § 826 BGB verlangt Vorsatz auf Seiten des Gesellschafters214. Der Senat lässt es in diesem Zusammenhang allerdings genügen, dass dem handelnden Gesellschafter bewusst ist, dass durch von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung veranlasste Maßnahmen das Gesellschaftsvermögen geschädigt wird sowie die Kenntnis der die Sittenwidrigkeit ausfüllenden tatsächlichen Umstände – nicht aber das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit215. Andererseits genügt nicht jede abstrakte Erkenntnismöglichkeit216. Weitgehend unverändert bleibt auch die Durchsetzungsbefugnis etwaiger Ansprüche. Nach wie vor ist der Insolvenzverwalter die Person, die gebündelt die Ansprüche geltend macht217 – nunmehr allerdings nicht mehr auf Grundlage von § 93 InsO, sondern direkt nach § 80 Abs. 1 InsO218. Die Neujustierungen beseitigen verschiedene berechtigte Kritikpunkte der bisherigen Konzeption. Die mit der Neuverortung des existenzvernichtenden Eingriffs als Fallgruppe der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung verbundenen Einschränkungen des Haftungstatbestandes sind grundsätzlich zu begrüßen. Die Durchgriffshaftung als Erfolgshaftung wird aufgegeben219. Die Rechtsfolge des Durchgriffs in Verbindung mit der tatbestandlichen Unbestimmtheit der Existenzvernichtungshaftung begründete die Gefahr einer extensiven Steigerung der Risikoaversion und damit eine Gefährdung der Wohlfahrtseffekte der Haftungsbeschränkung220. Allerdings ist auch die Ausgestaltung als Schadensersatzhaftung mit umfänglichen Haftungsrisiken verbunden221. Auch die Notwendigkeit des Vorsatzes auf Seiten des handelnden Gesellschafters begründet vor dem Hintergrund der niedrigen Anforderungen, die der II. Senat an diesen stellt, keine untragbaren Spielräume für opportunistisches Verhalten222. Nach wie vor erhalten bleiben jedoch

214 Vgl. Schaefer/Steinmetz, WM 2007, 2265 (2268); demgegenüber eine Durchgriffshaftung befürwortend Lieder, DZWiR 2008, 145 (146). Kritisch wegen des Vorsatzerfordernisses K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (456 f.). 215 Vgl. Gehrlein, WM 2008, 761 (762). 216 Vgl. Streit/Bürk, DB 2008, 742 (749); Lieder, DZWiR 2008, 145 (146). 217 BGH, Urteil vom 16. 7. 2007 – II ZR 3/04, NZG 2007, 667 (671); vgl. Gehrlein, WM 2008, 761 (761); Schaefer/Steinmetz, WM 2007, 2265 (2270); Schanze, NZG 2007, 681 (681); Lieder, DZWiR 2008, 145 (146); zu den damit verbundenen dogmatischen Schwierigkeiten ausführlicher Hönn, WM 2008, 769 (774 f.). 218 Vgl. Wilhelm, EWiR 2007, 557 (557 f.). 219 Vgl. Wilhelm, EWiR 2007, 557 (558). 220 Im Ergebnis ähnlich Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (666 f.), gegen die Rechtsfolge des Durchgriffs etwa auch Hönn, WM 2008, 769 (770). 221 Vgl. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (666 f.). 222 Begründet aber andererseits die Gefahr einer Aufweichung des Tatbestandes der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, vgl. K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (456 f.). Zur Handhabung des Vorsatzerfordernisses durch den II. Senat vgl. Henze, NZG 2003, 649 (658): „Bei § 826 BGB legt die Rechtsprechung zwar in gewissen Bereichen einen großzügigen

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verschiedene Schwächen der Existenzvernichtungshaftung bisherigen Zuschnitts. Adressaten sind wie bisher allein die Gesellschafter, ein Handeln der Geschäftsleitung wird nicht erfasst223. Dies ist sachgerecht nur für die Fallkonstellationen, in denen Strukturmaßnahmen im Raume stehen oder aber Vermögensverlagerungen unter notwendiger Beteiligung der Anteilseigner (als Empfänger). Als allgemeines Institut zur Begrenzung der krisenbedingten Fehlanreize eignet sich die Existenzvernichtungshaftung damit nach wie vor nicht, da gerade die Fallgruppe der Spekulation auf Kosten der Gläubiger regelmäßig im Bereich der operativen Führung der Gesellschaft akut wird. Ihrer prinzipiellen Eignung hierzu steht überdies nach wie vor die Unsicherheit des tatbestandlich sanktionierten Verhaltens gegenüber224. Dass eine beschränkt haftende Kapitalgesellschaft nur ein sehr eingeschränktes Bedürfnis an einer angemessenen Befriedigung ihrer Verbindlichkeiten hat, dürfte vor dem Hintergrund von § 13 Abs. 2 GmbHG und den dahinter stehenden ökonomischen Wertungen evident sein. Die Existenzvernichtungshaftung verbleibt damit auch nach ihrer Neuverortung in § 826 BGB ein Einfallstor für strukturell nicht zu rechtfertigende Eingriffe in das Prinzip der beschränkten Haftung.

Maßstab an und neigt dazu, die Grenzen zwischen dolus eventualis und grober Fahrlässigkeit zu vernachlässigen“. 223 Vgl. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (667 f.); Gehrlein, WM 2008, 761 (764). A.A. Streit/Bürk, DB 2008, 742 (748). Gegen eine grundsätzliche Einbeziehung von Geschäftsführern in den Adressatenkreis Schaefer/Steinmetz, WM 2007, 2265 (2271). 224 Kritisch etwa auch K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (457).

§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung I. Legitimation einer Geschäftsleiterhaftung 1. Einführung Um die positiven Wohlfahrtseffekte der Haftungsbeschränkung realisieren zu können, ist grundsätzlich auch die Freistellung der Geschäftsleiter erforderlich. Zwar lässt sich juristisch-dogmatisch die Außerkraftsetzung von § 13 Abs. 2 GmbHG im Verhältnis zur Geschäftsleitung unproblematisch auf dem beschriebenen Weg erreichen, dass man einen besonderen Verpflichtungsgrund statuiert. Dies nimmt der praktischen Aufhebung des Haftungsprivilegs aber nichts von seiner Brisanz1 und beantwortet auch nicht die für die Rechtsökonomik entscheidende Frage, worin die innere Rechtfertigung dieses besonderen Verpflichtungsgrundes liegt. Drängender noch erscheint die Beantwortung dieser Frage, wenn man berücksichtigt, dass Profiteure des Haftungsprivilegs primär die Gesellschafter sind2. Dennoch lassen sich eine Reihe struktureller Gründe identifizieren, die die Verpflichtung der Geschäftsleitung als strukturell probates Mittel zur Minimierung von opportunistischem Verhalten prädestiniert. Diese seien im Folgenden kurz geschildert, da sie einen Maßstab dafür zu bilden vermögen, inwieweit die jeweilige Geschäftsleiterhaftung in der Krise den in sie gesetzten Erwartungen gerecht zu werden vermag. 2. Der Ordoliberale Ansatz: Einheit von Herrschaft und Haftung „Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden haben“. Mit dieser apodiktischen Feststellung leitet Walter Eucken seine berühmte Kritik am Umsichgreifen von Haftungsbeschränkungen im Wirtschaftsverkehr ein3. Dieses Paradigma lässt jedoch 1

Vgl. Meyer/Hermes, GmbHR 2005, 807. Vgl. hierzu auch Kraakman, Corporate Governance, S. 185; Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft. S. 20. 3 Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 279 ff. Die Kritik beschränkt sich nicht auf den Bereich des Gesellschaftsrechts, sondern erfasst auch Haftungsbeschränkungen in AGB etc. In allgemeinerem Zusammenhang findet sich der Konnex von Freiheit und Verantwortung auch bei v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 88 ff. Ähnlich Erhard, Prosperity through Competition, S. 162 zum Tarifkartell: „Freedom, without responsibility and a feeling of obligation can only results in degeneration and chaos“. Dieses Postulat des Ordoliberalismus findet erneuten Eingang in die Diskussion im Rahmen der Finanzkrise, vgl. nur v. Werder, ZIP 2

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

für sich unbeantwortet, wer im Falle einer Trennung von Eigentum und Kontrolle Adressat einer entsprechenden Haftungsregel sein soll. Den „Nutzen“ hat – in Form des Gewinnanspruchs – primär der Anteilsinhaber. Eine Überwälzung der Verantwortlichkeit auf die Geschäftsführung ließe sich hiermit nicht begründen. Allerdings hält der Ordoliberalismus die Parallelität von Nutzen und Schaden bzw. Chancen und Risiken unternehmerischer Betätigung nicht strikt durch, sondern formuliert modifiziert als generelles Prinzip, dass „wer für Pläne und Handlungen der Unternehmen (Betriebe) und Haushalte verantwortlich ist, haftet (Haftungsprinzip)“4. Die Idee des Gleichlaufs von Chancen und Risiken wird zurückgestellt und als Kern die Leitungsverantwortung in den Mittelpunkt gestellt. Sieht man die hinter dem Schlagwort von der Einheit von Herrschaft und Haftung stehende ökonomische Idee darin, dass die vollständige Trennung von Chancen und Risiken verzerrte und ineffiziente Entscheidungsstrukturen im in § 3 genannten Sinne mit sich bringt, liegt hierin ein richtiger Kern5. Die These von der Einheit von Haftung und Herrschaft leitet dann über zu der Überlegung, durch Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter auf die Entscheidungsstruktur der Gesellschaft einzuwirken. 3. Incentives Die Haftungsbeschränkung ermöglicht es unter der Voraussetzung, dass für die entscheidenden Personen in der Gesellschaft mit der Durchführung spekulativer Investitionsprojekte keine Nutzeneinbußen verbunden sind, die Position der Gläubiger auszunutzen, was sich insbesondere in der Krise der Gesellschaft drastisch auswirken kann6. Will man die hieraus resultierenden Agenturkosten des Fremdkapitals, die nicht bereits über den Marktmechanismus kompensiert werden, minimieren, ist es notwendig, die Anreizstruktur von Gesellschaftern und Geschäftsleitern zu modifizieren. Vor dem Hintergrund, dass sich die Inanspruchnahme der Gesellschafter aus verschiedenen Gründen als schwierig gestaltet, erscheint die Geschäftsleitung als möglicherweise überlegener Adressat7.

2009, 500 (500), der seinen Vortrag zur Disziplinierung des Managements mit Euckens Worten einleitet. 4 Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 281. 5 Vgl. auch Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 53; ähnlich auch Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 37. Die Idee findet sich bereits bei Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 280 f.: „Investitionen werden umso sorgfältiger gemacht, je mehr der Verantwortliche für diese Investitionen haftet“. 6 Vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 424; vgl. allgemein auch Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 238 f. 7 Davies, EBOR 7 (2006), 301 (312); in ähnliche Richtung weist die Unterscheidung von K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (450) in Verhaltensverantwortlichkeit (Corporate Governance) der Geschäftsleitung und Zustandshaftung der Gesellschafter. Vgl. auch Wood, Principles of International Insolvency, S. 553.

I. Legitimation einer Geschäftsleiterhaftung

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Die Umstände, die eine Inpflichtnahme der Geschäftsleitung nahe legen, sind dabei gerade diejenigen, die eine Inanspruchnahme der Gesellschafter als praktisch undurchführbar oder zumindest nicht ratsam erscheinen lassen. Zwar gilt auch für die Geschäftsleiter, dass eine zu umfängliche und unübersichtliche Haftungsandrohung zunächst Risikoaversion befördern und den (erwünschten) Risikoanreiz der beschränkten Haftung zu Nichte machen kann8. Es fehlen jedoch die weiteren strukturellen Schwächen einer Gesellschafterhaftung. Das Informations- und Kontrollproblem existiert hier, wenn überhaupt, nicht in gleicher Weise. Per definitionem ist die Geschäftsleitung kein passiver Interessenträger der Gesellschaft, sondern managt aktiv die Geschäfte der Gesellschaft. In letzter Konsequenz entscheidet sie über das von der Unternehmung zu tragende Risiko. Auch die Kapitalmarktfungibilität bleibt weitgehend unangetastet. Während Durchgriffstatbestände die Notwendigkeit begründen, die Vermögensentwicklung einer Vielzahl von Personen mehr oder weniger grob zu überwachen und zu prognostizieren, ist im Falle einer Geschäftsleiterhaftung nur die Vermögensentwicklung eines überschaubaren Personenkreises zu überwachen. Eine Geschäftsleiterhaftung erscheint somit prinzipiell geeigneter, opportunistischem Verhalten entgegenwirken zu können bei gleichzeitiger weitgehender Wahrung der Vorteile der Haftungsbeschränkung auf den Verband9. Die insbesondere im juristischen Schrifttum formulierten Bedenken10 gegen die nur beschränkte präventive Wirkung gilt es zu beachten, sprechen aber nicht gegen diese Funktion an sich, sondern implizieren vielmehr nur das Postulat einer effektiven Sanktion, die den angesprochenen Kreisen in ihren Anforderungen deutlich kommuniziert werden muss11. 4. Informationsökonomische Aspekte Unter informationsökonomischen Gesichtspunkten spricht für die Begründung einer Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung der bereits genannte Befund, dass die 8

Vgl. etwa Goette, FS BGH, 123 (123 f.). Für den Spezialfall der Organaußenhaftung für deliktisches Handeln gleichsinnig Hellgardt, WM 2006, 1514 (1520). 10 Vgl. Goette, FS BGH, 123 (124 f.); positiver etwa K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1073). Vgl. auch v. Werder, ZIP 2009, 500 (505): „Präventionseffekte für die Vergangenheit eher niedrig zu veranschlagen“. 11 Die verhaltenssteuernde Wirkung zivilrechtlicher Haftung betonend etwa auch Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 17; Hopt, ZIP 2013, 1793 (1795); Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Ehricke, GmbHG, § 64 Rn. 3. Aus der Rechtsprechung im vorliegenden Kontext (zu § 64 Abs. 1 GmbHG) OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631 (633). Vgl. aus jüngerer Zeit auch den Sammelband Bachmann/Casper/Schäfer/Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktion des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht mit Beiträgen von Schäfer/Veil, Ihrig, Eberspächer, Casper, Bitter, Bachmann, Teichmann, Drinkuth, Seibt und Spindler, insbesondere den Ausgangsbefund von Schäfer/Veil, a.a.O., S. 10: „Der Präventionsgedanke dürfte sich mittlerweile schon im allgemeinen Haftungsrecht weithin durchgesetzt haben, und allemal ist er bei der gesellschaftsrechtlichen Organhaftung anzuerkennen“; auch Ihrig, a.a.O., 17 (18) erkennt die Steuerungsfunktion als einen der wesentlichen Zwecke des Haftungsrechts. 9

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Entscheidungsträger der Unternehmung grundsätzlich die genauesten Kenntnisse über die Lage der Gesellschaft besitzen12. Liegt asymmetrische Information vor, wird die besser informierte Partei regelmäßig der Geschäftsleiter sein. Insbesondere die finanzwirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft, die maßgeblich über den Grad der Gefährdung der Gläubigerpositionen entscheidet, gelangt der Geschäftsleitung im Rahmen des Tagesgeschäftes wie auch in aufbereiteter Form durch das interne Rechnungswesen (BWA etc.) als erstes zur Kenntnis bzw. steht ihr die einfachste Möglichkeit zur Verfügung, von den entscheidenden Kennzahlen Kenntnis zu erlangen. Informationsrisiken werden im Rahmen einer Geschäftsleiterhaftung der Vertragspartei auferlegt, die den größten Anreiz hat, asymmetrische Information zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger auszunutzen. In Abgrenzung hierzu kann bei Aktionären und Gesellschaftern nicht davon ausgegangen werden, dass sie in allen Fällen überlegenes Wissen besitzen. Darüber hinaus ermöglicht die umfassende Geschäftsführungsbefugnis eine adäquate Verwertung des Informationsvorteils13. 5. Überlegene Risikoträgerschaft der Geschäftsleitung Schließlich wird eine Haftung der Geschäftsleitung auch unter dem Gesichtspunkt überlegener Risikoträgerschaft der Geschäftsleitung erörtert. Dies steht auf den ersten Blick in diametralem Gegensatz zu der von Posner angenommenen überlegenen Risikoträgerschaft der Gläubiger. Letztere gründet sich nach Posner auf die Möglichkeiten der Gläubiger zur Diversifikation wie auch die Verteilung der Ausfallrisiken auf eine Vielzahl von Personen. Geschäftsleiter hingegen sind zur Diversifizierung ihrer Risiken in viel geringerem Umfang fähig. Unter der idealtypischen Annahme, dass die Trennung von Eigentum und Kontrolle kapitalarme Entscheider einerseits und eigenkapitalstarke Gesellschafter andererseits zusammenführt, ist der Nettogegenwartswert des Lebenseinkommens eines Geschäftsführers so gut wie nicht diversifiziert, weil er seine Dienste nur einer Gesellschaft zur Verfügung stellt14. Auch stellt die Geschäftsleitung regelmäßig den denkbar kleinsten Adressatenkreis dar mit der Folge hoher sekundärer Kosten. Dass Geschäftsleiter trotz dieser unbestrittenen Tatsachen dennoch überlegene Risikoträger sein können, gründet sich wiederum auf die Überlegung, dass sie überhaupt die Möglichkeit besitzen, die drohenden Risiken abzuschätzen und entsprechend zu versichern15. Sie sind insoweit cheapest cost avoider16. Letztlich verbindet sich hier das informationsökonomische Argument mit der Möglichkeit zur Eigensicherung auf Seiten der Geschäftsleiter. Zu versöhnen sind beide Ansätze, 12

Vgl. Whincop, in: Ramsay, 42 (61); Kraakman, Yale L. J. 93 (1984), 857 (871). Vgl. Whincop, in: Ramsay, 42 (61). 14 Vgl. Kraakman, Yale L. J. 93 (1984), 857 (864); vgl. auch Sykes, Yale L. J. 93 (1984), 1231 (1235). 15 Vgl. Kraakman, Corporate Governance, S. 188 f., ders., Yale L. J. 93 (1984), 857 (871). 16 Ähnlich Thole, ZHR 173 (2009), 504 (516). 13

II. Einheit in Vielfalt: Insolvenzverschleppungshaftung

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überlegene Risikoträgerschaft der Gläubiger und überlegene Risikoträgerschaft der Geschäftsleitung, daher, wenn man zwischen den verschiedenen Risikogruppen differenziert. Das technologische Risiko als exogenes Risiko wird optimal verteilt auf eine möglichst große Zahl von Personen. Anderes gilt für die durch das Verhalten der Akteure bestimmten Risiken. Hier ist grundsätzlich die Zuweisung an die Person optimal, die die geringsten Kosten für die Risikovorsorge aufwenden muss (cheapest cost avoider).

II. Einheit in Vielfalt: Insolvenzverschleppungshaftung, wrongful trading und action en comblement du passif Insolvenzverschleppungshaftung, wrongful trading und action en comblement du passif besitzen den gemeinsamen Ausgangspunkt, die theoretischen Vorteile einer Geschäftsleiterhaftung zur Bekämpfung von Fehlverhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft zu aktivieren17. Ihre konkrete Ausgestaltung weist jedoch erhebliche Unterschiede auf. Nach § 64 Abs. 1 GmbHG/§ 92 Abs. 2 AktG a.F./§ 15a Abs. 1 InsO n.F. haben Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber nach drei Wochen nach Insolvenzreife die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Genügen sie dieser Verpflichtung schuldhaft nicht, sind sie nach § 823 Abs. 2 BGB für den hierdurch verursachten Schaden ersatzpflichtig. Sec. 214 IA hingegen eröffnet dem Gericht im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (winding up) die Möglichkeit, den director einer company zu verurteilen, einen Beitrag in das Vermögen der Gemeinschuldnerin zu leisten, wenn die Gesellschaft insolvenzbedingt liquidiert werden musste, vor Eröffnung des Abwicklungsverfahrens keine vernünftige Aussicht bestand, die insolvenzbedingte Liquidation zu vermeiden und die Gesellschaft nach Erreichen dieses Zeitpunkts nicht mit der gebotenen Rücksicht auf die Gläubigerinteressen weitergeführt wurde. Gemäß Art. L. 651-2 C. Com. schließlich kann das Gericht im Falle, dass sich in Folge einer gerichtlichen Auflösung der Gesellschaft (liquidation judiciaire)18 eine Unzulänglichkeit des Gesellschaftsvermögens (insuffisance d’actif) offenbart und ein Geschäftsleitungsfehler hierzu beigetragen hat, anordnen, dass alle oder einzelne der rechtmäßigen bzw. satzungsmäßigen Geschäftsleiter (dirigeants de droit) oder faktischen Geschäftsleiter (dirigeants de fait) die Schulden der juristischen Person zu tragen haben. Der Vergleich dieser abstrakten Formulierungen erlaubt für sich noch keine Beantwortung der Frage, welches der drei Instrumente die geeignetste Reaktion auf das Phänomen der krisenbedingten Revision des Anreizsystems darstellt. Hierzu gilt 17

Vgl. auch Miola, ECFR 2008, 413 (459 f.). Nicht mehr zur Anwendung gelangt die action en comblement seit der ordonnance n8 2008 – 1345 v. 18. 12. 2008 im Rahmen eines Insolvenzplans (plan de sauvegarde) und eines Reorganisationsverfahrens (redressement judicaire). 18

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

es zunächst einen theoretischen Maßstab zu entwickeln, um sodann die wesentlichen Faktoren einer praktischen Krisengeschäftsleiterhaftung in den Blick zu nehmen, zu denen man haftungsauslösenden Zeitpunkt, sanktioniertes Verhalten, Existenz und Ausgestaltung subjektiver Erfordernisse, Berücksichtigung unternehmerischen Ermessens, Rechtsfolgen und Beweislast zu zählen haben wird19.

III. Maßstab einer effizienten Haftungsregel Bezweckt man mittels einer zwingenden gesetzlichen Haftungsregel opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft einzudämmen, ist der Rückgriff auf ein einfaches Verbot kaum geeignet, den Fehlanreizen in effizienter Weise Schranken zu setzen. Der Begriff des opportunistischen Verhaltens ist ohne Konkretisierungen kaum justitiabel, so dass ein entsprechendes Verbot entweder leer laufen oder aber erhebliche Unsicherheiten für die Geschäftsleitung mit sich bringen müsste. Gleichzeitig würden dabei die Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger komplett ausgeblendet, haftungsrechtlich also für irrelevant erklärt. Diese zwei Beispiele offenbaren bereits, dass eine angemessene Haftungsregel eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen hat. Erklärt man mit dem Effizienzkriterium das Postulat der Nichtverschwendung zum Maßstab einer Rechtsregel, kann hieraus für Haftungsregeln im Allgemeinen die Aufgabe formuliert werden, dass sie (gemein)schädliches Handeln durch Internalisierung der Kosten möglichst zu unterbinden und gleichzeitig die Gesamtkosten verbleibenden Fehlverhaltens sowie ihre Durchsetzungskosten zu minimieren haben20. Nach diesem von Guido Calabresi für das allgemeine Deliktsrecht (law of torts) entwickelten Zielsystem sind die Gesamtkosten schädlicher Handlungen zu minimieren. Diese Gesamtkosten setzen sich aus drei Größen zusammen, den primären, sekundären und tertiären Kosten. Primäre Kosten sind die durch das schädigende Ereignis vernichteten Nutzwerte oder allgemeiner die negativen Folgen ineffizienten Verhaltens von Vertragsparteien21. Sekundäre oder gesellschaftliche Kosten sind demgegenüber die Kosten einer ungünstigen Schadensverteilung, die sich daraus ergeben, dass die Betroffenheit durch den gleichen Vorgang individuell unterschiedlich ausfallen kann22. Tertiäre Kosten schließlich sind Maßstab für die zur Abwicklung und Verteilung der eingetretenen Schädigungen notwendigen Auf-

19 Ähnlich Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (174 ff.); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 9. 20 Vgl. Noonan/Watson, JBL 2006, 763 (787 f.); Schulz, VersR 1984, 608 (608 ff.); vgl. auch Wagner, in: MünchKommBGB, Vor § 823 Rn. 45 ff. 21 Vgl. Calabresi, The Costs of Accidents, S. 26; Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (139); Kirstein, Ökonomische Analyse des Rechts, S. 16. Zur ökonomischen Analyse des Haftungsrechts auch Schulz, VersR 1984, 608 (608 ff.). 22 Vgl. Calabresi, The Costs of Accidents, S. 27 f.; Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (140).

III. Maßstab einer effizienten Haftungsregel

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wendungen, also die Transaktionskosten des Schadensausgleichs bzw. die Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsdurchsetzung23. Die Minimierung der Gesamtkosten erweist sich als komplexes Problem. Primäre, sekundäre und tertiäre Kosten sind jeweils negativ miteinander korreliert. Die Minimierung der primären Kosten nach dem Vorbild des Verursacher- oder Veranlasserprinzips steht zwar für eine wirksame Einschränkung der primären Kosten, bedingt aber hohe sekundäre Kosten, weil ein Einzelindividuum die volle Kostenlast zu schultern hat. Die Reduzierung sekundärer Kosten lässt sich aufgrund des abnehmenden Grenznutzens zusätzlich erzielten Einkommens insbesondere durch eine Verteilung auf möglichst viele Personen (risk spreading) oder aber auf eine besonders zahlungsfähige Person (deep pocket) erreichen24, würde jedoch die Anreize für den Schädiger, schädigendes Verhalten zu unterlassen, deutlich mindern. Die tertiären Kosten schließlich lassen sich auf Null reduzieren, wenn man dem casum sentit dominus-Grundsatz zum Durchbruch verhilft, was aber wiederum mit erheblichen primären und sekundären Kosten verbunden wäre. Dieses am Leitbild des klassischen Deliktsrechts – Calabresis Beispiel war der Verkehrsunfall – orientierte Modell bedarf allerdings einer Anpassung an die Spezifika der zwischen beschränkt haftender Schuldnerin und ihren Gläubigern bestehenden Beziehung. Soweit die primären Kosten betroffen sind, bedarf es zunächst einer Präzisierung, was zu diesen Kosten gerechnet werden darf und muss. Anders als in der von Calabresi zu Grunde gelegten Konstellation bildet nicht der ex post zu konstatierende „Schaden“, der Ausfall der Gläubiger, die primären Kosten. Vertragsgläubiger haben vielmehr einen Teil dieses Ausfallrisikos bewusst und gegen Entgelt übernommen. Zu den primären Kosten ist damit nur der Teil des insolvenzbedingten Forderungsausfalls der Gläubiger zu zählen, der weder kompensiert noch bewusst übernommen wurde. Soweit die sekundären Kosten betroffen sind, scheint zunächst eine Realisierung von risk-spreading oder deep-pocket-Effekten kaum möglich, da mit der Geschäftsleitung bewusst ein maximal überschaubarer Personenkreis in die Pflicht genommen wird. Jedoch sind hier die bestehenden Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger in Anschlag zu bringen. Es muss Gläubigern verwehrt bleiben, durch vollständigen Verzicht auf zumutbaren Selbstschutz im Moment des Vertragsschlusses die primären Kosten in die Höhe zu treiben und sodann auch in der Folge Sicherungsmaßnahmen gegen opportunistisches Verhalten zu unterlassen. Vielmehr haben auch sie im Rahmen der bestehenden und zumutbaren Möglichkeiten eine Verpflichtung, an der Identifizierung ineffizienter Verhaltensweisen mitzuwirken. Die Verteilung der Kontrollfunktion auf verschiedene Schultern sollte auch hier mit Effizienzgewinnen verbunden sein. Soweit schließlich die tertiären Kosten betroffen sind, gilt der allgemeine Grundsatz, dass die ent23 Taupitz, AcP 1996, 114 (141); Wagner, in: MünchKommBGB, Vor § 823 Rn. 57; Kirstein, Ökonomische Analyse des Rechts, S. 16 f.; Alexander, Harv. L. Rev. 106 (1992), 387 (389); Schulz, VersR 1984, 608 (608 ff.). 24 Vgl. Kirstein, Ökonomische Analyse des Rechts, S. 16 f.; vgl. auch Wagner, in: MünchKommBGB, Vor § 823 Rn. 53 ff.

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sprechende Rechtsregel und ihre Durchsetzung Praktikabilität und Kostengünstigkeit in sich zu einen hat.

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“) Von besonderer Bedeutung für jede Haftungsregel ist die Festlegung des Haftungsbeginns. Als Instrument zur Verhaltenssteuerung entfaltet sie erst ab diesem Moment Wirksamkeit. Unter dem Aspekt der Vorteilsausgleichung bzw. Schadenskompensation ist von Bedeutung, dass der Haftungsbeginn die Dauer haftungsbegründenden Verhaltens determiniert und damit unter Umständen die Höhe des von der Geschäftsleitung zu erbringenden Betrages25. Abstrakt gilt, dass eine Geschäftsleiterhaftung, die beabsichtigt, opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft zu unterbinden, spätestens in dem Moment einsetzen muss, in dem die Fehlanreize zu Über- und Unterinvestition und Verwässerung auftreten26. Da es sich hierbei nicht um einen justitiablen Zeitpunkt, sondern um einen Prozess handelt, stellt sich die Frage, wie die einzelnen Haftungsinstitute den Beginn der Haftungstatbestände umschreiben und ob sie damit passgenau den Zeitpunkt der Genese des revidierten Anreizsystems treffen. Formal und vom theoretischen Ansatz grundverschieden sind die Zeitpunktbestimmungen, die die nationalen Gesetzgeber für das Eingreifen der jeweiligen Haftungsregel gewählt haben. Während das deutsche Recht die Insolvenzverschleppungshaftung an die materiellen Insolvenzgründe Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung knüpft, beschreibt sec. 214 IA 1986 den haftungsauslösenden Zeitpunkt generalklauselartig als den Moment, in dem ein ordentlicher Geschäftsleiter mindestens hätte erkennen müssen, dass keine vernünftige Aussicht existierte, die insolvenzbedingte Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden (no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation). Die französische action en comblement du passif schließlich enthält sich jeder ausdrücklichen Zeitpunktbestimmung. Zu klären ist, ob diese Wortlautdifferenzen unterschiedliche Ergebnisse zeitigen, und falls dies zu konstatieren ist, welche Regelung am zielgenauesten die durch die Krise induzierte Revision des Anreizsystems adressiert.

25 Vgl. Milman, JBL 2004, 493 (497); zur Bedeutung allgemein Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (300); Lutter, ZIP 1999, 641 (641); Payne/Prentice, in: Ramsay, 190 (199); vgl. auch Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 19; Wood, Principles of International Insolvency, S. 556. 26 Vgl. Spindler, JZ 2006, 839 (846).

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

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1. Insolvenzverschleppungshaftung a) Die Doppelfunktion der Insolvenzantragspflicht Anders als action en comblement du passif und wrongful trading ist die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung weder im GmbHG noch im Aktiengesetz ausdrücklich geregelt. §§ 64 Abs. 1 GmbHG; 92 Abs. 2 AktG a.F./§ 15a Abs. 1 InsO n.F. selbst statuieren zunächst nur die Antragspflicht der Geschäftsführung bei Vorliegen eines materiellen Insolvenztatbestandes, die durch den historischen Gesetzgeber einerseits durch die Strafandrohung nach den §§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, 401 Abs. 1 Nr. 2 AktG a.F., sowie das in Voraussetzungen und Rechtsfolgen umstrittene Zahlungsverbot der §§ 64 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG a.F. andererseits sanktioniert wurde. Zivilrechtliche Haftung als weitere Sanktion wurde erst durch richterliche Rechtsfortbildung geschaffen, indem die Insolvenzantragspflicht als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB eingestuft wurde. Diese Konstruktion der Krisenhaftung der Geschäftsleitung ist nicht allein von dogmatischem Interesse, sondern beinhaltet die Feststellung, dass § 15a Abs. 1 InsO n.F. eine doppelte Stoßrichtung besitzt. Nach der Konzeption des historischen Gesetzgebers hat die Antragspflicht primär den Zweck, dem Insolvenzrechtsregime zum Durchbruch zu verhelfen, während die in Rechtsprechung und Literatur vorgenommene Weiterentwicklung nicht allein der Durchsetzung dieser Rechtsfolge dient, sondern auch die Sanktionierung von gläubigergefährdendem Verhalten erreichen will27. In Konsequenz muss eine Bewertung von Überschuldung und Insolvenzreife unter Berücksichtigung dieser beiden Funktionen erfolgen. Zunächst ist zu klären, inwieweit dem ursprünglichen Ziel genügt wird, im richtigen Moment das Insolvenzrechtsregime auszulösen. Die Insolvenzantragspflicht ist insoweit primär Terminierungsregel28. In einem weiteren Schritt ist sodann zu prüfen, ob dieser Moment sich mit demjenigen deckt, in dem das revidierte Anreizsystem bei Gesellschaftern und Geschäftsleitung zum Durchbruch gelangt29. Mit der Antwort auf diese Frage können rechtspolitisch weitreichende Konsequenzen verbunden sein. 27

Deutlich K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (193): „Von weit größerer, für das Gesellschaftsrecht sogar ausschließlicher Bedeutung sind die sich aus den Insolvenzeröffnungsgründen ergebenden Geschäftsleiterpflichten“. Ähnlich im Grundsätzlichen Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 17 ff., der als doppelte Aufgabenstellung eines Unternehmensinsolvenzrechts Maximierung des haftenden Schuldnervermögens und Anreize für ein effizientes Unternehmensmanagement formuliert, sowie Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 135 ff. 28 Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 1; vgl. auch in allgemeinerem Kontext Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 479. 29 Diese Doppelfunktion der Insolvenzeröffnungsgründe betont auch R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 120 f.; vgl. auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 141; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO § 19 Rn. 4 sowie Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 68 mit dem Fazit, dass „die Eröffnungsgründe […] damit zu einem zentralen Baustein des insolvenzrechtlichen Gläubigerschutzes [avancieren]“.

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Stimmen beide Zeitpunkte nicht überein, ist unter Effizienzgesichtspunkten möglicherweise zu fordern, einen von der Insolvenzantragspflicht losgelösten Haftungstatbestand zu installieren. b) Insolvenzgründe als Terminierungsregeln In ihrer Funktion als Terminierungsregeln bezwecken die Insolvenzeröffnungsgründe einen Eingriff in die Leitungsbefugnisse der Gesellschaft30. Gesellschafter und Geschäftsführer müssen die „Verantwortung für ihr Unternehmen von Rechts wegen abgeben und in die Hände des Gerichts, des Insolvenzverwalters und der Gläubiger überführen“31. Die Kontrolle über das Unternehmen geht von den Gesellschaftern auf die Gläubiger über32. Grundsätzlich existieren zwei Möglichkeiten, diesen Übergang der Verfügungsrechte zu rechtfertigen. Statisch lässt er sich legitimieren durch die Überlegung, dass anderenfalls ein Verteilungskonflikt unter den Gläubigern droht33. Zur Vermeidung eines Verteilungskonfliktes bedürfte es allerdings keiner Übertragung der Verfügungsrechte auf die Gläubiger, ausreichend wäre bereits eine verbindliche Anweisung an die Schuldnergesellschaft, Gläubiger nur quotal zu befriedigen. Alternativ kann man den Übergang der Verfügungsrechte dynamisch legitimiert sehen dadurch, dass ab einer bestimmten Zuspitzung einer Krise die Weiterführung des Unternehmens primär die Belange der Gläubiger betrifft und sich deshalb ihre vermögensmäßige Betroffenheit durchsetzt gegen die sachenrechtliche Zuordnung bzw. die globale unternehmensbezogene Leitungsmacht von Gesellschaftern und Geschäftsführern34. Als Reaktion auf die damit verbundene Revision des Anreizsystems wird den Gläubigern die Entscheidungsgewalt über die Ressourcen der Gesellschaft zugewiesen. Besonders drastisch illustriert wird die Notwendigkeit dieses Übergangs der Verfügungsrechte durch das Unterinvestitionsproblem. Gesellschafter und Geschäftsleitung haben keinerlei Anreiz, unter den Voraussetzungen der Unterinvestition aussichtsreiche Investitionsprojekte zu realisieren. Anderes gilt für die Gläubiger, denen der gesamte mit dem Investitionsprojekt verbundene Zahlungsstrom zu Gute kommen würde. Wird den Gläubigern in dieser Situation die 30

Vgl. Penzlin, NZG 1999, 1203 (1204); Drukarczyk, ZGR 1979, 553 (574 ff.). Lutter, ZIP 1999, 641 (641); vgl. auch Burger, DB 1992, 2149 (2149); Haas/Müller, Bilanzierungsprobleme bei der Erstellung eines Überschuldungsstatus, 1799 (1815); Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 44; Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 136; Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 427 ff. 32 Vgl. Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (414); Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/ Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 135. 33 So etwa Haas/Müller, Bilanzierungsprobleme bei der Erstellung eines Überschuldungsstatus, 1799 (1815); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 19; ähnlich auch Fischer, DB 1981, 1345 (1345). 34 Vgl. Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (414); in diese Richtung wohl auch Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 19. 31

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Verfügungsmacht zugesprochen, wird das Projekt mit positivem Nettogegenwartswert durchgeführt und die Befriedigungschancen der Gläubiger steigen. Diese grundsätzliche Funktion der Insolvenztatbestände wird durch das neugeschaffene Instrument des Insolvenzplanverfahrens nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr bestätigt. Der Insolvenzplan ist Instrument der Gläubiger-, nicht der Gesellschafterautonomie35. Indem die Insolvenzordnung neben die Liquidation ein staatliches Reorganisationsverfahren stellt, über dessen Eröffnung die Gläubiger im Berichtstermin entscheiden (§§ 29, 156 ff. InsO), vervollständigt sie den Umfang des mit der Verfahrenseröffnung verbundenen Übergangs der Verfügungsrechte von der Gesellschaft auf die Gläubiger36. Erst sie ermöglicht die Fortführung des Geschäftsbetriebes im Gläubigerinteresse in Unterinvestitionssituationen. Die Funktion als Terminierungsregeln stellt spezifische Anforderungen an die Insolvenzeröffnungsgründe. Der Übergang der Verfügungsrechte als einschneidende Rechtsfolge für die Schuldnergesellschaft muss geknüpft werden an eine Situation, in der dies notwendig und angemessen erscheint. Gefordert wird deshalb, dass (1) durch die Insolvenzeröffnungsgründe eine erhebliche Gefährdung der Gläubiger angezeigt wird, (2) dass mit ihnen keine Verwertungsform präjudiziert wird und (3) dass sie als Terminierungsregel beobachtbar und justitiabel sind37. Die Bedeutung der Beobachtbarkeit ergibt sich dabei nicht allein aus dem Interesse der Geschäftsleitung, ihrer Insolvenzantragspflicht nachkommen zu können, sondern auch aus dem der Gläubiger, ihrerseits von einem ihnen eingeräumten Antragsrecht (§ 14 InsO) Gebrauch machen zu können38. c) Insolvenzgründe als Auslöser der Insolvenzverschleppungshaftung Soweit man den Übergang der Verfügungsrechte auf die Gläubiger dynamisch legitimiert durch die u. a. anderenfalls bestehende Unterinvestitionsproblematik, wird damit gleichzeitig ein Beitrag zur Minderung opportunistischen Verhaltens gesetzt. Ein Übergang der Verfügungsrechte kann jedoch richtigerweise erst dann gerechtfertigt werden, wenn die Gläubiger unabhängig von der durch die Schuldnerin gewählten Handlungsoption als residuale Risikoträger angesehen werden können.

35 Vgl. K. Schmidt, ZGR 1998, 633 (648 f.); Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 74 f.; vgl. auch Jaffé, ZGR 2010, 248 (251): „[…] Unternehmenssanierung ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel der Gläubigerbefriedigung“. 36 Vgl. etwa Burger/Schellberg, ZfB 65 (1995), 411 (413). 37 Drukarczyk, WM 1994, 1737 (1738); vgl. auch Burger, DB 1992, 2149 (2149); ders./ Schellberg, BB 1995, 261 (262); ders./Buchhart, AG 2000, 412 (416); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 20. 38 Vgl. Haas/Müller, Bilanzierungsprobleme bei der Erstellung eines Überschuldungsstatus, 1799 (1836); Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 79.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Mit Blick auf die Aufgabe der Insolvenzverschleppungshaftung als Haftungstatbestand gegen opportunistisches Verhalten ergibt sich daraus ein latenter Zielkonflikt. Allgemein lässt sich zwar bereits vorab konstatieren, dass, wenn das Insolvenzrecht den Übergang der Verfügungsrechte an Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung knüpft, damit selbstverständlich Zeitpunkte im Leben der Gesellschaft/Unternehmung beschrieben sind, in denen Anteilseigner und Geschäftsführung wenig oder nichts zu verlieren haben, so dass die krisenbedingte Verstärkung der Anreize zum Moral Hazard gegeben ist39. Der umgekehrte Befund, dass Moral Hazard erst bei negativem Nettoaktivvermögen der Gesellschaft und Zahlungsunfähigkeit auftreten würde, ist hingegen unzutreffend. Anreize zu claim dilution bestehen über den gesamten Lebenszyklus der Gesellschaft und verschärfen sich mit abnehmendem Gesellschaftsvermögen. Vergleichbar wachsen Überinvestitionsanreize mit abnehmender finanzieller Betroffenheit der Gesellschafter. Das Ziel einer treffgenauen Ansprache der krisenbedingten Fehlanreize streitet somit für eine besonders zeitige Auslösung eines hierauf antwortenden Pflichtenprogramms. Im Folgenden sind deshalb Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung auch darauf zu untersuchen, inwieweit sie einen Zeitpunkt kennzeichnen, in dem die Fehlanreize zu einer Spekulation auf Kosten der Gläubiger virulent werden. d) Zahlungsunfähigkeit aa) Zahlungsunfähigkeit als Terminierungsregel Allgemeiner Eröffnungsgrund ist gemäß § 17 InsO die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners40. Unter ökonomischen Gesichtspunkten gilt es zunächst zu klären, weshalb Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners die drakonische Rechtsfolge eines Insolvenzverfahrens nach sich ziehen muss. Zahlungsunfähigkeit in einem natürlichen Sinne, verstanden als ein Übergewicht der fälligen Verbindlichkeiten über die zur Verfügung stehenden liquiden Mittel in einem Zeitpunkt x41, enthält isoliert betrachtet keine Aussage über die Fähigkeit der Gesellschaft, im Ernstfall der Liquidation ihre Verbindlichkeiten befriedigen zu können42. Sie kann vielmehr auch Folge einer bloßen fehlerhaften Synchronisierung von Ein- und Auszahlungen sein mit der Konsequenz, dass hinreichende Mittel zur Forderungsbefriedigung zur Verfügung stehen – nur nicht zeitnah. Unternehmensendogene Ursache derart fehlerhafter Synchronisierung kann etwa ein unkoordiniertes Finanzmanagement sein, während als exogener Faktor häufig ein verzögerter Eingang von Außenständen in

39

Vgl. Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, S. 428. Vgl. Bußhardt, in: Braun, InsO, § 17 Rn. 1; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 17 Rn. 1; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 16 Rn. 4; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 301. 41 Zur strikten Zeitpunktilliquidität vgl. Papke, DB 1969, 735 (735). 42 Vgl. auch Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1049 f.). 40

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

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Betracht kommen wird43. Eine solche temporäre Inkongruenz von Ein- und Auszahlungen gefährdet für sich nicht den Anspruch der Gläubiger auf eine letztendlich erfolgende Befriedigung ihres Forderungsvolumens. Diese erfolgt in dem Moment, in dem die Einzahlungen die Auszahlungen wieder übertreffen. Auch gegen die mit der verspätet erfolgenden Befriedigung verbundenen Opportunitätskosten sind die Gläubiger durch das Institut des Verzugsschadens gesichert. Letzteres gilt selbst für den Fiskus, der vor negativen Diskontierungseffekten durch die von der Gesellschaft zu entrichtenden Säumniszuschläge nach § 62 S. 2 AO geschützt ist44. Die Bedeutung des Insolvenztatbestandes Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund ergibt sich vielmehr aus seiner Funktion als Indikator für die (ceteris paribus) fehlende Lebensfähigkeit der Schuldnergesellschaft45. Eine bestehende Zahlungsunfähigkeit ist nicht nur Ausdruck aktueller, sondern auch Anzeichen künftiger Unfähigkeit, die Ansprüche der Gläubiger zu befriedigen46. Theoretischer Hintergrund dieser Indikatorfunktion ist der Vergleich mit Finanzierungsentscheidungen auf einem perfekten Kapitalmarkt. Wesentliches Kennzeichen eines perfekten Kapitalmarktes ist seine Vollständigkeit. Vollständigkeit im finanzierungstheoretischen Sinne bedeutet, dass für alle denkbaren Zeitpunkte im Leben der Unternehmung Wertpapiere existieren, die Anspruch auf genau eine Geldeinheit in jeweils einem Zustand verbriefen, so genannte elementare Wertpapiere (auch Arrow-Zertifikate oder primitive securities). Legt man einen Betrachtungszeitraum von 3 Perioden zu Grunde, bedeutet dies, dass am Kapitalmarkt folgende Wertpapiere an- und verkauft werden können (Zinseffekte bleiben ausgeblendet): t=0

t=1

t=2

Wertpapier 1

1

0

0

Wertpapier 2

0

1

0

Wertpapier 3

0

0

1

Unter dieser Voraussetzung kann jeder Zahlungsstrom verstanden werden als Komposition elementarer Wertpapiere (composite securities)47. Eine Unternehmung, die in jedem Zeitpunkt einen Einzahlungsüberschuss in Höhe von 100 Einheiten erwirtschaftet, lässt sich etwa darstellen als Komposition aus jeweils hundert elementaren Wertpapieren der Klassen 1 – 3. Die Existenz eines in diesem Sinne vollständigen Kapitalmarkts erlaubt es einer Schuldnergesellschaft, einen Zahlungsstrom, der durch ihre zukünftige Tätigkeit 43 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 17 Rn. 2; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 21; Burger/Schellberg, BB 1995, 261 (263); Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 109. 44 Vgl. hierzu Müller, GmbHR 2003, 389 (389 ff.). 45 Vgl. Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (414). 46 Vgl. Hözle, ZIP 2006, 101 (103); Papke, DB 1969, 735 (735); Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 23; R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 108 ff. 47 Vgl. R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 104 ff.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

generiert wird, in kapitalwertgleiche Zahlungsströme anderer Fälligkeit zu transformieren. Sind künftige Einzahlungsüberschüsse der augenblicklich zahlungsunfähigen Gesellschaft hinreichend wahrscheinlich, wird sie den aus ihrer unternehmerischen Tätigkeit herrührenden positiven Zahlungsstrom bei einem Kapitalmarktakteur gegen einen solchen mit gleichem Barwert, aber zeitnäherer Auszahlungsstruktur eintauschen können. Bei positiver Zukunftsprognose wird durch diese Umschichtung die Fähigkeit der Gesellschaft zur Begleichung ihrer fälligen Verbindlichkeit im Fälligkeitszeitpunkt wiederhergestellt. Eine beispielhafte Gesellschaft mit einem Zahlungsstrom von (10/-100/200) in den Zeitpunkten t = 1 – 3 ist zwar in t = 2 nicht in der Lage, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen, sie besitzt jedoch die Möglichkeit, am Kapitalmarkt Einzahlungsüberschüsse aus t = 3 in Höhe von 90 gegen elementare Wertpapiere, die im Zeitpunkt t = 2 eine Auszahlung von 90 generieren, zu tauschen und hierdurch die Liquiditätskrise zu überwinden. Verweigert hingegen der Kreditmarkt der in eine Zahlungskrise geratenen Gesellschaft die Aufnahme weiterer Fremdmittel, gibt er damit seinen durch den Marktmechanismus objektivierten Erwartungen bezüglich der künftigen Profitabilität des Unternehmens Ausdruck48. Der Kreditmarkt geht dann nicht davon aus, dass die Gesellschaft in Zukunft positive Einzahlungsüberschüsse generieren wird. Dass das Gesetz damit faktisch dem Urteil des Kreditmarktes eine Richtigkeitsgewähr unterstellt, erscheint aufgrund der Professionalisierung der Akteure sowie ihrer ständigen Selektion über den Marktprozess vertretbar, unter Berücksichtigung des Fehlens alternativer praktisch verwertbarer Bewertungsmaßstäbe sogar zwingend. Das dahinter stehende Kalkül umschreiben Baird und Jackson plastisch, dass „an inability to persuade anyone – other than a bankruptcy judge – that the firm should stay alive seems good evidence that it should not“49. Solange der Marktwert der Unternehmung bei Fortführung V(F) größer ist als der Marktwert ihrer Schulden V(D), besteht also kein grundlegender Abwicklungs- oder Reorganisationsbedarf50, weil sich über den Kapitalmarkt die Fristigkeit von Einzahlungsüberschüssen und Verbindlichkeiten synchronisieren lässt. In einer idealen Welt ohne Transaktions- und Informationskosten würde sich die zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit notwendige Transformation von Zahlungsströmen in Sekundenbruchteilen vollziehen. Jede in einem Zeitpunkt x zu beobachtende Zahlungsunfähigkeit wäre dann Ausdruck der Tatsache, dass der Barwert der künftigen Zahlungsströme unter dem Barwert der aktuellen Verbindlichkeiten liegt. Aufgrund real existierender Transaktionshindernisse gelingt diese Transformation von Zahlungsströmen jedoch einerseits nur unvollständig und bedarf andererseits nicht unerheblicher Zeit. Unter Berücksichtigung dieser Erschwernisse muss ein praxistauglicher Insolvenztatbestand geeignet sein, aufzuzeigen, dass „eine 48 Vgl. hierzu auch Drukarczyk/Schüler, Die Eröffnungsgründe der Insolvenzordnung, 95 (107); Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 23 f. 49 Baird/Jackson, U. Chi. L. Rev. 51 (1985), 97 (128). 50 Vgl. R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 112 ff.

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Unternehmung [nicht nur] kein Geld hat, um ihre fälligen Forderungen zu erfüllen, sondern dass sie auch kein Geld beschaffen kann“51. Als Eröffnungsgrund muss Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne folglich sicherstellen, dass eine Bewertung der künftigen Ein- und Auszahlungen der Gesellschaft durch den Markt überhaupt stattfinden kann. Anderenfalls würden Unternehmen, die aufgrund hoher positiver (erwarteter) Einzahlungsüberschüsse eine vorübergehende Zeitpunktilliquidität durch Kreditaufnahme beseitigen könnten, ohne Not vom Markt genommen52. Nur begrenzte Abhilfe schafft diesbezüglich die Einführung eines einheitlichen Insolvenzverfahrens, welches die einseitige Fokussierung des alten Rechts auf die Liquidation zumindest partiell beseitigt hat. Die Einleitung eines staatlichen Reorganisationsverfahrens ist regelmäßig mit erheblichen Good-Will-Verlusten verbunden, die mit der Zerschlagung eigentlich lebensfähiger Unternehmen einhergeht53. Eine Verfahrensauslösung zu einem Zeitpunkt, in dem die Schuldnerin durch den Kreditmarkt Mittel zur Überwindung der Zeitpunkt-Illiquidität zur Verfügung gestellt bekommen hätte, ist damit volkswirtschaftlich zumindest mit dem Verlust der entsprechenden Good-Will-Positionen verbunden. Als Eröffnungsgrund muss Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne somit in einer Weise definiert werden, dass einerseits bei notwendigem Reorganisations- oder Abwicklungsbedarf eine Pflicht zur Verfahrenseröffnung besteht, während gleichzeitig vorübergehende Zahlungsengpässe, die nicht in der mangelnden Ertragskraft der Gesellschaft wurzeln, nicht zu einer Werte vernichtenden Eröffnung des Regelverfahrens führen sollten. bb) Zahlungsunfähigkeit als Moment of Truth Auch für eine auf dem Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit aufbauende Krisenhaftung gilt es, die Möglichkeit, künftige Erträge in Liquidität heute zu transformieren, zu berücksichtigen. Eine vorübergehende Illiquidität geht dann nicht mit einer Gefährdung der Gläubigerpositionen einher, wenn gleichzeitig relevante Vermögenspositionen der Gesellschaft(er) zur Disposition stehen. Bei hinreichend großem Nettogegenwartswert ist eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger irrational. Unter diesen Voraussetzungen bedarf es keiner Haftungssanktion zum Schutz der Gläubiger, weil Gesellschafter und Geschäftsleiter ein genuines Interesse besitzen, die erwarteten zukünftigen Erträge nicht durch eine überriskante Unternehmenspolitik heute zu gefährden. 51

R. H. Schmidt, ZfB 54 (1984), 717 (720 f.); vgl. auch ders., Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 114; ähnlich Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 316. 52 Diese Gefahr wird auch in der Rechtswissenschaft generell anerkannt, vgl. etwa Müller, GmbHR 2003, 389 (391); Penzlin, NZG 1999, 1203 (1207). Tendenziell a.A. Fischel, Yale L. J. 99 (1989), 131 (150), wobei allerdings die Besonderheiten des US-amerikanischen bankruptcy codes zu berücksichtigen sind. 53 Vgl. Penzlin, NZG 1999, 1203 (1207); die Bedeutung stiller Sanierung betonend etwa auch Hommelhoff, ZfB 54 (1984), 699 (704 f.); Davies, EBOR 7 (2006), 301 (314); Bales, NZI 2008, 216 (216 ff.); anders hingegen Vonnemann, BB 1991, 867 (868), der keine zwingenden Gründe für eine außerhalb des Regelverfahrens erfolgende Sanierung anerkennt.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Andererseits ist mit Zahlungsunfähigkeit auch nicht treffend der Zeitpunkt beschrieben, ab dem bei Fehlen eines positiven Nettogegenwartswerts die Revision des Anreizsystems auftritt. Hier greift Zahlungsunfähigkeit bereits ihrer theoretischen Struktur nach zu spät ein. Die Liquidität der Gesellschaft wird auf einem vollständigen Kapitalmarkt erst dann eingeschränkt, wenn der Nettogegenwartswert der Zahlungseingänge durch Umfeldveränderungen54 unter den der Zahlungsverpflichtungen sinkt. Krisenbedingte Fehlanreize ihrerseits setzen jedoch nur voraus, dass das Verhältnis von Zahlungsein- und ausgängen aus Gesellschaftersicht hinreichend ungünstig ist. Geringe zu erwartende Einzahlungsüberschüsse vermögen in einem Regime beschränkter Haftung nicht von der Durchführung spekulativer Projekte abzuhalten. Zusätzliches Problem der Praxis ist, dass reale Kredit- und Kapitalmärkte aufgrund bestehender Friktionen die Aufrechterhaltung der Liquidität der Gesellschaft in Anamnese ihrer fehlenden Profitabilität nicht sofort unterbinden können. Kreditlinien sind wegen vertraglicher und gesetzlicher Beschränkungen nicht ohne Weiteres sofort kündbar, so dass selbst bei entsprechender Kenntnis des Kreditgebers der sofortige Abzug der Mittel bzw. der Widerruf noch offener Kreditlinien nicht möglich ist. Die der Schuldnerin bereits überlassenen Mittel, die als Fremdmittel für Gesellschafter und Geschäftsleitung keine zu berücksichtigenden Positionen darstellen, können während dieses Zeitraums für eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger verwendet werden. Zusätzliche Zweifel an der Eignung der Zahlungsunfähigkeit im ökonomischen Sinne als Haftungsbeginn ergeben sich unter Berücksichtigung der grundsätzlich asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Schuldnergesellschaft und ihren Gläubigern. Selbst bei bestehenden Kreditkündigungsrechten sind die Vertragsgläubiger aufgrund fehlender Information nicht in der Lage, die ausgereichten Mittel zeitnah abzuziehen und der Schuldnergesellschaft damit ihre finanzwirtschaftliche Basis zu entziehen. Sie stehen damit der sich möglicherweise opportunistisch verhaltenden Geschäftsleitung der Schuldnerin weiter zur Verfügung. Während für die Zahlungsunfähigkeit als Terminierungsregel gelten muss, dass sie sich maßgeblich am Nettogegenwartswert der Unternehmung zu orientieren hat, streitet ihre Funktion als haftungsauslösender Zeitpunkt grundsätzlich für eine extensive Interpretation, die weit vor Überschreiten der tatsächlichen Nulllinie einsetzt. cc) Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO Diesen multiplen Erwartungen, die an den Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit herangetragen werden, versucht seit der Insolvenzrechtsreform § 17 InsO gerecht zu werden. Vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 01. 01. 1999 wurde Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne verstanden als das auf einem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende (voraussichtliche) dauernde Unvermögen des Schuldners, seine sofort zu 54 Eigentlich dürften bei vollständiger Voraussicht und Fehlen von Transaktionskosten keine Unternehmen mit negativem Nettogegenwartswert bestehen, da bereits niemand zur Finanzierung dieser Unternehmen bereit wäre bzw. sein Kapital sofort abziehen würde.

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erfüllenden Geldschulden im Wesentlichen zu berichtigen55. Die neu eingefügte Legaldefinition des § 17 Abs. 2 S. 2 InsO weicht hiervon ab, indem sie den Schuldner dann für zahlungsunfähig erklärt, „wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen“. Diese sehr allgemein gehaltene und damit interpretationsoffene Definition ist seitdem von Wissenschaft und Rechtsprechung präzisiert worden. (1) Zahlungspflichten Wesentlich für die Bestimmung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit ist zunächst, welche Positionen unter dem Begriff der Zahlungspflichten erfasst werden. Zahlungspflichten sind alle persönlichen Verbindlichkeiten des Schuldners im Sinne des zweiten Abschnitts des achten Buchs der ZPO (§§ 803 ff. ZPO)56. Andere Verbindlichkeiten, etwa aus Warenlieferung und Werkleistung, sind für die Zahlungsunfähigkeit erst dann maßgeblich, wenn sie sich in eine Zahlungspflicht umgewandelt haben57. Auf die Liquidierbarkeit von Vermögensgegenständen kommt es somit nicht an, Zahlungsunfähigkeit im Sinne der InsO ist immer Geldilliquidität58. Berücksichtigungsfähig sind allein fällige Zahlungspflichten i.S.v. § 271 BGB59. Nicht fällige Zahlungspflichten werden ausschließlich im Rahmen des fakultativen Eröffnungsgrunds der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) erfasst. Für die Insolvenzverschleppungshaftung als Instrument zur Abschwächung der krisenbedingten Revision des Anreizsystems ist dies nicht unproblematisch. Ergibt eine Zahlungsfähigkeitsprognose, dass die Gesellschaft das Stadium der Zahlungsunfähigkeit mittelfristig erreichen wird, weil sie nicht in der Lage sein wird, Einzahlungsüberschüsse zu erzielen, liegt genau die Situation vor, in der das Vermögen der Gesellschaft weitgehend aufgezehrt ist und die künftige Ertragslage keine Aussicht 55 RG, Urt. v. 17. 12. 1901 – III 411/01, RGZ 50, 39 (41); BGH, Urt. v. 5. 11. 1956 – III ZR 139/55, WM 1957, 67 (68); BGH, Urt. v. 11. 10. 1961 – VIII ZR 113/60, NJW 1962, 102 (103); BGH, Urt. v. 30. 04. 1992 – IX ZR 176/91, NJW 1992, 1960 (1960); BGH, Urt. v. 24. 05. 2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426 (1427); BayObLG, Urt. v. 20. 2. 1997 – 5 St RR 159/96, WiB 1997, 810 (811); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16. 10. 1987 – 5 Ss 193/87, NJW 1988, 3166 (3167); vgl. Bork, KTS 2005, 1 (1); Burger, DB 1992, 2149 (2149); Fischer, GmbHG, 10. Aufl., § 64 Nr. 1; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 45; Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 137; Jäger, DB 1986, 1441 (1441 ff.); Bußhardt, in: Braun, InsO, § 17 Rn. 2; Papke, DB 1969, 735 (735 f.); Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 17 Rn. 12; Pribilla, KTS 1958, 1 (1). 56 Vgl. Kirchhof, in: HeidelbergerKommInsO, § 17 Rn. 6; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 302. 57 Vgl. Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 302; Krieger/Sailer, in: Schmidt/ Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 4; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, § 17 Rn. 10. 58 Vgl. Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 8; Bremen, in: GrafSchlicker, InsO, § 17 Rn. 10; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 320 f.; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 7. 59 Vgl. BGH, Beschl. v. 29. 11. 2007 – IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281 (282); H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, 2011, § 64 Rn. 10; Eichenberger, in: MünchKommInsO, § 17 Rn. 7; Hözle, ZIP 2006, 101 (101).

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auf Besserung verspricht. Konsequenz ist die Genese der beschriebenen Fehlanreize. Bereits durch die Beschränkung auf fällige Zahlungspflichten greift die Zahlungsunfähigkeit als haftungsauslösender Zeitpunkt tendenziell zu spät ein, um die Geschäftsleiter wirksam an opportunistischem Verhalten auf Kosten der Gläubiger zu hindern. (2) Zahlungseinstellung Nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO ist Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen bei Zahlungseinstellung. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO begründet eine widerlegliche Vermutung für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit60. Zahlungseinstellung wiederum liegt vor, wenn die nicht nur vorübergehende und auf Geldmangel beruhende Unfähigkeit zur Erfüllung der fälligen Zahlungspflichten in der Weise nach außen kundgetan ist, dass sie zumindest für die beteiligten Verkehrskreise erkennbar wird61. Im Gegensatz zur Zahlungsunfähigkeit stellt sie keine wirtschaftliche Kategorie dar, sondern ein nach außen in Erscheinung tretendes faktisches Verhalten62. Umstände, die allein oder u. a. den Rückschluss auf eine Zahlungseinstellung erlauben, sind etwa die Aufgabe des schuldnerischen Geschäftsbetriebs, wenn Löhne, Gehälter, Betriebskosten, insbesondere Energielieferungen, Sozialabgaben und Steuern, Versicherungsprämien oder angemahnte größere Geldschulden nicht beglichen werden oder sich Zahlungsklagen, Vollstreckungsmaßmaßnahmen und Wechsel- oder Vollstreckungsproteste häufen63. Auch Erklärungen des Schuldners, eine fällige Verbindlichkeit nicht begleichen zu können, deuten auf eine Zahlungseinstellung hin, wenn sie gleichzeitig mit einer Stundungsbitte versehen sind64. Gleiches gilt für den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung65. Der Annahme einer Zahlungseinstellung steht 60

BGH, Urt. v. 12. 10. 2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 (2223); vgl. Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 10; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 29; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 45. 61 BGH, Urt. v. 12. 10. 2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 (2223); BGH, Urt. v. 27. 4. 1995 – IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929 (930); BGH, Urt. v. 30. 4. 1992 – IX ZR 176/91, NJW 1992, 1960 (1960); BGH, Urt. v. 24. 1. 2012 – II ZR 119/10, ZIP 2012, 723 (724); BGH, Urt. v. 19. 6. 2012 – II ZR 2343/11, ZIP 2012, 1557 (1559). Vgl. Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 10; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 17 Rn. 17 ff.; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 29; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 40; Fischer, ZGR 2006, 403 (409); vgl. auch Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 4. 62 Vgl. Bußhardt, in: Braun, InsO, § 17 Rn. 31; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 17 Rn. 24; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 17 Rn. 26 f.; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 92 Rn. 52 f.; Hölzle, ZIP 2007, 613 (617). 63 Vgl. Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 10; Hess, in: Hess, InsO, § 17 Rn. 34; Eilenberger, in: MünchKommInsO, § 17 Rn. 29; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 17 Rn. 18; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 31; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 40; vgl. Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 324 m.w.N. 64 BGH, Urt. 12. 10. 2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 (2223); Gehrlein, in: Gehrlein/ Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 10; Hölzle, ZIP 2007, 613 (617 f.). 65 BGH, Urt. v. 19. 6. 2012 – II ZR 2343/11, ZIP 2012, 1557 (1559).

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nicht entgegen, dass kleinere Forderungen noch bedient werden66. Zu prüfen ist, ob das Ausbleiben der Zahlung die Regel oder die Ausnahme darstellt67. Die Bedeutung der Zahlungseinstellung im faktischen Bereich muss darin gesehen werden, dass sie den Zeitpunkt umschreibt, in dem auch nicht anpassungsfähige Gläubiger die Möglichkeit zur Ausübung ihres Antragsrechts haben. Der Gläubiger kann hiermit den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erkennen ohne die ansonsten notwendige Auswertung der Geschäftsunterlagen der Gesellschaft68. Problematisch ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass die Zahlungseinstellung den letzten Moment in einer Entwicklung darstellt, in der sich die Liquiditätskrise verfestigt69. Die zwischen Schuldnergesellschaft und Gläubigern bestehende Informationsasymmetrie bezüglich der finanzwirtschaftlichen Lage der Gesellschaft wird gerade nicht aufgehoben. Informationsökonomisch umschreibt Zahlungseinstellung den Zeitpunkt, in dem der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, sein überlegenes Wissen bezüglich der finanzwirtschaftlichen Lage seiner Gesellschaft vor Dritten geheim zu halten. Damit kommen sowohl die Verfahrungseröffnung wie auch die Haftung im Zeitpunkt der Zahlungseinstellung zu spät. Ihre Bedeutung erschöpft sich darin, dass sie einen letzten Zeitpunkt darstellt, in dem die Gläubiger auch faktisch in der Lage sind, den Übergang der Verfügungsrechte herbeizuführen und damit unter Umständen vermeiden können, dass noch weiteres Gesellschaftsvermögen verwirtschaftet wird. (3) Zahlungsstockung Von der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO zu trennen ist eine bloße Zahlungsstockung70. Grundsätzlich ist hierunter ein Zustand nur vorüberge66 BGH, Urt. v. 27. 4. 1995 –IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929 (930); noch weiter BGH, Urt. v. 19. 6. 2012 – II ZR 2343/11, ZIP 2012, 1557 (155): tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten ausreichend; vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 17 Rn. 29; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 46 f.; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 29 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 52. 67 Vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 47; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 10: geleistete Zahlungen dürfen nicht den wesentlichen Anteil der fälligen Zahlungspflichten ausmachen. 68 Vgl. Fischer, ZGR 2006, 403 (409); vgl. auch Eilenberger, in: MünchKommInsO, § 17 Rn. 27 ff. 69 Vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 47. 70 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 17 Rn. 2; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 17 Rn. 9 f.; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 17 Rn. 8; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 8; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 17; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 8; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 21; Krieger/ Sailer, in Schmidt/Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 4; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 19; Blöse, GmbHR 2005, 832 (833); Bork, KTS 2005, 1 (6); Burger, DB 1992, 2149 (2150); ders./Schellberg, BB 1995, 261 (262); Fischer, ZGR 2006, 403 (405); ders., NZI 2006, 313 (313); Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 306; Hölzle, ZIP 2007, 613 (614); Lutter, GmbHR 1997, 329 (331); kritisch allerdings Meyer-Cording, ZIP 1989, 485 (487).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

hender Illiquidität zu verstehen, der innerhalb eines Zeitraums überwindbar erscheint, während dessen nach den Erfahrungen des Verkehrs ein Stillhalten der Gläubiger erwartet werden kann71. Versteht man den Insolvenzeröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit als Rückgriff des Gesetzgebers auf die Bewertung der Ertragsfähigkeit der Gesellschaft durch den Kreditmarkt, folgt daraus, dass den realen Gegebenheiten des Kreditmarktes Rechnung getragen werden muss. In der modelltheoretischen Idealwelt perfekter Kapitalmärkte würde die beschriebene Transformation künftiger Zahlungsströme innerhalb von nicht messbaren Bruchteilen von Sekunden vollzogen mit der Konsequenz, dass jede nicht sofort beseitigte Illiquidität Ausweis fehlender Überlebensfähigkeit der Gesellschaft wäre. Reale Märkte kennzeichnende Friktionen verbieten jedoch die Generalisierung dieses Rückschlusses von Zeitpunkt-Illiquidität auf den Nettogegenwartswert der Gesellschaft. Selbst bei hinreichend belastbaren günstigen Prognosen, die einen professionellen Kreditgeber ohne weiteres zur Bereitstellung von Liquidität veranlassen würden, fallen in Zeit darstellbare Such-, Anbahnungs- und Abschlusskosten an. Um diese Unternehmen nicht vom Markt zu nehmen oder doch zumindest nicht ihren Good Will durch Eröffnung eines staatlichen Reorganisationsverfahren zu beeinträchtigen, muss der Rechtsbegriff der Zahlungsunfähigkeit eine Zeitkomponente beinhalten, die der Schuldnergesellschaft den Abschluss eines Finanzierungskontraktes zur Partentransformation ermöglicht72. Die Freistellung einer Zahlungsstockung von der Insolvenzantragpflicht lässt sich somit auch unter einer an den Gegebenheiten der Realität orientierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise rechtfertigen. Ein Wechsel der Verfügungsrechte ist in dieser Situation nicht angezeigt. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Notwendigkeit, Verhandlungen zu führen, nicht zu einer uferlosen Auslegung des Merkmals der Zahlungsstockung führen darf. Das Ziel einer rechtzeitigen Verfahrenseröffnung würde anderenfalls gefährdet73. Zu beantworten bleibt damit die für die Praxis entscheidende Frage, wann noch Zahlungsstockung und wann schon Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Erste hierbei zu beachtende Determinante ist der Wille des Gesetzgebers, der in der Legaldefinition des § 17 InsO ausdrücklich auf das Merkmal der Dauerhaftigkeit verzichtet hat74. Intention war auch hier, eine Vorverlagerung der Insolvenzeröffnung zu erreichen, die nicht dadurch in der Praxis konterkariert werden darf, dass eine längere Zeit bestehende Illiquidität (über Wochen oder Monate) als reine Zahlungsstockung

71 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 53; Mertens/Cahn, in KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 8. 72 Vgl. Burger/Schellberg, BB 1995, 261 (262); gleichsinnig aus juristischer Sicht Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 11. 73 BGH, Urt. v. 24. 5. 2005 – IX Z 123/04, ZIP 2005, 1426 (1427). 74 Vgl. Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 17 Rn. 14; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 45.

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qualifiziert wird75. Die Ansichten darüber, wann innerhalb dieses durch den Gesetzgeber grob umschriebenen Rahmens genau von einer Zahlungsstockung auszugehen ist, divergieren erheblich. Das Spektrum vertretener Ansichten reicht von strengen Auffassungen, die die Restriktion der Zahlungsstockung gänzlich ablehnen76, über vermittelnde Meinungen, die zwei bis drei Wochen als Trennlinie erkennen77, bis hin zu extensiven Interpretationen des Begriffs der Zahlungsstockung, wonach diese – entsprechend der alten Dauerhaftigkeit – auch noch sechs Wochen nach Eintritt der Illiquidität vorliegen kann78. Alternativ wird sich gegen die Festlegung eines generellen Zeitraums ausgesprochen und eine Orientierung an den Umständen des Einzelfalls postuliert79. Mit Urteil vom 24. 05. 2005 hat der BGH diese Frage für die Praxis entschieden. Im ersten Leitsatz des Urteils heißt es: „Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber ausreichend“80. Indem der Bundesgerichtshof der Geschäftsleitung drei Wochen einräumt, die notwendigen Finanzmittel zu beschaffen, anerkennt er ausdrücklich die Notwendigkeit von zeitaufwendigen Verhandlungen81. Die Rechtsprechung sichert damit, dass es zu einem Wechsel der Verfügungsrechte erst kommt, nachdem der Markt die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft bewerten konnte. Inwieweit die Dreiwochenfrist tatsächlich den ökonomisch richtigen Zeitpunkt für den Übergang der Verfügungsrechte kennzeichnet, ist faktisch kaum zu 75 Vgl. hierzu Hess, in: Hess, InsO, § 17 Rn. 2; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. § 64 Rn. 5; Bork, KTS 2005, 1 (5 f.); Penzlin, NZG 1999, 1203 (1204). 76 So noch Ensthaler/Zech, in: Achilles/Ensthaler/Schmidt, GmbHG, 1. Aufl., § 64 Rn. 3; mittlerweile vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung aufgegeben, vgl. Zech, in: Ensthaler/Pfüller/Schmidt, GmbHG, § 64 Rn. 3 u. 26. 77 AG Köln, Beschl. v. 9. 6. 1999 – 73 IN 16/99, ZIP 1999, 1889 (1889); (zwei Wochen); Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, 16. Aufl., § 64 Rn. 7 (drei Wochen); Pape, in: Kübler/ Prütting, InsO, § 17 Rn. 11; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 17 Rn. 17 (Obergrenze von zwei Wochen); Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. § 17 Rn. 9; Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 49; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 46; ähnlich Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 38: jedenfalls bei einer über Wochen fortbestehenden Illiquidität ist deshalb stets Zahlungsunfähigkeit gegeben, und Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 46: drei, gegebenfalls auch vier Wochen. 78 Kamm/Köchling, ZInsO 2006, 732 (735); Penzlin, NZG 1999, 1203 (1208); aus dem älteren Schrifttum etwa Jäger, DB 1986, 1441 (1442). 79 Becker, Insolvenzrecht, S. 140. 80 BGH, Urt. v. 24. 05. 2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426 (1426); bestätigt in BGH, Urt. v. 12. 10. 2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 (2224); BGH, Beschl. v. 29. 11. 2007 – IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281 (282); BGH, Urt. v. 24. 1. 2012 – II ZR 119/10, ZIP 2012, 723 (725); vgl. auch Fischer, ZGR 2006, 403 (405 f.); ders., NZI 2006, 313 (313); dem folgend: Kirchhof, in Heidelberger Kommentar, InsO, § 17 Rn. 19; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 15. 81 BGH, Urt. v. 24. 05. 2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426 (1426); vgl. auch Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 17 Rn. 13 ff.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

beantworten82. Selbst empirische Untersuchungen helfen bei der Beantwortung dieser Frage wenig. In Abhängigkeit von Umfang, Branchenzugehörigkeit, Komplexität usw. der Einzelunternehmung kann der Umfang der benötigten liquiden Mittel und damit die Diffizilität der Verhandlungen erheblich variieren83. Zumindest kann dem Bundesgerichtshof dahingehend gefolgt werden, dass wenige Tage kaum ausreichen werden, um die notwendigen Verhandlungen durchzuführen. Gläubiger müssen ihre Ansprüche in einer Weise geltend machen, dass sich die Geschäftsleitung veranlasst sieht, die Beschaffung neuer Mittel einzuleiten. Es schließt sich die Ansprache der Hausbank oder eines anderen Kreditgebers an, die ihrerseits im Rahmen des Risikocontrollings die Validität der präsentierten Business- und Finanzplanung der Unternehmung zu prüfen haben. In der Folgezeit ist die Vertragsaufsetzung zu meistern, die ihrerseits eine gewisse Zeit beanspruchen wird, was sich nicht zuletzt daraus ergibt, dass der Kreditgeber aufgrund der existenzbedrohenden Krise an besonders sorgfältiger Beschreibung der Konditionen interessiert sein wird. Im Einzelfall kann deshalb selbst die eingeräumte Dreiwochenfrist in Abhängigkeit von Unternehmensgröße und der konkret zu schließenden Liquiditätslücke84 sowie unter Berücksichtigung der durch Basel II erhöhten formellen Anforderungen der Kreditaufnahme und dem damit verbundenen Zeitaufwand 85 nicht hinreichen, um die zur Rettung eines lebensfähigen Unternehmens notwendigen Maßnahmen durchzuführen. Insbesondere nimmt die neben Kreditaufnahme, Stundung und Erlass bestehende Möglichkeit der Liquiditätsbeschaffung durch eine Kapitalerhöhung – besonders bei Aktiengesellschaften – bereits aufgrund von Formvorschriften gegebenenfalls mehr als drei Wochen in Anspruch86. Dennoch wird man die Dreiwochenfrist als vertretbaren Ausgangspunkt rechtfertigen können. Zweifeln, die bezüglich der Länge der Frist bestehen, lässt sich zunächst entgegenhalten, dass der IX. Senat sich den Spielraum offen gehalten hat, auch bei einer drei Wochen überschreitenden Liquiditätsstörung ausnahmsweise eine Zahlungsstockung anzunehmen87. In Rechnung zu stellen ist darüber hinaus, dass neben dem Zeitfenster, das durch die Anerkennung einer Zahlungsunfähigkeit ausschließenden Zahlungsstockung eröffnet wird, der Geschäftsleitung für Sanierungsmaßnahmen gegebenenfalls die Dreiwochenfrist des § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a Abs. 1 InsO n.F. zur Verfügung steht – insgesamt also ein Zeitraum von maximal sechs Wochen88. Schließlich muss berücksichtigt werden, dass gerade dann, wenn sich 82

Die Möglichkeit der Ermittlung einer überzeugenden Wertrelation ebenfalls verneinend Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 308. 83 Kritisch bezüglich der Festlegung einer „solchen Faustregel“ K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (195 f.). 84 Kamm/Köchling, ZInsO 2006, 732 (735). 85 Kamm/Köchling, ZInsO 2006, 732 (735). 86 Kamm/Köchling, ZInsO 2006, 732 (735). 87 Vgl. Fischer, ZGR 2006, 403 (405 f.). 88 Nicht gefolgt werden kann dem Bundesgerichtshof allerdings, wenn er ausdrücklich die der Geschäftsleitung eingeräumte Dreiwochenfrist nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. in Bezug

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

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Kreditverhandlungen in die Länge ziehen, ein starkes Indiz dafür besteht, dass die potenziellen Fremdkapitalgeber starke Zweifel an der Überlebensfähigkeit besitzen. Anders muss die Würdigung der Dreiwochenfrist ausfallen, soweit die Funktion der Zahlungsunfähigkeit als haftungsauslösender Zeitpunkt betroffen ist. Gilt schon allgemein, dass die Zahlungsunfähigkeit tendenziell zu spät einsetzt, um opportunistischem Verhalten der Geschäftsleitung wirksam einen Riegel vorzuschieben, muss dies umso mehr für die zusätzlich eingeräumte Dreiwochenfrist gelten. Ist die Gesellschaft tatsächlich dauerhaft zahlungsunfähig, ist also nicht zu erwarten, dass Unternehmensinterne- oder externe sich zu einer weiteren Mittelüberlassung bereit erklären, ermöglicht die Dreiwochenfrist Geschäftsleitung und Gesellschaftern ein Zeitfenster in ebendiesem Umfang, in dem opportunistisches Verhalten haftungsrechtlich irrelevant ist. Das Spannungsfeld zwischen Terminierungs- und Haftungsregel löst die Rechtsbegrifflichkeit der Zahlungsstockung somit zu Gunsten ersterer. (4) Liquiditätslücken und Wesentlichkeit Zusätzliches Kriterium der Zahlungsunfähigkeit nach altem Recht war die Wesentlichkeit der nicht erfüllten Verbindlichkeiten89. Wie das Merkmal der Zahlungsstockung diente auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit dem Zwecke, Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne von unerheblichen Zahlungsproblemen abzugrenzen90. Das Erfordernis der Wesentlichkeit ist mit der Insolvenzrechtsreform weggefallen. Zahlungsunfähigkeit kann damit bereits dann vorliegen, wenn die Befriedigung auch nur eines Gläubigers nicht möglich ist91. nimmt (BGH, Urt. v. 24. 05. 2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426 (1428)). Nach Ansicht des BGH zeigt § 64 Abs. 1 GmbHG a.F., dass das Gesetz eine Ungewissheit über die Wiederherstellung der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft längstens drei Wochen hinzunehmen bereit sei (so auch Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 11). Dagegen wird zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beginn der Dreiwochenfrist gerade den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit voraussetzt (vgl. etwa Kamm/Köchling, ZInsO 2006, 732 (734); vgl. zur Kritik an der Bezugnahme auf die Drei-Wochen-Frist des § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. auch Haddick, ZGR 2006, 419 (419 f.); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 17. § 64 GmbHG a.F. trifft keine Aussage darüber, wie lange eine Ungewissheit über die Zahlungsunfähigkeit in Kauf genommen werden kann, sondern vielmehr darüber, wie lange das Gesetz trotz bestehender Zahlungsunfähigkeit von der Insolvenzantragspflicht abzusehen bereit ist, um die privatautonome Abwendung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit zu ermöglichen. Eine Synchronisierung der Zeiträume ist somit definitionsgemäß ausgeschlossen. Dem BGH ist allerdings zuzugestehen, dass sowohl im Rahmen von § 17 InsO wie auch § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. die Berücksichtigung eines Zeitmoments der Feststellung entspringt, dass eine fortführungswürdige Gesellschaft sich an den Kapital- bzw. Kreditmarkt wenden oder aber interne Reorganisationsmaßnahmen vornehmen muss. 89 BGH, Urt. v. 27. 4. 1995 – IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929 (930 f.). 90 Penzlin, NZG 1999, 1203 (1205). 91 BGH, Urt. v. 27. 4. 1995, IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929 (930); Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 64 Rn. 6; Burger, DB 1992, 2149 (2151); Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 109; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 317.

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Außer Betracht bleiben sollen aber nach der amtlichen Begründung nach wie vor ganz geringe Liquiditätslücken, wobei die Bestimmung einer solchen nicht anders als im Falle der Zahlungsstockung bewusst Rechtswissenschaft und Rechtsprechung überlassen worden ist92. Die Auffassungen darüber, wann eine unbeachtliche Liquiditätslücke vorliegt, divergieren erheblich. Das Spektrum vertretener Ansichten umfasst Meinungen, wonach ab 0,01 %, unter 1 %93, 1 %94, 5 %95 Zahlungsunfähigkeit vorliegen soll, während die extreme Gegenposition eine unbeachtliche Liquiditätslücke noch bei 20 % nicht erfüllter Verbindlichkeiten annehmen will96. Alternativ wird auch hier ein Verzicht auf generell geltende Grenzwerte empfohlen, um den konkreten Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen zu können97. Wiederum hat der Bundesgerichtshof in oben genannter Entscheidung eine Klärung für die Praxis vorgenommen98. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist hiernach regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist99. Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof aus, dass eine Definition, wonach ein Schuldner generell bereits dann zahlungsunfähig ist, wenn er seine fälligen Verbindlichkeiten nicht – binnen der dreiwöchigen Frist – erfüllen kann, zwar den Vorteil der begrifflichen Klarheit habe und damit dem Interesse der Rechtssicherheit diene100. Jedoch überwiegen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs 92 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 17 Rn. 3; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 64, Rn. 6; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 21; Bork, KTS 2005, 1 (8); Burger, DB 1992, 2149 (2151); Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 109; Kamm/Köchling, ZInsO 2006, 732 (734); Penzlin, NZG 1999, 1203 (1205 f.). 93 Müller, GmbHR 2003, 389 (391). Im Ergebnis ähnlich ohne Festlegung auf einen bestimmten Prozentsatz Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 17 Rn. 21. 94 Bork, KTS 2005, 1 (12). 95 AG Köln, Beschl. v. 9. 6. 1999 – 73 IN 16/99, ZIP 1999, 1889 (1889); Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 17 Rn. 18. 96 Penzlin, NZG 1999, 1203 (1208); Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 45 f. 97 So noch Kind, in: Braun, InsO, 2. Aufl., § 17 Rn. 13; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO § 17, 12 Aufl., Rn. 10. Ausdrücklich gegen die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls AG, Köln, Beschl. v. 9. 6. 1999 – 73 IN 16/99, ZIP 1999, 1889 (1889). 98 Kritisch allerdings Hölzle, ZIP 2007, 613 (614): „Entscheidung hat im Ergebnis wohl mehr Fragen aufgeworfen, als sie gelöst hat“. 99 BGH, Urt. v. 24. 05. 2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426 (1426 f.); BGH, Urt. v. 12. 10. 2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 (2224); OLG Schleswig, Urt. v. 7. 6. 2007 – 5 U 174/06, EWIR 2008, 49 (49 f); dem folgend etwa H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 2. 100 BGH, Urt. v. 24. 05. 2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426 (1429).

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die Gründe, einen Schuldner, der seine Verbindlichkeiten bis auf einen geringfügigen Rest bedienen kann, nicht als zahlungsunfähig anzusehen. Hierfür spreche zunächst der Wille des historischen Gesetzgebers, „ganz geringfügige Liquiditätslücken“ im Rahmen der Zahlungsunfähigkeit außer Betracht zu lassen. Ein Insolvenzverfahren solle immer – aber auch erst dann – eingeleitet werden, wenn die Einzelvollstreckung keinen Erfolg mehr verspricht und nur die schnellsten Gläubiger zum Ziele kämen, die anderen hingegen leer ausgehen, eine gleichmäßige Befriedigung somit nicht mehr erreichbar ist. Je geringer der Umfang der Unterdeckung ist, desto eher sei es den Gläubigern zumutbar, einstweilen zuzuwarten, ob es dem Schuldner gelingen wird, die volle Liquidität wieder zu erlangen101. Zu Recht weist der BGH darauf hin, dass sich Phasen guter Umsatz- und Ertragslage mit solchen schlechter abwechseln. Insbesondere mittelständische Unternehmen sind zum Erhalt ihrer Liquidität darauf angewiesen, dass Kundenzahlungen zeitnah und vollständig erfolgen. Das Ausbleiben eines erwarteten größeren Zahlungseingangs kann hier die Liquiditätslage nachhaltig beeinträchtigen102. Gesetzgeber und Rechtsprechung ermöglichen mit dem ungeschriebenen negativen Tatbestandsmerkmal der nicht „ganz geringfügigen Liquiditätslücke“ zu Recht, dass nicht durch ein restriktives Verständnis der Zahlungsunfähigkeit lebensfähige und damit zur Gläubigerbefriedigung potente Unternehmen ohne Not vom Markt genommen werden103. Auch die gewählte Größenordnung von 10 % erscheint als vertretbarer Kompromiss zwischen Respekt vor der Entscheidung des Insolvenzrechtsreformgebers, den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorzuverlagern, und den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht immer gerecht werdenden Null-Toleranz-Lösungen (Fischer), die von Teilen der Rechtswissenschaft vorgeschlagen werden104. Wiederum grundsätzlich anders muss die Bewertung des 10 %-Kriterium des BGH bezüglich der Funktion als haftungsauslösendem Zeitpunkt ausfallen. Unproblematisch ist der damit und vergleichbaren Kennziffern verbundene Aufschub der Zahlungsunfähigkeit nur dann, wenn es sich um die Liquiditätskrise einer grundsätzlich profitablen Gesellschaft handelt. Die tatbestandliche Einschränkung der Zahlungsunfähigkeit wirkt jedoch in gleicher Weise zu Gunsten der abgewirtschafteten Gesellschaft. Die Geschäftsleitung darf von Gesetzes wegen nach Ausnutzung der eine bloße Zahlungsstockung darstellenden Dreiwochenfrist noch weitere 10 % der liquiden Mittel verbrennen, bevor sie schließlich Insolvenzantrag zu stellen verpflichtet ist. Erneut entsteht ein Fenster unsanktionierten opportunistischen Verhaltens, auch wenn sich der BGH durch die Ausgestaltung der 10 %Grenze als Vermutungsregel die Möglichkeit offen gehalten hat, in Evidenzfällen

101

BGH, Urt. v. 24. 5. 2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426 (1429). BGH, Urt. v. 24. 5. 2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426 (1429). 103 Vgl. Fischer, ZGR 2006, 403 (409). 104 Vgl. Fischer, NZI 2006, 313 (314). Sehr kritisch gegenüber dem quantitativen Verständnis Hölzle, ZIP 2007, 613 (614 f.). 102

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schon vor Erreichen dieser Schwelle die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu bejahen105. (5) Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit Nach allgemeiner Ansicht begründet bloße Zahlungsunwilligkeit des Schuldners noch keine Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 InsO106. Gleiches gilt in den Fällen, in denen der Schuldner einen Zahlungstermin lediglich übersieht107 oder die Forderung zu Recht108 oder zu Unrecht109 für unbegründet hält. Dies erscheint sowohl mit Blick auf die Funktion als Terminierungsregel als auch als Haftungsbeginn richtig. Zahlungsunwilligkeit ist kein Kennzeichen einer endgültig abgewirtschafteten Gesellschaft, sondern mangelnder Zahlungsmoral des Schuldners. Ist nach wie vor Vermögen der Gesellschafter in der Gesellschaft gebunden, bestehen für Gesellschafter und Geschäftsleitung keine Anreize zur Schädigung der Gläubigerpositionen. Eventuell aus der Zahlungsunwilligkeit resultierende Nachteile für die Gesellschaftsgläubiger werden zudem auch außerhalb des Insolvenzrechts kompensiert. Den Gläubigern steht zunächst das Instrument der Einzelzwangsvollstreckung zur Verfügung110. Im Weiteren werden durch den verzögerten Zahlungseingang bei den Gläubigern verursachte Folgeschäden im Rahmen der Haftung für Verzugsschäden pönalisiert wie auch dadurch, dass die Unternehmung mit einem solchen Zahlungsverhalten ihr akquisitorisches Potential gefährdet. Auch die Gefahr, dass sich zahlreiche Schuldner in der Praxis auf die Schutzbehauptung zurückziehen, zu einem bestimmten Zeitpunkt nur zahlungsunwillig und nicht zahlungsunfähig gewesen zu 105 Vgl. zur Bedeutung der Zukunftsaussichten des Unternehmens i.R.v. § 17 InsO H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 17; zum bloßen Vermutungscharakter der 10 %-Grenze Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 45. 106 BGH, Urt. v. 5. 11. 1956 – III ZR 139/55, WM 1957, 67 (69); vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 17 Rn. 29; Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 17 Rn. 11; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 17 Rn. 13; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 17 Rn. 6; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 26 f.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 8; Bisson, GmbHR 2005, 843 (844); Burger/Schellberg, BB 1995, 261 (262); Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 109; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 320; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 14; Götker, Der Geschäftsführer in der Krise der GmbH, S. 35 f.; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 46; Hölzle, ZIP 2006, 101 (101); Kamm/Köchling, ZInsO 2006, 732 (733); Becker, Insolvenzrecht, S. 140 f. Vgl. Dittmer, Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit, S. 80 mit dem Hinweis, dass dies nur dann gelten kann, wenn der Schuldner über die zur Begleichung aller Verbindlichkeiten bestehenden notwendigen Mittel verfügt; dem wird man folgen können mit der Ergänzung, dass ausreichend ist, dass sich der Schuldner die notwendigen Mittel innerhalb des durch die Rechtsprechung eröffneten Zeitfensters beschaffen kann. 107 BGH, Urt. v. 30. 4. 1959 – VIII ZR 179/58, WM 1959, 891 (892); H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 14; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 322. 108 BGH, Urt. v. 11. 10. 1961 – VIII ZR 113/60, NJW 1962, 102 (104). 109 BGH, KTS 1960, 38 (39). 110 Kirchhof, in: HeidelbergerKommInsO § 17, Rn. 13; Burger, DB 1992, 2149 (2151); Schwieters, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 12.

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

265

sein, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Zutreffender Ansicht nach hat derjenige, der dies behauptet, zu beweisen, dass Zahlungsunfähigkeit nicht gegeben ist, was sich nicht zuletzt daraus rechtfertigt, dass jede Zahlungseinstellung die widerlegliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet111. (6) Ernstliches Einfordern Nach überkommenem Verständnis der Zahlungsunfähigkeit reichte nicht bereits die bloße Fälligkeit einer Forderung, vielmehr wurde zusätzlich gefordert, dass ein Gläubiger sie auch ernstlich eingefordert hatte, etwa per Mahnung oder Klageerhebung112. Im Hintergrund stand die Annahme, dass bei fehlendem ernstlichem Einfordern eine ausdrückliche oder stillschweigende Stundung vorliege113. Für die Praxis hatte diese Vermutung darüber hinaus den Vorteil, dass in Fällen, in denen eine unübersichtliche Buchführung die Bestimmung der Fälligkeit der Forderung praktisch unmöglich machte, auf dokumentierte Vorgänge wie Mahnungen zurückgegriffen werden konnte114. Die Insolvenzordnung stellt demgegenüber allein auf die Fälligkeit ab, die sich grundsätzlich nach § 271 BGB richtet, sofern nicht im Einzelfall die Vereinbarung einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Stundung nachgewiesen werden kann.115. Ein ernstliches Einfordern ist damit nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht mehr erforderlich116. Dennoch hat der Bundesgerichtshof entgegen der nahezu einhelligen Ansicht in der Literatur entschieden, dass dem Erfordernis auch unter Geltung der InsO Bedeutung zukommt117. Der Fälligkeitsbegriff der Insolvenzordnung sei anders auszulegen als der des allgemeinen Zivilrechts. Während im Zivilrecht die Fälligkeit Voraussetzung von Schuldnerverzug und Leistungsklage sei, komme ihr im Insolvenzrecht die Aufgabe zu, den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem eine Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens zum Zwecke der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung geboten ist. Die Fälligkeit einer Forderung im Sinne der InsO ist deshalb nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht nur dann zu verneinen, 111

So auch Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 17 Rn. 6; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO § 17 Rn. 27. 112 Hierfür etwa noch Jäger, DB 1986, 1441 (1441); vgl. hierzu auch Burger/Schellberg, BB 1995, 261 (263). 113 Vgl. Jäger, DB 1996, 1441 (1441); Bork, KTS 2005, 1 (3). 114 Burger, DB 1992, 2149 (2150 f.); Burger/Schellberg, BB 1995, 261 (263); Jäger, DB 1986, 1441 (1444). 115 Vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO § 17 Rn. 11; Bork, KTS 2005, 1 (3). 116 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 17 Rn. 12; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 17 Rn. 6; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 17 Rn. 6; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 305; Hölzle, ZIP 2006, 101 (103 f.). 117 BGH, Urt. v. 19. 7. 2007 – IX ZB 36/97, BeckRS 2007, 134222; die materielle Bedeutung dieser Entscheidung relativierend das jetzige – seit August 2007 – Mitglied des IX. Senats Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, § 64 Rn. 6: „[…] Formel nichts anderes als ein überholtes Relikt, auf das man aus Verständnisgründen besser verzichten sollte“.

266

§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

wenn der Gläubiger in eine spätere oder nachrangige Befriedigung ausdrücklich einwilligt, sondern auch dann, wenn keine rechtlich bindende Vereinbarung getroffen wurde oder die Vereinbarung nur auf Einrede des Schuldners berücksichtigt wird und vom Gläubiger einseitig aufgekündigt werden kann118. Die hiermit verbundene Renaissance des Tatbestandsmerkmals des ernstlichen Einforderns sieht sich zu Recht Kritik ausgesetzt. Die Entscheidung widerspricht der Intention des Gesetzgebers, die Insolvenzeröffnung vorzuverlagern119. Anders als im Falle von Zahlungsstockung und im Falle der „ganz geringfügigen Liquiditätslücken“ lassen sich hierfür keine ökonomischen Gründe anführen. Mit dem Merkmal des ernstlichen Einforderns wird ein überaus fragwürdiges Regel-Ausnahme-Verhältnis statuiert. Grundsätzlich muss gelten, dass ein Schuldner zum Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen hat; dass er nicht erst nachdrücklich zur Zahlung aufgefordert werden muss, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Eine Abweichung von diesem Grundsatz lässt sich nur unter der zusätzlichen Voraussetzung rechtfertigen, dass es dem Schuldner gelingt, seine Gläubiger davon zu überzeugen, dass das Ausbleiben der Zahlung nicht Ausdruck einer bestehenden Insolvenz ist. Der Schuldner ist verpflichtet, etwaig vorhandene überlegene Information offenzulegen, um seine Kreditgeber zum Stillhalten zu veranlassen. Damit wird dem Gläubiger die Entscheidung darüber überlassen, ob er die kommunizierte Information für hinreichend valide hält und in Konsequenz seine Forderung stundet oder aber auf der vertraglichen Vereinbarung sofortiger Zahlung besteht. Deshalb beeinträchtigt die eingeschränkte Auslegung des BGH das Antragsrecht der Gläubiger in schwerwiegender Weise. In Verbindung mit den weiteren Merkmalen „keine Zahlungsstockung“ und „keine ganz geringfügige Liquiditätslücke“ wird es dem Einzelgläubiger praktisch unmöglich gemacht, aus der Tatsache der Nichtzahlung auf die Zahlungsunfähigkeit zu schließen, da er im Regelfall keine Kenntnis darüber besitzen wird, ob andere Gläubiger ihre Außenstände ernsthaft eingefordert haben. Vor diesem Hintergrund wäre es vorzugswürdig, strikt auf den in der Diktion des BGH zivilrechtlichen Fälligkeitszeitpunkt i.S.v. § 271 BGB abzustellen und die legitimen Interessen des Schuldners an einer nicht unmittelbaren Verfahrensauslösung allein unter dem Rubrum der Zahlungsstockung zu berücksichtigen. Selbst wenn man sich allerdings der bis zur Entscheidung des BGH ganz herrschenden Meinung anschließt, bleibt für die Praxis das Problem der Bestimmung, wann im Einzelfall eine stillschweigende Stundungsvereinbarung vorliegt, erhalten, denn nach wie vor gilt, dass Verbindlichkeiten, die gestundet wurden bzw. für die von öffentlichen Behörden Schonfristen über einen Zahlungstermin hinaus eingeräumt wurden, nicht in Ansatz zu bringen sind120. Zumindest aus dem Umstand fehlenden ausdrücklichen Einfor-

118 119 120

BGH, Urt. v. 19. 7. 2007 – IX ZB 36/97, BeckRS 2007, 134222. So schon Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. § 17 Rn. 8. Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 17 Rn. 11; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 17 Rn. 17 ff.

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derns darf in diesem Zusammenhang kein Rückschluss auf eine Stundung gezogen werden121. (7) Zusammenfassung Bei Bewertung der Funktionalität der Zahlungsunfähigkeit muss unterschieden werden zwischen ihrer Aufgabe als Terminierungsregel und ihrer Aufgabe als haftungsauslösendem Zeitpunkt im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung. Als Eröffnungsgrund nimmt die durch Gesetz und Rechtsprechung geprägte Definition zu Recht Rücksicht auf das Interesse der Schuldnerin, einen vorübergehenden Liquiditätsengpass, der nicht Ausdruck fehlender ökonomischer Überlebensfähigkeit ist, durch Zuführung frischer Mittel beheben zu können. Dies ist legitimierbar durch die Überlegung, dass die eigentlich aus eigener Kraft überlebensfähige Unternehmung nicht ohne ökonomische Notwendigkeit in ein staatliches Reorganisationsverfahren überführt werden soll. Denn selbst wenn mit dem Insolvenzplanverfahren die Fortführung der Gesellschaft im Vergleich zur Rechtslage unter Geltung der KO und der VerglO erleichtert wurde, belastet der Makel der Insolvenz den Good Will eines Unternehmens in schwerwiegender Weise122. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit aufgrund fehlerhafter finanzwirtschaftlicher Synchronisierung von Ein- und Auszahlung muss zudem der Verlust etwaiger Spezialisierungseffekte durch Ersetzung einer zumindest bezüglich der leistungswirtschaftlichen Seite der Unternehmung effizienten Geschäftsleitung durch Gläubiger berücksichtigt werden. Das Institut der Eigenverwaltung bietet hiergegen kaum Abhilfe, da sich seine praktische Bedeutung bisher auf Großverfahren beschränkt; ob und inwieweit das ESUG diesbezüglich einen Paradigmenwechsel herbeizuführen in der Lage ist, bleibt abzuwarten. Schließlich lässt sich ein Entzug der Verfügungsrechte schwerlich rechtfertigen durch die nur abstrakt bestehende Gefahr für die Gläubiger, die daraus resultiert, dass die aktuellen Zahlungsschwierigkeiten ein Faktum sind, während ihre Überwindung in der Zukunft bloßen Prognosecharakter besitzt. Nachteil dieser Großzügigkeit ist, dass auch nicht überlebensfähige Gesellschaften in den Genuss der Tatbestandsmerkmale kommen, die ein späteres Eingreifen des Insolvenzverfahrens bewirken, und nach sich ziehen, dass in dieser Zeit die Befriedigungsaussichten der Gläubiger noch weiter schwinden können. Dieser Befund dramatisiert sich bei Berücksichtigung der Fehlanreize, denen sich die Gesellschaft ausgesetzt sieht, wenn sie einen negativen Nettogegenwartswert besitzt. Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne stellt sich auch bei einer solchen Gesellschaft erst dann ein, wenn bestehende Kreditlinien vollständig ausgeschöpft oder aber gekündigt worden sind. Die Ausübung von Kündigungsrechten setzt voraus, dass die 121

Vgl. Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 18 Rn. 11. Die Folgen als besonders dramatisch sieht etwa Oesterle, in: Ramsay, 19 (28) an; vgl. Eidenmüller, JZ 2007, 487 (489), wonach zumindest internationale Konzerne in immer stärkerem Maße einem außergerichtlichen work out zuneigen. Zur Größenordnung des Good Will vgl. etwa Barthel, DB 1996, 149 (149 ff.). 122

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Gläubiger die völlige wirtschaftliche Zerrüttung der Gesellschaft erkennen. Aufgrund bestehender Informationsasymmetrien wird dies regelmäßig erst in einem späten Stadium des Niedergangs der Fall sein123. Dies hat insbesondere dann zu gelten, wenn sich die fehlende Überlebensfähigkeit einer Gesellschaft zunächst auf leistungswirtschaftlicher Ebene bemerkbar macht und ihre Auswirkungen auf die finanzwirtschaftliche Ebene noch ausstehen. Eine prompt reagierende Geschäftsleitung wird in einer solchen Situation – gutgläubig oder mutwillig – häufig veranlasst, zusätzliche Fremdmittel zur Realisierung eines Turn-around zu akquirieren. Gläubiger, die sich unter solchen Umständen auf die Analyse der finanzwirtschaftlichen Situation beschränken, im Besonderen auf das bisherige Zahlungsverhalten der Schuldnerin, können bereit sein, in Unkenntnis der tatsächlichen Risiken die angeforderten Mittel zu überlassen. Im Ergebnis wird die Zahlungsfähigkeit einer überlebensfähigen Gesellschaft über einen nicht unerheblichen Zeitraum verlängert mit den genannten Folgen für das Anreizsystem der Unternehmensleitung. Der allgemeine Befund, dass Zahlungsunfähigkeit zu spät kommt124, trifft insoweit in besonderem Ausmaße für ihre Haftungsfunktion zu125. Das revidierte Anreizsystem tritt regelmäßig weit vor diesem Zeitpunkt ein126. Erhebliche Bedeutung erlangt damit, ob diese Schwächen der Zahlungsunfähigkeit bei der Bestimmung des haftungsauslösenden Zeitpunkts im Rahmen des Überschuldungstatbestandes ausgeglichen werden127. e) Überschuldung aa) Das Wesen der Überschuldung Neben den für alle insolvenzrechtsfähigen Rechtspersönlichkeiten geltenden allgemeinen Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit tritt für Kapitalgesellschaften und solche Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt haftet, als spezieller Eröffnungsgrund die Überschuldung128. Unabhängig von der im Zuge der Insolvenzrechtsreform eingefügten Legaldefinition in § 19 Abs. 2 InsO lässt sich Überschuldung allgemein definieren als ein Zustand, in dem

123

Vgl. auch Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (416). Kamm/Köchling, ZInsO 2006, 732 (732); K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (196). 125 Gleicher Befund bei K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (196): „Der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit […] schreit nach Ergänzung durch präventiven Gläubigerschutz“. 126 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 301 (313). 127 Gleichsinnig K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (196). 128 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 24; Foerste, Insolvenzrecht, S. 114; Haas/Müller, Bilanzierungsprobleme bei der Erstellung eines Überschuldungsstatus, 1799 (1799); Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 49. 124

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

269

das Vermögen des Schuldners die Schulden nicht mehr deckt129, sich also ein negatives Eigenkapital ergibt130. Die Bedeutung dieses besonderen Eröffnungsgrundes für Kapitalgesellschaften und ihnen angenäherte Hybridformen von Personengesellschaften ergibt sich daraus, dass er nach Intention des Gesetzgebers verschiedenen Problemen entgegensteuern soll, die aus der Spezifität beschränkt haftender Gesellschaften folgen. Zunächst ist dem Eröffnungsgrund der Überschuldung eine Ausgleichsfunktion für das beschränkte Haftkapital einer GmbH oder AG zugedacht131. Während bei einer Personengesellschaft das Vermögen ihrer Gesellschafter einen prinzipiell unbeschränkten Haftungsrückhalt gewährt, ist dies bei einer Kapitalgesellschaft nicht der Fall. Da die Fortsetzung einer nicht fortführungswürdigen Personengesellschaft theoretisch allein zu Lasten des Privatvermögens ihrer Gesellschafter geht, sollten diese die Liquidation der Gesellschaft einleiten, wenn keine Aussicht auf Gewinne mehr besteht. Demgegenüber erfolgt die Fortführung einer überschuldeten (und nicht fortführungswürdigen) Kapitalgesellschaft allein zu Lasten ihrer Gläubiger132 bzw. begründet zumindest die akute Gefahr einer Gläubigergefährdung133. Aus diesem Grund soll mit dem Überschuldungstatbestand im Verhältnis zur Zahlungsunfähigkeit eine Vorverlagerung der Insolvenzreife erreicht werden134, um die denkbaren Verluste der Gläubiger zu begrenzen. Seit der Einführung eines einheitlichen Insolvenzverfahrens tritt als Nebenziel dieser Vorverlagerung der Verfahrenseröffnung die Erhöhung der Rettungswahrscheinlichkeit durch Reorganisation hinzu135. Dies sowie die Betonung des Umstands, dass § 19 InsO Element eines präventiven Gläubigerschutzes sei136, das gefährliche Spekulationen zu Lasten der Gläubiger 129

So noch ohne weitere Zusätze § 83 Abs. 2 AktG a.F.; vgl. auch Burger/Schellberg, BB 1995, 261 (265); Dahl, GmbHR 1964, 112 (112); Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 141; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 22. 130 Vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 50 f. 131 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 24; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 13; Müller, in: Jaeger, InsO, § 19, Rn. 6; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 3; Egner/Wolff, AG 1978, 99 (100); Herget, AG 1974, 137 (138); H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 22; Kliebisch/Linsenbarth, DZWiR 2012, 232 (234). 132 Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 19; Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 64 Rn. 10; Egner/Wolff, AG 1978, 99 (99 f.); Lutter, ZIP 1999, 641 (642); Ulmer, KTS 1981, 469 (472). 133 Vgl. Vonnemann, BB 1991, 867 (867). 134 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 24; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 10; Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 19 Rn. 1; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 19 Rn. 2; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO § 19 Rn. 7; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2, Rn. 337; IDW (FAR), WPg 1997, 22 (22 f.); Fromm, ZInsO 2004, 943 (943); Hüffer, FS Wiedemann, 1047 (1063). 135 So etwa Fromm, ZInsO 2004, 943 (943). 136 Vgl. etwa Müller, in: Jaeger, InsO, § 19 Rn. 4; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 53.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

sanktioniere137, eröffnet die Frage, ob und wie weitgehend der Überschuldungstatbestand einen zielgenaueren Schutz gegen opportunistisches Verhalten der Geschäftsleitung zu bieten vermag als der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit. bb) Überschuldung als Eröffnungsgrund Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft die Verbindlichkeiten nicht deckt138. Aus dem bloßen Umstand einer stichtagsbezogenen Erfüllung dieses Kriteriums ergibt sich aber noch nicht die Liquidationswürdigkeit der unternehmenstragenden Gesellschaft, weil er für sich genommen, d. h. ohne die Betrachtung eines weiteren Zeitpunkts der Unternehmensgeschichte, ohne jede Aussagekraft bleibt139. Dies ist Konsequenz des von der neoklassischen Finanzierungstheorie hervorgehobenen Umstandes, dass die Finanzierungsentscheidung eines Eigen- wie eines Fremdkapitalgebers primär durch die Erwartungen bezüglich zukünftiger Einzahlungsüberschüsse geprägt ist. Entscheidend ist die Fähigkeit, die Verbindlichkeiten aus den künftigen Erträgen fristgerecht zu decken140. Erst durch Verknüpfung mindestens zweier Zeitpunkte kann dem Faktum einer bilanziell ermittelten Überschuldung überhaupt eine Aussage über die finanzwirtschaftliche Entwicklung einer Gesellschaft und die daraus folgende Fähigkeit zur Gläubigerbefriedigung entnommen werden. Bei einer zunächst auf zwei Zeitpunkte beschränkten Betrachtung ist eine in der zweiten Periode eintretende, aus der Bilanz ablesbare Überschuldung Indiz erfolglosen Wirtschaftens der Unternehmung im Betrachtungszeitpunkt – ohne allerdings Beweis für die Tatsache zu geben, dass dem auch in Folgeperioden so sein wird141. Umgekehrt erlaubt eine ausgebliebene Überschuldung die Feststellung, dass sich das Unternehmen im Betrachtungszeitraum am Markt zu behaupten vermochte – wiederum ohne darüber Auskunft zu geben, ob die Unternehmung auch in Zukunft erfolgreich wirtschaften wird. Nimmt man demgegenüber nicht einen willkürlichen Stichtag, sondern die Gesamtlebensdauer der Unternehmung als Maßstab, ist für die Gesellschaftsgläubiger von entscheidender Bedeutung, dass sich das Vermögen der Gesellschaft im Aggregat als zur Befriedigung der Verbindlichkeiten ausreichend erweist, nicht etwa in einem bestimmten Zeitpunkt x. Der Nettogegenwartswert der Aktiva, also die auf die Ge137 Vgl. Ulmer, KTS 1981, 469 (472); jüngst i.d.S. Kliebisch/Linsenbarth, DZWiR 2012, 232 (234). 138 Vgl. Ensthaler/Zech, in: Achilles/Ensthaler/Schmidt, GmbHG, 1. Aufl., § 64 Rn. 5; Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 64 Rn. 10; Müller, in: Jaeger, InsO, § 19 Rn. 15; Burger/Schellberg, WiSt 1995, 226 (226); Fenske, AG 1997, 554 (554); Pribilla, KTS 1958, 1 (2). 139 Vgl. auch Bähner, KTS 1988, 443 (452); Fischer, DB 1981, 1345 (1347); ähnlich Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 141; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 1. 140 Vgl. IDW (FAR), WPg 1997, 22 (22 f.); Fischer, DB 1981, 1345 (1347); Klar, DB 1990, 2077 (2077); ähnlich auch Haack, BB 1981, 883 (885). 141 Vgl. auch Vonnemann, BB 1991, 867 (867).

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

271

genwart diskontierten Einzahlungsüberschüsse abzüglich einer Initialinvestition, muss den Nettogegenwartswert der Passiva überschreiten. Die beschränkte Aussagekraft einer bilanziellen Überschuldung in einem Zeitpunkt sei anhand verschiedener denkbarer Entwicklungen des Gesellschaftsvermögens verdeutlicht. Der Einfachheit halber wird von Sicherheit ausgegangen. Der praxisferne Rekurs auf das Konzept der Sicherheit ermöglicht es darüber hinaus, eine zumindest theoretisch genaue Aussage über den Zeitpunkt zu treffen, in dem eine Liquidationsentscheidung aus ökonomischer Sicht geboten erscheint. Folgende Tabelle zeigt die Liquidationsentscheidung unter Sicherheit: Gesellschaftsvermögen (t=0)

Gesellschaftsvermögen (t=1) 200

Z1

100

Z2

100

50

Z3

100

–100

Z4

–50

200

Z5

–100

–200

Z6

–100

–50

Unter den Bedingungen der Sicherheit und vollständiger Information ist die Liquidationsentscheidung in den verschiedenen Szenarien hinreichend einfach. In den Fällen Z1 und Z4 sollte das Unternehmen auf jeden Fall fortgeführt werden, während in den Konstellationen Z3 und Z5 die Abwicklung bereits in t=0 angezeigt erscheint. Dass eine isolierte Ein-Zeitpunkt-Betrachtung ohne Aussagekraft bleibt, zeigen Z3, Z4 und Z6 besonders deutlich. Bezüglich Z2 bestehen Bedenken, ob nicht auch hier eine Liquidation zwingend anzuordnen wäre, jedoch werden Gläubiger nicht geschädigt, solange positives Gesellschaftsvermögen in t = 1 verbleibt142. Es würde sich als unzulässiger Eingriff in die Privatautonomie darstellen, den Gesellschaftern die Entscheidung über die Verwendung ihrer Mittel zu versagen. Es besteht ein Recht zur Selbstschädigung, solange hiervon Dritte nicht gleichfalls betroffen sind143. Dies stellt nicht etwa einen Bruch mit Grundprinzipien der ökonomischen Entscheidungslehre dar, sondern ist Ausdruck des methodologischen Individualismus144. Den Nutzen seines Handelns bestimmt ein Akteur zunächst frei entsprechend seiner Präferenzordnung. Eingriffsbedarf besteht erst dann, wenn gleichzeitig Dritte geschädigt werden, die dieser Schädigung oder dem Risiko einer entsprechenden Schädigung nicht zugestimmt haben (externer Effekt). 142

Vgl. auch Fenske, AG 1997, 554 (557). Vgl. allgemein auch Wiedemann/Wank, JZ 2013, 340 (341): „Dem Einzelnen ist sein Recht auf Unvernunft zu gönnen […]“. 144 Vgl. hierzu etwa Schumpeter, Der methodologische Individualismus, in: Friedrich A. v. Hayek Institut (Hrsg.): Von Menger bis Mises, 331 (331 ff.). 143

272

§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Z6 schließlich stellt einen Grenzfall dar. Die Gesellschaft ist auch langfristig nicht überlebensfähig, vermag aber dennoch für einen begrenzten Zeitraum Erträge zu erwirtschaften, die die bereits angelaufenen Verluste zumindest teilweise zu kompensieren in der Lage sind. Man mag etwa an die Abwicklung bereits abgeschlossener Verträge denken, zu deren Durchführung bereits die erforderlichen Produktionsmittel, Werk- und Betriebsstoffe eingekauft wurden bzw. an die Fertigstellung von ansonsten nur zu Schrottwerten veräußerbaren halbfertigen Produkten (Ausproduktion)145. Aus Zeitgründen oder wegen bestehender besonderer persönlicher Fähigkeiten mag im Einzelfall allein der Schuldner in der Lage sein, den Auftrag entsprechend den Vertragsbedingungen auszuführen. Unter diesen Voraussetzungen kann die zeitweise Fortführung des Unternehmens trotz ansonsten bestehender fehlender Überlebensfähigkeit gerade auch im Interesse der Gesellschaftsgläubiger geboten sein. Hier sollte deshalb keine Verfahrenseröffnung erfolgen; anderenfalls würde den Gläubigern ein Teil des realisierbaren Forderungsvolumens verloren gehen. Als Beispiel aus der Gerichtspraxis lässt sich wiederum die Entscheidung Re Produce Marketing anführen. Wäre tatsächlich allein die bisherige Geschäftsleitung zum Absatz der eingelagerten Früchte in der Lage gewesen, hätte die Fortführung der Geschäfte unter Beibehaltung des Managements für einen begrenzten Zeitraum auch im objektiven Interesse der Gläubiger gelegen. Im Ergebnis wird man damit festhalten müssen, dass die Überschuldung als Eröffnungstatbestand nur dann zu legitimieren ist, wenn ihre konkrete Formulierung nicht nur den augenblicklichen Bilanzausweis berücksichtigt, sondern auch die künftige Geschäftsentwicklung. Ökonomisch und auch aus Gläubigersicht ist die Terminierungsentscheidung grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn der Nettogegenwartswert der Gesellschaft negativ ist. Selbst unter der Voraussetzung, dass es gelingt, einen Überschuldungstatbestand zu definieren, der die Ertrags- und damit auch Schuldendeckungsfähigkeit hinreichend genau abzubilden vermag, stellt sich zusätzlich die Frage nach der Notwendigkeit eines eigenständigen Insolvenzgrundes der Überschuldung. Zahlungsunfähigkeit entsteht, wenn die Geschäftsleitung dem Kreditmarkt nicht mehr glaubhaft kommunizieren kann, künftig Einzahlungsüberschüsse zu erwirtschaften, die durch Kredittransaktionen in Liquidität heute überführt werden können. Das Momentum der künftigen Einzahlungsüberschüsse erscheint also auch hier. Die Liquidationsentscheidung entsprechend der obigen Regel wird also über den Kredit- und Kapitalmarkt erzwungen. Wie ausgeführt, gelingt es jedoch realen Marktakteuren nicht oder doch nicht zeitnah, die Zahlungsunfähigkeit der liquidationsreifen Gesellschaft zu erzwingen. Die im Rahmen der Zahlungsunfähigkeit wesentliche Liquidität der Gesellschaft ist in der Praxis abhängig von den Erwartungen des Marktes und nimmt damit wesensmäßig alle bestehenden Informationsdefizite in sich auf. Hier erfüllt ein entsprechend formulierter Überschuldungstatbestand eine Ausgleichsfunktion. Maßgebliches Kennzeichen des Überschuldungstatbestandes ist, dass er nicht auf 145

Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 31 f.

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

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dem Urteil eines Dritten über die finanzwirtschaftliche Lage basiert, sondern auf den wirtschaftlichen Fundamentaldaten der Unternehmung, die in Vermögenswerten und Verbindlichkeiten ihren Ausdruck finden. Hierdurch wird es möglich, den Zeitpunkt, in dem bei vollständiger Information und fehlenden Transaktionskosten der Markt die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt hätte, synthetisch als Insolvenzgrund festzuschreiben. cc) Überschuldung als haftungsauslösender Zeitpunkt Allerdings tut sich auch bei dem Alternativkonzept der Überschuldung der Zielkonflikt zwischen den Funktionen als Terminierungsregel und haftungsauslösendem Zeitpunkt auf. Ein Übergang der Verfügungsrechte lässt sich erst dann begründen, wenn durch die Tätigkeit der Gesellschaft nicht primär die Vermögensinteressen der Gesellschafter betroffen sind, sondern die der Gläubiger. Als Liquidations- bzw. Reorganisationsregel muss Überschuldung damit grundsätzlich in dem Moment eingreifen, in dem der Nettogegenwartswert des Gesellschaftsvermögens den Nettogegenwartswert der Verbindlichkeiten unterschreitet. Bis hierhin muss es den Gesellschaftern und den von ihnen berufenen Geschäftsführern überlassen bleiben, in welcher Weise sie mit den von ihnen überlassenen Vermögenswerten verfahren. Gläubiger werden hierdurch nicht geschädigt, da die Vermögenswerte die Verbindlichkeiten noch übersteigen. Eine Terminierungsregel muss und darf damit theoretisch erst dann eingreifen, wenn die Gesellschaftsverbindlichkeiten den Wert der Aktiva erreichen und keine Aussicht auf künftige Einzahlungsüberschüsse besteht146. Anderes hat zu gelten, soweit der Überschuldungstatbestand ein besonderes Pflichtenprogramm der Geschäftsleitung auslösen soll. Krisenspezifische Fehlanreize treten nicht erst in dem Moment auf, in dem eine Prognoserechnung ergibt, dass der Barwert künftiger Einzahlungen den Barwert künftiger Auszahlungen nicht mehr erreicht, sondern bereits dann, wenn die erwarteten Erträge einer spekulativen Strategie für die Gesellschafter hinreichend groß sind im Vergleich zu den damit gleichzeitig aufs Spiel gesetzten Vermögenspositionen, die im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Anforderungen gerecht werdenden Fortsetzung der bisherigen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet würden. Ein positiver, aber minimaler Nettogegenwartswert der Gesellschaft ist keine hinreichende Größe, um Gesellschafter an der Durchführung lukrativer Spekulationsprojekte zu hindern. Noch weniger wird der Zeitpunkt, in dem die Fehlanreize virulent werden, durch den bilanziell ablesbaren Zeitpunkt, in dem ein bisher positives Eigenkapital verwirtschaftet und ein nicht durch ein Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag auf der Aktivseite ausgewiesen werden muss, bezeichnet. Dies lässt sich durch den idealtypischen Fall einer Unternehmung illustrieren, die ein positives Eigenkapital von 146 Wobei in einem solchen Fall allerdings das technologische Risiko allein von den Gesellschaftern getragen würde.

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nur noch einem Euro aufweist bei gleichzeitiger negativer Fortführungsprognose. Existiert hier ein Investitionsprojekt mit einem revidierten Erwartungswert von wenigen Euro, ist die Wahl desselben aus Sicht der Gesellschafter die einzig richtige Entscheidung. Die Gefahr opportunistischen Verhaltens bei einer an der Überschuldung orientierten Haftungsregel ist virulent, denn das marginalisierte Eigenkapital stellt keine vermögensmäßig relevante Größenordnung für die Gesellschafter dar. Wiederum hängt damit die Eignung der Insolvenzverschleppungshaftung maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung des Tatbestands der Überschuldung ab. dd) Überschuldungsfeststellung Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass eine Überschuldung durch einen Überschuldungsstatus in Form einer Vermögensbilanz (Sonderbilanz) zu ermitteln ist, die über die tatsächlichen Werte des Gesellschaftsvermögens Auskunft gibt, d. h. das gesamte Gesellschaftsvermögen erfasst und bewertet und es allen bestehenden Verbindlichkeiten gegenüberstellt147. Die Erstellung dieser Sonderbilanz ist an ihrem Zweck, dem Gläubigerschutz, auszurichten. Dementsprechend kommen nicht die allgemeinen Regeln des Handels- und Steuerbilanzrechts zur Anwendung148. Die Bilanz des Jahresabschlusses bleibt trotz BilMoG primär Gewinnermittlungsbilanz, so dass stille Reserven nicht aktiviert werden könnten149, die aber als reale und zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stehende Vermögenswerte in einer Überschuldungsbilanz Berücksichtigung finden müssen150. Die Handelsbilanz kann lediglich als Mengengerüst den Ausgangspunkt für die Feststellung des Überschul-

147

BGH, Urt. v. 8. 1. 2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (267 f.). Zech, in: Ensthaler/ Pfüller/Schmidt, GmbHG, § 64 Rn. 5 f.; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 64 Rn. 12; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 58; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 26; Hüffer, AktG, § 92 Rn. 11; Krieger/Sailer, in: Schmidt/ Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 10; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 19 Rn. 12; Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 19 Rn. 18; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2, 339; Fromm, ZInsO 2004, 943 (943); Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (768); Kühn, DB 1970, 549 (549 f.) Tsambikakis, GmbHR 2005, 838. 148 Vgl. Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 64 Rn. 11; Krieger/ Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 10; Haas/Müller, Bilanzierungsprobleme bei der Erstellung eines Überschuldungsstatus, 1799 (1801 f.); Hüffer, FS Wiedemann, 1047 (1062); Hüttemann, FS K. Schmidt, 765 (768); Lutter, ZIP 1999, 641 (644); a.A. Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 15: „auf Basis der handelsrechtlichen Ansätze und Bewertungsvorschriften für Kapitalgesellschaften“. Zu § 19 InsO in der Fassung des FMStG jetzt auch Wackerbarth, NZI 2009, 145 (148): „Nach der Neuformulierung des § 19 InsO ist das Abstellen auf die Handelsbilanz hingegen keineswegs ausgeschlossen“. 149 Vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 10; Dahl, GmbHR 1964, 112 (113); Drukarczyk/Schüler, Die Eröffnungsgründe der InsO, 95 (134); Egner/Wolff, AG 1978, 99 (101 f.); Hüffer, FS Wiedemann, 1047 (1062); Hirte, ZGR 2008, 284 (285 f.). 150 A.A. Wackerbarth, NZI 2009, 145 (148 f.), der stille Reserven ausschließlich in der Fortführungsprognose, nicht aber im Rahmen des Überschuldungsstatus berücksichtigen will.

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dungsstatus bilden151. Die weitere Bestimmung der Überschuldung ist hingegen stark umstritten, wenn auch durch den Gesetzgeber mittlerweile partiell konturiert. Grundsätzlich konkurrieren rein statische und rein dynamische Konzepte mit mehrgliedrigen Überschuldungsdefinitionen. Im Folgenden seien die einzelnen Konzepte skizziert und auf ihre Eignung sowohl als Terminierungsregel wie auch als moment of truth einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung hin überprüft. ee) Einstufige Überschuldungsdefinitionen Kennzeichen einstufiger Überschuldungskonzepte ist, dass sie auf – nur – ein einzelnes Kriterium zur Feststellung der Überschuldung zurückgreifen. Denkbar ist sowohl eine einstufig-statische Überschuldungsmessung, die die vorhandenen Vermögensgegenstände nach einer zu präzisierenden Regel bewertet und bestehenden Verbindlichkeiten gegenüberstellt, als auch eine einstufig dynamische Messung, die die Maßgeblichkeit der von der Unternehmung generierten Zahlungsströme in den Vordergrund rückt152. (1) Statische Überschuldung Statische Konzepte stellen zur Bestimmung einer Überschuldung im Rechtssinne ausschließlich auf die rechnerischen Größen der Überschuldungsbilanz ab. Ziel ist die Ermittlung des Schuldendeckungspotentials einer Unternehmung durch isolierte Bewertung jedes Vermögensgegenstandes153. Grundsätzlich möglich ist dabei der Ansatz von Liquidations- wie Fortführungswerten154. (a) Ansatz von Liquidationswerten Nach früher vertretener Ansicht ist das Vorliegen einer Überschuldung durch einen Vergleich von Aktiva und Passiva unter Ansatz von Liquidationswerten zu ermitteln, d. h. zu den Werten, zu denen die Vermögensgegenstände unter gewöhnlichen Umständen veräußert werden können155. Liquidationswerte seien als Mindestwerte bei der Zerschlagung zu erzielen, so dass nur bei diesem Wertansatz die Frage beantwortet werden könne, ob das Vermögen der Gesellschaft die Schulden noch deckt156. Festzustellen sind danach die künftigen Einkünfte, die aus dem 151 So etwa Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 37; Haas/Müller, Bilanzierungsprobleme bei der Erstellung eines Überschuldungsstatus, 1799 (1808). Für eine stärkere Berücksichtigung der Handelsbilanz etwa Vonnemann, BB 1991, 867 (867 ff.). 152 Vgl. Fenske, AG 1997, 554 (554); Ulmer, KTS 1981, 469 (473). 153 Vgl. Fischer, DB 1981, 1345 (1345). 154 Vgl. Fenske, AG 1997, 554 (554); Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 69. 155 Dahl, GmbHR 1964, 112 (112). In diese Richtung noch Vonnemann, BB 1991, 867 (867); vgl. hierzu Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 22. 156 Vgl. Dahl, GmbHR 1964, 112 (112); Vonnemann, BB 1991, 867 (867).

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Verkauf der Vermögensteile erwartet werden können und die Ausgaben für die Deckung der Schulden157. Zugestanden wird diesem Konzept, dass es in der Theorie relative Rechtssicherheit verbürgt158. Im Hintergrund steht die Vorstellung, dass die Bewertung zu Auflösungswerten weniger manipulationsanfällig ist als eine Bewertung zu Fortführungswerten159. Es genügt darüber hinaus strengsten Vorstellungen eines gesetzlichen Gläubigerschutzes. Ist sichergestellt, dass selbst beim ungünstigsten Wertansatz die für die einzelnen Wirtschaftsgüter angesetzten Beträge ausreichen, um sämtliche Verbindlichkeiten zu bedienen, besteht kaum Gefahr, dass Gläubiger ausfallen160. Gleichzeitig würde ein Ansatz von Liquidationswerten auch dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel einer generellen Vorverlagerung der Insolvenzreife genügen161. Dennoch lehnt die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft dieses Konzept zu Recht ab. Die mit ihm verbundene Vorverlagerung der Insolvenzreife wäre ihrerseits nicht ohne Kosten. Der generelle Ansatz von Liquidationswerten induziert überflüssige Insolvenzanträge. Schätzungen zufolge wäre unter Zugrundelegung von Liquidationswerten etwa die Hälfte aller Kapitalgesellschaften überschuldet162, insbesondere Neugründungen wären oftmals schon am Tag der Betriebsaufnahme auf dem Papier insolvenzreif163. Diese Beobachtungen sind für sich noch kein Argument gegen die Verwendbarkeit von Liquidationswerten im Rahmen des Überschuldungstatbestandes, ließe sich doch argumentieren, dass es sich bei diesen Unternehmen gerade um diejenigen handele, die eine besondere Gefahr für die Gläubiger darstellten, und deshalb entweder gänzlich vom Markt genommen oder doch zumindest in ein staatliches Reorganisationsverfahren überführt werden müssten164. Entscheidend gegen eine rechnerische Überschuldungsmessung unter Verwendung von Liquidationswerten spricht aber, dass dieser bilanzielle Ausweis keine Aussage darüber erlaubt, ob es sich um ein ertragsfähiges Unternehmen handelt oder nicht165. Der Überschuldungstatbestand unter Ansatz von 157

Vgl. Dahl, GmbHR 1964, 112 (113). Fischer, ZIP 2004, 1477 (1482); Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S 70; K. Schmidt, AG 1978, 334 (337); Ulmer, KTS 1988, 469 (473). 159 Vgl. Vonnemann, BB 1991, 867 (868); vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch Burger/ Schellberg, WiSt 1995, 226 (227 f.). 160 Das ist unstreitig und wird auch von den Kritikern der Überschuldungsmessung zu Liquidationswerten konzediert, vgl. etwa Fischer, DB 1981, 1345 (1346). 161 Vgl. R. H. Schmidt, ZfB 54 (1984), 717 (725). 162 Vgl. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1482); Reck, ZInsO 2004, 661 (664); Fischer, DB 1981, 1345 (1346); Klar, DB 1990, 2077 (2078); vgl. auch Drukarczyk/Schüler, Die Eröffnungsgründe der Insolvenzordnung, 95 (120); Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (764). 163 Vgl. Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 23. 164 Ähnliche Erwägung auch bei Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1175). 165 Vgl. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1482); Klar, DB 1990, 2077 (2078); Kühn, DB 1970, 549 (550); Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 68 f.; Pri158

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Liquidationswerten ist damit auch kein Indikator dafür, inwieweit Gläubigerpositionen gefährdet sind166. Wird nicht liquidiert, ist unerheblich, was zu erzielen wäre im Falle einer Liquidation. Lutter fasst die Schwäche dieser Eindimensionalität mit aller Deutlichkeit dahingehend zusammen, dass dann, wenn das Unternehmen überlebt, Bewertungsprämisse und Bewertung schlicht falsch sind167. Diese Schwäche verschärft sich, vergegenwärtigt man sich, dass das qualitative Moment der Überschuldung keine quantitative Komponente kennt. Der Übergang von einer Unterbilanz zu einer rechnerischen Überschuldung ist bereits bei einer Vermögensinsuffizienz von einer Werteinheit gegeben168. Eine auf die einseitige Bilanzierung im Überschuldungsstatus zurückzuführende Verfahrensauslösung ist gleichzeitig auch aus Sicht der Gläubiger nicht ohne Kosten. In dem Zeitpunkt, in dem eine Überschuldung unter Ansatz von Liquidationswerten festgestellt wird, kann eine tatsächlich erfolgende Liquidation per definitionem nicht mehr zum vollen Ersatz der nominell bestehenden Gläubigerforderungen führen, während eine Fortführung die Möglichkeit vollständiger Befriedigung in sich birgt169. Durch die mit der Verfahrenseröffnung verbundenen Kosten werden die Forderungen weiter entwertet. Zusätzlich verlieren Gläubiger durch eine überhastete Verfahrenseröffnung den Kapitalwert der erwarteten Einnahmen aus den Anschlussverträgen mit der Unternehmung, wenn die Verfahrenseröffnung die Liquidation der Gesellschaft nach sich zieht170. Zugleich stellt ein ausschließliches Abstellen auf Liquidationswerte die Gläubiger faktisch risikolos171. Ignoriert würde damit, dass sowohl Finanzgläubiger als auch Warenlieferanten und Dienstleistungsgläubiger der Gesellschaft zu dieser in Kreditbeziehungen treten, um gemeinsam Chancen und Risiken unsicherer zukünftiger Zahlungsströme untereinander aufzuteilen. Auch die Gläubiger ver-

billa, KTS 1958, 1 (6); R. H. Schmidt, ZfB 54 (1984), 717 (723 f.); Ulmer, KTS 1988, 469 (473 f.). Der betriebswirtschaftlichen Sicht keine Bedeutung zuerkennend hingegen Vonnemann, BB 1991, 867 (867). 166 Vgl. Drukarczyk, WM 1994, 1737 (1739); R. H. Schmidt, ZfB 54 (1984), 717 (725). 167 Lutter, ZIP 1999, 641 (642); vgl. auch Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 15; Pribilla, KTS 1958, 17 (19); Haack, BB 1981, 883 (887). 168 Vgl. Pribilla, KTS 1958, 1 (2). 169 Die mit der Fortführung verbundenen Chancen berücksichtigt teilweise auch die Rechtsprechung, beispielhaft OLG Koblenz, Urt. v. 5. 11. 2004 – 5 U 875/04, AG 2005, 446 (447). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der mit einer Eröffnung verbundenen Folgekosten wie etwa Sozialplanverbindlichkeiten, vgl. Ulmer, KTS 1981, 469 (470). A.A. Wolf, DStR 1995, 859 (859). 170 Drukarczyk, WM 1994, 1737 (1739); ders./Schüler, Die Eröffnungsgründe der Insolvenzordnung, 95 (120); Kühn, DB 1970, 549 (550). 171 Vgl. Drukarczyk, WM 1994, 1737 (1739); ders., in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 24 f.; ders./Schüler, Die Eröffnungsgründe der Insolvenzordnung, 95 (120).

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pflichten sich, das technologische Risiko mitzutragen172. Im Falle einer zeitnahen Verfahrenseröffnung würden die Gläubiger vollständige Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen erhalten, obwohl sie das erhöhte Ausfallrisiko nur gegen Einräumung einer Verzinsung eingegangen sind, die über derjenigen für risikolose Anlageformen liegt. Wird hingegen der Insolvenzantrag verschleppt, würden die Gläubiger durch das Instrument der Insolvenzverschleppungshaftung vom technologischen Risiko freigestellt. Zuletzt vermag die verbundene Übersicherung der Gesellschaftsgläubiger die Kontrollmechanismen des Kreditmarktes in negativer Weise zu beeinflussen. Vertragsgläubiger verfügen über die oben dargestellten Möglichkeiten, sich gegen das aus einem Finanzierungskontrakt herrührende Risiko abzusichern bzw. Kontrolle auszuüben. Die Funktionsfähigkeit der Kreditmärkte wird aber dann geschwächt, wenn in Folge praktisch risikolosen Kontrahierens die Kontrolltätigkeit auf dem Kreditmarkt erlahmt173. Mit der heute wohl nahezu einhelligen Meinung ist deshalb zu konstatieren, dass das ausschließliche Abstellen auf Liquidationswerte keine geeignete Methode ist, den Eröffnungszeitpunkt für ein Insolvenzverfahren zu bestimmen. Kein günstigeres Ergebnis ergibt sich – trotz der Vorverlagerung des Überschuldungszeitpunktes – mit Blick auf die Funktion der Überschuldung als Auslöser der Insolvenzverschleppungshaftung. Fehlanreize treten nicht in dem Moment auf, in dem unter Ansatz von Liquidationswerten eine Überschuldung der Gesellschaft ausgewiesen wird, sondern dann, wenn die Fortführung der Gesellschaft keine ausreichenden Erträge bzw. Einzahlungsüberschüsse mehr verspricht. Maßgeblich ist deshalb der Fortführungswert des Unternehmens, da er Auskunft darüber gibt, inwieweit Gesellschafter zukünftige Einzahlungsspitzen durch die Durchführung spekulativer Strategien gefährden. Solange die Gesellschaft fortgeführt wird, sind allein die mit den verschiedenen Handlungsstrategien verbundenen Fortführungswerte für Gesellschafter und Geschäftsführer von Bedeutung. (b) Ansatz von Fortführungswerten Alternative statisch-einstufige Methode ist die der Berechnung einer Überschuldung unter Ansatz von Fortführungswerten, sozusagen als Fortschreibung des bilanzrechtlichen Prinzips der Unternehmensfortführung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) in die Krise hinein174. Anzusetzen wären Betriebsbestehenswerte bzw. Fortfüh-

172 Ähnlich Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 19 f.: „Das „allgemeine“ Risiko, das mit jeder wirtschaftlichen Unternehmung verbunden ist, soll und kann dem Gläubiger nicht abgenommen werden“. 173 Drukarczyk, WM 1994, 1737 (1739); ders./Schüler, Kölner/Schrift, 95 (120). 174 Zur Bedeutung des Prinzips der Unternehmensfortführung für den Jahresabschluss vgl. Moxter, WPg 1980, 345 (345 ff.).

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rungswerte175. Vorteil ist auch hier die Eindeutigkeit des Bewertungsansatzes176. Diese Eindeutigkeit wird aber nicht anders als beim generellen Ansatz von Liquidationswerten erkauft durch eine Einseitigkeit der Betrachtungsweise. Der situationsunabhängige Ansatz von Going-Concern-Werten blendet aus, ob die entsprechenden Werte überhaupt realisiert werden können177. Als Beispiel diene die Bewertung halbfertiger Erzeugnisse. Wird das Unternehmen liquidiert, ist der Wert halbfertiger Erzeugnisse nur der Schrottwert und gerade nicht der Betriebsbestehenswert178. Als Terminierungsregel würde eine Überschuldung in diesem Fall zu spät kommen. Die Wertansätze erweisen sich im Falle der Liquidation als unrealistisch mit der Konsequenz hoher Forderungsausfälle und niedriger Insolvenzquoten179. Ebenso wenig ermöglicht die statische Methode eine sachgerechte Auslösung der gläubigerbezogenen Pflichten der Geschäftsleitung in der Krise. Das Entscheidungskalkül von Gesellschaftern und Geschäftsleitung wird nicht dadurch bestimmt, was das Unternehmen wert wäre unter Zugrundelegung einer Going-Concern-Prämisse, sondern dadurch, was das Unternehmen wert ist. Ist die Gesellschaft liquidationsreif und existieren Optionen auf spekulative Projekte, werden Gesellschafter von der Ausübung dieser Optionen sicherlich nicht durch die Überlegung abgehalten, dass, wäre die Gesellschaft nicht insolvenzreif, sondern fortführungswürdig, relevante eigene Vermögenswerte zur Disposition gestellt würden. Umgekehrt kann auch die Bewertung unter Fortführungsprämisse im Einzelfall zu einer zu frühzeitigen Auslösung krisenspezifischer Pflichten führen. Würde man etwa auf die handelsbilanzrechtlichen Going-Concern-Buchwerte abstellen, würden möglicherweise lebensfähige Gesellschaften in die Insolvenz getrieben, da stille Reserven nicht ausgewiesen werden könnten. Unter diesen Voraussetzungen kann ein Geschäftsleiter ins Visier der Insolvenzverschleppungshaftung geraten, ohne dass hierfür ein ökonomischer Grund erkennbar wäre. (2) Dynamische Überschuldungsmessung Kennzeichen dynamischer Verfahren ist demgegenüber, dass sie im Grundsatz das Unternehmensvermögen nicht als Schuldendeckungspotential i.e.S. verstehen, sondern als Quelle zur Erwirtschaftung zukünftiger Erträge180. Es erfolgt keine isolierte Bewertung der einzelnen Vermögensgegenstände, sondern es wird ein 175

(474). 176

Vgl. hierzu Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 28; Ulmer, KTS 1988, 469

Vgl. Ulmer, KTS 1988, 469 (473). Jaeger/Müller, InsO, § 19 Rn. 16; Dahl, GmbHR 1964, 112 (113 f.); Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 15; Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 28; ders./Schüler, Kölner Schrift, 95 (121); Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 70. 178 Vgl. Pribilla, KTS 1958, 17 (19). 179 Vgl. Ulmer, KTS 1981, 469 (474). 180 Vgl. Plate, DB 1981, 1345 (1345); ähnlich die nutzungswertorientierte Überschuldungsprüfung von Klar, DB 1990, 2077 (2079). 177

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Gesamtwert ermittelt, der die mit der Faktorkombination verbundenen Effekte berücksichtigt181. Eine Überschuldung liegt hiernach dann nicht vor, wenn die erzielten Einzahlungsüberschüsse ausreichen, um langfristig die vertraglich bestimmte Verzinsung des Fremdkapitals, die notwendigen Tilgungsraten und – gegebenenfalls – eine als ausreichend erachtete Verzinsung des Eigenkapitals (Erträge) sicherzustellen182. Erträge sind dabei konkret alle nachhaltig erziel- und verfügbaren Überschüsse, die den Investoren zufließen, ohne den Bestand zu gefährden bzw. der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben183. Ausgehend von dem aus der Unternehmensbewertung bekannten Ertragswertverfahren lässt sich Überschuldung damit dynamisch dahingehend interpretieren, dass der Barwert der Schulden größer ist als der Barwert des Vermögens184. Im Hintergrund steht die zutreffende Überlegung, dass Überschuldung nicht einfach exekutorisch als Unzulänglichkeit des aktuell vorhandenen pfändbaren Vermögens für allseitige Gläubigerbefriedigung verstanden werden kann, sondern betriebswirtschaftlich auszufüllen ist als Tatbestand unzureichender finanzieller Absicherung gläubigersichernder Unternehmensfortführung185. Investitionstheoretisch lässt sich der Unternehmensgesamtwert abbilden, indem die künftigen entziehbaren Überschüsse mit dem durchschnittlichen gewogenen Kapitalkostensatz (weighted average cost of capital, „WACC“) abdiskontiert werden186. Relevant wäre damit nicht die für die Vermögensteile gegebenen Möglichkeiten der Veräußerung, sondern die Gewinn- bzw. Überschusskraft des Vermögens, in der sich die Fähigkeit zur Schuldendeckung ausdrückt187. Nur ein solches Ergebnis würde gewährleisten, dass im Rahmen des Überschuldungstatbestandes dem Umstand Rechnung getragen wird, dass zumindest der Großteil der Gläubiger bewusst einen Teil des technologischen und rechtsformspezifischen Insolvenzrisikos als Gegenleistung für Zinserträge übernimmt. Trotz ihrer unproblematischen ökonomischen Begründbarkeit wird die Ertragswertmethode als Instrument zur Überschuldungsmessung weitgehend abgelehnt. Bemängelt werden insbesondere die durch die Prognoselastigkeit bedingten Unsi181

Vgl. Plate, DB 1981, 1345 (1345). Vgl. Plate, DB 1981, 1345 (1345). 183 Vgl. Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 96. 184 Vgl. hierzu Fenske, AG 1997, 554 (554). 185 So das Postulat von K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (199 f.). Nachdrücklich auch Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (771): „Die Einsicht, dass allein der Ertragswert den theoretisch richtigen „Fortführungswert“ i.S.v. § 19 Abs. 2 S. 2 InsO darstellt, ist natürlich nicht neu“. Kritisch demgegenüber aus jüngerer Zeit Wackerbarth, NZI 2009, 145 (146). 186 Wird der Unternehmensgesamtwert ermittelt, also der Wert des Unternehmens für Eigen- und Fremdkapitalgeber, muss mit einem gewichteten Zins diskontiert werden; der aus der Ertragswertermittlung bekannte Diskontierungsfaktor berücksichtigt demgegenüber allein die Eigenkapitalrendite. 187 Vgl. Burger/Schellberg, WiSt 1995, 226 (228). 182

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cherheiten188. Anders als im Rahmen einer gewöhnlichen Unternehmensbewertung können diese Unsicherheiten nicht durch Berücksichtigung und teilweise Fortschreibung der Vorjahresergebnisse begrenzt werden. Der Eintritt der Überschuldung stellt ein Schlüsselereignis im Leben der Unternehmung dar, das in zahlreichen Fällen nicht schleichende Folge eines stetigen Abwärtstrends ist, sondern Folge eines exogenen Schocks oder gravierender Managementfehler. Die künftige Ertragslage kann deshalb gerade in der Krise der Gesellschaft nur sehr bedingt durch Rückgriff auf Vergangenheitswerte bestimmt werden189. In der Theorie überlegen ist deshalb gerade auch in der Krise der Gesellschaft eine Ertrags- bzw. Einzahlungsüberschussprognose in Form einer Ergebnisüberschussrechnung190. Kritiker stehen jedoch derartigen Planrechnungen unter Verzicht auf historische Daten skeptisch gegenüber und äußern die Befürchtung, dass die Bejahung oder Verneinung einer Überschuldung damit der Willkür der Geschäftsleitung überlassen werde191. Dem kann allerdings bereits mit Blick auf die hohe theoretische Durchdringung des Ertragswertes und seine Standardisierung in der Praxis – insbesondere durch die Grundsätze objektivierter Unternehmensbewertung des IDW – nicht gefolgt werden192. Soweit darüber hinaus kritisiert wird, der Ertragswert genüge nicht dem intendierten Gläubigerschutz, weil das Gesetz das Vermögen als Mindestkompensation für das Fehlen unbeschränkt haftender Personen fordere193, ignoriert dies erneut die Grundlage der Finanzierungsbeziehung zwischen Schuldnerin und Gläubigern. Die Gesellschaftsgläubiger tragen in gleicher Weise wie die Gesellschafter einen Teil des technologischen Risikos. Vertragsgrundlage ist die Partizipation an künftigen unsicheren Einzahlungsüberschüssen. Damit setzen sie sich in gleicher Weise wie die Gesellschafter der grundsätzlichen Unsicherheit dieser Zahlungsströme aus. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist Berechnungsgrundlage für dieses einzugehende Risiko die explizit oder implizit von beiden Vertragsseiten separat oder gemeinsam angestellte Prognose über die künftige Profitabilität der Schuldnerin. Weshalb im Rahmen der Überschuldung eine Prognose nicht in Betracht kommen soll, erscheint vor diesem Hintergrund fraglich. Wenn somit auch Zweifel an der Kritik an der Verwendung der Ertragswertmethode berechtigt erscheinen, muss doch festgehalten werden, dass de lege lata eine derartige rein prognoseorientierte Überschuldungs188 Vgl. Wolf, DStR 1995, 859 (861); Haack, BB 1981, 883 (886 f.). Dass die Schätzung der Zukunftserträge ein Kernproblem darstellt, konzedieren auch Befürworter, vgl. etwa Plate, DB 1981, 1345 (1351). 189 Vgl. Plate, DB 1981, 1345 (1350 f.); Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 97. 190 Vgl. Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 97. 191 Vgl. Haack, BB 1981, 883 (886 f.). 192 Vgl. Plate, DB 1981, 1345 (1351). Zu den Grundsätzen objektivierter Unternehmensbewertung vgl. IDW, WPg 2005, 1303 (1303 ff.); Kohl/Schilling, WPg 2007, 71 (71 ff.). 193 So Hüffer, FS Wiedemann, 1047 (1062).

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messung mit dem Gesetz und dem Willen des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren ist194. Dieser grundsätzlich positive Befund bezüglich der theoretischen Eignung des Ertragswertverfahrens kann jedoch keine uneingeschränkte Gültigkeit beanspruchen, soweit die Funktion des Überschuldungstatbestandes als haftungsauslösendem Zeitpunkt einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung betroffen ist, also des Zeitpunktes, ab dem opportunistisches Verhalten haftungsrechtliche Relevanz erlangt. Nicht anders als die statisch-einstufigen Überschuldungskonzepte greift auch eine dynamisch-einstufige Betrachtungsweise auf den Wendepunkt zwischen negativem und positivem Ertragswert zurück. Theoretisch hat die Liquidation erst in dem Zeitpunkt zu erfolgen, ab dem die prognostizierten Einzahlungsüberschüsse nicht mehr ausreichen, um die Gläubiger der Gesellschaft im Zeitablauf zu befriedigen. Auch die dynamisch-einstufige Überschuldungsmessung ignoriert damit den Zeitraum bis zum Erreichen dieser Nulllinie und eröffnet Spielräume für haftungsfreies Spekulieren auf Kosten der Gläubiger. Ist der Nettogegenwartswert der Unternehmung hinreichend gering, stellt auch diese virtuelle Komponente für Gesellschafter und Geschäftsführung nicht zwingend eine beachtliche Vermögensgröße dar. Versprechen spekulative Investitionsprojekte demgegenüber hinreichend große Einzahlungsüberschüsse, werden sie realisiert. Auch eine dynamische Überschuldungskonzeption ignoriert aufgrund ihres grundsätzlich eindimensionalen Charakters den Umstand, dass die krisenbedingte Revision ein Prozess ist, der nicht allein von der Höhe des Nettogegenwartswerts der Unternehmung abhängt, sondern vielmehr von der Relation dieser Größe zu den erwarteten Gewinnansprüchen spekulativer Alternativprojekte. Der Prozesscharakter der Revision des Anreizsystems kann durch das stichpunktbezogene dynamische Überschuldungskonzept nicht abgebildet werden. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man nur dann, wenn man entsprechend dem eigentlichen Prognoseobjekt der Ertragsrechnung eine Überschuldung nicht erst dann annimmt, wenn die Gesellschaft voraussichtlich nicht mehr in der Lage ist, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen, sondern bereits dann, wenn eine bestimmte Eigenkapitalrendite verfehlt wird. Eine hinreichend hohe Eigenkapitalrendite sichert, dass sich eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger als – im Regelfall – nicht lukrativ erweist. Fraglich ist allerdings, nach welchen Kriterien diese Renditekennziffer zu bestimmen wäre. Unterschreitet die erwartete Rendite ein bestimmtes Niveau, stellt auch sie für die Gesellschafter und die Geschäftsleitung kein entscheidungsrelevantes Merkmal dar. Fordert man hingegen eine hohe Eigenkapitalverzinsung, gelangt man im Ergebnis dazu, dass die Fehlanreize ausgeschaltet werden. Hiermit wäre allerdings wiederum eine Kollision mit der Funktion der Überschuldung als Terminierungsregel und eine erhebliche Vorverlagerung der Insolvenzreife verbunden. Finanzwirtschaftlich intakte Unternehmen würden aufgrund Unterschreitens der abstrakt festgelegten Break-Even-Verzinsung des Eigenkapitals 194

Vgl. Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 19 Rn. 2.

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in ein Insolvenzverfahren überführt. Des Weiteren kollidieren gesetzlich vorformulierte Renditeziele mit dem marktwirtschaftlichen Grundsatz, dass die Renditeerwartungen primär von den Unternehmern selbst bestimmt werden. Nicht zuletzt stellt sich die zwangsweise Überführung einer – laut Prognose – Erträge erwirtschaftenden Unternehmung in ein Insolvenzverfahren als mit dem Grundsatz der Privatautonomie nur schwer vereinbar dar. Akzeptiert man die mit einer Prognose verbundenen Unsicherheiten, haben die betriebswirtschaftlichen Entscheidungsrechte solange bei den „Eigentümern“ der Gesellschaft zu verbleiben, wie die Fortsetzung der Gesellschaft die Befriedigung der Gläubigerforderungen voraussichtlich erlaubt. Die abstrakt bestehende Gefahr, dass alternative Strategien wahrgenommen werden könnten, rechtfertigt für sich nicht den Eingriff in die Verfügungsgewalt der Gesellschafter. ff) Zweigliedrige Überschuldungsmessung Kombinationsmethoden ziehen mehr als nur ein Merkmal zur Bestimmung der Überschuldung heran195. Im Grundsatz konkurrieren Konzepte, die die Aufstellung eines Überschuldungsstatus sowohl nach Liquidations- als auch nach Fortführungswerten fordern, mit solchen, die zusätzlich auf eine Fortführungsprognose abstellen196. (1) „Überschuldung im Rechtssinne“ Vor Inkrafttreten des Insolvenzrechtsreformgesetzes griff die Rechtsprechung zur Bestimmung einer Überschuldung auf die maßgeblich von K. Schmidt entwickelte sogenannte „neue zweistufige Methode“ zurück197. Hiernach sind rechnerische Überschuldung und Überschuldung im Rechtssinne zu trennen. Letztere liegt nur dann vor, wenn die Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten bilanziell überschuldet ist und gleichzeitig eine negative mittels Ertrags- und/oder Finanzplan gestellte Fortführungsprognose vorliegt198. Rechnerische Überschuldung und negative Fortführungsprognose müssen also kumulativ vorliegen, um die Insolvenzreife der Gesellschaft zu begründen199. Die zweistufige Methode lässt sich damit in moderner Diktion als Verbindung eines Bilanztests mit einem Solvenztest charak195

Vgl. Fenske, AG 1997, 554 (555). Vgl. Fenske, AG 1997, 554 (555). 197 BGH, Urt. 13. 07. 1992 – II ZR 269/91, BGHZ 119, 201 (213 ff.); BGH, Urt. v. 23. 2. 2004 – II ZR 207/01, ZIP 2004, 1049 (1051); OLG Hamburg, Urt. v. 30. 11. 1999 – 18 U 18/97, NZG 2000, 606 (607); K. Schmidt, AG 1978, 334 (338); Schanze/Kern, AG 1991, 421 (427); Ulmer, KTS 1981, 469 (477); ders., GmbHR 1984, 256 (261); kritisch demgegenüber etwa Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1175). 198 Vgl. Ulmer, KTS 1981, 469 (477 ff.). 199 BGH, Urt. 13. 07. 1992 – II ZR 269/91, BGHZ 119, 201 (213 f.); Ulmer, KTS 1981, 469 (478). Vgl. hierzu etwa Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 38 ff.; Hüffer, FS Wiedemann, 1047 (1051); Lutter, GmbHR 1997, 329 (332). 196

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terisieren200. Primäres Ziel ist mit den Worten K. Schmidts nicht die richtige Aktivenermittlung im Überschuldungsstatus, sondern die Einschränkung des Überschuldungstatbestands im Interesse der Unternehmenserhaltung auf Kosten der Rechtsklarheit. Dahinter steht die Überlegung, dass, wenn trotz rechnerischer Überschuldung eine künftige Zahlungsunfähigkeit nicht zu erwarten ist, eine Gläubigergefährdung nicht besteht, so dass keine Notwendigkeit für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens existiert201. Als Eröffnungstatbestand trägt die neue zweistufige Methode dem Umstand Rechnung, dass unter ökonomischen Gesichtspunkten erst dann die Verfügungsrechte auf die Gläubiger übergehen müssen, wenn die Gesellschafter nicht mehr als wirtschaftliche Eigentümer angesehen werden können. Insofern als die stichtagsbezogene statische Überschuldungsmessung ein nur bedingt geeigneter Indikator für die Gläubigerforderungen drohende Ausfallgefahr darstellt, ist es theoretisch richtig, auf die Fähigkeit der Gesellschaft, die Ansprüche über den Lebenszyklus der Unternehmung hinweg zu begleichen, abzustellen202. Voraussetzung hierfür ist allein ein Niveau von Einzahlungen, das die Auszahlungen überschreitet. Das Instrument zur Beantwortung dieser Frage ist die Zahlungsfähigkeits- bzw. Ertragsprognose. Mit der Funktion als Terminierungsregel ist im Grundsatz auch die eigenständige Berücksichtigung einer bloßen rechnerischen Überschuldung vereinbar. Ergibt eine Überschuldungsbilanz ein positives Nettoaktivvermögen und ergibt gleichzeitig eine Ertragsprognose, dass dieses positive Nettoaktivvermögen im Zeitablauf voraussichtlich verwirtschaftet werden wird, darf dies nicht zu einer Liquidation der Gesellschaft führen203. Das Recht zur Selbstschädigung der Gesellschafter darf nicht angetastet werden. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass solange die Gesellschaft nur ihren Gewinn gefährdet, dies unter Gläubigerschutzgesichtspunkten unbeachtlich ist. Darüber hinaus ist in dieser Konstellation – zu Gunsten der Gesellschafter – den Unsicherheiten einer Prognose Rechnung zu tragen. Bei positivem Nettoaktivvermögen erscheint es nicht hinnehmbar, den Gesellschaftern unter Hinweis auf eine ungünstige Prognose die Verfügungsbefugnis über ihr Gesellschaftsvermögen abzusprechen. Dies würde im Ergebnis auf eine Plausibilitätskontrolle unternehmerischer Betätigung hinauslaufen. Konsequent zu Ende gedacht müsste hiernach jede Gesellschaft im Gründungszeitpunkt trotz positiven Eigenkapitals (= gesetzliches Garantiekapital) als überschuldet angesehen werden, wenn eine Ertragsprognose ergeben würde, dass das Nettoaktivvermögen im Zeitablauf verwirtschaftet wird. Gerade im Bereich hochriskanter Technologien, deren Marktfähigkeit kaum

200

Vgl. Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (347 f.). Vgl. K. Schmidt, AG 1978, 334 (338). 202 A.A. Wackerbarth, NZI 2009, 145 (147) mit der Erwägung, dass ein positiver GoingConcern-Wert zu Gunsten der Gläubiger nur dann realisiert werden könne, wenn die Gesellschafter das Unternehmen auch wirklich fortsetzen. 203 Gleiche Wertung etwa bei Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (764). 201

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abzuschätzen ist, erscheint dies nicht hinnehmbar. Nur so lässt sich die Funktion des Wettbewerbs als Erfahrungsprozess im Sinne von Hayeks204 sichern. Dennoch ist das Modell auf eine Reihe von Widerständen gestoßen, wobei – parallel zum reinen Ertragswertverfahren – im Zentrum der Kritik seine Prognoseabhängigkeit steht. Solvenz und Insolvenz ließen sich nicht am real feststellbaren Vermögensbestand errechnen, sondern nur aufgrund vermuteter, nicht verlässlicher Entwicklungsaussichten der Gesellschaft205. Prognosen seien stark von subjektiven Wertungen geprägt, mit der Konsequenz, dass Gesellschafter und Geschäftsleitung zu Überoptimismus neigen würden206. Die rechtliche Überschuldung eröffne damit „Möglichkeiten des Weiterwirtschaftens aufgrund unmotivierter Fortführungsprognosen“207. Besonders deutlich werden diese Bedenken gegen die Prognoselastigkeit der rechtlichen Überschuldung in der Stellungnahme des Rechtsausschusses zur Einführung des § 19 Abs. 2 InsO i.d.F. des Insolvenzrechtsreformgesetzes: „Der Ausschuss weicht damit entschieden von der Auffassung ab, die in der Literatur vordringt und der sich kürzlich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen hat. Wenn eine positive Prognose stets zu einer Verneinung der Überschuldung führen würde, könnte eine Gesellschaft trotz fehlender persönlicher Haftung weiter wirtschaften, ohne dass ein die Schulden deckendes Kapital zur Verfügung steht. Dies würde sich erheblich zum Nachteil der Gläubiger auswirken, wenn sich die Prognose – wie in dem von Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – als falsch erweist“208. Der Rigidität dieser Aussagen ist jedoch zu widersprechen. Selbstverständlich sind Prognosen als Aussagen über die Zukunft mit Unsicherheiten behaftet209. Allerdings lassen sich Prognosen aus dem Bereich des Wirtschaftslebens nicht hinweg denken, ist doch Unsicherheit ein Wesensmerkmal unternehmerischer Entscheidungen, wie es anderenorts auch von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft ausdrücklich anerkannt wird210. Die Existenz von Unsicherheit verlangt, dass Prognosen ex post auf ihre ex ante-Richtigkeit bzw. Vertretbarkeit überprüft werden

204 von Hayek, Competition as a Discovery Procedure, Quarterly Jounal of Austrian Economics 5 (2002), 9 (9 ff.). 205 Vgl. Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 38 f. 206 Vgl. Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1175); Müller, ZGR 1985, 191 (199); Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 39. 207 Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 17 Rn. 1. 208 BT-Drucks. 12/7302, S. 157. 209 Vgl. Bähner, KTS 1988, 443 (445); Ulmer, KTS 1981, 469 (478 f.). Zu den Problemen der Zahlungsstromermittlung im Rahmen einer DCF-Unternehmensbewertung vgl. etwa Kuhner, AG 2006, 713 (715 ff.). 210 Im Rahmen der Business Judgment Rule bzw. des Geschäftsleiterermessens. Vgl. dazu unter § 7, VII.

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müssen211. Insofern sind die Ausführungen des Rechtsausschusses falsch oder zumindest missverständlich212. Eine positive Fortführungsprognose ist nicht deshalb falsch, weil die Unternehmung in der Folge insolvent wird. Diese würde nur unter der Voraussetzung gelten, dass die Wahrscheinlichkeit des Überlebens mit 1 angesetzt würde, was sich faktisch für kein Unternehmen sagen lässt. Prognosen als Urteile über Zustandsausprägungen und Eintrittswahrscheinlichkeiten treten nie mit einer Richtigkeitsgewähr auf in dem Sinne, dass sie den Eintritt eines bestimmten Ereignisses als sicher darstellen würden213. Die Existenz von Unsicherheit bedingt, dass eine Prognose nicht als Aussage darüber verstanden werden kann, dass ein bestimmtes Ereignis eintreten wird, sondern allein, dass hierfür eine bestimmte Wahrscheinlichkeit besteht. Eine Überlebensprognose beschränkt sich folglich darauf, anzugeben, dass eine bestimmte Überlebenswahrscheinlichkeit besteht, die im Extremfall bei nur 50+x% liegt. Damit besteht gleichzeitig eine 50-x%-ige Wahrscheinlichkeit, dass die Unternehmung nicht überlebt. Realisiert sich dieses Insolvenzrisiko, ist die Prognose richtig und nicht etwa falsch, allein der unwahrscheinlichere Zustand ist eingetreten. Falsch wäre die Prognose nur dann, wenn etwa eine 90 %-ige Insolvenzwahrscheinlichkeit besteht, die Geschäftsleitung jedoch zu optimistisch von einer Überlebenswahrscheinlichkeit von 60 % ausgeht. Verlangt werden kann – und muss – deshalb nur, dass die Prognose ihrerseits nach objektiven Kriterien aufgestellt wird und sich nicht als bloße Hoffnung der Geschäftsleitung darstellt. Als entscheidende Kriterien wird man hierbei eine hinreichende Informationsbasis, die Verwendung eines anerkannten Verfahrens und die Folgerichtigkeit der abgeleiteten Aussagen bezeichnen können214. Beispielhaft sei erneut auf die Ermittlung des objektivierten Unternehmenswertes auf Grundlage der Standards des IDW verwiesen, in denen die Freiheitsgrade der Unternehmensleitung bei der Bewertung stark eingeschränkt sind215. Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen an eine Prognose erweist sich das Verdikt des Rechtsausschusses, es habe sich im durch den Bundesgerichtshof entschiedenen Fall um eine fehlerhafte Prognose gehandelt, seinerseits als falsch. Die spätere Gemeinschuldnerin, die Seastar GmbH & Co. KG, deren Geschäftsbetrieb auf die Entwicklung und spätere Vermarktung eines gleichnamigen Amphibienflugzeugs gerichtet war, wurde sowohl von staatlichen als auch privaten Einrichtungen unterstützt. Eine Vielzahl professioneller Marktakteure beurteilte die Erfolgsaussichten der Unternehmung grundsätzlich positiv216. Zudem existierte ein 211 Vgl. K. Schmidt, AG 1978, 334 (338 f.); Bähner, KTS 1988, 443 (445); vgl. auch Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 19 Rn. 6: „Kritik […] mag auf Missverständnissen beruht haben“. 212 Kritisch gegenüber der Polemik des Rechtsausschusses auch Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 19 Rn. 8. 213 Vgl. Veil, AG 2006, 690 (690). 214 Vgl. auch Veil, AG 2006, 690 (692 ff.); Klar, DB 1990, 2077 (2078). 215 Vgl. IDW, WPg 2005, 1303 (1303 ff.); Kuhner, AG 2006, 713 (716). 216 Hierauf hat auch der Bundesgerichtshof maßgeblich abgestellt, vgl. BGH, Urt. 13. 07. 1992 – II ZR 269/91, BGHZ 119, 201 (215); vgl. auch Fenske, AG 1997, 554 (556).

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detaillierter Finanzplan, der alle wesentlichen Schritte abbildete. Nicht zuletzt die Gründe, die die schließlich eintretende Insolvenz der Seastar GmbH & Co. KG verursachten, widerlegen die Ansicht des Rechtsausschusses, dass sich die positive Prognose als falsch erwiesen habe. Ursächlich für das letztliche Scheitern war nicht etwa betriebswirtschaftliches Versagen oder ein Rückzug der Finanziers, sondern Streit unter den Gesellschaftern, in dessen Folge diese sich weigerten, an der Verwirklichung des Gemeinschaftsprojektes weiterhin mitzuwirken217. Zwar müssen im Grundsatz auch solche unwahrscheinlichen, aber möglichen zwischenmenschlichen Differenzen und ihre Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft in einer Prognose berücksichtigt werden. Wahrscheinlichkeit wie auch Auswirkungen halten sich jedoch gerade bei großen und professionell betriebenen Unternehmungen in engen Grenzen und vermögen deshalb nur geringes Gewicht in der Prognose zu beanspruchen218. Es hat sich somit ein außergewöhnliches, nur mit geringster Wahrscheinlichkeit zu erwartendes Risiko verwirklicht, das für sich nicht genügen darf, um den Vorwurf einer falschen Prognose zu begründen219. Der durch den BGH entschiedene Sachverhalt ist somit nicht mit typischen Fallkonstellationen fehlerhafter Prognosen vergleichbar, in denen die Verwirklichung der in den Planrechnungen zu Grunde gelegten Umsatz- und Ertragszahlen zu keinem Zeitpunkt ernsthaft erwartet werden konnte. Der Verdacht liegt nahe, dass der Rechtsausschuss nicht die Fehlerhaftigkeit der Prognose beanstandet, sondern vielmehr grundsätzlich nicht bereit ist, bei Vorliegen einer rechnerischen Überschuldung die mit der Fortführung verbundene Unsicherheit zu akzeptieren. Dies erscheint jedoch bedenklich, gerade dann, wenn man die Haftungsbeschränkung als Instrument zur Unterstützung riskanter, aber grundsätzlich erfolgversprechender Maßnahmen betrachtet220. Auch unter Gläubigerschutzgesichtspunkten erscheint dieses Unsicherheitselement nicht unvertretbar. Die Prognoselastigkeit des rechtlichen Überschuldungsbegriffs würde nur dann ein grundsätzliches Problem darstellen, wenn hiermit den Gläubigern ein unvergütetes Risiko auferlegt würde, das sich als Externalisierung darstellt. Mit der Fortführungsprognose wird zwar teilweise das Prognoserisiko an die Gesellschaftsgläubiger weitergegeben, nicht jedoch unternehmerisches Risiko auf diese 217 Vgl. den Tatbestand der Entscheidung: BGH, Urt. 13. 07. 1992 – II ZR 269/91, BGHZ 119, 201 (202 f.). 218 Etwas anderes hat dann zu gelten, wenn das Zusammenspiel der Gesellschafter von zentraler Bedeutung für den Unternehmenserfolg ist und bereits absehbar ist, dass ein bestehendes Zerwürfnis nicht mehr zu heilen ist oder aber ein solches mit hoher Wahrscheinlichkeit bevorsteht. 219 Deutlich BGH, Urt. 13. 07. 1992 – II ZR 269/91, BGHZ 119, 201 (215 f.): „Die in der Folge ausgebrochenen Meinungsverschiedenheiten der Familiengesellschafter über die weitere Ausgestaltung und die Aufgabenverteilung in der Gesellschaft waren in diesem Zeitraum noch nicht abzusehen. Auch gegen Ende des genannten Zeitraumes lag es jedenfalls jenseits jeder vernünftigen Erwartung, dass die zwischen diesen Gesellschaftern bestehenden Differenzen dazu führen könnten, dass die Gesellschafter die von ihnen erwartete, im Verhältnis zu den bisher investierten Mitteln geringe Rückbürgschaft ablehnen und damit das gesamte Projekte scheitern lassen würden“. 220 Wohl tendenziell anderer Ansicht Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 17 ff.

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externalisiert. Sind die Anforderungen an die Prognosegüte hinreichend anspruchsvoll formuliert, verbleibt allein das technologische Risiko teilweise bei den Gesellschaftsgläubigern, also die Unsicherheit der erwarteten Zahlungsströme. Genau dieses Risiko ist jedoch vertraglich übernommen. Ausgenommen werden hiervon müssen erneut allein die unfreiwilligen Gläubiger, die sich auch zur Übernahme des technologischen Risikos nicht verpflichtet haben. Unter der Voraussetzung hinreichend valider Prognoseverfahren lässt sich die Überschuldung im Rechtssinne als Verfahren kennzeichnen, um einen ökonomisch gerechtfertigten Übergang der Verfügungsrechte herbeizuführen. Wenn gerade der durch den BGH entschiedene Fall als Beispiel für die Problematik der Prognoseanforderungen des zweistufigen Überschuldungsbegriffes angeführt wird, kann dem entgegengehalten werden, dass gerade hier informierte Gläubiger eine bewusste Risikoeinschätzung vorgenommen haben. Sowohl Banken als auch Staat bedienten sich aufwendiger Prüfungsverfahren im Vorfeld und gaben damit ihrer Haltung Ausdruck, dass sie das entsprechend hohe technologische Risiko um der damit gleichzeitig verbundenen Chancen einzugehen bereit waren. Striktere Standards sind möglicherweise dann zu fordern, wenn es sich um Unternehmen handelt, bei denen keine hinreichend informierten Gläubiger ihren Erwartungen an eine positive Fortführungsprognose Ausdruck verliehen haben. Auch das kumulative Hinzutreten eines bilanziellen Überschuldungsausweises lässt sich mit Blick auf die Funktion der Überschuldung als Terminierungsregel rechtfertigen. Hier gilt, dass solange Gläubigerpositionen nicht gefährdet werden, es grundsätzlich der Entscheidung der Gesellschafter und der von ihnen eingesetzten Geschäftsleitung überlassen bleiben muss, wie sie mit dem eingebrachten Kapital zu wirtschaften beabsichtigen. Die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit wird durch die Kreditierung nicht beeinflusst und der Gesetzgeber darf den Eingriff in die Privatautonomie in Gestalt des Entzugs der Verfügungsrechte nur dann vornehmen, wenn Dritte durch die Ausübung der Verfügungsrechte gefährdet werden. Anderenfalls wäre eine staatliche Vertretbarkeitskontrolle unternehmerischer Entscheidungen die Regel, die regelmäßig nicht durchführbar ist, vielmehr planwirtschaftliche Züge aufweisen würde. Tendenziell anders fällt dieser Befund hinsichtlich der Funktion als haftungsauslösendem Zeitpunkt aus. Indem die Fortführungsprognose einen positiven Nettogegenwartswert verlangt, wird grundsätzlich eine Situation umschrieben, bei der opportunistisches Verhalten die Ausnahme und nicht die Regel sein sollte. Dennoch wirkt sich auch im Rahmen des rechtlichen Überschuldungsbegriffs der Umstand aus, dass die krisenbedingte Revision des Anreizsystems Prozess und nicht Zeitpunkt ist. Die Effektivität der rechtlichen Überschuldung als Haftungsauslöser wird zusätzlich dadurch beeinträchtigt, dass negative Fortführungsprognose und rechnerische Überschuldung gleichzeitig und kumulativ vorliegen müssen. War die Gesellschaft in der Vergangenheit erfolgreich, ist aber mit hinreichender Sicherheit von ihrem baldigen Sterben, etwa aufgrund eines überlebten Geschäftsmodells, auszu-

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gehen, entstehen Anreize zur Wahl einer spekulativen Strategie. Solange keine bilanzielle Überschuldung eintritt, kann auch die fehlende Fortführungsaussicht keine Insolvenzverschleppungshaftung begründen. Der Geschäftsleitung verbleibt also ein Fenster für Spekulationen auf Kosten der Gläubiger, das sie mehr oder weniger bewusst ausnutzen kann und wird. Kritisch ist mit Blick auf diese Funktion der Überschuldung auch die umstrittene Frage, inwieweit bei der Fortführungsprognose eine aus der Vergangenheit herrührende Überschuldung zu berücksichtigen ist. Verlangt man im Rahmen der positiven Fortführungsprognose ausschließlich, dass für die Zukunft die Finanzkraft oder Ertragskraft sichergestellt ist, wird eine aus der Vergangenheit herrührende Überschuldung konserviert221. Verzichtet man auf die Feststellung des Umfangs der bisher eingetretenen Überschuldung222, lässt sich anhand der Einzahlungsüberschüsse nicht abschätzen, inwieweit die Gesellschaft als Unternehmensträgerin in die Gewinnzone zurückzukehren in der Lage ist. Die typische Unterinvestitionssituation führt damit weder zu einem Übergang der Verfügungsrechte noch zu einer haftungsbewehrten Pflicht der Geschäftsleitung, die in der Fortführungsprognose dokumentierten erwarteten Einzahlungsüberschüsse zu realisieren. Eine an den Überschuldungstatbestand anknüpfende Haftungsregel verlangt deshalb, dass eine bestehende Überschuldung auch bei der Fortführungsprognose in Ansatz zu bringen ist. (2) Der Überschuldungsbegriff der InsO (a) Struktur Für den Zeitraum ab Inkrafttreten des Insolvenzrechtsreformgesetzes am 1. 1. 1999 bis zum 17. 10. 2008 bestimmte § 19 Abs. 2 S. 1 InsO, dass Überschuldung vorliegt, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, wobei bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen ist, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Der Insolvenzrechtsreformgesetzgeber hatte damit die sogenannte alte bzw. herkömmliche zweistufige Methode aufgegriffen223. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zur „neuen“ zweistufigen Überschuldungsprüfung ist, dass, unabhängig vom Ergebnis der Fortführungsprognose, immer auch ein bilanzieller Vermögensausweis zu erfolgen hat224. Das Prognose221

Vgl. Bähner, KTS 1988, 443 (449 f.). So etwa Ulmer, KTS 1981, 469 (478). 223 Dem folgend etwa Poertzgen, GmbHR 2007, 485 (485). Zur Aufnahme der älteren zweistufigen Methode vgl. Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 42 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 53; Fenske, AG 1997, 554 (555); Wolf, DStR 1995, 859 (589 ff.). Die Berücksichtigung einer Fortführungsprognose im Rahmen von § 19 InsO gänzlich ablehnend Vonnemann, BB 1991, 867 (868 f.). Früher vertreten etwa von Fischer, GmbHG, 10. Aufl., § 63 Nr. 1; Zilias, WPg 1977, 445 (446 ff.); in der Tendenz ähnlich Bilo, GmbHR 1981, 73 (76). 224 Vgl. Ensthaler/Zech, in: Achilles/Ensthaler/Schmidt, GmbHG, 1. Aufl., § 64 Rn. 5; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 33 f.; Kleindiek, in: Lutter/Hommel222

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ergebnis entscheidet allein darüber, wie die Vermögensgegenstände und gegebenenfalls die Verbindlichkeiten zu bewerten sind225. Die Prognose wird zwar nicht abgeschafft, wohl aber zur bloßen Bewertungsprämisse „herabgestuft“226. Konkret hieß das, dass bei negativer Fortführungsprognose ein Status zu Liquidationswerten aufzustellen war, während bei positiver Prognose das Gesellschaftsvermögen nach Fortführungswerten zu bewerten war. Materieller Unterschied zur bisherigen Überschuldung im Rechtssinne war, dass bei positiver Fortführungsprognose, aber bilanzieller Überschuldung zu Fortführungswerten die Gesellschaft überschuldet ist227. Auch der Bundesgerichtshof sah vor dem Hintergrund der eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers die Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung als unmöglich an, indem er mit Urteil vom 5. 2. 2007 ausdrücklich anerkannte, dass mit der Neufassung des Überschuldungstatbestandes in § 19 Abs. 2 InsO für das neue Recht der zur Konkursordnung ergangenen Rechtsprechung zum so genannten rechtlichen Überschuldungsbegriff die Grundlage entzogen sei228. Hinter dieser Neuausrichtung der InsO stand die Idee, dass, würde das Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose stets zu einer Verneinung materieller Insolvenzreife führen, die Gesellschaft trotz fehlender persönlicher Haftung weiter wirtschaften könnte, ohne dass ein die Schulden deckendes Kapital zur Verfügung steht229. Durch die Anbindung an die zur Schuldendeckung vorhandenen Vermögenswerte sollten deshalb die Risiken, die mit einer Fortführungsprognose verbunden sind, verringert werden230. Zweifelsfrei wird durch Einschränkung der Bedeutung der Fortführungsprognose eine theoretische Vorverlagerung der Insolvenzeröffnung wie auch ein früheres Eingreifen der Insolvenzverschleppungshafhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 16; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 41; Hüffer, AktG, § 92 Rn. 10a; Spindler, in: MünchKommAktG § 92 Rn. 24; Drukarczyk in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 43. ders./Schüler, Kölner Schrift, 95 (124). 225 Vgl. Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (762); Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 7. 226 Vgl. K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (197); Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 4; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 18 Rn. 11; Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 19 Rn. 10, Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 21; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 44; Poertzgen, GmbHR 2007, 485 (485); Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1175). 227 Vgl. Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 45; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Anh zu § 64 Rn. 20 f.; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 13; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 6a; Wolf, DStR 1995, 859 (859). 228 BGH, Urt. v. 5. 2. 2007 – II ZR 234/05, ZIP 2007, 676 (676) = DB 2007, 790 (790); vgl. zuvor schon BGH, Urt. 23. 02. 2004 – II ZR 207/01, ZIP 2004, 1049 (1051); vgl. auch BGH, Urt. v. 25. 07. 2007 – II ZR 390/03, NZI 2006, 58 (60): „auf die es nach damaliger Rechtslage […] ankam“. Gleicher Befund bei K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (197); Arends/Möller, GmbHR 2008, 169 (169 f.). 229 Vgl. Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, 2. Aufl., § 92 Rn. 28; vgl. auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Anh zu § 64 Rn. 16. 230 Vgl. Haas/Müller, Bilanzierungsprobleme bei der Erstellung eines Überschuldungstatbestandes, 1799 (1806).

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tung herbeigeführt. Auch vermeidet die Berücksichtigung der Fortführungsprämisse eine einseitige Orientierung an Liquidation oder Fortführung, wie sie den einstufigen Konzepten zu Eigen ist231. Ob aber hierdurch zielgenauer als nach der bis zum 1. 1. 1999 geltenden Rechtslage die aus der Fortführung einer sich in der Krise befindenden Unternehmung resultierenden Gefahren adressiert werden, ist damit nicht beantwortet. Die Theorie verlangt, dass die Verfügungsrechte dann auf die Gläubiger überzugehen haben, wenn die Entscheidungen von Geschäftsleitung und Gesellschaftern aufgrund der krisenhaften Zuspitzung nicht mehr verbürgen, dass der Marktwert der Unternehmung im Interesse aller maximiert wird. Eine Liquidationsentscheidung ist insbesondere dann notwendig, wenn der Marktwert der Erträge unter dem der Schulden liegt. Nicht zwingend besteht aber die Notwendigkeit, dies an bilanziellen Größen auszuweisen232. Soweit die Überschuldung in ihrer Funktion als Auslöser der Insolvenzverschleppungshaftung betroffen ist, gilt auch – trotz der beabsichtigten Vorverlagerung der Insolvenzreife – für die zweistufige Methode der Insolvenzordnung, dass durch Überschuldung nicht der Zeitpunkt umschrieben wurde, ab dem sanktionswürdige Fehlanreize auftreten. Bei negativer Fortführungsprognose, aber noch nicht eingetretener bilanzieller Überschuldung zu Liquidationswerten besteht für die Schuldnergesellschaft ein Anreiz, die Gesellschaft zu Lasten der Gläubiger fortzuführen. Erwartete Erträge werden nicht aufs Spiel gesetzt und der sich aus dem Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten ergebende Überschuss kann zu gering sein, um eine vermögensmäßig relevante Größe für Gesellschafter und Geschäftsleitung darzustellen. Das strukturelle Problem der Insolvenzverschleppungshaftung, die Anknüpfung an einen konkreten Zeitpunkt, bleibt somit trotz der Vorverlagerung erhalten. Darüber hinaus gilt umgekehrt, dass möglicherweise auch dann, wenn eine Bewertung zu Liquidations- als auch Fortführungswerten eine bilanzielle Überschuldung ergibt, die Fortführungsprognose hinreichend günstig sein kann, um Gesellschafter und Geschäftsleiter von der Durchführung riskanter Investitionsprojekte auf Kosten der Gläubiger abzuhalten. Dies wird insbesondere bei Gesellschaften aus dem Dienstleistungsbereich zu gelten haben, deren physisches Betriebsvermögen begrenzt ist, die gleichzeitig aber über erhebliches Humankapital verfügen. Kommt es in solchen Unternehmen zu einem sprunghaften Anstieg der Verbindlichkeiten, wird die Gesellschaft trotz positiver Fortführungsprognose und fehlender Anreize zu opportunistischem Verhalten in die Insolvenz gezwungen, weil das umfangmäßig begrenzte, zu Fortführungswerten ansetzbare Betriebsvermögen nicht ausreicht, um die Verbindlichkeiten abzudecken, und das eigentlich ausreichende Humankapital im Überschuldungsstatus als reine Ertragserwartung ohne physisch-reales Substrat nicht abbildbar ist. 231

Vgl. Drukarczyk/Schüler, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 35 ff. Kritisch auch Hüffer, AktG, § 92 Rn. 10a: „Das muss man in der Sache nicht überzeugend finden; an Prüfung rechnerischer Überschuldung und an Antragspflicht bei ihrem Vorliegen führt aber kein Weg vorbei“. 232

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

(b) Liquidations- und Fortführungswerte Ob und inwieweit Überschuldung im Rechtssinne und zweistufige Methode der InsO in der Praxis unterschiedliche Ergebnisse zeitigen, wird trotz der theoretisch unterschiedlichen Herangehensweisen maßgeblich davon bestimmt, wie die Bewertung konkret durchzuführen ist, wie also Liquidations- und Fortführungswerte zu ermitteln sind. Im Schrifttum wird aus diesem Grund zu Recht darauf hingewiesen, dass erst die konkrete Handhabung des Überschuldungstatbestandes der InsO durch die Rechtsprechung Aufschluss darüber zu geben vermag, inwieweit sich Unterschiede zur Überschuldung im Rechtssinne ergeben233. § 19 Abs. 2 S. 2 InsO in der Fassung des Insolvenzrechtsreformgesetzes verlangte den Ansatz von Liquidationswerten, falls die Fortführung der Kapitalgesellschaft nicht überwiegend wahrscheinlich ist, ließ aber gleichzeitig offen, was ein Liquidationswert ist234. Allgemein wird hierunter der Betrag verstanden, der bei sofortiger (fiktiver) Liquidation realisierbar wäre235. Ob hierbei von einer Einzel- oder aber einer Gesamtbewertung auszugehen ist, wird nicht einheitlich beantwortet236. Nach wohl herrschender Ansicht ist Ausgangspunkt zur Bestimmung des Liquidationswertes die Ermittlung der Einzelerlöse, die bei isolierter Veräußerung der jeweiligen Vermögensgegenstände erzielbar wären237. Unter Berücksichtigung der besonderen Verwertungsart im Rahmen des Insolvenzverfahrens ist der Wechsel von der Teil- zur Gesamtwertbetrachtung möglich238. Hierfür werden allerdings greifbare Anhaltspunkte gefordert239. Der Liquidationswert ist somit nicht identisch mit dem Zerschlagungswert, solange anzunehmen ist, dass die durchzuführende Liquidation ohne Zwang erfolgt240. Faktoren, die die konkrete Höhe der Liquidationswerte be233

Vgl. Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 45. Vgl. Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 10. 235 Vgl. Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 87; Burger/Schellberg, BB 1995, 261 (266); Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 35; Wolf, DStR 1995, 859 (859). Vgl. auch Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO § 19 Rn. 27. 236 Vgl. hierzu Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, § 19 Rn. 16. Für zwingende Einzelbewertung offensichtlich Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 52. 237 Vgl. Bußhardt, in: Braun, InsO, § 19 Rn. 13; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 18 ff.; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 10; Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 101; Fromm, ZInsO 2004, 943 (944). 238 Vgl. Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO § 19 Rn. 6; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 10; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 18; Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 101 f.; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 54. 239 Vgl. Kirchhof, in: HeidelbergerKommInsO, § 19 Rn. 15; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 10; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 18; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 54. 240 Vgl. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 27; Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 19 Rn. 21; Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 91. Wohl anderer Ansicht oder doch zumindest undeutlich Zech, in: Ensthaler/Pfüller/Schmidt, GmbHG, § 64 Rn. 5: Liqui234

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einflussen, sind neben der Tatsache, ob mit einem Teil- oder Gesamtverkauf des Unternehmens zu rechnen ist, der Grad der Spezialisierung des Unternehmens, der die Verwertbarkeit der Sachanlagen bestimmt, die Frage, ob eine Krisensituation nur das konkrete Unternehmen oder aber die ganze Branche betrifft, der Gebrauchszustand der Sachanlagen sowie nicht zuletzt der Zeitraum der Zerschlagung241. Umstrittener war hingegen, wie der bei einer positiven Prognose zugrunde zu legende Fortführungswert zu ermitteln ist242. Allgemein gilt, dass die Vermögensgegenstände unter der Prämisse der Fortführung zu Betriebsbestehenswerten anzusetzen sind243. Keine Einigkeit besteht darüber, was dies konkret zu bedeuten hat. Gesamtwert- und einzelwertorientierte Konzepte konkurrieren hier ebenso wie die Begrifflichkeiten der Nutzungswerte, Substanzwerte, Ertragswerte, Reproduktionsbzw. Wiederbeschaffungswerte244. Zunächst ist auch hier an die Fortschreibung der handelsbilanzrechtlichen Going-Concern-Werte nach §§ 253 ff. HGB zu denken245, soll doch die Bilanz gemäß § 246 HGB einen zutreffenden Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Unternehmung vermitteln246. Auch das die Bilanzerstellung dominierende Prinzip der Vorsicht erscheint zunächst als Korrektiv für die Gefahr des Ansatzes allzu optimistischer Fortführungswerte247. Die Instrumentalisierung der Handelsbilanz für die Zwecke der Erstellung des Überschuldungsstatus scheitert aber auch in diesem Zusammenhang aus dem bereits benannten Grund, dass entgegen der Funktion des Überschuldungsstatus eine Hebung stiller Reserven damit unmöglich würde248, aufgrund planmäßiger Abschreibungen also nicht der wahre Wert der Gegenstände abgebildet werden könnte249. Als wohl herrschend lassen sich der Ansatz von Wiederbeschaffungs-250 und (steuerrechtli-

dationswert der Wert, der bei Zerschlagung des Unternehmens realisiert werden könnte; ähnlich auch Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 52. 241 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 30; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 10; vgl. auch IDW (FAR), WPg 1997, 22 (25). 242 Vgl. hierzu Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (769 ff.). 243 Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 110; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 25; kritisch hierzu bereits Drukarczyk, ZGR 1979, 552 (566 ff.). 244 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 29; Reck, ZInsO 2004, 661 (664); Überblick bei Wolf, DStR 1995, 859 (860 ff.). zu Recht kritisch etwa Bähner, KTS 1988, 443 (449). 245 Die Handelsbilanz als „geeignete Ausgangsbasis“ verwendet etwa Wolf, DStR 1995, 859 (862). 246 Vgl. Wolf, DStR 1995, 859 (862). 247 In diese Richtung Wolf, DStR 1995, 859 (862). 248 Vgl. Müller/Haas, Kölner Schrift, 1799 (1806). A.A. Wolf, DStR 1995, 859 (862) unter Verweis auf die im Rahmen der BGH-Regeln zum Eigenkapitalersatzrecht ebenfalls unterbleibende Berücksichtigung stiller Reserven. 249 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 29. 250 Vgl. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 25 f.; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 10; hierfür aus dem früheren Schrifttum etwa Bilo, GmbHR 1981, 73 (77).

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chen) Teilwerten251 bezeichnen. Wiederbeschaffungswert ist der Wert, den das Unternehmen zu investieren hätte, würde der Gegenstand im Rahmen eines funktionierenden Betriebes zerstört werden252. Zu seiner Feststellung ist der Einzelveräußerungswert um den Ertragswert bzw. Betriebsbestehenswert erhöht anzusetzen253. (Steuerrechtlicher) Teilwert ist hingegen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens (jeweils) für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde unter der Prämisse, dass der Erwerber das Unternehmen fortführt254. Strukturelles Hauptproblem dieser verschiedenen Wertansätze zur Bestimmung des Fortführungswertes bilanziell ausgewiesener Vermögensgüter ist der Umstand, dass die Bewertungsprämisse notwendigerweise eine Berücksichtigung der durch den Verbund an Produktionsmitteln generierten zukünftigen Ergebnisse (Ertragswert) voraussetzt255. Die einzelnen Vermögensgegenstände müssen mit dem Wert angesetzt werden, der ihrem Anteil am betrieblichen Leistungsprozess entspricht256. Im Ergebnis erschöpfen sich die vorgeschlagenen Verteilungsschlüssel darin, einerseits einen höheren Wertansatz als unter Ansatz von Liquidationswerten, andererseits eine nicht vollständige Berücksichtigung eines ermittelten Ertragswertes zu ermöglichen257. Die verschiedenen Konzepte zur Bestimmung eines Fortführungswertes stellen nichts anderes dar als ökonomisch nicht legitimierbare Risikoabschläge auf einen bestehenden Fortführungs-, d. h. Ertragswert258. Zum einen bleibt ausgeblendet, dass bereits der prognostizierte Ertragswert das erwartete Risiko abbildet, zum anderen existiert keine Orientierungshilfe, mit der dieser zusätzliche Sicherheitsabschlag zu bestimmen wäre. Als Beispiel kann hierzu auf das bekannte Problem verwiesen werden, wie Fehlinvestitionen bei Reproduktionswerten zu berücksichtigen sind259.

251

Vgl. Habersack, in: GroßKommAktG, § 92, Rn. 55; Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 19 Rn. 22 f. 252 Vgl. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 26. 253 Vgl. Pöhlmann, in: Graf-Schlicker, 1. Aufl., InsO, § 19 Rn. 12. 254 Vgl. Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 55. Ablehnend Haack, BB 1981, 883 (887) und Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (771 f.) unter Darstellung seiner Defizite im Kontext der Überschuldungsmessung. 255 Insoweit zu Recht kritisch Vonnemann, BB 1991, 867 (868); Haack, BB 1981, 883 (887). Vgl. auch Bähner, KTS 1988, 443 (449): „[…] wird mit Recht darauf hingewiesen, dass nicht der Wert einzelner Vermögensgegenstände in der Überschuldungsrechnung entscheidend sein kann, sondern – wenn überhaupt – nur der Gesamtwert des Unternehmens, also der Ertragswert bzw. der Unternehmenswert“. 256 Vgl. Wolf, DStR 1995, 859 (860). 257 So auch Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (772). 258 Zu Recht kritisch gegenüber Betriebsbestehenswerten von Einzelwirtschaftsgütern Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (771). 259 Vgl. Fischer, DB 1981, 1345 (1347).

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Aufgrund der Defizite dieser Versuche, isolierten Bestandteilen der Aktivseite konkrete Fortführungswerte zuzuweisen, stellt sich die Frage, ob es nicht konsequenter gewesen wäre, auch im Rahmen der zweistufigen Methode der Insolvenzordnung als grundsätzliche Alternative zur Bestimmung der Vermögensbewertung unter Fortführungsprämisse den Ertragswert direkt zu aktivieren260. Eine solche Ermittlung des Fortführungswertes wurde dennoch nach h.M. aufgrund seiner vermeintlich hohen Manipulationsanfälligkeit abgelehnt261. Bzgl. der Berechtigung dieser Kritik kann auf die zur dynamisch-einstufigen und rechtlichen Überschuldungsmessung gemachten Ausführungen verwiesen werden262. Theoretische Kritik gegen die Aktivierung des Ertragswertes bei der Bewertung im Rahmen von § 19 InsO (1999) speiste sich aus der zutreffenden Überlegung, dass es wie dargestellt artifiziell ist, bestimmte Anteile eines durch Ressourcenkombination generierten Zahlungsstromes auf einzelne Vermögensgegenstände umzulegen; vor allem weil keinerlei Regel besteht, nach welchen Kriterien dies zu erfolgen hat. Im Ergebnis läuft ein derartiger Versuch darauf hinaus, eine Zahlungsfähigkeitsprognose aufzustellen, die nur künstlich und unvollständig auf Einzelgüter umgelegt wird263. Im Ergebnis wäre damit auch im Rahmen der Überschuldungsmessung nach § 19 InsO i.d.F. von 1999 die Fortführungsprognose wieder aufgewertet worden, was ökonomisch durchaus legitimierbar ist, allerdings als mit dem Willen des Insolvenzrechtsreformgesetzgebers unvereinbar erschien, der mit der Rückkehr zum alten zweistufigen Überschuldungsbegriff explizit das Ziel verfolgte, der Ertragsprognose im Rahmen des Überschuldungstatbestandes ihre eigenständige Bedeutung abzuerkennen264. Im Übrigen ist auch hier festzuhalten, dass selbst durch entsprechende Modifikationen Überschuldung kein geeigneterer Auslöser der besonderen Krisenpflichten der Geschäftsleitung wäre.

260 Dafür aus jüngerer Zeit Hüttemann, FS K. Schmidt, 765 (771); Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 23. Vgl. auch Burger/Schellberg, WiSt 1995, 226 (228). Die theoretische Überlegenheit anerkennend etwa Wolf, DStR 1995, 859 (861); Mönning, in: Nerlich/ Römermann, InsO, § 19 Rn. 25 f. sieht allerdings im Ertragswert die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Einzelveräußerungserlös. 261 Vgl. Drukarczyk, ZGR 1979, 552 (566 ff.); Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 34. Die Verwendung des Ertragswertes für zulässig erachtet aber etwa Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 30, der dann allerdings doch den Wiederbeschaffungswert ansetzen will. 262 Zu den Gegenargumenten auch Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (773 f.), der zutreffend darauf hinweist, dass auch die Ermittlung von Fortführungswerten bei Einzelbetrachtung sich mit den gleichen Unsicherheiten konfrontiert sieht. 263 Vgl. Drukarczyk, ZGR 1979, 552 (566 ff.). 264 Insoweit a.A. Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (770 f.), der den Ansatz des Ertragswerts als mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar sieht, da dieser eine realistische Bewertung der Unternehmenssubstanz eingefordert habe und diese nur durch den Ertragswert zu leisten sei.

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(c) Ansatz von Aktiva Auf der Aktivseite der Überschuldungsbilanz sind alle materiellen und immateriellen Vermögenswerte, die im Rahmen einer insolvenzmäßigen Liquidation erzielbar wären, einzustellen265. Erfasst sind nur solche Gegenstände, die in die spätere Insolvenzmasse fallen und damit zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung herangezogen werden können266. Sämtliche Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens sind aufzunehmen; Vermögensgegenstände, deren Verwertung den Umständen nach eher unwahrscheinlich ist, jedoch nur mit dem Erinnerungswert267. Stille Reserven sind aus den oben genannten Gründen aufzulösen268. Auch Ansprüche gegen Geschäftsführer und Gesellschafter sind ansetzbar, soweit sie vollwertig und realisierbar sind269. Der dahinter stehende Grundsatz, dass alle vorhandenen Vermögenswerte anzusetzen sind, soweit ihre Werthaltigkeit hinreichend sicher ist, erscheint mit beiden Funktionen der Insolvenztatbestände vereinbar. Befriedigungsmasse für die Gläubiger stellen alle tatsächlich existenten Vermögenswerte dar und auch die Anreize für Gesellschafter und Geschäftsführung werden durch die tatsächlichen und nicht etwa die handelsbilanziell ausgewiesenen (bloße Buchwerte) Vermögensverhältnisse bestimmt. (d) Immaterielle Vermögenswerte Anders als nach § 248 Abs. 2 HGB a.F.270 und ohne Rücksicht auf die auch nach der Neufassung durch das BilMoG fortbestehenden Aktivierungsrestriktionen271 dürfen in der Überschuldungsbilanz grundsätzlich auch unentgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände – etwa Patente, Gebrauchsmuster, Warenzeichen, Konzessionen und Lizenzen – angesetzt werden272. Über die Aktivierbarkeit 265 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 50; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 15; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 19 Rn. 10; Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 19 Rn. 24; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 43; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 18; Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 155. 266 Vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 36; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 31; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 47. 267 Vgl. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 34; Pöhlmann, in: Graf-Schlicker, InsO, 1. Aufl., § 19 Rn. 20. 268 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 155. 269 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 155. 270 § 248 Abs. 2 S. 1 HGB n.F. eröffnet demgegenüber nunmehr ein Aktivierungswahlrecht. Vgl. etwa Hommelhoff, ZGR 2008, 250 (254); Pellens/Schmidt, ZGR 2008, 381 (401). 271 § 248 Abs. 2 S. 2 HGB, vgl. H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 2 u. Rn. 31. 272 Vgl. IDW (FAR), WPg 1997, 22 (25); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 31; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 39; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 58; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 92 Rn. 12; Bilo, GmbHR 1981, 73 (77). Gegen eine Ansetzbarkeit hingegen auf Grundlage seines Konzepts einer liquidationsorientierten Fortschreibung der Handelsbilanz Vonnemann, BB 1991, 867 (877).

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entscheidet nicht die Frage derivativen oder originären Erwerbs, sondern die der Verwertbarkeit273. Die Berücksichtigung immaterieller Vermögenswerte hängt vom Einzelfall ab, da sie in der Regel nur bei Verwertung des gesamten Betriebs einen Geschäftswert haben274 bzw. dann, wenn sie einzeln veräußert werden können275 bzw. eine konkrete Verwertungschance besteht276. (e) Firmenwert Besondere Bedeutung für den Eintritt der Überschuldung besitzt die Frage, ob ein bestehender Firmenwert im Überschuldungsstatus zu aktivieren ist. Der Firmenwert ist der Wert, den ein Erwerber über den Zeitwert aller sonstigen einzelnen Vermögensgegenstände hinaus für ein Unternehmen zu zahlen bereit ist277. Teilweise wird die Berücksichtigung eines etwaig vorhandenen Firmenwertes gänzlich abgelehnt278, teilweise seine grundsätzliche Berücksichtigung gefordert279. Richtiger Ansicht nach wird man einen Firmenwert immer dann im Überschuldungsstatus zu aktivieren haben, wenn er konkretisiert veräußerungsfähig nachgewiesen werden kann280, die Bewertung vorsichtig erfolgt281 bzw. ein etwaiger Firmenwert hinreichend objektiv bestimmt werden kann282. Eine generelle Ansetzbarkeit eines Firmenwertes würde dazu führen, dass beliebig bildbare Erwartungen ohne (Haftungs-)Substrat bei

273

Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 93; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 31; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 2 u. Rn. 31; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 35; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 39. 274 Vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 38; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 346. 275 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 52; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 19 Rn. 11; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 39. 276 Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 92; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 10; ähnlich Bilo, GmbHR 1981, 73 (77). 277 Vgl. Bußhardt, in: Braun, InsO, § 19 Rn. 18. 278 Godin/Wilhelmi, AktG, § 92 Anm. 10; Brodmann, GmbHG, § 64 Zf. 2; ablehnend auch Vonnemann, BB 1991, 867 (870); ähnlich Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 19 Rn. 11: komme zumindest grundsätzlich nicht in Betracht. 279 In diese Richtung etwa Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 92 Rn. 12: bei positiver Fortführungsprognose stets anzusetzen, bei negativer Fortführungsprognose hingegen nur bei hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Drittverwertung. 280 Vgl. IDW (FAR), WPg 1997, 22 (25); Bußhardt, in: Braun, InsO, § 19 Rn. 18; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 40; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 31; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 31; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 58; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 47; Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 93; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 10; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 21; Zilias, WPg 1977, 445 (449); ähnlich Mönning, in: Nerlich/ Römermann, InsO, § 19 Rn. 35: zu aktivieren im Falle einer günstigen Fortführungsprognose. 281 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 155. 282 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 52.

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Feststellung der Überschuldung zu berücksichtigen wären283. Letztlich wird man jedoch in Konstellationen, in denen keine konkrete Veräußerungsmöglichkeit etc. nachgewiesen werden kann, davon auszugehen haben, dass ein über die Summe der einzelnen Vermögensgegenstände hinausgehender Firmenwert nicht existiert. Andererseits darf ein tatsächlich bestehender Firmenwert nicht ignoriert werden. Es gilt die finanzierungstheoretische Grundlage der Schuldner-Gläubiger-Beziehung zu berücksichtigen. Beide Seiten beabsichtigen Partizipation an den künftigen Einzahlungsüberschüssen bzw. Erträgen der Unternehmung. Die inhaltlich verschieden ausgestalteten Ansprüche von Gesellschaftern und Gläubigern besitzen damit das gleiche Befriedigungsobjekt. Eine fehlende Aktivierbarkeit würde diesen Umstand ignorieren, indem sie unterstellen würde, dass Grundlage der Kreditierung allein das augenblickliche, sachenrechtlich verfestigte Vermögen der Schuldnerin ist. Diese teilweise unsichere Grundlage der Finanzierungsbeziehung gilt es hinzunehmen. Auch in anderen Bereichen hindern die damit verbundenen Bewertungsschwierigkeiten nicht die Ansetzung eines Good-Wills284. Notwendig und ausreichend ist, dass auch hier die allgemein für Prognosen entwickelten Rechtsgrundsätze zur Anwendung gelangen. Es sollten hinreichend valide Prognosen für die Veräußerbarkeit genügen. Konkret hat das Leitungsorgan darzulegen und zu beweisen, dass der Ertragswert mit kaufmännischer Sorgfalt als überwiegend wahrscheinlich ermittelt wurde. Nicht zu verkennen ist allerdings auch, dass der Ansatz eines Firmenwerts im Ergebnis dazu führt, dass der Fortführungswert des Unternehmens durch seinen Ertragswert bestimmt wird285. Ein Defizit wird man darin nur sehen können, wenn man die in der Sache nicht überzeugenden Bedenken gegen den Ansatz eines Ertragswerts teilt. (f) Passiva Anders als im Rahmen der Zahlungsunfähigkeit sind im Überschuldungsstatus alle Verbindlichkeiten, unabhängig von ihrer Fälligkeit, einzustellen286. Spiegelbildlich zur Aktivseite sind alle Verbindlichkeiten zu passivieren, die im Insolvenzfall aus der Masse zu befriedigen wären287. Die Ansätze der Handelsbilanz müssen dementsprechend korrigiert werden. Nur echte Schulden sind zu erfassen, so

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Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 65 f. Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 52. 285 Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (772); Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 23. 286 Vgl. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 37; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 19 Rn. 13; Bremen, in: Graf-Schlicker, § 19 Rn. 28; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 10; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 49; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 33. 287 Vgl. Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 19 Rn. 13; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 37; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 49; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 32; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 22. 284

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dass Stamm- bzw. Grundkapital und Rücklagen nicht in Ansatz zu bringen sind288. Bewertet werden die Forderungen zu ihrem Nennwert289. (g) Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen Relevanz für die Insolvenzreife kommt auf der Passivseite insbesondere der Frage zu, ob eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen in Anschlag zu bringen sind, da sie eine Hauptfinanzierungsform kleiner Gesellschaften mit beschränkter Haftung darstellen. Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen konkurrierten nach Rechtslage vor der GmbH-Reform im Rahmen des MoMiG in der Insolvenz nicht gleichrangig mit den Forderungen ungesicherter Gläubiger, sie traten vielmehr hinter die Forderungen echter Fremdgläubiger zurück (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Sie stellten also einerseits echte Verbindlichkeiten der Gesellschaft dar, ohne jedoch die Befriedigungsaussichten der Gläubiger im Ernstfall der Liquidation zu gefährden. An dieser Doppelnatur eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen hat sich in Rechtsprechung und Wissenschaft Streit über ihre Behandlung im Überschuldungsstatus entzündet. BGH und Teile der Wissenschaft standen auf dem Standpunkt, dass nur dann, wenn ausdrücklich ein Rangrücktritt vereinbart oder der eigenkapitalersetzende Charakter der in Rede stehenden Gesellschafterdarlehen gerichtlich festgestellt worden ist, die Passivierungspflicht im Überschuldungsstatus entfällt290. Erforderlich sei eine Erklärung des darlehensgebenden Gesellschafters des Inhalts, erst nach allen Gläubigern befriedigt zu werden; der Gesellschafter müsse deutlich machen, dass er die Stellung eines Drittgläubigers aufgibt291. Der Verzicht auf eine Passivierung würde ansonsten dazu führen, dass den zuständigen Gesellschaftsorganen für die Feststellung der Überschuldung ein erheblicher Ermessens- und Manipulationsspielraum eingeräumt würde292. Mit dem RegE MoMiG war demgegenüber geplant, die Passivierungspflicht eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen auszuschließen293. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Insolvenzgründe wäre ein solcher Verzicht gut begründbar. In der Insolvenz werden 288

Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 53; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 50 ff.; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 57. 289 Vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 53; Casper, in: Ulmer/Habersack/ Winter, GmbHG, § 64 Rn. 55. 290 BGH, Urt. v. 8. 1. 2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (269 ff.); BGH, Hinweisbeschl. v. 1. 3. 2010 – II ZR 13/09, NZG 2010, 701 (701); Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 85 ff.; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 19 Rn. 14; Bremen, in: Graf-Schlicker, § 19 Rn. 31; Kind, in: Braun, InsO, 2. Aufl., § 19 Rn. 12; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 49; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 57; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 22; Haarmeyer/ Wutzke/Förster, InsO, S. 55 f.; Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1176); Ulmer, KTS 1981, 469 (480 f.). 291 BGH, Urt. v. 8. 1. 2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (217); vgl. Jula, Der GmbHGeschäftsführer, S. 155. 292 Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 55 f. 293 § 19 Abs. 2 S. 3 GmbHG RegE MoMiG. Vgl. auch Arends/Möller, GmbHR 2008, 169 (170); Wälzholz, DStR 2007, 1914 (1918 f.).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Gesellschafterleistungen faktisch wie Eigenkapital behandelt. Die Finanzierung durch eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen ermöglicht einem Gesellschafter gerade nicht die Fortsetzung der Gesellschaft bei gleichzeitiger Beschränkung des eigenen Risikos auf das eines Darlehensgebers. Auch die bisher befürchteten Ermittlungsschwierigkeiten sind aufgrund des Verzichts auf das Merkmal „kapitalersetzend“ und des mit Aufgabe der BGH-Regeln verbundenen Wegfalls der „präventiven Durchsetzungssperre“ (Haas) analog §§ 30, 31 GmbHG entfallen294. Aufgrund dennoch befürchteter Abgrenzungsschwierigkeiten ist der Bundestag von diesem Vorhaben zurückgetreten. § 19 Abs. 2 S. 2 InsO in der Fassung des FMStG ordnet an, dass nur solche Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 InsO zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, nicht bei den Verbindlichkeiten nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO zu berücksichtigen sind295. Es bleibt damit bei der grundsätzlichen Passivierungspflicht von Gesellschafterdarlehen, soweit nicht ausdrücklich ein qualifizierter Rangrückritt erklärt worden ist296. Es bleibt damit auch bei der mit Blick auf Überinvestition, Unterinvestition und claim dilution unbefriedigenden Rechtslage. Der grundsätzliche Nachrang aller Gesellschafterforderungen beseitigt den durch das Eigenkapitalersatzrecht bereits stark eingeschränkten partiellen Interessengleichlauf zwischen Gläubigern und darlehensgewährendem Gesellschaftern zur Gänze. Anteilseigner haben gewährtes Fremdkapital für den Insolvenzfall abzuschreiben und werden durch diese Vermögensposition aus Rationalitätsgründen nicht mehr gehindert, einer spekulativen Unternehmensfortführung zuzustimmen. 294 Vgl. etwa Haas, DStR 2009, 326 (326). Außerhalb der Insolvenz sind Geschäftsführer und Vorstände allerdings nach § 64 S. 3 GmbHG verpflichtet, Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen müssen, zu verweigern. 295 Unklar ist aufgrund des Wortlauts von § 19 InsO, ob der Rangrücktritt nicht nur für den Insolvenzfall, sondern weitergehend für den gesamten Zeitraum bis zur Überwindung einer Krise erklärt werden muss. Für ein solches extensives Verständnis etwa Haas, DStR 2009, 326 (327), a.A. Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227 (229 f.). Noch ungeklärt ist weiter, ob § 19 Abs. 2 InsO verlangt, dass ein Rangrücktritt bis auf die Ebene des § 199 S. 2 InsO erklärt wird oder aber vorgesehen werden kann, dass eine Befriedigung vor Verteilung der Einlagen an die Gesellschafter erfolgt. Für letzteres etwa Haas, DStR 2009, 326 (327), und – allerdings zugleich verlangend – dass die Forderungen auch hinter einen einfachen Rangrücktritt zurücktreten etwa Weitnauer, GWR 2012, 193 (193 ff.). 296 Vgl. Seibert/Decher, ZIP 2008, 1208 (1211). Zu Gestaltungsvarianten von Rangrücktrittsabreden Braun, DStR 2012, 1360 (1360 ff.); Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227 (230 ff.); Weitnauer, GWR 2012, 193 (193 ff.). In der Logik des Zurücktretens der Gesellschafterfremdfinanzierung hinter die Darlehen Dritter liegt es, dass der Gesellschafter-Gläubiger den Nachrang nicht dadurch unterläuft, dass er den Rangrücktritt nicht auf bestehende Sicherungsrechte erstreckt, vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 10. 11. 2011 – I 6 U 275/10, BeckRS 2011, 27231 = GWR 2012, 61 mit Anm. Bay. Zu den steuerrechtlichen Implikationen – insbesondere bzgl. des Passivierungsverbots gem. § 5 Abs. 2a EStG 1997 – BGH, Urt. v. 30. 11. 2011 – I R 100/10, DStR 2012, 450 (450 ff.); Braun, DStR 2012, 1360 (1360 ff.).

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Wiederum muss konstatiert werden, dass die Doppelfunktion der Insolvenztatbestände zu kaum auflösbaren Zielkonflikten führt. (h) Verfahrenskosten Nach ganz herrschender Meinung sind insolvenzspezifische Ingangsetzungs- und Abwicklungskosten im Rahmen des Überschuldungsstatus nicht zu berücksichtigen297. Hierzu sind Gerichtskosten, Vergütungen und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses zu rechnen298. Für ihre Ausklammerung aus dem Überschuldungsstatus wird darauf verwiesen, dass Abwicklungskosten erst durch die Verfahrenseröffnung entstehen299. Dies erscheint nicht unbedenklich, wird doch damit dem Phänomen masseloser Insolvenzen geradezu zugearbeitet. Eine wirksam ausgestaltete Insolvenzantragspflicht, die auch praktisch eine zeitnahe Verfahrenseinleitung durch die Geschäftsleitung nach sich zieht, könnte bei Berücksichtigung der Verfahrenskosten im Überschuldungsstatus sicherstellen, dass die Verfahrenskosten aus dem Gesellschaftsvermögen zumindest teilweise gedeckt werden. Die mit dem Insolvenzverfahren verfolgte Effektuierung der Abwicklung eines insolventen Rechtsträgers könnte damit besser gewährleistet werden. Demgegenüber sollten dogmatisch begründete Kausalitätserwägungen in den Hintergrund treten. (i) Fortführungsprognose Sowohl im Rahmen des klassischen zweistufigen Überschuldungsbegriffs als auch – wenn auch in geringerem Umfang – des Überschuldungstatbestands der InsO kommt der Fortführungsprognose entscheidende Bedeutung für das Entstehen der Insolvenzantragspflicht zu300. Bei der Fortführungsprognose handelt es sich grundsätzlich um eine in die Zukunft gerichtete wertende Betrachtung, bei der die Besonderheiten des schuldnerischen Unternehmens berücksichtigt werden müssen301. Maßgebliche Bedeutung kommt Prognosegegenstand, -zeitraum und -wahrscheinlichkeit zu. (aa) Prognosegegenstand Allgemein gilt, dass im Rahmen der Fortführungsprognose selbstverständlich nicht darüber zu entscheiden ist, ob die Fortführung des Unternehmens für die Eigentümer die bessere Handlungsoption ist302. Mit Blick auf die krisenbedingte Re297 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 53; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 16; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 19 Rn. 15; Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 19 Rn. 28: Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 33. 298 Vgl. Pöhlmann, in: Graf-Schlicker, 1. Aufl., InsO, § 19 Rn. 17. 299 Vgl. Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 19 Rn. 15. 300 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 143. 301 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 32. 302 Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 53.

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vision des Anreizsystems muss dies schon daraus resultieren, dass Geschäftsleiter aufgrund der Wirkung der Haftungsbeschränkung u. U. wirtschaftlich objektiv nicht vertretbare Entscheidungen treffen, die das Recht nicht anzuerkennen bereit ist. Maßstab für Terminierungs- und Haftungsregel ist vielmehr die Frage, inwieweit Gläubigerpositionen gefährdet sind303. Die Fortführung muss und darf nur dann zulässig sein, wenn Gläubigeransprüche erfüllt, d. h. vereinbarte Zins– und Tilgungszahlungen voraussichtlich geleistet werden können304. Nicht einheitlich beantwortet wird, wie die Fähigkeit der Gesellschaft hierzu zu bestimmen ist. Einigkeit besteht zunächst dahingehend, dass die Prognose zum Schutze von Gläubigern und auch Geschäftsleitung auf objektiv überprüfbare Kriterien gegründet sein muss305. Die Interessen der Gesellschaftsgläubiger werden nur dann durch die Insolvenzantragspflicht geschützt, wenn die Bestimmung des Insolvenzzeitpunktes nicht dem Wunschdenken der Geschäftsleiter überlassen bleibt306. Für Geschäftsleiter, denen persönliche Haftung und Strafbarkeit drohen, ist die Erkennbarkeit in gleicher Weise Desiderat. Nach wohl herrschender Ansicht bildet die Finanzkraft des Unternehmens, d. h. die künftige Zahlungsfähigkeit, den Gegenstand der Fortführungsprognose307. Die Fortführungsprognose fällt hiernach positiv aus, wenn die Finanzkraft des Unternehmens trotz rechnerischer Überschuldung nach überwiegender Wahrscheinlichkeit ausreicht, um das Unternehmen fortzuführen308. Die Finanzkraft ist ihrerseits zu ermitteln über einen Finanzplan309, d. h. durch vollständige Gegenüberstellung der Ein- und Auszahlungen entsprechend ihrer Fristigkeit310. Ausgangspunkt der Prognoserechnung ist das Unternehmenskonzept, das sich aus den Elementen Ziel303 Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 53; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 28. 304 Vgl. Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 53; Fenske, AG 1997, 554 (557). 305 Vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 28; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 1. Aufl., § 92 Rn. 24. 306 Vgl. Kirchhof, in: HeidelbergerKommInsO, § 19 Rn. 11; Bork, ZIP 2000, 1709 (1711); Fromm, ZInsO 2004, 943 (945). 307 Vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 27; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 51; Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 53; ders./Schüler, Kölner Schrift, 95 (127 f.); Haas/Müller, Bilanzierungsprobleme bei der Erstellung eines Überschuldungstatbestandes, 1799 (1805); Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 369; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 21; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 25; Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 24; Weitnauer, GWR 2012, 193 (193); vgl. auch Bitter/Kresser, ZIP 2012, 1733 (1735 f.). 308 Vgl. Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 19 Rn. 11; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 52; Bork, ZIP 2000, 1709 (1709); Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 85; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 369. 309 Vgl. Drukarczyk, WM 1994, 1737 (1741); ders., in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 54; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 28; Egner/Wolff, AG 1978, 99 (102 f.); Hüffer, AktG, § 92 Rn. 12. 310 Vgl. Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 78; Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 85.

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vorstellungen des Krisenunternehmens, Unternehmensstrategien, Gestaltungsrahmen des Unternehmens und beabsichtigten Handlungsabläufen zusammensetzt311. Die hierdurch gewonnenen Daten sind in eine Finanzplanung einzustellen312. Kritik an der Fortführungsprognose entzündet sich insbesondere an den mit ihr verbundenen Unsicherheiten. Die künftige Zahlungsunfähigkeit sei kaum bestimmbar, müsse aber, weil sie die Antragspflicht der Geschäftsleitung begründe, objektiv näherungsweise festzustellen sein; die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für die Orientierung an einer Vermögensrelation werde ignoriert313. Erneut handelt es sich um die generellen Bedenken, die der Verwendung von Prognosen entgegen gebracht werden, so dass auf die Ausführungen im Rahmen des Ertragswertverfahrens und der neuen zweistufigen Methode verwiesen werden kann. Unter Berücksichtigung der Fehlanreize in der Krise der Kapitalgesellschaft ist hingegen primär das ausschließliche Abstellen auf die Befriedigung der Fremdkapitalpositionen (Zahlungsfähigkeit) problematisch. Es gelten die bereits im Rahmen der dynamisch-einstufigen Methode dargestellten Einwände. Ergibt sich im Rahmen einer Fortführungsprognose, dass die Gesellschaft im Prognosezeitraum zahlungsfähig ist, aber keine nennenswerten Erträge wird erwirtschaften können, ist die Fortführung der Gesellschaft für Anteilseigner und Geschäftsleitung nur noch mit Mühen, nicht aber mit Erträgen verbunden. Unter- und Überinvestition sowie Verwässerungsstrategien stellen die subjektiv rationale Antwort auf eine solche Prognose dar314. Will man den positiven Fortführungswert der Gesellschaft sichern, wäre es deshalb erforderlich, bei fehlender Aussicht auf Gewinn entweder bereits haftungsbewehrte Verhaltenspflichten zu etablieren oder aber die Verfügungsrechte auf die Gläubiger zu übertragen. Einen Schritt in diese Richtung stellt es dar, wenn alternativ oder kumulativ die Fortführungswürdigkeit anhand eines Erfolgsplanes bestimmt wird315. Ein Er311 Vgl. IDW (FAR), WPg 1997, 22 (23); Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 36; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 28. 312 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 36. 313 Einen Überblick über die Kritikpunkte liefert Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 87. 314 Dieses aus dem Abstellen auf die bloße Zahlungsfähigkeit resultierende Anreizproblem nicht thematisierend Bitter/Kresser, ZIP 2012, 1733 (1749): „Gläubiger trotz rechnerisch-bilanzieller Überschuldung nicht gefährdet […], wenn die schuldnerische Gesellschaft gleichwohl ihre Zahlungsverpflichtungen erfüllen kann“. 315 Für eine kumulative Berücksichtigung von Finanz- und Ertragskraft etwa OLG Schleswig, Urt. v. 19. 10. 2000 – 5 U 138/99, NZG 2001, 273 (274); AG Hamburg, Beschl. v. 2. 12. 2011 – 67c IN 421/11, ZIP 2012, 1776 (1777) (zu § 19 Abs. 2 S. 1 InsO i.d.F. des FMStG), LG Göttingen, Beschl. v. 3. 11. 2008 – 10 T 119/08, NZI 2008, 751 (752); wohl auch OLG Frankfurt a. M, Urt. v. 18. 8. 2004 – 23 U 170/03, NZG 2004, 1157 (1158); Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 35; Pape, in: Kübler/Prütting, § 19 InsO, Rn. 16. Wohl auch Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 27, der zwar einerseits als Prognosegegenstand die Zahlungsfähigkeit bezeichnet, andererseits die Aufstellung eines Finanz- und Ertragsplans postuliert. Ähnlich auch Bähner, KTS 1988, 443 (446 f.), der auf Gewinne, d. h. die Rentabilität, abstellen will, und

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folgsplan ist die Gegenüberstellung zukünftiger Kosten und Erträge und ermöglicht so die Feststellung der künftigen Periodenüberschüsse316. Die Berücksichtigung der Ertragskraft trägt dem Umstand Rechnung, dass eine seriöse Fortsetzung der Gesellschaft nur dann erwartet werden kann, wenn diese auch aus Sicht der Gesellschafter Sinn macht. Der Ansatz einer Verzinsung auf das Eigenkapital im Rahmen eines Ertragsplans sieht sich allerdings den gleichen Bedenken ausgesetzt wie im Rahmen einer reinen ertragsorientierten Überschuldungsmessung. Die abstrakt bestehende Gefahr, dass aufgrund einer niedrigen erwarteten Verzinsung opportunistische Strategien verfolgt werden könnten, rechtfertigt für sich nicht den Eingriff in die Verfügungsgewalt der Gesellschafter317. Die Unvereinbarkeit der Anforderungen an eine Haftungsregel, die opportunistisches Verhalten wirksam zu unterbinden vermag, und an die Insolvenzantragspflicht als Terminierungsregel, offenbart sich somit auch im Rahmen der Fortführungsprognose. Bedenkenswert erscheint deshalb erneut ein Alternativprogramm, wonach abstrakte Gefahren für die Positionen der Gläubiger von der Rechtsordnung mit erhöhten Sorgfaltsanforderungen beantwortet werden, die Insolvenzantragspflicht unabhängig hiervon hingegen erst dann greift, wenn die ökonomische Überlebensfähigkeit der Gesellschaft verneint werden muss. (bb) Prognosezeitraum Ob eine Gesellschaft fortführungswürdig ist, hängt darüber hinaus maßgeblich von der Wahl eines kurz-, mittel- oder langfristigen Prognosezeitraums ab. Der Insolvenzrechtsreformgesetzgeber hat sich bewusst einer Bestimmung des Prognosezeitraums enthalten318. Zu berücksichtigen ist, dass die Erkenntnismöglichkeiten der Betriebswirtschaftslehre den denkbaren Zeitraum einer validen Prognose begrenzen319. Regelmäßig wird angenommen, Prognosezeitraum sei das laufende und kommende Geschäftsjahr320 bzw. mindestens ein Jahr321 bzw. zwei Jahre bzw. H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 25, der als Prognosegegenstand die Finanzkraft ansieht, aber ebenfalls die Aufstellung eines Ertrags- und Finanzplans verlangt. Wieder anders Bitter/Kresser, ZIP 2012, 1733 (1740), die der Ertragsfähigkeit keine eigenständige Funktion zuerkennen wollen, sie aber als wichtiges Indiz für die Zahlungsfähigkeit behandeln. 316 So Pöhlmann, in: Graf-Schlicker, 1. Aufl., InsO, § 19 Rn. 8; ähnlich Bremen, in: GrafSchlicker, InsO, § 19 Rn. 14: Finanzplan um Plan-GuV und Plan-Bilanz zu ergänzen. 317 Beispiele, in denen trotz fehlender Ertragsfähigkeit die Einleitung eines Insolvenzverfahrens nicht geboten erscheint, jüngst bei Bitter/Kresser, ZIP 2012, 1733 (1734 f.). 318 Vgl. Bußhardt, in: Braun, InsO, § 19 Rn. 23. 319 Vgl. Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 92. 320 OLG Köln, Urt. v. 19. 12. 2000 – 22 U 144/00, NZG 2001, 411 (411 f.); vgl. Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 50; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 19; Pöhlmann, in: Graf-Schlicker, InsO, 1. Aufl., § 19 Rn. 9; Krieger/Sailer, in: Schmidt/ Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 7 („Zeitraum von ein bis zwei Jahren“); grundsätzlich auch Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 29 f.; auch IDW (FAR), WPg 1997, 22 (24) für den Fall eines unterjährigen Stichtags. 321 Vgl. IDW (FAR), WPg 1997, 22 (24).

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maximal 2 – 3 Jahre322. Alternativ wird auch für den Prognosezeitraum empfohlen, keine festen Grenzwerte zu bestimmen, sondern vielmehr auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzustellen323 bzw. Unternehmens- und Branchenspezifika zu berücksichtigen324. Im Ergebnis wird man den Ansichten zuzustimmen haben, die den Prognosezeitraum auf maximal zwei Jahre begrenzen. Weiter in der Zukunft liegende Zahlungen sind kaum seriös prognostizierbar und bieten somit einen Spielraum für gefärbte Prognoserechnungen der Geschäftsleitung. Alternative ist, auch diese unsicheren Zahlungen zu berücksichtigen, allerdings der Unsicherheit durch einen entsprechend hohen Diskontierungsfaktor Rechnung zu tragen. (cc) Wahrscheinlichkeitsmaß Das Gesetz verlangt weiter, dass die Fortführung überwiegend wahrscheinlich ist, ohne konkreter zu fassen, was unter überwiegender Wahrscheinlichkeit verstanden werden muss. In Betracht kommt grundsätzlich eine qualitative wie auch eine quantitative Interpretation. Nach dem wohl herrschenden einfachen quantitativstatistischen Verständnis ist bereits dann von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit auszugehen, wenn für das Fortbestehen der Unternehmung der Gesellschaft eine Wahrscheinlichkeit von 50 þ e %, für die Liquidation also eine Gegenwahrscheinlichkeit von 50 ¢ e % mit e 2 ¤0; 1¤ besteht325. Alternativ lässt sich überwiegende Wahrscheinlichkeit dahingehend verstehen, dass Wahrscheinlichkeit und Umfang des Scheiterns bestimmte Werte (Konfidenzniveaus), etwa 10 %, nicht überschreiten (value at risk). Qualitative Definitionen der überwiegenden Fortführungswahrscheinlichkeit verlangen demgegenüber, dass auf Grund sorgfältiger betriebswirtschaftlicher Analyse die fundierte Erwartung besteht, dass das Unternehmen in Zukunft rentabel wirtschaften wird und genügend Finanzmittel erwirtschaftet werden können, um die Verbindlichkeiten des Unternehmens zu berichtigen326. Unter Effizienzgesichtspunkten ist dem quantitativen Verständnis der Vorzug zu geben. Nach dem Gesetz der großen Zahl überleben 50 þ e % der Unternehmen, so das unter der Annahme einer Normalverteilung der gesamtwirtschaftlichen Unternehmensergebnisse ein positiver Saldo verbleibt. Auch unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes erscheint die Einnahme des quantitativen Standpunkts geboten. Im Einzelfall ist die Fortführung einer Gesellschaft, deren Überlebenswahrscheinlichkeit nur bei 50 þ e % liegt, mit Gefahren für die Gläubiger dieser Gesellschaft 322

Vgl. Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 19 Rn. 12; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 52. 323 Vgl. Bußhardt, in: Braun, InsO, § 19 Rn. 23. 324 Vgl. Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 56; Bitter/Kresser, ZIP 2012, 1733 (1740). 325 Vgl. Kirchhof, in: HeidelbergerKommInsO, § 19 Rn. 13; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 19; Burger/Schellberg, WiSt 1995, 226 (230); Pelz, in: Bürgers/ Körber, AktG, § 92 Rn. 20; zu den Einzelheiten eines solchen Vorgehens unter Berücksichtigung von Unsicherheit Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 66 ff. 326 Vgl. Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 369.

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verbunden. Wird der Gesellschaft die Fortführung gestattet, scheitert sie letztlich aber, wird die Fortführung mit weiteren Vermögenseinbußen der Gläubiger verbunden sein. Hingegen profitiert die abstrakte Gesamtheit aller Gläubiger gleichfalls von dem Umstand, dass insgesamt 50 þ e % der Unternehmen überleben, da in diesen Fällen eine vollständige Befriedigung ihrer Verbindlichkeiten erfolgt. Selbstverständlich ist damit nur ein Ziel bestimmt. In der Praxis lässt sich nicht mit Sicherheit ermitteln, ob eine 49 %-ige oder 51 %-ige Wahrscheinlichkeit gegeben ist327. Damit steht aber nicht die Justiziabilität einer Fortführungsprognose generell in Frage. Als Benchmark für die prognostizierten Daten können die in der Vergangenheit realisierten Daten herangezogen werden328. Darüber hinaus sind auch die Alternativkonzepte einer qualitativen Fortführungsprognose wie auch einer an den Umständen des Einzelfalls orientierten Prognose den gleichen Bedenken ausgesetzt. (dd) Fortführungswille Eine positive Fortführungsprognose setzt schließlich voraus, dass die unternehmenstragende Gesellschaft das Unternehmen fortzuführen zu beabsichtigt329. Ein realisierbarer, aber nicht realisierter Nettogegenwartswert entfaltet keine Sicherungswirkung zugunsten der Gläubiger330. Bei fehlendem Fortführungswillen stellt sich ein theoretisch vorhandener Nettogegenwartswert auch ökonomisch als reine Expektanz und finanzierungstheoretisch als manifestes Unterinvestitionsproblem dar. Anderes gilt nur dann, wenn eine Unternehmensträgerin das fortführungswürdige Unternehmen in seiner Gesamtheit als werbende Einheit zu veräußern beabsichtigt und ein Übernehmer gefunden ist331. In diesem Fall bleibt ein bestehender Going-Concern-Wert erhalten, der dann durch den Übernehmer und nicht durch die bisherige Unternehmensträgerin realisiert wird.

327

Vgl. Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 67. Vgl. Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 19 Rn. 68. 329 Vgl. Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 370; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 19; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 19; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 25; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 1. Aufl., § 92 Rn. 25. 330 Vgl. Kirchhof, in: HeidelbergerKommInsO, § 19 Rn. 10; Müller, in: Jaeger, InsO, § 19 Rn. 32; Pöhlmann, in: Graf-Schlicker, InsO, 1. Aufl., § 19 Rn. 9; Drukarczyk/Schüler, in; Kölner Schrift, 95 (134); Götker, Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, S. 88 f. A.A. Hüttemann, FS K. Schmidt, 761 (765 f.) unter Hinweis auf die im Rahmen des Überschuldungsbegriffs der InsO notwendige Objektivierbarkeit zum Bewertungsstichtag. 331 Vgl. Pöhlmann, in: Graf-Schlicker, InsO, 1. Aufl., § 19 Rn. 9; ähnlich Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 19; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 10. In letzterem Fall ist bei einer Kapitalgesellschaft überdies fraglich, ob überhaupt der Fortführungswille fehlt, da der fiktive Unternehmensträger – nur unter anderer Eignerstruktur – die Fortführung beabsichtigt. 328

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(3) Ergebnis Auch bei Beurteilung der Überschuldung muss entsprechend der oben getroffenen Differenzierung zwischen ihren Funktionen als Terminierungsregel und als Haftungsbeginn unterschieden werden. Als Eröffnungsgrund, der die Verfügungsrechte von der Schuldnergesellschaft auf die Gläubiger überträgt, lässt sich Überschuldung auch rechtsökonomisch legitimieren. Unter der Annahme eines vollständigen und informationseffizienten Kreditmarktes würde der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit ausreichen, um einen Übergang der Verfügungsrechte in dem Zeitpunkt herbeizuführen, in dem der Markt objektiv von der fehlenden Lebensfähigkeit der Schuldnergesellschaft ausgeht. Das verbliebene Gesellschaftsvermögen würde aufgeteilt oder aber die Gesellschaft reorganisiert und weitergeführt. Transaktionskosten und Informationsasymmetrien belasten jedoch diese Marktkontrolle der Überlebensfähigkeit der Unternehmung und bedingen damit eine zu späte Verfahrenseröffnung. Auch die Verdichtung des grundsätzlichen Antragsrechts zu einer Antragspflicht vermag hieran nichts zu ändern, denn die Rechtsbegrifflichkeit der Zahlungsunfähigkeit baut auf den Erwartungen unvollständig und asymmetrisch informierter Gläubiger auf. Ihre unzureichende Kenntnis über das Ausmaß einer Krise führt in zahlreichen Fällen dazu, dass Kreditlinien nicht gekündigt bzw. weitere Kredite ausgereicht werden, die jeweils bei vollständiger Information dem Kreditnehmer nicht mehr zur Verfügung gestellt worden wären. Dementsprechend ist es konsequent, wenn mit der Überschuldung ein weiterer Eröffnungsgrund hinzutritt, der sich weniger an den Handlungen asymmetrisch informierter Akteure orientiert, sondern die tatsächliche finanzwirtschaftliche Grundlage der Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt. Strukturell basiert der Überschuldungstatbestand nicht auf den Erwartungen der Financiers der Gesellschaft, sondern nimmt ihre wirtschaftliche Lebensfähigkeit in den Fokus. Fehlperzeptionen der Marktteilnehmer erlangen hierbei keine rechtliche Relevanz. Theoretisch stellt die Überschuldung somit ein Konzept dar, mit dem aus Gläubigersicht gesichert wird, dass zumindest relevante Vermögenswerte zur Begleichung der noch ausstehenden Verbindlichkeiten zur Verfügung stehen332. Zumindest in ihrer Gesetz gewordenen Form sieht sich die Überschuldung jedoch Bedenken ausgesetzt. Indem sämtliche historischen Überschuldungsbegriffe der bilanziellen Betrachtung erhebliches Gewicht beimessen, ignorieren sie die Grundlage eines jeden Finanzierungskontrakts. Dass sich Gläubiger und Eigenkapitalgeber zur Realisierung unsicherer zukünftiger Zahlungsströme zusammenfinden, wurde insbesondere im Rahmen des Überschuldungsbegriffs der InsO weitgehend ausgeblendet. Begründen lässt sich dieser Primat der bilanziellen Betrachtungsweise auch nicht unter Berücksichtigung der krisenbedingten Fehlanreize. Vielmehr erweist sich das Institut der Überschuldung in diesem Zusammenhang

332

Vgl. Fastrich, DStR 2006, 656 (661).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

bereits strukturell als wenig passgenau333. Die Revision des Anreizsystems in der Krise der Kapitalgesellschaft ist nicht davon abhängig, ob noch positives Eigenkapital in der Gesellschaft gebunden ist, sondern wird determiniert durch das Verhältnis des augenblicklichen Nettogegenwartswertes der Gesellschaft in Relation zu den Erwartungswerten einer Spekulation. Insoweit stellte die stärker bilanziell ausgerichtete Neujustierung des Überschuldungstatbestandes der InsO eher ein Hemmnis als eine Erleichterung für die Funktion der Überschuldung als Auslöser der Insolvenzverschleppungshaftung dar. Gleichzeitig ist die Insolvenzverschleppungshaftung blind für opportunistisches Verhalten, das noch während einer Unterbilanz begangen wird, aber durchaus zu schweren Schädigungen des Gesellschaftsvermögens führen kann. Der Geschäftsleitung wird es erlaubt, aus einer Unterbilanz heraus zu spekulieren. Misslingt das spekulative Projekt und stellt sich in der Folge eine Überschuldung ein, kommt eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO nur dann in Betracht, wenn die Geschäftsleitung jetzt das Stellen eines Insolvenzantrages unterlässt. Die die Insolvenz erst begründende Spekulation wird hingegen nicht erfasst. Die Insolvenzverschleppungshaftung ist gerade keine Insolvenzverursachungshaftung334. Umgekehrt zwang die mit der Abkehr von der Überschuldung im Rechtssinne verbundene Betonung des bilanziellen Moments und die gleichzeitige Vernachlässigung der zahlungsorientierten Fortführungswürdigkeit die Geschäftsleiter im Einzelfall in die Insolvenzverschleppungshaftung, obwohl durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Fortführung bestand335. Zu klären bleibt, ob zumindest dem letzteren Problem insoweit Rechnung getragen wird, dass die weiteren Tatbestandsmerkmale der Insolvenzverschleppungshaftung es erlauben, dass ein Geschäftsleiter bei Vorliegen einer Überschuldung nur dann zur Verantwortung gezogen wird, wenn sich sein Verhalten als opportunistisch darstellt, er also das Risiko für die Gläubiger vertragswidrig über das vereinbarte technologische Risiko hinaus gesteigert hat. (4) Neufassung des Überschuldungsbegriffs durch das FMStG Im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmenpaketes zur Stabilisierung des Finanzmarktes hat der Gesetzgeber den Überschuldungsbegriff erneut modifiziert336. Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO n.F. dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend 333

A.A. offensichtlich Haas, ZHR 170 (2006), 478 (481), der die Schwächen der Insolvenzgründe gerade darin sieht, dass ihr Sinn und Zweck die Bestimmung des Zeitpunkts ist, ab dem die Gesellschafter nichts mehr zu verlieren haben. 334 Vgl. etwa K. Schmidt, ZIP 1988, 1497 (1497 ff.). 335 Sehr skeptisch deshalb auch Hirte, ZInsO 2010, 1986 (1988 f.). 336 Vgl. Dahl, NZI 2008, 719 (719 ff.); Dahl/Schmitz, NZG 2009, 567 (567 ff.); Hölzle, ZIP 2008, 2003 (2003 ff.); Holzer, ZIP 2008, 2108 (2108 ff.); Kliebisch/Linsenbarth, DZWiR 2012, 232 (232 ff.); Wolf, DStR 2009, 2682 (2682 ff.). Aus der Rechtsprechung bereits LG Göttingen, Beschl. v. 3. 11. 2008 – 10 T 119/08, NZI 2008, 751 (751 ff.).

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wahrscheinlich. Erkennbar wird mit dieser Formulierung an die maßgeblich von K. Schmidt und Peter Ulmer geprägte und durch den BGH in der „Dornier“-Entscheidung übernommene Überschuldung im Rechtssinne angeknüpft337. Die Neufassung war zunächst nicht als generelle Abkehr vom Überschuldungsbegriff der Insolvenzordnung konzipiert. Nicht anders als die weiteren Rettungs- und Hilfsmaßnahmen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes sollte auch die rechtliche Überschuldung gemäß § 13 FMStG mit Ende des 31. 12. 2013 (ursprünglich 31. 12. 2010) außer Kraft treten und dem zweistufigen Überschuldungsbegriff der InsO weichen338. Es handelte sich damit zunächst nicht um eine Grundlagenentscheidung i.S. eines Paradigmenwechsels, sondern vielmehr eine vorübergehende Suspendierung der lex lata, die aufgrund der Singularität der Umstände als temporär zu streng empfunden wurde339. Aufgrund der nach wie vor angespannten Vermögens- und Finanzlage zahlreicher Kreditinstitute, verschärft durch die der Finanzkrise zeitlich unmittelbar nachfolgende Staatsschuldenkrise, der sich eintrübenden Weltkonjunktur sowie möglicherweise aufgrund der Ergebnisse einer empirischen Studie, der zu Folge die Praxis dem Überschuldungstatbestand weit weniger Bedeutung beimisst als der Gesetzgeber340, hat dieser faktisch in letzter Minute vor dem Wiederinkrafttreten der zweistufigen Überschuldungsdefinition der InsO zurückgeschreckt und den Überschuldungsbegriff des FMStG zeitlich entfristet341. Abzuwarten bleibt, ob es sich hierbei nunmehr um eine endgültige Entscheidung handelt oder aber – möglicherweise in einem konjunkturell stabileren Umfeld – doch wieder unter dem Topos des Gläubigerschutzes zum Überschuldungsbegriff der InsO zurückgekehrt wird. Auch wenn man einem zahlungs- bzw. ertragsorientierten Überschuldungsbegriff positiv gegenübersteht342, ist in diesem Zusammenhang hochgradig unbefriedigend, 337 AG Hamburg, Beschl. v. 2. 12. 2011 – 67c IN 421/11, ZIP 2012, 1776, 1777: „Für die Dauer der Geltung des neuen „alten“ Überschuldungsbegriffs in der Fassung nach dem FMStG ist diese alte Rechtsprechung wieder maßgeblich für die Auslegung des § 19 InsO“; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 2; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Anh zu § 64 Rn. 23; Dahl, NZI 2008, 719 (719 ff.); vgl. auch Spindler, DStR 2008, 2268 (2275): „[…] kehrt der Gesetzgeber zeitweilig zur Rechtslage vor Änderung der InsO im Jahr 1999 zurück“. A.A. Wackerbarth, NZI 2009, 145 (148 f.). 338 Hierzu etwa noch Böcker/Poertzgen, GmbHR 2008, 1289 (1289 ff.). Vgl. zur Verlängerung FAZ v. 26. 8. 2009, S. 19. Die ursprüngliche Intention der Bundesregierung, generell zur Überschuldung im Rechtssinne zurückzukehren, wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses durch den Bundestag gerade nicht verabschiedet; Vgl. Spindler, DStR 2008, 2268 (2276). 339 So auch Dahl, NZI 2008, 719 (719 ff.). Für die Beibehaltung des „eigenen“ Überschuldungsbegriffs plädierend – wie nicht anders zu erwarten – hingegen K. Schmidt, ZIP 2009, 1551 (1552 f.); für eine Entfristung auch Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166 (167). 340 Bitter/Hommerich, Die Zukunft des Überschuldungsbegriffs. 341 Frystatzki, NZI 2013, 161 (161); Böcker/Poertzgen, GmbHR 2013, 17 (17 f.). 342 Kritisch demgegenüber etwa Böcker/Poertzgen, GmbHR 2008, 1289 (1293 f.), die die Neufassung aufgrund der mit ihr verbundenen späteren Insolvenzeröffnung als sanierungsfeindlich qualifizieren.

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dass der Gesetzgeber die Wiedereinführung des Überschuldungsbegriffs kurzerhand damit rechtfertigt, „das ökonomisch völlig unbefriedigende Ergebnis [zu] vermeiden, dass auch Unternehmen, bei denen die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie weiter erfolgreich am Markt operieren können, zwingend ein Insolvenzverfahren zu durchlaufen haben“343. Dies ist zwar durchaus zutreffend, gleichzeitig aber keine Exklusiverkenntnis des FMStG-Gesetzgebers und galt bekanntermaßen bereits in gleicher Weise während der Beratungen zur InsO, ohne dass dies seinerzeit zu verhindern vermocht hätte, dass das Pendel der Legislative zu einem weitergehenden Gläubigerschutz durch Abwertung der Fortführungsprognose ausschlug. Vor diesem Hintergrund hätte man sich durchaus eine differenziertere und eingängigere Aufarbeitung durch den Gesetzgeber gewünscht, da nunmehr der fade Beigeschmack verbleibt, dass der Gesetzgeber – insoweit den Gesetzen der politschen Ökonomie gehorchend – konkunjunkturabhängig seine (vermeintliche) Grundeinstellung ändert. Inhaltlich folgt der zweistufige Überschuldungsbegriff – wie bereits angedeutet – im Wesentlichen der Überschuldung im Rechtssinne Karsten Schmidts und Peter Ulmers in ihrer Ausformung durch den BGH, so dass in weiten Teilen auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen werden kann. Überschuldung setzt demnach wieder das kumulative Vorliegen einer rechnerischen Überschuldung und einer negativen Fortführungsprognose voraus344. Eine positive Fortführungsprognose ist nicht mehr bloße Bewertungsprämisse, sondern wiederum eigenständiges Tatbestandselement, dessen Vorliegen eine Überschuldung ausschließt345. Gegenstand der Fortführungsprognose ist in der Diktion der InsO die Frage, ob „die Fortführung des Unternehmens […] nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich [ist]“, wobei die h.M. auch für § 19 InsO n.F. annimmt, dass die Fortführungsprognose Zahlungsfähigkeits- und nicht Ertragsfähigkeitsprognose ist346. Der Prognosezeitraum bleibt wie unter Geltung des alten Rechts nach h.M. auf zwei Jahre bzw. laufendes und folgendes Geschäftsjahr beschränkt347. Die Fortführung des Unternehmens muss mit einer Wahrscheinlichkeit von 50+x% zu ewarten sein348. Weiterhin verlangt die h.M. die Fortführungsbereitschaft des Unternehmensinhabers, es sei denn es be343 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz – FMStG), BT-Drucks. 16/10600, S. 13. 344 Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 24; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 16; Böcker/Poertzgen, GmbHR 2013, 17 (18). 345 Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166 (167); Böcker/Poertzgen, GmbHR 2008, 1289 (1289). 346 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 28; Böcker/Poertzgen, GmbHR 2013, 17 (21); Aleth/Harflinger, NZI 2011, 166 (168); Frystatzki, NZI 2013, 161 (161); tendenziell a.A. für das neue Recht Schröder, in: HamburgerKommInsO, § 19 Rn. 12: „mehr als reine Liquiditätsprognose“. 347 Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 24; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 28; Böcker/Poertzgen, GmbHR 2013, 17 (21); ähnlich Aleth/Harflinger, NZI 2011, 166 (169): mindestens 12 Monate, in der Regel aber laufendes und folgendes Geschäftsjahr. 348 Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 27.

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stehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Erwerber existiert, der das Unternehmen fortzuführen bereit ist349. Fällt hingegen die Fortführungsprognose negativ aus, hängt das Vorliegen einer Überschuldung im Rechtssinne davon ab, ob die Gesellschaft gleichzeitig rechnerisch überschuldet ist. Auch insoweit bleibt es dabei, dass das Vorliegen einer rechnerischen Überschuldung durch Aufstellung eines Sonderstatus zu ermitteln ist350. Die Vermögenswerte sind zu Liquidationswerten anzusetzen351, grundsätzlich also zu Einzelzerschlagungswerten, soweit nicht eine Gesamtveräußerung objektiv möglich ist. Stille Reserven sind aufzudecken352. Keine Änderungen sind mit der Rückkehr zur rechnerischen Überschuldung nach wohl h.M. auch mit Blick auf die Behandlung eines eventuell vorhandenen Firmenwerts verbunden; dieser soll auch im Rahmen des Überschuldungsstatus weiterhin in Ansatz gebracht werden können, sofern er als konkret veräußerungsfähig nachgewiesen werden kann353. Obwohl sich die Neufassung des Überschuldungstatbestandes durch das FMStG ausdrücklich dem Gedanken der Unternehmensfortführung verpflichtet fühlt, weiterhin zu passivieren sind eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen. In weitgehender Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage scheidet gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 InsO ein Ansatz auf der Passivseite des Überschuldungsstatus nur dann aus, wenn Gläubiger und Schuldner diesbezüglich einen Nachrang hinter die in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart haben. Es bedarf also auch weiterhin eines ausdrücklichen Rangrücktritts, allerdings nur auf die Stufe des § 39 Abs. 2 InsO354. Eine besondere Reihenfolge bei Ermitttlung der Überschuldung sieht das Gesetz weiterhin nicht vor355. Berücksichtigt man allerdings die äußerst strengen Maßstäbe, die Instanzenrechtsprechung und BGH an das ordnungsgemäße Geschäftsgebaren in der Krise formulieren, wird man Geschäftsführern und Vorständen für die Praxis ohnehin unbedingt empfehlen müssen, nicht bei der Aufstellung einer Fortführungsprognose stehen zu bleiben, sondern unabhängig von deren Ergebnis immer auch einen Überschuldungsstatus aufzustellen, um die Dimension der Krise vollständig zu erfassen356. 349

Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 27. Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 17. 351 Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 25; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 18; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 26 f. 352 Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 18. 353 Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 18. 354 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 32. Kritisch zu dieser „Lockerung“ Wazlawik, NZI 2012, 988 (988 ff.). 355 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 27; Böcker/Poertzgen, GmbHR 2008, 1289 (1292). 356 Ähnlich Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 38: Erstellung eines entsprechenden Status ist Bestandteil des Prognoseverfahrens; Gehrlein, in: Gehrlein/ 350

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Aufgrund der weitgehenden Identität des erneut reformierten Überschuldungsbegriffs mit der Überschuldung im Rechtssinne, entspricht auch das Fazit dem alten, wobei wiederum zwischen den Funktionen als Terminierungsregel und als Auslöser der Insolvenzverschleppungshaftung zu differenzieren ist. Als Terminierungsregel trägt die zweistufige Methode richtigerweise sowohl dem Umstand Rechnung, dass eine Unternehmung erst dann vom Markt genommen werden sollte, wenn sie keinen positiven Nettogegenwartswert mehr aufweist, als auch der Tatsache, dass, solange Rechtspositionen Dritter nicht gefährdet werden, die Entscheidung, ob das Unternehmen fortgeführt werden soll, auch bei negativer Fortführungsprognose den Gesellschaftern überlassen bleiben muss. Als Auslöser der Insolvenzverschleppungshaftung greift hingegen auch der Überschuldungstatbestand des FMStG in den meisten Fällen zu spät. Erschwert wird dieser Befund dadurch, dass die h.M. die Fortführungsprognose zahlungs- und nicht ertragsorientiert versteht. Was für die Funktion als Terminierungsregel folgerichtig ist, eröffnet gleichzeitig ein zusätzliches Fenster für unsanktioniertes opportunistisches Verhalten. Gleiches gilt für die ebenfalls notwendige Berücksichtigung einer bilanziellen Überschuldung: solange das Vermögen die Verbindlichkeiten der Schuldnerin um zumindest eine Werteinheit übersteigt, ist Überschuldung zu verneinen mit der Folge, dass die Verhaltensbefehle der Insolvenzverschleppungshaftung nicht zur Anwendung gelangen; dem Umstand, dass das durch den Überschuldungsstatus ausgewiesene verbliebene Vermögen für Gesellschafter und Geschäftsleiter keine entscheidungserhebliche Dimension besitzt und sie deshalb nicht an der Implementierung opportunistischer Strategien hindert, bleibt auch im Rahmen der neuen rechtlichen Überschuldung ausgeblendet. Damit bleibt in der Gesamtschau festzuhalten, dass auch der Überschuldungstatbestand des FMStG die Defizite der Insolvenzverschleppungshaftung mit Blick auf den haftungsauslösenden Zeitpunkt nicht zu mildern vermag. Ob man hieraus de lege ferenda die Konsequenz ziehen sollte, den Überschuldungstatbestand zur Gänze abzuschaffen, ist nicht ausgemacht. Insbesondere in der jüngeren Vergangenheit mehren sich die Rufe, die nach einer Abschaffung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung verlangen. Dahingehende Bedenken werden insbesondere durch seine weitgehend fehlende praktische Bedeutung als Eröffnungsgrund genährt357. Dem steht gegenüber, dass ein zahlungsorientierter Überschuldungsbegriff zumindest in der Theorie eine sinnvolle Funktion erfüllen kann. Wie ausgeführt, wird Zahlungsunfähigkeit aufgrund von Transaktionskosten Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 30: Ermittlung einer verlässlichen Fortführungsprognose ohne Kenntnis einer rechnerischen Überschuldung kaum möglich. Insoweit großzügiger Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 19: Fortführungsprognose ausreichend, soweit diese positiv ausfällt. 357 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 37; Böcker/Poertzgen, GmbHR 2008, 1289 (1294); Jaffé, ZGR 2010, 248 (255); vgl. auch die Ergebnisse der Expertenbefragung bei Bitter/Hommerich/Reiss, ZIP 2012, 1201 (1205 f.); die Abschaffung fordernd, allerdings unter gleichzeitiger Aufhebung der Insolvenzantragspflicht Hirte, ZGR 2013, 224 (233); die Abschaffung der Antragspflicht erwägend auch Bitter/Hommerich/Reiss, ZIP 2012, 1201 (1208 ff.); vgl. auch Böcker/Poertzgen, GmbHR 2013, 17 (20).

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und unvollständiger, insbesondere asymmetrischer Information zu spät ausgelöst. Ein zahlungs- bzw. ertragswertorientierter Überschuldungsbegriff im Zusammenspiel mit einer Insolvenzantragpsflicht verlangt hingegen von der Geschäftsleitung, dass diese eine Überführung der Verfügungsrechte in dem Zeitpunkt herbeiführt, in dem die Gläubiger bei Abwesenheit von Transaktionskosten und Informationsassymetrien die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt hätten358. Auch die empirisch hinreichend valide bestätigte fehlende praktische Wirkmächtigkeit der Überschuldung als Eröffnungsgrund zwingt nicht unbedingt zu seiner Abschaffung. Nachdem die Rechnungslegungspflichten und ihr Enforcement insbesondere für größere Kapitalgesellschaften in der jüngeren Vergangenheit stetig verschärft worden sind, wird man für eine wachsende Zahl von Unternehmen annehmen können, dass sie über ein ausreichendes Instrumentarium verfügen, um die Anamnese einer Überschuldung zu leisten. Und auch im Falle von kleineren Gesellschaften kann dem Überschuldungstatbestand eine gewisse praktische Bedeutung zukommen. Glaubt man einer jüngeren Studie, so soll die mangelnde Relevanz des Überschuldungstatbestandes als Eröffnungsgrund vor allem auch Unkenntnis von Überschuldung und korrespondierender Antragspflicht geschuldet sein359. Diesem Problem könnte zumindest teilweise abgeholfen werden, indem man den Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer der Gesellschaft bzw. ihren für die Buchhaltung verantwortlichen Steuerberater in die Pflicht nehmen würde, bei Indizien für eine Überschuldung im Rechenwerk der Gesellschaft die Geschäftsleitung auf die rechtliche Bedeutung der Überschuldung und ihre weitreichenden Konsequenzen hinzuweisen. Vor diesem Hintergrund wenig überzeugend und auch in der Begründung verfehlt ist eine jüngere Entscheidung des BGH, nach der ein Steuerberater nicht einmal bei Vorliegen eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages auf eventuelle Konsequenzen aufmerksam machen muss. Umgekehrt gilt sicherlich auch, dass sich auch zukünftig die hohen Erwartungen, die einst an den Überschuldungstatbestand herangetragen worden sind, kaum erfüllen werden dürften. Mehr als eine Ergänzungsfunktion wird ihm auch weiterhin kaum zufallen360. Ungeeignet ist und bleibt der Überschuldungstatbestand demgegenüber als Auslöser der Insolvenzverschleppungshaftung, so dass auch nach der Rückkehr zur Überschuldung im Rechtssinne viel für eine Entkopplung von Insolvenzgründen und Krisenhaftung der Geschäftsleitung spricht.

358

Jaffé, ZGR 2010, 248 (255 f.) allerdings gerade bzgl. seiner Funktion im Zusammenhang der Insolvenzverschleppungshaftung. 359 Vgl. Bitter/Hommerich/Reiss, ZIP 2012, 1201 (1203). 360 Gegen die vollständige Abschaffung Jaffé, ZGR 2010, 248 (255 f.) allerdings gerade bzgl. seiner Funktion im Zusammenhang der Insolvenzverschleppungshaftung.

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2. Wrongful Trading a) Insolvenzeröffnungsgründe Anders als das deutsche Recht kennt das englische Recht kein einheitliches Insolvenzverfahren. Auf Abwicklung gerichtet ist das Verfahren des winding up361, hinzutreten das Sanierungsverfahren der administration362 wie auch die administrative receivership363 und das außergerichtliche Abwicklungsverfahren des voluntary winding up364. Für das Verfahren des winding up kennt der Insolvency Act 1986 in sec. 122 IA 1986 insgesamt sieben Eröffnungsgründe. Eine Gesellschaft kann hiernach aufgelöst werden, wenn: (a) the company has by special resolution resolved that the company be wound up by the court, (b) being a public company which was registered as such on its original incorporation, the company has not been issued with a certificate under section 117 of the Companies Act (public companies share capital requirements) and more than a year expired since it was so registered, (c) it is an old public company, within the meaning of the Consequential Provisions Act, (d) the company does not commence its business within a year from its incorporation or suspends its business for a whole year, (e) except in the case of a private company limited by shares or by guarantee, the number of members is reduced below 2, (f) the company is unable to pay its debts, [(fa) at the time at which a moratorium for the company under section 1 A comes to an end, no voluntary arrangement approved under Part I has effect in relation to the company] (g) the court is of the opinion that it is just and equitable that the company should be wound up.

361

Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, Rn. 12.6: „Winding up or liquidation describes the death throes of a company; its body is finally buried on dissolution“. Zum Winding Up (by the Court) etwa Bailey/Groves, Corporate Insolvency, Rn. 12.01 ff. und 14.1 ff. 362 Zur Administration etwa Bailey/Groves, Corporate Insolvency, Rn. 10.1 ff.; Fletcher, Law of Insolvency Rn. 16.0001 ff. 363 Im Verfahren des receivership verwertet der receiver im Interesse eines Gläubigers (debenture-holder, mortgagee) bestimmte Vermögensgegenstände der Gesellschaft, an denen der Gläubiger Sicherungsrechte besitzt; der Masse (und den ungesicherten Gläubigern) kommen Erlöse aus dem Verkauf erst nach Abzug der Kosten des Receiverships und der Befriediung des Gläubigers in Betracht. Bis zum Inkrafttreten des Enterprise Act war das Receivership das typische Verfahren zur Verwertung einer floating charge. Vgl. hierzu Bailey/ Groves, Corporate Insolvency, Rn. 11.2; Fletcher, Law of Insolvency, Rn. 14.001 ff. 364 Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, Rn. 12.12 f. und Rn. 13.1 ff.; Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (528).

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Gemeinsamkeit der sieben Eröffnungsgründe ist, dass sie die gerichtliche Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft rechtfertigen; auf eine materiell-rechtliche Insolvenzlage stellt jedoch allein der – in der Praxis bedeutendste – Grund der inability to pay its debts – sec. 122 (1) (f) IA 1986 – ab365. Inability to pay its debts lässt sich nicht gleichsetzen mit Zahlungsunfähigkeit im Sinne des deutschen Rechts366, vielmehr enthält sec. 123 IA 1986 eine Legaldefinition, die vier Fälle benennt, in denen diese Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne anzunehmen ist. Dies ist zunächst der Fall, wenn die Gesellschaft eine in gesetzlich vorgeschriebener Form erfolgende Mahnung eines Gläubigers über einen Betrag in Höhe von mindestens £ 750 (statutory demand) nicht binnen 21 Tagen begleicht und es der Gesellschaft in der Folge nicht gelingt, dem Gericht gegenüber nachzuweisen, dass sie in der Lage sein wird, ihre Verbindlichkeiten zu tilgen367. Ein Winding Up über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wird darüber hinaus auch dann eröffnet, wenn ein Gläubiger erfolglos eine Einzelzwangsvollstreckung unternommen hat368. Wie die fehlende Inbezugnahme der finanzwirtschaftlichen Lage der Gesellschaft nahe legt, handelt es sich bei diesen beiden Eröffnungsgründen um reine Vermutungstatbestände369. Auf ihre Bedeutung wird zurückzukommen sein. Erster materieller Insolvenzgrund des englischen Rechts ist gemäß 123 (1) (e) IA 1986 die sogenannte cash-flow-insolvency. Hiernach ist eine Gesellschaft insolvent, wenn sie nicht in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten im Fälligkeitszeitpunkt zu befriedigen (the company is unable to pay debts as they fall due)370. Festgestellt wird diese Unfähigkeit durch einen Cash-Flow-Test, bei dem das liquide bzw. kurzfristig liquidierbare Vermögen den fälligen, unbedingten und von den Gläubigern geltend

365

Vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (528 f.). Vgl. auch Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E23; Bachner, Creditor Protection in Private Companies, S. 47. 367 Sec. 123 (1) (a): if a creditor (by assignment or otherwise) to whom the company is indebted in a sum exceeding £750 the due has served on the company, by leaving it at the company’s registered office, a written demand (in the prescribed from) requiring the company to pay the sum so due and the company has for 3 weeks thereafter neglected to pay the sum or to secure or compound for it to the reasonable satisfaction of the creditor. Vgl. Re Taylor’s Industrial Flooring Ltd. [1990], 44 (46); Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 178; Davies, EBOR 7 (2006), 301 (315); Schall, ZIP 2005, 965 (966); Ebert/Levedag, Länderbericht England, in: Süß/Wachter (Hrsg.): Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, S. 669 (785). 368 Sec. 123 (1) (b): if, in England and Wales, execution or other process issued on a judgment, decree or order of any court in favour of a creditor of the company is returned unsatisfied in whole or in part. Vgl. Ebert/Levedag, Länderbericht England, in: Süß/Wachter (Hrsg.): Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, S. 669 (785). 369 Vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (529). 370 Sec. 123 (1) (e): if it is proved to the satisfaction of the court that the company is unable to pay its debts as they fall due. Vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (529); Goode, JBL 1989, 436 (436); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 23. 366

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

gemachten Verbindlichkeiten gegenübergestellt wird371. Insolvenz kann dabei nach ständiger Rechtsprechung angenommen werden, wenn die Gesellschaft bei einem auf Tagesbasis erfolgenden Vergleich nicht in der Lage ist, diese zu bedienen372. Insolvenzreif ist eine Gesellschaft schließlich nach sec. 123 (2) IA 1986 auch dann, wenn der Wert der Gegenstände des Gesellschaftsvermögens geringer ist als der Umfang ihrer aktuellen und künftigen Verbindlichkeiten (the value of the company’s assets is less than the amount of its liabilities, taking into account its contigent and prospective liabilities)373. Es erfolgt eine umfassende Gegenüberstellung von Vermögen und Verbindlichkeiten (balance-sheet-insolvency)374. In einem entsprechenden Status sind alle Verbindlichkeiten, d. h. auch solche, die gegenüber Geschäftsleitern oder Gesellschaftern bestehen, zu erfassen375. Offen ist, inwieweit auch Vermögensgegenstände zu berücksichtigen sind, die die Gesellschaft erst in Zukunft erwerben wird376. Die balance-sheet-insolvency weist deutliche Parallelen zur (rechnerischen) Überschuldung des deutschen Rechts auf. Beiden gemeinsam ist, dass über eine bloße Zahlungsfähigkeitsanalyse hinaus die Vermögenswerte der Gesellschaft evaluiert und bewertet werden. Die Rechtsfolgen differieren jedoch erheblich. Während die deutsche Überschuldung gleichbedeutend mit Insolvenzreife ist und somit automatisch die Pflicht zur Verfahrenseröffnung nach sich zieht, begründet die Diagnose einer balance-sheet-insolvency lediglich die Vermutung, dass die Gesellschaft ihren Zahlungspflichten wahrscheinlich nicht nachzukommen in der Lage sein wird377. Das englische Recht zeigt sich damit offen für den Umstand, dass eine bilanziell ausgewiesene Überschuldung nicht unter allen Umständen mit fehlender Überlebensfähigkeit der Unternehmung gleichgesetzt werden kann. Auch kennt die englische balance-sheet-insolvency nicht das Problem der Verfahrensablehnung mangels Masse. Zwar werden ebenso wenig wie im Rahmen des Überschuldungstatbestandes die voraussichtlichen Verfahrenskosten auf der Passivseite des Überschuldungsstatus angesetzt. Jedoch ordnet sec. 125 (1) IA 1986 an, dass das Gericht die Eröffnung des Verfahrens nicht verweigern darf mit

371

Vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (529); Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 192. 372 Re DKG Contractors Ltd. [1990] B.C.C., 903 (911); Re Taylor’s Industrial Flooring Ltd. [1990] B.C.C., 44 (47 ff.). 373 Sec. 123 (2) IA 1986: A company is also deemed unable to pay its debts if it is proved to the satisfaction of the court that the value of company’s assets is less than the amount of its liabilities, taking into account its contingent and prospective liabilities. 374 Vgl. Goode, JBL 1989, 436 (436 ff.); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 23. 375 Vgl. Milman, JBL 2004, 493 (493). 376 Ablehnend Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.20; vgl. auch Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 92 f. 377 Vgl. Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 193.

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

317

der Begründung, dass die Aktiva der Gesellschaft über ihren Wert hinaus mit Sicherheiten belastet sind oder dass die Gesellschaft über gar keine Aktiva verfügt378. b) Rechtsfolgen des Vorliegens eines Insolvenztatbestandes Anders als im deutschen Recht begründen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit keine Insolvenzantragspflicht i.d.S., dass die Geschäftsleitung verpflichtet wäre, einen Übergang der Verfügungsrechte auf die Gesamtheit der Gläubiger herbeizuführen379. Die Fortführung der insolvenzreifen Gesellschaft ist für sich weder Delikt noch Straftatbestand380. Ebenso wenig stellt materielle Insolvenzreife den Beginn der Haftung wegen wrongful trading dar381. Direkte Rechtsfolge materieller Insolvenzreife ist allein, dass ab diesem Zeitpunkt sowohl die Direktoren der Gesellschaft382 als auch Gläubiger und der secretary of state berechtigt sind, einen Antrag (petition) auf Einleitung eines winding up zu stellen383. Die praktische Bedeutung der fehlenden Insolvenzantragspflicht wird illustriert durch die Tatsache, dass 95 % der Eröffnungsanträge durch Gläubiger gestellt werden384.

378

Vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (532). Vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (543); Goode, JBL 1989, 436 (436): „the fact of insolvency has no legal consequences by itself“; Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 25; Mülhens, Haftungsdurchgriff im deutschen und englischen Recht, S. 154; Redeker, ZInsO 2005, 1035 (1035). Dies beruht auf den verschiedenen Abwicklungsalternativen, die das englische Insolvenzrecht Gesellschaftern und Geschäftsführern offeriert. 380 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 301 (314); Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (249); Redeker, ZInsO 2005, 1035 (1035); Schall, ZIP 2005, 965 (965 f.); Schumann, DB 2004, 743 (747); von Hase, BB 2006, 2141 (2142); Zöllner, GmbHR 2006, 1 (6). Nichts anderes gilt für das US-amerikanische Recht. Vgl. Hirte/Lanzius/ Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (326). Teilweise a.A. Lotz, ZInsO 2010, 1634 (1639): „[…] führt im Rahmen des wrongful trading die bloße Entscheidung zur Fortführung des Unternehmens trotz evidenter Zahlungsunfähigkeit zur Haftung.“ 381 The Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC, 110 (110 ff.). Vgl. Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 195 f.; Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (543); Steffek, NZI 2010, 589 (590); ähnlich Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 253, der dann auf S. 265 allerdings doch zu dem Fazit kommt: „Die Pflicht aus wrongful trading entspricht mehr oder weniger einer Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit“. 382 Im Falle eines mehrköpfigen Board ist ein einzelner Direktor nicht in der Lage, Insolvenzantrag zu stellen. 383 Vgl. Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 79; Heinz, Die englische Limited, S. 104. 384 Vgl. Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 190 f.; vgl. auch Mülbert, A synthetic view of different concepts of creditor protection, S. 24 f.; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (182); Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 40. 379

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Bedenken provoziert dieses Fehlen einer Antragspflicht, wenn man die grundsätzlich asymmetrische Informationsverteilung zwischen Geschäftsleitung und Gläubigern berücksichtigt. Das bloße Antragsrecht hilft dem Gläubiger nur dann, wenn er es zu einem Zeitpunkt ausüben kann, indem eine Rettung von Teilen des ausgereichten Kreditvolumens noch möglich bzw. eine im Interesse der Gläubiger liegende Fortführungsmöglichkeit noch wahrnehmbar ist. Gerade hiervon ist aufgrund der ungleichen Informationsverteilung zwischen Gläubigern und Schuldnergesellschaft nicht auszugehen, so dass das bloße Antragsrecht des englischen Rechts scheinbar leer zu laufen droht. In diesem Zusammenhang gilt es jedoch, die dargestellten Vermutungsregeln nach sec. 122 (1) IA 1986 zu berücksichtigen. Deren Bedeutung liegt in ihrer Indikatorfunktion für das Vorliegen materieller Insolvenzreife der Gesellschaft. Liegen ihre Voraussetzungen vor, legt dies aus Sicht des Gläubigers die Ausübung seines Antragsrechts auf Eröffnung eines winding up nahe. Zentral ist in diesem Zusammenhang, dass an das Vorliegen einer Insolvenz geringere Anforderungen gestellt werden, insbesondere nicht immer ein gescheiterter Vollstreckungsversuch verlangt wird, sondern bereits Verzug bei der Befriedigung einer unstreitigen Forderung genügt. Ein zum Insolvenzantrag entschlossener Gläubiger wird von der diffizilen Aufgabe entlastet, sich Informationen über die genaue finanzwirtschaftliche Lage der Schuldnergesellschaft zu beschaffen385. Er wird damit in die Lage versetzt, allein aus dem Verhalten seiner Schuldnerin ihm gegenüber Rückschlüsse auf das Bestehen seines Antragsrechts zu ziehen. Diese vereinfachte Möglichkeit, als Gläubiger ein Insolvenzverfahren einzuleiten, wäre allerdings mit hohen Kosten und Effizienzverlusten verbunden, wenn hierdurch Unternehmen vom Markt genommen würden, die nicht materiell insolvenzreif sind. Hier ist der Einfluss zu berücksichtigen, den die Vermutungsregeln auf das Entscheidungsverhalten der Direktoren ausüben. Die Geschäftsleitung einer Schuldnerin hat in Rechnung zu stellen, dass bei verspäteter Zahlung ein Gläubiger von seinem Antragsrecht Gebrauch macht und unregelmäßige Zahlungen damit mindestens den Good Will der Gesellschaft in Gefahr bringen. Die Geschäftsleitung einer eigentlich solventen bzw. überlebensfähigen Unternehmung muss daher zum Wohle der Gesellschaft an einer zeitnahen Erfüllung der Gläubigeransprüche interessiert sein oder, falls dies im Einzelfall nicht möglich sein sollte, an einer Kommunikation mit dem Gläubiger, um diesem glaubhaft zu signalisieren, dass trotz einer möglichen Versäumung der 21-Tagefrist zur Begleichung einer Forderung nicht von einer fortdauernden Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft auszugehen ist. Im Rahmen dieses Kommunikationsprozesses wird die Gesellschaft gezwungen, ihren Informationsvorsprung offen zu legen. Unterlässt die Gesellschaft selbst auf 385 Vgl. Schall, ZIP 2005, 965 (966); Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 40. Ähnliche Überlegungen zu einer Stärkung des Antragsrechts der Gläubiger finden sich mittlerweile auch im deutschen Diskurs (Vermutung der Zahlungsunfähigkeit bei ausbleibenden Zahlungen). Vgl. Gebh/Heckelmann, GmbHR 2006, R349; auch Hirte, ZInsO 2010, 1986 (1992) hält die Begründung vereinfachter Antragsrechte für eine gangbare Alternative zur strikten Insolvenzantragspflicht.

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

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Anfrage eines Gläubigers hin diese Informationsoffenbarung, bildet dies ein starkes Indiz für eine tatsächlich bestehende Zahlungsunfähigkeit386. In seiner Konsequenz ignoriert das englische Insolvenzrecht nicht die Existenz asymmetrischer Information zwischen Gläubiger und Schuldnergesellschaft; es reagiert hierauf aber nicht auf direktem Wege mit der Statuierung einer Antragspflicht, sondern versucht einen Signaling-Prozess zu initiieren. Das Gesetz behandelt die unterbliebene Begleichung auch einzelner Forderungen als Signal der Insolvenz der Schuldnerin387; will diese den Vorwurf der Zahlungsunfähigkeit und den damit drohenden Gläubigerantrag abwenden, hat sie ihrem Geschäftspartner die Informationen offen zu legen, die das gesetzliche Signal entkräften. Vollständige Wirksamkeit kann dieser SignalingProzess allerdings nur für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit entfalten388. Aus dem Zahlungsverhalten der Gesellschaft kann direkt allein auf ihre Liquidität zurückgeschlossen werden, nicht aber auf die zumeist vorher eintretende Überschuldung bzw. balance-sheet-insolvency. Überschuldung bzw. balance-sheet-insolvency sind für Unternehmensexterne praktisch nicht bestimmbar. Diesbezüglich läuft das de iure-Antragsrecht der Gläubiger ohne gleichzeitige Antragspflicht der Geschäftsleitung weitgehend leer. Ein Defizit stellt dieses Ergebnis der fehlenden Antragspflicht allerdings nur dann dar, wenn man die Überführung der Verfügungsrechte im Falle einer überschuldeten Gesellschaft für notwendig erachtet. Hier ist zu berücksichtigen, dass das englische Recht auch einer bilanziellen Überschuldung allein eine Indikatorwirkung bei Beantwortung der Frage, ob die Gesellschaft ihre fälligen Zahlungspflichten wird begleichen können, zumisst. c) Haftungsauslösender Zeitpunkt Erste Voraussetzung des wrongful trading ist, dass die Gesellschaft insolvenzbedingt liquidiert wird389. Damit wird zweierlei verlangt. Die Gesellschaft muss sich zunächst in einem Verfahren des winding up befinden, d. h. in einem Verfahren, das auf Abwicklung und Beendigung der Gesellschaft gerichtet ist390. Ein Liquidationsverfahren kann im englischen Recht sowohl gerichtlich (compulsory winding up) 386 Andere Einschätzung wohl durch Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (529); positiver hingegen Hirte, Stellungnahme RegE MoMiG, S. 4, der eine vergleichbare Vermutung – zumindest für die UG – in § 17 Abs. 2 InsO installieren will; noch weitergehend ders., ZGR 2013, 224 (234 f.): Aufgabe der Insolvenzantragspflicht bei gleichzeitiger Erleichterng des Fremdantragsrechts. 387 Ähnliche Wertung bei Hirte, ZInsO 2010, 1986 (1992). 388 Zur praktischen Bedeutung etwa Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 264: „[…] sorgt für eine regelmäßige Entsorgung gescheiterter Gesellschaften“. 389 Sec. 214 IA: […] the company has gone into insolvent liquidation“. 390 Sec. 214 (2) (a) IA 1986; Re Farmizer (Products) Ltd. Moore & Anor v Gadd & Anor [1997] BCC, 655 (658). Vgl. auch Davies, EBOR 7 (2006), 301 (318 f.); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (182); Mayson, French & Ryan on Company Law, Rn. 20.12.1 = S. 710; Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 87; anders das neuseeländische Pendant des insolvent trading, vgl. Oesterle, in: Ramsay, 19 (35).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

als auch durch die Gesellschafter selbst (voluntary winding up) eröffnet werden391. Ein voluntary winding up erfasst dabei nicht nur die Abwicklung insolventer, sondern auch solventer Gesellschaften392. Materielle Insolvenzreife ist somit zunächst keine Voraussetzung der Haftung wegen wrongful tradings. Sec. 214 IA 1986 verlangt jedoch zusätzlich, dass die Liquidation insolvenzbedingt erfolgt sein muss, was gemäß der Legaldefinition in sec. 214 (6) IA 1986 der Fall ist, wenn die Liquidation zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem das Vermögen nicht ausreicht, um die Schulden und anderen Verbindlichkeiten und die Verfahrenskosten zu decken393. Insolvenz ist hier also nicht im Sinne von Zahlungsunfähigkeit (cash-flow-insolvency), sondern im Sinne von Überschuldung (balance-sheet-insolvency) zu verstehen394. Hiermit wird jedoch nicht etwa Überschuldung als haftungsbegründender Zeitpunkt festgesetzt395. Dies muss sich schon daraus ergeben, dass das englische Recht gerade keine Insolvenzantragspflicht für das Erreichen dieses finanzwirtschaftlichen Stadiums im Leben einer Gesellschaft statuiert396. Es wäre ein Widerspruch, der Geschäftsleitung einerseits die Fortführung der insolvenzreifen Gesellschaft nicht per se zu versagen, sie andererseits aber pauschal für nach Insolvenzreife eintretende Schäden der Gläubiger in die Pflicht zu nehmen. Das Erfordernis dient vielmehr allein dazu, dass nur dann, wenn den Gläubigern tatsächlich eine Vermögenseinbuße entstanden ist, ein Anspruch gegen die Geschäftsleitung bestehen soll397. Vorüber391

Vgl. Schlegel, in: MünchKommInsO, Länderbericht England und Wales, Rn. 8; Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 87; Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 348; Heinz, Die englische Limited, S. 103. Auch das Creditors’ voluntary winding up erfolgt auf Initiative der Gesellschafter, Unterschied zum Members’ voluntary winding up ist, dass das Creditors’ voluntary winding up als außergerichtliche Abwicklung der insolventen Gesellschaft dient. Vgl. etwa Schlegel, in: MünchKommInsO, Länderbericht England und Wales, Rn. 11. 392 Vgl. Schlegel, in: MünchKommInsO, Länderbericht England und Wales, Rn. 8 ff.; Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 88 f.; bei Abwicklung einer solventen Gesellschaft verlangt das englische Recht eine „declaration of solvency“ sämtlicher amtierender Direktoren, vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, Rn. 13.1. 393 Sec. 214 (6) IA: a company goes into insolvent liquidation for these purposes if it goes into liquidation at a time when its assets are insufficient for the payment of its debts and other liabilities and the expenses of the winding up. 394 Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.20; Davies, EBOR 7 (2006), 301 (319); Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 27-034 = S. 857 Fn. 59; Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 28; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (183); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 90; Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 349; ders., NZI 2010, 589 (590). 395 Missverständlich Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 19. 396 Vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (543); vgl. auch Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 79. 397 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 301 (318 f.); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (183), Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 349; a.A. offensichtlich Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 28. Nicht berücksichtigte Gläubigerschäden sollten damit entgegen Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 349 nicht verbunden sein, da nach Fälligkeit erfolgende Rückzahlungen an die Gläubiger

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

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gehende Cashflow-Krisen, die nicht zu einer Überschuldung und einem endgültigen Ausfall der Gläubiger geführt haben, sollen den Direktoren nicht vorgeworfen werden398. Die Irrelevanz des Tatbestandsmerkmals der insolvent liquidation im Kontext der Frage des haftungsauslösenden Zeitpunkts darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine Weichenstellung handelt, die für den praktischen Anwendungsbereich des wrongful trading von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Was sich auf einen ersten Blick als harmlose Verfahrensbestimmung ausnimmt, schränkt den Anwendungsbereich von sec. 214 IA in der Praxis erheblich ein. Eine Haftungsklage wegen wrongful trading kommt hiernach ausschließlich im Verfahren des winding up, nicht hingegen im Verfahren der administration oder des administrative receivership in Betracht399. Diese Beschränkung wäre dann unproblematisch, wenn es – wovon der historische Gesetzgeber ausgegangen ist – nach erfolgreicher Verwertung im Rahmen eines receivership oder erfolgloser administration zur anschließenden Durchführung einer geordneten Liquidation (winding up) kommen würde. Die Forensik bestätigt diese Erwartung des Gesetzgebers jedoch nicht: vielmehr ist zu beobachten, dass zahlreiche Gesellschaften nach Durchlaufen von receivership oder administration nicht im Rahmen eines winding up abgewickelt werden, sondern durch Amtslöschung wegen Vermögenslosigkeit (Sec. 1000 ff. CA 2006) mit dem Ergebnis, dass zu keinem Zeitpunkt der Abwicklung geprüft werden konnte, ob eventuelle Ansprüche nach Sec. 214 IA bestehen400. Gleichzeitig wird damit ein Fehlanreiz für die Direktoren sich in der Krise befindender Kapitalgesellschaften gesetzt, auch bei fehlender Fortführungsaussichten eine administration zu beantragen401. Wenn also auch dem unscheinbaren Tatbestandsmerkmal der insolvent liquidation durchaus erhebliche Relevanz zukommt, ist dennoch festzuhalten, dass es für die Bestimmung des haftungsauslösenden Zeitpunkts keinen Beitrag leistet. Den Zeitpunkt, ab dem eine Haftung wegen wrongful tradings in Betracht kommt, umschreibt das Gesetz generalklauselartig dahingehend, dass ein Direktor erkannt hat bzw. hätte erkennen müssen, dass keine vernünftige Aussicht bestand, die insolvenzbedingte Liquidation zu vermeiden (at some time before the commencement of the winding up of the company, that person knew or or ought to have concluded that there was no

grundsätzlich über das Instrument von Verzugszinsen sanktioniert werden und somit bereits bilanzwirksam sein sollten. 398 Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.20; Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 90. 399 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 348 u. 422 f. unter Hinweis darauf, dass sich das den IA 1986 vorbereitende Cork Committee gegen eine dahingehende Begrenzung ausgesprochen hatte. Vgl. auch Zotiades, Gaz. Pal. 1996, 634 (636). 400 Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 423. 401 Vgl. Moore, Comp. Law. 2006, 237 (238).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation)402. Anders als im deutschen Recht wird damit keine spezielle finanzwirtschaftliche bzw. bilanzielle Kennziffer zur Bestimmung des haftungsauslösenden Zeitpunkts verwendet, weshalb die Frage, wann genau dieser haftungsauslösende Zeitpunkt anzusetzen ist, in den Fokus von Rechtsprechung und Wissenschaft gerückt ist403. Da sec. 214 IA 1986 selbst keine weiteren Präzisierungen enthält, divergieren die Meinungen darüber, ob sec. 214 IA theoretisch und/oder rechtspraktisch früher einsetzt als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung, erheblich. Während einerseits die englische Haftung als viel extensiver als die deutsche angesehen wird404, wird von anderen Stimmen angenommen, dass im Ergebnis die materielle Insolvenzreife auch im englischen Recht den haftungsauslösenden Moment kennzeichne405 bzw. die Haftung wegen wrongful trading später als im deutschen Recht einsetze406. Beurteilen lässt sich diese Frage nur dann, wenn man sich über die Grundlagen zur Bestimmung des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation vergewissert hat. In einem ersten Schritt ist festzuhalten, dass der Wortlaut von sec. 214 IA theoretisch einen weiteren Anwendungsbereich beschreibt als § 15a Abs. 1 InsO für die Insolvenzverschleppungshaftung. Der Zeitpunkt, in dem die insolvenzbedingte Liquidation bei Anwendung der gebührenden Sorgfalt erkennbar gewesen wäre, liegt logisch vor dem Moment, in dem materielle Insolvenzreife erreicht wird407. Dies wird zwar in jüngerer Zeit bestritten unter Hinweis darauf, dass sec. 214 IA auf das Verfahrensereignis der insolvent liquidation abstelle und diese – solange die Gesellschaft nicht (bilanziell) überschuldet ist – nicht unvermeidlich sei, da die Ge402 Ein Vergleich mit den ähnlichen Regeln des australischen (there are reasonable grounds for suspecting that the company is insolvent, or would so (by incurring a debt, A.d.V.) become insolvent) und neuseeländischen Rechts (believe at that time on reasonable grounds that the company will be able to perform the obligation when it is required to do so) findet sich bei Oesterle, in: Ramsay, 19 (35 ff.); vgl. auch Coburn, in: Ramsay, 73 (99 ff.). 403 Vgl. Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 96 ff.; Bailey/ Groves, Corporate Insolvency, 17.24; Bödecker, Kapitalerhaltung im englischen Gesellschaftsrecht, S. 120; Fastrich, DStR 2006, 656 (662); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (183 f.); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (90); Keay, JBL 2002, 279 (388); Odiath, LMCLQ 1990, 205 (207 ff.); Teichmann, NJW 2006, 2444 (2447). 404 Z.B. Davies, EBOR 7 (2006), 301 (317); FEK, ZGR 1998, 672 (754); Kalls/Adensamer/ Oelkers, Die Rechtspflichten der Geschäftsleiter in der Krise der Gesellschaft, 134 (137 f.); HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 27; Wiesner, BB 2003, 213 (215); tendenziell auch Roth, NZG 2003, 1081 (1083). 405 In diese Richtung etwa Mülhens, Haftungsdurchgriff im deutschen und englischen Recht, S. 185 f.; Habersack/Verse, ZHR 169 (2004), auch DAV-Handelsrechtsausschuss, ZIP 2003, 1909 (1912): „im Ergebnis keinen wesentlichen Unterschied“, so im Grundsatz auch Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 200. 406 Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (296); vgl. auch Stöber, ZHR 176 (2012), 329 (354): „zwar theoretisch früher, in der Praxis jedoch häufig sogar später“. 407 Vgl. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (178); Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (302); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 33. Vgl. auch BDI/HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 30.

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

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sellschafter ihr durch augenblickliche Liquidationsentscheidung zuvorkommen könnten, überzeugt aber in der Sache nicht408. Wrongful trading ist ersichtlich als Prognosetatbestand ausgestaltet, der das Schicksal der Gesellschaft bei weitgehend unveränderter Unternehmensfortführung in den Blick nimmt. Dementsprechend ist die Alternative der Liquidation nicht Prämisse, sondern allenfalls Rechtsfolge. Ein Vergleich mit deutschen Rechtsinstituten bestätigt dieses Ergebnis. So ist es selbstverständlich nicht angängig, das Vorliegen einer negativen Fortführungsprognose nach § 19 InsO damit zu verneinen, dass die Gesellschaft noch vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit durch Einleitung einer Liquidation geordnet vom Markt genommen werden könne. Gleiches gilt für den Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit, der richtigerweise nicht nur sämtliche bereits begründeten, sondern auch mit hinreichender Sicherheit zukünftig zu erwartende Verbindlichkeiten abbildet: Auch hier kann das Drohen der Zahlungsunfähigkeit nicht allein deshalb negiert werden, weil bei unverzüglicher Liquidation alle Verbindlichkeiten beglichen werden könnten. Gleichzeitig ist in einem zweiten Schritt zu berücksichtigen, dass sec. 214 IA 1986 zweierlei voraussetzt, nämlich einerseits eine nachhaltige und aller Wahrscheinlichkeit nach unumkehrbare finanzwirtschaftliche Fehlentwicklung sowie die Möglichkeit der Kenntnisnahme (knew or ought to have concluded that there was no reasonable prospect) andererseits. Es handelt sich also um eine Kombination objektiver und subjektiver Kriterien409, die teilweise wechselseitig voneinander abhängen. Insbesondere die Berücksichtigung der Erkennbarkeit bereits im Rahmen der Bestimmung des pflichtenauslösenden Zeitpunkts und nicht erst im Rahmen des Verschuldens bedingt eine Offenheit des Tatbestandes, die der Ausfüllung bedarf410. Erste Äußerungen haben den damit umschriebenen moment of truth unter Rückgriff auf bestimmte, durch die Betriebswirtschaftslehre entwickelte Zeitpunkte festzulegen versucht411. Rechtsprechung und das mehrheitliche Schrifttum sind diesen Anregungen nicht gefolgt und betonen stattdessen als Ausgangspunkt, dass jeweils die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien412. Ein gewisser Konsens besteht dabei insoweit, dass maßgebliche Größe des betrieblichen Rech408 409

17.25.

So aber Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 363 ff. Vgl. Cook, Insolvency Lawyer 1999, 99 (99 ff.); Bailey/Groves, Corporate Insolvency,

410 Vgl. auch Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 110: „Der „knowledge“-Test und die Frage, ab wann es „no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation“ gab, sind untrennbar miteinander verbunden“. 411 Vgl. Cooke/Hicks, JBL 1993, 338 (338 ff.). 412 Vgl. Odiath, LMCLQ 1990, 205 (207): „every case must be considered in its own light“; Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 33; Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 27-036 = S. 858; Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 374: stark am Einzelfall orientierte wertende Gesamtschau der vorgetragenen Argumente; für das australische insolvent trading Coburn, in: Ramsay, 73 (99).Vgl. auch Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17): „The courts thus seem to take a robust amateurs approach to what is a complex question of commercial judgement“.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

nungswesens die Cashflows der Gesellschaft sind413. Im Rahmen eines – mehr oder weniger formalisierten – Solvenztests414 wird grundsätzlich darauf abgestellt, ob die Gesellschaft gegenwärtig bzw. zukünftig in der Lage sein wird, ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Anforderungen an diesen Solvenztest sowie seine Beweiskraft für das Erreichen des moment of truth werden unterschiedlich gehandhabt. Teilweise wird quantitativ verlangt, dass die Insolvenz der Gesellschaft wahrscheinlicher ist als ihr Überleben415. Zur Beurteilung dieser Frage wäre in der Praxis eine Liquiditätsplanrechnung, die den Anforderungen an betriebswirtschaftliche Prognoserechnungen genügt, erforderlich. Die Rechtsprechung folgt hingegen implizit der Kritik an diesem Vorgehen (mathematical gymnastics)416 und lässt liquiditätsbezogenen Aspekten nur eine Indizwirkung zukommen. So stellt nach Ansicht der Rechtsprechung die Zahlungsunfähigkeit zwar ein starkes Indiz für den Zeitpunkt dar, in dem keine Aussicht mehr besteht, die insolvenzbedingte Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden, fällt aber nicht zwangsläufig mit diesem zusammen. Liquiditätsprobleme (insolvency) begründen erst dann die fehlende Aussicht, die insolvenzbedingte Liquidation zu verhindern, wenn sie nicht nur vorübergehender Natur sind, sondern gleichzeitig Ausdruck der fehlenden wirtschaftlichen Lebensfähigkeit (economic viability) der Unternehmung417. So hat die Rechtsprechung nicht nur eine auf Tagesbasis ermittelte Zahlungsunfähigkeit418, sondern auch eine über zwei Monate andauernde Zahlungsunfähigkeit für sich genommen nicht genügen lassen419. Hin-

413

Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491 (494); Re Brian D. Pierson (Constructors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (52); vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 301 (318); Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (303 f.); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 118. 414 Vgl. Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (347 f.); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17). 415 So Spindler, JZ 2006, 839 (846). Vgl. auch Odiath, LMCLQ 1990, 205 (207). Hierfür auch die Company Law Steering Group, vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 301 (317). 416 Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.27: „The test of ,no reasonable prospect‘ is not one of mathematical gymnastics, for instance to require the director to show that it was more likely than not that such a liquidation would be avoided“. 417 Odiath, LMQCL [1990] 206 (210). Für das australische insolvent trading (sec. 588G Corporations Law) vgl. Ramsay, in: Ramsay, 1 (4). Zweifelnd an der Möglichkeit einer Trennung zwischen wirtschaftlicher Lebensfähigkeit und Konkursreife etwa Boujoung, FS Reiner, 415 (436). 418 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (27 f.); Re DKG Contractors Ltd. [1990] B.C.C. 903 (912); The Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC, 110 (110 ff.). Vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (543); Kalls/Adensamer/Oelkers, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft, 134 (146 f.).vgl. hierzu auch Davies, EBOR 7 (2006), 301 (319); Habersack/Verse, ZHR 169 (2004), 174 (184); Odiath, LMCLQ 1990, 205 (208). 419 Vgl. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (184 f.); vgl. auch Stöber, ZHR 176 (2012), 329 (354), der zudem der Entscheidung Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (52) entnehmen will, dass das Gericht eine zweijährige Zahlungsunfähigkeit akzeptiert hätte. Allerdings konstatiert das Gericht allein, dass die Gesellschaft bilanziell überschuldet gewesen sei (S. 53) und eine angespannte Liquiditätssituation bestanden habe: „The company’s difficult liquidity position did have some manifestation in it’s day-to-day affairs. It is apparent from the

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

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zutreten muss, dass gleichzeitig Verluste und Verbindlichkeiten wachsen420 mit dem Ergebnis, dass ein Zustand erreicht wird, in dem die Gesellschaft „was doomed by then, and would inevitably lapse into insolvency thereafter“421 bzw. „doomed to end in an insolvent winding up“422. Erste Konsequenz dieser Fokussierung auf Zahlungsfähigkeit und Liquidität ist, dass die Gerichte dem Zeitpunkt der (rechnerischen) Überschuldung (balance-sheetinsolvency/deficiency) regelmäßig keine eigenständige Bedeutung zumessen423. Eine balance-sheet-insolvency markiert für sich nicht den moment of truth424. Die Gerichte betrachten sie lediglich als einen zu berücksichtigenden Faktor. Hinzutreten müssen Umstände, die nahelegen, dass die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten im Fälligkeitszeitpunkt nicht wird begleichen können425. So ist z. B. eine bestehende Überschuldung neben weiteren Verlusten und zwei die finanzwirtschaftliche Lage stark belastenden Fehlinvestitionen als ein Momentum bei der Bestimmung des no correspondence that from at least 1992, and probably earlier, the company either could not, or would not, pay its debts as the fell due, within normal terms of trade“. 420 Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17). Vgl. etwa Re Marini Ltd. Liquidator of Marini Ltd. v. Dickenson & Ors [2004] B.C.C. 2004, 172 (197); hierzu Spence, Insolvency Intelligence 2004, 17 (1), 11 (11 f.). vgl. Auch Re Bangla Television Ltd. [2009] EWHC 1632 (Ch) = NZI 2010, 621 (623) = BeckRS 2010, 07479: „[…] the revenue was not sufficient and from the beginning of 2003 we started building up debts“. 421 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] BPIR, 733 (=2001 WL 720239) para. 100; vgl. auch Re Continental Assurance Company of London plc (No 3) [1999] 1 BCLC 751 (751 ff.). 422 Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491 (498). 423 Re Brian D. Pearson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (26 ff.); Re Cubelock Ltd. [2001] B.C.C. 523 (540); Re The Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC 110 (110 ff.). Vgl. Bachner, EBOR 7 (2006), 293 (304 ff.); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (185); Davies, EBOR 7 (2006), 301 (318); Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 350 f.; illustrativ für den angelsächsischen Standpunkt zur Überschuldung Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1382): „nineteenth century balance sheet attitudes“. 424 Re Cubelock Ltd. [2001] B.C.C. 523 (540); vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (543); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (185); Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (347 f.); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 43. Eine Ausnahme bildet insoweit teilweise Re Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R., 733 (=2001 WL 720239) para. 121 ff., wo der Frage des Vorliegens einer balancesheet-insolvency weitreichende Bedeutung zugemessen wird.: „two crucial issues […] was Continental (balance-sheet, A.d.V.) solvent or not“, dies dann allerdings – implizit – relativiert wird (para. 203): „The exercise which he was meant to be conducting was to construct a balance sheet to show whether Continental would be solvent or insolvent if it continued to carry on business (Hervorhebung des Verfassers)“. 425 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (26 ff.); vgl. auch Davies, EBOR 7 (2006), 301 (319); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 102; missverständlich Oesterle, in: Ramsay, 19 (36), wonach die Frage, ob keine vernünftige Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Liquidation „is determined by a balance sheet test“. A.A. Mock/Westhoff, DZWiR 2004, 23 (25): „dieser erhöhte Sorgfaltsmaßstab wird bereits durch das Vorliegen der Überschuldung (balance sheet insolvency) ausgelöst“.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation gewertet worden426. Übersetzt in deutsche Diktion ist zusätzlich eine zu präzisierende negative Fortführungsprognose erforderlich427. Dies gilt insbesondere für Neugründungen428. Die Spruchpraxis setzt sich hiermit nicht in Widerspruch zum Wortlaut von sec. 214 IA. Zwar stellt auch eine balance-sheet-insolvency einen Unterfall der Insolvenz dar, so dass man versucht sein könnte, anzunehmen, dass nicht nur der Zeitpunkt erreicht ist, in dem keine vernünftigen Aussichten mehr bestehen, die insolvenzbedingte Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden, sondern der Zeitpunkt der insolvenzbedingten Liquidation selbst. Dem steht jedoch entgegen, dass sec. 214 IA einerseits nicht auf die Insolvenz an sich, sondern auf die insolvenzbedingte unvermeidliche Liquidation abstellt429 und anderseits das englische Recht kein Fortführungsverbot bzw. keine Insolvenzantragspflicht kennt. Nicht zuletzt begründet eine balance-sheet-insolvency im englischen Recht lediglich eine widerlegliche Vermutung dafür, dass die Gesellschaft insolvent i.S.v. sec. 122 IA ist. Wrongful trading erlaubt also auch seinem Wortlaut nach, dass eine überschuldete Gesellschaft fortgeführt wird, sofern hinreichende Aussicht besteht, die insolvenzbedingte Liquidation zu vermeiden. Aus diesen beiden Grunddeterminanten des moment of truth, der Fokussierung auf die Liquidität der Gesellschaft und der weitgehenden Negierung der Relevanz eines bilanziellen Überschuldungsausweises darf nicht der Schluss gezogen werden, dass die Haftung wegen wrongful tradings zwingend zeitlich nach der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung einsetzt430. Die Orientierung an der Liquidität der Unternehmung ist nicht gleichbedeutend damit, dass allein Zahlungsunfähigkeit den kritischen Zeitpunkt darstellt431. Die Entscheidungen, die eine längere Liquiditätskrise als nicht ausreichend zur Begründung des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation bezeichnet haben, müssen vielmehr so gelesen werden, dass im Einzelfall trotz Vorliegens einer Liquiditätskrise das Schicksal der Gesellschaft 426 Re Brian D. Pierson (Constructors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (50 ff.); ähnlich in Re Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC 110 (127), a.A. offensichtlich Payne/Prentice, in: Ramsay, 190 (200), nach denen auch eine bloße balance-sheetinsolvency die Haftung auslösen kann. 427 Vgl. Haas, Reform des kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz, E 28. 428 Re Cubelock Ltd. [2001] B.C.C. 523 (540). 429 Zu Recht hierauf hinweisend Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 364 f., der allerdings der Bestimmung gleichzeitig entnehmen will, dass erst nach Eintritt der Überschuldung keine vernünftige Aussicht mehr bestehe, die insolvenzbedingte Liquidation zu vermeiden. 430 In diese Richtung etwa Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (293 ff.); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 28 f.; Fleischer, ZGR 2004, 437 (457): „Wer sich davon eine Vorverlagerung der Handlungspflichten gegenüber dem deutschen Recht verspricht, wird enttäuscht“; auch Stöber, ZHR 176 (2012), 329 (354 f.) geht davon aus, dass die Haftung praktisch immer erst nach Erreichen von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eingreift. 431 Tendenziell anders wohl Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (543).

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

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zumindest noch nicht besiegelt war. Weitere Kriterien legten nahe, dass die aktuellen Cashflows nicht den hypothetisch erzielbaren entsprachen. Damit ist gleichzeitig nicht ausgeschlossen, dass bei noch bestehender Zahlungsfähigkeit ausnahmsweise der moment of truth erreicht ist. Hierfür streitet nicht allein der Wortlaut, sondern auch die Intention des Gesetzes, den haftungsbegründenden Zeitpunkt auf den Moment der Unternehmensgeschichte festzulegen, in dem ihre wirtschaftliche Grundlage (economic viability) zerstört ist. In Anlehnung an die deutsche Terminologie lässt sich formulieren, dass eine Haftung im Einzelfall zumindest ab dem Zeitpunkt drohender Zahlungsunfähigkeit432 bzw. einer negativen Fortführungsprognose nach § 19 InsO in Betracht kommt. Die strukturelle Offenheit von sec. 214 IA 1986 zeigt insbesondere die Entscheidung Re Purpoint. Zur Frage, ob eine bereits im Gründungszeitpunkt bestehende offensichtliche Unterkapitalisierung den moment of truth darstellen könne, führt Vinelott J aus: „I have felt some doubt whether a reasonably prudent director would have allowed the company to commence trading at all. Its only assets were purchased by bank borrowing or acquired by hire purchase. And its working capital was contributed by a loan from Mr. Froome. The business is inherited from Winnersh Printing Services Ltd., had proved unprofitable and with the winding up of that company the creditors, other than the Royal Bank of Scotland, were left with an empty shell. The new company assumed the additional burden of paying a salary to Mr. Meredith. However, I do not think it would be right to conclude that Mr. Meredith ought to have known that the company was doomed to end in an insolvent winding up from the moment it started to trade. That would, I think, impose too high a test“433. Wenn dieser vielzitierten Passage entnommen wird, dass eine vor Insolvenzreife einsetzende Haftung nach sec. 214 IA nicht in Betracht kommt, wird ignoriert, dass das Urteil sich auf die Frage beschränkt, ob schon bei Gründung der Gesellschaft ihr Scheitern abzusehen war434. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die streitgegenständliche Frage materieller Unterkapitalisierung im englischen Recht keine bzw. eine untergeordnete Rolle spielt aufgrund der weniger Eigenkapital-, sondern Cash-Flow-orientierten Betrachtungsweise. Die Entscheidung lässt sich somit auch so lesen, dass eine Haftung nach sec. 214 IA selbst im Gründungszeitpunkt denkbar erscheint, hierfür jedoch das Vorliegen einer materiellen Unterkapitalisierung für sich genommen nicht ausreicht435. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Entscheidungen Offical Receiver v Doshi und Re Latreefers Inc, Stocznia Gdanska SA v. Latreefers Inc. Einen Hauptstreitpunkt der Auseinandersetzung in Official Receiver v Doshi bildete die Behauptung des Li432

Vgl. BDI/HengelerMueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 27. Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491 (498); inhaltlich ähnlich Re Cubelock Ltd. [2001] B.C.C. 523 (543 f.) und Official Receiver v Doshi [2001] 2 BCLC 235 (274 f.); vgl. auch Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17). 434 Ähnlich wohl auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (188). 435 Ähnliche Wertung auch bei Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 33 f. und Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 118 f. A.A. allerdings Burg, GmbHR 2004, 1379 (1381), der im wrongful trading eine Haftung für materielle Unterkapitalisierung sieht. 433

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quidators als Kläger, dass bereits die Geschäftsaufnahme durch die Gemeinschulderin VKV, deren Unternehmensgegenstand die Fortführung der Geschäfte der insolventen Universal Wines bildete, einen Verstoß gegen sec. 214 IA darstelle, da aufgrund der Insolvenz der wirtschaftlichen Vorgängergesellschaft zu keinem Zeitpunkt eine vernünftige Aussicht bestanden habe, ein profitables Unternehmen zu führen. Das Gericht folgte dem dahingehenden Vortrag des Klägers nicht, allerdings nicht unter Hinweis darauf, dass im Gründungsstadium eine Haftung wegen wrongful trading ex definitione ausscheide, sondern auf Grund bestehender Zweifel, ob das Schicksal der neuen Gesellschaft (VKV) tatsächlich bereits im Gründungszeitpunkt besiegelt gewesen war: „There is simply insufficient evidence before me as to the true cause of the failure of Universal wines […] Nevertheless, I have not been persuaded that there were systematic defects in the business which it conducted such as to make it obvious and inevitable that that business could never trade successfully436. Gleichsinnig stellt das Gericht in Re Latreefers Inc, Stocznia Gdanska SA v. Latreefers Inc. fest, dass bereits die Gründung einer Gesellschaft tatbestandlich erfasst sein kann, wenn diese dem ausschließlichen Zweck dient, Risiken der unternehmerischen Betätigung auf Dritte zu übertragen437. Dies legt nahe, dass die Gerichte in Evidenzfällen, in denen nicht das marktimmanente Scheitern eines jungen Unternehmens in Rede steht, sondern die Gründung einer Gesellschaft zur Ausnutzung der Fehlanreize bzw. zur offensichtlichen Externalisierung von Risiken, bereit sind, den moment of truth bereits vor Erreichen von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit anzusetzen. In gleiche Richtung weist die Entscheidung Re Marini Ltd., in der Judge Seymour die Tatsache, dass die Gesellschaft im fraglichen Zeitraum weder zahlungsunfähig noch überschuldet war, lediglich als kontraindikatives Momentum behandelt438. Zutreffend ist allerdings auch, dass die englischen Gerichte bisher bei der Bestimmung der finanzwirtschaftlichen Komponente des moment of truth außerordentliche Zurückhaltung haben walten lassen, mit dem Ergebnis, dass der haftungsauslösende Zeitpunkt regelmäßig erst nach Erreichen der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit und damit später als nach deutschem Recht angesetzt wurde; die durch sec. 214 IA eingeräumten Möglichkeiten wurden also durch die Spruchpraxis noch nicht ausgeschöpft. Hieraus einen abschließenden Befund über die praktische Wirkmächtigkeit des wrongful trading ziehen zu wollen, erscheint auf Grund der geringen Zahl bekannt gewordener Entscheidungen allerdings nach wie 436

Official Receiver v Doshi [2001] 2 BCLC 235 (275). Re Latrefeers Inc., Stocznia Gdanska SA v. Latreefers Inc. (1999), 1 BCLC 271 (279), streitgegenständlich war die Eröffnung eines winding up über eine Auslandsgesellschaft nach sec. 221 IA 1986, die zu dem alleinigen Zweck gegründet worden war, als Käuferin in insgesamt sechs Verträgen aufzutreten, in Folge aber nur 5 % der vereinbarten Kaufsumme zahlte. Das Gericht hielt Ansprüche nach sec. 212 – 214 IA 1986 nicht für ausgeschlossen. Vgl. auch Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 119 f. 438 Re Marini Ltd. Liquidator of Marini v. Dickenson & Ors. [2004] B.C.C. 172 (198): „Moreover […] accounts did not show that as at March 31, 1998, the company was insolvent either on asset basis or on a cash-flow basis“. 437

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vor verfrüht. Vorstellbar ist insbesondere, dass Gerichte bei Sachverhaltskonstellationen, die in Deutschland unter § 826 BGB zu subsumieren wären, eine deutliche strengere Haltung einnehmen. Berücksichtigt man, dass auf Grundlage der geltenden rechnerischen Überschuldung im Rechtssinne Überschuldung i.S.v. § 19 InsO nicht nur eine negative Fortführungsprognose, sondern kumulativ ein bilanzielle Überschuldungsausweis verlangt wird, ist damit denkbar, dass im Einzelfall der moment of truth des englischen Rechts zeitlich vor seinem deutschen Pendant eingreift, nämlich dann, wenn die Fortführungsprognose bereits hinreichend ungünstig ausfällt, gleichzeitig aber noch keine rechnerische Überschuldung zu konstatieren ist. Rechtsökonomisch erscheint dies folgerichtig, besteht doch gerade unter solchen Voraussetzungen die virulente Gefahr, dass Gesellschafter und Geschäftsleiter Zuflucht bei spekulativen bzw. überriskanten Projekten suchen. Die Frage, ob und wann bereits vor Erreichen der Zahlungsunfähigkeit ein Erreichen des moment of truth denkbar ist, leitet gleichzeitig über zur zweiten Hauptdeterminante des haftungsauslösenden Zeitpunkts. Neben die objektive Zerrüttung der finanzwirtschaftlichen Lage der Gesellschaft muss deren Erkennbarkeit treten. Da hiermit in die Umschreibung des haftungsauslösenden Zeitpunkts subjektive bzw. Verschuldenselemente in gewisser Weise Einzug halten, haben Rechtsprechung und Schrifttum eine Zahl von Kriterien bzw. Umständen herausgearbeitet, die für sich oder kumulativ den Zeitpunkt des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation und dessen Erkennbarkeit begründen sollen. Im Hintergrund steht die Überlegung, dass eine Insolvenz sich auf verschiedene Ursachen gründen kann439. Der Zeitpunkt der Erkennbarkeit des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation ist zunächst immer dann erreicht, wenn Kenntnis von einer dramatischen finanzwirtschaftlichen Schieflage erlangt wird, etwa durch Präsentation der aktuellen Geschäftsergebnisse im Rahmen eines board meetings440. Da mit den Tatbestandsmerkmalen „ought to have known“ und „reasonable“ nicht nur auf die individuelle Erkenntnis, sondern zugleich auf die objektiven Erkenntnismöglichkeiten abgestellt wird, gilt gleiches dann, wenn die Geschäftsleitung bei Anwendung angemessener Sorgfalt zu diesem Befund hätte kommen können bzw. müssen. Dementsprechend markiert die Grundlagenentscheidung Re Produce Marketing als Moment des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation den Stichtag, zu dem die im konkreten Fall unterbliebene Aufstellung der Bilanzen hätte erfolgen und die desaströse finanzwirtschaftliche Lage hätte offenbaren müssen441. Diese Erfordernisse stellen sich faktisch als nichts anderes dar als die subjektive Seite der finanzwirtschaftlichen Zerrüttung und stehen damit in der Tradition der weitgehenden Gleichsetzung von Liquiditätskrise und fehlender Überlebensfähigkeit. 439

Vgl. Odiath, LMQCL [1990] 206 (210). Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (= 2001 WL 720239) para. 24 f. 441 Re Produce Marketing Consortium Ltd. [1989] BCLC 520 (550). 440

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Daneben wird zur Begründung des moment of truth auch auf qualitative Kriterien abgestellt, etwa dass drängende Gläubiger sich mehren oder ein wichtiger Warenlieferant seine Lieferungen einstellt442. Als weitere vergleichbare Umstände, die sowohl den Rückschluss auf die fehlende Überlebensfähigkeit der Gesellschaft als auch auf deren Erkennbarkeit erlauben, werden Kreditkündigung durch einen bedeutenden Zulieferer sowie der Verlust eines existentiellen Kunden443 bzw. drastische Umsatzeinbrüche444 genannt. Gemeinsamkeit ist, dass es sich jeweils um objektiv schwere Belastungen der Unternehmung handelt, die unproblematisch für die Geschäftsleitung erkennbar sind. Umgekehrt hat die Rechtsprechung die Erkennbarkeit für den Fall verneint, dass die Direktoren aufgrund einer Finanzierungszusage eines Investors die berechtigte Erwartung hatten, die Zahlungsunfähigkeit zu überwinden445 bzw. die Aussicht bestand, im Rahmen eines Unternehmensverkaufs eine Kapitalspritze zu erhalten446. Als Erkennbarkeit begründender Indikator kommt grundsätzlich auch das Urteil sachverständiger Dritter in Betracht, wobei an Urteile von Wirtschaftsprüfern einerseits sowie an Lageeinschätzungen informierter Gläubiger andererseits zu denken ist447. Die Bedeutung der Stellungnahmen der Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft ist evident. Sieht schon ein zur Objektivität verpflichteter Wirtschaftsprüfer auf Grundlage von Bilanz- und GuV-Analyse keine Chance, die Gesellschaft wirtschaftlich erfolgreich fortzuführen, darf sich auch ein Geschäftsführer dem gegenüber nicht blind zeigen. Näherer Begründung bedarf dies hingegen im Falle des Urteils der Gläubiger. Misst man dem Einverständnis eines informierten Gläubigers bezüglich der Fortführung der Gesellschaft rechtliche Be442 Re DKG Contractors Ltd. [1990] 903 (912); so auch in Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491 (494); vgl. Spindler, JZ 2006, 839 (846). 443 So etwa jüngst in Re Idessa (UK) Ltd. (in liquidation) Burke and another v Morrison and another [2012] 1 BCLC, 80 (118): „In my judgment […] is that the combined loss of income from external investors and the AVS contract meant that they ought to have concluded that there was no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation“. Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17); Odiath [1990] LMCLQ 206 (210); die mit dem Verlust des Hauptkunden verbundene finanzwirtschaftliche Zerrüttung bildete auch den Streitgegenstand der aufgrund Klagerücknahme nicht durchentschiedenen Sache Re a Company ((No.005009), ex parte Copp and another [1989] BCLC, 13 (17 f.); vgl. auch die Sachverhaltsdarstellung in der Folgeentscheidung Re MC Bacon Ltd. [1990], 324 (326). 444 Re The Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC 110 (124): „dramatic drop in turnover“. Als nicht genügend wurde hingegen in Re Marini Ltd. Liquidator of Marini Ltd. v. Dickenson & Ors. [2004] B.C.C. 172 (197) angesehen, dass „turnover plummeted from September of 1998 and the company experienced extremely difficult trading conditions“. 445 The Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC 110 (110 ff.). 446 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (= 2001 WL 720239), para. 263 ff. 447 In Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491 (494 f.) wurde der beklagte Geschäftsleiter ausdrücklich auf die Gefahren von sec. 214 IA hingewiesen; vgl. auch Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.27; Odiath, [1990] LMCLQ 206 (208 f.); Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 375.

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deutung bei, so bedient man sich – vergleichbar dem Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit des deutschen Rechts – eines Rückgriffs auf das Urteil des Marktes. Sein Verdikt, dass die Gesellschaft voraussichtlich die insolvenzbedingte Liquidation nicht wird vermeiden können, sollte die Geschäftsleitung ebenfalls veranlassen, Maßnahmen zur Minimierung der Verluste der Gläubiger zu veranlassen. Denkbar ist also, aus dem Ausbleiben der Kündigung von Kreditlinien auf die Fortführungswürdigkeit der Gesellschaft zu schließen. Mehr als eine Indikatorfunktion wird man solchen Urteilen Dritter jedoch nicht zuerkennen können448. Das Urteil eines Gläubigers ist aufgrund vorhandener Informationsasymmetrien kein sicherer Indikator für die Fortführungswürdigkeit der Gesellschaft449. Darüber hinaus sind Gläubiger keine uninteressierten Berater450. Gerade gut informierte Gläubiger sind regelmäßig hinreichend gesichert und deshalb nicht anders als Gesellschafter und Geschäftsleitung Anreizen zur Spekulation auf Kosten der ungesicherten Gläubiger ausgesetzt451. Schließlich kann dem Urteil von Wirtschaftsprüfern und Gläubigern auch deshalb keine letztentscheidende Relevanz eingeräumt werden, weil Banken und Wirtschaftsprüfer keine Beratungspflicht trifft. Direktoren kann es deshalb nicht erlaubt werden, sich durch Hinweis auf eine unterbliebene Information zu entlasten. Der Geschäftsleiter bleibt verpflichtet, eigenständig die finanzwirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu überwachen452. Umgekehrt ist ein Geschäftsleiter nicht gezwungen, die Bewertungsansätze eines Wirtschaftsprüfers zu übernehmen, wenn er berechtigterweise annehmen kann, dass sie den Grundsätzen der true and fair view nicht genügen453. Die Gerichte begründen dies mit der Erwägung, dass Geschäftsleiter die Personen sind bzw. sein sollten, die den besten Einblick in das Rechenwerk der Gesellschaft besitzen454. Dementsprechend verweigerte Knox J bereits in Re Produce Marketing den Direktoren unter diesem Gesichtspunkt die Entlastung. Die Bank hatte erst neun Monate, nachdem die Wirtschaftsprüfer die Insolvenzreife der Gesellschaft festgestellt und vor ihrer Fortführung gewarnt hatten, die Unterstützung eingestellt. Hierin sah das Gericht kein entlastendes Momentum, weil die Bank ihrerseits nicht über hinreichende Information bezüglich der finanziellen Situation der Gesellschaft verfügt habe und im Übrigen durch eine persönliche Garantie gesichert gewesen sei455. Dies erscheint konsequent. Ökonomisiert steht dahinter die Überlegung, dass die Geschäftsleiter die niedrigsten Informationskosten besitzen und somit primäre Adressaten sind. Das Urteil eines asymmetrisch informierten Gläubigers kann sich dann nicht zu Gunsten eines Geschäftsleiters auswirken, wenn 448 449 450 451 452 453 454 455

Vgl. Odiath [1990] LMCLQ 206 (209). Vgl. Odiath [1990] LMCLQ 206 (209). Vgl. Odiath [1990] LMCLQ 206 (209). Vgl. Odiath [1990] LMCLQ 206 (209). Re Brian D.Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (54). Vgl. Goode, JBL 1989, 436 (438). Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (54). Re Produce Marketing Consortium Ltd. (No. 2) [1989] BCLC 520 (551 ff.).

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es diesem möglich gewesen wäre, die finanzwirtschaftliche Zerrüttung selbst zu erkennen. Mit der Berücksichtigung solcher qualitativer, weil nicht zwingend bereits ergebniswirksamer Faktoren wird es im Grundsatz möglich, entsprechend der theoretischen Unterscheidung von solvency und economic viability den haftungsauslösenden Zeitpunkt bereits vor Erreichen einer unumkehrbaren Liquiditätskrise anzusetzen. Aktiviert man diesen Gesichtspunkt in der Gerichtspraxis, können Fehlanreize zielgenauer adressiert werden. Hat sich ein Geschäftsmodell überholt und verspricht die Fortführung nur noch die Aufzehrung der in früheren Zeiten angesammelten Kapitalien, muss über kurz oder lang mit der Genese des revidierten Anreizsystems gerechnet werden. Im Interesse von Volkswirtschaft und Gläubigern ist es geboten, hier unfruchtbaren Rettungsversuchen einen Riegel vorzuschieben. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die englischen Gerichte in einer rein bilanziellen bzw. rechnerischen Überschuldung (balance-sheet-insolvency) nicht den haftungsauslösenden moment of truth sehen, vielmehr in einem ersten Schritt eine Solvenzprüfung in den Mittelpunkt stellen. In einem zweiten Schritt wird sodann geprüft, ob eine diagnostizierte Liquiditätskrise ihre Ursache in der fehlenden Ertragsfähigkeit findet. Dementsprechend ist wiederholt auf die Nähe zum alten und mittlerweile reaktivierten Überschuldungsbegriff, der Überschuldung im Rechtssinne, hingewiesen worden456. Beide Rechtsbegrifflichkeiten arbeiten faktisch mit Zahlungsfähigkeitsprognosen457, wobei das Schwergewicht auf dem Solvenztest458 bzw. der Fortführungsprognose liegt. Fehlerhaft wäre es jedoch, aus dieser Parallele auf die weitgehende Identität des haftungsauslösenden Zeitpunkts von sec. 214 IA und Insolvenzverschleppungshaftung zu schließen. Die Zahlungsfähigkeitsprognose stellt für die Praxis allein einen, wenn auch bedeutsamen ersten Orientierungspunkt dar. Neben dieser aus dem Rechenwerk der Gesellschaft entnehmbaren Kennziffer bemühen Gerichte und Literatur weitere Umstände im Gebaren der Unternehmung sowie Veränderungen in ihrem Umfeld als Indikatoren für das Fehlen einer vernünftigen Aussicht, die insolvenzbedingte Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden. Diese sind qualitativer Natur, so dass im Ergebnis die Haftung wegen wrongful trading früher, gleichzeitig, aber auch später als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung eingreifen kann. Entscheidend sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls. Beispielhaft mag hierfür der Verlust des entscheidenden Großkunden stehen. Waren dessen Aufträge bisher maßgeblich für ein positives Ergebnis verantwortlich und steht ersichtlich kein Alternativkunde zur Verfügung, besteht eine berechtigte Erwartung, dass die Rechtsprechung hierin – unabhängig von der finanziellen Situation – den Moment des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation erblicken wird. 456 Vgl. K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (201 f.); Spindler, JZ 2006, 839 (846). 457 Vgl. K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (201 f.). 458 Vgl. Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (347 f.).

IV. Haftungsauslösender Zeitpunkt („moment of truth“)

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Zuzugeben ist der Kritik an sec. 214 IA, dass die Gerichte bei der Bestimmung des moment of truth Zurückhaltung walten lassen459. Die konstatierte Zurückhaltung muss allerdings auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Gerichte nicht gezwungen sind, den Haftungsbeginn sehr früh anzusetzen, wenn die Gesellschaft im Laufe ihrer Geschäftstätigkeit überschuldet oder insolvent wird und die Geschäftsleitung nicht wechselt. Mit Blick auf die krisenbedingte Revision des Anreizsystems gilt, dass ein solcher zur Differenzierung fähiger pflichtenauslösender Tatbestand zielgenauer die Fehlanreize zu adressieren vermag. Aufgrund der oben dargestellten Schwächen von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ist die theoretische Möglichkeit einer Vorverlagerung grundsätzlich geboten, um opportunistisches Verhalten im Vorfeld von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu minimieren bzw. zu sanktionieren. Andererseits ist die Vorverlagerung des pflichtenauslösenden Zeitpunkts kein Selbstzweck und selbst mit Kosten verbunden. Insbesondere im angelsächsischen Rechtsraum werden deshalb – im Grundsatz zunächst berechtigte – Befürchtungen artikuliert, dass Unternehmensgründer in Hochtechnologiebereichen von der Gründung einer Gesellschaft abgehalten werden, weil gerade im Gründungszeitraum eine nicht unerhebliche Scheiternswahrscheinlichkeit besteht und deshalb eine Haftung wegen wrongful trading droht460. Derartige Bedenken bezüglich des pflichtenauslösenden Zeitpunkts ignorieren jedoch, dass das zeitliche Eingreifen eines Haftungstatbestandes nicht mit der Verwirklichung der Haftung gleichgesetzt werden kann, hierüber entscheiden vielmehr die weiteren Tatbestandsmerkmale. Insofern ist es mit Blick auf die krisenbedingte Revision des Anreizsystems zunächst zu begrüßen, dass das englische Recht einen im Prinzip weiteren zeitlichen Anwendungsbereich zieht als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung. Bet-theCompany-Strategien stehen oftmals auch weit vor Erreichen materieller Insolvenzreife zur Verfügung. Alleine aus dieser abstrakten Möglichkeit zur Gläubigerschädigung kann jedoch nicht eine Haftung resultieren. Eine Haftung erscheint erst dann gerechtfertigt, wenn die Option von der Geschäftsleitung auch tatsächlich gezogen wird. Berechtigt erscheint hingegen die Kritik an der mangelnden Bestimmtheit461. Einerseits beeinträchtigt sie die verhaltenssteuernde Wirkung, da Geschäftsleiter nur dann ihr Verhalten den gesetzlichen Vorgaben anpassen können, wenn sie wissen, was ab wann von ihnen verlangt wird. Andererseits werden mögliche Kläger von der Durchführung materiell eigentlich begründeter Prozesse abgehalten, weil sie das Prozessrisiko nicht korrekt einzuschätzen vermögen. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass es eine erhebliche Erleichterung zumindest 459

Hierzu etwa Steffek, NZI 2010, 589 (590). In diese Richtung Oesterle, in: Ramsay, 19 (26 ff.). 461 Wiesner, BB 2003, 213 (215); Fastrich bei Kober, MittBayNot 2006, 208 (209); Stöber, ZHR 176 (2012), 329 (354); vgl. auch Hopt, ZHR 171 (2007), 199 (226 f.); Römermann, NZI 2008, 641 (642): „weitgehend konturenlos“. 460

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

für die Direktoren einer Gesellschaft darstellt, wenn die englischen Gerichte nicht allein auf finanzwirtschaftliche Kennziffern abstellen, deren Ermittlung im Einzelfall komplex ist und gerade bei Prognosen eo ipso streitig sein wird, sondern auch qualitative Aspekte berücksichtigen und grundsätzlich in Anschlag bringen, ob es sich um nach außen tretende Faktoren handelte, die der Geschäftsleitung bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen462. So kann von jedem Geschäftsleiter erwartet werden, sich mit den Konsequenzen auseinanderzusetzen, wenn etwa ein für 80 % des Umsatzes verantwortlich zeichnender Großkunde wegbricht. Fraglich erscheint allerdings die konkrete Zeitpunktbestimmung durch die Wendung des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation. Dahingestellt bleibt, ob die grundsätzlich wenig präzise Formulierung aus Rechtssicherheitserwägungen abzulehnen ist463, oder aber diese generalklauselartige Umschreibung die nötige Flexibilität garantiert, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die krisenbedingte Revision des Anreizsystems sich nicht in einem bilanziell zu bestimmenden Zeitpunkt kristallisiert. Die Spruchpraxis löst dieses Spannungsverhältnis zwischen Dogmatik und Praktikabilität etwas rabulistisch, indem sie einerseits davon ausgeht, dass es einen konkreten Zeitpunkt gibt464, an dem dieser moment of truth erreicht wird, andererseits die theoretischen Determinanten desselben nicht offenlegt. Strukturell schwerer wiegt, dass die Zeitpunktumschreibung materiell weder konzeptionell noch in ihrer Interpretation überzeugen kann. Rechtsprechung wie Schrifttum interpretieren dieses Tatbestandsmerkmal wortlautgetreu dahingehend, dass keine objektiven Rettungschancen mehr bestehen dürfen465. Denkbar bleibt deshalb, dass die Geschäftsleitung durch den wrongful trading-Tatbestand nicht darin gehindert wird, bei gerade noch hinreichender Wahrscheinlichkeit der Rettung, aber geringen Ertragsaussichten, spekulative Investitionsprojekte durchzuführen. Es gilt also strukturell nicht anders als im deutschen Recht, dass vor der gesetzlich bestimmten Zäsur faktisch alles erlaubt ist466 und selbst gravierende Managementfehlleistungen allein gegenüber der Gesellschaft zu verantworten sind467. Die Drohung des wrongful trading ist somit nicht vollständig, opportunistisches Verhalten bleibt möglich. Diese Zurückhaltung erscheint nicht zwingend, denn wie zu zeigen sein wird, handelt es sich bei sec. 214 IA nicht um eine allgemeine Einstandspflicht für Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Sinne einer Zufallshaftung ab Erreichen 462

Vgl. Redeker, ZinsO 2005, 1035 (1036). Vgl. Teichmann, NJW 2006, 2444 (2447). 464 Etwa Single vs. Hedman [2009] EWHC 3510 (Ch) (Summary Judgment): „[…] a date must be identified for the purposes of subsection (2). In the present application that date is 24Th March 2006“. Vgl. auch Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (303). Kritisch etwa Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17): „The courts seem to take a robust approach to what is a complex question of commercial judgment“. 465 Vgl. etwa Keay, JBL 2002, 379 (379): „While wrongful trading cannot occur until there is an end to all reasonable hope of the company’s recovery“. Vgl. auch Steffek, NZI 2010, 589 (590): „Die Rechtsprechung nimmt den Wortlaut des Prognoseinhalts ernst“. 466 Soweit nicht der Tatbestand des fraudulent trading nach sec. 213 IA 1986 einschlägig ist. 467 Vgl. Fleischer, AG 1999, 350 (360); Schall, ZIP 2005, 965 (967). 463

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des haftungsauslösenden Zeitpunkts, sondern um eine Verletzung bestimmter Verhaltensanforderungen in einer kritischen Phase des Lebens der Gesellschaft. Eine Vorverlagerung des haftungsauslösenden Zustands wäre von daher weniger bedenklich als im deutschen Recht. 3. Action en comblement du passif a) Cessation des paiements Allgemeiner materieller Eröffnungsgrund des französischen Rechts ist die cessation des paiements. Art. L. 631-1 C. Com. n.F. bestimmt: „Il est institué une procédure de redressement judicaire ouverte a tout débiteur mentionné aux articles L. 631-2 ou L. 631-3 qui, dans l’impossibilité de faire face au passif exigible avec son actif disponible, est en cessation des paiements“468. Frankreich fügt sich damit in die Großzahl der Rechtsordnungen, in denen die Zahlungsunfähigkeit allgemeiner Eröffnungsgrund ist, wobei rein terminologisch eine Nähe zur Zahlungseinstellung des deutschen Rechts zu konstatieren ist469. Inhaltlich wird allerdings hiervon abweichend verlangt, dass das liquide Gesellschaftsvermögen (actif disponible) die fälligen und durchsetzbaren Verbindlichkeiten (passif exigible) nicht deckt470. Die Rechtsprechung hat dies dahingehend präzisiert, dass „Zahlungseinstellung“471 sich darstellt als „l’impossibilité pour le débiteur, à partir de ses réserves actuelles de trésoirie ou de crédit, de faire face a son passif exigible“472. Zahlungseinstellung ist einerseits weniger als absolute Zahlungsunfähigkeit (insolvabilité)473, andererseits aber auch mehr als ein bloß vorübergehender Liquiditätsengpass (gêne)474. Vergleichbar der Zahlungsunfähigkeit des deutschen Rechts – Zahlungsstockung – wird damit dem Umstand Rechnung getragen, dass die Beschaffung von Liquidität Zeit verlangt475. Grundsätzlich genügt die bloße Fälligkeit der Forderung, soweit nicht ausnahmsweise eine Stundungsvereinbarung (moratoire) besteht. Im Einzelfall kann sich das Erreichen des Stadiums der cessation des paiements hierdurch um bis zu sechs Monate verschieben476. Während der Reformdiskussion im Rahmen des loi de 468

Vgl. auch Cour de Cassation, Rapport Annuel 2007, S. 398. K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (193 f.). 470 Vgl. Memento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 90911; Dorleac, LPA 22. 9. 2006, n8 190, S. 7; Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Frankreich, S. 58. 471 Der Begriff der Zahlungseinstellung wird in Anführungszeichen verwandt, um zu verdeutlichen, dass keine Parallelität zur deutschen Zahlungseinstellung besteht. 472 Cass. com. 17.6., Bull. Civ. IV n8 193; Cass. com. 12. 11. 1997, Bull. civ. IV, n8 290, p. 251 (N8 de pourvoi 94-15829). 473 Vgl. Lefebvre, Sociétés commerciales, Rn. 3838. 474 Vgl. Balz, ZIP 1983, 1153 (1159). 475 Ähnlicher Befund von Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 502. 476 So in cass. com. 12. 11. 1997, Bull. Civ. IV n8 290 p. 251 (N8 de pourvoi 94-15829). 469

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sauvegarde war darüber hinausgehend von Stimmen der Literatur angeregt worden, exigible durch exigé zu ersetzen, was dem Erfordernis ernstlichen Einforderns des deutschen Rechts entsprochen hätte. Diese Anregung fand jedoch keine parlamentarische Mehrheit477. In Übernahme einer Rechtsprechung der cour de cassation478 berücksichtigt allerdings seit 2008 auch Art. L. 631-1 C. Com. ausdrücklich, inwieweit die Forderungen zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit tatsächlich geltend gemacht werden. Der Schuldner, der nachweist, dass Gläubiger zu seinen Gunsten Kreditlinien oder Moratorien eingeräumt haben mit der Folge, dass er seinen fälligen Zahlungspflichten mit seinem verfügbaren Aktivermögen (actif disponible) nackommen kann, ist nicht zahlungsunfähig im Sinne des Gesetzes479. Darlegungs- und Beweislast treffen insoweit aber Gesellschaft bzw. Geschäftsleitung480, womit Gesetzgebung und Spruchpraxis den wenig überzeugenden Weg des deutschen Rechts, die Fälligkeit einer Forderung nicht genügen zu lassen, zu Recht nicht nachvollziehen481. Im Übrigen kann auch im französischen Recht die Nichtbegleichung einer einzelnen Forderung die cessation des paiements begründen482. Anders als das deutsche und englische Recht kennt das französische Recht keinen der Überschuldung (surrendettement) vergleichbaren Eröffnungsgrund483.

477 Dorleac, LPA 22. 9. 2006, n8 190, S. 7; Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. VIII 16 Fn. 35 = S. 511. 478 Cass. Com. 27. 2. 2007 (N8 de pourvoi 06-10.170), Bull. Civ. 2007, IV, N8 65. 479 Art. L. 631-1 C. com.: „Le débiteur qui établit que les réserves de crédit ou les moratoires dont il bénéficie de la part de ses créanciers lui permettent de faire face au passif exigible avec son actif disponible n’est pas en cessation des paiements“. Vgl. Memento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 90910. 480 Cass. Com. 27. 2. 2007 (N8 de pourvoi 06-10.170), Bull. Civ. 2007, IV, N8 65. Deutlich auch Cour de Cassation, Rapport Annuel 2007, S. 398: „[…] il incombe en revanche au débiteur de démontrer que son actif disponible, tel qu’il paraît établi, s’est accru par l’effet d’une réserve de credit, ou que le passif exigible, tel qu’il résulte de la somme des dettes échues, doit être réduit de ce qui n’est plus exigé, en raison d’un report d’echéance ou d’un moratoire accordé par tel ou tel créancier“. Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. VIII Rn. 16 Fn. 35 sehen durch die Entscheidung der cour de cassation einen gewissen Spielraum für die Instanzengerichte begründet. Vgl. auch Gergen, RNotZ 2013, 599 (601). 481 Vgl. Memento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 90911: „[…] peu important que le paiement n’en ait pas été effectivement exigé“. 482 Cass. Com. 8. 3. 1994, Dr. sociétés 5/1994, Nr. 90; Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. VIII 16 = S. 511. 483 Vgl. Dammann, RIW 2006, 16 (16); Sonnenberger/Dammann, Französisches Handelsund Wirtschaftsrecht, Rn. VIII 16 = S. 511: „[…] ist dem französischen Recht unbekannt“; Großerichter, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S. 371; Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 21; Stöber, ZHR 176 (2012), 329 (342 f.).

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b) Rechtsfolgen materieller Insolvenzreife Bis zum Inkrafttreten des loi de sauvegarde des entreprises484 war die Geschäftsleitung verpflichtet, bei Vorliegen einer cessation des paiements innerhalb von 15 Tagen einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Frist ist durch das Loi n8 2005-845 du 26 juillet 2005, das zum 1. 1. 2006 in Kraft getreten ist, auf 45 Tage verlängert worden (Art. L. 631-4 C. com.)485. Neben dem Eigenantrag kann die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch auf Antrag eines Gläubigers, der Staatsanwaltschaft (ministère public) oder von Amts wegen erfolgen486. Gleichzeitig endet mit dieser 45-Tage-Frist die Möglichkeit, das neugestaltete Schlichtungsverfahren (procédure de conciliation) gemäß Art. L. 611-4 C. com. zu beantragen487. Weitere Rechtsfolge des Eintritts der cessation des paiements ist, dass die période suspecte zu laufen beginnt488, während der bestimmte durch den Schuldner vorgenommene Rechtsgeschäfte und Handlungen einer nachträglichen Anfechtung unterliegen489. c) Haftungsauslösender Zeitpunkt Das französische Recht kennt damit gleichfalls eine Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleitung, deren Verletzung einen im Rahmen der action en comblement du passif beachtlichen faute de gestion darstellen kann (tardivité de la déclaration de cessation des paiements)490. Anders als das deutsche Recht knüpft die Wiederauffüllungsklage jedoch nicht automatisch und vor allem auch nicht ausschließlich an 484

Überblick über die Neuregelung etwa bei Le Corre, D. 2005, S. 2297. Art. L. 631-4 C. Com.: „L’ouverture de cette procédure doit être demandée par le débiteur au plus tard dans les quarante-cinq jours qui suivent la cessation des paiements, s’il n’a pas, dans ce délai, demandé l’ouverture d’une procedure de conciliation“. Vgl. Bauerreis, ZGR 2006, 294 (326 f.). 486 Art. L. 631-5 C. Com.: „Lorsqu’il n’y pas de procedure de conciliation en cours, le tribunal peut également se saisir d’office ou être saisi sur requête du ministère public aux fins d’ouverture de la procedure de redressement judicaire. Sous cette réserve, la procédure peut aussi être ouverte sur l’assignation d’un créancier, quelle que soit la nature sa créance“. Vgl. Bauerreis, ZGR 2006, 294 (327); Großerichter, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S. 371. 487 Vgl. Le Corre, D., 2005, S. 2297; Bauerreis, ZGR 2006, 294 (314); Dammann, RIW 2006, 16 (18); Dorleac, LPA 22. 9. 2006 n8 190, S. 7; Klein, RIW 2006, 13 (16); Karst, Länderbericht Frankreich, 873 (904); zur conciliation etwa Dammann, NZI 2008, 420 (420 f.); ders., NZI 2009, 502 (502 ff.); Degenhardt, NZI 2013, 830 (831 f.). 488 Die période suspecte endet mit der offiziellen Verfahrenseröffnung und beträgt grundsätzlich maximal 18 Monate, vgl. Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. VIII 17 = S. 511. 489 Art. L. 632-1 ff. C. Com. Vgl. Damman, RIW 2006, 16 (16 f.); ders., NZI 2009, 502 (503); Bauerreis, ZGR 2006, 294 (314); Gergen, RNotZ 2013, 599 (599 ff.); Großerichter, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S. 371; Klein, RIW 2006, 13 (15). 490 Etwa Cass. Com. 30. 3. 2010, (N8 de pourvoi: 08-22.140), Dr. sociétés 2010, 39 (39 f.) mit Anm. Legros. Vgl. im Einzelnen unter § 7, V. 3. 485

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die materielle Insolvenzreife an. Vielmehr bestimmt Art. L 651-2 C. Com., dass es in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, dass die Schulden der juristischen Person ganz oder teilweise auf die rechtmäßig bestellten oder faktischen Geschäftsleiter übertragen werden, wenn sich in einem auf Abwicklung gerichteten Insolvenzverfahren (liquidation judicaire)491 herausstellt, dass eine juristische Person überschuldet ist und ein Geschäftsleitungsfehler zur Überschuldung beigetragen hat. Erstes Tatbestandsmerkmal der action en comblement du passif ist damit das Vorliegen einer Überschuldung (insuffisance d’actif). Die bloße Zahlungseinstellung (cessation des paiements), obwohl Eröffnungsgrund, reicht für sich genommen nicht aus492. Das zu Verwertungswerten angesetzte Gesellschaftsvermögen (actif realisé) ist den Verbindlichkeiten (passif produit) im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gegenüberzustellen493. Bei den Aktiva sind sämtliche Vermögensgegenstände in Ansatz zu bringen, und zwar unabhängig von ihrer Verwertbarkeit494. Die Passiven hingegen umfassen die Gesamtheit der zur Tabelle der Gemeinschuldnerin angemeldeten und angenommenen Verbindlichkeiten495, einschließlich Verbindlichkeiten gegenüber einem beklagten Geschäftsleiter496. Die Aktiva müssen sich als unzureichend erweisen, um die vor Verfahrenseröffnung entstandenen Verbindlichkeiten zu begleichen497. Die konkrete Höhe des Saldos muss bei Erhebung der Auffüllungsklage noch nicht feststehen, ausreichend ist, wenn die Überschuldung als solche erwiesen ist498. Wie das englische Pendant der insolvent liquidation dient das Tatbestandsmerkmal der insuffisance d’actif allein der Umsetzung des Prinzips „wo kein Ausfall, da auch keine Haftung“499. Einerseits wird es bei Verfahrenseröffnung 491

Nach der Neuregelung durch das loi de sauvegarde des enterprises kommt die action en comblement nicht in Betracht, wenn ein Beschluss über einen plan de continuation bzw. einen plan de sauvegarde gefasst wurde. Vgl. Le Corre, D. 2005, S. 2297 Rn. 28; durch die Ordonnance 2008-1345 v. 12. 12. 2008 ist darüber hinaus der Anwendungsbereich der action en comblement weiter verengt worden, als sie auch in einem auf Fortführung gerichteten Insolvenzverfahren (redressement judicaire) nicht mehr zur Anwendung kommt, vgl. Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91466, hier verbleibt die Möglichkeit einer action en responsabilité auf Grundlage des droit commun, vgl. ebda. 492 Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 170. 493 Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3017); Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 170 f. 494 Ausführlich aus dem deutschen Schrifttum insbesondere Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 276 ff. 495 Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 274. 496 Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 275 f. 497 Vgl. Balz, ZIP 1983, 1153 (1173); Bulle, Le Statut du dirigeant, S. 423; Meyer/Gros, GmbHR 2006, 1032 (1035); Urbain-Parleani, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 575 (600); Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 85. 498 Trib. Com. Paris (16.ch.) v. 15. 09. 1992; Bull. Joly 1993, S. 79 ff.; Balz, ZIP 1983, 1153 (1173); Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 171; Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 61. 499 Junker, RIW 1986, 337 (340).

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fast ausnahmslos erfüllt sein500, andererseits kennzeichnet es insbesondere nicht den Zeitpunkt, ab dem eine Haftung für Gläubigerschäden in Betracht kommt. Art. L. 651-2 Code de Commerce enthält sich damit vollständig einer Bestimmung des Moments im Leben der Gesellschaft, ab dem eine Haftung in Betracht kommt; selbst eine generalklauselartige Umschreibung nach dem Vorbild von sec. 214 IA fehlt501. In Konsequenz kann jeder für die insuffisance d’actif kausale Fehler den objektiven Tatbestand der action en comblement du passif verwirklichen502. Erfasst werden nicht nur Geschäftsleitungsfehler im Umfeld der Insolvenz, sondern grundsätzlich alle Arten von insolvenzverursachenden Geschäftsleitungsfehlern503, unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Begehung504. Allein mittelbar wird der haftungsauslösende Zeitpunkt durch das Zusammenspiel der Tatbestandsmerkmale des Geschäftsleitungsfehlers (faute) und dessen (Mit)Ursächlichkeit (causalité) für die Unzulänglichkeit der Aktiven festgelegt. Wann der Fehler zeitlich begangen wurde, ist sekundär und kann allein eine Rolle spielen bei der Frage der Kausalität, die jedoch ebenfalls regelmäßig zu bejahen sein wird. Dieser Offenheit des Tatbestandes der action en comblement ist es geschuldet, dass die französische Krisenhaftung vor, gleichzeitig oder nach Insolvenzverschleppungshaftung und wrongful trading einzusetzen vermag505. Wenn demgegenüber festgestellt wird, dass im Bereich der Insolvenzverschleppung die action en comblement du passif nicht früher als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung greife506, bedeutet dies keinen Widerspruch. Der entsprechende Befund beschränkt sich auf die Funktion der action en comblement als Insolvenzverschleppungshaftung. Diesbezüglich gilt in der Tat, dass die action en comblement du passif aufgrund des Fehlens eines der Überschuldung vergleichbaren Insolvenzgrundes regelmäßig später als ihr deutsches Pendant eingreift. Ausgeblendet bleibt dabei jedoch, dass die Wiederauffüllungsklage sich nicht auf die Rolle als Haftungstatbestand für die Fortführung der insolvenzreifen Gesellschaft beschränkt. Vielmehr dient sie allgemein der Sanktionierung eines bestimmten Verhaltensunrechts, das im Einzelfall in der Insolvenzverschleppung liegen kann, aber nicht muss. Insoweit ist sie ein aliud zur Insolvenzverschleppungshaftung. Das sanktionswürdige Verhaltensunrecht kann bereits vor, aber auch nach Erreichen des Stadiums der Insolvenzreife verwirklicht 500

Vgl. Lefebvre, Sociétés Commerciales, Rn. 3862. Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 301 (331): „[…] operates, at least formally, at all points in the company’s existence“. Vgl. auch Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 26 f. 502 Vgl. Bulle, Le Statut du dirigeant, S. 424; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (203); Marquardt/Hau, RIW 1998, 441 (442); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 III 2 b), S. 549. 503 Vgl. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (203). 504 Deutlich Bourrié-Quenillet, JCP/G 1998, 319 (320): „En ce qui concerne des errreurs de départ, il convient de rappeler que la faute de gestion peut être commise à tout moment“; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 278. 505 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 301 (332 f.). 506 Vgl. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (203). 501

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werden. Insoweit lässt sich die action en comblement du passif als Kombination aus Insolvenzverursachungs- und Insolvenzverschleppungshaftung kennzeichnen. Primärer Vorwurf ist nicht die Fortführung der insolventen Gesellschaft, sondern die Herbeiführung oder Vertiefung eines Zustandes, in dem die Gläubiger nicht mehr vollständig befriedigt werden können. Mit diesem Verzicht auf die Festschreibung eines haftungsauslösenden Zeitpunkts und dem Abstellen auf die insolvenzverursachende Wirkung vermeidet Art. L. 651-2 C. com. die Schwächen von sec. 214 IA und § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 BGB, die jeweils kapitulieren müssen, wenn opportunistische Handlungen vor Erreichen der kritischen Zeitpunkte begangen werden. Ein haftungsfreier Korridor i.S. eines unerwünschten temporären safe harbour bleibt der Geschäftsleitung verwehrt507. Die action en comblement genügt damit am weitestgehendsten dem grundsätzlichen Postulat, dass eine Krisenhaftung zu jedem Zeitpunkt greifen können muss508, in dem durch Ausnutzung der Haftungsbeschränkung Agenturkosten des Fremdkapitals drohen. Dass die Gefahr solcher Bet-the-Company-Projekte auch vor Erreichen von Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung oder des moment of no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation nicht rein theoretischer Natur, sondern praktisch virulent ist, belegen bekannte Fälle wie Metallbank etc.509. Diese Vorteile sind jedoch nicht ohne Kosten. Die völlige Offenheit des Art. L. 651-2 C. Com. begründet die Gefahr, dass unternehmerische Entscheidungen auch dann sanktioniert werden, wenn sich allein das technologische Risiko verwirklicht. Der Geschäftsleitung würde damit im Ergebnis zu einem nicht unerheblichen Teil das unternehmerische Risiko aufgebürdet. Den Vorteilen der tatbestandlichen Offenheit müsste dann die Erhöhung der Risikoscheu auf Seiten der Geschäftsleitung gegenübergestellt werden. Ob die action en comblement du passif dieses Problem in adäquater Weise in den Griff zu bekommen vermag, muss hier offen gelassen werden, da diese Frage erst in Kombination mit den weiteren Tatbestandsmerkmalen beantwortet werden kann.

V. Sanktioniertes Verhalten Unterschiede bestehen des Weiteren in der Umschreibung des sanktionierten Verhaltens. Französisches und englisches Recht verlangen allgemein einen Geschäftsleitungsfehler (faute/wrongful trading), während das deutsche Recht konkret das Unterlassen der gebotenen Antragstellung im Falle der Insolvenzreife der Gesellschaft unter Sanktion stellt. Die Ausfüllung dieser grundsätzlichen Definitionen des haftungsbegründenden Verhaltensunrechts entscheidet maßgeblich darüber, in507

So auch Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 38 f. Kritisch gegenüber der Orientierung an finanzwirtschaftlichen Kennziffern auch Thole, KTS 2007, 293 (309). 509 Vgl. Tung, Business & Technology Law 1 (2007), 1201 (1207 ff.). 508

V. Sanktioniertes Verhalten

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wieweit sich die jeweiligen Haftungsregeln als Instrumente zur Bekämpfung opportunistischen Verhaltens verstehen lassen oder aber im Ergebnis Versuche darstellen, die als ungerecht empfundene, mit der Haftungsbeschränkung verbundene Risikoverteilung partiell zu revidieren. Letzteres wäre mit erheblichen wohlfahrtsökonomischen Implikationen verbunden. Eine Haftung, die nach den kritischen Zeitpunkten unterschiedslos jedes Verhalten der Geschäftsleitung mit dem Damoklesschwert persönlicher Haftung ahndet, würde ignorieren, dass ökonomisch sinnvolle Handlungen der Geschäftsleitung auch im Interesse der Gläubiger liegen. Übertriebene und volkswirtschaftlich ineffiziente Risikoaversion wäre die Folge. Andererseits begründet ein zu enger Haftungstatbestand die Gefahr, dass die in der Krise der beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft auftretenden Fehlanreize nicht wirksam adressiert werden. Allgemein lässt sich damit formulieren, dass Haftungsregeln trennscharf zwischen einer Ausbeutung der Gläubigerpositionen und einer wirtschaftlich vertretbaren, wenn auch im Ergebnis möglicherweise erfolglosen Fortsetzung des Geschäftsbetriebs zu unterscheiden haben. 1. Insolvenzverschleppungshaftung a) Strikte Antragspflicht Durch die Konstruktion der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung als Schutzgesetzhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB wird das Pflichtenprogramm, das der Geschäftsleitung in der Krise der Kapitalgesellschaft auferlegt ist, durch §§ 64 Abs. 1 GmbHG; 92 Abs. 2 AktG a.F., § 15a Abs. 1 InsO n.F. determiniert. Geschäftsführer und Vorstände haben bei Vorliegen eines materiellen Insolvenzgrundes ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber nach drei Wochen Insolvenzantrag zu stellen. Die Pflicht zur Insolvenzantragsstellung entsteht sogleich mit objektivem Eintritt des Insolvenzgrundes510. Hiermit ist das der Geschäftsleitung durch die Insolvenzverschleppungshaftung unmittelbar aufgegebene Pflichtenprogramm abschließend umschrieben. Die Geschäftsleitung muss bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag stellen, andere Verhaltensweisen sind rechtlich nicht zulässig; insbesondere kann sich ein Geschäftsleiter nicht durch Amtsniederlegung dem Pflichtenprogramm der Insolvenzverschleppungshaftung entziehen511. Das Verhaltensgebot der Insolvenzverschleppungshaftung wird damit durch die Stellung eines zulässigen und den er510 Vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 50; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 111; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 3; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG Vor § 64 Rn. 73; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rn. 14; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 62; Bisson, GmbHR 2005, 843 (847); Haas, WM 2006, 1417 (1420); Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 154; Lutter, GmbHR 1997, 329 (331); Ulmer, KTS 1981, 469 (483); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 34 f. 511 OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631 (631).

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weiterten Voraussetzungen des § 13 InsO genügenden Antrags erfüllt512. Im Falle einer mehrköpfigen Geschäftsleitung ist ausreichend, dass ein Geschäftsführer diesen stellt; sein Antrag entlastet die anderen Mitglieder der Geschäftsleitung, die keinen Antrag in eigener Person gestellt haben513. Wird der Insolvenzantrag nicht von allen Geschäftsleitern gemeinsam gestellt, ist das Vorliegen des Eröffnungsgrundes zusätzlich glaubhaft zu machen, indem etwa die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung an Eides Statt versichert wird514. Die Insolvenzantragspflicht erlischt nicht dadurch, dass alle Gesellschafter der Fortführung trotz Insolvenzreife zustimmen515, womit dem Umstand Rechnung getragen wird, dass ab Eintritt einer Krise der partielle Interessengleichlauf zwischen Fremd- und Eigenkapitalgebern endet. Die Antragspflicht darf deshalb gerade nicht zur Disposition der Eigenkapitalgeber gestellt werden. Nach ganz h.M. besteht die Insolvenzantragspflicht allerdings auch dann fort, wenn die Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger einer Fortführung zustimmt516. Allgemeine Begründung der Rechtswissenschaft ist, dass § 15a Abs. 1 InsO den Rechtsverkehr im Allgemeinen 512 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 76; Bayer/Schmidt, AG 2005, 644 (652); Bisson, GmbHR 1997, 843 (847); Vallender/Fuchs, ZIP 2004, 829 (830 f.). Insbesondere nach der erheblichen Ausweitung der Voraussetzungen, die an die Zulässigkeit eines Insolvenzantrags seit ESUG gestellt werden, erscheint es allerdings mit Blick auf den Schutzzweck der Insolvenzantragspflicht angezeigt, nicht bei jedem aufgrund formaler Verstöße unzulässigem Insolvenzantrag die Insolvenzverschleppungshaftung auszulösen. Zu diesen verschärften Anforderungen etwa Cymutta, BB 2012, 3151 (3151 ff.). 513 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 76; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh § 92 Rn. 31; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rn. 19; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 67. 514 Vgl. Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 63; Jula, Der GmbHGeschäftsführer, S. 150; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 60; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 40; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh § 92 Rn. 28; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 50. 515 Vgl. Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 69; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 59; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 63; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 3; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh § 92 Rn. 23; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 70. 516 RG, Urt. v. 14. 12. 1909 – II ZR 528/09, RGZ 72, 285 (288 ff.): „[…] ein Beschluss der Gesellschaftsgläubiger oder der Gesellschafter darf die Liquidatoren von Beobachtung der ihnen §§ 64, 71 a.a.O. auferlegten Pflicht nicht abhalten“. Wenn Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh § 92 Rn. 25 dennoch davon ausgehen, die Entscheidung verhalte sich nicht zu der Frage, inwieweit Gesellschafter und Gläubiger gemeinsam über die Insolvenzantragspflicht disponieren können, liegt dem offensichtlich die folgende Passage „Ob die Liquidatoren unter Umständen als entschuldigt gelten können, wenn sämtliche Gesellschafter und sämtliche Gläubiger einer Verschiebung der Konkursanmeldung zustimmen, ist hier nicht zu erörtern; denn dieser Fall ist nicht gegeben“ zu Grunde, wobei allerdings übersehen wird, dass das RG in diesem Fall nicht von der Insolvenzantragspflicht zu dispensieren bereit ist, sondern allenfalls ein fehlendes Verschulden für denkbar hält. Aus dem Schrifttum etwa Casper, in: Ulmer/ Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 69; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 59; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 63; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh § 92 Rn. 23; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 70.

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und insbesondere zukünftige Gläubiger zu schützen beabsichtigt517. Auch die unter ökonomischen Gesichtspunkten entscheidende Berücksichtigung der Agenturkosten des Fremdkapitals gebietet, den Verhaltensvorwurf von einem Einverständnis aller Gläubiger abzukoppeln. Positionen von aktuellen Gläubigern werden zwar nicht beeinträchtigt, wenn diese der Fortführung und damit der Gefahr einer weiteren Entwertung ihrer Ansprüche zustimmen. Jedoch besteht die Gefahr einer Schädigung von Neugläubigern518. Zumindest in der Folge geschädigte unfreiwillige Gläubiger haben ihre Zustimmung nicht erteilt. Die Schädigung Dritter, nicht an der Fortführungsentscheidung beteiligter Gläubiger ist insbesondere dann virulent, wenn die Forderungen der Altgläubiger im Zeitpunkt der Zustimmung praktisch vollständig entwertet sind. Auch diese Gläubiger haben unter diesen Voraussetzungen ein starkes Interesse an einer spekulativen Strategie, die maßgeblich auf Kosten zukünftiger Gläubiger erfolgt, während für die Altgläubiger gilt, dass sie nichts zu verlieren und alles zu gewinnen haben. Dieses eindimensionale Verständnis der Insolvenzantragspflicht wird teilweise kritisiert unter Verweis darauf, dass § 15a Abs. 1 InsO Ausdruck von Organpflichten zur beständigen Selbstprüfung sei519 bzw. dass Kern primär kein Antragsgebot, sondern ein Fortführungsverbot sei520. Im Hintergrund steht der zutreffende Befund, dass die Geschäftsleitung durch die Insolvenzantragspflicht mittelbar dazu angehalten wird, die finanzwirtschaftliche Lage der Gesellschaft gerade in Krisenzeiten ständig zu beobachten und zu analysieren521. Nur unter der Voraussetzung, dass eine bevorstehende oder eingetretene Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zeitnah erkannt wird, kann die Geschäftsleitung mit der haftungsvermeidenden Stellung des Insolvenzantrages reagieren522. Bei Krisenanzeichen haben sich Geschäftsführer und 517

Vgl. Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 63; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 59; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 70. 518 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 59. 519 Vgl. K. Schmidt, ZGR 1998, 633 (656); ders., in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, S. 152; ders., GmbHR 2007, 1072 (1077); ders., in: Scholz, GmbHG, § 64 Anh. Rn. 4; ähnlich Haas, NZG 1999, 373 (373); ders., DStR 2003, 423 (424); Haarmeyer/Wutzke/ Förster, InsO, S. 38, die resultierenden Selbstprüfungspflichten betonend auch Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 9; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 23a; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 117; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 12; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 1: „Kardinalpflicht des Vorstands zur beständigen Prüfung der Vermögens- und Finanzlage der Gesellschaft“. Teilweise wird diese Pflicht auch aus § 43 Abs. 1 GmbHG abgeleitet. So Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 34 ff. Damit stünde sie allerdings zur Disposition der Gesellschafter, so dass sich der Geschäftsführer gegen eine Klage auf Grundlage von § 64 GmbHG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB zumindest mit dem Einwand mangelnden Verschuldens verteidigen könnte. 520 Vgl. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rn. 13; ders., GmbHR 2007, 1072 (1077); ähnlich Reiner, FS Boujoung, 415 (446). 521 BGH, Urt. v. 19. 6. 2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 (1558). 522 Vgl. Pape, in: Kübler/Prütting, § 19 Rn. 4; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 19 Rn. 1. Die Selbstprüfungspflichten als Folge der Insolvenzantragspflicht werden auch in der Rechtspre-

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Vorstände durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu machen, wozu gegebenenfalls externe Expertise einzuholen ist523. Genaue Kenntnis des finanzwirtschaftlichen Rechenwerks offenbart Schieflagen zeitnah und ermöglicht überlegte Analyse und Reaktion524. Jedes Geschäftsleitungsmitglied muss deshalb prüfen, ob es sich bei der gegenwärtigen Krise um eine temporäre Erscheinung handelt und ob es Möglichkeiten gibt, dem diagnostizierten Abwärtstrend entgegenzusteuern525. Erforderlich ist ständige Überwachung des Auftragsbestands, der Umsatzentwicklung, der allgemeinen Kostensituation sowie eine vorausschauende Liquiditätsplanung526. Dies ändert aber nichts an dem Kern des sanktionierten Verhaltens. Haftungsbegründend wirkt allein die schuldhafte Verletzung der Antragspflicht527. Erkennt ein Geschäftsleitungsmitglied aufgrund ständiger Selbstprüfung eine Überschuldung, unterlässt aber in der Folge die Stellung des Insolvenzantrags, ändert die Erfüllung der organschaftlichen Selbstprüfungspflicht nichts an seiner straf- und zivilrechtlichen Verantwortlichkeit. Kern des Vorwurfs bildet damit die Insolvenzverschleppung durch Unterlassen der gebotenen Antragstellung. Anders als zahlreiche andere Rechtsordnungen knüpft das deutsche Recht damit an das Erreichen der Insolvenzreife nicht nur ein Antragsrecht für Geschäftsleitung und Gläubiger, sondern auch eine Antragspflicht der Geschäftsleitung. Unter der Hypothese ökonomisch hinreichend fundierter Ausgestaltung der Insolvenztatbestände lassen sich für diese Entscheidung gute Gründe ins Feld führen. Dies gilt zunächst für den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit, der hier verstanden wird als Rückgriff auf die Bewertung der Überlebensfähigkeit der Gesellschaft durch den Markt. Dass der Geschäftsleitung eine zwangsweise Terminierung aufgegeben wird, wenn es ihr nicht gelingt, Marktteilnehmer von ihrer Lebensfähigkeit zu überzeugen und zur Überlassung notwendiger Finanzierungsbeiträge zu veranlassen, erscheint kaum begründungsbedürftig. Auch wird der Geschäftsleitung damit nichts Unmögliches aufgegeben. Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wird ihr kaum jemals verborgen bleiben. Allein fraglich mag erscheinen, weshalb es bei bestehendem Antragsrecht der Gläubiger der Statuierung einer Antragspflicht überhaupt noch bedarf. Das Ausbleiben ausstehender Zahlungen sollte jedem Gläubiger entsprechende Anhaltspunkte geben. Die Notwendigkeit der Antragspflicht ergibt sich allerdings dann, wenn man die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Schuldnergesellschaft und Gläubigern einerseits und die Einschränkungen des chung betont: OLG Celle, Urt. v. 6. 5. 1999 – 11 232/97, NZG 1999, 1064 (1065); vgl. auch Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 2. 523 BGH, Urt. v. 19. 6. 2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 (1558); H. F. Müller, NZG 2012, 981 (981); vgl. auch Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 117. 524 Vgl. auch Goette, ZGR 1006, 261 (269); Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 148. 525 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 148. 526 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 148. 527 So dann auch Haas, NZG 1999, 373 (374), der allerdings einen ordnungsgemäßen Antrag zum Umfang der Pflicht zählt.

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Tatbestandes der Zahlungsunfähigkeit durch Rechtsprechung und Schrifttum andererseits berücksichtigt. Ein einzelner Gläubiger erkennt zwar, dass seine Forderungen nicht beglichen werden, wird aber – sofern es sich nicht gerade um die Hausbank oder einen vergleichbar gut informierten Gläubiger handelt – nicht in der Lage sein, zu beurteilen, ob seine ausstehenden Forderungen gegen die Schuldnergesellschaft zusammen mit den regelmäßig unbekannten Außenständen der weiteren Gläubiger mehr als 10 % der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft ausmachen und ob die Gesamtheit dieser Außenstände seit über drei Wochen fällig und ernstlich eingefordert ist. Die Beurteilung dieser Frage ist mit prohibitiven Kosten verbunden, so dass sich die Statuierung einer Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit informationsökonomisch durch die Rolle der Geschäftsleitung als cheapest cost avoider legitimieren lässt. Soweit die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung in Rede steht, wird die Festschreibung einer Insolvenzantragspflicht geradezu zu einem Desiderat. Nach dem hier zu Grunde gelegten Verständnis dient der Überschuldungstatbestand primär der Vermeidung der praktischen Schwächen der Zahlungsunfähigkeit. Die Gesellschaft soll vom Markt genommen werden in dem Zeitpunkt, in dem dies bei vollständiger Information und Transaktionskostenfreiheit durch die Gläubiger geschehen würde. Der Tatbestand der Überschuldung übernimmt aus diesem Grunde nicht das verzerrte, weil auf Grundlage asymmetrischer Information gebildete Urteil des Marktes, sondern betrachtet die Unternehmung selbst. Alle vorhandenen Informationen sind aufzudecken. Eine Antragspflicht bei Überschuldung lässt sich damit verstehen als Verpflichtung der Entscheidungsträger auf Seiten der Kapitalgesellschaft, überlegene Information zeitnah offenzulegen durch Verfahrenseröffnung528. Aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung würde ein bloßes Insolvenzantragsrecht hingegen bereits konstruktiv leerlaufen, soweit keine Gläubiger vorhanden sind, denen rechtliche und faktische Einsicht in die Bücher der Gesellschaft zukommt, die die Erstellung eines Überschuldungsstatus erst erlaubt529. Allerdings ist diese Konzentration auf die Insolvenzantragspflicht auch mit Schwächen verbunden. Fehlanreize vor Erreichen von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung werden überhaupt nicht adressiert. Hier offenbart sich erneut, dass die Insolvenzantragspflicht keine weiteren Organpflichten in der Krise begründet. Erkennt die Geschäftsleitung bei der notwendigen Selbstprüfung, dass (noch) keine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vorliegt, hindert sie nichts daran, sich 528

Ähnlich Drukarczyk, ZGR 1979, 552 (558): „Da Überschuldungsbilanzen interne, also nicht zu veröffentlichende Bilanzen sind, scheint es konsequent, bei Eintritt des Gefährdungstatbestandes nicht auf die Selbstschutzmaßnahmen von Gläubigern zu vertrauen, sondern die Auslösung insolvenzrechtlicher Verfahren verpflichtend vorzuschreiben“. Aus jüngerer Zeit auch Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 141; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 24. 529 Vgl. auch Hirte, ZGR 2008, 284 (286 ff.) zur praktischen Wirkungslosigkeit des Gläubigerantrags bei Überschuldung, der allerdings eine Bedeutungszunahme erwartet für den Fall, dass der Jahresabschluss nach IFRS aufzustellen wäre.

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opportunistisch zu verhalten. Insoweit ist die Insolvenzverschleppungshaftung zu eng. Dieser Befund verkehrt sich in sein Gegenteil, soweit einmal die Schwelle zur Insolvenzreife überschritten worden ist. Wurde gegen die Insolvenzantragspflicht verstoßen, findet keine weitere Vertretbarkeitskontrolle des Handelns der Geschäftsleitung statt. Vermögensminderungen, die nach Insolvenzreife eintreten, werden ohne Weiteres der Verantwortung der Geschäftsleitung zugeschrieben. Insofern handelt es sich um eine reine Erfolgshaftung. Der Geschäftsführer oder Vorstand kann sich nicht damit entlasten, dass die Fortführung der Gesellschaft unter gebotener Berücksichtigung der Belange der Gläubiger erfolgt ist, sich also nicht dem Vorwurf opportunistischen Verhaltens ausgesetzt sieht. Auch das allgemeine Risiko der Fortführung der Gesellschaft wird der Geschäftsleitung aufgebürdet. b) Drei-Wochen-Frist Eine Ausnahme von der strikten Insolvenzantragspflicht wird allein durch die Dreiwochenfrist, die der Gesetzgeber 1930 parallel zur Verabschiedung der Vergleichsordnung in § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. eingefügt hat530, gemacht. Bis zur Einführung des einheitlichen Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzrechtsreformgesetz zum 1. 1. 1999 diente die Dreiwochenfrist primär dazu, der Geschäftsleitung die Wahl zwischen Konkurs- und Vergleichsverfahren zu ermöglichen531. Auch mit dem Wegfall der verfahrensrechtlichen Dichotomie von Abwicklung und Fortführung ist die Dreiwochenfrist nicht obsolet geworden. Ihr jetziger Zweck ist darin zu sehen, dass Chancen einer außergerichtlichen Sanierung geprüft bzw. neue Mittel zur Überwindung der Unternehmenskrise – Liquidität bei Zahlungsunfähigkeit, formelles Eigenkapital bei Überschuldung – beschafft werden können532. Gelingt als Konsequenz der ergriffenen Maßnahmen die Beseitigung der materiellen Insolvenzreife, entfällt das Antragsgebot des § 15a Abs. 1 InsO eo ipso und gleichzeitig die Insolvenzreife als Anknüpfungspunkt einer möglichen Insolvenzverschleppungshaftung533. Das Verhaltensgebot der Insolvenzantragspflicht kann also sowohl durch erfolgreiche Sanierung als auch durch Insolvenzantrag erfüllt werden534. Aber auch bei letztendlichem Scheitern etwaiger Sanierungsversuche 530

Zur alten Rechtslage etwa Brodman, GmbHG, § 64 Zf. 2. Vgl. etwa Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 65; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, 1. Aufl., § 64 Rn. 25 ff. 532 BGH, Beschl. v. 30. Juli 2003 – 5 StR 221/03, BGHSt 48, 307 (309); vgl. Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 30; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 26; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 66; Hirschmann, Aufgaben des Vorstandes als Leitungsorgan, Rn. 206; Herget, AG 1974, 137 (139). 533 Vgl. Nerlich, in: Michalski, GmbHG, 1. Aufl., § 64 Rn. 36; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rn. 20; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 64 Rn. 51 f.; Bayer/Schmidt, AG 2005, 644 (652); Fleck, GmbHR 1974, 224 (230). 534 Vgl. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rn. 13; Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 68; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu 531

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wirkt die Dreiwochenfrist haftungsentlastend, soweit die in Aussicht genommenen Maßnahmen ex ante objektiv hinreichend fundiert waren535. Rechtfertigen lässt sich diese Modifikation der strikten Insolvenzantragspflicht durch die Überlegung, dass trotz Einführung des Insolvenzplanverfahrens die Eröffnung eines staatlichen Reorganisationsverfahrens mit bedeutenden Good-WillVerlusten verbunden ist536. Diese können im Einzelfall dramatisch sein, wie es auch der BGH in seiner Herstatt-Entscheidung am Beispiel des Bank-Runs beschrieben hat537. Daneben ist zu berücksichtigen, dass etwa durch Ausfall eines Großkunden, Ausbleiben von Außenständen etc. vorübergehende finanz- und leistungswirtschaftliche Schieflagen entstehen können, die die eigentliche Fortführungswürdigkeit des betriebenen Unternehmens nicht generell in Abrede stellen. Hier muss Gelegenheit für die Zuführung neuer Mittel gewährt werden. Dass gleichzeitig nicht allen überschuldeten oder zahlungsunfähigen Kapitalgesellschaften eine von ihrer tatsächlichen Sanierungsfähigkeit unabhängige dreiwöchige Galgenfrist eingeräumt wird, sichert das Gesetz, indem es die Dreiwochenfrist als Höchstfrist ausgestaltet („spätestens“), die der Geschäftsführer oder Vorstand nur dann vollständig nutzen darf, wenn darin kein schuldhaftes Zögern gesehen werden kann538. Ein Absehen von der eigentlich gebotenen Antragstellung ist nur solange erlaubt, wie sinnvolle Sanierungsbemühungen unternommen werden539 und eine rechtzeitige Sanierung ernstlich zu erwarten ist540. Die Vorbereitung des Insolvenzantrages hat folglich zu beginnen, wenn mit der erfolgreichen Sanierung des Unternehmens ernsthaft nicht § 64, Rn. 53; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 69; Fischer, GmbHG, 10. Aufl., § 64 Nr. 1. 535 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 69 f., wohl auch Haas, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 113. 536 Vgl. etwa Theewen, BKR 2003, 141 (141). 537 BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (108 ff.) – („Herstatt“). 538 BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (111 f.) – („Herstatt“); BGH, Beschl. v. 30. Juli 2003 – 5 StR 221/03, BGHSt 48, 307 (309); OLG Koblenz, Urt. v. 5. 11. 2004 – 5 U 875/04, AG 2005, 446 (447); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 69; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 113; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 123; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 64 Rn. 51; Godin/Wilhelmi, AktG, § 92 Anm 7; Habersack, in: GroßKommAktG, § 64 Rn. 66; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 50; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 23 f.; Roth, in: Altmeppen/Roth, GmbHG, § 64 Rn. 55; Krieger/ Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 12; Bayer/Schmidt, AG 2005, 644 (650); Bisson, GmbHR 2005, 843 (847); Haas, DStR 2003, 423 (426); Hirschmann, Aufgaben des Vorstandes als Leitungsorgan, Rn. 208. 539 BGH, Beschl. v. 30. 7. 2003 – 5 StR 221/03, BGHSt 48, 307 (309); BGH, Urt. v. 3. 3. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126 (199 f.); Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 70; Mertens/ Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh § 92 Rn. 23; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, 1. Aufl., § 64 Rn. 30; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 24; Bisson, GmbHR 2005, 843 (847). 540 BGH, Urt. v. 24. 1. 2012 – II ZR 119/10, ZIP 2012, 723 (724); vgl. auch Casper, in: Habersack/Ulmer/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 65; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh § 92 Rn. 23; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 68.

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mehr gerechnet werden kann541. Die strikte Insolvenzantragspflicht wird also nur für den Fall, dass a) realistische Chancen für eine b) erfolgreiche Sanierung bestehen und zwar c) nur für einen Zeitraum von maximal drei Wochen ausgesetzt. Die mit der Dreiwochenfrist eröffneten Möglichkeiten, das staatliche Reorganisations- oder Abwicklungsverfahren zu vermeiden, hängen zunächst entscheidend davon ab, wann die Dreiwochenfrist zu laufen beginnt. Die Insolvenzantragspflicht selbst entsteht nicht erst mit Ablauf der Dreiwochenfrist, sondern sogleich mit dem objektiven Eintritt des Insolvenzgrundes. Uneinheitlich wird hingegen beantwortet, wann die Dreiwochenfrist zu laufen beginnt. In dem zum Aktienrecht ergangenen „Herstatt“-Urteil hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es nicht sachgerecht sei, den Beginn der Dreiwochenfrist an den Eintritt materieller Insolvenzreife zu knüpfen542. Vielmehr beginne diese erst mit Kenntnis von der Überschuldung543 bzw. nach dem Rechtsgedanken von § 162 Abs. 1 BGB auch dann, wenn sich das Vorstandsmitglied oder der Geschäftsführer der Kenntniserlangung wider Treu und Glauben verweigere544. Für die Parallelnorm des § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. hat der BGH hingegen mit der wohl überwiegenden Literatur die Erkennbarkeit545 bzw. evidente oder offensichtliche546 Erkennbarkeit der Insolvenz genügen lassen547. 541

Vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 55; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 69; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 118; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh § 92 Rn. 23; Hirschmann, Aufgaben des Vorstandes als Leitungsorgan, Rn. 208. 542 BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (110 f.) – für die Überschuldung; OLG Koblenz, Urt. v. 5. 11. 2004 – 5 U 875/04, AG 2005, 446 (446 ff.); Ensthaler/Zech, in: Achilles/Ensthaler/Schmidt, GmbHG, 1. Aufl., § 64 Rn. 10; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 21; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 71; Schulze-Osterloh, AG 1984, 141 (143); ders., FS Bezzenberger, 415 (425); Bisson, GmbHR 2005, 843 (847). 543 BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (110 f.), Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 71; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh § 92 Rn. 21; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 12; Hirschmann, Aufgaben des Vorstandes als Leitungsorgan, Rn. 206; Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1177); Ulmer, KTS 1981, 469 (481 f.). 544 Schulze-Osterloh, AG 1984, 141 (145); Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 12; ähnlich Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh § 92 Rn. 21; Ulmer, KTS 1981, 469 (483). 545 OLG München, Urt. v. 28. 11. 2007 – 7 U 5444/05, GmbHR 2008, 320 (321) vgl. Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 70; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 51; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 66 f.; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 92 Rn. 68; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 62; Hüffer, AktG, § 92 Rn. 9; Bayer/Schmidt, AG 2005, 644 (651); Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 211 f.; Wimmer, NJW 1996, 2546 (2547); Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 316. 546 Vgl. Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, Vor § 64 Rn. 175 offensichtliche Erkennbarkeit des Insolvenzgrundes, die ihrerseits aus „objektiv zu tage liegenden Fakten und Zahlen“ abgeleitet wird. Ähnlich Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 64: „[…] auslösenden Umstände [müssen] offen zutage liegen“. 547 BGH, Urt. v. 29. 11. 1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 (185 f.).

V. Sanktioniertes Verhalten

349

Für das Erfordernis positiver Kenntnis wird maßgeblich ins Feld geführt, dass nur bei Kenntnis der Geschäftsleitung die Dreiwochenfrist ihren Zweck erfüllen könne, Sanierungsversuche zu ermöglichen548. Der objektive Eintritt eines Insolvenzgrundes lasse sich kaum jemals zeitlich genau festlegen; auch habe die Geschäftsleitung in einer Krisenlage Besseres zu tun als über diese Fragen Untersuchungen anzustellen549. Die Gegenansichten betonen demgegenüber, dass die Insolvenzantragspflicht im öffentlichen Interesse liege und deshalb nicht von der variierenden Sorgfalt einzelner Geschäftsleitungsmitglieder abhängen dürfe550. Gläubiger seien nahezu schutzlos gestellt, wenn einem Unternehmen, das bereits monatelang insolvenzreif ist, auch noch eine weitere Frist von drei Wochen zugebilligt werde551. Weiter wird gegen das Erfordernis positiver Kenntnis vorgebracht, dass der Gesetzgeber mit der Einführung eines einheitlichen Insolvenzverfahrens eine Abkehr von dem unter der Geltung der KO und VglO bestehenden Primat der Liquidation vollzogen552 und somit die Reorganisation im Insolvenzverfahren aufgewertet habe. Letzteres ignoriert allerdings, dass einerseits in der Praxis nach wie vor die Abwicklung und nicht die Reorganisation das Insolvenzverfahren dominiert und andererseits, dass eine außergerichtliche Sanierung Vorteile – auch für die Gläubiger – in Gestalt vermiedener Good Will-Verluste besitzt553 und der Gesetzgeber mit der Beibehaltung der Dreiwochenfrist gerade keinen Primat der Reorganisation im Rahmen eines Insolvenzverfahrens statuiert hat. Die Bedeutung dieser Kontroverse sollte allerdings nicht überschätzt werden. Auch nach der im Herstatt-Urteil vertretenen Ansicht des BGH kommt für den Zeitpunkt vor Kenntniserlangung eine Haftung wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung in Betracht554 und regelmäßig wird bei längerfristigem Ignorieren der Insolvenzreife kaum die erforderliche Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche Sanierungsmaßnahmen bestehen. Die beschworene Gefahr, dass durch das Anknüpfen an positive Kenntnis Gesellschaften, die bereits über Monate insolvenzreif sind, drei weitere Wochen zur Schädigung der Gläubiger eingeräumt würden, ist damit praktisch nicht gegeben. Handelt es sich unter solchen Voraus548

Etwa Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh § 92 Rn. 21. BGH, Urt. v. 19. 6. 2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 (1558) (zu § 64 Abs. 2 GmbHG a.F.); BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (111); gleichsinnig OLG Koblenz, Urt. v. 5. 11. 2004 – 5 U 875/04, AG 2005, 446 (448); Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh.§ 92 Rn. 33; Hirschmann, Aufgaben des Vorstandes als Leitungsorgan, Rn. 206. 550 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 68; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 51. 551 Vgl. Bayer/Schmidt, AG 2005, 644 (648). 552 Vgl. Bayer/Schmidt, AG 2005, 644 (648). 553 So auch schon BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (111); vgl. auch Bisson, GmbHR 2005, 843 (847); Schulze-Osterloh, AG 1984, 141 (142 f.). 554 So ausdrücklich auch Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1177); Ulmer, KTS 1981, 469 (483); gleiche Beurteilung der Relevanz der Auseinandersetzung Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/ Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 112, der allerdings im Übrigen davon ausgeht, dass sein früherer Senat auch für die GmbH grundsätzlich am Erfordernis positiver Kenntnis festhalte. 549

350

§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

setzungen um eine nicht lebensfähige Gesellschaft wird gerade nach dem Durchlaufen einer mehrmonatigen Insolvenzreife kaum davon auszugehen sein, dass erfolgversprechende Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, so dass sich die bei Kenntnis einsetzende Dreiwochenfrist praktisch auf Null verkürzt. Die Bewertung von § 15a Abs. 1 InsO hängt darüber hinaus maßgeblich von der Antwort auf die Frage ab, ob der eingeräumte Zeitraum von drei Wochen einerseits hinreichend ist, um sinnvolle Fortführungsmaßnahmen ergreifen zu können, andererseits aber auch nicht ein weiteres Zeitfenster haftungsfreier Spekulation auf Kosten der Gläubiger eröffnet. Allgemeiner Ansicht nach ist die Frist überaus knapp bemessen555. Verzögert sich die Stellung um mehr als drei Wochen, so liegt hierin immer ein schuldhaftes Zuwarten, selbst dann, wenn die Verzögerung auf ernsthaften Sanierungserwartungen beruhte556. Während bei Zahlungsunfähigkeit drei Wochen durchaus ausreichen können, die Liquidität der Gesellschaft wieder herzustellen, ermöglicht dieses Zeitfenster oftmals keine angemessene Reaktion auf das Vorliegen einer Überschuldung. Zeitnahe Abhilfe vermag hier allein ein Rangrücktritt bezüglich bestehender Darlehen bzw. die Zuführung neuer Fremdmittel mit Rangrückritt oder ein außergerichtlicher Vergleich zu schaffen557. Soll hingegen Eigenkapital zugeführt werden, ist der in jedem Fall aufwendige Weg einer Kapitalerhöhung zu gehen. Insbesondere im Falle der Aktiengesellschaft wird die Dreiwochenfrist nicht ausreichen, um die notwendigen Kapitalmaßnahmen zu veranlassen558. Trotz rechtspolitischer und rechtsökonomischer Bedenken wird man dennoch aufgrund des eindeutigen Wortlauts de lege lata mit der Dreiwochenfrist als einzelfallblinder Höchstfrist zu leben haben und Andeutungen aus der Instanzenrechtsprechung, die bei „besonderen Umständen des Einzelfalls“ eine „maßvolle Verlängerung“ für denkbar zu halten scheint559, eine Absage zu erteilen haben.

555 BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (106) – („Herstatt“): „zeitlich kurz bemessener Spielraum für Sanierungsaktionen“; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 70; Godin/Wilhemi, AktG, § 92 Anm. 7; Drukarczyk, ZGR 1979, 552 (559); Mock/Westhoff, DZWiR 2004, 23 (25). Vgl. auch Hirte, Stellungnahme zum RegE MoMiG, S. 3 mit Änderungsvorschlägen; ders., ZinsO 2010, 1986 (1989). A.A. Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 46. 556 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 69; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 26; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 68. Vgl. auch OLG Koblenz, Urt. v. 5. 11. 2004 – 5 U 875/04, AG 2005, 446 (447). 557 Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG Vor § 64 Rn. 76. 558 Vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 82. 559 So OLG Hamburg, Urt. v. 25. 6. 2010 – 11 U 133/06, BeckRS 2010, 18600; dem ohne Diskussion folgend Nowak, GmbHR 2012, 1294 (1297). A.A. Geißler, ZInsO 2013, 167 (168 ff.). Allerdings erörtert das OLG die Frage der Sanierungshöchstfrist ausschließlich im Rahmen der Enthaftung nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 GmbHG n.F. und nicht auch die Rückwirkungen auf die Insolvenzantragspflicht an sich.

V. Sanktioniertes Verhalten

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Des Weiteren greift die Notfrist nur bei – ex ante560 – berechtigten Sanierungserwartungen. Dies verhindert zwar einerseits, dass Gesellschaftern und Geschäftsführung ein zusätzliches mehrwöchiges Zeitfenster für unsanktioniertes Spekulieren auf Kosten der Gläubiger eröffnet wird, andererseits wird es damit aber unmöglich, etwaige auch im Gläubigerinteresse liegende Handlungen durchzuführen, wenn diese die Insolvenz der Gesellschaft nicht umzukehren vermögen. Auch hier sei auf den Musterfall Re Produce Marketing verwiesen, indem sich die beklagte Geschäftsleitung darauf berief, dass sie die eingelagerten Früchte noch im Interesse aller Gläubiger habe veräußern müssen und eine Liquidation erst hiernach möglich gewesen sei. Aufgrund fehlender Aussicht, durch diese Maßnahme die Krise wirklich zu überwinden, ist ihnen dieser Einwand – auch im Falle seiner Berechtigung – im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung von Vorneherein abgeschnitten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Gesetz mit der Einräumung der Dreiwochenfrist dem Umstand Rechnung trägt, dass das Vorliegen materieller Insolvenzreife nicht notwendig die fehlende Marktfähigkeit der betroffenen Unternehmung anzeigt. Dies muss sich schon daraus ergeben, dass die Definition der Insolvenzgründe nicht strikt ökonomisch vorgenommen wird, sondern auch anderen Gesichtspunkten, insbesondere einem vermeintlichen oder tatsächlichen Sicherungsbedarf der Gläubiger durch physisch vorhandene Vermögensgegenstände Rechnung trägt. Insoweit als durch die Dreiwochenfrist die teilweise blinde Zufallshaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO abgeschwächt wird, ist dies zu begrüßen. Bestehen berechtigte Sanierungserwartungen, erfolgt eine Vertretbarkeitskontrolle. Hier ist eine haftungsrechtliche Verschiedenbehandlung von opportunistischem Verhalten und wirtschaftlich rationalen Handlungen möglich. Andererseits ist die konkrete Lösung des Konflikts zwischen Verfahrenseinleitung und Sanierungsbemühungen durch eine Reihe von strukturellen Defiziten wie vor allem der Kürze der Frist und der fehlenden Möglichkeit, den Geschäftsbetrieb auch bei fehlender positiver Sanierungsprognose geordnet in das staatliche Abwicklungsverfahren zu überführen, gekennzeichnet. Vorschläge, die einzelfallblinde Dreiwochenfrist zu ersetzen, indem man entweder auf den Einschub zur Gänze verzichtet oder die Formulierung dahingehend abändert, dass regelmäßig spätestens nach drei Wochen Insolvenzantrag zu stellen ist561, weisen deshalb in die richtige Richtung. Befürchtet man durch den damit verbundenen gänzlichen Verzicht auf eine Höchstfrist ein nicht hinnehmbares Maß an Rechtsunsicherheit, könnten alternativ Anleihen beim konstruktiv identischen österreichischen Recht genommen werden, das gleichfalls eine unverzügliche Antragstellung verlangt, allerdings bei Bestim-

560

Vgl. etwa Strohn, NZG 2011, 1161 (1162). Vgl. Hirte, Stellungnahme zum RegE MoMiG, S. 3; ders., ZInsO 2010, 1986 (1993); ders., ZInsO 2011, 401 (405); ähnlich Vossius/Wachter, GmbHRG, § 65 S. 1: „unverzüglich“. A.A. wohl Geißler, ZInsO 2013, 167 (168 ff.); für eine nur temporäre – bis zur Überwindung der Finanzkrise anzuwendende – Entschärfung Böcker/Poertzgen, GmbHR 2008, 1289 (1295). 561

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

mung der Höchstfrist sanierungsfreundlicher ist, indem es der Geschäftsleitung bis zu 60 Tage einräumt (§ 69 Abs. 2 IO Österreich)562. 2. Wrongful trading Schon der Umstand, dass wrongful trading zeitlich nicht an den Moment materieller Insolvenzreife anknüpft, sondern gegebenenfalls früher respektive später eingreift, offenbart, dass das von der Geschäftsleitung gesetzlich eingeforderte Verhalten nicht oder doch nicht allein die Stellung des Insolvenzantrags sein kann. Der Begrifflichkeit des wrongful trading selbst lässt sich zu der Frage, was ein director in dem Zeitpunkt, in dem keine Aussichten bestehen, die insolvenzbedingte Liquidation zu vermeiden, zu tun hat, nichts entnehmen. Der Begriff erscheint nur in einer Fußnote und erfährt somit keine inhaltliche Klärung durch das Gesetz563. Genaue Verhaltensanforderungen statuiert das englische Recht nicht, so dass zunächst offen bleibt, was sec. 214 IA den Geschäftsleitern in concreto ab dem moment of truth abverlangt564. Vergleichbar dem deutschen Recht ergeben sich aus sec. 214 IA zunächst Überwachungspflichten565. Voraussetzung, um den moment of truth abschätzen zu können, ist, dass entsprechende Information über die finanzwirtschaftliche Lage

562

Die 120-tägige Antragsfrist des § 69 Abs. 3 IO Österreich findet nur bei Force Majeure Anwendung. Vgl. hierzu aus dem deutschen Schrifttum unlängst Stöber, ZHR 176 (2012), 326 (227 f.). 563 Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.21; Goode, JBL 1989, 436 (436); Keay, Wrongful Trading and the Liability of Company Directors, S. 1; Mayson, French & Ryan on Company Law, Rn. 20.12.1 = S. 710. 564 Vgl. Fastrich, DStR 2006, 656 (662), Simmons, Insolvency Intelligence 2001, 14 (2), 12 (13): „singularly imprecise“. 565 Dezidiert in diese Richtung K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1077); vgl. auch Dignam/ Lowry, Company Law, 17.71 = S. 483 f.; Simmons, Insolvency Intelligence 2001, 14 (2), 12 (13); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 114; Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (302 f.); Hannigan, Company Law, Rn. 25-21 = S. 653; Keay, Wrongful Trading and the Liability of Company Directors, S. 2; Pennington, Company Law, S. 52: „[…] and that the standard of attentiveness to the company’s financial condition required of them is a high one“; aus der Rechtsprechung zum CDDA auch Secretary of State for Trade and Industry v Laing and others [1996] 2 BCLC 324 (342): „[…] it is not open to a director of the company to avoid responsibility by contending that he did not know at the material time that such was taking place. It is the duty of all directors to ensure that they have frome time to time a reasonably clear picture of the financial state and trading profitability of their companies. If they are unable to ascertain what that state is, because of the condition of the company’s books and records, it is incumbent upon them to procure that immediate steps are taken to put those books and records into a reasonable state or bring the company’s trading to an end“. Ganz anders noch Re City Equitable Fire Insurance Company Ltd. [1925] Ch. 407 (429): „A director is not bound to give continuous attention to the affairs of the company“. Zurückhaltende Einschätzung des Umfangs der Informationspflichten nach englischem Recht vor Single vs. Hedman bei Steffek, NZI 2010, 589 (592).

V. Sanktioniertes Verhalten

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vorliegt566. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die Geschäftsleitung die Gesellschaft blind ins Verderben führt567. Konkretisierend verlangt die Rechtsprechung, dass die Mitglieder der Geschäftsleitung zumindest Kenntnis von eigentlich zu erstellenden Jahresabschlüssen besitzen müssen; die Berufung auf tatsächlich vorhandene Unkenntnis bleibt einem Direktor versagt568. Auch Covenants sind auf ihre Einhaltung zu überprüfen569, da für den Fall eines breach of Covenants der Abzug notwendiger liquider Mittel droht. Wird eine finanzwirtschaftliche Schieflage identifiziert, verlangt die Spruchpraxis als Reaktion hierauf die Etablierung eines wie auch immer gearteten Kontrollsystems570. Notwendig ist nach einem wenig plastischen Vergleich aus der Verhandlung zu Re Continental Assurance Company of London plc weder der Rolls-Royce noch der BMW unter den Informationssystemen, es genügt vielmehr ein leicht angeschlagener, aber noch fahrtauglicher Ford571. Voraussetzung dafür, dass bestehende Information hinreichend genutzt wird, sind zunächst zeitnahe Treffen des board572. Gegebenenfalls ist externer Rat von Wirtschaftprüfern etc. einzuholen573 oder eine Gläubigerversammlung einzuberufen, um

566 Singla vs. Hedman [2009] EWHC 3510 (Ch) (Summary Judgment) = NZI 2010, 619 (620): „[…] a director is expected to have provided himself with adequate accounting information to monitor the solvency of the company […]“. Ähnlich auch Re Bangla Television Ltd. [2009] EWHC 1632 (Ch) = NZI 2010, 621 (622) = BeckRS 2010, 07479, wo gleichfalls verlangt wird, dass sich die Geschäftsleitung vor wesentlichen Maßnahmen in der Krise einen Überblick über die genaue finanzwirtschaftliche Lage der Gesellschaft verschafft: „Before causing the Company to enter into the BSA [Business Sale Agreement, A.d.V.] which deprived the Company of its assets for no consideration, Mr Khan and Mr Haque should have made it their business to ascertain the financial position of the Company“. 567 Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (55); Milman, JBL 2004, 493 (496 f.); pointiert in diese Richtung auch K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (154 f.). 568 Re Produce Marketing Consortium Ltd. [1989] BCLC 520 (550); Simmons, Insolvency Intelligence 2001, 14 (2), 12 (13), Dignam/Lowry, Company Law, 17.71 = S. 484; Steffek, Gläubigerschutz im Kapitagesellschaftsrecht, S. 356. 569 Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (55). 570 Re DKG Contractors Ltd. [1990] B.C.C., 903 (912); allerdings sehr offen formuliert in Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (2001 WL 720239) para 113: „in abnormal periods they needed more“. 571 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (2001 WL 720239) para 117. 572 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (2001 WL 720239) para. 25 ff. (5 Treffen des board innerhalb von 6 Wochen); vgl. auch Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (55); Drake, JBL 1989, 474 (489). 573 Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (55); Dignam/Lowry, Company Law, 17.72 = S. 482 f.; Milman, JBL 2004, 493 (499 f.); Oesterle, in: Ramsay, 19 (38); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 115; Wood, Principles of International Insolvency, S. 561; Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (= 2001 WL 720239) para. 283.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

diese über die finanzwirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu informieren574. Sowohl Inhaber einer floating charge, die eine Schlüsselposition bei der Finanzierung der Schuldnerin einnehmen, als auch ungesicherte Gläubiger, die in Ermangelung von Alternativen auf eine ernsthafte Krise möglicherweise eine statutory demand zu initiieren beabsichtigen, sind einzubeziehen575. Genügt die Geschäftsleitung diesen Überwachungspflichten und erkennt in diesem Rahmen das Erreichen des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation, stellt sich die Frage, welche Verhaltensweisen die Rechtsordnung von ihr in Reaktion auf diese Anamnese erwartet. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber dennoch durch die Gericht zu entscheiden, ist es der Geschäftsleitung zunächst untersagt, verbliebenes Gesellschaftsvermögen ohne Vergütung auf ein verbundenes Unternehmen oder einen sonstigen Dritten zu übertragen576 ; anderenfalls würden durch derartiges opportunistisches Verhalten in Gestalt des asset withdrawal die Gläubiger auf die Vollstreckung gegen eine leere Hülle verwiesen. Nicht genügend ist im Regelfall zudem die bloße Amtsniederlegung in Reaktion auf das Erkennen des moment of truth577. Erforderlich ist ein aktives Reagieren auf die Krise. Zu prüfen ist die Wahl der Alternativen Liquidation oder Fortführung bzw. receivership/administration578. In zahlreichen Fällen wird Ergebnis dieser Prüfung sein, dass der Geschäftsleiter Insolvenz anzumelden hat579. Dies ist nicht zuletzt Folge des Um574 Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.29; Odiath, [1990] LMCLQ 206 (214); Drake, JBL 1989, 474 (489); Oesterle, in: Ramsay, 19 (38); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (194 f.). 575 Vgl. Milman, JBL 2004, 493 (502 ff.). 576 Re Bangla Television Ltd. [2009] EWHC 1632 (Ch) = NZI 2010, 621 (622 ff.) = BeckRS 2010, 07479. 577 Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.22; Dignam/Lowry, Company Law, 17.71 = S. 484; Doyle, Comp. Law. 1992, 13 (5), 96 (99); Drake, JBL 1989, 474 (489); Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 27-035 = S. 857 f.; Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (58); Milman, JBL 2004, 493 (508 f.). 578 Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.29; Odiath, [1990] LMCLQ 206 (214); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (194 f.); Milman, JBL 2004, 493 (508); Oesterle, in: Ramsay, 19 (38); als Handlungalternative in einem Szenario, in dem das Risiko des trading while insolvent bestand, diskutiert in der zu sec. 212 IA (misfeasance) ergangenen Entscheidung Re Welfab Engineers Ltd. [1990] BCLC, 833 (837): „I therefore consider that, in judging the propriety of the respondents’ actions, they should be compared with the alternatives of receivership or liquidation.“; hierzu im vorliegenden Kontext Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgeselschaft, S. 387. 579 Vgl. Charlesworth & Morse Company Law, S. 417; Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.29; Davies, EBOR 7 (2006), 301 (314); Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/ Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 141; von Hase, BB 2006, 2141 (2142); Heinz, Die englische Limited, S. 44; Hicks, Comp. Law. 1993 14 (3), 55 (56); Stöber, ZHR 176 (2012), 326 (339). Vgl. auch Hannigan, Company Law, Rn. 25-26 = S. 656: „Cautios and risk-adverse directors may consider that the only appropriate step is to put the company into administration, liquidation, but that the legislation necessarily demands though, obviously, it may be only practical step in many instances.“ Dezidiert in diese Richtung Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 265.

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stands, dass der moment of truth des wrongful trading so umschrieben ist, dass eine erfolgreiche Sanierung die Ausnahme und nicht die Regel ist580. Sec. 214 IA verlangt jedoch nicht in jedem Fall die Einleitung der Liquidation581 und den Verzicht auf den Abschluss weiterer Geschäfte582. Vielmehr verpflichtet der Tatbestand die Geschäftsleitung allgemein dazu, jeden Schritt zu unternehmen, um die Gläubigerverluste zu minimieren („take every step with a view to minimising the potential loss to the company’s creditors as [assuming him to have known that there was no reasonable prospect that the company would avoid going into insolvent liquidation] he ought to have taken“)583. Unter der Voraussetzung, dass trotz Erreichens des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation eine vorübergehende oder dauerhafte Fortführung der Geschäfte weniger Vermögenseinbußen mit sich bringt als die unmittelbare Verfahrenseinleitung, kann vielmehr umgekehrt die unmittelbare Verfahrenseinleitung den Anknüpfungspunkt für den Vorwurf des wrongful trading begründen584. Plastisch formuliert Park J in Re Continental Assurance Company of London, dass „ceasing to trade and liquidating too soon can be stigmatised as coward’s way out“585. Das englische Recht erlaubt und verlangt also im 580

Vgl. auch Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (300 f.); gleicher Befund auch bei Cheffins, in: Linia Prava/Black (Hrsg.): Comparative Analysis on Legal Regulation of the Liability of Members of the Management Organs of Companies, S. 153: „As a result, directors of a company in financial distress would be well advised to cause the company to enter insolvency proceedings before it is fully insolvent. This early filing will reduce their risk of later being found liable for wrongful trading“. Ähnlich Dignam/Lowry, Company Law, 17.72 = S. 484. 581 Vgl. Odiath [1990] LMCLQ 206 (211); Payne/Prentice, in: Ramsay, 190 (206); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 33; Kasolowsky/Schall, in: Hirte/ Bücker, § 4 Rn. 40. 582 A.A. allerdings offensichtlich Heinz, Die englische Limited, S. 44; Wilms, KTS 2007, 337 (346 f.); Stork, GewArch 2005, 266 (266ff), die in sec. 214 IA allein ein Fortführungsverbot sehen. Ähnlich auch Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 186: „[…] Haftung der directors für die Geschäftsfortführung trotz aussichtsloser Lage der Gesellschaft […]“. 583 Betonung der defence gemäß Sec. 214 (3) IA etwa in Re Idessa (UK) Ltd. (in liquidation) Burke and another v Morrison and another [2012] 1 BCLC, 80 (116): „The focus of the section is whether a director, knowing there is no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation, has done all that he or she can to minimise loss to creditors“. Vgl. im Übrigen etwa Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 149 ff. Gleichlautende Einwendung in sec. 588H (5) Australia Corporation Act. Vgl. Coburn, in: Ramsay, 73 (86 f.). 584 Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.22 u. 17.29 („simply stopping trading in itself may precipitate loss to creditors rather than improve their situation“); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 86; Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 33; Schillig, Comp. Law. 2009, 298 (301); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (194); Hicks, Comp. Law. 1993 (14 (3), 55 (55); Mock/Westhoff, DZWiR 2004, 23 (27); Milman, JBL 2004, 493 (499); Stöber, ZHR 176 (2012), 326 (339). 585 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (=2001 WL 720239) para. 281, die allerdings an selber Stelle sec. 214 IA ein striktes Liquidationsgebot entnimmt („On the other hand, if the directors decide to close down immediately and cause the company to go into an early liquidation, although they are not at risk of being sued for wrongful trading […]“ und dieser im Ergebnis ungewünschten Rechtsfolge dadurch zu entkommen sucht,

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Einzelfall die Fortführung der insolvenzbedrohten oder insolventen Gesellschaft, womit – nicht anders als im deutschen Recht – insbesondere Rettungschancen durch einen außergerichtlichen Work Out implementierbar gemacht werden sollen586. Die dabei bestehenden Freiheitsgrade sind allerdings größer als im deutschen Recht. Sec. 214 IA kennt zunächst kein beschränktes Zeitfenster wie die Dreiwochenfrist des deutschen Rechts587. Gleichzeitig statuiert sec. 214 IA im Einzelfall eine anders als im deutschen Recht (§ 43 GmbHG) nicht zur Disposition der Eigentümer stehende Pflicht zur Einleitung dieser Sanierungsmaßnahmen, nämlich dann, wenn dies (auch) aus Gläubigersicht geboten ist. Versprechen Rationalisierungsmaßnahmen einen Turn Around, sind diese einzuleiten588 ; eine Konzernmutter, die eine Tochtergesellschaft durch allzu rigide Weiterleitung der konzernweiten Liquidität in Insolvenznähe geführt hat, kann zum Nachschuss weiterer Liquidität verpflichtet sein589. Auch ein bewusster Verzicht auf die Erarbeitung eines Insolvenzplanes vor Erreichen materieller Insolvenzreife wie möglicherweise im Rahmen der ArcandorInsolvenz geschehen, sollte von sec. 214 IA anders als von §§ 15a Abs. 1 InsO, 823 BGB erfasst sein, umgekehrt also eine entsprechende Pflicht zur Einleitung der notwendigen Maßnahmen bestehen. Nicht ausreichend ist allerdings, dass die Geschäftsleitung glaubt, durch unverändertes Weiterwirtschaften werde sich die Lage entspannen590. Das gilt insbesondere dann, wenn die Geschäftsleitung aus übertriebenem und ungerechtfertigtem Optimismus (wilfully blind optimism) und unbesonnenem Glauben (reckless belief) allein darauf setzt, dass „something might turn up“591; handelt es sich hierbei doch um den Musterfall spekulativen Zuwartens. Negativ veranschlagen die Gerichte zudem, wenn keine Versuche seitens des Managements unternommen werden, den „Gürtel enger zu schnallen“ (,tightening‘ of dass sie mit allen Mitteln den Tatbestand von sec. 214 IA verneint, die defence nach sec. 214 IA (3) wird im Urteil überhaupt nicht thematisiert. Vgl. auch Davies, EBOR 7 (2006), 301 (314); missverständlich deshalb Kadel, MittBayNot 2006, 102 (105), der wrongful trading als Insolvenzverschleppungshaftung bezeichnet. 586 Vgl. von Hase, BB 2006, 2141 (2142); Wood, Principles of International Insolvency, S. 556; Milman, JBL 2004, 493 (499). 587 Vgl. Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 33 f.; Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (306 ff.). 588 Drake, JBL 1989, 474 (489); Odiath, [1990] LMCLQ 206 (214); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (194 f.); Milman, JBL 2004, 493 (504 ff.). 589 Vgl. etwa Prentice, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Großbritannien, 93 (107). A.A. offensichtlich Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 151, dem zu Folge sich die Bedeutung von sec. 214 (3) IA darin erschöpft, dass die Geschäftsleitung die finanzwirtschaftliche Lage im Blick behält. 590 Re Idessa (UK) Ltd. (in liquidation) Burke and another v Morrison and another [2012] 1 BCLC, 80 (118): „On the contrary, all of the evidence points to the fact that the respondents continued to use (and as I have found in several instances abuse) the company’s money in much the same way as they had done previously“; Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (54); Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (301); Drake, JBL 1989, 474 (489); Milman, JBL 2004, 493 (497 f.); vgl. auch Re Richborough Furniture Ltd. [1996] 1 BCLC 507 (517). 591 Roberts v Frohlich [2011] 2 BCLC 625 (663).

V. Sanktioniertes Verhalten

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the corporate belt), indem Maßnahmen zur Senkung der Kostenquote unternommen werden592. Begründete Hoffnung auf Besserung schließt hingegen den Vorwurf des wrongful trading aus593, solange diese Hoffnung auf Planrechnungen basiert594 und sich nicht als unberechtigt erweist595. Denkbare Einzelmaßnahmen, die die Geschäftsleitung nach dem moment of truth ergreifen darf, ohne den Schutz der defence nach sec. 214 (3) IA zu verlieren, umfassen die Planung und Durchführung einer Sanierung, die Einwerbung zusätzlichen Kapitals, Verhandlungen mit Gläubigern, insbesondere einer eventuell vorhandenen Hausbank oder einem finanzierenden Konsortium sowie auch und vor allem die Einholung qualifizierten Rechtsrats596. Daneben ist auch ein vorübergehendes Weiterwirtschaften erlaubt, das zwar keine Aussicht auf eine erfolgreiche Sanierung begründet, jedoch gleichfalls die Befriedigungschancen der Gläubiger verbessert597. Anders als nach deutschem Recht wäre der Einwand der Geschäftsleitung der Produce Marketing Ltd. im Falle seiner objektiven Richtigkeit zu berücksichtigen gewesen. Während das deutsche Recht auf dem Standpunkt steht, dass nach dem Erreichen des moment of truth nur noch die Alternativen „Liquidation“ oder „erfolgreiche Sanierung innerhalb von höchstens drei Wochen“ bestehen, eröffnet das englische Recht damit als weitere Handlungsoption die zeitweise Fortführung der nicht sanierungsfähigen Gesellschaft außerhalb der staatlichen Regelverfahren. Voraussetzung dieser letzten Handlungsoption ist, dass sich diese Fortsetzung als auch im Gläubigerinteresse liegend darstellt.

592

Re Idessa (UK) Ltd. (in liquidation) Burke and another v Morrison and another [2012] 1 BCLC, 80 (119). 593 Vgl. Odiath [1990] LMCLQ 206 (207 f.). 594 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (=2001 WL 720239), para. 289 ff. 595 Re Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC, 110 (124 ff.) für den Fall, dass zunächst seriös erscheinende Finanzierungszusagen nicht eingelöst wurden. 596 Hannigan, Company Law, Rn. 25-26 = S. 656; Dignam/Lowry, Company Law, 17.72 = S. 484; Mayson, French & Ryan on Company Law, Rn. 20.12.4 = S. 711; Schillig, Comp. Law. 2009, 298 (301); Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 387. 597 Wie hier wohl Dignam/Lowry, Company Law, 17.72 = S. 484: „On the one hand realising the company’s assets at a reasonable price in order to begin the process of discharging the company’s debts may bring directors within s214 (3)“ sowie Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.29. A.A. offensichtlich Davies, EBOR 7 (2006), 301 (314): „It is only where there is a realistic prospect of trading out of insolvency that the British provisions give the directors a freedom of action apparently denied by the German and Australian Rules“. Kritisch auch Payne/ Prentice, in Ramsay, 190 (207) und Prentice, Corporate Personality, 95 (113 f.) mit Blick auf die Befriedigungschancen indivueller Gläubiger, die allerdings gleichwol von der Zulässigkeit der nur vorübergehenden Fortsetzung der Geschäftstätigkeit ausgehen. Wohl auch Steffek, NZI 2010, 589 (593).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Einen wesentlichen Unterschied zum deutschen Recht stellt es dar, dass das englische Recht kein abgestecktes Zeitfenster für Sanierungsmaßnahmen kennt. Diese sind solange erlaubt, wie dies mit dem objektiven Gläubigerinteresse vereinbar ist, wobei maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist598. Hierin offenbart sich der strukturelle Unterschied der durch Insolvenzverschleppungshaftung einerseits und wrongful trading andererseits statuierten Verhaltenspflichten der Geschäftsleitung. Das deutsche Recht gewährt nach dem Erreichen materieller Insolvenzreife eine fixe Zeitspanne zur Überwindung der Krise; verstreicht diese Frist ungenutzt, wird jedes weitere Agieren der Gesellschaft als Pflichtverstoß qualifiziert. Sec. 214 IA hingegen formuliert allein einen strikteren Verhaltensstandard nach Erreichen des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation. Die Fortführung an sich wird nicht verboten, vielmehr muss sich das Handeln am Interesse der Gläubiger orientieren. Es wird eine Vertretbarkeitskontrolle der einzelnen Handlungsakte vorgenommen599, die im Ergebnis dazu führt, dass auch langwierigere Sanierungsversuche unternommen werden dürfen. In Re Rod Gunner Organisation etwa wurde der Geschäftsleitung der rechnerisch überschuldeten späteren Gemeinschuldnerin ein Zeitraum von 3 12 Monaten zugebilligt, währenddessen sie auf Finanzierungszusagen vertrauen durfte, die sich im Nachhinein als inhaltsleer erwiesen600. Dass beide Rechtsinstitute in zahlreichen Fällen zu vergleichbaren Ergebnissen gelangen, steht dieser Würdigung nicht entgegen, sondern ist dem Umstand geschuldet, dass regelmäßig die von der Geschäftsleitung einer abgewirtschafteten Gesellschaft ergriffenen Maßnahmen der Vertretbarkeitskontrolle nicht standzuhalten vermögen. Zwar wird als Maßstab der Vertretbarkeitsprüfung die exante-Sicht eines sorgfältigen Geschäftsleiters in der konkreten Situation eingenommen, um die Gefahren eines hindsight bias gering zu halten601. Da jedoch in einem Zeitpunkt, in dem keine vernünftigen Aussichten bestehen, die insolvenzbedingte Liquidation zu vermeiden, eine umfassende Neufundierung des Geschäftskonzepts notwendig ist, um eine vorübergehende oder dauerhafte Rückkehr in die Gewinnzone zu realisieren, wird die Geschäftsleitung der Gesellschaft selten entsprechende Umstände vortragen können. Dies darf nicht dazu verleiten, die strukturellen Unterschiede zwischen Insolvenzverschleppungshaftung und wrongful trading zu nivellieren. Während die Insolvenzverschleppungshaftung außerhalb des Anwendungsbereiches der Sanierungsfrist rein zeitpunktbezogen ist und sich der mit ihr erhobene Vorwurf im Unterlassen des gebotenen Insolvenzantrags respektive in der Fortführung der Unternehmung trotz Insolvenzreife erschöpft, verlangt sec. 214 IA also ein konkretes, über 598

Vgl. Odiath [1990] LMCLQ 206 (208). Demgegenüber die Ähnlichkeiten (implizite Selbstprüfungspflichten) betonend K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1077). 600 Re The Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC 110 (124). 601 Re Brian D. Pierson (Constructors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (50); Re Cubelock Ltd. [2001] B.C.C. 523 (542 f.) 599

V. Sanktioniertes Verhalten

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die bloße Fortführungsentscheidung hinausgehendes Verhaltensunrecht der Direktoren. Strukturell lässt sich damit eine Zweistufigkeit des Haftungssystems erkennen. Voraussetzung ist zunächst das Erreichen des Zeitpunkts des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation, also des Zeitpunktes, in dem das revidierte Anreizsystem Wirkkraft erlangt und die Entscheidungsregeln der Geschäftsleitung verzerrt. Auf einer zweiten Stufe wird sodann geprüft, ob sich die krisenbedingte Revision des Anreizsystems in der Weise niedergeschlagen hat, dass sich die Geschäftsleitung von den Fehlanreizen hat verleiten lassen und sich im konkreten Fall auch tatsächlich opportunistisch verhalten hat602. Der Zeitpunkt, ab dem keine vernünftige Aussicht besteht, die insolvenzbedingte Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden, lässt sich damit beschreiben als ein Zeitpunkt erhöhter Sorgfaltsanforderungen603. Zutreffend wird deshalb die Stellung der Geschäftsleitung ab dem moment of truth mit der des Schuldners bei Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. InsO verglichen mit dem Unterschied, dass die Überwachung durch den Sachwalter der Gläubiger durch das Instrument der Haftungsandrohung ersetzt ist604. Wrongful trading erweist sich damit im Vergleich zur deutschen Insolvenzverschleppungshaftung als das konstruktiv flexiblere Institut. Zielgenauer als diese kann es zwischen Schädigungen, die ihre Ursache in gläubigerschädigendem Verhalten der Geschäftsleitung haben, und solchen, die auch bei ordnungsgemäßem Geschäftsgebaren aufgetreten wären, unterscheiden, also zwischen opportunistischem Verhalten und solchen Handlungen, die nicht mit fremdkapitalbezogenen Agenturkosten verbunden sind. Es wird ein Gegenanreiz zum revidierten Anreizsystem der Krise gesetzt605, ohne gleichzeitig eine Erfolgshaftung für jegliches Verhalten nach Erreichen eines kritischen Zeitpunkts festzuschreiben. Werden die Interessen der Gläubiger als den eigentlichen residualen Risikoträgern hinreichend berücksichtigt, erhebt sec. 214 IA keinen Vorwurf. Es ähnelt insoweit der (früheren) Credit Lyonnais-Doktrin des Delaware Court of Chancery, wonach „at least when a corporation is operating in the vicinity of insolvency, a board of directors is not merely 602

Vgl. auch Davies, EBOR 7 (2006), 301 (316); für die Erlaubtheit bestimmter Maßnahmen in der Krise etwa auch Barondes, Fiduciary Duties in Distressed Corporations, S. 25. 603 So auch Mock/Westhoff, DZWiR 2004, 23 (27); Mülhens, Haftungsdurchgriff im deutschen und englischen Recht, S. 154; ähnlich auch Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 23: „[…] Haftung für fehlerhafte Geschäftsführung bei Eintritt der Insolvenz“. Die Frage, ob sec. 214 para. 3 IA aufgrund seiner Rechtsnatur als prozessuale Einrede (defence) als Pflicht im Rechtssinne zu qualifizieren ist (dagegen etwa Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S 384) ist allenfalls von dogmatischem Interesse und insbesondere aus Sicht der handelnden Personen irrelevant. Es bleibt dabei, dass einem Geschäftsleiter ein Weiterwirtschaften nach Erreichen des moment of truth nur dann erlaubt ist, wenn er dem Standard des Sec. 214 IA genügt (so dann auch das Fazit von Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 384 f.: „So wird ein Anreiz zum Handeln im Gläubigerinteresse gesetzt, der funktional einer positiven Pflicht gleichkommt“ [Hervorhebung im Original]). Die Frage wird daher im Folgenden nicht weiter vertieft. 604 Vgl. von Hase, BB 2006, 2141 (2142). 605 Vgl. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Rn. 9-6 (= S. 230).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

the agent of the residue risk bearers, but owes its duty to the corporate enterprise“606. Kehrseite der Medaille ist die damit verbundene Unbestimmtheit des haftungsauslösenden Tatbestandes607. Vage Verhaltensstandards bergen die Gefahr, dass entweder keine hinreichende Justiziabilität gewährleistet ist und eine Verhaltensbeeinflussung ausbleibt oder aber aus Sicht der Geschäftsleitung nicht kalkulierbare Haftungsgefahren resultieren, die einen übertriebenen Abschreckungseffekt (overdeterrence) zur Folge haben608. Während in der deutschen Rezeption die Annahme vorherrscht, die Einführung des wrongful trading sei im Ergebnis relativ wirkungslos geblieben609, wird im angelsächsischen Schrifttum angenommen, die unkalkulierbaren Haftungsrisiken würden zu einer erhöhten Risikoaversion auf Seiten der Geschäftsleitung führen610. Zumindest der letztere dieser Einwände erscheint strukturell unberechtigt. Die Ungenauigkeiten bezüglich der Bestimmung des kritischen Zeitpunkts werden relativiert, indem ein entsprechend gravierender Sorgfaltspflichtverstoß hinzutreten muss. 3. Action en comblement du passif a) Faute de gestion Das französische Recht verlangt generalklauselartig einen Fehler seitens der Geschäftsleitung (faute de gestion)611, wobei prinzipiell ein einzelner und isolierter faute de gestion genügt, eine zeitliche Mindestdauer des Fehlverhaltens wird nicht vorausgesetzt612 Erfasst werden nicht allein Geschäftsführungsfehler im Umfeld der

606 Credit Lyonnais Bank Nederland, N.V. v. Pathe Communications Corp. 1991 WL 277613 (Del. Ch. 1991). 607 Kritisch etwa Römermann, NZI 2008, 641 (642): „weitgehend konturenlos“. 608 Vgl. Stone, Yale L. J. 90 (1980), 1 (25 ff.), zur im Hintergrund stehenden – noch – als Glaubensstreit zu bezeichnenden Auseinandersetzung der Überlegenheit von rules gegenüber standards (bzw. vice versa) vgl. ebda. sowie Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (697 ff.). 609 Stellvertretend Spindler, JZ 2006, 839 (846). 610 Oesterle, in: Ramsay, 19 (42); für das neuseeländische Parallelinstitut des trading while insolvent etwa Goddard, in: Ramsay, 169 (169 ff.); für die (bisherige) Credit LyonnaisRechtsprechung des Delaware Court of Chancery etwa Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1378 ff.). 611 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des Sociétés, Rn. 318 = S. 189; Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91550; Zattara-Gros, LPA, n8 57 (2007), S. 33; Haas, WM 2006, 1417 (1421); ders., Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 33; Junker, RIW 1986, 337 (337) Fn. 2: faute de direction ist gleichbedeutend, aber unüblicher. 612 Vgl. Cour de Cassation, Rapport annuel 2009, S. 393: „[…] une seule faute de gestion suffit pour condamner un dirigeant social à supporter tout ou partie des dettes sociales dès lors que cette faute est légalement justifiée“. Cass. Com. 15. 12. 2009 (N8 de pourvoi 08-21906), bull. civ. 2009 IV, n8 166; Bourrié-Quenillet, JCP/E 1998, 319 (320); Martin-Serf, Rev. proc. coll. 1999, 42 (46).

V. Sanktioniertes Verhalten

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Insolvenz, also in der Krise, sondern in jeder Lage der Gesellschaft613. Grundsätzlich handelt es sich um einen objektiven Haftungsmaßstab, wobei ein Verstoß im Einzelfall ermittelt werden muss614. Wodurch eine faute gekennzeichnet ist, ist gesetzlich nicht geregelt615. Typisierend kann zwischen faute d’action und faute d’omission unterschieden werden616. Eine faute d’action kommt in Betracht bei unternehmerischer Abenteuerlust (aventurisme), Leichtsinn (témérité), unverhältnismäßigen Investitionen oder Eigensinn bei unglücklicher Diversifizierung617. Sanktionswürdiges Unterlassen ist hingegen anzunehmen bei Unterlassen gebotener Restrukturierungs- bzw. Reorganisationsmaßnahmen, unzureichender Kontrolle der Führungskräfte oder des Präsidenten, Durchführung von ertragswirksamen Transaktionen ohne ausreichende Vorbereitung oder dem Fehlen einer Kostenrechnung618. Alternativ wird zwischen Verstößen gegen gesetzliche Pflichten bzw. die Satzung, Verstößen gegen anerkannte betriebswirtschaftliche Grundsätze und allgemeiner Nachlässigkeit unterschieden619. Zu den Verstößen gegen gesetzliche Pflichten gehört zunächst die Verletzung der Insolvenzantragspflicht (Art. L.631-4 C. Com.)620. Allerdings ergeben sich hier Unterschiede zur deutschen Rechtslage. Da das französische Recht allein die cessation des paiements als Eröffnungsgrund kennt, nicht aber die Überschuldung, setzt die Haftung der Geschäftsleitung – in dieser Konstellation – später als im deutschen Recht ein621. Dies gilt allerdings nur, soweit sich die faute de gestion im Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht erschöpft. Geht dem Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht ein betriebswirtschaftlicher Fehler 613

Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (203); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 27; Marquardt/Hau, RIW 1998, 441 (442); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 III 2 b), S. 549. 614 Vgl. Drygala, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 277 (280); Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (227). 615 Vgl. Guyon, Droit des Affaires II, S. 419; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 544; Süß, EuZW 1996, 65. 616 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 318 = S. 189 f.; vgl. auch Favario, Rev. Proc. Coll. 2011 Mai/Juni, 34 (36). 617 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 318 = S. 189. 618 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 318 = S. 190; Bourrié-Quenillet, JCP/E 1998, 319 (321 f.). 619 Vgl. Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 172; Meyer/Gros, GmbHR 2006, 1032 (1036); Maul, NZG 1998, 965 (972); Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 544; ähnlich Guyon, Droit des Affaires II, S. 418 f. 620 Cass. com. 12. 11. 1997 Bull. civ. IV N8 290, p. 251 (N8 de pourvoi 94-15829); cass. com. 8. 10. 1996 Bull. iv. IV N8 226, p. 198 (N8 de pourvoi 94-18384). Vgl. Bourrié-Quenillet, JCP/E 1998, 319 (321); Derrida/Godé/Sortais, Redressement et liquidation judicaires, S. 440; Haas, WM 2006, 1417 (1421); ders., Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 27; Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 161; Stöber, ZHR 176 (2012), 329 (343). 621 Vgl. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (203).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

voraus, der eine erfolgreiche Fortführung der Gesellschaft unmöglich macht, greift die action en comblement bereits vor Erreichen der cessation des paiements622. Dies gilt insbesondere seitdem durch die Neuordnung der Verfahrensarten durch das loi de sauvegarde des entreprises bereits vor Erreichen der cessation de paiements ein Antrag auf Verfahrenseröffnung gestellt werden kann. Das Unterlassen eines Antrags auf Eröffnung einer procédure de conciliation bzw. de sauvegarde kann sich im Einzelfall als ebenso fehlerhaft darstellen wie das Unterlassen des Insolvenzantrags bei Vorliegen einer cessation des paiements. Zu denken ist hier insbesondere an die bekannten Konstellationen bestimmter unvorhersehbarer Schocks wie den Zusammenbruch des Hauptkunden oder die Zerstörung der Betriebsstätten, die in der Folge zu einem rasanten finanziellen Ausbluten der Unternehmensträgerin führen623. Eine faute de gestion aufgrund Verstoßes gegen gesetzliche Pflichten ist zudem u. a. angenommen worden in folgenden Fällen: Überschreitung des Unternehmensgegenstandes (objet social)624, Verletzung der Informationspflicht der Geschäftsleitung bei Verlust der Hälfte des Grund- oder Stammkapitals625, sowie bei Nichtbeachtung der Nachgründungsvorschriften626, staatlicher Genehmigungspflichten627, der Kapitalerhaltungsvorschriften und der Regeln über die Verteilung fiktiver Dividenden, Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Mehrwertsteuer628, der gesetzeswidrig unterbliebene Bestellung des Abschlussprüfers (commissaire aux comptes)629 sowie auch und vor allem bei Verstößen gegen die Buchführungspflichten630, wobei nicht nur Schein- und lückenhafte Buchführung, sondern auch grob fehlerhafte Rechnungslegung haftungsrechtlich missbilligt wird631. 622 Vgl. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (203); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 27. 623 Vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2005, 743 (752). 624 CAVersailles, 30. 5. 1996, Rev. proc. coll. 1999, 43 (Papiergroßhändler verkauft Parfüm und Weine nach Kolumbien, die mangels ordnungsgemäßer Vorbereitung des Exports am Zoll aufgehalten werden); CA Paris, 5. 5. 1998, Rev. proc. coll. 1999, 43. 625 Vgl. Martin-Serf, Rev. proc. coll. 1999, 42 (42); Marquardt/Hau, RIW 1998, 441 (442); Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 116 f. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass das französische Recht an den hälftigen Verlust des Stamm- oder Grundkapitals – weitergehend als §§ 49 GmbHG, 91 AktG – nicht nur Informationspflichten der Geschäfsleitung, sondern auch Handlungspflichten der Gesellschafter knüpft. Vgl. MartinSerf, Rev. proc. coll. 1999, 42 (42). 626 T. Com. Villeneuve sur Lot, 16. 2. 1996, Rev. proc. coll. 1999, 43 mit Anm. Martin-Serf. 627 Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 544. 628 Martin-Serf, Rev. proc. coll. 1999, 42 (44). 629 CA Paris, 18. 11. 1997, Rev. proc. coll. 1999, 43. 630 Vgl. die Einschätzung von Martin-Serf, Rev. proc. coll. 1999, 42 (43): „Le défaut de comptabilité sociale est une des fautes de gestion les plus couramment relevées dans la catégorie des fautes consistant dans la violation des dispositions légales impératives“. 631 Cass. com. 23.2. 1988 (N8 de pourvoi 86-11658); cass. com. 28. 5. 1996 (N8 de pourvoi 94-13550); vgl. Bourrié-Quenillet, JCP/E 1998, 319 (321); Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 544; Süß, EuZW 1996, 65.

V. Sanktioniertes Verhalten

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Die Urteile, in denen ein Verstoß gegen betriebswirtschaftliche oder allgemeine Sorgfaltspflichten Gegenstand war, sind Legion. Auch im französischen Recht stellt die Fortführung eines defizitären Geschäftsbetriebs den wichtigsten Anwendungsfall der Krisengeschäftsleiterhaftung dar. Eine faute de gestion kommt insbesondere dann in Betracht, wenn – gegebenenfalls bereits nach Erreichen des Stadiums der cessation des paiements – die Gesellschaft unter wachsenden Verlusten weitergeführt wird (poursuite de l’activité déficitaire de la société/tardiveté de la declaration de cessation des paiements)632. Andererseits genügt das Moment der Fortführung trotz Erreichens einer Krise allein nicht633. Hinzutreten muss, dass die Geschäftsleitung nicht adäquat auf die Krise reagiert. In diesem Zusammenhang betont auch die französische Spruchpraxis die Pflicht der Geschäftsleitung zur ständigen Kontrolle der finanzwirtschaftlichen Lage der Gesellschaft. So hat die Cour de Cassation für die Annahme einer faute de gestion ein bloß passives Verhalten eines Verwaltungsratsmitglieds bzw. die Verletzung seiner Kontrollpflichten gegenüber dem PDG genügen lassen634. Neben solchen Verstößen gegen spezifische Krisenpflichten, die oftmals gleichzeitig einen Verstoß gegen gesetzliche Verhaltenspflichten darstellen, werden auch allgemeine betriebswirtschaftliche Fehlleistungen als faute de gestion erfasst. Dies gilt für den Abschluss ruinöser Verträge, das voreilige Investieren in kostspielige technische Modernisierung, schwere Fehleinschätzung der Marktfähigkeit einer Geschäftsidee, fehlendes Abstellen wiederholt auftretender Fabrikationsfehler, grob unrationelle Fertigungsverfahren, zu optimistische Beschäftigungspolitik, infolge derer es zur Zahlungsunfähigkeit kommt, Beteiligung und Unterstützung eines angeschlagenen Unternehmens aufgrund eines nicht hinreichend fundierten Sanierungskonzeptes635. Auch kommerzielle Fehlleistungen, d. h. schlechte Geschäfte werden im Einzelfall erfasst636. Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang eine faute bereits dann angenommen, wenn Waren aufgrund falscher Kalkulation unter dem Selbstkostenpreis veräußert wurden637. Auch dann, wenn die gesellschaftsrechtliche Verantwortung für einen Fehler bei einem von der Geschäftsleitung 632 Cass. com. 14. 5. 1991, Bull. civ. IV, N8 164, p. 118 (N8 de pourvoi: 89-19081); Cass. com. 12. 11. 1997 Bull. Com. IV N8 290, p. 251 (N8 de pourvoi 94-15829); Cass. com. 8. 10. 1996 (N8 94-16312); Cass. Com. 30. 3. 2010, (N8 de pourvoi: 08-22.140), Dr. sociétés 2010, 39 (39 f.) mit Anm. Legros; Cass. Com. 1. 2. 2011 (N8 de pourvoi 09-72.695), Dr. Sociétés 2011, 32 (32 f.) mit Anm. Legros; vgl. auch Guyon, Droit des Affaires II, S. 419; Derrida/Godé/Sortais, Redressement et liquidation judicaires, S. 440; Wood, Principles of International Insolvency, S. 575. 633 Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 545. 634 Cour de Cassation, Bulletin Joly 1995, 266; vgl. auch Süß, EuZW 1996, 65; Klein, RIW 2010, 352 (356). 635 Beispiele etwa bei Viandier/Cozian/Deboissy, droit des sociétés, Rn. 321 = S. 190 f. und Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91551. 636 Guyon, Droit des Affaires II, S. 419; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz, S. 120 f. 637 Cass. com. 23. 2. 1988 (N8 de pourvoi 86-11658).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

verschiedenen Organ liegt, kann ein haftungsrechtlich relevantes Fehlverhalten vorliegen: so bejaht die Rechtsprechung etwa dann, wenn der Verwaltungsrat in einer Krise der Gesellschaft der Hauptversammlung die Ausschüttung von Reserven in erheblichem Umfang vorschlägt und damit die Existenz des Unternehmens gefährdet, trotz Entscheidungshoheit der Hauptversammlung eine zurechenbare faute de gestion des Verwaltungsrats638. Generelle Verhaltensweisen, die sich nach Ansicht der Gerichte als haftungswürdige Geschäftsleitungsfehler darstellen, sind etwa unregelmäßige Anwesenheit und mangelnde Einsatzbereitschaft der Geschäftsleitung639 sowie unregelmäßige und ungeordnete Buchführung640. Auch das Fehlen persönlicher Sachkunde, Sorglosigkeit (imprévoyance) und offensichtliche Unfähigkeit (totale incompétence) können eine Haftung nach Art. L. 651-2 C. Com. auslösen, insbesondere dann, wenn der Geschäftsleiter es unterlässt, Hilfe von externen Beratern zu suchen oder sich ihren Ratschlägen verschließt641. Abgelehnt wurde eine faute de gestion hingegen etwa dann, wenn ein defizitäres Unternehmen die unausweichlichen Entlassungen durchzuführen beabsichtigt, die Arbeitnehmer hierauf jedoch mit Streiks antworten; wenn fortlaufende Verluste, die sich schließlich in der Insolvenz der Unternehmung manifestieren, maßgeblich auf branchenbezogene konjunkturelle Schwierigkeiten zurückführen sind642 sowie im Falle eines ebenfalls bereits defizitär wirtschaftenden Geschäftsbetriebs, der liquidationswürdig erschien, jedoch durch den französischen Staat wegen der an dem Betrieb hängenden Arbeitsplätze in der Krise subventioniert wurde643. Keine Entlastung wird einem Geschäftsleiter hingegen dann zu Teil, wenn exogene Ereignisse – konkret die Prosteste des Jahres 1968 – die Situation belasten, gleichzeitig aber auch das Management seinen Anteil an Krise und Insolvenz hat bzw. auf den exo638 Cass. com. 25. 10. 2011 (N8 de pourvoi 10-23671), Bull. Joly Soc. 2012, 243 (243 ff.) mit Anm. Poracchia. 639 Bsp.: Anwesenheit im Unternehmen nur einmal pro Woche bei gleichzeitiger Delegation des Geschäfts auf bekannt inkompetente Personen. Vgl. Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91551. 640 Cass. com. 14. 05. 1991 (N8 de pourvoi 89-19081), Bull. Cass. civ., IV, Nr. 164, 118; cass. com. 11. 6. 1991 (N8 de pourvoi 89-20653); cass. com. 23. 2. 1988 (N8 de pourvoi 8611658); cass. com. 28. 5. 1996 (N8 de pourvoi 94-13550); Cass. Com. 1. 2. 2011 (N8 de pourvoi 09-72.695), Dr. Sociétés 2011, 32 (32 f.) mit Anm. Legros. Vgl. auch Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 546 f.; Wood, Principles of International Insolvency, S. 575. 641 Cass. com. 14. 5. 1991, Bull. civ. IV, N8 164, p. 118 (N8 de pourvoi: 89-19081); Cass. com. 12. 11. 1997 Bull. Civ. 1997 IV N8 290, p. 251 (N8 de pourvoi 94-15829); vgl. auch Guyon, Droit des Affaires II, S. 419; Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 181; Süß, EuZW 1996, 65; Wood, Principles of International Insolvency, S. 575. 642 CA Paris, 16. 9. 1997, Rev. proc. coll. 2000, 24 mit Anm. Martin-Serf; CA Paris, 30. 10. 1998, Rev. proc. 2000, 24 mit Martin-Serf. 643 Vgl. Terboven, Managerhaftung in Deutschland und Frankreich, S. 69; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 545 f.

V. Sanktioniertes Verhalten

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genen Schock nicht angemessen reagiert644. Die Trennlinie läuft weitestgehend parallel zur Unterscheidung steuerbarer Risiken und spontaner, unbeeinflussbarer Negativereignisse im Rahmen des Risikofrüherkennungssystems des § 91 Abs. 2 AktG645. Zusammenfassend lässt sich als Befund festhalten, dass als faute de gestion jegliche im Ergebnis zum Unternehmenszusammenbruch führende Maßnahme der Geschäftsleitung in Betracht kommt, soweit sie nicht primär auf exogene Faktoren wie Streiks, Hoheitsakte oder force majeure zurückzuführen ist646. Die Geschäftsleiter einer französischen Kapitalgesellschaft müssen vorsichtig, überlegt und fleißig sein und sich gleichzeitig angemessener Kontroll- und Prognoseinstrumente bedienen647. Spieler und Amateure haben sich fernzuhalten648. Diese Weite des Tatbestands hat der action en comblement du passif den Vorwurf eingebracht, eine Erfolgshaftung (obligation de résultat) zu begründen649 und das Damoklesschwert des französischen Rechts darzustellen650. Hiermit ist zugleich der rechtsökonomische Zündstoff der französischen Regelung benannt. Die Unsicherheit zukünftiger Ereignisse wird in einem Finanzierungskontrakt zwischen Schuldnergesellschaft und Gläubigern aufgeteilt, beide tragen das technologische Risiko der Unternehmung entsprechend den genauen Kreditkonditionen. Realisiert sich das technologische Risiko, ist dies von beiden Vertragsseiten zu tragen. Indem das Tatbestandsmerkmal der faute de gestion derart weit gefasst wird, besteht die Gefahr, dass das Risiko der Unternehmung einseitig auf Gesellschafter und Geschäftsleitung übertragen wird. Die effizienzmindernden Konsequenzen sind evident, weil erneut die Wohlfahrtseffekte der beschränkten Haftung ausgeschaltet werden, wenn die Geschäftsleitung vor dem Hintergrund drohender Haftung übervorsichtig agiert. Als Zwischenfazit lässt sich damit festhalten, dass das Kriterium der faute de gestion bzw. seine Handhabung durch die französische Rechtsprechung nicht in der Lage ist, eine Differenzierung zwischen opportunistischem Verhalten und solchem, dass ex ante auch von den Gläubigern gebilligt worden wäre, zu ermöglichen. Zu untersuchen bleibt damit, ob das französische Recht auf andere Weise als durch Bestimmung 644

Cass. Com. 27. 10. 1997, Rev. proc. coll. 2000, 24. Vgl. hierzu Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 31. 646 Vgl. Lefebvre, Sociétés Commerciales, Rn. 3863; Marquardt, RIW 1998, 441 (442); Haas, WM 2006, 1417 (1421); Wood, Principles of International Insolvency, S. 575; Hommelhoff/Teichmann, DStR 2008, 925 (932 f.). Vgl. auch Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 180: „La notion de faute de gestion est particulièrement extensive“. 647 Cozian/Viandier/Deboissy, droit des sociétés, Rn. 321 = S. 191. 648 Cozian/Viandier/Deboissy, droit des sociétés, Rn. 321 = S. 191: „joueurs et amateurs, s’abstenir …“. 649 Vgl. Meyer/Gros, GmbHR 2006, 1032 (1036). 650 Vgl. Bloch, Gaz. Pal. 1996, 626 (627): „L’action en comblement du passif reste une épée de Damoclès pesant sur la tête de chaque chef d’entreprise en cas d’insuffisance d’actif dès lors qu’elle peut être liée à la simple maladresse ou à la négligence du dirigeant“; Süß, EuZW 1996, 65. 645

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

des Geschäftsleitungsfehlers in der Lage ist, zielgenau zwischen rechtsökonomisch erwünschtem und unerwünschtem Verhalten zu differenzieren. b) Kausalität Eine zumindest theoretisch-konstruktive Einschränkung erfährt das umfassende Kriterium der faute de gestion dadurch, dass der Geschäftsleitungsfehler zur insuffisance d’actif beigetragen haben muss (contribué)651. Dem Wortlaut entsprechend ist allerdings bereits die bloße Mitursächlichkeit ausreichend652. Der oder die in Rede stehenden Geschäftsleitungsfehler müssen weder die einzige noch die Hauptursache der insuffisance d’actif (origine du préjudice) sein, sondern nur einen (weiteren) Beitrag zu dieser geleistet haben653. Es wird insoweit von einem „leichten kausalen Zusammenhang“654 bzw. causalité laxiste655 gesprochen. Aufgrund dieser geringen Anforderungen an das Kausalitätserfordernis ist mit ihm keine wirkliche Einschränkung der Haftung verbunden. Mitursächlichkeit kann fast immer bejaht werden656. Der Gegenbeweis, dass die faute de gestion keinen Einfluss auf die Passiva gehabt hat657, wird regelmäßig nicht zu führen sein. Marginale Erleichterungen werden einem verklagten Geschäftsleiter allerdings in jüngerer Zeit durch die cour de cassation wie auch den Gesetzgeber eingeräumt. So verlangt die cour unter Rekurs auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (principe de proportionalité), dass bei einer Mehrheit von Geschäftsleitungsfehlern, die für die Insuffizienz des Gesellschaftsvermögens verantwortlich gemacht werden, sämtliche dieser fautes nach allge651 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 318 = S. 189; Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 180. 652 Cass. com. 21. 6. 2005 (N8 04-12087) bull. civ. 2005 IV N8 134, p. 143; Cass. com. 28. 3. 2000 (N8 97-17834); vgl. Lienhard, D. 2005, S. 1850; Vallens, D. 2004, S. 1796; Derrida/ Godé/Sortais, Redressement et liquidations judicaires, S. 440; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 550 f.; Süß, EuZW 1996, 65; Wood, Principles of International Insolvency, S. 575. 653 Cass. com. 21. 6. 2005 (N8 04-12087) Bull. civ. 2005 IV N8 134, p. 143; cass. com. 28. 3. 2000 (N8 97-17834); Cass. Com. 17. 2. 1998 (n8 95-18.510), D. 1998 Inf. rap. S. 82 = Bull. Joly 1998, 644 (644 f.) mit Anm. Daigre; Cass. com. 19. 3. 2000, Rev. proc. coll. 2000, 24 (24 f.) mit Anm. Martin-Serf; vgl. Bourrié-Quenillet, JCP/E 1998, 319 (322); Bulle, Le statut du dirigeant, S. 424; Chaput, Droit du redressement, S. 357; Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3016); Zattara-Gros, LPA n8 57 (2007), S. 33; Merkt/Spindler, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (222); Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 551; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 281. 654 Vgl. Urbain-Parleani, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 575 (600). 655 Chaput, Droit du redressement, S. 357. 656 Vgl. Balz, ZIP 1983, 1153 (1174 ff.); Gleicher Befund bei Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 282: „Praktisch jeder Geschäftsleitungsfehler ist äquivalent mitursächlich für die Gesamtunterdeckung […]“. 657 Vgl. Urbain-Parleani, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 575 (600).

V. Sanktioniertes Verhalten

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meinen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen sind658 ; ihre eigentliche Wirkung entfaltet diese Rechtsprechung allerdings erst auf der Rechtsfolgenseite bei Ausurteilung der konkreten Haftungshöhe. Eine weitere leichte Modifikation des Kausalitätserfordernisses ist mit der Neufassung als action en responsabilité pour l’insuffisance d’actif aus dem Jahre 2006 verbunden, wenn nunmehr formuliert wird: „[…] que le montant de cette insuffisance d’actif de la personne morale sera supporté […] par tous les dirigeants […] ou certain d’entre eux, ayant contribué à la faute de gestion“. Der Gesetzgeber hat hiermit die Verbindung von erforderlicher Kausalität zwischen faute und insuffisance d’actif insbesondere für den Fall einer Mehrheit von Geschäftsleitern gestärkt659. Einschränkungen der haftungsbegründenden Kausalität sind hiermit jedoch nicht verbunden. c) Faute grave Eine weitere Möglichkeit, eventuelle windfall profits der Gläubiger durch eine zu umfängliche Haftung der Geschäftsleitung zu vermeiden, besteht darin, alle Arten von Geschäftsleitungsfehlern grundsätzlich als haftungsrelevant zu qualifizieren, ihre haftungsrechtliche Relevanz jedoch an das zusätzliche Kriterium der Schwere bzw. Erheblichkeit zu knüpfen. Im theoretischen Idealfall würde sich eine Grenze zwischen tolerablen und schweren Geschäftsführungsfehlern ergeben, die parallel zur Unterscheidung zwischen der Setzung eines ökonomisch erlaubten Risikos und opportunistischem Verhalten verlaufen würde. Anders als das belgische Recht, wo die Auffüllungsklage einen qualifizierten, schwerwiegenden Fehler voraussetzt (faute grave et caracterisée)660, ist das französische Recht diesen Weg jedoch nicht gegangen661. Im Rahmen der parlamentarischen Beratung der Insolvenzrechtsreform 658

Cass. Com. 1. 2. 2011 (N8 de pourvoi 09-72.695), Dr. Sociétés 2011, 32 (32) mit Anm. Legros; Cass. Com. 15. 12. 2009 (N8 de pourvoi 08-21906), bull. civ. 2009 IV, n8 166; Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91550; für eine auf einen Geschäftsleitungsfehler gestützte faillite personnelle auch Cass. com. 1. 12. 2009 (n8 de pourvoi 08-17187); bull.civ. 2009, IV, n8 155; vgl. auch Kupferberg/Göcke, RIW 2011, 337 (343). 659 Vgl. Zattara-Gros, LPA n8 57 (2007), S. 33. 660 Art. 530 (1) Code des Sociétes: „En cas de faillite de la société et d’insuffisance de l’actif et s’il est établi qu’une faute grave et caractérisée dans leur chef a contribué à la faillite, tout administrateur ou ancien administrateur, ainsi que toute autre personne qui a effectivement détenu le pouvoir de gérer la société, peuvent être déclarés personnellement obligés, avec ou sans solidarité, de tout ou partie des dettes sociales à concurrence de l’insuffisance d’actif“. Vgl. hierzu etwa Malherbe/De Cordt/Lambrecht/Malherbe, Droit des Sociétés, Rn. 1010 f. = S. 661 f.; Goffinn, Responsabilités des Dirigeants de Sociétés, Rn. 131 ff. = S. 232 f. 661 Vgl. Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91550: „Toute faute de gestion, même légère […]“; Kalls/Adensamer/Oelkers, Die Rechtspflichten der Geschäftsleiter in der Krise der Gesellschaft, 134 (143); Martin-Serf, Rev. proc. coll. 1999, 42 (46); Hopt, ZHR 171 (2007), 199 (228); Zattara-Gros, LPA n8 57 (2007), S. 33. Tendenziell anders allerdings zahlreiche deutsche Stimmen: Spindler, JZ 2006, 839 (846), nach dem die action en comblement du passif eingreift „aufgrund gröblicher Verletzung von Geschäftsführungspflichten“; Schall, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 280: „[…] Restriktion auf grobe Geschäftsführungsfehler […]“. Ähnlich auch Haas, Reform des gesellschafts-

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

durch das Gesetz vom 25. Januar 1985 war eine derartige Beschränkung erwogen worden, fand jedoch keine Mehrheit662. Auch leichte Geschäftsführungsfehler, Unklugheiten und Nachlässigkeiten (fautes de gestion meme légères d’imprudence ou encore d’abstention) können die action en comblement du passif auslösen663. d) Ergebnis Mit dem Tatbestandsmerkmal des Geschäftsleitungsfehlers erfasst die action en comblement sehr weitgehend nahezu jede unternehmerische Fehlleistung. Praktisch lässt sich hierin eine Fortschreibung der allgemeinen Geschäftsleiterhaftung – allerdings in strikter Form – in die Krise hinein sehen. Indem faktisch nur exogene Ursachen das Vorliegen eines Geschäftsleitungsfehlers auszuschließen vermögen, droht allerdings die Gefahr, dass unternehmerisches Risiko auf die Geschäftsleitung verlagert wird. Keinen Ausgleich bietet hierfür das zusätzliche Erfordernis der Kausalität, bei dessen Anwendung in der Praxis der Verdacht eines hindsight bias auf der Hand liegt. Dennoch bleibt festzuhalten, dass auch das französische Recht nicht das Erreichen eines bestimmten finanziellen Zeitpunkts für die Haftungsbegründung genügen lässt. Mit der faute de gestion verlangt auch das französische Recht ein wenn auch leicht zu verwirklichendes zusätzliches Verhaltensunrecht. Hieraus erklärt sich, dass die Haftung nach Art. L. 651-2 C. com. früher, zugleich oder auch nach Erreichen materieller Insolvenzreife eingreifen kann. Dass deshalb die Haftung allerdings einen weniger effektiven Gläubigerschutz zu generieren vermag als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung664, muss vor dem Hintergrund der hier zu Grunde gelegten Prämisse bezweifelt werden. Wie sec. 214 IA ermöglicht auch Art. L. 651-2 C. com. die Trennung zwischen opportunistischem und wirtschaftlich vertretbarem Handeln der Geschäftsleitung. Die Vorschrift bietet damit die Chance, einerseits opportunistisches Verhalten, das vor Erreichen materieller Insolvenzreife begangen wird, haftungsrechtlich zu erfassen, während andererseits auch aus Gläubigersicht vertretbares Handeln der Geschäftsleitung nach Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit freigestellt werden kann. rechtlichen Gläubigerschutzes, E 39: „besonders schwerer Verstoß gegen die Geschäftsführerpflichten“. Anderes galt für die neugeschaffene action en obligation en dettes sociales (Art. L. 651-1 C.Com. n.F.). Vgl. Zattara-Gros, LPA, n8 57 (2007), S. 33: „faute particulièrement grave“, die allerdings bereits wieder außer Kraft gesetzt worden ist. 662 Vgl. Lefebvre, Sociétés Commerciales, Rn. 3863; so auch schon im Rahmen der früheren Reformgesetze. Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 544. 663 So ausdrücklich Cass. Com. 1. 2. 2011 (N8 de pourvoi 09-72.695), Dr. Sociétés 2011, 32 (32) mit Anm. Legros. Vgl. auch Bourrié-Quenillet, JCP/E 1998, 319 (322); Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91550; Guyon, Droit des Affaires II, S. 418 f.; Wood, Principles of International Insolvency, S. 575. A.A. allerdings CA Bourges 3. 6. 1998, JCP/E 1999, S. 1417: „de faute de gestion nettement caracterisée et suffisament grave pour trancher avec le comportement habituel du commercant malheureux de bon foi“. 664 In diese Richtung wohl Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 27 f.

VI. Subjektives Element/Haftungsmaßstab

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VI. Subjektives Element/Haftungsmaßstab 1. Einleitung Die Anreizwirkung einer Rechtsregel wird nicht zuletzt maßgeblich dadurch bestimmt, inwieweit ein Adressat dem Verhaltensgebot zu entsprechen vermag. Nur unter dieser Voraussetzung kann sich eine bewusste Entscheidung zwischen Befolgen und Nichtbefolgen ergeben. Für eine Haftungsregel resultiert hieraus die Frage, inwieweit ein Verschuldenserfordernis zu statuieren ist und ob als Verschuldensmaßstab maßgeblich auf die persönlichen Fähigkeiten einer konkreten Person oder aber auf einen objektivierten Standard abzustellen ist. In diesem Kontext muss zunächst festgehalten werden, dass auch dann, wenn eine Rechtsregel primär Anreize zur ex ante Vermeidung bestimmter als gemeinschädlich erkannter Verhaltensweisen zu setzen beabsichtigt, Verschuldens- und Gefährdungshaftung miteinander konkurrieren665. Auch Gefährdungshaftungstatbestände setzen Anreize, sich normkonform zu verhalten666. Zwar ist dem Individuum im Regelfall im konkreten Moment des schadensstiftenden Ereignisses eine Reaktion unmöglich, jedoch werden durch einen bekannten Gefährdungshaftungstatbestand Vorsorgeanstrengungen induziert. Als Beispiel hierfür diene die Halterhaftung nach § 7 StVG. Überlässt der Halter einem Dritten das Fahrzeug, der damit einen Unfall verursacht, trifft den Halter mangels Eingriffsmöglichkeit kein Verschulden. Den konkreten Unfall kann der Tatbestand des § 7 StVG somit nicht beeinflussen. Allerdings setzt die Regelung einen Anreiz für den Fahrzeughalter, nur solchen Personen sein Fahrzeug zu überlassen, die aus seiner Sicht die Gewähr für ein ordnungsgemäßes Verhalten bieten und somit die Wahrscheinlichkeit von Unfall und Einstandspflicht minimieren. Konkret ist damit auch ein Gefährdungshaftungstatbestand denkbar, der die Geschäftsleitung veranlasst, ex ante alle Möglichkeiten zur Vermeidung des schadensstiftenden Ereignisses für die Gläubiger auszuschließen. Durch eine Erfolgshaftung bzw. durch Gefährdungshaftungstatbestände lassen sich darüber hinaus Schäden leichter und zielgenauer auf die Personen verteilen, die ex ante in der Lage erscheinen, diese Schäden am besten zu vermeiden bzw. zu tragen. Allerdings ist das Institut der beschränkten Haftung durch Eigenheiten gekennzeichnet, die die grundsätzliche Gleichwertigkeit von Verschuldens- und Gefährdungshaftung bei der Verteilung von Kosten und Schäden in Frage stellen. Das Verschuldenserfordernis trägt dem Umstand Rechnung, dass Verhaltensanreize durch Ge- und Verbote nur dann gesetzt werden, wenn der Adressat überhaupt in der Lage ist, sich durch einen Willkürakt zwischen den Handlungsalternativen „Befolgen“ und „Missachten“ zu entscheiden. Eine strikte Gefährdungs- und Erfolgshaftung induziert bei unternehmerischen Entscheidungen Risikoaversion in ungewolltem Maße. Dieser Gesichtspunkt war bereits für den Aktiengesetzgeber 1937 maßgeblich, der seine Entscheidung gegen eine Erfolgshaftung der Geschäftsleitung 665 666

Vgl. Wagner, in: MünchKommBGB, Vor § 823 Rn. 48. Vgl. etwa Sykes, U. Chi. L. Rev. 74 (2007), 1911 (1915).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

gegenüber der Gesellschaft (§ 84 AktG 1937) mit der Erwägung begründete, dass den Leitungsorganen nicht jeder Mut zur Tat genommen werden solle667. Eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung der Geschäftsleitung ab einem Zeitpunkt x im Leben der Unternehmung wäre mit dem Prinzip der Haftungsbeschränkung kaum zu vereinbaren, da ab dem Zeitpunkt x das Privileg der beschränkten Haftung entfallen würde. Eine Risikohaftung für Insolvenzverschleppungsschäden würde deshalb negative Rückwirkungen auf die Entscheidungsfindung der Geschäftsleiter haben. Demgegenüber ermöglicht ein Verschuldenserfordernis Differenzierungen zwischen opportunistischem Krisenverhalten der Geschäftsleitung und bloß erfolglosem Reagieren auf die Krise. Opportunistisches Verhalten als vorrangiges Problem der Krisenhaftung setzt grundsätzlich intentionales Handeln oder Ignoranz gegenüber den Gegebenheiten der Realität voraus. Haftungsfreiräume für opportunistisches Verhalten werden folgerichtig durch ein Verschuldenserfordernis gerade nicht begründet. Ausnahmen von diesem Grundsatz können zwar im Einzelfall durchaus geboten erscheinen, sollten aber nicht im allgemeinen Gesellschaftsrecht angesiedelt werden, sondern in spezifischen Haftungstatbeständen, wie dies etwa in § 7 StVG für den Fall geschehen ist, dass eine Gesellschaft durch Verwendung eines Kraftfahrzeugs eine Betriebsgefahr setzt. Ein Präjudiz bezüglich der Effizienz der untersuchten Haftungsregeln lässt sich hieraus allerdings nicht gewinnen, da sowohl action en comblement, Insolvenzverschleppungshaftung und wrongful trading in mehr oder minder starkem Ausmaß als Verschuldenshaftungstatbestände ausgestaltet sind. Die effiziente Ausgestaltung des subjektiven Tatbestandes lässt sich deshalb nur unter Berücksichtigung der konkreten Anforderungen mit Blick auf das sanktionierte Verhalten beantworten. Als ein erster Maßstab vermag hierfür die aus der rechtsökonomischen Analyse des allgemeinen Haftungsrechts bekannte Learned-Hand-Formel dienen. Judge Learned Hand zu Folge liegt Fahrlässigkeit vor, wenn die Kosten der Schadensabwendung geringer als das Produkt aus Schaden und Schadenswahrscheinlichkeit sind668. Unter Berücksichtigung der ökonomisch entscheidenden Marginalanalyse ist diese Formel dahingehend zu modifizieren, dass ein potentieller Schädiger seinen Sorgfaltsaufwand solange ausdehnen sollte, bis die Grenzkosten einer zusätzlichen Sorgfaltseinheit größer sind als die dadurch vermiedenen Grenzschäden669. Der LearnedHand-Formel liegt die utilitaristische Überlegung zu Grunde, dass es zu einem gesamtwirtschaftlichen Verlust führt, wenn die Kosten der Schadensvermeidung den zu verhindernden Schaden überschreiten. Es liegt Ressourcenverschwendung vor. Ein

667 Amtliche Begründung zum AktG 1937, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger 1937, Nr. 28, S. 4. Vgl. hierzu etwa Goette, ZGR 1995, 648 (668 ff.). 668 United States v. Caroll Towing Co., 159 F. 2d 169 (173) (2d Cir. 1947): „Liability depends on whether B ist less L multplied by P: iE whether B < PL“; vgl. hierzu Grundmann, in: MünchKommBGB, § 276 Rn. 62; Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 48; Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (157 f.); Baumann, RNotZ 2007, 297 (298 ff.). 669 Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 48 m.w.N.

VI. Subjektives Element/Haftungsmaßstab

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Vorwurf gegen den Schädiger, unökonomische Sicherungsmaßnahmen unterlassen zu haben, wird deshalb nicht erhoben670. Aufgrund der Eigenheiten unternehmerischer Entscheidungen verbietet sich allerdings die unmodifizierte Übernahme der Learned-Hand-Formel. Die LearnedHand-Formel nimmt nur den Schädiger in den Blick und lässt damit ausgeblendet, ob nicht möglicherweise der Geschädigte gleichsam in die Pflicht zu nehmen ist671. Die damit immanente Tendenz zu Randlösungen ist mit dem Institut der beschränkten Haftung, das gerade eine Risikoteilung zwischen Gläubigern und Gesellschaftern beabsichtigt, kaum zu vereinbaren. Man wird deshalb den Grundgedanken der Learned-Hand-Formel, Aufwand und Ertrag bzw. Kosten und Nutzen bei der Festschreibung des Sorgfaltspflichtmaßstabs zu berücksichtigen, nur insoweit als übertragungsfähig ansehen können, als unter Effizienzgesichtspunkten für bestimmte Risiken eine ausschließliche Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung geboten ist. In Rechnung zu stellen ist deshalb auch bei Bestimmung des subjektiven Erfordernisses, dass das eingepreiste unternehmerische Risiko vereinbarungsgemäß von den Parteien des Kreditvertrages – Gläubiger und Gesellschaft – und nicht von der Geschäftsleitung zu tragen ist. Soweit das unternehmerische Risiko betroffen ist, stehen sich Gesellschaft und Gläubiger nicht antagonistisch gegenüber, sondern sind partnerschaftlich verbunden. Der Umfang der von der Geschäftsleitung aufzubringenden Vorsorgeaufwendungen darf deshalb nicht am (möglichen) Gesamtausfallschaden der Gläubiger festgemacht werden. Ansatzpunkt für eine modifizierte Anwendung kann vielmehr nur die Veränderung des Risikos sein, die Geschäftsleitung trifft eine Risikozuständigkeit. Einem Aus-dem-Ruder-Laufen des unternehmerischen Risikos darf die Geschäftsleitung nicht tatenlos zusehen. Es lässt sich formulieren, dass die Geschäftsleitung dann fahrlässig handelt, wenn sie auf einen über das vertraglich vereinbarte Risiko hinausgehenden Anstieg der Insolvenzwahrscheinlichkeit nicht mit entsprechenden Vorsorgeaufwendungen reagiert. Maßgebliche Größen sind damit einerseits das Produkt aus nicht eingepreistem zusätzlichen Insolvenzrisiko und der Höhe der dadurch induzierten zusätzlichen Ausfälle sowie andererseits die Kosten, die mit einer Steuerung dieses Risikos für die Geschäftsleitung verbunden sind. 2. Insolvenzverschleppungshaftung Als deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB setzt die Insolvenzverschleppungshaftung Verschulden voraus, Fahrlässigkeit genügt672. Maß670 Vgl. Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (157); Baumann, RNotZ 2007, 297 (299); Grundmann, in: MünchKommBGB, § 276 Rn. 62. 671 Vgl. Grundmann, in: MünchKommBGB, § 276 Rn. 63. 672 BGH, Urt. v. 14. 05. 2007 – II ZR 48/06, GmbHR 2007, 757 (759); BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (199); BGH, Urt. v. 27. 3. 2012 – II ZR 171/10, NZG 2012, 672 (673); OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 4. 1974 – 4 184/73, BB 1974, 712 (713); OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 75;

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

stab ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, auf individuelle Fähigkeiten kommt es nicht an673. Dem Verschuldenserfordernis kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn man für die Entstehung der Insolvenzantragspflicht objektive Insolvenzreife oder doch zumindest deren Erkennbarkeit genügen lässt674. Um dem Verschuldensvorwurf zu entgehen, sind Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder gehalten, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten675 und zu diesem Zwecke für eine Organisation Sorge zu tragen, die ihnen die zur Wahrnehmung ihrer Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht676. Bei Krisenanzeichen – anhaltenden Verlusten, Liquiditätsschwierigkeiten und/oder erheblichen Forderungsausfällen677 – ist ein Vermögensstatus zu erstellen oder dessen Erstellung in Auftrag zu geben678. Die entlastende Berufung (allein) auf das Zahlenwerk der betriebswirtschaftlichen Auswertungen ist der Geschäftsleitung nach Ansicht der Rechtsprechung versagt, weil in diesen keine Rückstellungen für künftige Verbindlichkeiten ausgewiesen würden, deren Höhe aber einem ordentlichen Geschäftsleiter ohnehin bekannt sein müssten679. Aktualisierte Daten und veränderte Annahmen begründen jeweils erneut die Pflicht zur Aufstellung eines weiteren Überschuldungsstatus680. Mindestens erforderlich soll eine monatliche Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 126; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 76; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 69; H. F Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 181; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 87; Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 280; Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 317; Haas, NZG 1999, 373 (374); Ulmer, KTS 1981, 469 (483). 673 BGH, Urt. v. 27. 3. 2012 – II ZR 171/10, NZG 2012, 672 (673); Haas, NZG 1999, 373 (374). 674 Vgl. Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 75. 675 BGH, Urt. v. 19. 6. 2012 – II ZR 2343/11, ZIP 2012, 1557 (1558); BGH, Urt. v. 27. 3. 2012 – II ZR 171/10, NZG 2012, 672 (673); BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (199); BGH, Urt. v. 14. 05. 2007, GmbHR 2007, 757 (759); OLC Celle, Urt. v. 06. 05. 1999 – 11 U 232/97, NZG 1999, 1064 (1065); OLG Köln, Urt. v. 19. 12. 2000 – 22 U 144/00, NZG 2001, 411 (411); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 75; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 181; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO § 17 Rn. 17; Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 280; Kallmeyer, DB 2007, 2755 (2759); Schröder, GmbHR 2007, 759 (761); die laufende Überwachungspflicht leitet der BGH daneben auch aus § 49 Abs. 3 GmbHG her: BGH, Urt. v. 20. 2. 1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560 (560 ff.). 676 BGH, Urt. v. 19. 6. 2012 – II ZR 2343/11, ZIP 2012, 1557 (1558). 677 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 280. 678 BGH, Urt. v. 19. 6. 2012 – II ZR 2343/11, ZIP 2012, 1557 (1558); BGH, Urt. v. 27. 3. 2012 – II ZR 171/10, NZG 2012, 672 (673); BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (199); OLG Celle, Urt. v. 06. 05. 1999 – 11 U 232/97, NZG 1999, 1064 (1065); OLG Köln, Urt. v. 19. 12. 2000 – 22 U 144/00, NZG 2001, 411 (411); vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 71 f.; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 79; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. § 92 Rn. 12; Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 280; Wagner/Zabel, NZI 2008, 660 (662). 679 BGH, Urt. v. 19. 6. 2012 – II ZR 2343/11, ZIP 2012, 1557 (1558). 680 Vgl. IDW (FAR), WPg 1997, 22 (23).

VI. Subjektives Element/Haftungsmaßstab

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Aufstellung sein, während bei akuten Krisenlagen eine wöchentliche Statusaufstellung verlangt wird681. Unterlässt ein Geschäftsleiter in Reaktion auf etwaige Krisenanzeichen, das Vorliegen materieller Insolvenzreife zu überprüfen, ist Verschulden zu bejahen682. Genügt hingegen der Geschäftsleiter seiner Pflicht zur Aufstellung eines Vermögensstatus und ergibt sich hierbei eine rechnerische Überschuldung, muss er prüfen, ob Anhaltspunkte für eine positive Fortführungsprognose gegeben sind683. Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang die bloße Hoffnung auf eine positive Geschäftsentwicklung, zumindest dann nicht, wenn nicht einmal die laufenden Betriebskosten erwirtschaftet werden684. Gibt es Umstände, die eine positive Fortführungsprognose rechtfertigen, muss zwischen den unterschiedlichen Überschuldungsbegriffen unterschieden werden. Nach der aktuellen lex lata – also unter Geltung der Überschuldung im Rechtssinne – stellt es kein Verschulden des Geschäftsleiters dar, wenn er das Unternehmen weiterführt685. Nach dem Überschuldungsbegriff der InsO in der Fassung vom 1. 1. 1999 hingegen konnte ein Verschulden nur dann verneint werden, wenn einerseits eine positive Fortführungsprognose gegeben und andererseits das Unternehmen unter Ansatz von Fortführungswerten nicht überschuldet ist. Da Verschuldensmaßstab die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes ist, wirken in der Person des konkreten Geschäftsleiters begründete Defizite nicht entlastend. Reichen seine persönlichen Fähigkeiten nicht aus, die notwendigen Konsequenzen aus einer Krisenlage zu ziehen und die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen, muss er externen Rat in Anspruch nehmen686. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, wie sich die Hinzuziehung Dritter auf den dem Geschäftsleiter gemachten Verschuldensvorwurf auswirkt, wenn also Geschäftsführer oder Vorstände externen Rat von Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, Unternehmensberatern oder Banken einholen und diese die Geschäftsleitung dahingehend beraten, dass das Unternehmen hinreichend gesund sei687. Unterlässt der Geschäftsleiter hierauf die Stellung eines objektiv notwendigen Insolvenzantrages, so ist dies nicht allein auf seine eigene Entscheidung zurückzuführen. Die Rechtsprechung differenziert hier zutreffend danach, ob es sich dem Geschäftsführer 681

So Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 280. Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 317. 683 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (199); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 280; Reese, DStR 1995, 532 (533). 684 Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1177); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 281. 685 Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 280. 686 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (199); BGH, Urt. v. 14. 05. 2007 – II ZR 48/06, GmbHR 2007, 757 (759); BGH, Urt. v. 27. 3. 2012 – II ZR 171/10, NZG 2012, 672 (673); vgl. Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 126; Haas, NZG 1999, 373 (374); Schröder, GmbHR 2007, 757 (759); Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 32; H. F. Müller, NZG 2012, 981 (981 ff.). 687 Grundlinien eines kapitalgesellschaftsrechtlichen Vertrauensgrundsatzes bei Fleischer, ZIP 2009, 1397 (1397 ff.). 682

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

aufdrängen musste, dass die Beratung fehlerhaft war oder aber er selbst die hinzugezogenen Berater nicht mit ausreichenden und zutreffenden Informationen ausgestattet hat688. Der Geschäftsleiter, der seine Informationspflichten ordnungsgemäß erfüllt, und auf das als richtig angenommene Judiz des hinzugezogenen Beraters vertraut, verhält sich nicht opportunistisch. Auch kann ihm nicht ein nicht mehr hinnehmbares Maß an Sorglosigkeit vorgehalten werden, wenn er sich an qualifizierte Berater wendet. Die Sachkunde des externen Sachverständigen begründet eine Richtigkeitsgewähr. Etwaige Vermögensschäden, die sich aus einer fehlerhaften Beratung ergeben, sind unter diesen Voraussetzungen dem Berater und nicht dem Geschäftsleiter zuzuweisen689. Allerdings trifft einen Geschäftsleiter kraft seiner Organstellung ein Mindestpflichtenprogramm, dem er sich auch durch Hinzuziehung externer Berater nicht zur Gänze entziehen kann. So entlastet es einen Geschäftsleiter etwa nicht, dass der Steuerberater der Gesellschaft es unterlassen hat, darauf hinzuweisen, dass auf die Feststellung eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages ein Überschuldungstatbestand aufzustellen gewesen wäre690. Ein solches durch die Gesellschaft zu finanzierendes Freikaufen von Verantwortung durch Einschaltung eines Dritten erlaubt die Rechtsprechung zu Recht nicht691. Ebenso wenig kann sich die Geschäftsleitung bei Verdichtung von Krisenanzeichen darauf beschränken, einen Berater mit der Erstellung einer Überschuldungsbilanz bzw. einer Fortführungsprognose zu beauftragen. Vielmehr hat sie darauf hinzuwirken, dass der hinzugezogene Berater den übernommenen Auftrag zeitnah ausführt692. Dies ist folgerichtig, da nur bei zeitnaher Reaktion Sanierungsmaßnahmen oder eine geordnete Abwicklung, die jeweils eine fundierte Anamnese der Krise voraussetzen, möglich sind; auch § 15a InsO („ohne schuldhaftes Zögern“) lässt sich die Wertung entnehmen, dass überflüssige Verzögerungen durch das Gesetz nicht hingenommen werden693. Schließlich hat die Geschäftsleitung die Ergebnisse der externen Prüfung und Beratung einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen694. Zusätzlich verschärfend wirkt sich aus, dass im Rahmen von §§ 15a Abs. 1 InsO, 823 BGB der Grundsatz der Gesamtverantwortung zur Anwendung gelangt. Selbst eine zulässige interne Ressortaufteilung entlastet das nicht ressortleitende Mitglied 688 BGH, Urt. v. 14. 05. 2007 – II ZR 48/06, GmbHR 757 (759); BGH, Urt. v. 27. 3. 2012 – II ZR 171/10, NZG 2012, 672 (673); Arends/Möller, GmbHR 2008, 169 (171); Haas, NZG 1999, 373 (374); Kallmeyer, DB 2007, 2755 (2759); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 282; Streit/Birk, DB 2008, 742 (743); Fleischer, NJW 2009, 2337 (2339). 689 Vgl. hierzu unten § 7, XI. 1. b) dd) (4). 690 Vgl. Wagner/Zabel, NZI 2008, 660 (662). 691 So etwa auch Fleischer, NJW 2009, 2337 (2239) keine „Feigenblattfunktion“. 692 BGH, Urt. v. 27. 3. 2012 – II ZR 171/10, NZG 2012, 672 (673 f.); H. F. Müller, NZG 2012, 981 (982); Commandeur/Römer, NZG 2012, 979 (979). 693 Hieraus abstellend BGH, Urt. v. 27. 3. 2012 – II ZR 171/10, NZG 2012, 672 (673); dem folgend H. F. Müller, NZG 2012, 981 (982). 694 BGH, Urt. v. 27. 3. 2012 – II ZR 171/10, NZG 2012, 672 (673); H. F. Müller, NZG 2012, 981 (982).

VI. Subjektives Element/Haftungsmaßstab

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des Leitungsorgans nicht von seiner Verantwortlichkeit695. Mit dem Einwand, dass die kaufmännische Leitung der Gesellschaft von einem Mitgeschäftsführer oder einem nachgeordneten Mitarbeiter wahrgenommen worden ist, wird das Mitglied des Leitungsgremiums nicht gehört696. Eine zulässige Ressortverteilung bewirkt alleine eine inhaltliche Änderung des Pflichtenprogramms des Geschäftsleiters. Die grundsätzliche aktive Wahrnehmungszuständigkeit verwandelt sich in Überwachungspflichten. Auf einer ersten Stufe haben sämtliche Mitglieder des Leitungsgremiums für die Einrichtung einer Organisation Sorge zu tragen, die die erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation jederzeit ermöglicht697. Auf einer zweiten Stufe sind sie sodann verpflichtet, sich in eigener Person über die Geschäfte und die Lage der Gesellschaft auf dem Laufenden zu halten698. Eine Entlastung kommt in einem mehrköpfigen Gremium damit nur dann in Betracht, wenn die Insolvenz für den einzelnen Geschäftsführer trotz vorhandener Organisations- und Informationsstrukturen nicht zu erkennen war699. Entscheidend ist, ob Krisensignale vorlagen, die auch für den nicht ressortleitenden Geschäftsführer erkennbar waren700. Maßstab ist das Informationsniveau, das bei ordnungsgemäßer Amtsausübung bestanden hätte und nicht der tatsächliche Kenntnisstand eines Geschäftsführers. Werden Kontrollmöglichkeiten vorenthalten, muss der Betroffene entweder seine Rechte durchsetzen oder aber notfalls sein Amt niederlegen oder fristlos kündigen701. Im Ergebnis wird man festhalten müssen, dass das Verschuldenserfordernis entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs702 kaum begrenzende Wirkung

695 BGH, Urt. v. 1. 3. 1993 – II ZR 81/94, DStR 1994, 1092 (1093) mit Anm. Goette. Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 75; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 107; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 181; Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1177); Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1688). 696 Vgl. Jula, Die GmbH-Geschäftsführer, S. 317; Nowak, GmbHR 2012, 1294 (1295 f.) auch zur Frage der Gesamtverantwortung für das ordnungsgemäße Steuergebahren der Gesellschaft in der Krise. 697 BGH, Urt. v. 20. 2. 1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560 (560 ff.). 698 OLG Celle, Urt. v. 06. 05. 1999 – 11 U 232/97, NZG 1999, 1064 (1065); vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 75: individuelle Verpflichtung nicht nur des Gesamtorgans, sondern jeden Organmitglieds zur Erstellung eines Überschuldungsstatus; vgl. auch Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1177); Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 317. 699 Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (379); vgl. auch Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1688): „ruinöse Machenschaften, die vor den Mitgeschäftsführern verdeckt und geheim gehalten werden“. 700 Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (379 f.). 701 BGH, Urt. v. 26. 6. 1995 – II ZR 109/94, ZIP 1995, 1334 (1335 f.) (systematischer Ausschluss von der Buchführung); OLG Celle, Urt. v. 06. 05. 1999 – 11 U 232/97, NZG 1999, 1064 (1065) Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 281; Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1177). 702 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (199): „Hält er sich an diese Anforderungen, die für den Geschäftsführer einer mit einem beschränkten Haftungsvermögen

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

besitzt. Von einem Geschäftsleiter wird nichts weniger als alles denkbar Mögliche verlangt. Die damit verbundene Unterdrückung schadensstiftender Ereignisse sollte durch die unmittelbaren und mittelbaren Kosten der Schadensvermeidung überwogen werden. Zwar ist die konsequente Beobachtung der finanzwirtschaftlichen Lage der Gesellschaft grundsätzlich mit im Vergleich zu den möglichen Schäden der Fortführung einer nicht fortführungswürdigen Gesellschaft nur geringem Aufwand verbunden. Die konkret aufgestellten Erfordernisse bis hin zur Aufstellung eines wöchentlichen Überschuldungsstatus schießen jedoch weit über das Ziel hinaus. Zudem sind mittelbare Effizienzeinbußen zu berücksichtigen. Auch das Verschuldenserfordernis erlaubt konstruktiv keine haftungsrechtliche Trennung zwischen opportunistischen und solchen Verhaltensweisen, die sich als mit den Gläubigerinteressen vereinbar darstellen. Bezugspunkt des subjektiven Erfordernisses ist allein die Anamnese der Insolvenzreife. Fortführungsentscheidungen, die unter ökonomischen Auspizien als effizient zu bezeichnen sind, weil sie einen positiven Nettogegenwartswert aufweisen, werden gleichzeitig unterbunden, weil auch sie den Vorwurf schuldhaften Handels begründen. 3. Wrongful Trading Allgemein spielt das subjektive Element im englischen Recht der Geschäftsleiter eine herausragende Rolle. Sowohl der duty of loyalty als auch der duty of care lag bis in die jüngste Vergangenheit ein stark subjektiver Maßstab zu Grunde703. Leitentscheidungen sind Re City Equitable Fire Insurance, the much quoted bible of the English amateur (Drake)704, wonach „a director need not exhibit in the performance of his duties a greater degree of skill than may reasonably be expected from a person of his knowledge“705 sowie als another much cited canonical source of amateurism (Drake)706 Re Brazilian Rubber Plantations & Estates Ltd, wonach die Übernahme einer Organfunktion auch bei völliger Unkenntnis des Geschäftsgegenstands des Unternehmens erlaubt ist707. Im Bereich der duty of care and skill genügte also ein der ausgestatteten Gesellschaft eigentlich selbstverständlich sind, dann ist das Risiko, wegen verspäteter Konkursantragstellung belangt zu werden, nicht unzumutbar groß“. 703 Vgl. Morse, Charlesworth’s Company Law, S. 311 f.; Davies, EBOR 7 (2006), 301 (316); ders./Rickford, ECFR 2008, 48 (65 f.); Drygala, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 277 (294 f.); Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (554). 704 Drake, JBL 1989, 474 (483). 705 Re Equitable Fire Insurance Company Ltd. [1925] Ch. 407 (428). 706 Drake, JBL 1989, 474 (483). 707 Re Brazilian Rubber Plantations & Estates Ltd. [1911] 1 Ch. 425 (437): „He is, I think, not bound to bring any special qualifications to his office. He may undertake the management of a rubber company in complete ignorance of everything connected with rubber, without incurring responsibility for the mistakes which may result from such ignorance; while if he is acquainted with the rubber business he must give the company the advantage of his knowledge when transacting the company’s business. He is not, I think, bound to any definite part in the

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diligentia quam in suis vergleichbares Maß an Sorgfalt708. Auch grobe Geschäftsleitungsfehler wirkten nicht haftungsbegründend, wenn der Betreffende hinreichend unerfahren war709. Vergleichbare Bedeutung besitzt das subjektive Momentum traditionell auch im Bereich der Krisenhaftung. Eine Haftung der Geschäftsleitung wegen fraudulent trading (sec. 213 IA)710 setzt nicht allein evidente Inkompetenz voraus711. Hinzutreten muss eine fraudulöse Absicht, die in der Rechtsprechung umschrieben worden ist als „actual dishonesty involving, according to current notions of fair trading among commercial men, real more blame712. Die Rechtsprechung lehnt eine solche betrügerische Absicht regelmäßig schon dann ab, wenn die Direktoren auf einen günstigen Ausgang gehofft haben (sunshine doctrine bzw. silver lining)713. Die unveröffentlichte Grundlagenentscheidung Re White & Osmond (Parkstone) Ltd. führt hierzu aus: „There is nothing wrong in the fact that directors incur credit at a time when, to their knowledge, the company is not able to meet its liabilities as they fall due. What is manifestly wrong is if directors allow a company to incur credit at a time when the business is being carried on in such circumstances that it is clear the company will never be able to satisfy the creditors. However this is not to say that conduct of the company’s business, but so far as he does undertake it he must use reasonable care in its despatch“. 708 Vgl. Ebert/Levedag, Länderbericht England, in: Süß/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 669 (773); Heinz, Die englische Limited, S. 44. Vgl. auch Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (16). Deutlich auch Moore, Comp. Law. 2006, 237 (239): „[…] the actual standard of care that directors are required by law to adhere to is liberal to say the least, being a remnant oft he 19th-century conception of business activity as intrinsically private affair in which lawyers and courts are ill-advised to dabble. Consequently, short of the most egregious cases of incompetence, the courts have traditionallly refused to second-guess the strategic judgments of directors“. 709 Vgl. Ebert/Levedag, Länderbericht England, in: Süß/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 669 (773); Walterscheid, DZWiR 2006, 95 (95 ff.). 710 Vgl. hierzu etwa Farrar, JBL 1980, 336 (336 ff.); Oesterle, in: Ramsay, 19 (23); Cheffins, in: Linia Prava/Black (Hrsg.): Comparative Analysis on Legal Regulation of the Liability of Members of the Management Organs of Companies, S. 153; Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 27-022 ff. = S. 851 ff.; Hannigan, Company Law, Rn. 25-8 ff., S. 650 ff. ausführlich aus deutscher Sicht Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 312 ff. 711 Vgl. Farrar, JBL 1980, 336 (339 ff.); Hannigan, Company Law, Rn. 25-16 = S. 652; Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (16). 712 In Re Patrick & Lyon Ltd. [1933], Ch. 786 (790). Vgl. Pennington, Company Law, S. 47 ff.; Drake, JBL 1989, 474 (487); Farrar, JBL 1980, 336 (340 f.); Schulte, Comp. Law. 1999 20 (3), 80 (80); Odiath, [1990] LMCLQ, 205 (206); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 30; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (177 f.); Mülhens, Haftungsdurchgriff im deutschen und englischen Recht, S. 164; Payne/Prentice, in: Ramsay, 190 (198); Prentice, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Großbritannien, 94 (105); Wood, Principles of International Insolvency, S. 55. 713 Re White & Osmond (Parkstone) Ltd., zitiert nach: R. v. Grantham [1984] 3 All ER 166 (170).Vgl. Drake, JBL 1989, 474 (487); Farrar, JBL 1980, 336 (341 f.); Fleischer, ZGR 2004, 437 (459 f.); Heinz, Die englische Limited, S. 45; Mülhens, Haftungsdurchgriff im deutschen und englischen Recht, S. 164 f.

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directors who genuinely believe that the clouds will roll away and the sunshine of prosperity will shine upon them again and disperse the fog of their depression are not entitled to incur credit to help them get over the bad times“714. Tendenzen in der jüngeren Spruchpraxis aufgreifend, die von dem Bemühen gekennzeichnet sind, die überragende Bedeutung des subjektiven Elements zu relativieren715, hat der Gesetzgeber in bewusster Abkehr von der Betonung des subjektiven Elements mit sec. 214 IA ausdrücklich einen objektivierten Sorgfaltsstandard festgeschrieben716, der sich sowohl auf die Erkennbarkeit des haftungsauslösenden Zeitpunkts als auch auf die Verteidigungsmöglichkeit gemäß sec. 214 (3) IA bezieht717. Das gesetzlich verlangte Maß an Sorgfalt wird nicht mehr allein durch die dem individuellen Director mögliche Sorgfalt bestimmt, sondern ein allgemeiner Standard konstituiert718. Maßstab ist „a reasonably diligent person having both (a) the general knowledge, skill and experience that may reasonably be expected of a person carrying out the same functions as are carried out by that director in relation to the company, and (b) the general knowledge, skill and experience that director has“.

Das Handeln muss also dem eines besonnenen und vernünftigen Direktors in vergleichbarer Situation entsprechen719 ; wobei die Spruchpraxis allerdings zumindest terminologisch unterschiedlich strenge Vergleichsmaßstäbe bemüht: während 714

(170).

Re White & Osmond (Parkstone) Ltd., zitiert nach: R. v. Grantham [1984] 3 All ER 166

715 Vgl. Evert/Levedag, Länderbericht England, in: Süß/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, S. 688; Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 30; Walterscheid, DZWiR 2006, 95 (95 ff.). 716 Vgl. Doyle, Comp. Law. 1992, 13 (5), 96 (97); Pennington, Company Law, S. 51; Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (16); Prentice, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Großbritannien, 93 (105); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 26; Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 32; Mülhens, Haftungsdurchgriff im deutschen und englischen Recht, S. 166; Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 352; Wood, Principles of International Insolvency, S. 560. Die Etablierung eines objektiverten Standards bezeichnet Cork, ZIP 1982, 1275 (1284) „[…] als Markstein einer wichtigen Verlagerung des Schwergewichts zugunsten der allgemeinen Gläubigerschaft […]“. Der objektive Sorgfaltsmaßstab gilt nunmehr auch für die allgemeine duty of skill and care. Vgl. Sec. 174 CA 2006. Vgl. hierzu etwa Ladiges/Pegel, DStR 2007, 2069 (2073); Davies/Rickford, ECFR 2008, 48 (65 f.); Morse, Charlesworth’s Company Law, S. 311; bereits vor Verabschiedung des CA 2006 hatte die Rechtsprechung Anleihen bei Sec. 214 IA genommen, vgl. Reed, Comp. Law. 2006, 170 (172 f.). Zu Geschichte und Zielen des CA 2006 etwa Ferran, RabelsZ 69 (2005), 629 (629 ff.). 717 Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 27-038 f. = S. 858 f. 718 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 16 (49); Schulte, Comp. Law. 1999, 20 (3), 80 (80); Bachner, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht in England, 526 (543 f.). 719 Vgl. Morse, Charlesworth’s Company Law, S. 317; Heinz, Die englische Limited, S. 44; für sec. 588G Australia Corporations Law vgl. Ramsay, in: Ramsay, 1 (6).

VI. Subjektives Element/Haftungsmaßstab

379

nach Re continental assurance die Sorgfalt eines intelligent layman genügen soll720, konturiert die Entscheidung Singla vs. Hedman den maßgeblichen Referenzstandard eines „reasonably prudent businessman acting without unwarranted optimism and on a realistic factual basis“721. Der Rekurs auf einen idealtypischen Geschäftsleiter darf allerdings nicht dahingehend verstanden werden, dass ein einheitlicher Standard für die Geschäftsleiter aller Kapitalgesellschaften festgelegt würde. Vielmehr lässt sich der Norm nach unbestrittener Meinung in einem ersten Schritt ein objektiver, generell geltender Mindeststandard entnehmen722, wobei sich in einem typologisierenden Zugriff zwei Bausteine dieses Mindestpflichtenprogramms identifizieren lassen. Auf einer ersten Ebene wird verlangt, dass jeder Geschäftsleiter gewissen allgemeinen kaufmännischen Basisanforderungen genügt. Sämtliche Geschäftsleiter sind verpflichtet, die Gesellschaft in Übereinstimmung mit zwingenden gesetzlichen Normen zu führen723. So ist einem Geschäftsleiter der Einwand abgeschnitten, er habe aufgrund noch nicht erstellter Bilanzen keine Kenntnis über die desaströse finanzwirtschaftliche Lage der Gesellschaft besessen, weil ein ordnungsgemäßer Geschäftsleiter die rechtzeitige Erstellung der Bilanzen veranlasst hätte724. Neben diese für alle Direktoren geltenden generellen Basisanforderungen, praktisch das grundlegende Handwerkszeug eines directors, werden die konkret eingeforderten Mindestanforderungen durch die Funktion des Geschäftsleiters mitbestimmt (carrying out the same functions)725. Auf der zweiten Stufe wird der konkrete Sorgfaltsmaßstab anhand der objektiven Umstände des Einzelfalls präzisiert. Maßgeblich sind insbesondere Größe und Komplexität des Unternehmensgegenstands: umso größer und komplexer das Unternehmen, desto höher sind die Anforderungen an die Fähigkeiten eines directors726. 720 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (2001 WL 720239) para. 258; vgl. – wenn auch kritisch – Moore, Comp. Law. 2006, 237 (240). 721 Single vs. Hedman [2009] EWHC 3510 (Ch) (Summary Judgment) = NZI 2010, 619 (620). 722 Re Produce Marketing Consortium Ltd. (No. 2) [1989], 520 (550); vgl. Morse, Charlesworth’s Company Law, S. 318; Doyle, Comp. Law. 1992, 13 (5), 96 (97); Hannigan, Company Law, Rn. 25-19; Odiath [1990] LMCLQ 206 (212); Schulte, Comp. Law 1999, 20 (3), 80 (80); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (16). 723 Vgl. Odiath [1990] LMCLQ 206 (212); vgl. Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 371 f.; ders., NZI 2010, 589 (591) jeweils auch zu der Frage, inwieweit damit ein schwächerer Standard als in § 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG angelegt wird. 724 Re Produce Marketing Consortium Ltd. [1989] BCLC 520 (550); Verletzungen der Buchführungspflicht waren auch in Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491 (491 ff.) streitgegenständlich; zur selben Frage auch Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (2001 WL 720239) para. 258; vgl. Morse, Charlesworth’s Company Law, S. 318; Odiath [1990] LMCLQ 206 (212); Fleischer, ZGR 2004, 437 (458); Drake, JBL 1989, 474 (488 f.); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (16). 725 In allgemeinerem Kontext Reed, Comp. Law. 2006, 170 (171 f.). 726 Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.25; Pennington, Company Law, S. 52; Doyle, Comp. Law. 1992, 13 (5), 96 (97); Drake, JBL 1989, 474 (489); Fleischer, ZGR 2004,

380

§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Berücksichtigung findet weiter, wie sich ein sorgfältiger Geschäftsleiter in der konkreten Situation verhalten hätte. Der Versuch, eine insolvenzreife Gesellschaft zur Mittelbeschaffung an der NYSE als IPO zu platzieren, wird aufgrund seiner objektiven Aussichtslosigkeit nicht akzeptiert727. Nach teilweise vertretener Ansicht wird der konkret anzulegende Sorgfaltsmaßstab zudem durch die Höhe der einem Direktor eingeräumten Vergütung mitbestimmt728. Mehr als indizielle Bedeutung wird man diesem Parameter aber nicht zumessen dürfen, da er ein allzu grober Gradmesser ist, der den Umständen des Einzelfalls nur unzureichend Rechnung zu tragen vermag: so ist z. B. die sich in Konsequenz dieser Ansicht ergebende Haftungsprivilegierung des unvergüteten Geschäftsleiters dem Recht grundsätzlich fremd, daneben kann eine Orientierung an der Vergütungshöhe nicht abbilden, dass das Management in einer Krisensituation möglicherweise bewusst auf ein ihm eigentlich zustehendes attraktives Vergütungspaket verzichtet hat, um z. B. ein Signal an die Belegschaft zu senden etc. Individuelle Fähigkeiten und Kenntnisse des Geschäftsleiters bleiben relevant. Anders als nach bisherigem Recht kommt ihnen allerdings keine entlastende Wirkung zu, vielmehr verschärfen sie nicht anders als im deutschen Recht das Maß der erforderlichen Sorgfalt729. Ein Finanz- oder Marketingexperte muss sich an seinem individuellen Sonderwissen festhalten lassen730. Nur die objektiven Umstände des Einzelfalls vermögen die Sorgfaltsanforderungen an einen Direktor herabzusetzen. An nicht geschäftsführende Direktoren wird ein niedrigerer Standard formuliert731. Bloß faktische Beschränkungen der Einflussrechte des Geschäftsleiters bleiben hingegen ausgeblendet. So entlastet es einen director nicht, wenn er keinen unbeschränkten Zugang zu den finanzwirtschaftlichen Daten der Gesellschaft hatte732. Schließlich kann ein Verschuldensvorwurf dann scheitern, wenn externer Rat von berufener Seite in Anspruch genommen wurde. Voraussetzung ist, dass dem Un437 (458); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (16); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (184); Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 352; Heinz, Die englische Limited, S. 44; Odiath [1990] LMCLQ 206 (212). Vgl. auch Steffek, GmbHR 2007, 810 (814). 727 The Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC 110 (111 f.). 728 Moore, Comp. Law. 2006, 237 (239). 729 Re DKG Contractors Ltd. [1990] B.C.C., 903 (911 f.).Vgl. Pennington, Company Law, S. 51; Doyle, Comp. Law. 1992, 15 (5), 96 (97); Fleischer, ZGR 2004, 437 (458); Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 27-038 = S. 858 f.; Heinz, Die englische Limited, S. 44; Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (57); ders., Comp. Law. 1993, 14 (3), 16 (16); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 97; Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 353; ders., NZI 2010, 589 (591). 730 Re Brian D. Pierson (Constructors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (49ff). Vgl. Pennington, Company Law, S. 51 f.; Hicks, Comp. Law. 1993 14 (3), 55 (57); Steffek, GmbHR 2007, 810 (814). 731 Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.25; Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (57). 732 Re DKG Contractors Ltd. [1990] B.C. C., 903 (912).

VI. Subjektives Element/Haftungsmaßstab

381

ternehmensexternen hinreichende Informationen zur Verfügung gestellt werden, da nur dann das Ergebnis der Beratung auf valider Grundlage beruht733. Auch sec. 214 IA 1986 geht damit davon aus, dass die Leitung einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft gewisse Mindestanforderungen an die Geschäftsleitung voraussetzt. Wiederum gilt jedoch, dass die Freiheitsgrade größer als im deutschen Recht sind. Eingeschränkte Sorgfaltsanforderungen aufgrund Komplexität oder Größe der Unternehmung sind dem deutschen Recht zumindest im Rahmen von §§ 15a Abs. 1 InsO, 823 Abs. 2 BGB grundsätzlich fremd734. Diese Unterschiede sind maßgeblich dem jeweils formulierten Pflichtenprogramm geschuldet. Das deutsche Recht sieht in der Insolvenzantragspflicht die Kardinalpflicht in der Krise735. Aufgrund ihrer Bedeutung verlangt das deutsche Recht, dass jedes Geschäftsleitungsmitglied hierzu befähigt ist. Wrongful trading hingegen verlangt, dass die Geschäftsleiter die mit einer Krise verbundenen Gefahren für die Gläubiger in Rechnung stellen und hierauf adäquat reagieren. Aufgrund der Vielzahl denkbarer Reaktionsmöglichkeiten muss das englische Recht großzügiger bei der Beurteilung des Verschuldens sein. 4. Action en comblement du passif Anders als in sec. 214 IA und § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB findet sich im Tatbestand der action en comblement du passif kein subjektives Element. Voraussetzung ist zunächst allein ein Geschäftsleitungsfehler, der die Unzulänglichkeit der Aktiven mit verursacht hat. Dennoch wird die Auffüllungsklage regelmäßig als Haftung für schuldhaftes Fehlverhalten der Geschäftsleitung umschrieben736. Hintergrund ist, dass gemeinhin als Voraussetzung einer faute leichte737 bzw. leichteste Fahrlässigkeit738 verlangt wird739. Ob allerdings diese dogmatische Einordnung mit der Praxis der Bestimmung der faute übereinstimmt, erscheint zweifelhaft. Lediglich in Einzelfällen, in denen sich Geschäftsleiter mit dem Hinweis 733

Re Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC, 110 (128 f.) 734 Anderes gilt für die allgemeine Organhaftung nach § 43 GmbHG, § 93 AktG. 735 Deutlich aus jüngerer Zeit etwa K. Schmidt, ZHR 175 (2011), 433 (433): „Insolvenzverschleppung ist eine scharfer Sanktionen bedürftige Verletzung elementarer Governanceregeln und elementarer Grundsätze des kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes“. 736 Vgl. FEK, ZGR 1998, 757; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 III 2b), S. 550; Guyon, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Frankreich, 76 (91); Droege-Gagnier, NZI 2012, 449 (451). 737 Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 544, ähnlich Schall, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 279. 738 Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 173 f. 739 Dogmatisch steht im Hintergrund, dass das französische Haftungsrecht eine vom deutschen Recht abweichende Grundstrukur aufweist: während in Deutschland Pflichtverletzung, Rechtswidrigkeit, Verschulden und Schaden zzgl. haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität erforderlich sind, genügt in Frankreich das Vorliegen von faute, dommage und causalité.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

darauf verteidigen, dass sie nicht bewusst gehandelt hätten bzw. ihnen die finanzwirtschaftliche Zerrüttung nicht bekannt gewesen sei, befasst sich die Spruchpraxis mit der subjektiven Einstellung des Täters und weist darauf hin, dass weder Absicht noch positive Kenntnis erforderlich sei740 ; abseits solcher Ausnahmefälle verhalten sich sowohl Rechtsprechung als auch Schrifttum im Übrigen regelmäßig nicht zu Notwendigkeit und Inhalt eines eventuellen Verschuldenserfordernis. Erforderlich ist damit grundsätzlich allein ein Willkürakt, also eine willensgetragene Entscheidung des Managements. Ob der daraus resultierende Fehler unter subjektiven Gesichtspunkten dem Geschäftsleiter zuzurechnen ist, ist auf der Tatbestandsseite nicht von Bedeutung. Übertragen in die Rechtsterminologie des deutschen Rechts erinnert die faute vielmehr an die objektive Sorgfaltspflichtverletzung741. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Ausmaß der individuellen Vorwerfbarkeit im Rahmen der Auffüllungsklage keine Relevanz hätte. Starke Berücksichtigung erlangt die persönliche Einstellung der Geschäftsleitung zu ihrem Handeln im Rahmen der action en responsabilité pour l’insuffisance d’actif auf der Rechtsfolgenseite742. Hierauf wird zurückzukommen sein743. Festzuhalten bleibt dennoch, dass fehlender Vorsatz bzw. fehlende Fahrlässigkeit nicht bereits den Tatbestand der Wiederauffüllungsklage entfallen lässt, worin sich wiederum die Rigorosität der französischen Haftungsregel zeigt. Die Haftung dem Grunde nach kann ein fehlendes Verschulden auf Seiten der Geschäftsleiter nicht ausschließen.

VII. Ermessen der Geschäftsleitung 1. Funktion der Ermessenseinräumung Dem Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen notwendiger Haftung und nicht minder notwendiger Haftungsfreistellung der Geschäftsleitung dient insbesondere das Institut des business judgment. Nach der traditionellen US-amerikanischen business judgment rule haftet ein director dann nicht im Verhältnis zu seiner Gesellschaft, wenn bei einer unternehmerischen Entscheidung744 (1) kein Eigenin740 Cass. Com. 1. 2. 2011 (N8 de pourvoi 09-72.695), Dr. Sociétés 2011, 32 (32 f.) mit Anm. Legros. 741 Im Ergebnis ähnlich Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 264: „Das französische Recht thematisiert das Verschuldenserfordernis nicht besonders. Sicher ist, dass auch hier mindestens ein Fahrlässigkeitsvorwurf verlangt wird. Er wird regelmäßig auf der Pflichtwidrigkeitsebene erörtert“. 742 Vgl. auch Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 174 für die Unterscheidung zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz. 743 Vgl. unten § 7, VIII. 3. 744 Vgl. Fleischer, NJW 2005, 3525 (3528); Hauschka, GmbHR 2007, 11 (12 f.); Koch, ZGR 2006, 769 (784); aus dem US-amerikanischen Schrifttum etwa Allen/Kraakman/Subramian, Commentaries and Cases on the Law of Business Organization, S. 250 ff. An einer Entscheidung (decision) fehlt es insbesondere, wenn sich der Verhaltensvorwurf auf bloße

VII. Ermessen der Geschäftsleitung

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teresse die konkrete Entscheidung bestimmt hat (disinterested judgment)745, (2) aufgrund einer ausreichenden Informationsgrundlage entschieden wurde (informed judgment/acting on informed basis) und (3) er nachvollziehbar nach seiner Überzeugung im besten Interesse des Unternehmens gehandelt hat (rational belief and good faith)746. Dem vergleichbar formuliert die mittlerweile in positive Gesetzesform (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG) gegossene747 ARAG-Garmenbeck-Entscheidung des Bundesgerichtshofs, dass der Geschäftsleitung der Gesellschaft ein weiter Ermessensspielraum zugestanden werden muss748. Eine Haftung der Unternehmensorgane scheidet hiernach aus, wenn kumulativ folgende fünf Kriterien vorliegen: unternehmerische Entscheidung, Handeln auf der Grundlage angemessener Information, Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse, Handeln zum Wohle der Gesellschaft und Handeln in gutem Glauben749. Im GmbHG hat eine vergleichbare ausdrückliche Haftungsprivilegierung noch keinen Einzug gehalten, ohne dass jedoch davon auf die fehlende Existenz eines entsprechenden Haftungsfreiraumes zurückgeschlossen werden dürfte750. Untätigkeit beschränkt, insbesondere in Strohmannfällen (figurehead directorships), vgl. Duesenberg, CfiLR 1997, 1997, 201 (202). 745 Zu den Tendenzen in der Rechtsprechung Delawares, im Einzelfall die Business Judgment Rule trotz Vorliegens eines Interessenkonflikts zu bejahen, Kern, ZVgl.RWiss 12 (2013), 70 (80 ff.), wobei Hintergrund dieser Aufweichungen vor allem die Eindämmung missbräuchlicher Klagen, die auf die Kapitalisierung des settlement value abzielen, ist. Insofern wird man hierin keine rechtspolitische Grundsatzentscheidung zu sehen haben, sondern einem Missbrauchsproblem geschuldete Inkonsistenzen, wie sie auch dem deutschen Recht im Zusammenhang mit dem Phänomen missbräuchlicher Anfechtungsklagen wohlbekannt sind, wo einerseits das unbedingte Anfechtungsrecht der Mitgliedschaft in seinem Bestand unangetastet bleibt, gleichzeitig aber mit dem abwägungsfokusiertem Freigabeverfahren ein Verfahren zur Verfügung gestellt wird, mittels dessen das Anfechtungsrecht praktisch weitgehend seiner Wirkung beraubt wird. Vgl. auch die Nachweise bei Fischel, Business Lawyer 40 (1985), 1437 (1444). 746 Aus der Delaware-Rechtsprechung vor allem Aronson v Lewis, 473 A2d, 805 (Del. 1984); Allen/Krakman/Subramanian, Commentaries and Cases on the Law of Business Organization, S. 253 f. Vgl. auch Böckmann, Gläubigerschutz bei GmbH und close corporation, S. 128 f. Böttcher, NZG 2005, 49 (51 f.); Fleischer, FS Wiedemann, 827 (833); Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 36. Monographisch Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und die Business Judgment Rule; Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands. 747 Vgl. zur Kodifizierung etwa Fleischer, NJW 2005, 3525 (3527 f.); Ihrig, WM 2004, 2098 (2098 ff.); Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (441 ff.); Thümmel, DB 2004, 471 (471 ff.). 748 BGH, Urt. v. 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (253ff); vgl. auch Kiethe, NZG 1999, 976 (976); Henze, NJW 1998, 3309 (3309 ff.). Die Entscheidung selbst erwähnt die Business Judgment Rule nicht, ihre Vorbildwirkung wird aber u. a. vom RiBGH a.D. Henze, BB 2000, 209 (215); ders., NJW 1998, 3309 (3310 f.) bestätigt. 749 Vgl. Fleischer, NJW 2005, 3525 (3528); Lutter, ZIP 2007, 841 (843); Thümmel, DB 2004, 471 (472). 750 BGH, Urt. v. 4. 11. 2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280 (280ff); BGH, Beschl. v. 14. 7. 2008 – II ZR 202/07, JuS 2008, 1128 (1128) m. Anm. K. Schmidt, kritisch zu diesem Beschluss Redeke, NZG 2009, 496 (496 ff.); Fleischer, NJW 2009, 2337 (2339) wegen Verwendung der Begrifflichkeit „alle verfügbaren Informationen“ (anstelle angemessener Information), aller-

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Das Bedürfnis nach einem derartigen Ermessensspielraum für die Geschäftsleitung wird in der deutschen Rechtswissenschaft teilweise damit begründet, dass der Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG auf das Unternehmensinteresse verpflichtet und dementsprechend legitimiert sei, die Interessen weiterer Stakeholder wie etwa von Gläubigern und Arbeitnehmern in seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen751. Diese früher notwendige Anbindung des Geschäftsleiterermessens an den Gesetzeswortlaut ermangelt jedoch einer ökonomischen Legitimation. Versteht man die Unternehmung als nexus of contracts, ist es Aufgabe an die Geschäftsleitung gerichteter gesetzlicher Regeln, diese zur Maximierung des Unternehmenswertes, der nicht zwingend dem Marktwert entsprechen muss, anzuhalten. Damit wird nicht etwa die Interessenlage der weiteren Stakeholder ignoriert. Vielmehr ist die Maximierung des Unternehmenswertes Voraussetzung dafür, dass Arbeitnehmer und Gläubiger in ihren Verträgen ihnen günstige Konditionen durchzusetzen in der Lage sind bzw. die Wahrscheinlichkeit der Vertragserfüllung durch die Gesellschaft steigt. Maximierung des Unternehmenswertes führt c.p. zu einem Anwachsen des in Verhandlungen zur Disposition stehenden Vermögens752. Daneben stützt sich die Einräumung eines business judgment mehr oder minder explizit auf Erkenntnisse der Entscheidungstheorie. Eine safe harbor rule i.S.d. business judgment rule trägt dem Umstand Rechnung, dass unternehmerische Entscheidungen immer mit Chancen und Risiken verbunden sind und normales wirtschaftliches – i. e. das technologische – Risiko nicht auf die Geschäftsleitung abgewälzt werden soll753. Geschäftsleiterermessen ermöglicht die bzw. zwingt zur

dings ist nicht erkennbar, dass die Rechtsprechung hiermit eine Akzentverschiebung beabsichtigen würde; auch die US-amerikanische Rechtsprechung orientiert sich an den Grenzkosten der Informationsbeschaffung: „directors have a duty to inform themselves, prior to making a business decision, of all material information reasonably available to them“ in Aronson v Lewis, 473 A2d, 805 (Del. 1984); aus dem US-amerikanischen Schrifftum insbesondere Fischel, Business Lawyer 40 (1985), 1437 (1441); vgl. auch OLG Dresden, Urt. v. 25. 9. 2007 – 2 U 318/07, EWIR 2008, 139 (139 f.) (Lieder); OLG Stuttgart, Urt. v. 26. 5. 2003 – 5 U 160/02 (Juris) Rn. 28; vgl. auch Goette, FS BGH, 123 (126); ders., DStR 2003, 887 (894 f.); Lutter, ZIP 2007, 841 (847 f.); Pelz, RNotZ 2003, 415 (419). Für eine gesetzliche Fixierung auch im GmbHG Hauschka, GmbHR 2007, 11 (11 ff.). Berücksichtigt werden muss allein die möglicherweise ermessensreduzierende Wirkung des Weisungsrechts der Gesellschafter(versammlung); vgl. hierzu etwa Lutter, ZIP 2007, 841 (848); Kuntz, GmbHR 2008, 121 (121 ff.). 751 Vgl. Drygala, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 277 (285 f.); vgl. auch M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 8 f. 752 Ähnlich Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 25 (25 ff.). 753 BGH, Urt. v. 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (253), wo der BGH allerdings von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen ausgeht, Unsicherheit hingegen bedeutet, dass auch bei richtiger Einschätzung der Sachlage die unerwartete Konsequenz eintreten kann; vgl. desweiteren Drygala, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 277 (286); Fleischer, ZIP 2004, 685 (685); ders., FS Wiedemann, 827 (830 f.) ders., NJW 2005, 3525 (3527 f.); Goette, ZGR 1995, 648 (671); Haas, WM 2006, 1417 (1418); Kern, ZVglRWiss 112 (2013), 70 (74); Oeltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 21; Spindler, AG 2006, 677 (678); insoweit kritisch: Jungmann, NZI 2009, 80 (81): „Diese Ar-

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385

Einnahme der ex ante-Perspektive bei der Beurteilung der durch das Management eingeleiteten und durchgeführten Maßnahmen754. Die Genese eines hindsight bias, d. h. Verzerrungen der Bewertung einer Entscheidung unter Unsicherheit aufgrund Kenntnis des Ausgangs, soll verhindert werden755. Den Richtern wird ein „full blown second guessing“ des Entscheidungsprozesses verwehrt756, das insbesondere vor dem Hintergrund, dass Richter die Entscheidungssituation regelmäßig nicht aus eigener Erfahrung kennen, kritisch erscheint757. Erinnert sei an Baumbachs bekanntes Bonmot, dass über die guten Sitten letzen Endes das Anstandsgefühl älterer Richter in hoher Stellung, die das praktische Geschäftsleben ganz überwiegend nie kennengelernt haben, entscheidet758. Ohne business judgment würde die im Entscheidungszeitpunkt bestehende Unsicherheit zur Gänze auf die Geschäftsleitung verlagert759. Geschäftsleiter hätten damit im Scheiternsfall das technologische Risiko zu tragen, während im Erfolgsfall primär Gesellschafter und Gläubiger profitieren. Resultat einer derart weitgehenden Risikoverlagerung auf die Geschäftsleitung wäre eine Steigerung der Risikoaversion auf ein volkswirtschaftlich ineffizientes Maß760, was insbesondere bei beschränkt gumente zur Rechtfertigung der Business Judgment Rule überzeugen bei näherer Betrachtung kaum“. 754 Vgl. Goette, FS BGH, 123 (141); Ulmer, DB 2004, 859 (860). 755 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 69; Fleischer, ZIP 2004, 685 (686); ders., FS Wiedemann, 827 (832); ders., NJW 2005, 3525 (3528); ders., ZGR 2004, 437 (459); Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (349); Wood, Principles of International Insolvency, S. 571 f.; Redeke, NZG 2009, 496 (497); diese Notwendigkeit erkennt auch – auf anderer Grundlage – Säcker, AG 2004, 180 (181) an, der ansonsten sehr kritisch gegenüber dem Instrument urteilt: „Vorstands- und Aufsichtsratsversagen lässt sich nicht dadurch als Rechtsproblem hinwegdefinieren, dass man das Versagen als „Freiraum von Kontrolle“ vor Kritik immunisiert. Das Bemühen, „Wildwestverhalten“ von Vorständen und uninformiertes Weggucken von Aufsichtsräten zu verhindern […] darf nicht umkippen in eine affirmativ-heroische Bewunderung von Mannesmut in Vorstandsetagen, dessen Ausleben man nicht mit kleinkarierten rechtlichen Maßstäben behindern dürfe. Die Business Judgment Rule sollte nicht der Legalisierung von Heldenverehrung auf Vorstandsebene dienen, die nach dem Motto verfährt: „Es gibt bessere Entscheidungen, aber wir sind stolz auf unsere Entscheidungen“. 756 Fischel, Business Lawyer 40 (1985), 1437 (1439); vgl. auch Fleischer, NJW 2005, 3525 (3528); Lutter, ZIP 2007, 841 (845); Allen/Kraakman/Subramian, Commentaries and Cases on the Law of Business Organization, S. 250; zweifelnd Kuntz, GmbHR 2008, 121 (122). 757 Vgl. Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 22; Baird/ Henderson, Other People’s Money, S. 8 f.; Barondes, Fiduciary Duties in Distressed Corporations, S. 27; Oesterle, in: Ramsay, 19 (38); White-Smith, U. Chi. L. Rev. 79 (2012), 1177 (1180); Wood, Principles of International Insolvency, S. 571 f.; kritisch wiederum Kuntz, GmbHR 2008, 121 (122). 758 Baumbach, JW 1930, 1643 (1644). 759 Vgl. Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (441). 760 Vgl. Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (342); ders., AG 2006, 677 (679); Allen/Krakman/ Subramanian, Commentaries and Cases on the Law of Business Organization, S. 254; WhiteSmith, U. Chi. L. Rev. 79 (2012), 1177 (1180) vgl. auch Oeltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 21; Bachta, DStR 2003, 694 (695)

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haftenden Kapitalgesellschaften kritisch erscheint, zu deren wesentlichen Funktionen gerade die Revision der Risikopräferenzstruktur von Gesellschaftern und Geschäftsleitern gehört, um die Realisierung von Investitionsprojekten mit postivem Erwartungs- bzw. Nettogegenwartswert zu induzieren761. Dass andererseits nicht übertriebene Risikobereitschaft honoriert oder doch gesetzlich akzeptiert wird, wird durch die Festlegung von Ermessensgrenzen gesichert. Business judgment rule und Geschäftsleiterermessen betreffen traditionell nur den Bereich der allgemeinen Innenhaftung der Geschäftsleitung gegenüber der Gesellschaft. Die im Hintergrund stehenden Erwägungen können allerdings auch in der Krise Gültigkeit beanspruchen762. Realisiert sich in der Insolvenz allein das technologische Risiko der Unternehmung, ist dies von Gesellschaftern und Gläubigern zu tragen. Beide Gruppen haben in Erwartung zukünftiger Einzahlungsüberschüsse das Risiko des teilweisen oder vollständigen Verlusts ihrer Finanzierungsbeiträge bewusst übernommen. Dieses gewöhnliche unternehmerische Risiko darf nicht mit Hilfe des Gesetzgebers auf die Geschäftsführer überwälzt werden. Verpflichtet man deshalb die Geschäftsleitung dazu, in näher zu definierender Weise angemessene Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaftsgläubiger zu nehmen, dürfen nur solche Maßnahmen sanktioniert werden, die sich bereits ex ante als Gefährdung der Gläubiger dargestellt haben. Die Einräumung eines haftungsfreien Ermessensspielraums ist damit konstitutives Wesensmerkmal einer austarierten und effizienten Haftungsregel und der durch sie induzierten Steuerungswirkung. Dabei ist allerdings gleichzeitig den Besonderheiten der Krisensituation Rechnung zu tragen: die business judgment rule US-amerikanischer Provenienz ist in einem doppelten Sinn Prozessregel. Zunächst entfaltet sie ihre eigentliche Wirkung im Prozess: auf Antrag des beklagten Managements verwirft das Gericht eine Haftungsklage bereits nach summarischer Prüfung, sofern es den Klägern nicht gelingt, darzulegen, dass die Voraussetzungen der business judgment rule im konkreten Fall nicht vorliegen. Prozessregel in einem weiteren Sinne ist die business judgment rule zudem insofern, dass sich Gerichte im Anwendungsbereich der business judgment rule grundsätzlich darauf beschränken, den Prozess der Entscheidungsvorbereitung auf seine Ordnungsgemäßheit hin zu untersuchen (due process); das Ergebnis dieses Entscheidungsfindungsprozesses, also in deutscher Diktion die unternehmerische Entscheidung selbst, wird hingegen – außerhalb von Evidenzfällen (waste of corporate assets) – keiner, auch keiner eingeschränkten Kontrolle unterzogen763. Ent761 Hierauf maßgeblich abstellend etwa Fischel. Business Lawyer 40 (1985), 1437 (1442); Jungmann, NZI 2009, 80 (81 f.). 762 Vgl. etwa Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (341 f.); ders., AG 2006, 677 (678); Barondes, Fiduciary Duties in Distressed Corporations, S. 5. Hiervon zu trennen ist die Frage der Anwendbarkeit der business judgment rule im eröffneten Insolvenzverfahren, also auf Maßnahmen des Verwalters bzw. eines Schuldners in Eigenverwaltung, vgl. hierzu Jungmann, NZI 2009, 80 (80 ff.). 763 Waste wird dabei nur in absoluten Extremfällen angenommen, vgl. etwa Eisenberg, CfiLR 1997, 1997, 201 (202): „That made no sense to the court, nor would it to anybody else“.

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gegen in Deutschland wohl nach wie vor verbreitetem Missverständnis handelt es sich somit bei der business judgment rule US-amerikanischer Prägung nicht um einen besonderen Verhaltensstandard (standard of conduct), der der Unsicherheit unternehmerischer Entscheidungen in der Weise Rechnung trägt, dass unternehmerische Entscheidung nur höchst zurückhaltend beurteilt werden, sondern um einen standard of review764, der im Ergebnis darauf hinausläuft, dass bona fide Entscheidungen des Managements keiner inhaltlichen Prüung unterzogen werden, egal wie schlecht sie auch gewesen sein mögen765. In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass außerhalb von bösgläubig begangenen Geschäftsleitungsfehlern Verstöße gegen die duty of care weder gerichtlich überprüft noch sanktioniert werden, so dass sich die Funktion der duty of care auf die eines Appelltatbestandes beschränkt766. Nur dann, wenn die Voraussetzungen der business judgment rule nicht vorliegen – und dies von den Klägern bewiesen werden kann – befassen sich die US-amerikanischen Gerichte auch inhaltlich mit der Entscheidung (substance). Standard of review ist in diesem Fall der der reasonableness bzw. (entire) fairness767, der auch für die Schaffung einer angemessen Entscheidungsfindungsvorbereitung zu Grunde gelegt wird bzw. der der enhanced/heightened scrutiny. Rechts- bzw. informationsökonomisch lässt sich dieser grundsätzlich vollständige Verzicht auf jegliche inhaltliche Prüfung damit rechtfertigen, dass – unter Annahme hinreichender Glättung der Agenturkosten des Eigenkapitals im Übrigen – eine ausreichend belastbare Vermutung dafür besteht, dass eine angemessen informierte Geschäftsleitung nur eine ex ante mit dem Ziel der Unternehmenswertmaximierung zu vereinbarende Entscheidung trifft. Gerade diese Vermutung wird allerdings durch die krisenspezifische Revision des Anreizsystems in ihren Grundfesten erschüttert: eine generelle und belastbare Vermutung dafür, dass das Management der Schuld764 Eingängig Eisenberg, CfiLR 1997, 185 (185): „A standard of conduct states how an actor should play a given role or conduct a given activity or function. A duty is an obligation to follow a standard of conduct. A standard of review states the test a court should apply when it reviews an actor’s conduct to determine whether to impose liability or grant injunctive relief“; vgl. auch Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93 Abs. 1 S. 2, 4 n.F. Rn. 7; Kern, ZVglRWiss 112 (2013), 70 (74 f.); sowie deutlich Jungmann, NZI 2009, 80 (81): „[…] die Einräumung eines Ermessensspielraums und der Schutz durch die business judgment rule [sind] zwei verschiedene Paar Schuhe […]“. 765 Eisenberg, Fordham L. Rev. 62 (1993), 437 (437 ff.); ders., CfiLR 1997, 1997, 201 (201): „[…] when directors make a decision in good faith, with care and on an informed basis, and reasonably believing it to be in the best interest of the corporation, they will have no liability for the results of that decision, however bad those might be“. Deutlich auch Allen/Krakman/ Subramanian, Commentaries and Cases on the Law of Business Organization, S. 253 f.: „[…] directors who act deliberately and in good faith should never be liable for a resulting loss, no matter how stupid their decisions may seem ex post“. 766 Allen/Krakman/Subramanian, Commentaries and Cases on the Law of Business Organization, S. 254 f. 767 Kahn v. Lynch Communication Systems, Del.Supr., 638 A.2d 1110 (1994) 1115 ff. Das Konzept der entire fairness besitzt danach zwei kumulativ zu genügenden Ausprägungen: fair dealing und fair price.

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nerin, sofern es um Chancen und Risiken der zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen weiß, eine objektiv rationale Entscheidung trifft, existiert nicht; vielmehr besteht aufgrund der besonderen Anreizstruktur der Krise im Gegenteil die Gefahr, dass ein sich rational verhaltenes Management im Rahmen der Entscheidungsvorbereitung u. U. ein spekulatives Investitionsprojekt identifziert, die (subjektive) Vorteilhaftigkeit desselben für Gesellschafter und Geschäftsleitung erkennt und daraufhin im Interesse der Gesellschafter dieses Projekt wählt. Die rechtsökonomisch grundsätzlich gebotene Zurückhaltung bei der ex post-Bewertung unsicherer Entscheidungen bedarf damit in Krisennähe gewisser Modifikationen768. Inhalt und Umfang der notwendigen Korrekturen werden dabei maßgeblich davon mitbestimmt, ob die Rechtsprechung zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nach angelsächsischem Vorbild zur Gänze auf eine Vertretbarkeitskontrolle verzichtet oder aber – der kontinentaleuropäischen Tradition verpflichtet – zumindest eine grobe Plausibilitätskontrolle etabliert. In letzterem Fall könnte im Rahmen dieser Plausibilitätskontrolle überprüft werden, ob eine gegebenenfalls auch angemessen informierte Geschäftsleitung sich opportunistisch verhalten hat. Geht man hingegen davon aus, dass die deutsche Spielart der business judgment rule inhaltsgleich mit US-amerikanischem Vorbild ist, bedürfte ihre Anwendung auf die Krisengeschäftsleiterhaftung eines Korrektivs, um zu verhindern, dass nicht nur ökonomisch plausibles riskantes, sondern auch opportunistisches Verhalten haftungsrechtlich immunisiert wird. Dogmatisch ließe sich dieses Postulat entweder dadurch realisieren, dass man die Grenze des waste of corporate assets bzw. die „Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln muss“ der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung769 im Stadium der Krise deutlich enger zieht. Für ein solches Vorgehen ließe sich ins Felde führen, dass insbesondere die besonders bedenklich Handlungsweisen – Wahl eines Projekts mit negativem Nettogegenwart oder Realisierung von entscheidungstheoretisch strikt dominierten Projekten – sich unproblematisch unter die Begrifflichkeit des waste of corporate assets bzw unter die Überschreitung der Grenze unternehmerischer Vernunft subsumieren lässt. Unbefriedigend ist dieses Vorgehen insoweit, dass damit die Ausnahme zur Regel erhoben wird. Systematisch treffender erscheint deshalb, ab Erreichen der Krise nach dem Vorbild der enhanced scrutiny einen besonderen standard of review zu etablieren, der einerseits nach wie vor die Unsicherheit unternehmerischen Handelns durch weitgehende gerichtliche Zurückhal-

768 A.A. zumindest für die der eigentlichen Insolvenz vorausgehende „twilight zone“ North American Catholic Educational Programming Foundation Inc. v. Gheewalla, Del., 930 A. 2d 92 (2007) 101: „When a solvent company is navigating in the zone of insolvency, the focus for Delaware Directors does not change: directors must continue to discharge their fiduciary duties to the corporation and its shareholders by exercising their business judgment in the best interests of the corporation for the benefit of its shareholder owners“. 769 BGH, Urt. v. 17. 4. 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 (1927 f.) („ARAG/Garmenbeck“).

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tung abbildet, gleichzeitig aber nicht vollständig auf eine Vertretbarkeitskontrolle verzichtet. Festzuhalten ist aber auch, dass trotz der bewussten Anlehnung an die USamerikanische Terminologie gegenwärtig nicht belastbar zu beurteilen ist, ob das deutsche Recht diesen Weg weitgehender Haftungsfreistellung des Managements im Bereich der duty of care mitzugehen bereit ist770, oder aber auch bei bona-fide Entscheidungen des Managements eine zumindest grobe Inhaltskontrolle unternehmerischer Entscheidungen aufrechterhält. In der Rechtsprechung ist es bisher nicht zum Schwur gekommen, da der BGH bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht aufgerufen war, zu entscheiden, ob er bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in eine Inhaltskontrolle einzutreten bereits ist bzw. welchen Prüfungsstandard er etabliert. 2. Ermessen im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung Um die Haftung wegen Insolvenzverschleppung zu vermeiden, müssen die Geschäftsleitungsorgane deutscher Kapitalgesellschaften zeitnah das Vorliegen materieller Insolvenzreife erkennen und hiernach Insolvenzantrag stellen oder aber die Insolvenz abwenden. Verschiedene Gesichtspunkte sprechen auch hier für die Einräumung eines zu präzisierenden haftungsfreien Ermessensspielraums. Insolvenztatbeständen, insbesondere der Überschuldung, ist grundsätzlich ein prognostisches Element zu Eigen771. Hinzu tritt die Abhängigkeit des Ergebnisses der Überschuldungsmessung von der Wahl der Bewertungsmethode772. In Anschlag zu bringen ist auch, dass sich der streitgegenständliche historische Sachverhalt nicht immer mit hinreichender Klarheit ermitteln lassen wird, weshalb im Prozess u. U. auf Plausibilitätserwägungen zurückgegriffen werden muss773. Ferner entfaltet das psychologische Phänomen des hindsight bias gerade in der Insolvenz besondere Wirkmächtigkeit; der später erfolgende Unternehmenszusammenbruch verleitet zu der Annahme, dass dieser erkennbar gewesen sei774. Nicht zuletzt ergibt sich die Notwendigkeit einer Ermessenseinräumung aus dem Umstand, dass § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB bereits einfache Fahrlässigkeit genügen lässt775, die von der deutschen Spruchpraxis wenig restriktiv interpretiert wird. 770

Ablehnend etwa Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93 Abs. 1 S. 2, 4 n.F. Rn. 7: „Anders als in den USA wird nicht zwischen standards of conduct und standards of review unterschieden und so auf die Rechtsfigur einer gerichtlich nicht kontrollierbaren Pflichtverletzung verzichtet“. 771 Vgl. Blöse, GmbHR 2005, 832 (833); Fleischer, ZGR 2004, 437 (458). Zur Prognoseabhängigkeit von Bilanzwerken nach HGB und IFRS im Allgemeinen vgl. Hennrichs, AG 2006, 698 (698ff). 772 Vgl. Fischer, GmbHG 10. Aufl., § 64 Rn. 1. 773 Vgl. Blöse, GmbHR 2005, 832 (833 f.). 774 Vgl. für den Sonderfall kapitalmarktrechtlicher Außenhaftung Veil, AG 2006, 690 (697). 775 Vgl. Fleischer, ZGR 2004, 437 (459).

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Der Bundesgerichtshof berücksichtigte diese Gesichtspunkte unter der Geltung des alten zweistufigen Überschuldungsbegriffes, – woran sich durch das Insolvenzrechtsreformgesetz776 und erst recht durch die Rückkehr zur Überschuldung im Rechtssinne nichts geändert haben sollte – dadurch, dass zumindest im Falle der Überschuldung der Geschäftsleitung bei Anhaltspunkten für eine positive Prognose ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt wurde777. Dieser erstreckt sich sowohl auf die Bewertung des Vermögens im Überschuldungsstatus778 als auch auf die Einschätzung der Erfolgsaussichten eventuell durchgeführter Sanierungsversuche779, konkret also darauf, ob die Dreiwochenfrist wegen aussichtsreicher Sanierungsversuche ausgeschöpft werden durfte780. Verzerrungen durch einen hindsight bias versucht die Rechtsprechung zusätzlich durch ausdrückliche Einnahme einer exante Sichtweise einzudämmen781. Nachdem durch die Neujustierung durch den IX. Senat eine Reihe prognostischer Elemente Einzug in die Definition der Zahlungsunfähigkeit gehalten haben782, sollte aus gleichen Gründen wie Falle der Überschuldung der Geschäftsleitung ein gewisser Beurteilungsspielraum zuerkannt werden. Das Abstellen auf besondere Umstände zur Entkräftung der widerleglichen Vermutung der Zahlungs(un)fähigkeit macht vergleichbar der Überschuldungsprüfung eine Fortführungsprognose notwendig. Beträgt die Liquiditätslücke weniger als 10 %, ist eine negative Fortführungsprognose erforderlich, um die Zahlungsunfähigkeit dennoch zu begründen. Besteht hingegen eine Unterdeckung von mehr als 10 %, kann allein eine positive Fortführungsprognose die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO ausschließen. Auch wenn der BGH noch keine näheren Aussagen über Art und Umfang der Prognose getroffen hat, muss auch im Rahmen der Bewertungsansätze dieser Fortführungsprognose der Geschäftsleitung ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt wer-

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Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 74. BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (199); BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (112 ff.) („Herstatt“); OLG Koblenz, Urt. v. 27. 02. 2003 – 5 U 917/02, NZI 2003, 463 (464); OLG Koblenz, Urt. v. 5. 11. 2004 – 5 U 875/04, AG 2005, 446 (447). Vgl. auch Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 32; Goette, DStR 1998, 1308 (1313); Haas, NZG 1999, 373 (374); Fleischer, ZIP 2004, 685 (691 f.); Bayer/Schmidt, AG 2005, 644 (652); Medicus, DStR 1995, 1432 (1434); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 280. 778 Vgl. Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 30 f., der allerdings gleichzeitig klarstellt, dass auf diese Prognose die Grundsätze des nicht einschlägigen § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht unbesehen übertragen werden können. 779 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 74. 780 Vgl. Goette, DStR 1998, 1308 (1313). 781 Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 27. 02. 2003 – 5 U 917/02, NZI 2003, 463 (464) (GmbH); OLG Koblenz, Urt. v. 5. 11. 2004 – 5 U 875/04, AG 2005, 446 (447) (AG); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 280 f. 782 Tendenziell anders Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 16: „bezeichnet […] einen tatsächlichen Zustand, dem kaum prognostische Elemente innewohnen“. 777

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den783. Dies muss umso mehr gelten, als Zahlungsunfähigkeit unter Geltung der InsO deutlich restriktiver interpretiert wird und damit die Haftungsrisiken für die Geschäftsleitung spürbar gewachsen sind. Allerdings offenbart auch die Behandlung des Geschäftsleiterermessens, dass die deutsche Krisenhaftung für die mit der Anknüpfung an einen fest umschriebenen Zeitpunkt erreichte theoretische Rechtssicherheit784 den Preis eingeschränkter Flexibilität zu zahlen hat. Das der Geschäftsleitung im deutschen Recht eingeräumte Ermessen ist notwendig an die durch die Insolvenzantragspflicht statuierte Verhaltenspflicht geknüpft. Indem diese zur Antragsstellung zwingt, kann sie allein bei der Bewertung Ermessen einräumen, nicht jedoch die von der Geschäftsleitung in der Folge durchgeführten Maßnahmen würdigen. Die Insolvenzantragspflicht als rechtlich gebundenes Verhalten verhindert somit, dass der Geschäftsleitung Ermessen für die Fortführung der Geschäfte eingeräumt wird785 ; die Frage nach dem Prüfungsmaßstab aktualisiert sich damit im Rahmen der deutschen Krisengeschäftsleiterhaftung nicht. Es stellt sich die Frage, ob die Insolvenzverschleppungshaftung nicht auch diesbezüglich um eine haftungsbegrenzende Komponente nach dem Vorbild des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 GmbHG n.F. zu ergänzen ist. 3. Ermessen im Rahmen des wrongful trading Anders als das US-amerikanische und das deutsche Recht hat das englische Recht kein der business judgment rule vergleichbares Instrument herausgebildet786. Im Rahmen der common law-Haftung war deren Implementierung nicht notwendig, weil der duty of loyalty und der duty of care ohnehin ein subjektiver Maßstab zugrunde liegt787. Die durch die Entscheidung Re City Equitable Fire Insurance geprägte, stark subjektive Umschreibung des Pflichtenprogramms der Geschäftsleitung einer englischen company generiert ähnliche Ergebnisse wie eine business judgment rule788. Theoretisch problematisch erscheint das Fehlen eines haftungsfreien Ermessensspielraums deshalb vor dem Hintergrund der durch sec. 214 IA statuierten Objek783

Vgl. Hölzle, ZIP 2006, 101 (102 f.). Dass die Rechtssicherheit bis zu einem gewissen Grad nur theoretischer Natur ist, zeigt sich gerade in der von Rechtsprechung und Literatur eingeräumten Notwendigkeit eines Prognoseermessens. 785 Das Tatbestandsmerkmal der unternehmerischen Entscheidung dient dazu, bei rechtlichen gebundenen Entscheidungen die Anwendbarkeit des Geschäftsleiterermessens auszuschließen. Vgl. Fleischer, NJW 2005, 3525 (3528); Hauschka, GmbHR 2007, 11 (12 f.); Koch, ZGR 2006, 769 (784 f.). 786 Vgl. Leyens, JZ 2007, 1061 (1064). 787 Vgl. Drygala, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 277 (294 f.). 788 Vgl. Fleischer, FS Wiedemann, 827 (835 f.). Vgl. auch Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (544). Wood, Principles of International Insolvency, S. 556 spricht von einer englischen business judgment rule. Ähnlich auch Zotiades, Gaz. Pal. 1996, 634 (636): „Un principe, souvent appelé le business judgment rule, inspire les juges anglais“. 784

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tivierung der an die Geschäftsleitung gerichteten Verhaltenspflichten789. Zumindest formal entfällt ein Korrektiv, dass der Unsicherheit unternehmerischen Handelns Rechnung trägt. Noch stellt allerdings die Objektivierung des Verhaltensstandards eine reine Akzentverschiebung dar790. Zudem beantwortet die englische Spruchpraxis die der business judgment rule zu Grunde liegenden Problemlagen ohne ausdrücklichen Rekurs auf ein besonderes Rechtsinstitut im Ergebnis nicht anders als andere Rechtsordnungen791. So wird etwa ausdrücklich die ex-ante Sicht eingenommen, um die Gefahr eines hindsight bias zu verringern792. Im Einzelnen wird der Geschäftsleitung vergleichbar dem deutschen Recht zunächst ein Beurteilungsspielraum bei der Einschätzung der finanzwirtschaftlichen Lage, konkret also bezüglich des Erreichens des „no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation“ gewährt793. Wird in diesem Zusammenhang ein Status aufgestellt, genügt es, wenn die Direktoren vertretbare Ansätze gewählt haben, selbst dann, wenn möglicherweise noch geeignetere Ansätze zur Verfügung gestanden haben794. Vergleichbaren Spielraum besitzt der board bei der Frage, ob mit einer Fortführung der Gesellschaft die Aussicht verbunden ist, die insolvenzbedingte Liquidation unter Umständen zu vermeiden. Erst wenn keinerlei Gesichtspunkte ersichtlich waren, die eine entsprechende Hoffnung zu rechtfertigen vermochten, handelt die Geschäftsleitung pflichtwidrig: „Nothing that happened thereafter would have given any reasonable director ground for hoping that the company could avoid an insolvent liquidation“795. Darüber hinausgehend wird parallel zum Kanon der nach Erreichen des moment of truth erlaubten Verhaltensweisen auch im Rahmen des Tatbestandsmerkmals des took every step to minimize the loss of the creditors Ermessen eingeräumt. Der tatsächlich eingetretene Erfolg ist unerheblich, sofern die ergriffenen Maßnahmen 789

Vgl. Drygala, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 277 (295). Besonders deutlich in Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (= 2001 WL 720239) para. 254 ff. Vgl. auch Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (308 f.) und Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 371 ff. ders., NZI 2010, 589 (592). 791 Vgl. etwa Reed, Comp. Law. 2006, 170 (170 Fn. 2): „Although […] has no „business judgment rule“ as developed in a number of US-jurisdictions, the English courts have consistently declined to review or condemn the exercise of business judgment“. 792 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (2001 WL 720239) para. 109; vgl. auch Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (544); Keay, Wrongful Trading and the Liability of Company Directors, S. 9; Spindler, JZ 2006, 839 (846); ders., EBOR 2006, 339 (349); vgl. auch Goode, JBL 1989, 436 (438 f.); wenig zuversichtlich diesbezüglich Oesterle, in: Ramsay, 19 (38). 793 Vgl. etwa Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 368 ff. 794 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (2001 WL 720239) para. 254 f. 795 Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491 (498); vgl. auch Goode, JBL 1989, 436 (439); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17); ähnlich Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 370 f., der dies allerdings im Zshg. mit dem moment of truth erörtert. 790

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nur ex ante hinreichend erfolgversprechend erscheinen durften796, sec. 214 IA 1986 beschränkt den Beurteilungsspielraum nicht auf das rechtzeitige Erkennen der Krise, sondern erstreckt ihn auch auf die nach diesem Zeitpunkt durch das Management ergriffenen Maßnahmen und trägt dem Umstand Rechnung, dass auch im Bereich gläubigerschützender Handlungspflichten gelten muss, dass nicht mehr verlangt werden kann, als dass die Geschäftsleitung eine von mehreren zum Entscheidungszeitpunkt vernünftigen Handlungen im Interesse der Gläubiger vorgenommen hat. Anders als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung, die jedes nach Insolvenzreife erfolgende Verhalten der Geschäftsführung bzw. des Vorstands für pflichtwidrig und haftungsbegründend erklärt, vermeidet das englische Recht eine reine Erfolgshaftung. Vor dem Hintergrund dieser Auslegung von sec. 214 IAwird zu Recht festgestellt, dass, obwohl in England keine der business judgment rule vergleichbare Rechtsfigur herausgearbeitet worden ist, ein im Ergebnis vergleichbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt wird797. In gleiche Richtung weist auch die Kodifizierung der allgemeinen directors duties im Rahmen des Companies Reform Act 2006. 798. Auf die Einführung einer allgemeinen safe harbor rule wurde unter Verweis darauf, dass ohnehin nicht mit einem second guessing durch die Gerichte zu rechnen sei, ausdrücklich verzichtet799. Im Übrigen kann die Kodifizierung der director duties kaum verbergen, dass sie durchaus vom Institut des business judgment beeinflusst ist, wenn u. a. von einem Geschäftsleiter verlangt wird, dass er in gutem Glauben, unabhängig und mit der gebotenen Sorgfalt handelt und Interessenkonflikte vermeidet800. Diese Kumulation von Haftungsfreiräumen auch nach Erreichen des moment of truth – Vertretbarkeitskontrolle mit Ermessensspielraum – rechtfertigt es jedoch nicht, von einer „wenig gläubigerfreundlichen englischen Insolvenzverschleppungshaftung“ zu sprechen801. Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger müssen berücksichtigt werden. Wer selbst gegen Risiken Abhilfe schaffen kann (und dies auch tut), bedarf keiner staatlichen Hilfe; das Ausbleiben von windfall profits kann kein Gläubiger mit Legitimation reklamieren. Ein derartiger Befund ignoriert darüber hinaus, dass sec. 214 IA gerade keine Insolvenzverschleppungshaftung statuiert. Das englische Recht betont vielmehr die Chancen, die mit der Fortführung einer insolvenzreifen Gesellschaft auch für die Gläubiger verbunden sind. Daneben folgen englischer Gesetzgeber und Spruchpraxis letztlich dem kontinentaleuropäischen 796 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] BCC 26 (54): „even if they fail to achieve the result“. Vgl. auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (194). 797 Vgl. Triebel/Otte/Kimpel, BB 2005, 1233 (1237). 798 Sec. 171 ff. CA 2006. Vgl. hierzu etwa Davies/Rickford, ECFR 2008, 48 (48 ff.); Ladiges/Pegel, DStR 2007, 2069 (2069 ff.); Lawlor, ZIP 2007, 2202 (2202 ff.); Steffek, GmbHR 2007, 810 (810 ff.); Thole, RIW 2008, 606 (606 ff.); Torwegge, GmbHR 2007, 195 (195 f.); Grohmann/Gruschinsky, DK 2007, 797 (797 ff.). 799 Vgl. Davies/Rickford, ECFR 2008, 48 (65 f.). 800 So mit Blick auf Sec. 172 (1) CA 2006 auch Thole, RIW 2008, 606 (609). 801 Vgl. Spindler, JZ 2006, 839 (846 f.).

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Ansatz, wenn die Entscheidungen der Geschäftsleitung in der Krise zwar mit weitgehender Milde gewürdigt werden, sie gleichzeitig aber nicht vollständig auf eine Vertretbarkeitskontrolle verzichten; die aus einer unmodifizierten Übertragung der business judgment rule resultierenden Haftungsfreiräume werden somit vermieden. Sec. 214 IA unternimmt letztlich das schwierige Unterfangen, das technologische Risiko bei den Gläubigern und Gesellschaftern zu belassen, während schwere Verhaltensverstöße von der dafür verantwortlichen Geschäftsleitung zu tragen sind. Im Ergebnis stellt sich wrongful trading in gewisser Weise als Evidenzhaftung dar. Die Einräumung eines weiten Ermessens erscheint vor diesem Hintergrund nicht bedenklich, sondern sogar wirtschaftlich geboten, solange nur den Grundanforderungen rationalen Handelns genügt wird. Erwartet werden kann und muss, dass sich die Geschäftsleiter entsprechend den Geboten der wirtschaftlichen Vernunft verhalten und nicht hasardieren. Das Pflichtenprogramm mag aufgrund der Krise anwachsen, jedoch kann der Eintritt der Krise nicht dazu führen, dass einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft jeglicher Bewegungsspielraum genommen wird, indem eine Erfolgshaftung ohne Beurteilungsspielraum statuiert wird. Anderenfalls würde wiederum eine zu hohe Risikoscheu auf Seiten der Geschäftsleitung die Folge sein802. 4. Ermessen im Rahmen der action en comblement du passif Ebenso wenig wie ein subjektives Element kennt der Tatbestand der Wiederauffüllungsklage ein der Geschäftsleitung einzuräumendes Ermessen nach dem Muster der business judgment rule. Hinweise des Schrifttums auf die mit einem gerichtlichen second guessing verbundenen Gefahren803, sind weder durch den Gesetzgeber noch die Spruchpraxis auf breiter Linie aufgegriffen und im Übrigen auch im einschlägigen Schrifttum nicht eingehender rezipiert worden804. Im Ergebnis kennt das französische Recht weder eine echte business judgment rule nach dem Muster des US-amerikanischen Rechts, die zum Ergebnis hätte, dass bona fideEntscheidungen der Geschäftsleitung lediglich auf ihre ordnungsgemäße Vorbereitung hin untersucht würden, noch eine business judgment rule „kontinentaleuropäischer Prägung“, die zwar auf eine inhaltliche Prüfung unternehmerischer Ent802 So dann auch Spindler, JZ 2006, 839 (846 f.) trotz seiner Kritik an der Handhabung von sec. 214 IA durch die englischen Gerichte. 803 Etwa Bourrié-Quenillet, JCP/G 1998, 319 (320): „Leur appreciation de la faute n’est pas simple car elle intervient a posteriori, après le dépôt de bilanz. Or, la conjoncture du moment peut influer sur la décision de gestion; bien souvent, celle-ci est une question d’opportunité et comporte une part d’aléa“; vgl. aus jüngerer Zeit auch Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 172. 804 Lediglich unter Geltung des alten, eine widerlegliche Vermutung für das Vorliegen eines Geschäftsleitungsfehlers enthaltenden Rechts finden sich Entscheidungen, die ausdrücklich einen unternehmerischen Ermessensspielraum anerkennen; vgl. die Nachweise bei Drygala, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 277 (289).

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scheidungen nicht rundweg verzichtet, aber hierbei doch größtmögliche Zurückhaltung walten lässt, um der Unsicherheit unternehmerischer Entscheidungen und der Gefahr eines hindsight bias entgegenzusteuern: so zeigt zunächst die Unzahl der auf betriebswirtschaftliche Fehlleistungen gestützten Urteile, dass die französische Spruchpraxis keine Bedenken kennt, überhaupt in die inhatliche Prüfung unternehmerischer Entscheidungen einzutreten, und auch im Weiteren zeigt eine Analyse der einschlägigen Rechtsprechung, dass die Rechtsprechung die fraglichen Handlungen durchaus einer strengen Betrachung zuführt805. Soweit das deutsche Schrifttum teilweise zu einem gegenteiligen Befund gelangt, geschieht dies maßgeblich auf Grundlage einer Entscheidung des Berufungsgerichtshofs von Bourges, wonach die Verurteilung eines Geschäftsleiters zur Wiederauffüllung des Gesellschaftsvermögens dann ausscheidet, wenn kein betrügerisches Verhalten (comportement frauduleux) und kein Geschäftsleitungsfehler, der so schwer wiegt, dass er mit kaufmännischen Maßstäben nicht mehr zu vereinbaren ist (faute nettement caractérisée et suffisamment grave), vorliegt806. In diesem Zusammenhang ist allerdings festzuhalten, dass obwohl besagte Entscheidung Eingang in die Standardkommentierung des Code de Commerce von Dalloz gefunden hat807, was scheinbar für eine über den Einzelfall hinausweisende Bedeutung spricht, das Urteil in der weiteren Spruchpraxis – soweit ersichtlich – ohne nennenswerten Wiederhall geblieben ist. Im Gegenteil hat wie dargestellt der Kassationsgerichtshof jüngst noch einmal ausdrücklich bestätigt, dass auch leichteste Fehler haftungsbegründend wirken808. Auch im Übrigen vermittelt ein Rundblick durch die Rechtsprechung, dass die action en comblement mitnichten nur bei besonders schwerwiegenden Geschäftsleitungsfehlern, die jenseits einer Evidenzgrenze liegen, eingreifen würde. Ausstrahlungswirkung auf die generelle Rechtsprechungslinie kann man der Entscheidung des CA Bourges damit allenfalls insofern zusprechen, als sie noch einmal nachdrücklich daran erinnert, dass zwischen „glücklosem“ und sorgfaltspflichtwidrig handelndem Geschäftsleiter tunlichst unterschieden werden sollte809, während die cour de cassation dem legitimen Interesse eines dirigeant, nicht das technologische Risiko der Unternehmung tragen zu müssen, allenfalls dadurch entgegenkommt, dass sie von 805

Völlig anderer Befund bei Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 279: „Das bedeutet aber natürlich nicht, dass der Begriff der faute de gestion blind für das unternehmerische Ermessen und Risiko wäre. Auch das französische Recht zollt hier dem business judgment Tribut, indem es nur den vorwerfbaren aventurisme sanktioniert“; wobei Schall wohl dem „kontinentaleuropäischen Verständnis“ der business judgment rule folgt. 806 CA Bourges 3. 6. 1998, JCP/E 1999, S. 1417: „De dirigeant du droit, gérant de la société, ne saurait être condamné, en application de l’article 180 de la loi du 25 janvier 1985 à combler partie du passif de la société en liquidation judiciaire, en l’absence de tout comportement frauduleux et de faute de gestion nettement caracterisée et suffisament grave pour trancher avec le comportement habituel du commercant malheureux de bon foi“. 807 Rontchevsky, Code de Commerce, 2013, Art. L. 651-2 Rn. 20. 808 Cass. Com. 1. 2. 2011 (N8 de pourvoi 09-72.695), Dr. Sociétés 2011, 32 (32) mit Anm. Legros. 809 So der Befund von Stadler Managerhaftung in der Insolvenz, S. 172, insbesondere Fn. 915.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

den Tatgerichten verlangt, Geschäftsleitungsfehler und dessen Kausalität für die Überschuldung (insuffisance d’actif) ausdrücklich in den Urteilsgründen zu belegen810. Von einer systematischen Aufarbeitung der Frage des Geschäftsleitersermessens kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein. Es gilt damit der Grundsatz, dass jeder im Ergebnis sich vermögensschädigend auswirkende Geschäftsleitungsfehler haftungsbegründend wirken kann. Dies erscheint insbesondere deshalb problematisch, weil bereits der Definition des Geschäftsleitungsfehlers ein gewisser hindsight bias innewohnt. Nur insoweit kann von einem die Unsicherheit unternehmerischer Entscheidungen berücksichtigenden Ermessen gesprochen werden, als exogene, objektiv nicht pflichtwidrig erscheinende Momente nicht als faute de gestion erfasst werden. Da es sich hierbei um Ausnahmefälle handelt, wird man hierin allerdings kein dem deutschen oder englischen Recht vergleichbares Korrektiv sehen können811. Es erhärtet sich insofern der gegen die action en comblement du passif erhobene Verdacht, nicht nur opportunistisches oder zumindest grob nachlässiges Verhalten zu sanktionieren. Einen zumindest teilweisen Ausgleich hierfür bietet die in das gerichtliche Ermessen gestellte Rechtsfolge der action en comblement du passif. Französischen Gerichten ist es nicht verwehrt, einen Geschäftsleiter trotz Vorliegens aller Tatbestandsvoraussetzungen der action en comblement du passif von einer Haftung zur Gänze freizusprechen. Es erscheint vertretbar, anzunehmen, dass insbesondere dann, wenn die Handlung eines Geschäftsleiters ex ante wirtschaftlich vernünftig, gegebenenfalls sogar geboten war oder doch erscheinen durfte, die Spruchpraxis ein Absehen von Haftung in Erwägung ziehen wird. Dennoch wird man im Ergebnis festzuhalten haben, dass der vollständige Verzicht auf Haftungskorrektive auf der Tatbestandsseite mit erheblichen Rechtsunsicherheiten für die Geschäftsleitung einer französischen Kapitalgesellschaft verbunden ist. Darauf zu spekulieren, dass das Gericht alle Voraussetzungen der action en comblement du passif bejaht, ex post aber dennoch keine Verurteilung ausspricht, erscheint als gewagte Vermutung. Gerade auch vor dem Hintergrund des theoretisch wie praktisch unbegrenzten zeitlichen Anwendungsbereichs der Wiederauffüllungsklage erscheint die Einführung eines korrigierenden Elements auf der Tatbestandsseite sinnvoll.

810 811

Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 172. So auch Wood, Principles of International Insolvency, S. 556.

VIII. Rechtsfolgen I: Zivilrechtliche Haftung

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VIII. Rechtsfolgen I: Zivilrechtliche Haftung 1. Insolvenzverschleppungshaftung a) § 64 Abs. 1 GmbHG/§ 92 Abs. 2 AktG a.F./§ 15a InsO n.F. als Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB Primäre Rechtsfolge des Vorliegens materieller Insolvenzreife ist die Verpflichtung der Geschäftsleitung, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Ein Schadensersatzanspruch wird den Gläubigern nur zugesprochen über die Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB. Während das Reichsgericht zunächst in § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. aufgrund der systematischen Erwägung, dass anderenfalls § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 GmbHG n.F.) überflüssig wäre812 und deshalb die Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft die abschließende zivilrechtliche Sanktion darstelle813, zunächst kein Schutzgesetz sah814, behandelt die heute herrschende Meinung im Anschluss an eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1935815 sowie eine dies bestätigende Entscheidung des Bundesgerichtshofes816 § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a Abs. 1 InsO n.F. als Schutzgesetz zugunsten der Gläubiger817, 812

RG, Urt. v. 4. 2. 1910 – II 255/09, RGZ 73, 30 (34 f.). Vgl. Glozbach, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Zahlungen nach Insolvenzreife, S. 27; so aus jüngerer Zeit wieder Wübbelsmann, GmbHR 2008, 1303 (1303 f.). 814 RG, Urt. v. 4. 2. 1910 – II 255/09, RGZ 73, 30 (34); dem folgend aus dem früheren Schrifttum etwa Brodmann, GmbHG, § 64 Zf. 2; so noch heute: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 64 Rn. 33; ders., ZIP 2001, 2201 (2205); ders./Wilhelm, NJW 1999, 673 (676); Wübbelsmann, GmbHR 2008, 1303 (1303); zweifelnd am Schutzgesetzcharakter auch Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2 F III, 5 b cc, Rn. 68, S. 350 f.; Zech, in: Ensthaler/Pfüller/ Schmidt, GmbHG, § 64 Rn. 31; für die AG Hüffer, AktG, § 92 Rn. 16. 815 RG, Urt. v. 5. 6. 1935 – II 228/34, JW 1935, 3301 (3302). Anders auch Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 45 ff., die allerdings gleichzeitig ein vom Haftungsumfang vergleichbares Innenhaftungsmodell für Gläubigerschäden durch Entwertung des Gesellschaftsvermögens etablieren wollen. 816 BGH, Urt. v. 16. 12. 1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100 (100), seitdem ständige höchstrichterliche Rechtsprechung vgl. nur BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 95 (106) – („Herstatt“); BGH, Urt. v. 26. 6. 1989 – II ZR 289/99, BGHZ 108, 134 (136); BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (190); BGH, Urt. v. 30. 3. 1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, 211 (215); BGH, Urt. v. 24. 1. 2012 – II ZR 119/10, ZIP 2012, 723 (724). 817 OLG Köln, Urt. v. 19. 12. 2000 – 22 U 11/00, NZG 2001, 411 (411); OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 4. 1974 – 4 184/73, BB 1974, 712 (712); OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631; OLG Stuttgart, Urt. v. 11. 10. 2012 – 13 U 49/12, ZIP 2012, 2342 (2343); LAG Köln, Urt. v. 26. 7. 2006 – 8 Sa 1660/05, NZG 2007, 199 (200); LG Kiel, Urt. v. 20. 4. 2006 – 10 S 44/05, ZIP 2006, 1248 (1250); OLG Köln, Urt. v. 27. 1. 2006 – 1 U 45/05, NJOZ 2006, 2192, 2192 (zu § 42 BGB); Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 71 f.; Casper, in: Ulmer/ Habersack/Winter, § 64 Rn. 25 und Rn. 115 ff.; Fischer, GmbHG, 10. Aufl., § 64 Zf.; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 105; Godin/Wilhelmi, AktG, § 92 Anm. 1; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 109a; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 71; Hefermehl/Spindler, in Münchener Kommentar zum AktG, § 92 Rn. 33; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 14; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 176; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 813

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nicht allerdings zu Gunsten von Gesellschaftern und Aktionären818. Während das Reichsgericht seine Rechtsprechungsänderung aufgrund der unzutreffenden Annahme, dass diese nicht in Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung stehe, nicht weiter begründete819, hat der Bundesgerichtshof in seiner Grundlagenentscheidung den Schutzgesetzcharakter ausführlicher hergeleitet. Der BGH bemüht sich hier zunächst, das das Reichsgericht vor Probleme stellende systematische Argument zu entkräften. § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./64 GmbHG n.F. stehe dem Schutzgesetzcharakter von § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a InsO n.F. nicht entgegen. § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. bestimme ausschließlich, welche Folgen sich bei einer Rn. 64.; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar zum AktG, Anh. § 92 Rn. 36; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 55; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. § 92 Rn. 20; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 29; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Anh. Rn. 44; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, Vor § 64 Rn. 77; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 64 Rn. 1 u. 90; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 11; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, § 64 Rn. 47; Bork, ZGR 1995, 505 (510); Arends/Möller, GmbHR 2008, 169 (173); Commandeur/Römer, NZG 2012, 979 (980); Fritsche/Lieder, DZWiR 2004, 93 (94 f.); Gilles/Baumgart, JuS 1974, 226 (226); Haas, NZG 1999, 373 (373); ders., DStR 2003, 423 (427); ders., Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 24 f.; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, S. 35 ff.; Holzborn/Just, in Holzborn/v. Vietinghoff, Haftung und Insolvenz im GmbH-Recht, Rn. 521; Jula, Der GmbHGeschäftsführer, S. 314; Karollus, ZIP 1995, 269 (269 f.); Körber/Kiebisch, JuS 2008, 1041 (1043); Kühn, NJW 1970, 589 (589); Lutter, GmbHR 1997, 329 (332); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 268; H. F. Müller, NZG 2012, 981 (981); Nowak, GmbHR 2012, 1294 (1298); Poertzgen, ZInsO 2006, 561 (561); ders. GmbHR 2007, 485 (485); ders., NZI 2008, 9 (11); Röhricht, ZIP 2005, 505 (508); Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 208 f.; K. Schmidt, NJW 1993, 2934; ders., GmbHR 2007, 1072 (1078); ders., ZHR 175 (2011), 433 (433); Schulze-Osterloh, AG 1984, 141 (141); Strohn, NZG 2011, 1161 (1161), Ulmer, KTS 1981, 469 (481 ff.); ders., GmbHR 1984, 256 (263 f.); ders., ZIP 1993, 769 (771); Vallender/Fuchs, ZIP 2004, 829 (830); Verse, ZHR 170 (2006), 398 (415); Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1672). 818 BGH, Urt. v. 11. 11. 1985 – II ZR 109/84, BGHZ 96, 231 (236 ff.) für die insoweit tatbestandsgleiche Insolvenzverschleppungshaftung nach § 826 BGB; Aus dem Schrifftum Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 72; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 105; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 111; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 71; Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 92 Rn. 33; Hüffer, AktG, § 92 Rn. 16; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 64; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 179; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 20; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 29; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 77; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, § 64 Rn. 47; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 11; Fritsche/Lieder, DZWiR 2004, 93 (95); Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1680 f.); so auch Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 14 und Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 40 Fn. 59 jeweils mit dem ergänzenden Hinweis, dass bei börsennotierten Aktiengesellschaften eine Haftung gegenüber den Aktionären gegebenenfalls aus § 37b WpHG i.V.m. einem Verstoß gegen die Ad-Hoc-Pflicht (§ 15 WpHG) resultieren kann. A.A. Ensthaler/Zech, in: Achilles/Ensthaler/Schmidt, GmbHG, 1. Aufl., § 64 Rn. 12; differenzierend Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 36: Schutzgesetz auch zu Gunsten solcher Anleger, die Aktien erst nach Insolvenzreife erworben haben 819 RG, Urt. v. 5. 6. 1935 – II 228/34, JW 1935, 3301 (3302): Gegenstand der Entscheidung RGZ 73, 30 ff. seien nur sonstige Dritte, nicht aber Gläubiger und Gesellschafter.

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verspäteten Konkurs-Insolvenzanmeldung im Verhältnis der Geschäftsführer zur Gesellschaft ergeben. Hingegen beabsichtige die Vorschrift keine erschöpfende Behandlung der Verantwortlichkeit der Geschäftsführer für ihre Pflichtverletzungen insbesondere gegenüber den Gesellschaftsgläubigern820. Die Haftung der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftsgläubigern sei vielmehr im GmbH-Gesetz nicht geregelt und richte sich daher nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts821. Ob § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a InsO n.F. Schadensersatzansprüche nach§ 823 Abs. 2 BGB begründe, richte sich entsprechend nach Inhalt und Zweck des § 64 Abs. 1 GmbHG/§ 15a InsO n.F.822. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass, wenn die Strafbewehrung nach § 84 Abs. 1 GmbHG a.F./ § 15a Abs. 4 InsO n.F. die Geschäftsführer anhalte, ihrer Insolvenzantragspflicht nachzukommen, ersichtlich auch die Gläubiger geschützt werden sollten, da gerade sie Schäden infolge eines Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht erleiden823. Auch wenn das Ergebnis des BGH in der Sache auf keinen nennenswerten Widerstand in Rechtsprechung und Schrifttum mehr stößt und deshalb im Folgenden als Datum behandelt wird, ist doch anzumerken, dass die Argumentation des Bundesgerichtshofs stark ergebnisgetrieben ist und inhaltlich kaum zu überzeugen vermag824. Dies gilt insbesondere für die Behauptung, § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 S. 1 GmbHG n.F. als Haftung gegenüber der Gesellschaft beschäftige sich nicht mit Ansprüchen der Gläubiger. Im Gegenteil dient die Bestimmung ausschließlich dem Schutz der Gläubiger und verwirklicht diesen Gläubigerschutz allein über einen Anspruch des Verbandes, dessen Insolvenzverwalter im Regelfall die zurückgeforderten Zahlungen im Rahmen der Quote an die Gläubiger ausschüttet825. Die These, dass § 64 S. 1 GmbHG das Verhältnis zu den Gläubigern nicht abschließend regele826, wird man deshalb getrost dem Bereich der Begriffsjurisprudenz zurechnen dürfen. Auch die mit dem Umzug der Insolvenzantragspflicht in die InsO verbundene nunmehr bestehende räumliche Trennung von Insolvenzantragspflicht einerseits und Zahlungsverbot andererseits verleiht der Argumentation der herrschenden Ansicht

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BGH, Urt. v. 16. 12. 1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100 (102); so auch Schulze-Osterloh in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18.Aufl., § 64 Rn. 90. 821 BGH, Urt. v. 16. 12. 1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100 (102). 822 BGH, Urt. v. 16. 12. 1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100 (102). 823 BGH, Urt. v. 16. 12. 1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100 (102 f.). 824 Bezeichnend insoweit der auch von der h.M. geteilte Befund, dass sich Insolvenzverschleppungshaftung und Zahlungsverbot nicht zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen lassen. Vgl. etwa Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 24. 825 Mit der gebotenen Deutlichkeit etwa Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Ehricke, GmbHG, § 64 Rn. 3: „Satz 1 bezweckt unmittelbar den Gläubigerschutz. Die Anspruchsberechtigung der Gesellschaft ist nur technisches Vehikel“. Konzediert etwa auch von Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 78: „Daran ist richtig, dass die Auffüllung des Gesellschaftsvermögens primär dem Gläubigerschutz dient, die Gläubiger aber nicht direkt einen Anspruch erhalten“. 826 So etwa Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 117.

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kein Mehr an Überzeugungskraft827: einerseits ist der Umzug zuvördest dem rechtspolitischen Willen des Gesetzgebers geschuldet, die Insolvenzantragspflicht auch bei Scheinauslandsgesellschaften zu aktivieren, zum anderen ändert sich nichts an dem Befund, dass Rechtsprechung und herrschende Lehre die als unpassend empfundene Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht – Strafbarkeit und Zahlungsverbot nach § 64 GmbHG – durch Qualifizierung von § 15a InsO als Schutzgesetz zu überspielen suchen. b) Persönlicher Schutzbereich der Insolvenzverschleppungshaftung Weitgehend unbestritten in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft ist, dass sowohl Alt- als auch Neugläubiger in den Schutzbereich der Insolvenzverschleppungshaftung fallen828. Ausgenommen sind allein die Gläubiger, die ihre Ansprüche erst mit oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben haben829. Konkret sind Altgläubiger die Personen, deren Forderungen schon vor Verletzung der Insolvenzantragspflicht begründet wurden, während der Anspruch eines Neugläubigers erst nach dieser Zäsur entstanden ist830. Die Einbeziehung der Neugläubiger 827

A.A. Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 208 f. BGH, Urt. v. 16. 12. 1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100 (104); BGH, Urt. v. 26. 6. 1989 – II ZR 289/99, BGHZ 108, 134 (136); BGH, Urt. v. 6. 6. 1995 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (190 ff.); OLG Köln, Urt. v. 19. 12. 2000 – 22 U 144/00, NZG 2001, 411 (411); OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 4. 1974 – 4 U 184/73, BB 1974, 712 (712); OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/ 01, ZIP 2002, 631; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 105; Godin/ Wilhelmi, AktG, § 92 Anm 1; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 111; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 75; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 45 ff.; Krieger/ Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO: Rn. 14; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 64; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 38; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 179; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 55; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 20; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Anh. Rn. 42 u. 45; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 77 f.; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 64 Rn. 48; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 11; Gehrlein, DB 2005, 2395 (2396); Gilles/Baumgart, JuS 1974, 226 (226); Haas, DStR 1998, 1359 (1361); ders., NZG 1999, 373 (375); ders., DStR 2003, 423 (427); Kühn, NJW 1970, 589 (589); Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 394 ff.; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 208; K. Schmidt, NJW 1993, 2934; Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1673 ff.). 829 OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631; Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 121; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 105; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 111; ders., NZG 1999, 373 (375); Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 38; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 179. 830 Vgl. Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 237; Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 72; Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 121; Krieger/Sailer, in: Schmidt/ Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 14; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Anh. Rn. 45; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 38; Wimmer, NJW 1996, 2546 (2548); etwas missverständlich Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 105 (genau in Rn. 119); Haas, DStR 2003, 423 (427), Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 828

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wird gerechtfertigt durch die Überlegung, dass die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags solange fortbesteht, wie die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist, die Verletzung der Insolvenzantragspflicht sich also als Dauerdelikt darstellt831. Die Abgrenzung zwischen Alt- und Neugläubigern richtet sich grundsätzlich nicht nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung, sondern dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs bzw. des Erwerbs der Forderung832. Im Falle von Dauerschuldverhältnissen wird teilweise gleichfalls auf die Entstehung der einzelnen Forderungen833, teilweise auch auf den Vertragsabschluss als den Moment, in dem das Stammrecht entsteht, abgestellt834, während nach wieder anderer Ansicht die Abgrenzung zwischen Alt- und Neugläubigern in diesem Fall danach zu treffen sein soll, ob der Gläubiger seine Leistung nach Eintritt der Insolvenzreife noch hätte zurückhalten können835. Unerheblich ist, auf welcher Grundlage die Forderung gegen die Gesellschaft fußt, ob sie also deliktischer oder vertraglicher Natur ist836. In den Schutzbereich einbezogen ist schließlich auch der Fiskus837. c) Sachlicher Schutzbereich der Insolvenzverschleppungshaftung aa) Ersatz des Quotenschadens Allgemeiner Ansicht nach ist der Ersatzanspruch der Altgläubiger durch den Schutzzweck der Insolvenzantragspflicht auf den sogenannten Quotenschaden begrenzt838. Quotenschaden ist der Betrag, um den die Masse durch die Insolvenz§ 64 Rn. 64 (genau dann allerdings in Rn. 72); Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 15; Commandeur/ Römer, NZG 2012, 979 (980); OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631 und LG Bonn, Urt. v. 17. 4. 1998 – 3 O 403/97, ZIP 1998, 923, die die Insolvenzreife anführen. Diese ist allerdings nur dann maßgeblich, wenn die Dreiwochenfrist sofort endet. 831 BGH, Urt. v. 16. 12. 1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100 (104). 832 OLG Hamburg, Urt. v. 30. 11. 1999 – 11 U 18/97, NZG 2000, 606 (607); OLG Stuttgart, Urt. v. 11. 10. 2012 – 13 U 49/12, ZIP 2012, 2342 (2343); Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 318; differenziert hierzu Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1676 f.): unter Berücksichtigung der Vorgaben der InsO müsse auf den Zeitpunkt der Vorleistung oder Kreditgewährung abgestellt werden. 833 So etwa H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 185; Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § Rn. 64 Rn. 121. 834 So OLG Hamburg, Urt. v. 31. 7. 2007 – 14 U 71/07, ZIP 2007, 2318 (2318 f.); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Anh. Rn. 45; vgl. auch Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 318. 835 OLG Stuttgart, Urt. v. 11. 10. 2012 – 13 U 49/12, ZIP 2012, 2342 (2343); Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 131. 836 Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (375); Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 20. 837 Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (275). 838 OLG Celle, Urt. v. 6. 5. 1999 – 11 U 232/97, NZG 1999, 1064 (1065); OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631; OLG Köln, Urt. v. 19. 12. 2000 – 22 U 144/00, NZG 2001, 411 (411); OLG Köln, Urt. v. 27. 1. 2006 – 1 U 45/05, NJOZ 2006, 2192 (2192); OLG Stuttgart, Urt. v. 11. 10. 2012 – 13 U 49/12, ZIP 2012, 2342 (2343); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 77; Gehrlein, Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 118; Haber-

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

verschleppung vermindert ist839, also die Differenz zwischen der tatsächlich an die Gläubiger ausgereichten Quote und derjenigen, die bei rechtzeitiger Antragstellung erzielt worden wäre840. Beim Vergleich der fiktiven Masse, die sich ohne Insolvenzverschleppung ergeben hätte, mit der Ist-Masse, die der Insolvenzverwalter im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung vorfindet, darf allein das freie Vermögen angesetzt werden841. Mit Aus- und Absonderungsrechten (§§ 47 ff. InsO) belastete Vermögenspositionen sind in Abzug zu bringen, Anfechtungsrechte nach den §§ 129 ff. InsO zu berücksichtigen842. Die Werthaltigkeit der einzelnen Aktivpositionen ist in Anschlag zu bringen843. Sämtliche Forderungen der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter und Geschäftsführer, die sich nach Einforderung durch den Insolvenzverwalter masseerhöhend auswirken, müssen in Anschlag gebracht werden – i. e. Forderungen wegen Rückgewähr verbotener Auszahlungen des Haftkapitals (§§ 30 f. GmbHG), Befreiung von eigenkapitalersetzenden Sicherheiten, Leistung auf in Eigenkapital umqualifizierte Gesellschafter-Drittleistungen oder aus § 43 Abs. 2 GmbHG, wobei wiederum gilt, dass die wahren Werte zu ermitteln sind844.

sack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 77; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 73; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 39; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 183; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 20; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 30; Schmidt-Leithoff/ Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 81; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, § 64 Rn. 47; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 15; Haas, NZG 1999, 373 (375); Arends/Möller, GmbHR 2008, 169 (173); K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (639 f.). 839 OLG Köln, Urt. v. 19. 12. 2000 – 22 U 144/00, NZG 2001, 411 (411); vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 473; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 48; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 30; Roth, ZGR 1989, 421 (428); Lutter, DB 1994, 129 (134). 840 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (190); OLG Hamburg, Urt. v. 5. 2. 2009 – 6 U 216/07, GWR 2009, 278026 (zu § 42 BGB); LAG Köln, Urt. v. 26. 7. 2006 – 8 Sa 1660/05, NZG 2007, 199 (200); OLG Köln, Urt. v. 23. 11. 2011 – 2 U 92/11, NZI 2012, 1030, 1031 (zu § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB); vgl. Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 72; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 77; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 72; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 133; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 39; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 183; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 67; Bork, ZGR 1995, 505 (510); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 270; Ulmer, KTS 1981, 469 (487). 841 Vgl. Goette, DStR 1998, 1308 (1313); vgl. auch Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 78; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 81. 842 Vgl. Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 133 (allerdings offenlassend für Anfecchtungsrechte); Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 78; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 183; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 71; SchmidtLeithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 81; Goette, DStR 1998, 1308 (1313); Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 387; Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 270. 843 Goette, DStR 1998, 1308 (1313); ders., Die GmbH, § 8 Rn. 243. 844 Goette, DStR 1998, 1308 (1313).

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(1) Der Ansatz: Schadensersatzhaftung Indem Rechtsprechung und Literatur § 15a InsO als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB begreifen, wird die Insolvenzverschleppungshaftung rechtskonstruktiv zu einer Schadensersatzhaftung. Zur Anwendung gelangen damit die allgemeinen Haftungsregeln des Bürgerlichen Rechts (§§ 249 ff. BGB)845. Ein Vermögensschaden liegt hiernach grundsätzlich in der Differenz zwischen den Vermögenslagen mit und ohne schädigendes Ereignis846. Insofern ist es dogmatisch konsequent, wenn die Insolvenzverschleppungshaftung auf die Differenz zwischen Soll- und Ist-Masse abstellt847. Unter rechtsökonomischen Auspizien ist diese strikte Orientierung am allgemeinen zivilrechtlichen Schadensbegriff und damit am Nominalwert der Forderung nicht unproblematisch. Ausgeblendet bleibt, dass es sich bei der Kreditvergabe um eine Entscheidung unter Unsicherheit handelt. Im Zeitpunkt der Begründung der Forderung ist beiden Vertragsseiten bewusst, dass die volle Rückzahlung im Einzelfall mehr oder weniger wahrscheinlich ist. Dies muss gerade für den Vertragsschluss mit einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft gelten, zu deren Wesen es gehört, dass im Insolvenzfall voraussichtlich keine vollständige Rückzahlung erfolgen wird. Bei Fehlen von Transaktionskosten, aber auch in der Praxis reagieren Gläubiger hierauf, indem sie auf den Vertragsschluss verzichten, sich eine Risikoprämie oder Sicherungsrechte einräumen lassen oder aber den Vertrag in dem Bewusstsein abschließen, dass sie im Insolvenzfall nur als einfache Insolvenzgläubiger rangieren. Die Gläubiger tragen also einen Teil des Ausfallrisikos in der Erwartung, bei Erfolg der Vertragspartnerin an den erwirtschafteten Erträgen zu partizipieren. Derartige bewusste Entscheidungen eines freiwilligen Kreditgebers entsprechen wirtschaftlich etwa der Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses im Kaufrecht, der sich ebenfalls als privatautonome Vereinbarung bezüglich der Risikotragung darstellt. Das technologische Risiko als vertragsimmanentes allgemeines wirtschaftliches Risiko darf dementsprechend auch im Rahmen einer Geschäftsleiterhaftung den Gläubigern nicht abgenommen werden848. Anders als im Rahmen eines Gewährleistungsausschlusses, der nur dann unbeachtlich ist, wenn der Verkäufer entweder durch Garantie oder arglistiges Verhalten eine nicht hinnehmbare Risikosteigerung verantwortet oder aber eine besondere Risikohaftung übernommen hat (§ 444 BGB), weist die Insolvenzverschleppungshaftung dennoch die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit für Ausfälle der Gläubiger ab Erreichen der Insolvenzreife allein der Geschäftsleitung zu.

845

Vgl. Medicus, DStR 1995, 1432 (1434). Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Vorb. v. § 249 Rn. 7 f. 847 Vgl. für den Fall der Neugläubiger auch Roth, ZGR 1993, 170 (173): „Ihr Schaden aus der Konkursverschleppung ist also der volle Ausfall, den sie erleiden“. 848 Vgl. auch Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 23. 846

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Die Einräumung eines Schadensersatzanspruches gegen die Geschäftsleiter stellt damit grundsätzlich einen windfall profit für die Gläubiger dar849. Anderes würde nur dann gelten, wenn die Tatsache der Insolvenzverschleppungshaftung in den Vertragsbedingungen Niederschlag finden würde in Form eines evident geringeren Zinsniveaus. Empirische Belege für einen solchen Befund sind jedoch nicht ersichtlich und werden offensichtlich auch nicht von den Befürwortern der Insolvenzverschleppungshaftung in ihrer geltenden Form behauptet. Hierfür dürften nicht zuletzt die Durchsetzungsdefizite der Insolvenzverschleppungshaftung ursächlich sein, die es nach gegenwärtigem Stand unprognostizierbar machen, ob und in welchem Umfang Ansprüche aus Insolvenzverschleppung bestehen und realisiert werden können. Bezweifelt werden kann darüber hinaus auch, ob unter der Voraussetzung der Eskomptierung über den Zins die Ausgestaltung der Insolvenzverschleppungshaftung als Schadensersatzhaftung effizient wäre. Die Fremdkapitalkosten würden damit abhängen vom Umfang des Geschäftsleitervermögens, was nicht anders als in einem Regime unbeschränkter Haftung mit Überwachungskosten verbunden wäre. Praxisfern erscheint es auch, anzunehmen, dass Geschäftsführer und Vorstände in Verhandlungen mit ihren Gläubigern darauf hinweisen, dass sie im Falle schuldhafter Insolvenzverschleppung auch mit ihrem Privatvermögen einzustehen haben, um die Kreditgeber zu Zugeständnissen bezüglich der Zinshöhe zu veranlassen. Als erstes Zwischenergebnis ist deshalb festzuhalten, dass die Ausgestaltung als Schadensersatzhaftung aus ökonomischer Sicht mit Unwägbarkeiten behaftet ist. Weil die Insolvenzverschleppung theoretisch bereits ab Überschreiten der Nulllinie zwischen Unterbilanz und Überschuldung einzugreifen in der Lage ist, wird theoretisch ein Großteil des insolvenzspezifischen unternehmerischen Risikos auf die Geschäftsleitung verlagert. Die unternehmerischen Chancen verbleiben hingegen weitestgehend bei den Gesellschaftern – und den Gläubigern! Strukturell droht hier eine Kollision mit dem eigentlichen Zweck einer Geschäftsleiterhaftung, der primär darin gesehen werden muss, Anreize zu einer effektiven Verhaltenssteuerung zu setzen, was schon aus dem Umstand folgt, dass das Vermögen der Geschäftsleiter regelmäßig zur ex post erfolgenden Kompensation nicht ausreicht850. Will man hingegen das unternehmerische Risiko zu Gunsten der Gläubiger reallozieren, hat dies im Rahmen einer wie auch immer gearteten Einstandspflicht der Gesellschafter zu erfolgen. Der denkbare Einwand, dass oftmals Gesellschafter und Geschäftsführer identisch sind, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen, denn es würde ignoriert, dass nicht nur das Gesetz die Fremdorganschaft als Legaltypus festschreibt, sondern auch in der Praxis echte Fremdorganschaft kein pathologisches Ereignis ist. Im Folgenden wird deshalb als Konstante der Untersuchung darauf einzugehen sein, ob die Rechtsprechung in der Lage ist, das Konzept der Schadensersatzhaftung mit der 849 Dahingehende Überlegungen mit Blick auf den Neugläubigerschaden auch bei Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1674). 850 So K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (198).

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Tatsache, dass die Kreditvergabe eine Entscheidung unter Unsicherheit ist, zu versöhnen, oder im Ergebnis den Gläubigern ungerechtfertigte Vorteile zu Teil werden. (2) Effektive Verhaltenssteuerung Wenn auch den Gläubigern durch eine Geschäftsleiterhaftung keine windfall profits zugesprochen werden sollen, gilt andererseits, dass die Haftungsandrohung ein solches Ausmaß erreichen muss, dass Geschäftsführer und Vorstände, sofern sie bewusst handeln bzw. ihr Handeln an dem Sorgfaltsmaßstab auszurichten in der Lage sind, von der Wahl spekulativer Strategien abgehalten werden851. Die Haftung auf den Quotenschaden muss folglich ein Sanktionspotential bieten, das opportunistisches Verhalten irrational werden lässt. Annahmegemäß ist eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger durch einen negativen Nettogegenwartswert gekennzeichnet; allein das Institut der beschränkten Haftung macht die Wahl der entsprechenden Handlungsalternative lukrativ. Als Beispiel diene eine Gesellschaft mit einem Vermögen von –1000 E. Der Gesellschaft steht die spekulative Strategie X zur Verfügung, die mit einer Wahrscheinlichkeit p von 10 % einen Ertrag von 10.000 E abwirft und mit der Gegenwahrscheinlichkeit (1-p) von 90 % einen Verlust in Höhe von 15.000 E nach sich zieht. Als rechnerischer Erwartungswert ohne Berücksichtigung der Haftungsbeschränkung ergibt sich: (1)

E½ X ¤ ¼ pX ð1Þ þ ð1 ¢ pÞX ð2Þ ¼ 0; 1 ¡ 10:000 þ 0; 9 ¡ ð¢15:000Þ ¼ ¢12:5000

Aufgrund des negativen Erwartungswerts würde ein rationaler Geschäftsleiter bzw. Gesellschafter das Projekt X nicht durchführen. Unter Berücksichtigung der Haftungsbeschränkung können Gesellschafter und Geschäftsleitung jedoch die Vermögenswirkungen, die sich bei Scheitern der Strategie einstellen, ausblenden. Es ergibt sich der revidierte Erwartungswert: EŸ ½X ¤ ¼ pX ð1Þ ¼ 0; 1 ¡ 10:000 ¼ 1:000

(2)

Aufgrund der Möglichkeit, die mit der Durchführung verbundenen Beeinträchtigungen des Gesellschaftsvermögens zu ignorieren, wird ein Geschäftsführer das Projekt unter einem Regime vollständig beschränkter Haftung wahrnehmen. Wiederum anders gestaltet sich die Situation unter Berücksichtigung der Haftung auf den Quotenschaden. Annahmegemäß ist die Gesellschaft in Höhe von 1.000 überschuldet. Jede weitere Vermögensschmälerung ist damit von den Geschäftsführern auszugleichen852. Die Gesellschaftsorgane haben vor dem Hintergrund der Haftung gemäß § 15a InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB nunmehr bei ihrer Entscheidung die viel wahrscheinlicheren Verluste zu berücksichtigen. Ihre Entscheidungsfunktion gleicht damit wiederum (1). Im Ergebnis erweist sich die Haftung auf den Quotenschaden als ausreichend, um die Durchführung von Projekten mit negativem Gegenwartswert 851

So auch Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 9; zur Präventionsfunktion als „heißer Kartoffel“ des deutschen Privatrechts vgl. Wagner, AcP 206 (2006), 352 (352 ff.). 852 Die Erkennbarkeit der Überschuldung wird vorausgesetzt.

406

§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

auszuschließen, ohne dass zusätzlich in Rechnung gestellt werden müsste, dass der Geschäftsleiter zwar voll haftet, aber nicht gleicher Weise am Reüssieren einer spekulativen Strategie partizipiert. Dies ist Konsequenz des Umstandes, dass der erste Summand in (1) annahmegemäß größer ist als der zweite. Erweist sich hingegen der positive Term als größer als der negative, so handelt es sich nicht um ein Projekt mit negativem Gegenwartswert, so dass zumindest technisch nicht von einer Spekulation auf Kosten der Gläubiger gesprochen werden kann. Ist somit zu konstatieren, dass der theoretische Haftungsumfang ausreichend ist, um die Geschäftsleitung von der Wahl spekulativer Handlungsstrategien abzuhalten, stellt sich auf der anderen Seite die Frage, ob die angedrohte Sanktion nicht über das zur effizienten Verhaltenssteuerung erforderliche Ausmaß hinausgeht. Jede Einstandspflicht der Geschäftsleitung für die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft birgt die Gefahr, dass die positiven Wohlfahrtseffekte der beschränkten Haftung verloren gehen853. Bedroht ist insbesondere die motivationsfördernde Wirkung der beschränkten Haftung. Durch die Etablierung einer Geschäftsleiterhaftung bleibt zwar der Primäranreiz für die Gesellschafter bestehen, riskante, aber gesamtwirtschaftlich erwünschte Investitionen durchzuführen, jedoch wird die sekundäre Investitionsentscheidung beeinflusst, weil die Geschäftsleitung bei ihren strategischen und operativen Entscheidungen konservativer agiert. Gravierendste denkbare Folge der Etablierung einer Geschäftsleiterhaftung wäre, dass sich in Reaktion hierauf keine oder nur vermindert Personen finden, die bereit sind, die Organfunktion einer Kapitalgesellschaft auszufüllen. Die besten Kräfte sind nicht bereit, die mit der Ausübung der Organfunktion verbundenen Haftungsrisiken zu tragen und nehmen stattdessen eine Alternativbeschäftigung an, die gleiche Entlohnung bei niedrigerem Risiko verspricht. Die „zweite Garde der Geschäftsleiter“, die in Konsequenz die Leitungsfunktionen in den Kapitalgesellschaften übernimmt, koordiniert die in einer Unternehmung gebündelten Ressourcen per definitionem weniger effizient854. Ceteris paribus steigt damit die Insolvenzwahrscheinlichkeit einerseits, während andererseits das Produktionspotential der Volkswirtschaft schrumpft respektive ein vorhandener volkswirtschaftlicher Kapitalstock nicht voll ausgelastet wird. Folgebelastungen ergeben sich aus der Existenz internationaler Konkurrenz. Werden national die theoretisch befähigtsten Personen durch eine drakonische Haftungsregel von der Übernahme von Leitungsfunktionen einer Kapitalgesellschaft abgehalten, während im Ausland aufgrund Fehlens einer vergleichbaren Sanktion die besten Kräfte Managementfunktionen ausüben, wird die Insolvenzwahrscheinlichkeit der nationalen Gesellschaften/Unternehmungen um eine wettbewerbsinduzierte Komponente noch einmal zusätzlich erhöht. Während im Ausland vorhandene Ressourcen in optimaler Weise alloziiert werden, begründet die inländische Haftungs-

853 Besonders deutlich in diese Richtung insbesondere das angelsächsische Schrifttum, vgl. stellvertretend Oesterle, in: Ramsay, 19 (29 ff.). 854 Vgl. Stone, Yale L. J. 90 (1980), 1 (34 Fn. 133).

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regel einen strukturellen Wettbewerbsnachteil855. Weniger drastisch sind Szenarien, in denen die bestgeeignetsten Geschäftsleiter das Amt übernehmen, aber konservativer agieren bzw. die Gesellschaft zum Abschluss einer Versicherung drängen. Im ersten dieser beiden Fälle führt die Etablierung einer Geschäftsleiterhaftung dazu, dass der gesamtwohlfahrtsfördende Effekt beschränkter Haftung, die Gesellschaft zur Realisierung von riskanten Projekten mit positivem Nettogegenwartswert zu veranlassen, gemindert, wenn nicht sogar beseitigt wird. Auch der Abschluss umfänglicher D&O-Versicherungen wäre mit unerwünschten Nebeneffekten verbunden. Die Gesellschaft finanziert damit den Gläubigerschutz, während die Gläubiger selbst von jeglichen Vorsorgemaßnahmen freigestellt sind856. Selbst das technologische Risiko wird unter diesen Umständen allein vom Eigenkapital getragen, während das Fremdkapital völlig risikolos gestellt würde. Eine effiziente Risikoallokation zwischen Gesellschaftern und Gläubigern würde damit unmöglich gemacht. Intuitive Replik auf diese generellen Bedenken gegenüber der Etablierung einer weitreichenden Krisenhaftung der Geschäftsleitung ist, dass es dem handelnden Geschäftsleiter freigestellt bleibt, dem Anwendungsbefehl des Gesetzes Folge zu leisten. Konkretisiert erlaubt ihm die Krisenhaftung – in den Grenzen der allgemeinen Organhaftung – das Eingehen unternehmerischer Risiken, solange die Gesellschaft nicht insolvenzreif ist. Allerdings erscheint die Insolvenzantragspflicht nur auf den ersten Blick als besonders eindeutige und damit leicht einzuhaltende Pflicht. Die Stellung des Insolvenzantrags ist eine komplexe gesetzliche Vorgabe. Während das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit spätestens seit der Fixierung ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen durch den Bundesgerichtshof der (beratenen) Geschäftsleitung kaum verborgen bleiben kann, gilt anderes für die Überschuldung. Überschuldung ist ein komplexer Tatbestand. Der Rückgriff auf die Größen der Handelsbilanz ist weitgehend versperrt und eine anerkannte und praktikable Umrechnungsformel, nach der das Mengengerüst der Handelsbilanz zur Aufstellung des Überschuldungsstatus verwandt werden kann, existiert nicht857. Bilanziert die Geschäftsleitung zu optimistisch, droht die Gefahr, den Tatbestand der Insolvenzverschleppung zu verwirklichen. Bilanziert sie hingegen zu konservativ und stellt zur 855 Anlehnung an das Worst-Case-Szenario von Medicus, ZGR 1998, 570 (585); auch Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 4 Rn. 63 und Drygala, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 277 (281 f.); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (530) weisen auf die Gefahren einer abschreckend wirkenden Haftungsdrohung hin. Ähnliche Szenarien beschreibt der GDV, Stellungnahme VorstAG, S. 4 ff. für den Fall der Einführung eines zwingenden Selbstbehaltes bei der Haftung nach § 93 AktG. 856 Vgl. Drygala, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 277 (282); Medicus, ZGR 1998, 570 (585). Eine vollständige Freistellung der Gläubiger ist mit dem Abschluss einer D&O-Versicherung allerdings nur bei hinreichend großer Deckungssumme verbunden, hierzu und allgemein zu den Auswirkungen einer D&O-Versicherungen auf die Entscheidungsfunktion von Geschäftsleitern Spindler, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 215 (215 ff.). 857 Allgemeine Ansicht. Vgl. etwa Klar, DB 1990, 2077 (2077).

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Unzeit einen Insolvenzantrag, droht die Gefahr einer Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Und schließlich ist ein starker Anreiz vorhanden, wegen einer bloßen rechnerischen Überschuldung die Gesellschaft nicht in ein staatliches Reorganisationsverfahren zu überführen, weil Gesellschaft und Geschäftsleitung hierdurch mit dem Makel der Insolvenz belastet werden. Unproblematisch ist eine Haftung des Geschäftsleiters allerdings dann, wenn sie sich auf Fälle beschränken würde, in denen die Geschäftsleitung die Haftungsbeschränkung in der unter § 4 dargestellten Weise missbraucht. Allein ineffiziente Spekulationsstrategien würden der Geschäftsleitung untersagt, nicht aber ordentliches Geschäftsgebaren in und außerhalb der Krise. Schon die Insolvenzverschleppungshaftung auf den Quotenschaden geht jedoch weit darüber hinaus. Kommt der Geschäftsführer oder Vorstand seiner Insolvenzantragspflicht nicht nach und handelt hierbei schuldhaft – was aufgrund des geltenden strengen Fahrlässigkeitsmaßstabes regelmäßig der Fall sein wird –, haftet er ohne weiteres für sämtliche sich in der Folge ergebende Verschlechterungen der Vermögensposition der Gläubiger. Indem die Insolvenzverschleppungshaftung nach § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB es dem Geschäftsführer verbietet, sich auf die objektive Sinnhaftigkeit des Projekts ex ante zu berufen, belastet sie den Geschäftsleiter mit jedem Risiko weiterer Tätigkeit. Blind für die einzelnen Schritte sanktioniert die Insolvenzverschleppungshaftung jede nach Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit erfolgende Vermögensminderung. Auch wenn der Geschäftsleiter sich nicht opportunistisch verhält, steht er als Garant für jeden Verlust ein. Durch die Verknüpfung von Insolvenzantragspflicht und Schadensersatzhaftung trägt der Geschäftsleiter das gesamte technologische Risiko der Unternehmung. Berücksichtigt man dessen Umfang, erscheint es ein nur geringfügiger Ausgleich, dass der Quotenschaden nicht die Minderungen des Gesellschaftsvermögens erfasst, die Folge der Verfahrenseröffnung sind858. Die drakonischen Folgen, die die Insolvenzverschleppungshaftung im Einzelfall nach sich ziehen kann, seien am Beispiel einer Gesellschaft demonstriert, die eine erkennbare bilanzielle Überschuldung in Höhe von 100.000 E ausweist und keine positive Fortführungsprognose besitzt. Gleichzeitig besteht jedoch die Möglichkeit, verbliebenes Umlaufvermögen durch kurzfristige Fortführung der Gesellschaft zu einem vertretbaren Preis abzusetzen. Die Chancen hierfür stehen – objektiv – günstig. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 % wird ein Ertrag in Höhe von 50.000 E erwartet, mit der Gegenwahrscheinlich von 20 % hingegen ein Verlust in Höhe von 10.000 E. Die Handlungsalternative kurzfristige Fortführung und Abverkauf besitzt somit einen Erwartungswert E ¼ 0; 8 ¡ 50:000 þ 0; 2 ¡ ð¢10:000Þ ¼ 38:000.

Aufgrund des positiven Erwartungswertes und der hohen Eintrittswahrscheinlichkeit für den günstigen Zustand lässt sich hier schwerlich von einem spekulativen Projekt 858

Vgl. Ulmer, KTS 1981, 469 (487).

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auf Kosten der Gläubiger sprechen. Dennoch, realisiert sich die 20 %-ige Wahrscheinlichkeit des schlechten Zustands, hat sich das Gesellschaftsvermögen nach Erreichen der Überschuldung um 10.000 E gemindert. Die Insolvenzverschleppungshaftung weist diesen Verlust, ohne Berücksichtigung der ex ante Erfolgsaussichten der Geschäftsleitung zu. Ebenso wird unter Rekurs auf die Insolvenzantragspflicht ausgeblendet, dass es sich hierbei um ein typischerweise von Gläubigern und Gesellschaftern zu tragendes Risiko handelt. Das Fehlen eines korrigierenden Moments auf Tatbestandsseite wie auf Rechtsfolgenseite und die Ausgestaltung der Insolvenzverschleppungshaftung als Schadensersatzhaftung wirkt sich hier mit aller Dramatik aus. bb) Ersatz des Kontrahierungsschadens Außerordentlich umstritten in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft war und ist die Frage, ob Neugläubiger über den Quotenschaden hinaus den Schaden liquidieren können, der ihnen dadurch entstanden ist, dass sie mit der insolvenzreifen Gesellschaft noch in Geschäftsbeziehungen getreten sind (Kontrahierungsschaden)859. Der Kontrahierungsschaden geht nach insoweit unbestrittener Ansicht grundsätzlich allein auf das negative Interesse860; die ökonomisch gebotene Berücksichtigung eventueller Opportunitätskosten leisten Rechtsprechung und Schrifttum implizit dadurch, dass einem Gläubiger erlaubt wird, nachzuweisen, dass ihm durch den Geschäftsabschluss mit der insolvenzreifen Gesellschaft die Erträge eines Alternativgeschäfts verloren gegangen sind861. Bedeutung kommt der Beantwortung der Streitfrage, ob Neugläubiger auch ihr negatives Interesse verlangen können, insbesondere in Fällen fahrlässiger Insolvenzverschleppung zu; bei vorsätzlichem Handeln auf Seiten der Geschäftsleitung sind Neugläubiger bereits durch § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. § 826 BGB deliktsrechtlich geschützt862. In Übereinstimmung mit zahlreichen Stimmen aus der Rechtswissenschaft863 verneinte der Bundesgerichtshof einen solchen weitergehenden Anspruch der Neugläubiger zunächst864. Offensichtlich vor dem Hintergrund der praktischen Probleme der Einforderung des Quotenschadens865, hat der BGH in seinem Grundlagenurteil vom 6. Juni 1994 diese Beschränkung ausdrücklich aufgegeben und entschieden, dass einem Neugläubiger auch der Kontrahierungsschaden zu859

(486). 860

Vgl. Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 79; Poertzgen, GmbHR 2007, 485

Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 119. BGH, Urt. v. 27. 4. 2009 – II ZR 253/07, NZG 2009, 750, 751; Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 72; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 119. 862 Vgl. Canaris, JZ 1993, 649 (650). 863 Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, § 64 Rn. 49; ders., KTS 1981, 469 (487 f.); Canaris, JZ 1993, 649 (650) jeweils m.w.N. 864 BGH, Urt. v. 16. 12. 1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100 (10 ff.); dem folgend etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 4. 1974 – 4 U 184/73, BB 1974, 712 (713). 865 Vgl. etwa Poertzgen, GmbHR 2006, 1182 (1183). 861

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steht866. Neugläubiger haben Anspruch auf Ersatz des vollen Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu der insolvenzreifen GmbH getreten sind867. Der Kontrahierungsschaden entspricht dabei dem Wert des vom Gläubiger an die Gesellschaft Geleisteten abzüglich der durch die Gesellschaft bereits erbrachten Gegenleistung, eine eventuell erzielte Quote ist nach jüngerer Rechtsprechung dabei nicht mehr in Abzug zu bringen868. Um dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot Rechnung zu tragen, billigt die Rechtsprechung jedoch dem in voller Höhe ersatzpflichtigen Geschäftsführer entsprechend § 255 BGB – Zug um Zug gegen Zahlung des geschuldeten Schadensersatzes – einen Anspruch auf Abtretung der Insolvenzforderung des Neugläubigers gegen die Schuldnerin zu869. Die Auseinandersetzung um die Ersatzfähigkeit des negativen Interesses ist durch zwei Argumentationslinien gekennzeichnet. Zum einen wird dogmatisch um den 866 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II 292/91, BGHZ 126, 181 (192 ff.); seitdem ständige Rechtsprechung von BGH und Instanzengerichten vgl. etwa BGH, Urt. v. 7. 11. 1994 – II ZR 108/93, NJW 1995, 398 (398 f.); BGH, Urt. v. 27. 4. 2009 – II ZR 253/07, NZG 2009, 750 (751); OLG Celle, Urt. v. 6. 5. 1999 – 11 U 232/97, NZG 1999, 1064 (1065); OLG Köln, Urteil v. 19. 12. 2000 – 22 U 144/00, NZG 2001, 411 (411); OLG Hamburg, Urt. v. 30. 11. 1999 – 11 U 18/ 97, NZG 2000, 606 (606 f.); OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631; LG Kiel, Urt. v. 20. 4. 2006 – 10 S 44/05, ZIP 2006, 1248 (1250); OLG Köln, Urt. v. 27. 1. 2006 – U 45/05, NJOZ 2006, 2192 (2192 f.) (zu § 42 BGB); LAG Köln, Urt. v. 26. 7. 2006 – 8 Sa 1660/05, NZG 2007, 199 (200); aus dem Schrifttum: Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 72; Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 15; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 92 Rn. 78; Gehrlein, Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 119; Haas, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 137; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 49; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 48; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 41: H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 184; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 63; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 20; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 31; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 84; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 15; Bayer/Lieder, WM 2006, 1 (3); Fritsche/Lieder, DZWiR 2004, 93 (100); Gilles/Baumgart, JuS 1974, 226 (227); Karollus, ZIP 1995, 269 (269); Kühn, NJW 1970, 589 (593); Lindacher, DB 1972, 1424 (1424 f.); Lutter, GmbHR 1997, 329 (332 f.); Medicus, ZGR 1998, 570 (581); Poertzgen, GmbHR 2006, 1182 (1182); Reiner, FS Boujoung, 415 (442); Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 209; Stöber, ZHR 176 (2012), 329 (359); Wimmer, NJW 1996, 2546 (2548); Winkler, MDR 1960, 185. A.A. in der Begründung, nicht aber im Ergebnis K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (640); ders., GmbHR 2010, 1319 (1322); sowie Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 31 und Casper, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (42), die den Kontrahierungsschaden entweder auf c.i.c. oder aber einen weiteren, de lege ferenda zu schaffenden insolvenzrechtlichen Haftungstatbestand stützen wollen. 867 Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 49. Zur Ersatzfähigkeit entgangenen Gewinns im Rahmen der Haftung auf den Kontrahierungsschaden unlängst BGH, Urt. v. 27. 4. 2009 – II ZR 253/07, NZG 2009, 750 (751). 868 BGH, Urt. v. 5. 2. 2007 – 234/05, NZG 2007, 347 (350); BGH, Urt. v. 27. 4. 2009 – II ZR 253/07, NZG 2009, 750 (751 f.). Vgl. Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 15.Anders etwa noch Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 79: Quote in Abzug zu bringen. 869 BGH, Urt. v. 27. 4. 2009 – II ZR 253/07, NZG 2009, 750 (751); H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 187; Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1675 f.).

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„Beweis“ der Subsumierbarkeit des Kontrahierungsschadens unter § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a Abs. 1 InsO n.F. i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB gerungen. Zum anderen ist insbesondere auch die Entscheidung des BGH von rechtspraktischen bzw. teleologischen Überlegungen hinsichtlich der Stoßrichtung und des Inhalts der Insolvenzverschleppungshaftung geprägt. Beide Linien sollen im Folgenden nachgezeichnet werden, weil durch ersteres die de lege lata bestehenden Grenzen der Insolvenzverschleppungshaftung bestimmt werden, während die teleologischen bzw. Zweckmäßigkeitserwägungen entweder selbst Effizienzargumente sind oder aber diesen gerade entgegenstehen. (1) Historische Aspekte870 Für eine Ausdehnung des Schutzumfangs auf den Ersatz des Kontrahierungsschadens der Neugläubiger ist vereinzelt der Wille des historischen Gesetzgebers angeführt worden. Dessen Intention sei gewesen, „dem mit der Gesellschaft verkehrenden Publikum ausreichend Schutz zu gewähren“871. Rechtsprechung und das überwiegende Schrifttum sind dieser Argumentation jedoch nicht gefolgt. Zu Recht wird darauf verwiesen, dass der GmbH-Gesetzgeber von 1892 Vorschläge für eine unbeschränkte Einstandspflicht gerade nicht aufgegriffen hat und als ausschließliche Sanktion das Zahlungsverbot nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. statuiert hat872. Dass trotz dieser Grundentscheidung des historischen Gesetzgebers auch auf Grundlage der herrschenden Meinung eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. dennoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, soll sich h.M. daraus ergeben, dass das GmbHG bereits 1892 in Kraft getreten sei und eine Bezugnahme auf das spätere BGB somit nicht möglich war873. Ob man dem zu folgen haben wird, erscheint zweifelhaft. Die hinter dieser Ansicht stehende Annahme, dass der Gesetzgeber von 1892 einen im GmbHG angesiedelten Schadensersatzanspruch abgelehnt hat, gleichzeitig aber einen inhaltsgleichen Anspruch auf Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB befürwortet hätte, kann kaum als konsequent bezeichnet werden. Die Einmütigkeit des gegenteiligen Befundes der Gegner und Befürworter der Ersatzfähigkeit des Kontrahierungsschadens wird man nicht zuletzt darin begründet sehen müssen, dass anderenfalls der Schutzgesetzcharakter von § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a Abs. 1 InsO zur Gänze verneint werden müsste, ein Ergebnis, das von der fast ausschließlichen Meinung nicht gewollt ist. Deshalb wird man die heute allgemeine Ansicht, dass sich den Materialien nichts für oder gegen einen Ersatz des 870 Aufgrund der Tatsache, dass Wortlaut von § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a Abs. 1 InsO n.F. wie auch § 823 Abs. 2 BGB keine Auskunft über den Schutzumfang der Insolvenzverschleppungshaftung geben, beschränkt sich die Erörterung desselben auf historischgenetische, systematische und teleologische Aspekte. 871 Vgl. Winkler, MDR 1960, 185 (186). 872 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (194 f.). 873 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (194 f.); Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1178); H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 177.

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Kontrahierungsschadens entnehmen lasse874, als unabänderliches Datum hinzunehmen haben. (2) Gesetzessystematik Für eine Ausweitung der Insolvenzverschleppungshaftung auf das negative Interesse ist unter systematischen Gesichtspunkten vereinzelt der Vergleich mit § 42 Abs. 2 BGB bemüht worden. Da 15a Abs. 1 InsO n.F. keine eigene Sanktion für die Verletzung der Insolvenzantragspflicht kenne, müsse auf die allgemeinere Vorschrift des § 42 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden875. Hiernach hat der Vereinsvorstand im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich und haften diesen gegenüber als Gesamtschuldner. Die Gegeneinwände liegen auf der Hand. Nicht zutreffend ist, dass der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht im historischen GmbHG sanktionsfrei gestellt worden wäre. Bereits die Fassung von 1892 sah mit § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. und § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG a.F. durchaus gewichtige Sanktionen vor. Letztlich lautet das Argument also nicht, dass das GmbHG keine Sanktion für den Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht vorgesehen habe, sondern die falsche876. Gleichzeitig wird gerade auch die Gegenansicht, die die Ersatzfähigkeit des Kontrahierungsschadens verneint, auf systematische Erwägungen gegründet. Dominierendes Argument ist hier Existenz und Inhalt von § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 GmbHG n.F. Zwar vertritt die allerdings nicht zweifelsfreie h.M., dass aus der Existenz des Zahlungsverbotes nicht auf die fehlende Schutzgesetzeigenschaft der Insolvenzantragspflicht insgesamt zurückgeschlossen werden dürfe. Canaris zu Folge muss jedoch der Telos der in § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 GmbHG n.F. angeordneten Rechtsfolge auch im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung Berücksichtigung finden. Wenn § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 S. 1 GmbHG n.F. allein darauf abziele, die Verminderung der Konkursmasse zu verhindern, müsse gleiches auch für die Insolvenzverschleppungshaftung gelten877. Gestützt werde dieser Befund durch die korrespondierende Strafnorm des § 84 Abs. 1 GmbHG a.F./ § 15a Abs. 4 u. 5 InsO n.F., mit der § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. im Wege der systematischen Auslegung aufeinander abzustimmen sei878. § 84 GmbHG a.F. sei seiner Natur nach ein Konkurs-/Insolvenzdelikt, das inhaltlich in das Umfeld der Bankrotttatbestände der §§ 283 ff. StGB gehöre. Schutzzweck des Konkurs- bzw. Insol874

BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (194 f.); Gilles/Baumgart, JuS 1974, 226 (227); Kühn, NJW 1970, 589 (590); Lindacher, DB 1972, 1424 (1424 f.). 875 Winkler, MDR 1960, 185 (186 f.); auf § 42 Abs. 2 BGB weist auch Medicus, DStR 1995, 1432 (1433) hin. 876 Gegen den Rekurs auf § 42 Abs. 2 BGB auch Gilles/Baumgart, JuS 1974, 226 (227). 877 Canaris, JZ 1993, 649 (651). 878 Canaris, JZ 1993, 649 (650).

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venzstrafrechts, der grundsätzlich identisch sei mit dem des Konkursrechts, sei die gleichmäßige, quotenmäßige Befriedigung aller Gläubiger. Hierin liege die tragende Begründung dafür, dass auch den Neugläubigern allein der Quotenschaden zu ersetzen sei879. BGH und die ihm folgenden Teile des Schrifttums sehen diese Argumente primär durch die Überlegung entkräftet, dass § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./15a Abs. 1 InsO n.F. einen über § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 GmbHG n.F. hinausgehenden Zweck verfolge. Dieser sei darin zu sehen, konkurs- bzw. insolvenzreife Gesellschaften aus dem Rechtsverkehr zu entfernen880. Die Überzeugungskraft dieser beiden systematischen Argumentationslinien lässt sich nicht isoliert beantworten, sondern wird maßgeblich dadurch bestimmt, worin man den Zweck der Insolvenzverschleppungshaftung sieht – Ersatz von Masseschmälerungen oder aber Beseitigung insolventer Rechtsträger mit beschränkter Haftung und der mit ihnen verbundenen Gefahren aus dem Rechtsverkehr. Als Ergebnis wird man damit festzuhalten haben, dass auch die systematische Auslegung die Frage der Ersatzfähigkeit des negativen Interesses der Neugläubiger nicht zu präjudizieren vermag. Insbesondere wird dieser offene Befund auch nicht durch die im Rahmen des MoMiG erfolgte Neuverortung der Insolvenzantragspflicht in § 15a Abs. 1 InsO n.F. berührt881. Diese diente nicht etwa dem Ziel, vermeintlich unterschiedlichen Zwecken dienende Normen (§ 64 Abs. 1 u. 2 GmbHG a.F.) auch räumlich zu trennen, sondern ist allein dem Wunsche des Gesetzgebers geschuldet, die Insolvenzantragspflicht auch für Scheinauslandsgesellschaften zur Pflicht zu machen882. (3) Teleologie der Insolvenzantragspflicht (§ 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a Abs. 1 InsO n.F.) Kern der Debatte um die Ersatzfähigkeit des negativen Interesses der Neugläubiger stellt die Frage nach dem Zweck der Insolvenzantragspflicht bzw. der daraus 879

Canaris, JZ 1993, 649 (650). BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (196); OLG Hamburg, Urt. v. 30. 11. 1999 – 11 U 18/97, NZG 2000, 606 (607); LG Kiel, Urt. v. 20. 4. 2006 – 10 S 44/05, ZIP 2006, 1248 (1249); Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 84; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 78; Habersack, in: GroßkommAktG, § 92 Rn. 3; Bork, ZGR 1995, 505 (514); Diekmann, NZG 2006, 255 (255); Goette, DStR 1998, 1308 (1312); Lange, DStR 2007, 954 (959); Lutter, DB 1994, 129 (135); K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 493 (498); Vallender/Fuchs, ZIP 2004, 829 (831); Verse, ZHR 170 (2006), 398 (414 f.); ähnlich H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 177, der gleichfalls unterschiedliche Stoßrichtungen von § 64 S. 1 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO annimmt. 881 A.A. Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 209. 882 Insoweit a.A. Wübbelsmann, GmbHR 2008, 1303 (1304), der dem Schweigen der Materialien entnehmen will, dass der Gesetzgeber § 15a InsO nicht als Schutzgesetz begreife. Vgl. demgegenüber Schall (vorherige Fn), der zum diametral entgegengesetzten Ergebnis kommt. 880

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folgenden Insolvenzverschleppungshaftung dar. Die Grundsatzentscheidung BGHZ 29, 100 ff. führt hierzu aus, dass das „Gesetz […] verhindern [will], dass das zur Befriedigung der Gläubiger erforderliche Gesellschaftsvermögen diesem Zweck entzogen wird. Sein Schutzbereich geht aber nicht soweit, dass jedermann vor allen Gefahren bewahrt werden müsse, die sich aus dem Fortbestehen einer überschuldeten Gesellschaft mit beschränkter Haftung ergeben“883. Der Schutzzweck beschränke sich darauf, vorhandene und nach Konkursreife neu hinzugetretene Gläubiger der GmbH gegen eine weitere Aushöhlung der Masse nach Eintritt der Konkursreife zu schützen884. In seiner Entscheidung vom 6. Juni 1994 hat der Bundesgerichtshof dieses eingeschränkte Verständnis aufgegeben und die Insolvenzverschleppungshaftung auf ein neues Fundament gestellt. Die Insolvenzantragspflicht diene primär dem Zweck, konkursreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden885. Die juristische Person gehe der Legitimation der Haftungsbeschränkung verlustig, wenn ihr Vermögen vollständig verwirtschaftet ist886. Die Konkursantragspflicht ergänze damit den mit den Kapitalaufbringungsund erhaltungsvorschriften bewirkten Gläubigerschutz; zusammen mit diesem stelle sie die Rechtfertigung für das Haftungsprivileg der Gesellschafter dar887. Abgerundet wird die Argumentation mit der Kausalitätserwägung, dass, wäre der Geschäftsführer seiner Pflicht nachgekommen, kein Vertrag zustande gekommen und folglich kein Schaden entstanden wäre888.

883 Vgl. auch BGH, Urt. v. 26. 6. 1989 –II ZR 289/99, BGHZ 108, 134 (136); Ulmer, KTS 1981, 469 (481). 884 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 4. 1974 – 4 U 184/73, BB 1974, 712 (713); Ulmer, KTS 1981, 469 (481). 885 BGH, Urt. v. 7. 11. 1994 – II ZR 108/93, NJW 1995, 398 (399); BGH, Urt. v. 27. 4. 2009 – II ZR 253/07, NZG 2009, 750 (751); OLG Hamburg, Urt. v. 31. 7. 2007 – 14 U 71/07, ZIP 2007, 2318 (2318); OLG Köln, Urt. v. 27. 1. 2006 – 1 U 45/05, NJOZ 2006, 2192 (2193) (zu § 42 BGB); LAG Köln, Urt. v. 26. 7. 2006 – 8 Sa 1660/05, NZG 2007, 199 (200); Casper, in: Ulmer/ Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 2 u. 131 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 78 u 47; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 109a; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 41; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 184; Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 11; K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 493 (498); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 273; Wolfer, GWR 2012, 335505. 886 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (196 f.); dem folgend Fritsche/ Lieder, DZWiR 2005, 93 (94); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 273. 887 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (196); so auch Schnorr, ZHR 170 (2006), 9 (30). 888 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (192 f.); Lindacher, DB 1972, 1424 (1424); Wilhelm, ZIP 1993, 1833 (1834); Winkler, MDR 1960, 185 (185); auf die Kausalitätsbetrachtung stellen auch ab Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 84.

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Diese Neujustierung des Koordinatensystems der Insolvenzverschleppungshaftung, die mittlerweile das Meinungsbild in Rechtsprechung und Literatur dominiert, erscheint schon unter Verwendung der klassischen Auslegungscanonices nicht völlig unangreifbar. Primärzweck der Insolvenzantragspflicht ist es, die Verfügungsrechte über die Schuldnergesellschaft auf die Gläubiger zu übertragen. Als wirtschaftlich Betroffenen soll ihnen die Entscheidungsgewalt über das weitere Schicksal der Unternehmung übertragen werden. Insbesondere unter Geltung der bewusst auch fortführungsorientierten Insolvenzordnung erscheint es nur schwer vertretbar, den Inhalt der Insolvenzantragspflicht ausschließlich oder doch vorrangig darin zu sehen, die Gesellschaft vom Markt zu nehmen. Geradezu den Vorwurf eines Zirkelschlusses muss sich die durch den II. Senat vorgenommene Verknüpfung von Insolvenzantragspflicht und unbeschränkter Geschäftsleiterhaftung gefallen lassen. Mit der Feststellung, dass die juristische Person mit der Verwirtschaftung ihres ganzen Vermögens das Privileg der Haftungsbeschränkung verliere, wird de iure und de facto das Institut der Haftungsbeschränkung aufgehoben. Das Gesellschaftsvermögen haftet nur solange ausschließlich, wie es sich als zur Befriedigung der Gläubiger ausreichend erweist889. Geht eine bilanzielle Überschuldung von einem Cent einher mit einer negativen Fortführungsprognose und wäre dies erkennbar gewesen, haftet der Geschäftsleiter für jede Schmälerung des Gesellschaftsvermögens und jede neu begründete Verbindlichkeit. Rechtstechnisch wird damit ein System unbeschränkter Haftung eingeführt mit der einzigen Besonderheit, dass Haftungsadressat anders als im Personengesellschaftsrecht nicht der Gesellschafter, sondern der Geschäftsführer ist. Es entsteht die Gesellschaft mit beschränkter Gesellschafter- und unbeschränkter Geschäftsleiterhaftung bzw. – gerade im Falle der Einpersonengesellschaft – die Gesellschaft mit scheinbar beschränkter Haftung. Dass damit Wesen und Wirkung der haftungsbeschränkten Kapitalgesellschaft nachhaltig verändert werden, bedarf keiner näheren Begründung890. Der dogmatische Gegeneinwand, dass der Geschäftsführer nicht eo ipso für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten einzustehen hat, sondern für die Folgen einer von ihm begangenen Pflichtverletzung, vermag demgegenüber nicht durchzudringen, besteht doch die behauptete Pflichtverletzung in nichts anderem als der Unzuläng889

So etwa ausdrücklich Wilms, KTS 2007, 337 (347): „Die Legitimität einer haftungsbeschränkten unternehmerischen Tätigkeit entfällt unabhängig von der „Nationalität“ einer Gesellschaft spätestens dann, wenn die Gesellschaft insolvent ist“; ähnlich weitgehend im Ansatz auch Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 8: „Die ökonomische Funktion der Regelung in § 64 [a.F., A.d.V.] hängt mit der Legitimation der Haftungsbeschränkung zusammen. Diese besteht vereinfacht gesprochen darin, dass die Gesellschaft einen Haftungsfonds vorhalten muss, der in der Lage ist, die Verbindlichkeiten der Gläubiger abzudecken“, wenn auch im Nachfolgenden mit leichter Relativierung. 890 Hellsichtig insoweit – wenn auch dies befürwortend – Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1178), der konstatiert, dass die deutsche Haftungskonstruktion bei Aufgabe der gläubigerfeindlichen Darlegungs- und Beweislastverteilung zu einer nahezu 100 %-igen Gläubigerbefriedigung führen würde. Jüngst auch Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 9: „Die Insolvenzantragspflicht bei Eintritt der Überschuldung bewirkt dagegen idealiter zwar einen (nahezu) perfekten Gläubigerschutz […]“.

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lichkeit des Gesellschaftsvermögens zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger. Eine Verletzung der Insolvenzantragspflicht bleibt – zumindest auf der Haftungsebene – unsanktioniert, wenn sie sich nicht in einer Minderung des Gesellschaftsvermögens niederschlägt. Schließlich ergibt sich, anders als durch den BGH behauptet, die Notwendigkeit dieses Verständnisses selbst dann nicht, wenn man das Privileg der Haftungsbeschränkung nur durch den doppelten Preis Kapitalschutz und Insolvenzantragspflicht legitimiert sieht. Zwar liegt dem deutschen Kapitalgesellschaftsrecht in der Tat die perfektionistische Idee zu Grunde, die beschränkt haftende Gesellschaft ab Erreichen der Insolvenzreife aus dem Geschäftsverkehr zu ziehen oder doch zumindest in ein staatliches Reorganisationsverfahren zu überführen. Diese Grundstruktur zwingt jedoch nicht zu der durch den BGH vorgenommenen Aufhebung der Haftungsbeschränkung. Die Statuierung der Insolvenzantragspflicht trägt dem Umstand Rechnung, dass ab Insolvenzreife die Gläubiger Träger des Residualrisikos sind. An das Verhalten der Geschäftsleitung müssen deshalb besondere Anforderungen formuliert werden. Dass dem historischen Gesetzgeber diese Idee nicht fremd gewesen ist, belegt gerade der Blick in § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG a.F./§ 64 S. 2 GmbHG n.F. Geschäftsführungsmitglieder, die einen Übergang der Verfügungsrechte unter Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht nicht herbeiführen, machen sich strafbar und sind gegebenenfalls zum Ersatz verbotswidrig getätigter Zahlungen verpflichtet. Die Insolvenzantragspflicht wird also nach dem historischen Modell einerseits mit der spürbaren Sanktion der Strafbarkeit versehen, gleichzeitig aber eine weitergehende Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft an die Verwirklichung eines zusätzlichen Unrechts gebunden, nämlich daran, dass die getätigten Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters nicht zu vereinbaren sind. Dieses historische Modell lässt sich also kennzeichnen als strafrechtlich sanktionierte Insolvenzantragspflicht zuzüglich verschärfter Vertretbarkeitskontrolle für den Fall der Fortführung der insolventen Kapitalgesellschaft. (4) Rechtsökonomische Aspekte Auch unter rechtsökonomischen Auspizien ist die Ausweitung der Insolvenzverschleppungshaftung begrüßt worden. Die Ausdehnung der Haftung an sich und der damit verbundene verstärkte Antrieb zur Stellung der Insolvenzantragspflicht wirkten sich effizienzsteigernd aus891. Dem ist zuzugestehen, dass die frühzeitigere Verfahrenseinleitung tatsächlich eine günstigere Massesituation herbeizuführen vermag892. Ist die in Rede stehende Gesellschaft in einem derartigen Zustand, dass ein Weiterwirtschaften sich nur noch als Ressourcenverschwendung darstellt, ist die Liquidation auch unter Effizienzgesichtspunkten geboten. Andererseits gilt es aber auch, die Wirkungen auf das Verhalten der Geschäftsleitung der Schuldnerin zu berücksichtigen. Effizienz als gesamtwirtschaftliches Konzept verlangt, dass die mit 891 892

So Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 49. Vgl. Lutter, DB 1994, 129 (134).

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der Haftungsausweitung verbundenen Vorteile für die Neugläubiger nicht durch darüber hinausgehende Nachteile für Gesellschaft, Gesellschafter, Geschäftsführer und im Einzelfall auch Gläubiger kompensiert werden893. (a) Tertiäre Kosten Wenn die Ausweitung der Haftung an sich und der damit verbundene stärkere Anreiz zur Antragsstellung als Argument zur Legitimation der extensiven Neugläubigerrechtsprechung angeführt werden, steht im Hintergrund der in weiten Teilen von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft geteilte Befund, dass die Berechnung des Quotenschadens in der Praxis überaus komplex ist, weil die zugrunde liegende konstruktive Dimension einer Quotendifferenz „ebenso ästhetisch anziehend wie praktisch undurchführbar ist“894 und deshalb „auf unseriöse Geschäftsführer keinen besonderen Eindruck macht“895. In der Theorie obliegt einem Gläubiger der Nachweis, zu welchem Zeitpunkt die Insolvenz eingetreten ist, welche Masse zu diesem Zeitpunkt vorhanden war, welchen Wert sie hatte und welche Verbindlichkeiten ihr gegenüberstanden, da sich nur so die Quote bestimmen lässt896. Für die Gerichtspraxis lautet deshalb das ernüchterte Fazit Goettes, dass „die entsprechenden Fälle in der Praxis keine überragende Rolle gespielt haben“897. Selbst eine materiell anspruchsberechtigte Partei ist oftmals nicht bzw. nicht zu vertretbaren Kosten in der Lage, ihrer Darlegungs- und Beweislast zu genügen und sieht – dies antizipierend – von einer Klageerhebung gänzlich ab. Die Beweiserleichterungen nach § 287 ZPO helfen einem Gläubiger in dieser Misere nur wenig898. Noch drastischer muss dieser Befund ausfallen, sofern über das Vermögen der Gemeinschuldnerin mangels Masse ein Insolvenzverfahren erst gar nicht eröffnet wird. Nicht zuletzt drücken Sicherungsrechte die Quote, so dass Gläubiger in zahlreichen Fällen die Kosten, Mühen und Risiken der Anspruchsverfolgung meiden werden899. Auch die verhaltenssteuernde Wirkung der Insolvenzverschleppungshaftung wird damit weitgehend beseitigt. Eine bloß rechtlich existente Haftung, die faktisch nicht durchgesetzt wird, entfaltet keine disziplinierende Wirkung900. Stellvertretend sei 893 Für die Berücksichtigung der Interessen der Geschäftsleitung, wenn auch ohne Rückgriff auf das Effizienzkonzept, auch Lutter, DB 1994, 129 (134). 894 Schanze, AG 1993, 376 (380); vgl. auch Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 78. 895 Müller, GmbHR 1994, 209 (212); Heitsch, ZInsO 2006, 568 (568). A.A. allerdings Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1178). 896 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 269. 897 Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 242; vgl. auch Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 269; K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (640); Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1683). 898 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 77; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 78. 899 Vgl. etwa K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (640 f.). 900 Vgl. Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 18; ders., GmbHR 2006, 729 (729); Antunes, ECFR 2005, 323 (364). So auch BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (197): „Als Instrument des Gläubigerschutzes muss das Gebot der

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obiges Beispiel angeführt, wonach die Geschäftsführung unter Berücksichtigung der Insolvenzverschleppungshaftung die folgende Funktion zu maximieren hatte: E½X ¤ ¼ pX ð1Þ þ ð1 ¢ pÞX ð2Þ ¼ 0; 1 ¡ 10:000 þ 0; 9 ¡ ð¢15:000Þ

Legt man jetzt als weitere Modellannahme zu Grunde, dass nur in einem von zwanzig Fällen die Insolvenzverschleppungshaftung durchgesetzt wird (Durchsetzungsquote w ¼ 0; 05), stellt sich die Entscheidungssituation nunmehr wie folgt dar: E½X ¤ ¼ pX ð1Þ þ wð1 ¢ pÞX ð2Þ ¼ 0; 1 ¡ 10:000 þ 0; 05 ¡ 0; 9 ¡ ð¢15:000Þ ¼ 250

Die Durchführung von X(1) wird aufgrund der unzureichenden Haftungsdurchsetzung wieder lukrativ. Im Beispiel ergibt sich, dass eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger ab einer Durchsetzungswahrscheinlichkeit w von unter 0; 1 ¡ 10:000 ¼ w ¡ 0; 9 ¡ ð¢15:000Þ , w ¼ 1:00013:5000 ¼ 0; 074=

subjektiv rationale Handlungsstrategie wird. Den Fehlanreizen in der Krise der Kapitalgesellschaft wird dann nicht entgegengewirkt901. Die in ihrer Anlage eigentlich zu weitgehende Haftung auf den Quotenschaden wiegt praktisch nicht schwer genug. Diesen Defiziten wirkt die Ausweitung der Haftung auf den Kontrahierungsschaden ceteris paribus entgegen902. Sie erhöht die Lukrativität einer Klage, indem bei gleichbleibender Entdeckungswahrscheinlichkeit das Ausmaß der im Klageweg zu realisierenden Einkünfte steigt903. Die Prozessrisiken wiegen weniger schwer, wenn im Erfolgsfalle deutlich mehr als die nur minimale Quote zu erzielen ist. Die Drohung der Insolvenzverschleppungshaftung wird damit für den Geschäftsleiter virulenter, so dass er sein Krisenverhalten anpassen muss. Somit ist es denkbar, dass die Neugläubigerrechtsprechung des BGH effizienzsteigernd wirkt904. Auch die Neugläubigerrechtsprechung ist jedoch nicht ohne Kosten, so dass fraglich ist, inwieweit ihre Einführung eine Effizienzsteigerung gegenüber der rechtzeitigen Konkursantragstellung schadensersatzrechtlich – und nicht nur strafrechtlich – so sanktioniert sein, dass dieser Schutz wirksam ist“. 901 Auf die Bedeutung der prozessualen Durchsetzbarkeit für die Verhaltenssteuerung weisen auch Böckmann, Gläubigerschutz bei GmbH und close corporation, S. 132 f.; Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 18; K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (159) hin. 902 Vgl. etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 78: „und der Insolvenzantragspflicht zu größerer Durchschlagskraft verhilft“. 903 Allgemein zur effizienten Ausgestaltung von Haftungshöhe und Entdeckungswahrscheinlichkeit Stone, Yale L. J. 90 (1980), 1 (23 ff.). 904 Deutlich in diese Richtung Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 251: „Die Verpflichtung läuft allerdings leer, wenn ihre Missachtung – wie vor der Grundsatzentscheidung vom 6. Juni 1994 – nicht ausreichend sanktioniert wird“. Ähnlich auch K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (640): „Während der Anreiz für Neugläubiger, ihren Vertrauensschaden gegen die Geschäftsleiter einzuklagen, immerhin nennenswert ist […]“.

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Rechtslage bis 1994 darstellt. In diesem Zusammenhang ist in einem ersten Schritt zu konstatieren, dass sich die in die Haftung auf den Kontrahierungsschaden gesetzten Erwartungen in der Praxis nicht erfüllt haben. Auch für die Haftung für Neugläubigerschäden muss festgestellt werden, dass sie in praxi kaum durchzusetzen ist905. Die mit der Neugläubigerrechtsprechung verbundene Übertragung der ausschließlichen Klagebefugnis auf die einzelnen Gläubiger gestaltet die Durchsetzung noch schwieriger906. Während die Haftung auf den Quotenschaden durch den aufgrund seiner umfassenden Befugnisse gut informierten Insolvenzverwalter geltend gemacht wird, besitzen einzelne Gläubiger regelmäßig keine fundierten Kenntnisse über die finanzwirtschaftliche Situation der Gesellschaft. Die Gerichte behindern Einzelvollstreckungsversuche der Gläubiger darüber hinaus dadurch, dass sie Gläubigern das Akteneinsichtsrecht (§ 299 Abs. 1 ZPO) bei Ablehnung mangels Masse unter Verweis auf legitime Geheimhaltungsinteressen der Schuldnerin verweigern. Dem einzelnen Gläubiger wird somit die Bestimmung, wann materielle Insolvenzreife konkret vorgelegen hat, faktisch unmöglich gemacht907. Belegt werden diese Durchsetzungsdefizite durch die Praxis, die durch eine fast ausschließliche Durchsetzung der Geschäftsleiterhaftung durch den Insolvenzverwalter über § 64 GmbHG n.F. gekennzeichnet ist908. Von einer verbesserten Durchsetzung der Insolvenzantragspflicht und einem deutlichen Rückgang der Verschleppungsfälle, also einem spürbaren Rückgang der tertiären Kosten, kann damit nicht die Rede sein. (b) Risikoverteilung Diesem als gering zu veranschlagenden Nutzen der Haftungsausweitung stehen erhebliche Kosten gegenüber. Bedenken erweckt die Ausweitung der Haftung auf den Kontrahierungsschaden insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikoverteilung. Paradigmatisch gilt, dass das unternehmerische Risiko grundsätzlich nur von den Gesellschaftern und Gläubigern zu tragen ist. Die Verteilung der Unsicherheit zukünftiger Zahlungsströme auf mehrere Schultern senkt nicht nur die sekundären Kosten, sondern entspricht auch der vertraglichen Vereinbarung. Die mit der Haftung auf den Kontrahierungsschaden verbundene Überwälzung nicht nur des Risikos opportunistischen Verhaltens, sondern auch und gerade des technologischen Insolvenzrisikos konzentriert hingegen die aufgrund der Krise der Gesellschaft basierende finanzielle Betroffenheit auf den denkbar kleinen Kreis der Geschäftsleiter. Die Gewährung des negativen Interesses ignoriert in diesem Zusammenhang die den Gläubigern zur Verfügung stehenden Selbstschutzmöglichkeiten. Diese in Rechnung gestellt, erscheint eine wirtschaftliche Privilegierung der Neugläubiger 905 Vgl. Poertzgen, GmbHR 2007, 485 (485); allgemein zur Insolvenzverschleppungshaftung insgesamt auch Hirte, ZInsO 2010, 1986 (1989): „totes Recht“. 906 Vgl. hierzu unter § 7, X. 2. 907 Vgl. Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1568 (1570). 908 Vgl. K. Schmidt, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (192 f.).

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gegenüber den Altgläubigern nicht zwingend geboten. Neugläubiger kontrahieren mit der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem diese bereits materiell insolvenzreif ist. Bei korrektem Screening hätten sie entweder bereits den Vertragsschluss vollständig verweigern oder aber sich zusätzliche Sicherungsrechte bzw. einen entsprechenden Zins einräumen lassen können und nach Posners Grundkonzept auch müssen. Der scheinbar naheliegende Gegeneinwand, dass die Neugläubiger oftmals vorsätzlich über die wahre Lage der Schuldnergesellschaft getäuscht würden, trägt nicht, da unter dieser Voraussetzung bereits eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bestünde909. Im Gegensatz dazu kann ein Altgläubiger für sich in Anspruch nehmen, zu einem Zeitpunkt in Kreditbeziehungen zur Schuldnerin getreten zu sein, in dem diese noch nicht insolvenzreif im Sinne der Insolvenzordnung war, so dass die Entscheidung weniger irrational ist. Altgläubiger trifft nur ein Prognosefehler. Völlig ausgeblendet bleiben Möglichkeit und Pflicht zum Selbstschutz, wenn vertreten wird, dass es kein typisches Verschulden eines Neugläubigers darstelle, mit insolvenzreifen Gesellschaften zu kontrahieren. Evidente Umstände seien nicht die Regel und dem Neugläubiger anzusinnen, jeder Kapitalgesellschaft bei der Kreditgewährung im Drittinteresse Misstrauen entgegen zu bringen, würde zu weit gehen, insbesondere mit Blick auf die damit verbundene Eintrübung der Geschäftsbeziehungen910. Zunächst handelt der Neugläubiger im Rahmen einer Kreditentscheidung nicht im Drittinteresse, sondern in wohlverstandenem Eigeninteresse. Ebenso wenig zu überzeugen vermag die Behauptung, dass ein Neugläubiger seinem Geschäftspartner grundsätzlich kein Misstrauen entgegen zu bringen habe911. Es ist nach wohl unbestrittener Meinung kein allgemeines Prinzip des Wirtschaftsrechts, auf die Solvenz bzw. generell auf die Erfüllungsfähigkeit des Vertragspartners zu vertrauen. Im Gegenteil gilt, dass an im Geschäftsverkehr handelnde Personen erhöhte Sorgfaltsanforderungen gestellt werden912. Einen Kaufmann treffen etwa die gesteigerten Untersuchungsobliegenheiten nach § 377 HGB. Im Hintergrund steht die zutreffende Überlegung, dass besondere Kenntnis und das Vorhandensein eines professionalisierten Unternehmens die Informationsanforderungen an den Käufer erhöhen können. Wenn ein Kaufmann schon bei einem einfachen Warenkauf zu besonderer Sorgfalt angehalten wird, ist es nicht begründbar, weshalb man ihn im Bereich der oftmals ungleich bedeutenderen Kreditentscheidung von jeder Vorsicht freistellen sollte. Dies sieht nicht zuletzt auch der BGH so, wenn er es im Rahmen von § 43 GmbHG als haftungsbegründende Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft qualifiziert, dass ein Geschäftsleiter einen Kredit aus909

Auf die Nähe zum Betrugstatbestand weist auch Altmeppen, ZIP 2001, 2201 (2210) hin. Lindacher, DB 1972, 1424 (1425). 911 So etwa Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 134: Gläubiger treffen keine Nachforschungspflichten. 912 Ähnliche Wertung bei Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 57: nach allgemeinen Regeln für vorvertragliche Schutzpflichten sind Gläubiger grundsätzlich gehalten, sich über die Vermögenslage ihres Geschäftspartners zu informieren. 910

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reicht, ohne die notwendigen Erkundigungen und Sicherungsmaßnahmen einzuholen bzw. einzuleiten913. Insoweit erscheint es inkonsequent, im Rahmen von §§ 15a Abs. 1 InsO, 823 Abs. 2 BGB von einem schutzwürdigen Vertrauen in die Kreditfähigkeit der GmbH auszugehen. Schließlich vermag auch der Verweis auf die ansonsten eingetrübten Geschäftsbeziehungen hieran nichts zu ändern. Wer zur Realisierung eines Geschäfts die notwendigen Sicherungen unterlässt, um den Geschäftsabschluss nicht zu gefährden, trifft eine bewusste Risikoentscheidung und muss sich hieran in der Insolvenz der Gesellschaft festhalten lassen. Kaufmännische Sorglosigkeit muss Sanktionen nach sich ziehen. Insbesondere kann man im Verzicht auf unterlassene Vorsichtsmaßnahmen keine gute geschäftliche Praxis ausmachen. Ein Verzicht ist erlaubt, wo der Reputationsmechanismus Wirksamkeit entfaltet. Soweit hingegen ohne Gründe Nachforschungen oder die Bestellung von Sicherheiten unterlassen werden, handelt es sich um eine Unsitte, die nicht noch rechtliche Privilegierung zur Folge haben sollte. Eine unbillige Härte für den Finanz- oder Lieferantenkreditgeber ist hiermit nicht verbunden, stellt doch das Einfordern von Sicherheiten gängige Praxis dar und wird nicht zuletzt auch zum Pflichtenprogramm eines ordentlichen Geschäftsleiters gezählt. Im Ergebnis wird man festhalten müssen, dass durch die Ersatzfähigkeit des Kontrahierungsschadens in zu weitgehendem Maße das technologische Risiko auf die Geschäftsleitung übertragen wird, ohne dass es hierfür eine ökonomische Legitimation gäbe. Berücksichtigt werden (unterlassene) Vorsorgeanstrengungen eines vertraglichen Gläubigers allerdings im Bereich eines etwaigen Mitverschuldens nach § 254 BGB914. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat in diesem Kontext als Grundsatz formuliert, dass, wer sich auf Geschäfte mit einer GmbH einlässt, obwohl er Anzeichen kennt oder kennen müsste, dass die Solvenz für das fragliche Geschäft nicht gesichert ist, sich bei Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches den Einwand des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB entgegenhalten lassen muss915. Die konkreten Konsequenzen, die sich aus diesem allgemein gehaltenen Grundsatz ergeben, sind weitgehend unklar. Die bisherige Rechtsprechung scheint nicht gewillt, das Unterlassen von Selbstschutzmaßnahmen durch Neugläubiger generell als Mitverschuldenseinwand zu berücksichtigen. Das OLG Celle etwa ist der Ansicht, dass ab dem Zeitpunkt, ab dem der Geschäftsleiter sichere Kenntnis von 913

BGH, Urt. v. 16. 2. 1981 – II ZR 49/80, WM 1981, 440 (440 f.). BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (200 f.); OLG Celle, Urt. v. 6. 5. 1999 – 11 U 232/97, NZG 1999, 1064 (1064 ff.); OLG Köln, Urt. v. 19. 12. 2000 – 22 U 144/00, NZG 2001, 411 (411). Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 80; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 82; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 187; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 20; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 15. Vgl. zur Frage der Berücksichtigungsfähigkeit rechtsökonomischer Kosten-Nutzen-Überlegungen im Rahmen von § 254 BGB Oetker, in: MünchKommBGB, § 249, Rn. 12 f.; Häublein, VersR 1999, 163 (163 ff.). 915 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (200); vgl. Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 82; Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 281 und in stark abgeschwächter Form Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 134. 914

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seiner Insolvenzantragspflicht besitzt, ein Mitverschulden des Gläubigers vollständig zurücktritt916. Das erscheint angreifbar. Unabhängig vom Grad des Verschuldens auf Seiten der Geschäftsführung muss entscheidend sein, inwieweit ein Gläubiger durch mangelnde Information den eingetretenen Vermögensschaden mit zu vertreten hat. Gläubiger müssen grundsätzlich dazu angehalten werden, ein risikobewusstes Forderungsmanagement auch bezüglich des Entstehungszeitpunktes durchzuführen917. Ähnlich restriktiv hat das OLG Köln den Mitverschuldenseinwand allein schon deshalb als unbegründet zurückgewiesen, weil sich die beklagte Geschäftsführerin im Prozess selbst auf den Standpunkt gestellt hatte, das Unternehmen sei gar nicht überschuldet gewesen. Das OLG Köln leitet hieraus den Erst-Recht-Schluss ab, dass, wenn schon die Geschäftsführerin für sich in Anspruch nehme, dass die Überschuldung für sie nicht erkennbar gewesen sei, deren Feststellung nicht von einem außen stehenden Gläubiger erwartet werden könne918. Hier bestehen allerdings schon Bedenken bezüglich der ordnungsgemäßen Würdigung des Parteivorbringens. Der Beklagtenvortrag lässt sich nur so auslegen, dass die Geschäftsführerin vorsorglich behauptet, dass, wenn das Gericht die Erkennbarkeit der Überschuldung für sie feststellen sollte, sie hilfsweise vorträgt, dass diese dann auch für den Gläubiger erkennbar gewesen sei. Es erscheint auch nicht hinnehmbar, die Erkennbarkeit für den Gläubiger auf eine subjektive Vorstellung der Beklagten zu stützen, insbesondere dann, wenn man bei der Anspruchsbegründung diese subjektive Sicht für unmaßgeblich erklärt. Anderenfalls müsste selbst dann, wenn eine Überschuldung evident ist919, sich die Geschäftsleitung diesem Umstand aber verschließt, einem Gläubiger die Berufung auf die fehlende Kenntnis der Geschäftsleitung erlaubt werden. Erforderlich ist deshalb eine objektive Würdigung der Erkennbarkeit der Überschuldung, in deren Rahmen zu Gunsten eines Gläubigers der unterschiedliche Informationsstand der Parteien zu berücksichtigen ist. Einen eher strukturellen Mitverschuldenseinwand hat Flume vorgeschlagen, der ein Mitverschulden bereits dann annehmen will, wenn die Gesellschaft nur über ein geringes Stamm- oder Grundkapital verfügt920. Der Bundesgerichtshof ist dieser Ansicht in seiner Grundlagenentscheidung vom 6. Juni 1994 ausdrücklich nicht gefolgt921. Wenn auch grundsätzlich gelten muss, dass aufgrund der Selbstschutz916

OLC Celle, Urt. v. 6. 5. 1999 – 11 U 232/97, NZG 1999, 1064 (1066). Aus gleichen Gründen kritisch gegenüber vergleichbaren Tendenzen der Rechtsprechung zu Alles-oder-Nichts-Lösungen im Straßenverkehrsrecht Häublein, VersR 1999, 163 (163 ff.). 918 OLG Köln, Urt. v. 19. 12. 2000 – 22 U 144/00, NZG 2001, 411 (411). 919 Etwa hohe, sich wiederholende nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge in den Jahresabschlüssen der Gesellschaft und gleichzeitiges Hinzutreten weiterer Beweisanzeichen, die einen Turn-Around praktisch ausschließen wie etwa Presseberichterstattung oder allgemeine Branchenkenntnis über den Wegbruch des wesentlichen Abnehmers etc. 920 Vgl. Flume, ZIP 1994, 337 (341). 921 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (200 f.); aus dem Schrifttum etwa Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 134. 917

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möglichkeiten und Informationspflichten eines Vertragsgläubigers das Mitverschulden durch die Rechtsprechung zu wenig berücksichtigt wird, ist in diesem Punkt dem BGH zuzustimmen. Eine geringe Stammkapitalausstattung ist für sich Indikator einer höheren Insolvenzanfälligkeit eines in eine Krise geratenen Unternehmens. Umfangmäßig relativ geringe Verluste führen bei Fehlen von über die Stammkapitalziffer hinausgehendem Eigenkapital in kurzer Zeit zu Unterbilanz und Überschuldung. Dem gegenüber steht die beschränkte Informationskraft des Stammkapitals. Eine vor Jahren gewählte niedrige Stammkapitalziffer erlaubt keinen Rückschluss auf die Eigenkapitalausstattung im Kontrahierungszeitpunkt. Umgekehrt kann ein hohes Stammkapital im selben Moment vollständig aufgezehrt sein. Daneben ignoriert eine zu allgemeine Orientierung am satzungsmäßig festgeschriebenen Stammkapital, dass ökonomische Ursache der Gläubigergefährdung primär die fehlende Ertragsfähigkeit und nicht ein zu geringes Ausmaß an Eigenkapital ist. Zielführender erscheinen demgegenüber jüngere Entscheidungen des OLG Köln sowie des LG Duisburg zur vereinsrechtlichen Parallelnorm des § 42 Abs. 2 BGB. Hiernach fällt bereits nicht in den Schutzbereich der Insolvenzverschleppungshaftung, wer sich in Kenntnis der schwierigen wirtschaftlichen Situation eines Vereins dennoch zu weiteren Leistungen an ihn versteht und damit bewusst das Risiko eingeht, seine eigenen wirtschaftlichen Interessen zu gefährden922. Ausreichend ist, dass der Gläubigerin oder den für sie handelnden Personen die bedrückende finanzielle Lage der Schuldnerin in einem Ausmaß vor Augen stand, welches den Vorwurf der bewussten Risikoübernahme rechtfertigt923. Konkret kann eine solche bewusste Risikoübernahme darauf gestützt werden, dass gegenüber der Gläubigerin selbst erhebliche Zahlungsrückstände aufgelaufen sind, Zahlungsziele verfehlt werden, mit dem Ausbleiben überlebensnotwendiger Drittmittel gerechnet werden muss etc.924. Man mag darüber streiten, ob es dogmatisch treffgenau ist, die Mitverantwortlichkeit der Gläubiger für die Schadensentstehung unter dem Stichwort des Schutzzwecks der Norm zu thematisieren und nicht im Bereich des Mitverschuldens nach § 254 BGB, inhaltlich wird man den Entscheidungen zu folgen haben. Indem die Urteile die bewusste Risikoübernahme in den Mittelpunkt stellen, brechen sie mit der bis dahin vorherrschenden, an der einfachen Differenzhypothese orientierten Rechtsprechung und Wissenschaft. Letztlich wird damit anerkannt, dass auch Gläubiger bewusst ein Ausfallrisiko übernehmen, das, im Falle, dass es sich realisiert, nicht als Schadensersatz liquidiert werden kann. Die Überwälzung des technologischen Risikos von den Gläubigern auf die Geschäftsleitung wird damit unterbunden. Bedenken vermag allein die durch die Verortung im Schutzzweck der 922 OLG Köln, Urt. v. 27. 1. 2006 – 1 U 45/05, NJOZ 2006, 2192, 2193 f.; LG Duisburg, Urt. v. 6. 5. 2008 – 1 O 514/06, BeckRS 2008, 10718. Tendenziell ähnlich Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 20: vollständiger Entfall des Ersatzanspruches bei Einwilligung. 923 OLG Köln, Urt. v. 27. 1. 2006 – 1 U 45/05, NJOZ 2006, 2192, 2193 f. 924 OLG Köln, Urt. v. 27. 1. 2006 – 1 U 45/05. NJOZ 2006, 2192 (2193 f.); LG Duisburg, Urt. v. 6. 5. 2008 – 1 O 514/06, BeckRS 2008, 10718.

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Norm bedingte Alles-oder-Nichts-Rechtsfolge (Schadensersatz ja/nein) zu erwecken. Zumindest theoretisch wäre es deshalb überzeugender, auf § 254 BGB zu rekurrieren, der es ermöglichen würde, geteilte Verantwortlichkeiten von Geschäftsleitung und Gläubigern sauberer zuzuordnen. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass eine entsprechende Differenzierung nach Ausfallschäden, die sich als Realisation des technologischen Risikos darstellen, und solchen, die Folge opportunistischen Verhaltens sind, artifiziell und für die Gerichte zumindest in einer filigraneren Form nicht zu leisten ist. (c) Windfall Profits zu Gunsten der Altgläubiger Ein gewichtiges Argument zu Gunsten der Ersatzfähigkeit des negativen Interesses der Neugläubiger stellt es dar, wenn angenommen wird, dass im Falle der Verweigerung des Kontrahierungsschadens den Altgläubigern ein windfall profit zugesprochen werde925. „Springender Punkt“ dieser Auffassung ist, dass ahnungslose Neugläubiger, die der Gesellschaft in Austausch- oder Finanzierungsgeschäften Kredit gewähren, nicht nur die Gesellschafter, sondern auch die Altgläubiger massiv begünstigen926. Man wird allerdings in diesem Zusammenhang verschiedene Situationen zu unterscheiden haben. Ist zunächst die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft derart desaströs, dass die Forderungen der ungesicherten Altgläubiger praktisch wertlos sind, profitieren sie von der Zuführung frischer Mittel durch Neugläubiger in gleicher Weise wie die Gesellschafter. Werden die neuakquirierten Darlehensvaluta für ein spekulatives Geschäft eingesetzt, besteht eine wenn auch geringe Wahrscheinlichkeit, doch noch die eigentlich schon abzuschreibenden ausstehenden Forderungsaußenstände zu realisieren. Geht man hingegen von einer zeitnäheren Verfahrenseröffnung und damit einer aus Sicht der Altgläubiger günstigeren Massesituation aus, fällt das Ergebnis nicht eindeutig aus. Von einem windfall profit eines Altgläubigers kann man in dieser Situation nur dann ausgehen, wenn die neuen Finanzmittel im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch (teilweise) in der Gesellschaft vorhanden sind. Ein Altgläubiger profitiert nur – aber auch immer – dann, wenn die mit dem Hinzutritt des Neugläubigers verbundene Verschlechterung seines relativen Anspruchs auf das verbliebene Gesellschaftsvermögen überkompensiert wird durch die Möglichkeit, an den zusätzlichen Mitteln zu partizipieren. Hier ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse, je nachdem, ob eine statische oder dynamische Betrachtungsweise zu Grunde gelegt wird. Statisch profitiert ein Altgläubiger immer vom Hinzutreten eines Neugläubigers, weil Aktiva – Kassenbestände – in Höhe des Nominalwertes eingebracht werden, auf die der Neugläubiger nur quotal Anspruch erheben kann. Zur Illustration diene die folgende Ausgangssituation, in der einem Gesellschaftsver925 Vgl. Fleischer, ZGR 2004, 437 (451); so auch der Befund von Oesterle, in: Ramsay, 19 (39) trotz seiner grundsätzlichen Ablehnung einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung. 926 Fleischer, ZGR 2004, 437 (451); ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 78.

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mögen von 100 Forderungen des Gläubigers A in Höhe von 200 gegenüberstehen. Es ergibt sich ohne Hinzutreten eines Neugläubigers das folgende Bild: Gesellschaftsvermögen

Forderungen A

Quote

Liquidationserlös

100

200

0,5

100

Gewährt nun der Neugläubiger B ein Darlehen in Höhe von 100 und es wird unmittelbar nach dieser Mittelzuführung liquidiert, zeitigen sich für A folgende Konsequenzen: Gesellschaftsvermögen

Forderungen A

Quote

Liquidationserlös

200

200

0,67

134

In dieser Situation profitiert der Gläubiger A tatsächlich vom Hinzutreten des Gläubigers B. Hierbei wird allerdings vorausgesetzt, dass sich die mit der Mittelüberlassung verbundenen Veränderungen auf das Gesellschaftsvermögen im Zufluss der Darlehensvaluta erschöpfen. Dies ist in dieser Rigidität schon deshalb unplausibel, weil die Gesellschaft annahmegemäß – liquidations- bzw. reorganisationsreif aufgrund Insolvenz – nicht in der Lage ist, das Wirtschaftlichkeitsgebot zu erfüllen. Geht man demgegenüber davon aus, dass trotz der Darlehenshingabe durch den Neugläubiger sich die Masseinsuffizienz durch fortgesetztes erfolgloses Weiterwirtschaften noch weiter vertieft, ist ein Zufallsgewinn der Altgläubiger nicht mehr zwingend. Seine Realisierungschancen werden durch ein trotz Darlehenszuführung niedriges Gesellschaftsvermögen beeinträchtigt. Im Beispielsfall profitiert ein Altgläubiger ab dem Zeitpunkt nicht mehr, wenn Quotenverschlechterung und weitere Ergebnisbelastungen das Momentum der nur teilweisen Partizipation des Neugläubigers an den von ihm eingebrachten Mitteln ausgleichen, wenn also: q (neu) x V (neu) = E (alt) mit – q (neu): Partizipationsquote des Altgläubigers nach Darlehensgewährung durch den Neugläubiger – V (neu): Gesellschaftsvermögen nach weiterer Fortsetzung – E (alt): Liquidationserlöse des Altgläubigers ohne Hinzutreten des Neugläubigers

Die Partizipationsquote q gibt Ausdruck, zu wie viel Prozent der Altgläubiger nach Hinzutritt des Neugläubiger an einem vorhandenen Gesellschaftsvermögen profitiert. Anders als die Quote im insolvenzrechtlichen Sinne beschränkt sie sich auf das Verhältnis der Forderungsvolumina zueinander und ist damit nicht von Entwicklungen des Gesellschaftsvermögens abhängig. Im Beispiel liegt die Partizipationsquote vor Darlehensgewährung durch den Neugläubiger bei 1, nach der Darlehensgewährung hingegen bei 0,67. Der Altgläubiger erlöst damit einen Anteil von 2/3 des Gesellschaftsvermögens. Benchmark zur Beurteilung der Frage, ob ihm dieser Anteil einen windfall profit verschafft, ist der Liquidationserlös, der erzielt worden wäre ohne die Darlehensgewährung durch den Neugläubiger (= 100). Für das Beispiel bedeutet dies, dass ein windfall profit nicht mehr vorliegt, wenn sich

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dass zunächst auf 200 angewachsene Gesellschaftsvermögen im Rahmen der durch die Darlehensgewährung ermöglichten Fortsetzung der Geschäftstätigkeit auf: 0,67 x V (neu) = 100 ,V (neu) = 100:0,67 = 149, 25

verringert. Umgekehrt formuliert erleiden Altgläubiger immer dann einen auf die Darlehensgewährung zurückführbaren Schaden aufgrund einer Verschlechterung ihrer Insolvenzquote, wenn das Verhältnis des in der Insolvenzmasse verbleibenden Darlehensbetrages zur noch ausstehenden Darlehensrückzahlungsforderung zzgl. Zinsen unterhalb der ursprüngliche Insolvenzquote liegt. Befindet sich dieses Verhältnis dagegen oberhalb der ursprünglichen Insolvenzquote, verbessert sich die Insolvenzquote927, es liegt der befürchtete windfall profit vor. Welcher dieser Effekte in der Praxis bedeutsamer ist, lässt sich nicht einfach beurteilen und wird wohl nicht zuletzt von den vielzitierten Umständen des Einzelfalls abhängen. Bemerkenswert ist allerdings, dass im Falle des Eigenkapitalersatzrechts die Zuführung eines Darlehens – vor Insolvenzreife! – als künstliche Verlängerung des Todeskampfs der Gesellschaft gewertet wird, die zu einer weiteren Entwertung der Forderungen der Altgläubiger führt, während im Rahmen der Insolvenzverschleppung die Darlehenshingabe als windfall profit zu Gunsten der Altgläubiger angesehen wird928. Diese Unwägbarkeiten und die Tatsache, dass im Erfolgsfalle windfall profits von eher theoretischer als wirtschaftlicher Bedeutung für die Altgläubiger anfallen, sollten deshalb für sich nicht genügen, die mit der Neugläubigerrechtsprechung verbundene weitgehende Verlagerung des technologischen Risikos auf die Geschäftsleitung zu legitimieren. cc) Ersatz des negativen Interesses der Deliktsgläubiger (1) Die rechtswissenschaftliche Kontroverse Vergegenwärtigt man sich die generelle Schutzbedürftigkeit unfreiwilliger Gläubiger in Relation zu den Selbstschutzmöglichkeiten der vertraglichen Neugläubiger einerseits und das in seinem Urteil vom 6. Juni 1994 manifest werdende Bestreben des II. Senats, § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a Abs. 1 InsO n.F. mit einer wirksam(er)en Sanktion zu versehen, wäre zu erwarten, dass gerade auch den unfreiwilligen Neugläubigern ein Anspruch auf Ersatz ihres negativen Interesses eingeräumt wird929.

927

Vgl. Reiner, FS Boujoung, 415 (440) für den materiell gleichgelagerten Fall der Gewährung eines Gesellschafterdarlehens. 928 Kritisch aus gleichen Gründen, aber unter entgegengesetzten Auspizien auch Reiner, FS Boujoung, 415 (440). 929 So etwa auch die Erwartungshaltung von Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 80.

VIII. Rechtsfolgen I: Zivilrechtliche Haftung

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Während ihr Anspruch auf den Quotenschaden als Altgläubiger wohl unbestritten ist930, ist der Ersatz eines darüber hinausgehenden negativen Interesses jedoch selbst unter den Befürwortern der extensiven Neugläubigerrechtsprechung stark umstritten. Während dies nach Teilen der Literatur zumindest dann in Betracht kommen soll, wenn der rechtzeitige Gang zum Insolvenzverwalter die Schädigung des Deliktsgläubigers verhindert hätte931, hat der Bundesgerichtshof die Frage zunächst ausdrücklich offen gelassen932, sich dann aber der sowohl von Teilen des Schrifttums als auch dem LG Bonn und dem OLG Jena vertretenen Gegenmeinung angeschlossen933. Zwischen diesen beiden Extrempositionen finden sich die Ansichten von Bork, der zumindest bei Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung und GoA die Ersatzfähigkeit des negativen Interesses erwägt934, und Gehrlein, der deliktisches Verhalten wie eine Täuschung für berücksichtigungsfähig hält, wenn durch die Täuschung seitens der GmbH ein Vertrag mit einem Dritten geschlossen wird, sofern dieses Geschäft der Gesellschaft mittelbar zugute kommt935. 930 Vgl. Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1678); Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 129; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 77; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 39; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 190; Pelz, in: Bürgers/ Körber, AktG, § 92 Rn. 31; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 85; Casper, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (39); Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 319. 931 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 45; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 80; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 76; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 42; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 75; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 51; Fleischer, ZGR 2004, 437 (451); Poertzgen, ZinsO 2007, 285 (288 ff.); Reiff/Arnold, ZIP 1998, 1893 (1893 ff.); Spindler, JZ 2006, 839 (849 f.); Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1060 f.). Sympathisierend Gehrlein, DK 2007, 1 (12). 932 Allerdings hat er in BGH, Urt. v. 7. 11. 1994 – II ZR 108/03, NJW 1995, 398 (399) und BGH, Urt. v. 8. 3. 1999 – II ZR 159/98, NZG 1999, 718 (718 f.) bereits Tendenzen erkennen lassen, Deliktsgläubiger aus dem Anwendungsbereich des Kontrahierungsschadens auszuklammern, indem er die Begrifflichkeit „Rechtsverkehr“ in „Geschäftsverkehr“ veränderte. Vgl. Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 398 f. 933 BGH, Urt. v. 25. 7. 2005 – II ZR 390/03, NZI 2006, 58 (58 ff.), wobei allerdings das damalige Senatsmitglied Gehrlein darauf hinweist, dass offen sei, ob der Senat damit das letzte Wort gesprochen habe, vgl. Gehrlein, DB 2005, 2395 (2397); LG Bonn, Urt. v. 17. 4. 1998 – 3 O 403/97, ZIP 1998, 923; obiter dictum auch OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631, 632; Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 135; ders., in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (39); Hüffer, AktG, § 92 Rn. 19; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 14; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 189; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 85; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 16; Bayer/Lieder, WM 1 (6 ff.); Goette, KTS 2006, 217 (234), Haas, NZG 2003, 373 (376 f.); ders., DStR 2003, 423 (430); Stöber, ZHR 176 (2012), 329 (359); Müller, GmbHR 389 (393) (primär für den Fiskus als gesetzlichen Gläubiger); Diekmann, NZG 2;006, 255 (256) für den Teilbereich „krimineller Machenschaften“. 934 Bork, ZGR 1995, 505 (518 f.). 935 Gehrlein, DB 2005, 2395 (2397).

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Gemeinsamer Ausgangspunkt aller Ansichten ist das durch den BGH in seinem Urteil vom 6. Juni 1994 entwickelte Konzept der Insolvenzverschleppungshaftung, wonach deren primärer Zweck darin zu sehen sein soll, konkurs- bzw. insolvenzreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäfts- bzw. Rechtsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde Gläubiger nicht geschädigt oder gefährdet werden936. Ausgehend von diesem Grundverständnis wird für eine Einbeziehung der Deliktsgläubiger angeführt, dass diese nur konsequent sei. § 15a Abs. 1 InsO solle vermeiden, dass die insolvenzreife Gesellschaft noch Forderungen begründet, die zu erfüllen sie nicht in der Lage ist937. Die Insolvenzantragspflicht ergänze die Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften und stelle zusammen mit diesen die Rechtfertigung für das Haftungsprivileg der Gesellschafter dar938. Geschützt werde damit der Rechtsverkehr insgesamt, der sich aus Vertragswie Deliktsgläubigern zusammensetze. Für eine Differenzierung zwischen Deliktsund Vertragsgläubigern sei § 15a Abs. 1 InsO nichts zu entnehmen939. Der Grundgedanke dieser Argumentation ist klar. Nachdem die beschränkt haftende Kapitalgesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist, verliert sie nach dem Konzept des Bundesgerichtshofs ihre Existenzberechtigung. Führt die Geschäftsleitung entgegen dem gesetzlich vorgegebenen Liquidationsbefehl die Geschäfte fort, muss sie für die daraus resultierenden negativen Folgen aufkommen. Diese sind in Gestalt von durch das Haftungsprivileg bedingten Ausfällen für vertragliche und deliktische Gläubiger zunächst einmal gleich. Der Bundesgerichtshof kommt dennoch auf gleicher Grundlage zum diametral entgegengesetzten Ergebnis. Im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung seien nur solche Schäden zu ersetzen, die mit der Insolvenzreife in einem inneren Zusammenhang stünden940. Die Insolvenzantragspflicht schütze Neugläubiger davor, mit einer insolventen Gesellschaft in Geschäftsbeziehungen zu treten, und ihr, etwa durch Vorleistungen, Kredit zu gewähren941. In Konsequenz sei nur der Vertrauensschaden zu ersetzen, der dem Neugläubiger dadurch entstehe, dass er an die Gesellschaft eine Leistung erbringe, welcher kein werthaltiger Anspruch gegen936

BGH, Urt. v. 25. 7. 2005 – II ZR 390/03, NZI 2006, 58 (60). Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1064 f.); in diese Richtung auch Röhricht, ZIP 2005, 505 (508 f.); Gehrlein, DB 2005, 2395 (2397); konzediert auch von Haas, DStR 2003, 423 (430). 938 Fleischer, ZGR 2004, 437 (451 f.). 939 Vgl. Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 80; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 51; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 76; Fleischer, ZGR 2004, 437 (452); Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 42: „[…] konsequente Fortsetzung der Rechtsprechungsänderung zur Reichweite der Schadensersatzsprüche von Alt- und Neugläubigern“; vgl. auch Diskussionsbericht bei Eberspächer, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechtsrechts, 53 (54); konzediert bis hierhin auch von Bayer/ Lieder, WM 2006, 1 (6); Haas, NZG 1999, 373 (377). 940 Vgl. auch Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1179); Stöber, ZHR 176 (2012), 329 (359); Casper, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (39). 941 BGH, Urt. v. 25. 7. 2005 – II ZR 390/03, NZI 2006, 58 (60); siehe auch Goette, KTS 2006, 217 (234); ähnlich Bork, ZGR 1995, 505 (518 f.). 937

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überstehe942. Folgerichtig scheide eine Ersatzfähigkeit des negativen Interesses der Deliktsgläubiger aus, da niemand auf die Solvenz des Schädigers vertraue, wenn er deliktisch geschädigt werde943. Gerade diese Konzentration der Rechtsprechung auf die Vertrauensschutzargumentation ist zu Recht Gegenstand von Kritik. § 823 Abs. 2 BGB gehört systematisch nicht zum Vertragsrecht, sondern zum Recht der unerlaubten Handlungen944. Die Begründung als Vertrauenshaftung erscheint insbesondere dann fraglich, wenn gleichzeitig Ansprüche aus c.i.c. abgelehnt werden945. Entscheidend gegen diese Klassifizierung spricht, dass es sich um ein fingiertes Vertrauen handelt. Der Finanzkreditgeber, der sich keinerlei Information über die finanzwirtschaftliche Situation verschafft, vertraut nicht etwa auf die Solvenz seines konkreten Vertragspartners, sondern bestenfalls auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschrift des § 15a Abs. 1 InsO. Ein derartiges Vertrauen wird nicht gegenüber einer Einzelgesellschaft gebildet, sondern betrifft abstrakt-generell die Summe aller beschränkt haftenden Kapitalgesellschaften. Es wird allgemein auf das rechtstreue Verhalten der anderen Teilnehmer am Rechtsverkehr vertraut946. Ein solches abstraktes und fingiertes Vertrauen kann das Recht aber auch dem Deliktsgläubiger zusprechen wie es exemplarisch belegt wird durch den Vertrauensgrundsatz des Verkehrsstrafrechts947. Auch das neben dem überaus fragwürdigen Rekurs auf die Vertrauensschutzargumentation vorgebrachte Argument fehlender Zurechenbarkeit überzeugt nicht. Hiernach soll zwischen dem Unterlassen des Insolvenzantrags und einer deliktischen Schädigung kein Gefährdungszusammenhang bestehen948. Die Versäumung der Insolvenzantragspflicht erhöhe nicht die Gefahr, Opfer eines Delikts zu werden949. Derartige Schädigungen adressiere die Rechtsordnung nicht durch Sicherstellung

942 BGH, Urt. v. 25. 7. 2005 – II ZR 390/03, NZI 2006, 58 (60); LG Bonn, Urt. v. 17. 4. 1998 – 3 O 403/96, ZIP 1998, 923; so auch Bayer/Lieder, WM 2006, 1 (6); Goette, KTS 2006, 217 (234); Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 319; ähnlich Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 14; Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1179). 943 So OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631, 632. 944 Vgl. Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1063). Vgl. auch Hüffer, AktG, § 92 Rn. 19: „auf der Basis des § 823 Abs. 2 BGB nur mühsam begründbar“. In diese Richtung auch Gehrlein, DK 2007, 1 (12). 945 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 79; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 42; Reiff/Arnold, ZIP 1998, 1893 (1897). 946 Vgl. Poertzgen, ZinsO 2007, 285 (289). 947 Ähnlich Poertzgen, ZInsO 2007, 285 (289): „Vertrauen aber nur allgemeiner bzw. vorrechtlicher Natur.“ Pointiert zum fiktiven Charakter des Vertrauens eines Gläubigers in die Solvenz seines Geschäftspartners im Zusammenhang mit einer auf c.i.c. gestützten Insolvenzverschleppungshaftung auch Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1673): Konstruktion quasivertraglicher Versprechen, wo in Wahrheit keine sind. 948 Vgl. Altmeppen/Wilhelm, NJW 1999, 673 (677); Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 16. 949 H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 189; So auch Diekmann, NZG 2007, 255 (255 f.) für den Teilbereich „krimineller Machenschaften“.

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eines Haftungsfonds, sondern durch das Verbot deliktischen Handelns950. Inhaltlich entsprechend stellt der II. Senat auf die fehlende Notwendigkeit einer Einbeziehung deliktischer Gläubiger ab, die ausreichend durch die deliktische Eigenhaftung des Geschäftsführers gesichert seien951. Das ignoriert allerdings, dass § 15a Abs. 1 InsO nicht das anspruchsbegründende Delikt sanktioniert, sondern einer Entwertung der deliktischen Forderung durch Fortführung in der Krise vorbeugen will952. D.h. die Sicherstellung eines Haftungsfonds dient zwar nicht dem Zweck, zu verhindern, Opfer eines Delikts zu werden, wohl aber davor, Opfer einer deliktischen Schädigung durch eine Rechtskonstruktion zu werden, die über keinerlei Vermögen verfügt, um diese Ansprüche zu erfüllen953. Unter teleologischen Gesichtspunkten dominiert daneben die Frage nach den mit der Ersatzfähigkeit des negativen Interesses der unfreiwilligen Gläubiger verbundenen Haftungsrisiken für die Geschäftsleitung die Debatte – wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen. Gerade die Befürworter der Kontrahierungsschadenshaftung führen diese gegen eine weitere Haftungsausdehnung ins Feld954. Besonders plastisch fasst die dahinter stehenden Bedenken der „Kassandraruf“ (Flume)955 K. Schmidts über die – sprachlich etwa unglücklich – „totale Konkursverschleppungshaftung“ zusammen: „Das gibt Anlass zur Besorgnis. Unterstellt, die hiermit initiierte Änderung der Gerichtspraxis setzte sich durch, so bedürfte es mühsamer Eingrenzungsversuche, um nicht die totale Konkursverschleppungshaftung auch auf gesetzliche Schutzverhältnisse – einschließlich der Steuerschulden der GmbH – auszudehnen. Doch nicht das Rechtsgefühl, sondern vor allem das Verantwortungsbewusstsein des Rechtsdogmatikers sei hier zur Wachsamkeit aufgerufen“956. Die Gegenansicht verweist hingegen auf die bereits skizzierten fehlenden Selbstschutzmöglichkeiten unfreiwilliger Gläubiger957.

950 Vgl. Bayer/Lieder, WM 2006, 1 (7); ähnlich Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 31 und Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 135. 951 BGH, Urt. v. 25. 7. 2005 – II ZR 390/03, NZI 2006, 58 (61); so auch Bayer/Lieder, WM 2006, 1 (7); vgl. auch den Diskussionsbericht bei Eberspächer, in: Bachmann/Casper/Schäfer/ Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechtsrechts, 53 (54). 952 Vgl. Reiff/Arnold, ZIP 1998, 1893 (1896); in diesem Sinne auch Poertzgen, ZInsO 2007, 285 (290). 953 Ähnlich Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1680). 954 Vgl. Hüffer, AktG, § 92 Rn. 19. 955 Flume, ZIP 1994, 337 (339), der aber dem Ergebnis K. Schmidts zustimmt, wenn er den Kassandraruf deshalb als unbegründet bezeichnet, weil die gesetzlichen Neugläubiger nicht erfasst seien. 956 K. Schmidt, NJW 1993, 2934. 957 Vgl. Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 51; Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 76; Fleischer, ZGR 2004, 437 (452); Reiff/Arnold, ZIP 1998, 1983 (1986 f.); Röhricht, ZIP 2005, 505 (509); Spindler, JZ 2006, 839 (850); Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1678).

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(2) Rechtsökonomische Aspekte Mit den zuletzt benannten Argumenten Steigerung der Risikoaversion einerseits und fehlenden Selbstschutzmechanismen der Gläubiger andererseits sind die Achsen bestimmt, anhand derer eine ökonomische Würdigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorzunehmen ist. Für einen Ersatz des negativen Interesses auch der Deliktsgläubiger streitet vor allem die damit verbundene Internalisierung externer Effekte958. Der demgegenüber gemachte Verweis auf die deliktisch begründeten Ansprüche unfreiwilliger Gläubiger gegen die Geschäftsleitung der betreffenden beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft959 führt insofern nicht weiter, weil gerade kein vollständiger Haftungsgleichlauf zwischen den deliktischen Verpflichtungen der Gesellschaft und ihrer Geschäftsleiter existiert. Eine Einstandspflicht für mittelbare Rechtsgutsverletzungen trifft das Organmitglied nur bei Vorliegen besonderer Gründe – so ausdrücklich auch die „Baustoffentscheidung“ des BGH960. Folgerichtig findet keine vollständige Internalisierung der externen Effekte statt. Verneint man aus den oben genannten Gründen einen Durchgriff auf das Privatvermögen der Gesellschafter zugunsten der unfreiwilligen Gläubiger, verbleiben allein die Geschäftsführer als Adressaten. Zu Gunsten der Deliktsgläubiger wirken sich hier alle Vorteile einer Geschäftsleiterhaftung aus. Es wird die Person zur Beachtung der Interessen der unfreiwilligen Gläubiger verpflichtet, die regelmäßig den höchsten Informationsstand auch bezüglich deliktischer Risiken aufweist. Auch gelten bezüglich der unfreiwilligen Gläubiger nicht die oben gemachten Bedenken gegenüber einer umfänglichen Organaußenhaftung. Eine Vergütung des erhöhten Ausfallrisikos der Deliktsgläubiger erfolgt gerade nicht. Ihnen kann nicht der Vorwurf gemacht werden, in ineffizienter Weise fahrlässig Vorsorgemaßnahmen unterlassen zu haben961. Beschränkt man dementsprechend die Haftung der Geschäftsleitung für die Begründung nicht erfüllbarer deliktischer Forderungen, wird zumindest ein Teilbereich geschaffen, in dem sanktionsfreies opportunistisches Verhalten möglich ist. Der Verweis auf die damit für die Geschäftsleitung verbundenen Haftungsrisiken und eine in Folge induzierte erhöhte Risikoaversion trägt demgegenüber nicht. Eine durch Gesetz künstlich erzeugte Steigerung der Risikoscheu der Geschäftsleitung ist immer dann angemessen, wenn anderenfalls mit objektiv unwirtschaftlichem Verhalten seitens des Managements zu rechnen ist, was gerade bei Vorliegen externer Effekte der Fall ist. Der in der Tat bedenklich anmutende Umfang der Geschäftsleiterhaftung sollte deshalb vielmehr die Frage aufwerfen, ob nicht in Fällen, wo den Gläubigern die Möglichkeit zum Selbstschutz 958 Vgl. Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 49 für den Fall, dass Handelnder ein Gesellschafter ist. Geschäftsleiterhaftung als Mittel zur Internalisierung externer Effekte der Deliktsgläubiger wird darüber hinaus angesprochen bei Drukarczyk, WM 1994, 1737 (1740). 959 So etwa Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 129. 960 BGH, Urt. v. 5. 12. 1989 – VI 335/88, BGHZ 109, 297 (303). Vgl. auch Verse, ZHR 170 (2006), 398 (401 f.). 961 Ähnlich Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1678).

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gegeben ist, eine Beschränkung der Einstandspflicht der Geschäftsleitung geboten ist. Während somit die Anerkennung der grundsätzlichen Ersatzfähigkeit des negativen Interesses der vertraglichen Neugläubiger im Rahmen eines Schadensersatzanspruches durchaus kritisch gesehen werden muss, gilt der gegenteilige Befund für das negative Interesse der Deliktsgläubiger. Wenn überhaupt, so ist den unfreiwilligen Gläubigern ihr negatives Interesse im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung zu ersetzen962. Zu den unfreiwilligen Gläubigern in diesem Sinne sind entsprechend der unter § 5, II. 1. c) vorgenommenen Unterscheidung nicht die Gläubiger von Ansprüchen aus Leistungskondiktion und GoA zu zählen963. Hier liegt jeweils eine bewusste Entscheidung vor, in schuldrechtliche Beziehungen zur späteren Gemeinschuldnerin zu treten, so dass von einer bewussten Risikoübernahme auszugehen ist. dd) Individualklagebefugnis der Neugläubiger Gemäß § 92 S. 1 InsO können Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach der Eröffnung des Verfahrens erlitten haben (Gesamtschaden), während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Zweck ist die Vereinfachung und Konzentration des Verfahrens964. Trotz der deliktischen und damit eigentlich individualrechtlichen Natur des Quotenschadens der Alt- und Neugläubiger war bereits vor Einführung des § 92 S. 1 InsO anerkannt, dass auch der Masseschmälerungsschaden durch den Insolvenzverwalter geltend zu machen ist; der Klage eines Einzelgläubigers ermangelt es an der Aktivlegitimation965. In Verbindung mit der früheren Beschränkung der Insolvenzverschleppungshaftung auf den Quotenscha962 Vgl. auch zum Parallelinstrument des lifting the corporate veil den Befund von Stone, Yale L. J. 1 (1990), 1 (73): „the standards for doing so [piercing the corporate veil, A.d.V.] are, ironically, more readily available to contract creditors who can claim to have relied on the investors’ assets than to noncreditors, like the public prosecutor, who obviously cannot“. 963 Anders allerdings Poertzgen, ZInsO 2007, 285 (291 f.). 964 Vgl. nur Leithaus, in: Anders/Leithaus, InsO, § 92 Rn. 2. 965 BGH, Urt. v. 13.1993 – II ZR 81/94, ZIP 1994, 891 (891); BGH, Urt. v. 22. 4. 2004 – IX ZR 128/03, NZI 2004, 496 (496); Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 141; Leithaus, in: Anders/, InsO § 92, Rn. 4 f.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 78; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 78; Bayer/Lieder, WM 2006, 1 (2); Eyber, NJW 1994, 1622 (1622); Foerste, Insolvenzrecht, S. 282; Haas, DStR 2003, 423 (431); Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 77; Heitsch, ZInsO 2006, 568 (568); Huber, NZI 2004, 497 (497 f.); Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 319; Karollus, ZIP 1995, 269 (271); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 271; Poertzgen, ZInsO 2006, 561 (562 f.); K. Schmidt, ZGR 1998, 6333 (662 ff.); ders., NZI 1998, 9 (9 f.); Uhlenbruck, ZIP 1994, 1153 (1154); Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1682). Für die Aktiengesellschaft macht der Insolvenzverwalter analog § 93 Abs. 5 S. 4 AktG den Schaden geltend, vgl. Hüffer, AktG, § 92 Rn. 17; Mertens, in: KölnerKommAktG, § 92 Rn. 53. Anderes gilt nur dann, wenn ein Insolvenzverfahren gar nicht erst eröffnet oder mangels Masse eingestellt wird. Ein Gläubiger kann den Geschäftsleiter dann auf Ersatz des Quotenschadens direkt in Anspruch nehmen.

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den kam es zu einer Konzentration der Durchsetzung von Ansprüchen aus Insolvenzverschleppung in der Person des Insolvenzverwalters. Diese Bündelung der Gläubigeransprüche ist mit dem Grundsatzurteil des BGH vom 6. Juni 1994 aufgegeben worden. Während die Altgläubiger an der isolierten Geltendmachung des Quotenschadens nach wie vor durch § 92 InsO gehindert sind966, können Neugläubiger ihren Anspruch auf Ersatz des Kontrahierungsschadens auch während eines laufenden Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens in eigener Person durchsetzen967. In einer Folgeentscheidung zum Kontrahierungsschaden der Neugläubiger hat der BGH darüber noch hinausgehend entschieden, dass „der Verwalter im Konkurs einer GmbH […] nicht berechtigt ist, einen Quoten- oder sonstigen Schaden wegen schuldhaft verspäteter Stellung des Konkursantrags gegen den Geschäftsführer geltend zu machen“968. Der erste Teil dieser Neujustierung rechtfertigt sich nach Ansicht der Rechtsprechung und der ihr folgenden Teile der Rechtswissenschaft aus der Überlegung, dass der Kontrahierungsschaden keinen Bestandteil eines Gesamtgläubigerschadens darstelle, sondern einen individuell zu berechnenden Einzelschaden der Neugläubiger, der mit der Verkürzung der Haftungsmasse nichts zu tun habe und deshalb nicht unter § 92 InsO subsumiert werden könne969. Es fehle an einem engen Zusammenhang, der den Schaden als die Gesamtheit der Gläubiger treffend erscheinen lasse970. Den zweiten Schritt rechtfertigt der Bundesgerichtshof zunächst durch die apodiktische Feststellung, Schäden der Neugläubiger seien von diesen ausschließlich in eigener Person geltend zu machen, für eine konkurrierende Befugnis des Konkursverwalters zur Geltendmachung des Quotenschadens der Neugläubiger sei kein

966

Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (378); K. Schmidt, NZI 1998, 9 (10). BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (201); LG Duisburg, Urt. v. 6. 5. 2008 – 1 O 514/06, BeckRS 2008, 10718; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 141; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 81; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 41; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 192; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 78; Bayer/Lieder, WM 2006, 1 (2); Eyber, NJW 1994, 1622 (1622); Fritsche/ Lieder, DZWiR 2004, 93 (103); Goette, DStR 1998, 1308 (1313); Haas, NZG 1999, 373 (378); Karollus, ZIP 1995, 269 (270 f.); Lutter, GmbHR 1997, 329 (331); Oepen, ZIP 2000, 526 (528); K. Schmidt, ZGR 1998, 633 (666); ders., NZI 1998, 9 (11). Wimmer, NJW 1996, 2546 (2548). Zur Frage der Vereinbarkeit einer solchen Klagesperre mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK vgl. Oepen, ZIP 2000, 526 (526 ff.). 968 BGH, Urt. v. 30. 3. 1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, 211 (211); BGH, Urteil v. 22. 4. 2004 – IX ZR 128/03, NZI 2004, 496 (496); vgl. auch Goette, DStR 1998, 1308 (1313); so vorher auch schon Eyber, NJW 1994, 1622 (1622). 969 Vgl. H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 192; Haas, NZG 2003, 373 (378); Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1684): Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 320; wohl auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 81. 970 Vgl. Karollus, ZIP 1995, 269 (271). Im Ergebnis auch Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1684), der zwischen Masseschmälerungsschaden (Altgläubiger) und „Kreditgewährungsschaden“ der Neugläubiger unterscheidet. 967

434

§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Platz971. Anders als bei Altgläubigern, die infolge der Konkursverschleppung regelmäßig einen einheitlichen Quotenverringerungsschaden und insofern einen Gesamtgläubigerschaden erlitten, bestehe bei Neugläubigern kein grundsätzlich einheitlicher Quotenschaden, der einer Geltendmachung durch den Konkursverwalter zugänglich wäre. Darüber hinaus erhofft sich der Bundesgerichtshof von diesem Durchsetzungsmodell offensichtlich eine Senkung der tertiären Kosten. Anders als nach der älteren Rechtsprechung entfalle die aufwändige und die Praxis belastende Berechnung der jeweiligen Quote eines Neugläubigers972. Dieselbe Erwägung liegt zu Grunde, wenn der BGH sich dafür ausspricht, den Kontrahierungsschaden eines Neugläubigers nicht aufzuspalten973. Darüber hinaus fürchtet der BGH, dass eine Einziehung des Kontrahierungsschadens durch den Insolvenzverwalter nur zu einer marginalen Aufbesserung der von einem Neugläubiger zu erzielenden Quote führe, soweit nicht eine Sondermasse für die Gruppe der Neugläubiger gebildet werde974. Beide Entscheidungen des BGH sind – wenn auch mit unterschiedlich starkem Echo – auf Kritik gestoßen. Entschiedeneren Widerstand hat die Entscheidung des BGH gefunden, dem Insolvenzverwalter auch die Befugnis zur Geltendmachung eines etwaigen Quotenschadens der Neugläubiger abzusprechen975. § 92 InsO gebe vernünftigerweise dem Insolvenzverwalter – und nur ihm – die Befugnis, den Gesamtgläubigerschaden zugunsten aller Insolvenzgläubiger geltend zu machen976. Die mit der Entscheidung des II. Senats verbundene Verschiedenbehandlung der beiden Gläubigergruppen sei dem Insolvenzverwalter nicht zuzumuten, so dass es nicht verwundern könne, dass die Zahlungsklage nach § 64 Abs. 2 GmbHG n.F. bzw. § 64 GmbHG n.F. in der Praxis zum dominierenden Instrument geworden sei977. (1) Insolvenz als Common Pool-Problem Vor dem Hintergrund dieser Kontroverse stellt sich die Frage, ob ökonomische Gesichtspunkte für die eine oder andere Form der Anspruchsdurchsetzung ins Feld geführt werden können. Pilgram legitimiert in seiner ökonomischen Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung die isolierte Durchsetzbarkeit des negativen Interesses der Neugläubiger nicht anders als der BGH einerseits durch den Verweis 971

BGH, Urt. v. 30. 3. 1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, 211 (214). BGH, Urt. v. 30. 3. 1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, 211 (214); vgl. Goette, DStR 1998, 1308 (1313); dieser Argumentation folgend Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 81 und Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1685). 973 BGH, Urt. v. 30. 3. 1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, 211 (215 f.). 974 BGH, Urt. v. 30. 3. 1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, 211 (214 f.). 975 Vgl. Bitter, WM 2001, 666 (672); Poertzgen, ZInsO 2007, 285 (292); ders., GmbHR 2007, 1258 (1262); K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (641 f.). 976 Vgl. K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (153); dem folgend etwa Casper, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (38 f.). 977 Vgl. K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (153 f.); ders., ZHR 175 (2011), 433 (442). 972

VIII. Rechtsfolgen I: Zivilrechtliche Haftung

435

darauf, dass es sich um einen Individualschaden und nicht um einen Gesamtgläubigerschaden handele, andererseits damit, dass auch bei Ansprüchen aus culpa in contrahendo oder aus § 826 BGB der Insolvenzverwalter nicht aktivlegitimiert sei978. Dies ist nicht nur nicht vollständig richtig, weist doch der BGH in verschiedenen Konstellationen die Aktivlegitimation bei Ansprüchen aus § 826 BGB ausschließlich dem Insolvenzverwalter zu979, sondern basiert auch allein auf der dogmatischen Einordnung der jeweiligen Ansprüche und genügt somit nicht den Anforderungen einer rechtsökonomischen Betrachtung, die gerade nicht dogmatik-, sondern ergebnisorientiert ist. Bedenken provozieren die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung der herrschenden Ansicht im rechtsökonomischen Schrifttum zu den Gründen des Verbots der Einzelzwangsvollstreckung in der Insolvenz. Nach dieser maßgeblich von Thomas H. Jackson entwickelten Deutung ist die Insolvenz als Kollektivverfahren primär ein Instrument zur Überwindung eines common poolProblems980. Grundlegende Prämisse Jacksons ist, dass Ziel des Insolvenzverfahrens die Maximierung der Rückzahlungen an die Gläubiger durch das geeignetste Verfahren ist. Zwar handelt es sich hierbei um eine normative Prämisse981. Ihre Verwendung erscheint im vorliegenden Kontext jedoch unproblematisch, bestimmt doch § 1 S. 1 InsO für das deutsche Recht, dass das Insolvenzverfahren primär dem Zwecke dient, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird, wenn nicht durch einen Insolvenzplan eine abweichende Regelung getroffen wird982. Es 978

Vgl. Pilgram, Ökonomische Analyse der bundesdeutschen Insolvenzordnung, S. 49 f. So etwa im Rahmen der neufundierten Existenzvernichtungshaftung. Hierauf weist auch Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1682 f.) hin. 980 Jackson, Yale L. J. 91 (1982), 857 (857 ff.); vgl. Baird/Jackson, U. Chi. L. Rev. 51 (1984), 97 (97 ff.); Campbell/Frost, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed Corporations, S. 23; Armour, Corporate Insolvency, S. 10. 981 Vgl. etwa Armour, Corporate Insolvency, S. 10; Drukarczyk, WM 1994, 1737 (1740); Finch, Oxford Journal of Legal Studies 17 (1992), 227 (230 ff.); R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 55 Fn. 2. A.A. allerdings Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (415), die allein die Gläubigerbefriedigung als legitimierbares Anliegen des Insolvenzrechts kennzeichnen und somit der Prämisse ihre Normativität absprechen. Für alternative Zielbestimmungen des Insolvenzrechtes vgl. etwa Armour, Corporate Insolvency. Vgl. auch Konecny, NZI 2008, 416 (416 f.); Griffiths/Hellmig, NZI 2008, 418 (418 ff.). 982 Vgl. etwa Fischer, ZGR 2006, 403 (403); ders., NZI 2006, 313 (316); Jaffé, ZGR 2010, 248 (250 f.); Uhlenbruck, NZI 2008, 201 (202); Von den betrachteten Rechtsordnungen gilt anderes für Frankreich. Hier steht die Rettung des Unternehmens und der an ihm hängenden Arbeitsplätze im Zentrum des Insolvenzrechts. Vgl. etwa Bauerreis, ZGR 2006, 294 (294 ff.); Ulrich/Poertzgen/Prüm, ZInsO 2006, 64 (64); Droege-Gagnier, NZI 2012, 449 (450). Insbesondere durch die Insolvenzrechtsreform 1984/85 wurde die faillite als organisierte Schuldenbereinigung ausgebaut zum sog. droit des enterprises en difficulté, wobei ab Mitte der 90er Jahre aber auch wieder verstärkt Gläubigerbelange Berücksichtigung fanden. Vgl. hierzu Derrida/Sortais, D. 1994, S. 267; Großerichter, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S. 364 ff. Mit der Einführung der procédure de sauvergarde verfolgt das loi de sauvegarde diesen Ansatz weiter. Vgl. Klein, RIW 2006, 13 (13 ff.). 979

436

§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

gilt also, dass „Insolvenz […] Haftungsverwirklichung unter Knappheitsbedingungen [bedeutet]“983. Gleichzeitig entspricht dieses Ziel den Erwartungen, die an gesetzliche Krisenpflichten der Geschäftsleitung herangetragen werden. Im besten Fall sollen diese den Eintritt von Vermögenseinbußen auf Seiten der Gläubiger ex ante verhindern oder aber ex post teilweise kompensieren, um eine angemessene Risikoverteilung zwischen Eigenkapitalgebern und Gläubigern herzustellen. Insbesondere die letzte Funktion wird am effizientesten begleitet durch eine gesetzliche Verfahrensausgestaltung, die die Rückzahlung der ausstehenden Beträge an die Gläubiger am vollständigsten gewährleistet. Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung des durch das Insolvenzrechtsreformgesetz bestärkten Reorganisationsgedankens. Auch hier stehen die Gläubigerverfügungsrechte im Vordergrund. Gläubiger wählen regelmäßig nur dann die Fortführung des Unternehmens, wenn sie hierdurch eine verbesserte Befriedigungsquote erwarten984. Und schließlich weisen auch weitere Normen wie § 92 InsO darauf hin, dass Ziel der Insolvenzordnung der Ausschluss von Sondervorteilen einzelner Gläubiger im Interesse der Befriedigungschancen der Gläubigergesamtheit ist985. (2) Common Pool-Ressourcen Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass das Vermögen der insolventen Gemeinschuldnerin ökonomisch eine Common Pool-Ressource darstellt986. Common Pool-Ressourcen sind gekennzeichnet durch die Unmöglichkeit, Akteure von ihrer Nutzung auszuschließen (non excludability), und durch den Umstand, dass ihre Nutzung durch einen Akteur oder eine Gruppe von Akteuren die Verfügbarkeit für andere einschränkt. Durch letzteres unterscheiden sie sich von öffentlichen Gütern, die sowohl durch Nichtausschließbarkeit als auch durch Nichtrivalität im Konsum gekennzeichnet sind. Im Falle einer zur vollständigen Gläubigerbefriedigung unzureichenden Vermögensmasse ergibt sich die Nichtausschließbarkeit aus der trotz Vermögensinsuffizienz grundsätzlich fortbestehenden Möglichkeit eines jeden Gläubigers, sich im Wege der Einzelzwangsvollstreckung zu befriedigen. Mit der erfolgreichen Zwangsvollstreckung wird c.p. die zur Forderungsbefriedigung der anderen Gläubiger vorhandene Masse gemindert, so dass durch jede erfolgreiche Vollstreckung eines einzelnen Gläubigers die Interessen der anderen Gläubiger beeinträchtigt werden.

983

Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 18. Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 26; anders aber wohl Hommelhoff, ZfB 54 (1984), 599 (600): „Für die Auslösung des Reorganisationsverfahrens hingegen steht die Begünstigung der ungesicherten Gläubiger wohl kaum im Vordergrund“. 985 Vgl. etwa Poertzgen, ZInsO 2006, 561 (562); Uhlenbruck, ZIP 1994, 1153 (1155). 986 Vgl. Armour, Corporate Insolvency, S. 17 ff. 984

VIII. Rechtsfolgen I: Zivilrechtliche Haftung

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Das Effizienzgebot verlangt in diesem Zusammenhang, dass die Zugriffsrechte auf die knappe Common-Pool-Ressource Gemeinschuldnervermögen so ausgestaltet werden, dass der Nutzen aller Gläubiger als generell Zugriffsberechtigten maximiert wird. Beurteilungsmaßstab ist auch hier die theoretische Verhandlungslösung, die in einer Coase-Welt ohne Transaktions- und Informationskosten realisiert würde (Hypothetical Bargaining)987, konkret also, welche Verteilungsregel Gläubiger ex ante vereinbaren würden (Creditors Bargaining)988. Von diesem deduktiv abgeleiteten Zustand lässt sich die effiziente, das Ergebnis eines perfekten Marktes simulierende Rechtsregel bestimmen989. Aufgrund der Annahme einer gegebenen Vermögensmasse sind die weiteren Kosten einer Insolvenz die für Gläubiger hierbei maßgebliche Bestimmungsgröße. Das Insolvenzverfahren hat diese insolvenzspezifischen Kosten der Kreditfinanzierung zu minimieren990, weil in hypothetischen Verhandlungen die Gläubiger sich auf die gesamtkostenminimale und damit die Befriedigungsquote maximierende Lösung verständigen würden. Zur Illustration folgendes einfache Beispiel991: Die Gemeinschuldnerin weise zu Beginn der Insolvenz einen Going-ConcernWert von 80.000 E und einen Break-Up-Wert von 60.000 E auf. Die Fremdfinanzierung der Gesellschaft wird durch zwei Gläubiger C1 und C2 geleistet, deren Forderungen jeweils 50.000 E betragen. Sowohl C1 und C2 erwarten, dass sie 2.000 E für Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen aufwenden müssen, sollte sich die Gemeinschuldnerin unfähig zeigen, ihre Forderungen zu begleichen. Vollstreckt entweder C1 oder C2 isoliert, muss die Unternehmung zerschlagen werden und es wird als Veräußerungserlös der Break-Up-Wert in Höhe von 60.000 E realisiert. Alternative für jeden Gläubiger ist Abwarten, also nicht vollstrecken. Entscheiden sich beide Gläubiger – u. U. unter Beteiligung der Gemeinschuldnerin – zu kooperieren, können sie eine gemeinsame Entscheidung über die Zukunft des Unternehmens treffen. Durch Kooperation vermögen C1 und C2 den Going-Concern zu verwirklichen mit der Folge, dass 76.000 E (80.000 E abzüglich 4.000 E Vollstreckungskosten) realisiert werden. Insgesamt ergibt sich die folgende Auszahlungsmatrix: Vollstreckung

Kooperation

Vollstreckung

(28.000,28.000)

(48.000,10.000)

Kooperation

(10.000,48.000)

(38.000,38.000)

987

Vgl. Jackson, Yale L. J. 91 (1982), 857 (860). Vgl. Jackson, Yale L. J. 91 (1982), 857 (860), siehe auch R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 19 ff. 989 Vgl. Armour, Corporate Insolvency, S. 14. 990 Vgl. Armour, Corporate Insolvency, S. 15. 991 Übernahme des klassischen Beispiels von Jackson, Yale L. J. 91 (1982), 857 (861 ff.). 988

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Die Insolvenz der Gemeinschuldnerin stellt sich unter diesen Annahmen als klassischer Anwendungsfall des spieltheoretischen Gefangenendilemmas dar992. Das Ziel einer möglichst umfassenden Befriedigung wird erreicht, wenn beide Spieler die Handlungsalternative Kooperation wählen würden. Eine solche ad hoc-Kooperation, durch die dieses gesamtwirtschaftlich effiziente Ergebnis realisiert wird, kommt allerdings aufgrund prohibitiv hoher Transaktionskosten bei einer größeren Zahl von Beteiligten und vor allem Anreizen zum strategischen Verhalten nicht zu Stande993. Beide Spieler, die Gläubiger C1 und C2, besitzen vielmehr jeweils strikt dominante Strategien, d. h. unabhängig von der Wahl ihres Gegenspielers, entscheiden sie sich immer für die Handlungsalternative Vollstrecken. Dass dennoch Kooperation die aus gesamtwirtschaftlicher Sicht optimale Strategie ist, ist nicht geschickter Zahlenwahl geschuldet. Vielmehr lassen sich drei Gesichtspunkte identifizieren, die Ursache der Überlegenheit der Verhandlungslösung sind: strategische Kosten, die Vergrößerung der Masse sowie die Realisierung von verfahrensrechtlichen Effizienzen. Strategische Kosten erfassen die bei einem Gläubigerwettlauf anfallenden Überwachungs- und Exekutionskosten sowie die negativen Effekte einer hohen Varianz der Befriedigungsquoten994. Masseschmälerungen verhindert ein abgestimmtes Vorgehen insbesondere immer dann, wenn wie im Beispiel, der isolierte Gläubigerzugriff einen Going-Concern-Wert vernichtet995. Im Beispiel erleidet die Gesamtwirtschaft und die Gesamtheit der Gläubiger durch isoliertes Vorgehen einen Verlust von 20.000 E. Verfahrensrechtliche Effizienzen schließlich werden durch eine gesetzlich oktroyierte Kooperationslösung gehoben, wenn die Verfahrenskosten einer solchen Regelung niedriger sind als die Summe der von allen Gläubigern anderenfalls zu tragenden Überwachungs- und Exekutionskosten996. (3) Common Pool und par conditio creditorum Auf einen ersten Blick scheint der Common-Pool-Ansatz eine gewisse Nähe zum klassischen insolvenzrechtlichen Grundsatz der par conditio creditorum zu besitzen. Beide Paradigmen fordern einen geordneten und gleichberechtigten Zugriff der Gläubiger auf ein zur vollständigen Befriedigung nicht ausreichendes Vermögen. Jedoch bestehen erhebliche Unterschiede in der jeweiligen theoretischen Fundierung dieses Paradigmas. Der Gleichbehandlungsgrundsatz hat seine Grundlage nicht in ökonomischen Erwägungen, also den Kosten des Gläubigerwettlaufs, sondern in 992 Vgl. hierzu auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 19 ff. 993 Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 21. 994 Jackson, Yale L. J. 91 (1982), 857 (861 f.); vgl. auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 3 ff., 19 ff. 995 Vgl. Jackson, Yale L. J. 91 (1982), 857 (864 ff.); Armour, Corporate Insolvency, S. 16; Campbell/Frost, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed Corporations, S. 27; Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 20. 996 Vgl. Jackson, Yale L. J. 91 (1982), 857 (866).

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allgemeinen rechtspolitischen Zielen wie Wahrung des Rechtsfriedens, Gerechtigkeit, Gleichbehandlung der Gläubiger und ist insoweit Selbstzweck997. Dies erscheint schon deshalb fraglich, weil die Gleichbehandlung kein tragendes Prinzip des Insolvenzrechts ist, ist sie doch durch die Einräumung von Kreditsicherheiten unproblematisch umgehbar998. Auch die par conditio creditorum fordert keine absolute Gläubigergleichbehandlung, sondern allein die Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem999. Entscheidender Unterschied zur Common Pool-Argumentation ist, dass, obwohl beide Ansätze die gleiche Verteilungsregel postulieren, der par conditio creditorum-Grundsatz die den Gläubigern zur Verfügung stehende Masse als Fixum versteht, über dessen Aufteilung zu entscheiden ist. Er erschöpft sich somit in der Funktion als Verteilungsregel. Die Common Pool-Argumentation als Effizienzkriterium intendiert die Maximierung der zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stehenden Vermögenswerte der Gemeinschuldnerin durch Minimierung der Verfahrenskosten. Die Verfahrensausgestaltung dient nicht der Umsetzung eines der Metaphysik zuzurechnenden Gerechtigkeitszieles, sondern einer möglichst schonenden Behandlung existenter Ressourcen. (4) Common Pool und isolierte Verfolgbarkeit des Neugläubigerschadens Indem der Bundesgerichtshof den Neugläubigern die ausschließliche Geltendmachung ihrer Schäden zuerkennt, hebt er für diesen Teil der Insolvenzverschleppungshaftung die Bündelung der Ansprüche in der Person des Insolvenzverwalters auf. Damit droht ein Konflikt mit dem Ziel der Minimierung der Informations- und Überwachungskosten der Gläubigergesamtheit. Nicht auf das Gesellschaftsvermögen, wohl aber auf das ihrer Geschäftsführer wird der Wettlauf der Gläubiger eröffnet. Entgegen der h.M. ist dieses Ergebnis auch nicht zwangsläufige Folge des Umstands, dass es sich beim Kontrahierungsschaden um einen Individualschaden handelt. Ebenso wäre es möglich, den Insolvenzverwalter gesetzlich zur Einziehung zu ermächtigen. Gerade auch, wenn die Ausweitung der Haftung nach § 15a Abs. 1 InsO unter dem Ziel des Gläubigerschutzes proklamiert wird, erscheint sie fraglich. Gläubigerschutz kann als generelles Ziel nur eine Verbesserung der Position aller Gläubiger der Gesellschaft bedeuten. Er wird zumindest dann nicht verwirklicht, wenn durch die isolierte Rechtsdurchsetzung der Neugläubigeransprüche gegen den Geschäftsführer zusätzliche Kosten entstehen. Entsprechend der Common-Pool-Theorie werden Going-Concern-Werte gefährdet und die Exekutions- und Überwachungskosten vervielfacht. (a) Geschäftsführervermögen als Common-Pool Zuzugeben ist, dass der durch den Bundesgerichtshof entschiedene Sachverhalt in einem bedeutenden Punkt von dem oben dargestellten Modell abweicht. Während 997 998 999

Vgl. etwa Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 11. Vgl. auch R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 91 ff. Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 24 f.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Jackson die Realisierung von Ansprüchen gegen die unternehmenstragende Gesellschaft behandelt, richten sich die Ansprüche der Neugläubiger auf Ersatz ihres Kontrahierungsschadens gegen die Geschäftsführer der Gesellschaft. Hier gilt zunächst, dass ein Common-Pool-Problem scheinbar nicht besteht, da anders als die Gesellschaft ihr Geschäftsführer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme regelmäßig nicht insolvenzreif ist. Faktisch allerdings wird in der Mehrzahl der Fälle, in denen eine einigermaßen umfängliche Insolvenzverschleppung im Raum steht, die Verurteilung die Privatinsolvenz des Geschäftsführers bedingen. Es besteht somit im Grundsatz eine vergleichbare Interessenlage wie im Falle der Anspruchsrealisierung gegen die insolvente Gesellschaft. Ein gemeinsames Vorgehen der Gläubiger bietet präventiven Schutz gegen die Kosten eines ineffizienten Gläubigerwettlaufs für den Fall, dass sich das Privatvermögen des Geschäftsführers als zur vollständigen Gläubigerbefriedigung unzureichend erweist. Privatvermögen des Geschäftsführers und Gesellschaftsvermögen unterscheiden sich jedoch auch in einem weiteren Punkt in ihrer Eigenschaft als Befriedigungsobjekte zu Gunsten der Gläubiger. Bei der Einzelvollstreckung in ein Privatvermögen entsteht der Gläubigergesamtheit regelmäßig kein Wertverlust aus einer Differenz zwischen Break-Up und Going-Concern-Werten. Das obige Beispiel muss dementsprechend für diesen praktischen Regelfall modifiziert werden: wiederum verfügen C1 und C2 über Titel in Höhe von je 50.000 E gegen den dem Grunde nach haftenden Geschäftsführer. Der Geschäftsführer verfügt über ein Privatvermögen von 80.000 E. Die Kosten der Zwangsvollstreckung belaufen sich auf 2.000 E im Falle isolierten Vorgehens. Beschließt ein Gläubiger hingegen zu kooperieren, fallen Vollstreckungskosten lediglich in Höhe von jeweils 1.000 E an, da keine kostenspielige Kontrolle der Schuldnerin, ihres Geschäftsführers und der anderen Gläubiger eingerichtet und unterhalten werden muss. Es ergibt sich als modifizierte Matrix: Vollstrecken

Kooperieren

Vollstrecken

(38.000,38.000)

(48.000,29.000)

Kooperieren

(29.000, 48.000)

(39.000, 39.000)

Unter Außerachtlassung der Kosten der Rechtsverfolgung sind aufgrund des Fehlens eines Going-Concern-Wertes mit dem isolierten Zugriff auf die CommonPool-Ressource zunächst keine Ineffizienzen verbunden. C1 und C2 erlösen in allen Konstellationen eine Gesamtsumme von 80.000 E. Die allgemein mit dem Phänomen des Windhundrennens verbundenen Kosten existieren jedoch auch beim Zugriff auf das Geschäftsführervermögen1000. Auch in dieser Situation stellt Vollstrecken für C1 und C2 eine strikt dominante Strategie dar. Gleichzeitig handelt es sich jedoch wiederum nicht um einen effizienten Zustand. Da C1 und C2 jeweils die Handlungsoption „Vollstrecken“ wählen, werden die Voll1000

Vgl. Heitsch, ZInsO 2006, 568 (572); Vetter, ZGR 2005, 788 (797 f.).

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streckungsgesamtkosten als Summe der Informations-, Überwachungs- und Durchsetzungskosten, die C1 und C2 zu tragen haben, nicht minimiert. Das isolierte Vorgehen der Gläubiger ist mit zusätzlichen Kosten in Höhe von 2.000 E verbunden. Ursache dieser zusätzlichen Kosten isolierten Vorgehens ist, dass es spätestens ab erkennbarem Eintritt einer krisenhaften Entwicklung intensivierter Beobachtung der weiteren Geschäftsentwicklung bedarf. Jeder Gesellschaftsgläubiger, der Befriedigung aus dem nicht rechtlich, aber faktisch begrenzten Geschäftsführervermögen sucht, ist gehalten, sicherzustellen, dass er sich unter den ersten befindet, die Prozess und Vollstreckung gegen den Geschäftsführer anstrengen. Konkret verlangt dies die für Unternehmensexterne kaum zu leistende Beantwortung der Frage, ob die Schuldnerin bereits überschuldet bzw. zahlungsunfähig ist und ob ihre Geschäftsleitung in der Folge eine schuldhafte Insolvenzverschleppung begeht. Gelingt einem Einzelgläubiger dennoch die zeitnahe Identifizierung dieser Umstände, ist er in der Lage, als erster den Prozess gegen den Geschäftsleiter zu eröffnen. Für die Gesamtgläubigerschaft steht diesen Kosten jedoch kein Nutzen gegenüber1001. Selbst dann, wenn sich das Privatvermögen der Geschäftsleitung als zur vollständigen Begleichung aller auf der Insolvenzverschleppung beruhenden Schäden ausreichend erweist, ist die isolierte Durchsetzung mit Ineffizienzen verbunden. Die Investitionen in Information, Überwachung und Durchsetzung erweisen sich hier ex post als überflüssig (sunk costs). Gleichzeitig sind diese Kosten der Vollstreckung nicht ersatzfähig. Zwar trifft den Geschäftsführer als Vollstreckungsschuldner die Kostenlast für Vollstreckungsmaßnahmen. Hierzu zählen jedoch nur die unmittelbaren Kosten der Inanspruchnahme des staatlichen Vollstreckungsapparats, nicht hingegen die Aufwendungen für Information und Überwachung, die ein Gläubiger darauf verwendet, zeitnah einen Titel gegen das Vermögen des Geschäftsführers zu erwirken. Die (ex post)-Auszahlungsmatrix ergibt sich dann wie folgt: Vollstrecken

Kooperieren

Vollstrecken

(48.000, 48.000)

(48.000, 49.000)

Kooperieren

(49.000,48.000)

(49.000,49.000)

Zwar liegt im Beispielsfall kein Nash-Gleichgewicht in dominanten Strategien für die ineffiziente Handlungsalternative Vollstrecken mehr vor, vielmehr scheint die gesamtwirtschaftlich optimale Alternative Kooperieren hier auch für den einzelnen Gläubiger zur subjektiven rationalen Strategie zu werden. Die dargestellte Auszahlungsmatrix geht allerdings davon aus, dass die Gläubiger ex ante mit Sicherheit wissen, dass sich das Geschäftsführervermögen als zur Begleichung der aus der Insolvenzverschleppung herrührenden Verbindlichkeiten ausreichend erweist. Nur unter dieser Voraussetzung können sie in berechtigtem Vertrauen auf ihre vollständige Befriedigung auf gesteigerte Überwachungs- und Exekutionsaufwendungen verzichten. Betrachtet man hingegen den praxisnahen Fall, dass diesbezüglich 1001 Vgl. Adams, Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte, S. 25 f.; R. H. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 45.

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erhebliche Unsicherheit besteht, unterliegt die Entscheidungsregel der Gläubiger relevanten Modifikationen. Jeder Gläubiger muss in Rechnung stellen, dass nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit p die vollständige Befriedigung entsprechend der obigen Matrix erwartet werden kann, während mit der Gegenwahrscheinlichkeit von (1-p) sich die Auszahlungsmatrix wie im Eingangsbeispiel darstellt. C1 etwa entscheidet sich unter diesen Voraussetzungen nur dann für die Alternative Kooperieren, gegeben C2 vollstreckt/kooperiert, wenn p groß genug ist, konkret also, wenn gilt: E½V=V ðC2Þ¤ < E½K=V ðC2Þ¤ ^ E½V=K ðC2Þ¤ < E½K=KðC2Þ¤ ) ð1 ¢ pÞ ¡ 38:000 þ p ¡ 48:000 < ð1 ¢ pÞ ¡ 29:000 þ p ¡ 49:000und ð1 ¢ pÞ ¡ 48:000 þ p ¡ 48:000 < ð1 ¢ pÞ ¡ 39:000 þ p ¡ 49:000

Für beide Spieler C1 und C2 ergibt sich unter Berücksichtigung der Unsicherheiten über die Höhe des Geschäftsführervermögens die folgende Auszahlungsmatrix: Vollstrecken

Kooperieren

Vollstrecken

((1-p)38.000+p48.000, (1-p)38.000 + p48.000)

((1-p)48.000+p48.000, (1-p)29.000 + p49.000)

Kooperieren

((1-p)29.000 + p49.000, (1-p)48.000+p48.000)

((1-p)39.000 + p49.000, (1-p)39.000 + p49.000)

Im Beispiel wird damit Kooperation erst dann zur strikt dominanten Strategie, wenn p > 9/10. Auch für die Praxis wird man annehmen müssen, dass in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die Kooperationslösung nicht gewählt wird. Das effiziente Ergebnis wird damit im jeweiligen Zustand um die Informations- und Transaktionskosten geschmälert. Überlässt man hingegen dem Insolvenzverwalter die Durchsetzung auch der Neugläubigeransprüche, entfallen diese Informations- und Durchsetzungskosten. Es kann das Kooperationsergebnis (49.000, 49.000) realisiert werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass nur das Vermögen der eigentlichen Gemeinschuldnerin, der Kapitalgesellschaft, einem Insolvenzverfahren unterworfen ist, andere Gläubiger der Geschäftsführer und Vorstände also nach wie vor im Wege der Einzelzwangsvollstreckung gegen deren Privatvermögen vorzugehen vermögen. Die auf Insolvenzverschleppung beruhenden Ansprüche gegen die Geschäftsleitung unterscheiden sich in ihrem Anspruchsgrund von den Forderungen, die ein Geschäftsleiter in seinem Privatleben begründet. Die Insolvenzverschleppungshaftung setzt zwingend voraus, dass aufgrund des Privilegs der beschränkten Haftung ein Vermögensschaden der Gläubiger eingetreten ist, der durch die Gesellschaft selbst nicht mehr ausgeglichen werden kann. Dies ist nur im Insolvenzfall denkbar. Materiell ist der Anspruch wegen Insolvenzverschleppung dem zu Folge untrennbar mit dem Insolvenzverfahren der Gesellschaft verbunden, so dass eine Reduktion der Geschäfts-

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führer-Neugläubiger-Beziehung auf eine schlichte, bilaterale Schuldner-GläubigerBeziehung irreführend ist. Die Insolvenzverschleppungshaftung stellt einen partiellen Ausgleich und eine Aufhebung des Prinzips der beschränkten Haftung dar. Der Common Pool, der den Gläubigern zur Befriedigung ihrer Forderungen gegen die Gesellschaft zur Verfügung steht, wird durch die Insolvenzverschleppungshaftung unter bestimmten Voraussetzungen erweitert. Die Forderungen der Gläubiger werden damit wirtschaftlich zu einem Teil auf den Geschäftsführer übergeleitet. (b) Praktische Probleme einer Klagebefugnis des Verwalters Vor dem Hintergrund der Common-Pool-Problematik lässt sich die Verfolgung des Kontrahierungsschadens durch die Gläubiger selbst deshalb nur dann rechtfertigen, wenn die Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter ihrerseits mit Kosten verbunden wäre, die die dargestellten positiven Effekte überwiegen. Ein solches kostenbegründendes Hindernis sieht die h.M. darin, dass der Gesamtverwalter bereits nicht in der Lage sein soll, den Kontrahierungsschaden zu beziffern1002. Als Individualschaden hänge dieser von Voraussetzungen ab, die allein der einzelne Neugläubiger kenne. Ignoriert wird dabei allerdings, dass ein Neugläubiger seinerseits ein nicht minder großes Bedürfnis nach Informationen hat, über die regelmäßig allein der Insolvenzverwalter verfügt. Die Eigenschaft als Alt- oder Neugläubiger ist für den einzelnen Gläubiger kaum zu beantworten, da er hierfür sowohl den Zeitpunkt der Insolvenzreife substantiiert darlegen und beweisen muss, als auch die Frage, ob die Insolvenzantragspflicht aufgrund Eingreifens der Dreiwochenfrist vorübergehend gestundet ist1003. Die praktische Wirkungslosigkeit der Haftung auf den Kontrahierungsschaden ist nicht zu geringen Teilen diesen Informationsdefiziten der Neugläubiger geschuldet. Für den Insolvenzverwalter, der ohnehin den Zeitpunkt der Insolvenzreife zu bestimmen hat, ist es hingegen möglich, diesen Zeitpunkt zu beziffern. Ebenso wenig ist der Kontrahierungsschaden von Umständen abhängig, die allein der Einzelgläubiger kennt. Um den Kontrahierungsschaden zu beziffern, bedarf der Insolvenzverwalter grundsätzlich nur der Information darüber, wann und in welcher Höhe Forderungen begründet wurden. Darüber hinaus erscheint es nicht völlig ausgeschlossen, dass die Gläubiger verpflichtet werden, bei Anmeldung ihrer Forderungen zur Tabelle die entsprechenden Angaben mit einzureichen. Auch das Anlegen einer Sondermasse stellt keine völlige Überforderung des Insolvenzverwalters dar. Geboten erscheint deshalb eine kumulierte Klagebefugnis des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung der Ersatzansprüche von Alt- und Neugläubigern.

1002 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 273; Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 320. 1003 Vgl. K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1078).

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2. Wrongful Trading a) Ermessensabhängige Haftung der Direktoren Haftungsrechtliche Sanktion einer erfolgreichen Klage wegen wrongful trading ist, dass das Gericht den Direktor verurteilt, den Betrag in das Gesellschaftsvermögen zu leisten, den das Gericht für angemessen hält (such contribution (if any) to the company’s assets as the court thinks proper)1004. Diese, mit sec. 214 IA gesetzte Rechtsfolge unterscheidet sich konstruktiv und in ihren wirtschaftlichen Konsequenzen in wesentlichen Punkten von der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung. Zunächst stellt sec. 214 IA dogmatisch keinen Schadensersatzanspruch dar1005. Die Bestimmung folgt nicht dem schadensersatzrechtlichen Prinzip der Totalreparation, sondern überlässt den konkreten Umfang des zu entrichtenden Betrages dem Ermessen des Gerichts. Im englischen Schrifttum wird sec. 214 IA häufig als Unterfall des „Durchgriffs“ (lifting/piercing the corporate veil) eingeordnet1006. Allerdings wird die Begrifflichkeit des lifting the corporate veil weiter verstanden als ihr deutsches Pendant1007. Generell kennzeichnet sie allein den Umstand, dass unter zu präzisierenden Voraussetzungen zu Lasten bestimmter Personen die Haftungsbeschränkung aufgehoben wird und diese Personen mindestens teilweise mit ihrem Privatvermögen für die Schulden der Gesellschaft einzustehen haben. Dass sec. 214 IA keinen echten Durchgriff darstellt, wird bereits daran deutlich, dass Adressaten die Direktoren der Gesellschaft und nicht ihre Gesellschafter sind. Für die Rechtsfolgenseite resultiert hieraus, dass keine der Analogie zu § 128 HGB entsprechende unbeschränkte Einstandspflicht für die Schulden der Gesellschaft statuiert wird. Im Ergebnis wird man deshalb sec. 214 IA als Ersatzanspruch eigener Art zu qualifizieren haben1008.

1004 Vgl. auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (195); Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 215 f. Hinzu tritt nach sec. 215 (2) IA 1986 die Befugnis des Gerichts, weitere Maßnahmen anzuordnen, um die Durchsetzung der Haftung sicherzustellen. 1005 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C., 18 (49); vgl. auch Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 196, anders allerdings Haas, WM 2006, 1417 (1420 f.); Redeker, DZWiR 2005, 497 (502), die die Haftung wegen wrongful tradings als Schadensersatz qualifizieren. Vgl. auch K. Schmidt, ZHR 175 (2011), 433 (434 f.), der Parallelen zur Schadensschätzung nach § 287 ZPO zieht. 1006 Für die Schwesternorm des fraudulent trading etwa Farrar, JBL 1980, 336 (343 f.). Kritisch Noonan/Watson, JBL 2006, 763 (784 f.); vgl. hierzu auch Mülhens, Haftungsdurchgriff im deutschen und englischen Recht, S. 110 ff. 1007 Nach der strikt zwischen Geschäftsleiterhaftung und Durchgriff zu trennen ist. Vgl. Wiedemann, ZGR 2003, 283 (287 f.). 1008 Die Formulierung ist der Rechtsprechung zum Zahlungsverbot des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 GmbHG n.F. entlehnt.

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Der unbestimmte Wortlaut und die fehlende Möglichkeit, auf eine juristische Standardrechtsfolge zurückzugreifen, wirft die rechtspraktisch – für Geschäftsführer und Gläubiger – wesentliche Frage auf, nach welchen Kriterien der Umfang der Einstandspflicht des Geschäftsleiters zu bestimmen ist. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die Spruchpraxis sec. 214 IA bis zu einem gewissen Grad an einen Schadensersatzanspruch klassischen Zuschnitts annähert. Ausgehend von der Prämisse, dass die Stoßrichtung des wrongful trading „rather compensatory than penal“ sei1009, bestimmt die Rechtsprechung die Höhe des in das Gesellschaftsvermögen zu entrichtenden Betrags prinzipiell analog zum Deliktsrecht (law of torts); Ausgangspunkt ist also der Kausalitätsgedanke1010. Orientierungspunkt für die Festlegung des Haftungsumfangs der Geschäftsleitung ist die drohende Verschlechterung der Befriedigungschancen der Gläubiger durch opportunistisches Verhalten der Geschäftsleitung1011. Zu erstatten ist der net increase in deficiency1012, also der Betrag, um den das Gesellschaftsvermögen durch die Pflichtwidrigkeit gemindert wurde1013. Es ist die Vermögenssituation im moment of truth mit derjenigen im Zeitpunkt der tatsächlichen Verfahrenseröffnung zu vergleichen1014. Aufgrund dieses strukturellen Ansatzes des englischen Rechts wird der Haftungsumfang häufig dem der Haftung auf den Quotenschaden gleichgestellt1015. Dies 1009 Re Produce Marketing Consortium Ltd. [1989] BCLC 520 (553 f); Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491 (499); vgl. Morse, Charlesworth’s Company Law, S. 318; Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17); Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.33; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Rn. 9 – 8 (= S. 233 f.); Odiath [1990] LMCLQ 206 (215); Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 417. 1010 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 18 (56). Vgl. auch Re Farmizer (Products) Ltd. Moore & Anor v Gadd & Anor [1997] B.C.C. 655 (662); Payne/Prentice, in: Ramsay, 190 (208). 1011 FEK, ZGR 1998, 672 (755 f.); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17). 1012 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] BPIR 733 (= 2001 WL 720239) para. 89 und das unter Annex B angeführte Zwischenurteil; ausführliche Anwendung des Prinzips ebda. para. 293 ff.; dem folgend Re Marini Ltd. Liquidator of Marini Ltd. v. Dickenson & Ors. [2004] B.C.C. 172 (197); Re Bangla Television Ltd. [2009] EWHC 1632 (Ch) = NZI 2010, 621 (623) = BeckRS 2010, 07479; Re Idessa (UK) Ltd. (in liquidation) Burke and another v Morrison and another [2012] 1 BCLC, 80 (120 ff.) (dort auch zur Berücksichtigung von Einnahmen aus einem erfolgreich misfeasance claim gem. Sec. 212 IA). vgl. auch Spence, Insolvency Intelligence 2004, 17 (1), 11 (11 f.). 1013 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 18 (56); Re Farmizer (Products) Ltd. Moore & Anor v Gadd & Anor [1997] B.C.C. 655 (662). Vgl. auch Morse, Charlesworth’s Company Law, S. 318; Davies, AG 1998, 346 (350); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Rn. 9 – 3 (= S. 234); Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 414 ff., S. 515 ff.; Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 26; Odiath [1990] LMCQL 206 (215); Simmons, Insolvency Intelligence 2001, 14 (2), 12 (14). 1014 Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17); Triebel/Otte/Kimpel, BB 2005, 1233 (1237). 1015 Vgl. FEK, ZGR 1998, 672 (755 f.); Fleischer, ZGR 2004, 437 (460 f.); Habersack/ Verse, ZHR 168 (2004), 174 (197); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 155; Triebel/Otte/Kimpel, BB 2005, 1233 (1237).

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ist jedoch nur bedingt richtig. Keine Unterschiede bestehen allerdings – entgegen vereinzelt vertretener abweichender Ansicht im Schrifttum1016 – hinsichtlich der Effekte verbotswidriger bevorzugter Befriedigung einzelner Gläubiger. Der Quotenschaden des deutschen Rechts als durch den Insolvenzverwalter zu berechnender und durchzusetzender Gesamtgläubigerschaden wird nicht individuell für jeden einzelnen ungesicherten Gläubiger, sondern durch Vergleich von Ist- und Sollmasse ermittelt. Erfährt vor diesem Hintergrund ein ungesicherter Gläubiger bevorzugte Befriedigung, nivellieren sich die daraus resultierende Verkürzung von Soll- und Istmasse im Aggregat (reine Bilanzkürzung). Unterschiede ergeben sich demgegenüber aus dem völlig anders gearteten Ansatz von Insolvenzverschleppung und wrongful trading. Während die Insolvenzverschleppungshaftung jede nach Verstoß gegen die Kardinalpflicht zum Insolvenzantrag eintretende Vermögenseinbuße als illegitime und damit kompensationswürdige Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen einstuft, sieht das englische Recht, das ein besonders Verhaltensunrecht verlangt, das sich zu Lasten der Gläubiger realisiert, im net increase in deficiency prozessual lediglich ein Indiz oder Beweisanzeichen des Ausmaßes gläubigerschädigender Handlungen und materiell damit nicht mehr als eine Obergrenze der auf wrongful trading zurückzuführenden Vermögensinsuffizienz. Die Beschränkung auf den „Quotenschaden“ gründet deshalb maßgeblich auf der Intention, sec. 214 IA 1986 nicht zu einem Instrument mit Strafcharakter werden zu lassen1017. Es wird ausschließlich eine Haftungsobergrenze statuiert, nicht etwa der materielle Inhalt des Anspruchs abschließend umschrieben. Der Betrag, um den das Gesellschaftsvermögen ab dem moment of truth vermindert wurde, stellt damit allein eine Ausgangsgröße für die Festlegung des in das Gesellschaftsvermögen zu leistenden Betrages dar, der im Einzelfall deutlich darunter liegen kann1018. Ursächlich für diesen gespaltenen Befund ist, dass die Spruchpraxis unter Berufung auf das ihr eingeräumte Ermessen entlastende Umstände im Geschäftsleiterverhalten berücksichtigt, um die Kausalitätsbetrachtung nicht unfair werden zu lassen1019. Den Versuch einer Kasuistik solcher, die Haftungshöhe determinierender 1016 Bachner, Creditor Protection in Private Companies, S. 196, der davon ausgeht, dass die bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung erfasst werde. Voraussetzung dessen wäre allerdings, dass der Quotenschaden individuell berechnet würde. Auch der Umstand, dass die durch eine erfolgreiche Anfechtungsklage eingespielten Beträge zur Masse gezogen werden, ändert hieran nichts. Wird ein ungesicherter Altgläubiger vorab befriedigt, steigen durch erfolgreiche Anfechtung Ist- und Sollmasse in gleichem Umfang, da die Forderung des betroffenen Gläubigers wieder auflebt. 1017 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (196 f.). 1018 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (=2001 WL 720239), para. 376 ff.; Re Idessa (UK) Ltd. (in liquidation) Burke and another v Morrison and another [2012] 1 BCLC, 80 (121): net increase in deficiency ist „[…] maximum amount for the extent of any contribution […]“; vgl. Odiath [1990] LMCLQ 206 (215); aus dem deutschen Schrifttum Steffek, NZI 2010, 589 (593). 1019 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 18 (56); vgl. auch Simmons, Insolvency Intelligence 2001, 14 (2), 12 (14). Ganz andere Einschätzung des Inhalts des ge-

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Faktoren unternimmt die Entscheidung Re Brian D. Pierson (Contractors). Das Gericht identifiziert sechs Faktoren, die neben der Minderung des Gesellschaftsvermögens den Haftungsbeitrag des Geschäftsleiters mitzubestimmen geeignet sind. Beschränkungen erfährt die Orientierung am net increase in deficiency zunächst dadurch, dass ein Geschäftsleiter nur für solche Vertiefungen der net deficiency einzustehen hat, die mit der Verwirklichung des Tatbestands des wrongful trading in Zusammenhang (connection) stehen1020. Haftungsmildernd in Anschlag zu bringen sind deshalb vor allem exogene, von der Geschäftsleitung nicht zu verantwortende Umstände wie etwa der negative Einfluss einer unerwartet ungünstigen Wetterlage auf das Ergebnis einer Golfplätze bauenden und unterhaltenden Gesellschaft1021. Ein entsprechender Zusammenhang entfällt allerdings nicht erst bei solchen exogenen Ereignissen. Vielmehr ist grundsätzlich mehr als ein bloßer Kausalnexus zwischen Fortführung und increase in net deficiency erforderlich, es muss ein Zurechnungszusammenhang bestehen: „Normally the law limits liability to those consequences which are attributable to that which made the act wrongful“1022. Dieses Erfordernis erinnert stark an die haftungsausfüllende Kausalität des deutschen Rechts, die allerdings gerade im Bereich der Insolvenzverschleppungshaftung keine eigenständige Bedeutung besitzt. Erneut offenbart sich der strukturell unterschiedliche Ansatz von Insolvenzverschleppungshaftung und wrongful trading. Die Insolvenzverschleppungshaftung, die den Insolvenzantrag zur absoluten Kardinalpflicht erhebt, sieht jedes Verhalten nach Ablauf einer etwaigen Dreiwochenfrist als sanktionswürdiges Agieren zum Nachteil der Gläubiger an; in Konsequenz erübrigt sich ein Rekurs auf die haftungsausfüllende Kausalität, da per se jeder eingetretene Schaden dem Geschäftsleiter als Garanten der Gläubiger zugerechnet wird. Das flexiblere wrongful trading verlangt hingegen neben der bloßen Fortführung der insolvenzreifen Gesellschaft ein spezifisches Verhaltensunrecht1023. Da der Geschäftsleiter gerade nicht

richtlichen Ermessens in der zu Sec. 212 IA ergangenen Entscheidung Cohen and another v Selby and another [2001] 1 BCLC, 176 (183): „I am content to assume (without so deciding) that, on application under s214 of the Insolvency Act 1986, it may not be necessary to establish a causal link between the wrongful trading and any particular loss“. 1020 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (=2001 WL 72039) para. 376; Hannigan, Company Law, Rn. 25-27 = S. 686. 1021 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 18 (56); in Bezug genommen in Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (2001 WL 720239) para. 379; Simmons, Insolvency Intelligence 2001, 14 (2), 12 (14). Vgl. auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (197 f.) mit Hinweis auf die Lehre vom Schutzzweck der Norm des deutschen Rechts. 1022 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (=2001 WL 720239) para. 380. Park J. zitiert hier Re South Australia Asset Management Corporation v. York Montague Ltd. [1991] AC 191 (214). 1023 Deutlich Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (2001 WL 720239), para. 378: „[…] it is not enough for a liquidator claimant merely to say that, if the company had not still been trading, a particular loss would not have been suffered by the company. There must, in my view, be more than a mere „but for“ nexus of that to connect the

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als Garant für die Erfüllung der Ansprüche der Gläubiger nach Erreichen des moment of truth fungiert, müssen sich die eingetretenen Schäden als Konsequenz dieses besonderen Verhaltensunrechts darstellen. Während das deutsche Recht die Haftungsbeschränkung mit Erreichen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung faktisch aufhebt, beschränkt sich sec. 214 IA darauf, es der Geschäftsleitung zu untersagen, die Haftungsbeschränkung in der Krise der Gesellschaft in der Weise zu instrumentalisieren, dass Risiken in opportunistischer Weise auf die Gläubiger überwälzt werden. Das technologische Risiko verbleibt hingegen bei den Gläubigern. Dass die Rechtsprechung nicht bei dieser Orientierung an der herkömmlichen Kausalitätsdogmatik stehenbleibt1024, sondern sec. 214 IA zu einem echten Ermessensanspruch ausgestaltet, wird bei Betrachtung der weiteren relevanten Faktoren deutlich. Trotz der grundsätzlichen Entscheidung für einen objektivierten Verhaltensmaßstab berücksichtigen die Gerichte im Rahmen ihres Ermessens auch die persönliche Einstellung des Täters bei der Höhe des in das Gesellschaftsvermögen zu entrichtenden Betrages1025. Ein Automatismus des Inhalts, dass im Falle fehlenden Vorsatzes notwendig ein niedrigerer Betrag zu entrichten wäre, besteht allerdings nicht1026. In gleiche Richtung wird in Re Continenal Assurance Company of London plc erwogen, die Vorhersehbarkeit (foreseeability) als gewichtigen Umstand zu berücksichtigen1027. Entlastend kann sich darüber hinaus im Einzelfall das Ausbleiben von Warnungen durch Außenstehende (Wirtschaftsprüfer, Banken) auswirken1028. Wenn auch das Fehlen solcher Hinweise nicht den Tatbestand des wrongful trading auszuschließen vermag, da Wirtschaftsprüfer und Banken keiner Beratungspflicht bezüglich der Fortführungsentscheidung der Gesellschaft unterliegen, vermag doch fehlendes schweres Verschulden auf der Rechtsfolgenseite zu Linderungen zu führen. Hintergrund dürfte die Überlegung darstellen, dass das Ausbleiben derartiger Warnungen von Seiten fachkundiger, mit der Lage der Gesellschaft vertrauter Personen trotz der grundsätzlich asymmetrisch verteilten Information zwischen Externen und dem board of directors Indiz dafür ist, dass die finanzwirtschaftliche Schieflage nicht evident ist und den Direktoren somit nur ein geringerer Vorwurf gemacht werden kann. Umgekehrt stellen es die Gerichte negativ

wrongfulness of the directors’ conduct with the company’s losses which the liquidator wishes to recover from them“. Vgl. auch Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 416. 1024 Gleichsinnig Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 416 Rn. 968. 1025 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 18 (56); Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.34 f.; Morse, Charlesworth’s Company Law, S. 318 f.; Hicks, Comp. Law. 1993 14 (3), 55 (57); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 26; Simmons, Insolvency Intelligence 2001, 14 (2), 12 (14). 1026 Vgl. Odiath [1990] LMCLQ 206 (215); Morse, Charlesworth’s Company Law, S. 318 f. 1027 Re Continental Assurance Company of London [2001] B.P.I.R. 733 (=2001 WL 720239) para. 377. 1028 Vgl. etwa Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 417 f.

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in Rechnung, wenn sich die Geschäftsleitung derartigen Warnzeichen verschließt1029. In Ansatz gebracht wird darüber hinaus, welchen Zeitpunkt der Liquidator bei Klageerhebung als moment of truth benennt1030. Negativ ins Gewicht fällt, wenn die Direktoren nicht die notwendige Genauigkeit an den Tag legen oder Dritten gegenüber in der Weise unseriös auftreten, dass sie ausschließlich positive Meldungen weiterleiten und negative Aspekte verbergen1031. Zuletzt wird berücksichtigt, wie maßgeblich der Einfluss des jeweiligen Direktors auf die Leitung der Gesellschaft war. Beschränkt er sich weitgehend auf die nominelle Einnahme der Stellung als Direktor, wird sein Verhalten als weniger kausal (less causative) für die Vermögensminderung angesehen1032. Dies spiegelt sich zudem darin, dass die englische Spruchpraxis abweichend vom deutschen Recht, wo der Grundsatz der Gesamtverantwortung eine Teilschuldnerschaft einzelner Mitglieder eines Geschäftsleitungsorgans praktisch ausschließt, die Haftung wegen wrongful trading im Ausgangspunkt als persönliche und individuelle Haftung jedes einzelnen directors (several liability) begreift und nur bei begründetem Anlass eine gesamtschuldnerische Haftung (joint and several liability) der Direktoren ausurteilt1033. Auch insoweit steht die Entscheidung im Ermessen des Gerichts1034. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist insoweit, inwieweit die betroffenen Geschäftsleiter gemeinschaftlich die Verantwortung für die gläubigerschädigende Fortführung der Gesellschaft tragen1035. Wenn das Gericht den von der Geschäftsleitung in das Gesellschaftsvermögen zu entrichtenden Betrag nach freiem Ermessen festsetzt, sind grundsätzlich nicht nur Abweichungen vom „Masseschmälerungsschaden“ nach unten, sondern auch nach oben möglich1036. Denkbar – und im englischen Schrifttum teilweise gefordert – ist, dass die Direktoren nach sec. 214 IA zum vollen Ausgleich der während der Phase

1029 So in Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 18 (56), wo vor „fundamental uncertainty“ gewarnt wurde. 1030 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 18 (56 f.). 1031 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 18 (57), dem aber weniger Gewicht beigemessen wird durch das Gericht. 1032 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 18 (57); ähnliche (hypothetische) Erwägungen bei Park J. in Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (=2001 WL 720239) para. 388 ff. Vgl. auch Steffek, NZI 2010, 589 (593). 1033 Hannigan, Company Law, Rn. 25-27 = S. 656; Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.34. 1034 Re Idessa (UK) Ltd. (in liquidation) Burke and another v Morrison and another [2012] 1 BCLC, 80 (120). 1035 Re Idessa (UK) Ltd. (in liquidation) Burke and another v Morrison and another [2012] 1 BCLC, 80 (120): „Given my finding that Dr. Morrison was engaged in the management of the company to the same degree as Mr. Povey, my view is that they share liability for wrongful trading on a joint and several basis“. 1036 Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 27-036 = S. 858 weist etwa darauf hin, dass sec. 214 IA seinem Wortlaut nach nicht verlangt, dass Verbindlichkeiten nach dem moment of truth begründet worden seien.

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des wrongful trading begründeten Verbindlichkeiten verpflichtet sein sollten1037. Die hierfür ins Felde geführten Argumente gleichen im Wesentlichen denen der Befürworter der Ersatzfähigkeit des Kontrahierungsschadens im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung. Nur unter dieser Voraussetzung würden Neugläubiger die ihnen durch das pflichtwidrige Geschäftsleiterhandeln widerfahrene Vermögenseinbuße ersetzt erhalten1038. Die lex lata verweigere den Neugläubigern den vollen Ausgleich ihrer Schäden, während den Altgläubigern ein windfall profit zugesprochen werde. Durch eine sämtliche, während der Phase des wrongful trading begründeten Verbindlichkeiten umfassende Haftung hingegen würden Altgläubiger nicht geschädigt und gleichzeitig die Direktoren zur Kompensation der primären Opfer des wrongful trading angehalten1039. Die Spruchpraxis hat derartigen Forderungen eine Absage erteilt und orientiert sich bei der Haftungsobergrenze strikt an der Masseschmälerung sowie am Grundsatz der par conditio creditorum1040. In Re Purpoint Ltd führt Vinelott J hierzu aus: „The purpose is to recoup the loss to the company so as to benefit the creditors as whole“1041. Von dem hier vertretenen Standpunkt aus erscheint diese Beschränkung angemessen. Nur wenn man das Prinzip der Totalreparation zum Paradigma erhebt, erscheint die Besserstellung der Neugläubiger geboten. Insoweit gelten die gleichen Überlegungen wie im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung. Eine Beschränkung des Anspruchs der Neugläubiger berücksichtigt, dass anderenfalls das gesamte technologische Risiko auf die Geschäftsleitung übertragen würde sowie den Umstand, dass Neugläubiger im Regelfall durch besonders nachlässiges Screening aufgefallen sind. Strukturell zu berücksichtigen ist, dass das englische Recht gerade keine Insolvenzantragspflicht als Kardinalpflicht der Geschäftsleitung in der Krise der Kapitalgesellschaft statuiert. Da das Pflichtenprogramm von sec. 214 IA differenzierter als dasjenige von § 15a Abs. 1 InsO ausfällt, lässt sich eine Pflicht, die insolvente Kapitalgesellschaft aus dem Geschäftsverkehr zu ziehen, damit Gläubiger nicht geschädigt werden, nicht begründen. Damit kann auch nicht darauf abgestellt werden, dass bei pflichtgemäßem Verhalten Verträge mit Neugläubigern gar nicht mehr zu Stande gekommen wären. Der Abschluss eines Neugeschäfts wäre vielmehr auch dann rechtmäßig, wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig ist, ihre Geschäftsleitung jedoch jeden Schritt zur Minimierung der Verluste der Gläubiger ergriffen hat. 1037

Hierfür insbesondere Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17). So der Klägervortrag in Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491 (499). 1039 Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17). 1040 Re Continental Insurance Company of London [2001] B.P.I.R. 733 (=2001 WL 72039) Annex B. Vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (545); ders., Creditor Protection in Private Companies, S. 197; Fleischer, ZGR 2004, 437 (461); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 156 f.; Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 417; Stöber, ZHR 176 (2012), 329, (340 f.). 1041 Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491 (499); vgl. auch Re Continental Insurance Company of London [2001] B.P.I.R. 733 (=2001 WL 72039) para. 89. 1038

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Hinzuweisen ist allerdings auch darauf, dass im Falle, dass die Gerichte von der nach hier vertretener Ansicht zulässigen Möglichkeit, den moment of truth gegebenenfalls deutlich vor Erreichen der rechnerischen Überschuldung anzusetzen, Gebrauch machen würden, sowohl Alt- als auch Neugläubiger weitgehenden Ersatz ihrer Forderungsausfälle erzielen könnten: für Altgläubiger würde sich hier unmittelbar auswirken, dass der während der Phase des wrongful trading aufgelaufene net increase in deficiency unmittelbar mit dem Überschreiten der bilanziellen Nulllinie einsetzen würde, während Neugläubigern weitgehender Schutz darüber zu Teil würde, dass a) die Ausreichung eines Darlehens zunächst eine reine Bilanzverlängerung darstellt und folglich in diesem Szenario auch jede Entwertung der Neugläubigerforderungen ihrerseits mit einem Anstieg der Vermögensinsuffizienz der Gesellschaft verbunden ist und b) kein Verteilungskonflikt zwischen Alt- und Neugläubigern bestünde, der zu einer Entwertung der Neugläubigeransprüche führen würde. Festzuhalten haben wird man aber auch, dass rechtspolitisch bzw. rechtsökonomisch eine solche weitgehende Gläubigerbefriedigung als mit den Prinzipien der beschränkten Haftung eigentlich unvereinbar allenfalls in Ausnahmefällen wünschenswert bzw. effizient ist, selbst bei Ansatz eines sehr frühen Zeitpunkts im Leben der Gesellschaft die vollständige Bedienung sämtlicher Gläubigerausfälle aufgrund der ermessensabhängigen Ausgestaltung der Haftung nach sec. 214 IA nicht notwendige Folge ist und die Spruchpraxis bisher keine Bereitschaft zeigt, von den diesbezüglich durch den Tatbestand des wrongful trading eingeräumten Freiheitsgraden Gebrauch zu machen. Abschließend ist auf das im Rahmen der Haftung auf den Quotenschaden präsentierte einfache Beispiel der erkennbar bilanziell überschuldeten (100.000 E) Gesellschaft ohne positive Fortführungsprognose zurückzukommen, um die unterschiedliche Behandlung unternehmerischer Entscheidungen unter § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO und sec. 214 IA darzustellen. Der Gesellschaft stand die Möglichkeit offen, verbliebenes Umlaufvermögen durch kurzfristige Fortführung der Gesellschaft zu einem vertretbaren Preis abzusetzen, wodurch mit Wahrscheinlichkeit von 80 % ein Ertrag in Höhe von 50.000 E generiert wird, mit der Gegenwahrscheinlichkeit von 20 % hingegen ein Verlust in Höhe von 10.000 E. Die Handlungsalternative kurzfristige Fortführung und Abverkauf besitzt somit einen Erwartungswert E ¼ 0; 8 ¡ 50:000 þ 0; 2 ¡ ð¢10:000Þ ¼ 38:000. Nach deutschem Recht darf ein Geschäftsleiter das entsprechende Projekt nicht durchführen, selbst dann nicht, wenn es nach Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr realisiert werden könnte. Anders hingegen nach englischem Recht. Grundsätzlich sollte bereits der Tatbestand des wrongful trading in dieser Konstellation nicht erfüllt sein, da die Geschäftsleitung, indem sie die Chance wahrnimmt, den einzig verbliebenen Schritt zur Minimierung der Verluste für das Gesellschaftsvermögen – und damit für die Gläubiger – unternimmt. Aber selbst unter der Voraussetzung, dass es dem Geschäftsleiter nicht gelingt, darzulegen und zu beweisen, dass der Abverkauf die im Gläubigerinteresse richtige Maßnahme war, haftet er nicht sofort auf den vollen Verlust. Vielmehr greift jetzt das Ermessen des Gerichts. Kommt das Gericht

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zu einer ähnlich günstigen Bewertung des Geschäfts, sieht sich der Geschäftsleiter nur einem marginalen Vorwurf ausgesetzt, der sich in der Haftungshöhe entsprechend niederschlagen sollte. b) Begünstigte Gläubigergruppen Sec. 214 IA verpflichtet die Direktoren zur Leistung in das Gesellschaftsvermögen (to the company’s assets). Darüber, wer zu den Nutznießern der Erstattungszahlung gehört, schweigt das Gesetz. Die Frage besitzt für das englische Recht besondere Brisanz, weil dieses mit der floating charge ein Kreditsicherungsrecht kennt, das sich auf das gesamte, im sogenannten Kristallisationszeitpunkt vorhandene Gesellschaftsvermögen erstreckt1042. Umfasst die floating charge auch die im Rahmen einer Klage nach sec. 214 IA eingesammelten Beträge, würde der Löwenanteil der eingeklagten Summe den gesicherten Gläubigern zufließen und die Masse der ungesicherten Gläubiger gleichzeitig leer ausgehen1043. Ausgehend vom Wortlaut von sec. 214 IA, der die im Rahmen einer erfolgreichen Klage erlangten Mittel dem Gesellschaftsvermögen (to the company’s assets) zuweist, tendierte die Rechtsprechung zunächst dazu, eine floating charge auf sämtliche Vermögensgegenstände zu erstrecken, die die Direktoren in das Gesellschaftsvermögen leisten1044. Schon früh wurden jedoch Zweifel an der Richtigkeit dieses Ergebnisses artikuliert. Der mit sec. 214 IA intendierte Gläubigerschutz würde sich praktisch darstellen als Schutz eines einzelnen Gläubigers – des Inhabers der floating charge1045. Dieses Ergebnis erscheint kaum vereinbar mit der generellen Intention von sec. 214 IA, den Missbrauch des Haftungsprivilegs in der Krise der Kapitalgesellschaft gerade auch im Interesse der nicht anpassungsfähigen Gläubiger zu unterbinden1046. Auch rechtsökonomisch konnte dieses Ergebnis, dass praktisch alleine solchen Gläubigern, die nicht nur theoretisch über hinreichende Selbstschutzmöglichkeiten verfügen, sondern von diesen auch Gebrauch gemacht haben (Bestellung der floating charge), kaum überzeugen. Vor dem Hintergrund dieser Kritik hat sich die Rechtsprechung in der Folge dem Verdikt von Knox J nicht angeschlossen. In Re MC Bacon Ltd. (No. 2) wird als obiter dictum festgestellt, dass der Erstattungsanspruch nach sec. 214 IA nicht von einer floating charge erfasst werde1047. Das dogmatische Fundament lieferte in der Folge 1042 Vgl. hierzu Odiath [1990] LMCLQ 205 (216); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (19); Cork, ZIP 1982, 1275 (1277). 1043 Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (19); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (101); Prentice, Oxford Journal of Legal Studies 10 (1990), 265 (268). 1044 Re Produce Marketing Consortium Ltd. [1989] BCLC, 520 (598); Oesterle, in: Ramsay, 19 (39); Bachner, Creditor Protection in Private Companies, S. 220. 1045 Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (19); Odiath, [1990] LMCLQ 206 (219). 1046 Vgl. Cook, Insolvency Lawyer 1999, 99 (99 ff.); vgl. auch Parry, CFiLR 1998, 121 (125). 1047 Re MC Bacon Ltd. (No 2) [1990] BCLC 607 (613).

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die Entscheidung Re Oasis Merchandising Services Ltd. Ward vs. Aitken1048. Hiernach ist zu differenzieren zwischen Vermögensgegenständen, die der Gesellschaft bereits im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung zustehen, und solchen, die einerseits erst nach Verfahrenseröffnung in das Gesellschaftsvermögen gelangen und andererseits der alleinigen Durchsetzung durch den Liquidator unterliegen1049. Unter Berücksichtigung dieser Unterscheidung gehört der Anspruch aus sec. 214 IA nicht zum eigentlichen Vermögen der Gesellschaft, sondern bildet eine Sondermasse, deren Verteilung ohne Rücksicht auf bestehende Kreditsicherheiten erfolgt1050. Profiteure einer erfolgreichen Klage aus sec. 214 IA sind damit allein die ungesicherten Gläubiger. Auch rechtsökonomisch sprechen die besseren Argumente für eine Zuweisung der Erträge einer erfolgreichen Klage aus sec. 214 IA an die ungesicherten Gläubiger. Nicht das Vermögen eines einzelnen Gläubigers, sondern die Forderungen der Gesamtgläubigerschaft werden durch opportunistisches Verhalten der Geschäftsleitung gefährdet. Gerade die Werthaltigkeit der Forderungen ungesicherter Gläubiger wird durch Überinvestition, Unterinvestition und Verwässerung nachhaltig beeinträchtigt. Insbesondere gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Gruppe der ungesicherten Gläubiger maßgeblich aus nicht anpassungsfähigen Gläubigern rekrutiert. Ungesicherte Gläubiger sind regelmäßig nur deshalb ungesichert, weil die Transaktionskosten der Besicherung relativ so hoch sind, dass ihre Bestellung irrational wäre. In einer transaktionsfreien Coase-Welt hingegen würden auch sie auf Sicherheiten bestehen, insbesondere dann, wenn gleichzeitig kein Risikozins vereinbart wird. Mit der Zuweisung der eingeklagten Summe an die ungesicherten Gläubiger wird dieser Transaktionskostennachteil teilweise kompensiert. Demgegenüber erscheint der Inhaber einer floating charge als wenig schutzbedürftig, da er regelmäßig der Gruppe der Fremdkapitalgeber entstammt, die über die besten Selbstschutzmöglichkeiten verfügt1051. Die Haftung wegen wrongful trading genügt insoweit dem oben formulierten Ziel, gerade den Gläubigern zur Hilfe zu eilen, die aufgrund von prohibitiv hohen Transaktions- und Informationskosten eine vertragliche Absicherung nicht zu erreichen vermögen. Durch die ausschließliche Zuweisung an die ungesicherten 1048 Re Oasis Merchandising Services Ltd. Ward v Aitken [1997] 1 All ER 1009 (1009 ff.); angedeutet bereits in Re MC Bacon Ltd. (No 2) [1990] BCLC 607 (613). 1049 Re Oasis Merchandising Services Ltd., Ward v Aitken [1997] 1 All ER 1009, (1018 ff.); Re Flour Fourteen Ltd. Lewis v Inland Revenue Commissioner and others [2001] 2 BCLC 392 (392 f.); Re International Championship Management Ltd. [2007] 2 BCLC 274 (281 f.); Davies, EBOR 7 (2006), 301 (316 f.); Parry, CFiLR 1998, 121 (125). 1050 Vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (544); Hannigan, Company Law, Rn. 25-29 = S. 657. 1051 Regelmäßig ist der Inhaber der floating charge darüber hinaus auch die Person, die an den meisten assets der Gesellschaft fixed charges hält. Zur Schutzbedürftigkeit gerade der ungesicherten Gläubiger Burger/Schellberg, ZfB 65 (1995), 411 (415); Hommelhoff, ZfB 54 (1984), 698 (698 f.); Spindler, EBOR 2006, 339 (343 f.).

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Gläubiger werden ihre besonders ausbeutungsoffenen Positionen zumindest teilweise geschützt. Gesicherte Gläubiger werden auf der anderen Seite hierdurch nicht in unvertretbarer Weise benachteiligt. Die hauptsächlich betroffenen Finanzgläubiger und Warenlieferanten sind in der Praxis nicht allein durch Kreditsicherheiten vor dem Insolvenzrisiko und dem Risiko opportunistischen Verhaltens geschützt. Sie verfügen zusätzlich über grundsätzlich bessere Möglichkeiten zum Monitoring. Indem ihnen die Erträge von sec. 214 IA vorenthalten werden, wird folglich gleichzeitig für diese anpassungsfähigen Gläubiger ein Anreiz zur Ausübung ihrer Kontrollmöglichkeiten gesetzt. Die induzierte Intensivierung und Aufteilung der Überwachung der Gesellschaft sollte zu einem Sinken sowohl der primären als auch der sekundären Kosten führen. Auch wird man in dieser Rechtsprechung keine Aufforderung zum free riding sehen können. Zwar hält ein übertriebenes Niveau gesetzlichen Gläubigerschutzes ungesicherte Gläubiger davon ab, nach Möglichkeiten verbesserter vertraglicher Absicherung zu suchen. Im Wissen um den gesetzlich eingeräumten Schutz kennzeichnet sich ihr Verhalten durch eine gewisse Nachlässigkeit1052. Diese theoretische Gefahr wird man jedoch in der englischen Praxis – trotz der Zuweisung des Erstattungsanspruchs an die ungesicherten Gläubiger – nicht bestätigt finden. Das Geschäftsführervermögen ist in zahlreichen Fällen eine unsichere Größe, so dass ein Verzicht auf alternative Sicherungsinstrumente ein erhebliches Risiko in sich birgt. Darüber hinaus ist die Zahl erfolgreicher Klagen nach sec. 214 IA gering geblieben und aufgrund der tatbestandlichen Unwägbarkeiten der Erfolg im Einzelfall nur schwer zu prognostizieren. Schließlich gilt es zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung „Neugläubigern“ den Ersatz ihres negativen Interesses verweigert, so dass auch im Falle der Haftungsrealisierung Gläubigern, die sich allein auf sec. 214 IA und den Insolvenzverwalter verlassen, empfindliche Einbußen drohen können. c) Anspruchsinhaberschaft und Common-Pool Vergleichbar der grundsätzlichen Haftungskonzentration auf den Verband, die etwa in den §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 64 GmbHG n.F. und der Haftung auf den Quotenschaden ihren Ausdruck gefunden hat, weist sec. 214 IA nicht den einzelnen Gläubigern individuelle Ansprüche zu, sondern verpflichtet die Geschäftsleitung gegenüber der Gesellschaft1053. Es handelt sich um einen office holder claim, zu dessen Geltendmachung ausschließlich der Insolvenzverwalter berechtigt ist1054, der allerdings seit dem Entreprise Act 2002 zusätzlich der Zustimmung des Gläubi1052

Vgl. Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (343 f.). Da mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand wenig zielführend, nicht weiter thematisiert wird die Frage, ob die Dogmatik des englischen Rechts einer Verwendung der deutschen Terminologie entgegensteht. Vgl. hierzu Bachner, Creditor Protection in Private Companies, S. 214 ff. 1054 Vgl. Gräfe, DZWiR 2005, 410 (411); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (195); Schall, ZIP 2005, 965 (967); Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 422. 1053

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gerkommitees, der Gläubiger selbst oder aber des Gerichts bedarf1055. Der durch das Gericht ausgeurteilte Betrag ist in das Gesellschaftsvermögen zu leisten, wird allerdings in der Folge an die Gläubiger ausgekehrt1056. Begreift man die Geschäftsleiterhaftung als Teil der allgemeinen Befriedigungsmasse, verhindert diese Ausgestaltung der Anspruchseinbringung zusammen mit dem Verzicht auf einen Kontrahierungsschaden das Common-Pool-Problem. Ein Wettlauf der Gläubiger auf das Geschäftsführervermögen wird nicht eröffnet1057. Die Gläubiger in ihrer Gesamtheit werden entlastet von den Überwachungs- und Exekutionskosten, die eine vollständige individuelle Befriedigung ermöglichen sollen. Anders als im deutschen Recht steht einer Haftungsdurchsetzung durch den Insolvenzverwalter auch nicht die Informationsverteilung zwischen Gläubigern und Verwalter entgegen. Indem der Umfang der Haftung strukturell nicht an der Höhe der Forderungen der einzelnen Gläubiger orientiert ist, ist der Insolvenzverwalter nicht gehalten, diese individuellen Verschuldensanteile zu ermitteln. Er kann sich auf die Ermittlung der Verminderung des Gesellschaftsvermögens durch wrongful trading beschränken. d) Tertiäre Kosten des wrongful trading Bekannt ist der Befund, dass, während die Einführung des wrongful trading teils euphorisch gefeiert wurde1058, mittlerweile eine gewisse Ernüchterung bis hin zur Resignation sich breit gemacht hat1059. Ursächlich für diesen Perzeptionswandel in der Wissenschaft ist insbesondere die niedrige Zahl – zumindest der berichteten – auf sec. 214 IA gestützten Haftungsklagen und Berufsverbote (directors disqualifica1055

Vgl. (mit Blick auf die damit verbundenen Belastungen für eine effektive Haftungsdurchsetzung kritisch) Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 423. 1056 Vgl. Schröder/Schneider, GmbHR 2005, 1288 (1290); Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 216. 1057 Schillig, Comp. Law. 2009, 298 (302). 1058 Immer wieder zitiert: Prentice, Oxford Journal of Legal Studies 10 (1990), 265 (277): „One of the most important developments in company law this century“; etwas zurückhaltender ders., Corporate Personality, 99 (125):”Section 214 is the right start“. Vorsichtiger auch schon Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (16): „These comments are undoubtedly true, though the precise impact is yet to be seen in practice“. 1059 Vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (551); Bicker, GPR 2006, 127 (127 f.); Cook, Insolvency Lawyer 1999, 99 (99 ff.); Davies, EBOR 7 (2006), 301 (325); Fleischer, ZGR 2004, 437 (456); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Rn. 9-11 (= S. 236); Griffin, Personal Liability and Disqualification of Company Directors, S. 96 f.; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (180 f.); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (16); Hopt, ZHR 171 (2007), 199 (226); Mülhens, Haftungsdurchgriff im deutschen und englischen Recht, S. 173 f.; Schulte, Comp. Law 199, 20 (3), 80 (81). Zum gleichen Befund für das australische insolvent trading Herzberg, in: Ramsay, 148 (148 ff.); anders allerdings Whincop, in: Ramsay, 43 (43): „are perhaps the most important provisions for corporate directors in the entirety of the statute“; ähnlich Moore, Comp. Law. 2006, 237 (238): „The wrongful trading rule is a rare specimen in British company law today, being both conceptually elegant and practically effective on a day-to-day basis“ [Hervorhebung im Original].

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tions)1060, verschärft durch den Befund, dass selbst in diesen wenigen Fällen nicht alle oder doch wenigstens die Mehrzahl der Klagen erfolgreich gewesen wäre1061. Dies eröffnet die Frage nach den Gründen. Das theoretisch durchaus stimmige Konzept des wrongful trading müsste abgelehnt werden, wenn es aufgrund einer allzu artifiziellen Struktur keine Wirkmächtigkeit in der Praxis zu erlangen vermöchte. Sollte es sich bei sec. 214 IA tatsächlich um den von der Kritik beschworenen „Papiertiger“1062 handeln, würde die Revision des Anreizsystems nicht beeinflusst1063. Der Direktor, der nicht mit einer Inanspruchnahme rechnen muss, ist durch Rationalitätserwägungen nicht gezwungen, opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft zu unterlassen. Die gesamtwirtschaftlichen Effizienzverluste, die das Haftungsprivileg unter bestimmten Voraussetzungen mit sich bringt, werden folglich nicht adressiert. Unter verschiedenen Gesichtspunkten wird allerdings bestritten, dass die unbereinigten Urteilszahlen ein hinreichend zielgenauer Indikator der Wirkmächtigkeit des wrongful trading sind. Aufgrund des Fehlens (quasi)amtlicher Sammlungen erlaubt die Zahl der veröffentlichten Entscheidungen keinen direkten und einfachen 1060

Keay, Wrongful Trading, S. 3; Bicker, GPR 2006, 127 (127); Fleischer, ZGR 2004, 437 (456); Spindler, JZ 2006, 839 (850); Vetter, ZGR 2005, 832 (841). Sec. 214 IA 1986 widmen sich – ersichtlich – die Urteile: Re a Company (No oo5009 of 1987), ex parte Copp another [1989] BCLC 13 (13 ff.); Re Farmizer (Products) Ltd. Moore & Anor v Gadd & Anor [1997] 655 (655 ff.); Re Produce Marketing Consortium Ltd. [1989] BCLC, 520 (520 ff.); Re DKG Contractors Ltd. [1990] B.C.C. 903 (903 ff.); Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491 (491 ff.); Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (26 ff.); Re Oasis Merchandising Services Ltd. [1997] 1 All ER 1009 (1009 ff.); Re Flour Fourteen Ltd. Lewis v Inland Revenue Commissioner and others [2001] 2 BCLC, 392 (392ff); Official Receiver v Doshi [2001] 2 BCLC 235 (273 ff.); Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (=2001 WL 720239); Re The Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC 110 (110 ff.); Re Marini Ltd. Liquidator v. Dickenson & Ors. [2004] B.C.C. 172 (172 ff.); Re International Championship Management Ltd. [2007] 2 BCLC 274 (274 ff.); Re Yorkshire Ltd. (unveröffentlicht); Single vs. Hedman [2010] EWHC 902 (Ch) = NZI 2010, 616; Re Bangla Television Ltd. [2009] EWHC 1632 (Ch) = NZI 2010, 621 (621 ff.) = BeckRS 2010, 07479; Re Roberts v Frohlich and another, 2 BCLC [2011], 625 (625 ff.); Re Idessa (UK) Ltd. (in liquidation) Burke and another v Morrison and another [2012] 1 BCLC, 80 (115 ff.). 1061 Erfolgreich nur Re Yorkshire Ltd. (unveröffentlicht); Re Produce Marketing Consortium Ltd. [1989] BCLC 520 (520 ff.); Re DKG Contractors Ltd. [1990] B.C.C. 903 (903 ff.); Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491 (491 ff.); Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (26 ff.); Re The Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC 110 (110 ff.); Single vs. Hedman [2010] EWHC 902 (Ch) = NZI 2010, 616; Re Bangla Television Ltd. [2009] EWHC 1632 (Ch) = NZI 2010, 621 (621 ff.) = BeckRS 2010, 07479; Re Roberts v Frohlich and another, 2 BCLC [2001], 625 (663); Official Receiver v Doshi [2001] 2 BCLC 235 (237 ff.). 1062 Cook, Insolvency Lawyer 1999, 99 (99 ff.): „[…] the law on wrongful trading is little more than a paper tiger“; aus dem deutschen Schrifttum gleicher Befund zuletzt bei Stöber, ZHR 176 (2012), 329 (355). 1063 Gleichsinnig aus juristischer Sicht Bicker, GPR 2006, 127 (127); die Bedeutung der Rechtsdurchsetzung in allgemeinen Zusammenhang betonend Eidenmüller, JZ 2007, 487 (488).

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Rückschluss auf die gerichtliche Relevanz einer Rechtsregel1064. Als Beispiel der für Außenstehende obskuren Veröffentlichungspolitik englischer Fallsammlungen wird man die Behandlung der grundlegenden Entscheidung Re Continental Assurance Company of London plc anführen können. Die vom 27. April 2001 datierende Entscheidung wird zwar bereits im selben Jahr veröffentlicht1065, in die umfängliche und eigentlich umfassende Gesellschaftsrechtssammlung der Butterworths Company Law Cases schafft sie es hingegen erst im Jahre 20071066. Dies erscheint umso erstaunlicher, als weniger zentrale Entscheidungen zum gleichen Streitgegenstand zeitnah erfasst wurden1067. Betont wird auch, dass die Zahl der Gerichtsentscheidungen nur bedingt Auskunft über die praktische Effektivität einer Rechtsregel gebe. Einerseits könne die angedrohte Sanktion auch in der Weise Wirksamkeit entfalten, dass Direktoren von vorne herein auf eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger verzichten1068. So wird berichtet, dass das Instrument des wrongful trading in der Londoner City gefürchtet werde1069. Andererseits könne bereits die Drohung einer Klage reichen, um einen Prozess durch außergerichtlichen Vergleich zu vermeiden1070. In zahlreichen Fällen müsse zudem davon ausgegangen werden, dass die konkret betroffenen Direktoren „may not be worth powder and shot“ bzw. „not worth pursuing“1071, was insbesondere für kleine Gesellschaften gelten kann, deren Direktoren gleichzeitig Ge-

1064 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 301 (325). A.A. Steffek, NZI 2010, 589 (595): keine hohe Dunkelziffer zu vermuten. 1065 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (733) (= 2001 Westlaw 720239). 1066 [2007] 2 BCLC, 287 (287). 1067 Re Continental Assurance Company of London plc [1999] 1 BCLC 751 (751 ff.) (Entscheidung von Carnwath J aus dem Dezember 1998). 1068 Vgl. Spence, Insolv. Int. 2004, 17 (1), 11 (11); vgl. auch Fleischer, ZGR 2004, 437 (456 f.); kritisch Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 35 mit Blick auf die trotz Existenz von sec. 214 IA hohe Zahl an CDDA-Verurteilungen. 1069 Vgl. Hopt, ZHR 171 (2007), 199 (227); vgl. auch Hannigan, Company Law, Rn. 25-30 = S. 657 f., die davon berichtet, dass auch bei kleinen Kapitalgesellschaften eine gewisse Vorsicht mit Blick auf die persönliche Haftung der Gesellschafter-Geschäftsführer vorherrscht. Mayson, French & Ryan on Company Law, Rn. 20.12.7 = S. 713 weisen zudem darauf hin, dass die Intensität, mit der Liquidatoren die geschäftliche Vergangenheit aufarbeiten, zugenommen habe. 1070 Vgl. Farrar’s Company Law, S. 6 Fn. 14; Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (102 f.); von Hase, BB 2006, 2141 (2143); konzediert auch von Cook, Insolvency Lawyer 1999, 99 (99 ff.). Gerichtlicher Nachweis einer solchen außergerichtlichen Einigung in Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (= 2001 WL 720239) para 20. Skeptisch demgegenüber Steffek, NZI 2010, 589 (595), der aufgrund geringen Drohpotenzials des Liquidators von einer geringen Vergleichsbereitschaft der betroffenen Direktoren ausgeht. 1071 Bhattacharyya, Comp. Law. 1994, 15 (5), 151 (152); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (16); für Australien vgl. Herzberg, in: Ramsay, 148 (149).

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sellschafter sind und in dieser Funktion Sicherheiten aus ihrem Privatvermögen gestellt haben1072. Daneben existieren prozessrechtliche Besonderheiten, die eine Durchsetzung eines Anspruchs aus sec. 214 IA behindern1073. Indem mit der Re-Oasis-Merchandising-Entscheidung die Erträge des wrongful trading zu Gunsten der ungesicherten Gläubiger reserviert worden sind, ist die Klage gleichzeitig für gesicherte Gläubiger uninteressant geworden1074. Damit fallen nicht allein die regelmäßig finanzstärksten und bestinformierten Gläubiger als potentielle Anspruchssteller aus, vielmehr werden für diese auch Anreize gesetzt, sich im Einzelfall einer entsprechenden Klage zu widersetzen. Aus Sicht der gesicherten Gläubiger steht den Prozessrisiken kein Vorteil im Erfolgsfall gegenüber. Reüssieren die Inhaber von fixed und floating charges mit einer solchen Obstruktionsstrategie, können die Ergebnisse für die ungesicherten Gläubiger erheblich sein. Die Dimensionen verdeutlicht die Entscheidung Re Flour Fourteen, in der sich nicht gesicherte, aber bevorrechtigte Gläubiger, die bei vorhandenen Vermögenswerten in Höhe von £ 11.250 eine Befriedigungsquote von 44 % erzielten, weigerten, eine auf £ 150.000 taxierte Klage aus sec. 214 IA zu unterstützen1075. Die Üblichkeit der floating charge als Sicherungsmittel bringt es darüber hinaus mit sich, dass Verfahren des Administrative Receivership Regelfolge finanzwirtschaftlicher Schieflagen waren und das winding up als Voraussetzung einer Haftungsklage gegen die Geschäftsleitung ausschied1076 ; nach wie vor gilt, dass wrongful trading in Verfahren der administrative receivership und der administration nicht zur Anwendung gelangt1077, wodurch insbesondere ein Anreiz für Geschäftsleiter besteht, ein winding up tunlichst zu vermeiden. Große Bedeutung wurde bis in die jüngste Vergangenheit hinein zuletzt der Tatsache beigemessen, dass die Verfahrenskosten der Durchsetzung eines Anspruchs aus wrongful trading zunächst nicht als Insolvenzkosten (liquidation expenses) angesehen wurden1078. Das Kostenrisiko einer erfolglosen Klage hatte der Insolvenzverwalter persönlich zu

1072 Vgl. Bicker, GPR 2006, 127 (127 ff.); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (180 f.); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (16); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (104); vgl. auch Merkt/ Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (251 f.); Schall, ZIP 2005, 965 (967). 1073 Etwa Prentice, Corporate Personality, 95 (125): „Perhaps the major problem is insufficiency of enforcement“. 1074 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 301 (325 f.); Cook, Insolvency Lawyer 1999, 99 (99 ff.). 1075 Re Flour Fourteen Lewis v Inland Revenue Commissioner and others [2001] 2 BCLC 392 (392 f.). 1076 Vgl. Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (104); Odiath [1990] LMCLQ 205 (217 f.). 1077 Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 422 f. 1078 Re Floor Fourteen Ltd. Lewis v Inland Revenue Commissioner and others [2001] 2 BCLC, 392 (402 ff.); vgl. Schulte, Comp. Law. 1999, 20 (3), 80 (81); ausführlich hierzu und zur sich anschließenden Rechtsentwicklung Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 424 ff.; zur möglichen Finanzierung eines office holder claims auch Parry, CFiLR 1998, 121 (121 ff.).

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tragen1079. Im wohlverstandenen Eigeninteresse verfolgte der Liquidator einen möglichen Anspruch nach sec. 214 IA nur in den eindeutigsten Fällen1080. Gleichzeitig wurde die hierfür in der Praxis erdachte Lösung, etwaige Ansprüche zur Anspruchsdurchsetzung abzutreten, in Re Oasis Merchandising als Verstoß gegen die rule of champerty unterbunden1081. Mit Wirkung zum 01. 01. 2003 hat der Gesetzgeber diesem Durchsetzungsdefizit – zumindest partiell – abgeholfen, indem dem Liquidator ein vorrangiger Anspruch gegen die Masse auf Ersatz der Prozesskosten zugestanden wird1082. Wenn auch nicht rechtlich, so doch faktisch konterkariert wurde diese Entscheidung des Gesetzgebers durch die Entscheidung des House of Lords in der Sache Buchler vs. Talbot1083. Destilat der Besonderheiten des englischen Insolvenzverfahrens- und Kostenrechts geschuldeten Entscheidung war, dass die durch eine floating charge gesicherten Bestandteile des Vermögens der Gemeinschuldnerin – und damit regelmäßig dessen wesentlicher Teil – nicht an der Finanzierung der Liquidation zu beteiligen waren1084 mit der Folge, dass dem Liquidator zwar aufgrund der dargestellten Gesetzesänderung ein bevorrechtigter Anspruch gegen die Masse zustand, diese Masse aber durch die Entscheidung des House of Lords so geschwächt wird, dass die Erhebung einer Klage nach sec. 214 IA aus Sicht des Liquidators nur in Evidenzfällen eine vertretbare Handlungsoption darstellt. Der Gesetzgeber hat die Reform des Companies Act 1985 im Jahre 2006 zum Anlass genommen, die unbefriedigende und mit der Intention des Gesetzgebers nicht zu vereinbarende Rechtslage erneut zu revidieren1085. Abzuwarten bleibt, ob mit dieser Entscheidung das letzte Wort zur Finanzierung von wrongful tradingKlagen gesprochen ist. Naturgemäß ungelöst bleibt das Problem, dass auch nach den Reformen ein Liquidator allenfalls dann die Erhebung einer aussichtsreichen 1079 Vgl. Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (298); Cook, Insolvency Lawyer 1999, 99 (99 ff.); Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 216 f.; Triebel/Otte/Kimpel, BB 2005, 1233 (1237); Spindler, JZ 2006, 839 (850); Schulte, Comp. Law., 20 (3), 80 (80). Ausführlich hierzu im deutschen Schrifttum Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 424 ff. 1080 Vgl. Bhattacharyya, Comp. Law. 1994, 15 (5), 151 (152); Hicks, JBL 2001, 433 (456 f.); Schulte, Comp. Law. 1999, 20 (3), 80 (81); Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 426. 1081 Vgl. Re Oasis Merchandising Services Ltd. Ward v Aitken & Ors. [1997] 1 All ER 1009 (1012 ff.); Cook, Insolvency Lawyer 1999, 99 (99 ff.); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Rn. 9-11 (= S. 237); Davies, EBOR 7 (2006) 301 (326); Schulte, Comp. Law. 1999, 20 (3), 80 (81 ff.); zu Oasis auch Parry, CFiLR 1998, 121 (123 ff.). 1082 Rule 4.218 (1) (a) Insolvency Rules 1986, SI 1986/1925. Vgl. Bachner, EBOR 5 (2004), 293 (297 f.); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (181); Mülhens, Haftungsdurchgriff im deutschen und englischen Recht, S. 173 f.; Triebel/Otte/Kimpel, BB 2005, 1233 (1237). 1083 Buchler and another v Talbot and others [2004] 2 AC 298, (298 ff.). 1084 Buchler and another v Talbot and others [2004] 2 AC 298, (321 f.); anders die bis dahin geltende Leitenscheidung Re Barleycorn Enterprises Ltd. [1970] 2 All ER 155 (155 ff.); die in Buchler v Talbot ausdrücklich „overruled“ wird; ausfühlich zum Ganzen Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 428 f. 1085 Vgl. Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 429 ff.

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wrongful trading-Klage in Betracht ziehen wird, wenn das Aggregat aus verbliebenem Gesellschaftsvermögen und eventuell haftungsverstricktem Geschäftsleitervermögen umfänglich genug ist, um seine Ausgaben zu decken. 3. Action en comblement du passif Bezüglich der Rechtsfolgen der action en comblement du passif ist zwischen unmittelbaren und mittelbaren Rechtsfolgen zu differenzieren1086. a) Unmittelbare Rechtsfolgen aa) Ermessensabhängige Haftung der Direktoren Zunächst ermächtigt Art. L. 651-2 C. Com. (=Art. L. 624-3 C. Com. a.F.) das Gericht, einen Geschäftsleiter, dessen Geschäftsleitungsfehler zur insuffisance d’actif beigetragen hat, zu verurteilen, diese Unzulänglichkeit der Aktiven ganz oder teilweise zu tragen1087. Auch die action en comblement du passif statuiert damit weder dogmatisch noch wirtschaftlich eine Schadensersatzhaftung der Geschäftsleitung1088. Einerseits ist ausreichend, dass der Geschäftsleitungsfehler zum Fehlbestand an Aktiva beigetragen hat, folglich also nicht kausal für den gesamten Schaden gewesen sein muss1089. Andererseits ist die Höhe des konkret zu entrichtenden Betrages weitestgehend in das Ermessen des Gerichts gestellt, so dass gerade nicht das auch im droit commun geltende schadensersatzrechtliche Grundprinzip der Totalreparation zur Geltung gelangt1090. 1086

Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 551. Art. L. 651-2 Code de Commerce.: „le tribunal peut […] décider que le montant de cette insuffisance d’actif sera supporté, en tout en partie, par tous les dirigeants de droit ou de fait […] ayant contribué à la faute de gestion“. Vgl. auch Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des Sociétés, Rn. 320 = S. 190; Zattara-Gros, LPA n8 57 (2007), S. 33. 1088 Vgl. Junker, RIW 1986, 337 (347). Die Vorvorgängerregelung (Art. 99 d. Gesetzes v. 13. 7. 1967) war demgegenüber noch als Schadensersatzanspruch ausgestaltet. Vgl. etwa Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 529. 1089 Cass. Com. 21. 6. 2005 (n8 04-12087); Cass. Com. 17. 2. 1998 (n8 95-18.510), D. 1998, Inf. rap. S. 82 = Bull. Joly 1998, 644 (644 f.) mit Anm. Daigre; Lienhard, D. 2005, S. 1850; Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3018); Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 200. 1090 Etwa Cass. Com. 15. 12. 2009, (n8 de pourvoi 08-21906), Bull. civ. IV, n8 166: „[…] le montant de la condamnation prononcée relève de l’appréciation souveraine des juges du fond“. Vgl. Bulle, Le statut du dirigeant, S. 422; Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 181 f.; aus dem deutschen Schrifttum etwa FEK, ZGR 1998, 672 (758); Guyon, Droit des Affaires II, S. 422 f.; Haas, WM 2006, 1417 (1421); ders.; Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 27; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (205); Marquardt/Hau, RIW 1998, 441 (443); Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 161 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 III 2 b, S. 550 f.; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 530: „Billigkeitshaftung“; 1087

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Nicht anders als im englischen Recht erlangt damit die Frage nach den Bestimmungsfaktoren der Haftungshöhe entscheidende Bedeutung. Das Ermessen des Gerichts ist dabei denkbar weit gefasst1091. Im Einzelnen erstreckt sich das Ermessen des Gerichts sowohl darauf, ob ein pflichtwidrig handelnder Geschäftsleiter überhaupt zu einem Beitrag in das Gesellschaftsvermögen zu verurteilen ist oder aber hiervon abgesehen wird1092, als auch auf die Bemessung der konkreten Höhe des durch den Geschäftsleiters zu entrichtenden Betrages, wobei die Spielräume des Tatgerichts noch einmal dadurch erheblich erweitert werden, dass die Höhe der gegen einen Geschäftsleiter ausgesprochenen Verurteilung nicht durch den Betrag begrenzt wird, um den das Gesellschaftsvermögen durch die faute de gestion des betreffenden Geschäftsleiters gemindert wurde1093. Sind mehrere Geschäftsleiter beklagt, in deren Person jeweils die Haftungsvoraussetzungen der action en comblement du passif verwirklicht sind, kann das Gericht dementsprechend bestimmen, wer von ihnen haften soll und in welchem Verhältnis die einzelnen Haftungsbeiträge (Gesamt- oder Einzelschuld) zueinander stehen1094. Prozessrechtlich abgesichert wird dieses weite Ermessen dadurch, dass Prüfungsgegenstand des Revisionsgerichts (cour de cassation) allein das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der action en comblement du passif ist, während die Ermessensausübung als solche selbst nicht justitiabel ist. Eine Überprüfung der Angemessenheit der im Einzelfall ausgesprochenen Sanktion ist somit unmöglich1095. Ähnlich dem englischen nimmt allerdings auch das französische Recht eine gewisse Annäherung an einen Schadensersatzanspruch traditioneller Prägung vor, wenn es als Obergrenze das Defizit des Gesellschaftsvermögens (montant de l’invgl. auch Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 180: „[…] une des originalités du systéme“. 1091 Vgl. Chaput, Droit du redressement, S. 357: „Le sort des dirigeants fautifs, leur absolution dépend du bien vouloir du juge; contrepartie, il est vrai, de la „causalité laxiste“. 1092 Vgl. Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3016): „[…] liberté totale d’appréciation tant sur le principe d’une condamnation que sur le quantum de cette condamnation […]“; vgl. auch Guyon, Droit des Affaires II, S. 423; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 530; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 288, der insoweit in Anlehnung an deutsche Terminologie von „Entschließungsermessen“ spricht. A.A. noch C. de Colmar, 29. 10. 1974, D. somm. 1975, S. 22: „Mais un tribunal ne saurait tout à la fois dire qu’un dirigeant n’a pas apporté la diligence nécessaire et le décharger de toute condamnation“. 1093 Cass. Com. 17. 2. 1998 (n8 95-18.510), D. 1998 Inf. rap. S. 82 = Bull. Joly 1998, § 215 = S. 644 mit Anm. Daigre: „Il peut être condamné à supporter en totalité ou partie les dettes sociales, même si sa faute n’est à l’origine que d’une partie d’entre elles“. 1094 Vgl. Meyer/Gros, GmbHR 2006, 1032 (1037); Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 289; Terboven, Managerhaftung in Deutschland und Frankreich, S. 71; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 127 f.; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 530. 1095 Vgl. Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 71, vgl. auch Klein, RIW 2010, 352 (357); Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 287. Denkbar, aber in der Praxis selten bleibt, dass das Berufungsgericht das Ermessens des Tatgerichts durch sein eigenes ersetzt, vgl. ebda.

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suffisance d’actif) festschreibt1096. Während frühere Sprachregelungen der action en comblement insoweit noch missverständlich formulierten, dass das Gericht einem pflichtwidrig handelnden Geschäftsleiter die vollständige oder teilweise Befriedigung der „Gesellschaftsverbindlichkeiten“ (les dettes de la personne morale), also bei wortlautgetreuer Auslegung der Passivseite der Gemeinschuldnerin an sich, auferlegen könne, spiegelt sich die Begrenzung der Wiederauffüllungsklage auf die Masseinsuffizienz nunmehr – und damit die ständige Rechtsprechung der cour de cassation aufgreifend1097 – auch im Wortlaut des Art. L. 651-2 C. Com. wider1098. Zur Ermittlung der Höhe der Masseunzulänglichkeit ist der Umfang der Aktiva (montant de l’actif) dem Umfang der Passiven (montant du passif) im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gegenüber zu stellen1099. Gleichsinnig verlangt die Rechtsprechung dann, wenn die faute de gestion in einem Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht besteht, dass die Tatgerichte den Eintritt der Insolvenzantragspflicht taggenau bezeichnen, da anderenfalls die Höchstgrenze der kausal auf den Geschäftsleitungsfehler zurückzuführenden Schmälerung des Gesellschaftsvermögens nicht präzise bestimmt werden kann1100. In der Sache handelt es sich damit um die aufgrund Vermögensinsuffienz der Gemeinschuldnerin unbefriedigt gebliebenen Verbindlichkeiten1101. Auch dem französischen Recht ist eine Differenzierung zwischen Alt- und Neugläubigern grundsätzlich fremd. Anders als im englischen Recht1102 ist dieser Befund allerdings nicht zwingend mit der Konsequenz verbunden, dass Neugläubigern unter keinen Umständen ihr negatives Interesse ersetzt würde. Zu berücksichtigen ist, dass Art. L. 651-2 C. Com. im Extremfall eine vollständige Auffüllung des Gesellschaftsvermögens bis zum Erreichen der bilanziellen Nullgrenze verlangt. Gelingt es vor diesem Hintergrund, den Auffüllungsanspruch gegen den Geschäftsleiter vollständig zu realisieren, wird sowohl den Neu- aber auch den Alt1096 Cass. com. 20. 12. 1988 (N8 de pourvoi 87.17017); vgl. Bourrié-Quenillet, JCP/E 1998, 319 (322); Chaput, Droit du redressement, S. 357 f.; Guyon, Droit des Affaires II, S. 423; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 171 (205); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 27; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 550; Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 181; Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3019); Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 269. 1097 Vgl. auch Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 269. 1098 Art. L. 651-2 C. Com. i.d.F. der Ordonnance n8 2008 1345 v. 18 Dezember 2008: „[…] le tribunal peut […] décider que le montant de cette insuffisance d’actif sera supporté […]“. 1099 Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 181. Zur Verfahrenseröffnung als maßgeblichem Zeitpunkt etwa Cass. com. 20. 12. 1988 (N8 de pourvoi 87.17017; Cass. com. 30. 1. 1990 (N8 de pourvoi 88.15873) Bull. civ. IV, n8 30, p. 19; Le Cannu, Rev. Sociétés 2005, 743 (755). 1100 Cass. Com. 30. 3. 2010, (N8 de pourvoi: 08-22.140), Dr. sociétés 2010, 39 (39 f.) mit Anm. Legros; Cass. Com. 15. 12. 2009, (N8 de pourvoi: 08-21.906), Dr. sociétés 2010, 35 mit Anm. Legros. 1101 Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S 270. 1102 Zumindest in der Ausformung, die sec. 214 IA durch die Spruchpraxis verliehen worden ist.

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gläubigern ihr gesamtes negatives Interesse erstattet. In diesem Zusammenhang ist gleichzeitig zu beachten, dass Art. L. 651-2 – C. Com. es genügen lässt, dass der Geschäftsleitungsfehler zum Saldo zwischen Aktiva und Passiva beigetragen hat, ohne einzige oder auch nur wesentliche Ursache dieser Vermögensinsuffizienz gewesen zu sein, was im Vergleich zur deutschen Rechtslage zu überraschenden Ergebnissen führen kann. So ist prinzipiell nicht ausgeschlossen, dass ein Geschäftsleiter, der für eine weit nach Überschuldung und/oder Zahlungsunfähigkeit getroffene Fehlentscheidung verantwortlich zeichnet, nicht nur die in Folge seines Fehlverhaltens zu beobachtende weitere Aufzehrung des Gesellschaftsvermögens haftungsrechtlich zu tragen hat, sondern die gesamte Masseinsuffienz. Eine – für den Rechtsvergleich bedeutende – teilweise Ausnahme gilt allerdings, soweit der Wiederauffüllungsklage die Funktion als Insolvenzverschleppungshaftung zufällt. Wie dargestellt verlangen die Gerichte hier die taggenaue Bezeichung des Eintritts der Insolvenzantragspflicht und die Berechnung des Masseschmälerungsschadens von diesem Zeitpunkt an, womit ausgeschlossen ist, dass auch die vor diesem Zeitpunkte angefallene Unzulänglichkeit der Aktiven auf den Geschäftsleiter überwälzt wird. Wird die Höchstrafe der action en comblement du passif ausgelobt und realisiert, ist die Frage einer Differenzierung zwischen Alt- und Neugläubigern obsolet. Anderes gilt dann, wenn das Gericht von dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch macht und den Geschäftsleiter lediglich zur Zahlung eines bestimmten Prozentsatzes verurteilt. Abweichend vom deutschen Recht folgt die action en comblement du passif auch hier dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, d. h. Alt- und Neugläubiger partizipieren jeweils quotal. Teilt man die hier vertretene Ansicht, dass bei gebührender Beachtung der Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger die Privilegierung eventueller Neugläuiger alles andere als geboten erscheint, muss man hierin kein Defizit sehen. Wiederum vergleichbar dem englischen Recht stellt allerdings diese Haftung auf die (gesamte) Masseinsuffizienz nicht mehr als einen ersten Ausgangspunkt und Rechnungsposten bei Bestimmung des zu ersetzenden Betrages dar, die nur bedingt Rückschlüsse auf den durchschnittlichen Haftungsumfang im Rahmen der Wiederauffüllungsklage zulässt. Schätzungen, denen zu Folge es nur in 10 % der Verfahren zum Ausspruch dieser „Höchststrafe“ kommt1103, während die ausgeurteilten Summen im Schnitt nur 37 % der insuffisance d’actif betragen1104, illustrieren die Relevanz des dem Tatsachengericht eingeräumten Ermessens1105.

1103 Vgl. Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 162 Fn. 104. Ein ähnliches Bild ergibt sich unter Auswertung der bei Ruiz, JCP/E 2008, 1473 (1473 ff.) aufgelisteten Urteile. In 19 Entscheidungen verhängten die Spruchkörper faktisch dreimal (einmal 99 %) diese Höchstsumme. 1104 Berechnet auf Grundlage der bei Ruiz, JCP/E 2008, 1473 (1473 ff.) für das Jahr 2007 mitgeteilten Daten. Vgl. auch die Daten bei Bourrié-Quenillet, JCP/E 1998, 319 (323), wonach die Instanzenrechtsprechung die Spielräume des eingeräumten Ermessens nutzt, und die Höhe der Verurteilungen zwischen 3 % und 96 % beträgt.

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bb) Kriterien der Ermessensausübung Das dem Gericht eingeräumte Ermessen ist für die Praxis von kaum zu überschätzender Bedeutung. Da das französische Recht de iure und de facto in der Lage ist, jeden Geschäftsleitungsfehler bzw. jedes Verhalten der Geschäftsleitung, das als ein solcher angesehen wird, zu sanktionieren und auch keine Einschränkung der Haftung auf Evidenzfälle, wie sie die action en comblement du passif des belgischen Rechts kennt, gesetzlich vorgesehen ist, entscheidet die Ermessenausübung zu weiten Teilen über Freistellung und Sanktionierung von Geschäftsleitungshandeln. Primäre Gesichtspunkte, die in zahlreichen Urteilen auftauchen1106, sind die Rolle, die der Verantwortliche in der Geschäftsleitung der konkreten Gesellschaft gespielt hat, das Ausmaß persönlicher Vorwerfbarkeit1107 sowie die Schwere des Geschäftsleitungsfehlers und die Höhe des dadurch verursachten Schadens1108. Hierin manifestiert sich das Bestreben des französischen Rechts, die Zentralgestalt des missbilligten Geschehens in die Haftung zu nehmen. Insbesondere dann, wenn sich die Rolle des satzungsmäßigen Geschäftsleiters auf die eines Strohmannes beschränkt, während ein faktischer Geschäftsführer letztlich für den Geschäftsleitungsfehler verantwortlich zeichnet, ergeben sich erhebliche Differenzen. Urteile, in denen unter diesen Voraussetzungen der gegen die Zentralgestalt ausgeurteilte Betrag zehn- bis fünfzigmal so hoch liegt wie die gegen den Strohmann ausgesprochene Verurteilung, sind keine Seltenheit1109. Stellt das Tatgericht fest, dass eine Mehrzahl von Geschäftsleitungsfehlern (pluralité de fautes) kausal für die Masseschmälerung geworden ist, muss nach jüngerer Spruchpraxis der cour de cassation für jeden einzelnen faute de gestion seine Ursächlichkeit für die Masseunzulänglichkeit nachgewiesen werden1110. Mittelbar zieht die cour damit dem weiten Ermessen der Tatgerichte Grenzen, da Zahl der Geschäftsleitungsfehler und Höhe des ausgeurteilten Betrages sich praktisch proportional verhalten1111; auch diese neue Rechtsprechungslinie hindert die Instanzengerichte allerdings nicht daran, auch bei Vorliegen nur eines Geschäftsleitungsfehlers ein Mitglied des Leitungsorgans zur Begleichung der Masseinsuffizienz in ihrer Gänze zu verurteilen.

1105

Deutlich Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S: 289: „Die Schadenshöhe ist der für die Haftungssumme am wenigsten beachtliche Umstand“. 1106 Eine Pflicht, die einzelnen Ermessensgesichtspunkte in jedem Fall zu berücksichtigen, besteht nicht. Vgl. Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 290. 1107 Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 295. 1108 Vgl. Guyon, Droit des Affaires, S. 423; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 530 m.w.N.; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 293. 1109 Vgl. etwa Ruiz, JCP/E 2007, 1473 (1474). 1110 Cass. Com., 30. 3. 2010 (n8 de pourvoi 08-22.140), Dr. sociétés 2010, 39 (39 f.) mit Anm. Legros; Cass. Com., 15. 12. 2009 (n8 de pourvoi 08-21.906), Dr. sociétés 2010, 35 mit Anm. Legros. 1111 So auch Legros, Dr. sociétés 2010, 40 (40).

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Ein Abschlag auf die Masseinsuffizienz kann darüber hinaus dann gewährt werden, wenn exogene Faktoren – insbesondere die konjunkturelle Entwicklung oder eine Branchenkrise – zwar nicht bereits den Vorwurf eines Geschäftsleitungsfehlers auf Tatbestandsebene auszuräumen vermögen, wohl aber die faute de gestion in einem milderen Licht erscheinen lassen1112. Gleiches gilt, wenn sich die Geschäftsführung außerhalb des konkret vorgeworfenen Verhaltens als ordnungsgemäß darstellt1113 ; hier sollten zukünftig insbesondere die verschärften Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung bei einer behaupteten Mehrheit von Geschäftsleitungsfehlern zu Gunsten eines Geschäftsleiters wirken. Weiter wird der Einsatz bei der Schadensbehebung bzw. dem Versuch der Verhinderung von Schäden für die Gesellschaftsgläubiger in Anschlag gebracht1114, etwa durch Verzicht auf bestehende Gehaltsansprüche1115. Wie das negative Tatbestandsmerkmal des „ every step to minimize the loss of the creditors“ eröffnet dieser Ermessensgesichtspunkt die Möglichkeit einer Unterscheidung zwischen opportunistischen, Agenturkosten des Fremdkapitals begründenden Handlungen der Geschäftsleitung und solchen, die sich ex ante nicht als Versuch einer Spekulation auf Kosten der Gläubiger darstellen. Eine vollständige Verlagerung des technologischen Risikos von den Gläubigern und Gesellschaftern auf die Geschäftsführer wird darüber hinaus dadurch verhindert, dass die Spruchpraxis ein etwaiges Mitverschulden der Gläubiger berücksichtigt1116. Unterlassene Vorsorgeanstrengungen der Gläubiger bleiben also nicht unsanktioniert. Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang allerdings, dass die action en comblement du passif einen Gesamtanspruch der Gesellschaft gegen ihre Geschäftsleiter darstellt, der erst im Nachgang an die Gläubiger der Gesellschaft ausgekehrt wird. Ein Mitverschulden einzelner Gläubiger mindert die Gesamtbefriedigungsmasse aller, auch der aufmerksamen Gläubiger. Insbesondere für die Deliktsgläubiger ist dieses Ergebnis misslich. Kein Gehör findet ein beklagter Geschäftsleiter bei den Gerichten mit dem Hinweis, dass der in Rede stehende Geschäftsleitungsfehler primär durch einen subalternen Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin zu verantworten gewesen sei: nicht anders als im deutschen Recht wird also eine vollständige vertikale Haftungsdelegation nicht anerkannt, die Geschäftsleitung trifft zumindest eine Residualzuständigkeit zur Überwachung der ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung durch die nachgeordneten Führungsebenen1117. 1112

Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 291 f. Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 295. 1114 Vgl. Bourrié-Quenillet, JCP/E 1998, 319 (324); Meyer/Gros, GmbHR 2006, 1032 (1037); Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 295; Terboven, Managerhaftung in Deutschland und Frankreich, S. 71; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 131; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 530. 1115 Bourrié-Quenillet, JCP/E 1998, 319 (324). 1116 Vgl. Zimmermann, Haftung von Geschäftsführern und Gesellschaftern in Frankreich, S. 59. 1117 Bourrié-Quenillet, JCP/E 1998, 319 (324). 1113

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Schließlich werden auch die persönlichen und sozialen Verhältnisse des einzelnen Geschäftsleiters in Rechnung gestellt1118. So haben die Gerichte jugendbedingte Unerfahrenheit als mildernden Umstand akzeptiert1119. Zwar wird hierdurch das kompensatorische Interesse der Gläubiger im Einzelfall nachhaltig beeinträchtigt, doch gibt es Gegengründe, die die Berücksichtigung dieses persönlichen Elements zu rechtfertigen vermögen. Regelmäßig werden die Gläubiger mit dem unerfahrenen Geschäftsleiter kontrahiert haben, so dass auch hier gilt, dass sie das strukturell gesteigerte Risiko bewusst übernommen haben. Auch die konkreten wirtschaftlichen Verhältnisse werden im Einzelfall berücksichtigt1120. cc) Begünstigte Gläubigergruppen Die im Rahmen der action de comblement du passif eingesammelten Beträge kommen dem Gesellschaftsvermögen zu Gute1121. Zahlt der Geschäftsleiter, fließt der entsprechende Betrag in die Masse der bankrotten Gesellschaft1122. Nach früherer Rechtslage wurden die durch eine erfolgreiche Widerauffüllungsklage eingespielten Mittel in Abhängigkeit davon, ob die Unternehmung fortgeführt (redressement judicaire) oder aber abgewickelt wurde (liquidation judicaire), entweder an die Gläubiger entsprechend dem Verhältnis ihres Forderungsvolumens ausgekehrt1123 oder zur Finanzierung des Sanierungsplans (plan de continuation) verwendet1124. Eine Gläubigerschädigung war hiermit nicht zwingend verbunden. Gelingt die Sanierung des Unternehmens, profitieren hiervon auch die Gläubiger, und es besteht Hoffnung auf vollständige Rückzahlung der ausgereichten Beträge. Die entsprechend dem französischen Paradigma bewusst fortführungsfreundliche action en comblement du passif konnte damit nicht als teilweise Missachtung der Interessen der Gläubiger angesehen werden.

1118

Vgl. Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 68; Merkt/ Spindler, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (224); Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 530; Guyon, Droit des Affaires II, S. 423. 1119 Vgl. Terboven, Managerhaftung in Deutschland und Frankreich, S. 71. 1120 Rontchevsky, Code de Commerce, 2013, Art. L. 651-2 Rn. 34. 1121 Art. L. 651-2 al. 4 C. Com.: „Les sommes versées par les dirigeants […] en application de l’alinéa 1er entrent dans le patrimoine du débiteur“. Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, droit des sociétés, Rn. 320 = S. 190; Chaput, Droit du redressement, S. 358; Guyon, Droit des Affaires II, S. 425; Henry, D., S. 2145; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 270 u. 307. 1122 Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 551 f. 1123 Vgl. Guyon, Droit des Affaires II, S. 425; Chaput, Droit du redressement, S. 358. 1124 Vgl. Guyon, Droit des Affaires II, S. 425; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 552. Vgl. auch die Kritik von Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3016 f.), die sich daran entzündet, dass es bei Fortsetzung der Gesellschaft definitionsgemäß eigentlich keine insuffisance d’actif geben sollte. Vgl. für die alte Rechtslage noch das Fazit von Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 292: „Die Haftung dient zwar primär der Sanierung, kommt aber mittelbar auch den Gläubigern zugute“.

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Nachdem die action en comblement nach aktueller Rechtslage ausschließlich in der auf Abwicklung gerichteten liquidation judicaire, hingegen nicht mehr in dem auf Fortführung zielenden Verfahren des redressement judicaire erhoben werden kann, wird der durch einen verurteilten Geschäftsleiter erstattete Betrag nunmehr generell zur Masse gezogen, um sodann an die Gläubiger ausgekehrt zu werden1125. Indem das französische Recht die Mittel zur Masse zieht und sodann entsprechend dem jeweiligen Forderungsvolumen (marc-le-franc) an die Gläubiger ausreicht, manifestiert sich im Übrigen erneut die Grundentscheidung, Neugläubigern keine bevorzugte Behandlung bei der Liquidierung ihrer Ausfälle zu gewähren. Unabhängig vom Zeitpunkt der Forderungsbegründung profitieren alle Gläubiger der Gesellschaft quotal von einer erfolgreichen action en comblement1126. Dieser grundsätzlichen Stoßrichtung entsprechend haben konkursrechtliche Vorrangrechte ((super)priviléges) sowie sonstige Sicherungsrechte – anders als im Rahmen weiterer Haftungsklagen – gleichfalls keinen Einfluss auf die Verteilung der durch eine action en comblement du passif eingespielten Mittel1127. Im wirtschaftlichen Ergebnis dem englischen Recht vergleichbar, sichert auch das französische Recht, dass gerade auch ungesicherte Gläubiger von einer erfolgreichen Wiederauffüllungsklage profitieren, was mit Blick auf den generell geltenden Befund, dass sich die Gruppe der ungesicherten Gläubiger zu einem ganz wesentlichen Teil aus den Gruppen der nicht-anpassungsfähigen und unfreiwilligen Gläubiger rekrutiert, auch rechtsökonomisch geboten erscheint. Gleichzeitig wird zumindest mittelbar ein Anreiz für anpassungsfähige Gläubiger gesetzt, bestehende Kontrollmöglichkeien auch tatsächlich wahrzunehmen, wollen sie verhindern, im Insolvenzfall gegebenenfalls mit ungesicherten Gläubiger ranggleich um die Erträge einer action en comblement du passif zu konkurrieren. dd) Antragsbefugnis und Common-Pool Entsprechend ihrer Natur als Binnenhaftung ist die Prozessführungsbefugnis auf bestimmte Personenkreise beschränkt. Geltend gemacht werden kann die action en comblement du passif unter Geltung des Gesetzes v. 26. Juli 2005 in der Fassung der Ordonnance n8 2010-1512 v. 9. 12. 2010 ausschließlich durch den Liquidator (liquidateur), die Staatsanwaltschaft (ministère public), sowie dann, wenn der Liquidator auch auf eine Aufforderung der Gläubiger hin untätig geblieben ist, den créanciers contrôleur, nicht hingegen durch die Gläubiger selbst1128. In der Praxis 1125

Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 182. Eine Ausnahme sieht das Gesetz allein für verurteilte Geschäftsleiter vor, die zugleich Gläubiger der Gesellschaft sind. Diese sind ausdrücklich von einer Beteiligung an der Einspielsumme ausgeschlossen. Vgl. Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 182. 1127 Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3017). 1128 Art. L. 651-3 C. Com. Vgl. Le Corre, D. 2005, S. 2297; Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3018); Urbain-Parleani, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 575 (599); Zattara-Gros, LPA 20. 3. 2007 N8 57, S. 33. Seit dem Loi de sauvegarde nicht mehr antrags1126

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dominiert die Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter. Ein Wettlauf der Gläubiger auf die Common-Pool-Ressource Geschäftsleitervermögen ist damit ausgeschlossen. Diese Haftungskonzentration führt nicht anders als im Rahmen von sec. 214 IA dazu, dass mit dem Insolvenzverwalter der informationsökonomische cheapest cost avoider in die Pflicht genommen wird und gleichzeitig die sunk costs der Überwachung und isolierten Rechtsdurchsetzung obsolet werden. b) Mittelbare Rechtsfolgen aa) Redressement/Liquidation judicaire à titre personnel Das Regime der mittelbaren Rechtsfolgen der action en comblement du passif greift ein, wenn ein Geschäftsleiter seiner Verpflichtung, den durch das Gericht ausgeurteilten Betrag in das Gesellschaftsvermögen zu leisten, ganz oder teilweise nicht nachkommt1129. Bis zum 01. 01. 2006 stand es gemäß Art. L. 624-4 C. Com. im Ermessen des Gerichts, hierauf mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Geschäftsleiters zu reagieren (procedure de redressement/liquidation judicaire à titre personnel)1130. Ob die Voraussetzungen eines Insolvenzfahrens (cessation des paiements) in der Person des Geschäftsleiters verwirklicht waren, war hierbei unerheblich1131. Die procedure de redressement personnel stellte die Eröffnung eines weiteren eigenständigen Insolvenzverfahrens dar, das verfahrenstechnisch mit dem der Gesellschaft verbunden wurde1132. Auf den ersten Blick erscheint die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des zahlungsunfähigen oder zahlungsunwilligen Geschäftsleiters als Antwort auf allfällige Common-Pool-Probleme. Die Gefahr, dass einzelne Gläubiger in dessen Privatvermögen vollstrecken und vollständige Befriedigung erlangen, während andere Gläubiger nicht einmal einen Bruchteil ihrer Forderungen durchzusetzen vermögen, wird ausgeschlossen. Diese Gefahr scheint dabei gerade mit befugt sind das Gericht (saisine d’office du tribunal), der commissaire à l’exécution de plan sowie der Verwalter (administrateur judicaire). Zur vorherigen Rechtslage etwa noch Guyon, Droit des Affaires II, S. 420 f.; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (205). 1129 Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 551. 1130 Art. 181 L. 1985 bzw. Art. L. 624-4 C.Com. a.F.: „Le tribunal peut ouvrir une procédure de redressement judicaire ou de liquidation judicaire à l’egard des dirigeants à la charge desquels a été mis tout ou partie du passif d’une personne morale et qui ne s’acquittent pas de cette dette“. Vgl. Zattara-Gros, LPA n8 57 (2007), S. 33; Guyon, Droit des Affaires II, S. 424; Le Corre, D. 2005, S. 2297 Rn. 29; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 551; Maul, NZG 1998, 965 (972 f.). Unter Geltung des Gesetzes v. 1967 war die Rechtsfolge zwingend. Zum redressement personnelle vgl. etwa Chaput, Droit du redressement, S. 365 ff.; Derrida/Godé/Sortais, Redressement et liquidation judicaires, S. 443 ff. 1131 Vgl. Guyon, Droit des Affaires II, S. 424; Le Corre, Droit des entrerprises en difficulté, S. 183; Le Corre, D. 2005, S. 2297 Rn. 29; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 551; die Nichtzahlung war somit einziges Tatbestandsmerkmal, vgl. Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 310. 1132 Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 556.

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Blick auf den beschränkten Umfang privater Vermögen evident. Dass dennoch im Ergebnis die Skepsis gegenüber der Regelung überwog1133, erscheint unter mehreren Gesichtspunkten gerechtfertigt. Sie war zunächst mit dem seit 1967 deklarierten Ziel der Trennung von Unternehmen und Person kaum zu vereinbaren1134. Insbesondere im Falle, dass eine natürliche Person in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin verurteilt wurde, stellte das Instrument des persönlichen Insolvenzverfahrens eine Ausnahme von dem Grundsatz des französischen Insolvenzrechts dar, dass nur Kaufleute und Freiberufler1135, Handwerker, Landwirte und juristische Personen insolvenzfähig sind1136. Materiell krankte die extension de procédure vor allem an einem Legitimitätsdefizit, welches sich daraus speiste, dass es – wenn überhaupt – nur schwer zu begründen ist, warum über das Vermögen einer juristischen oder natürlichen Person ein mit erheblichen negativen Folgewirkungen verbundenes Insolvenzverfahren eröffnet wird, obwohl dessen Voraussetzungen in der betreffenden Person nicht erfüllt sind1137. Auch rechtsökonomisch erscheint die Sanktion des redressement personnel bzw. der liquidation judicaire weder notwendig noch in allen Fallgestaltungen zielgenau. Der Gläubigerwettlauf auf die Common-Pool Ressource Geschäftsleitervermögen wird bereits durch die Haftungskonzentration auf den Verband unterbunden. Der Insolvenzverwalter sammelt die Beträge für die Gläubigergesamtheit ein und schüttet sie entsprechend der Quote an diese aus. Eines weiteren verfahrensrechtlichen Schutzes der Common-Pool-Ressource Geschäftsleitervermögen bedarf es daneben nicht. Hinzutritt, dass das Insolvenzgericht bereits in einem auf Abwicklung gerichteten Insolvenzverfahren (liquidation judicaire) nicht nur umfassende Informationsrechte bzgl. der persönlichen Vermögensverhältnsse eines beklagten Geschäftsleiters besitzt, sondern darüberhinausgehend auf Antrag des Liquidators (liquidateur judicaire) gemäß Art. L. 651-4 al. 2 C. Com. Sicherungsmaßnahmen mit Blick auf das Geschäftsführervermögen angeordnet werden können, wobei insbesondere die Beschlagnahme von Vermögensgegenständen (saisie conservatoire/sûrete judicaire) in Betracht kommt1138. Damit kann im Einzelfall gleichzeitig sichergestellt werden, dass die common pool-Ressource Geschäftsführervermögen im Zeitpunkt einer Haftungsklage noch in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht und kein Vermögen dem Zugriff des Insolvenzgerichts bzw. der Gläubiger entzogen wird1139. Im Übrigen sind Gläubiger darauf verwiesen, 1133

Vgl. etwa Chaput, Droit du redressement, S. 359; Guyon, Droit des Affaires II, S. 424. Vgl. Chaput, Droit du redressement, S. 359. 1135 Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 310; Die Insolvenzfähigkeit von Freiberuflern wurde im Rahmen der Insolvenzrechtsreform 2005 eingeführt. Vgl. etwa Großerichter, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S. 366. 1136 Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 553. 1137 Martin-Serf, Rev. proc. coll. 2005, 382 (382). 1138 Memento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91370; DroegeGagnier, NZI 2012, 449 (451); Lienhard, Dalloz actualité, 2 März 2012; Mascala, RTD Com. 2006, 209 (211); Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3020). 1139 Vgl. etwa Droege-Gagnier, NZI 2012, 449 (450 f.). 1134

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gegen einen säumigen Geschäftsleiter mit den Instrumenten des droit commun vorzugehen1140. bb) Procédure d’extension/primäre Anschlussinsolvenz Neben der Eröffnung eines Anschlussinsolvenzverfahrens wegen Nichtzahlung der im Rahmen einer Wiederauffüllungsklage ausgeurteilten Beträge gemäß Art. L. 624-4 C. Com. a.F., konnte das Gericht bis zum loi de sauvergarde zudem bei Vorliegen enumerativ-abschließend aufgeführter gravierender Geschäftsleitungsfehler ein „primäres Anschlussinsolvenzverfahren“ (Stadler) gegen den Geschäftsleiter einleiten (Art. L. 624-5 C. Com.). In Abgrenzung zum sekundären Anschlussinsolvenzverfahren lautete der gegen einen Geschäftsleiter erhobene Vorwurf nicht, seinen Verpflichtungen aus einer erfolgreichen Wiederauffüllungsklage nicht nachgekommen zu sein, sondern bereits im ordentlichen Geschäftsgang der Gemeinschuldnerin einen besonders schweren, in Art. L. 624-5 C. Com. abschließend aufgeführten Geschäftsleitungsfehler verwirklicht zu haben. Im Einzelnen wurden die folgenden Verhaltensverstöße als so schwerwiegend angesehen, dass sie ein primäres Anschlussverfahren rechtfertigten: die Verfügung über Gesellschaftsvermögen der juristischen Person wie über eigenes1141, das Betreiben von Geschäften im Eigeninteresse unter dem Deckmantel der juristischen Person1142, die Verwendung des Vermögens oder des Kredits der juristischen Person zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil eines Dritten, an dessen wirtschaftlichem Schicksal der Geschäftsleiter unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist1143, die Fortsetzung eines defizitären Geschäftsbetriebs aus persönlichem Interesse, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen muss1144, fiktive Buchführung oder Beseiteschaffen von Buchführungsunterlagen der juristischen Person oder das vollständige Unterlassen der nach Gesetz notwendigen Buchführung1145; die teilweise oder vollständige Veruntreuung oder Verschleierung des Gesellschaftsvermögens der juristischen Person

1140

Mascala, RTD Com. 2006, 209 (211). Art. L. 624-5 Al. 18 C. Com.: „avoir disposé des biens de la personne morale comme des siens propres“. 1142 Art. L. 624-5 Al. 28 C. Com.: „sous le couvert de la personne morale masquant ses agissements, avoir fait des actes dans un interét personnel“. 1143 Art. L. 624-5 Al. 38 C. Com.: „avoir fait des biens ou du crédit de la personne morale un usage contraire à l’intérêt de celle-ci à des fins personnelles ou pour favoriser une autre personne morale ou entreprise dans laquelle il était intéressé directement ou indirectement“. 1144 Art. L. 624-5 Al. 48 C. Com.: „avoir poursuivi abusivement, dans une intérêt personnel, une exploitation déficitaire qui ne pouvait conduire qu’à la cessation des paiements de la personne morale“. 1145 Art. L. 624-5 Al. 58 C. Com.: „avoir tenu une comptabilité fictive ou fait disparaître des documents comptables de la personne morale ou s’être abstenu de tenir tout comptabilité conforme aux règles légales“. 1141

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oder die betrügerische Aufblähung ihrer Verbindlichkeiten1146 sowie wesentlich unvollständige oder fehlerhafte Buchführung1147. Auf die angenommene Schwere dieser Geschäftsleitungsfehler antwortete das französische Recht bis 2005 mit der gesamten Wucht des Haftungsrechts. Anders als im Rahmen einer Insolvenzerstreckung nach Art. L. 624-4 C. Com. wegen Nichtbegleichung der Verbindlichkeiten aus einer Wiederauffüllungsklage, beschränkte sich die Vorschrift nicht auf die Anordnung der Eröffnung eines persönlichen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Geschäftsleiters, in dessen Rahmen sowohl die Privatverbindlichkeiten als auch der Anspruch aus der ausgeurteilten Wiederauffüllungsklage vollstreckt wurden. Vielmehr waren Gegenstand dieses sekundären Anschlussinsolvenzverfahrens neben den persönlich begründeten Verbindlichkeiten des Gesellschafters auch sämtliche Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin1148. Übertragen in die Diktion des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts handelte es sich mithin um eine Kombination aus gegen den Geschäftsleiter gerichteter Durchgriffshaftung und gleichzeitiger Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, wobei – nicht anders als gemäß Art. L. 624-4 C. Com. – unerheblich war, ob der Geschäftsleiter seinerseits zahlungsunfähig war1149. Keine ernsthafte Entlasung wurde einem Geschäftsleiter in diesem Zusammenhang dadurch zu Teil, dass ein primäres Anschlussinsolvenzverfahren nicht mit einer action en comblement du passif verbunden werden konnte1150, da im Falle einer persönlichen Haftung eines Geschäftsleiters für sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten eine Haftung auf Ausgleich (von Teilen) der Masseinsuffizienz der Gemeinschuldnerin ohnehin redundant ist und sich der materielle Gehalt dieses non-cumul somit auf ein schadensersatzrechtliches ne bis in idem beschränkte. cc) Action en obligation aux dettes sociales/ action en comblement de passif aggravée An die Stelle des primären Anschlussinsolvenzverfahrens ist mit dem loi de sauvegarde zunächst die action en obligation aux dettes sociales getreten (Art. L. 652-1 C. Com.)1151, die auch als action en comblement de passif aggravée 1146 Art. L. 624-5 Al. 68 C. Com.: „avoir détourné ou dissimulé tout ou partie de l’actif ou frauduleusement augmenté le passif de la personne morale“. 1147 Art. L. 624-5 Al. 78 C. Com.: „avoir tenu une comptabilité manifestement incomplète ou irregulière au regard des dispositions légales“. 1148 Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 178 u. 310. 1149 Rontchevsky, Code de Commerce 2004, Art. L. 624-5 Rn. 4. 1150 Rontchevsky, Code de Commerce 2004, Art. L. 624-5 Rn. 10. 1151 Vgl. Gourdain, D. 2007, 2245 (2245 f.); Le Cannu, Rev. sociétés 2005, 743 (743 ff.); Le Corre, D. 2006, S. 2737; ders., D. 2005, S. 2297 Mascala, RTD Com. 2006, 209 (211 ff.); Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3021 ff.); Souweine, D. 2006, S. 501; Zattara-Gros, LPA 20. 3. 2007 N8 57, S. 33. Vgl. Auch Klein, RIW 2010, 352 (357), der allerdings offensichtlich von der Fortgeltung der action en obligation aux dettes sociales ausgeht. Siehe dazu sogleich.

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bezeichnet wurde1152. Die strukturellen Voraussetzungen glichen im Grundsatz denen der action en responsabilité pour l’insuffisance d’actif. Auch Art. L. 652-1 C. Com. verlangte faute, dommage und causalité1153. Die Tatsache, dass es sich um eine verschärfte Variante der action en comblement handelte, bedingte jedoch einerseits auf der Tatbestandsseite die Beschränkung auf als besonders schwer erkannte, enumerativ aufgezählte Fehler und andererseits auf der Rechtsfolgenseite eine drakonischere Sanktion1154. Zu den nach Art. L. 652-2 C. Com. haftungsbegründenden Geschäftsleitungsfehlern zählten dementsprechend fünf der bereits aus Art. L.624-5 C. Com. a.F. bekannten Geschäftsleitungsfehler1155, also der Umgang mit dem Geschäftsvermögen unter Missachtung der rechtlichen Eigenständigkeit der juristischen Person (avoir disposé des biens de la personne morale comme des siens propres), die Vornahme von wirtschaftlichen Eigengeschäften unter dem Deckmantel der juristischen Person (sous le couvert de personne morale masquant ses agissements, avoir fait des actes de commerce dans un intérêt personnel), Gebrauch machen von Vermögensgegenständen oder Kredit der juristischen Person zu ihrem Nachteil zum Zweck der Realisierung persönlicher Ziele oder zum Vorteil einer anderen juristischen Person bzw. eines Unternehmens, an dem der Geschäftsleiter ein direktes oder indirektes Interesse besitzt (avoir fait des biens ou du crédit de la personne morale un usage contraire à l’intérêt de celle-ci à des fins personnelles ou pour favoriser une autre personne morale ou entreprise dans laquelle il était intéressé directement ou indirectement), die Fortsetzung eines defizitären Geschäftsbetriebs im eigenen Interesse (une exploitation déficitaire qui ne pouvait conduire qu’à la cessation des paiements de la personne morale) und die betrügerische Minderung des Aktivvermögens oder Aufblähung der Passiven (avoir détourné ou dissimulé tout ou partie de l’actif ou frauduleusement augmenté le passif de la personne morale). Anders als nach Art. L. 624-5 C. Com. a.F. nicht tatbestandsmäßig waren hingegen Verstöße gegen die Buchführungspflichten1156, die allerdings nach wie vor eine Strafbarkeit wegen Bankrotts, ein Berufsverbot oder aber auch eine einfache action en comblement du passif zu rechtfertigen vermochten und vermögen1157. In Abgrenzung zur action en comblement du passif musste der Geschäftsleitungsfehler zudem nicht zur insuffisance d’actif beigetragen haben, sondern zur cessation des paiements1158, d. h. die faute musste die Zahlungsunfähigkeit i.S.v.

1152

Vgl. Le Corre, D. 2005, S. 2297. Zudem konnte die action en obligation aux dettes sociales ausschließlich im Rahmen einer liquidation judicaire erhoben werden, was mittlerweile auch der geltenden Rechtslage für die action en comblement du passif entspricht. Vgl. Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3021). 1154 Vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2005, 743 (753). 1155 Mascala, RTD Com. 2006, 209 (212); Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3021 f.). 1156 Mascala, RTD Com. 2006, 209 (212); Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3021). 1157 Vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2005, 743 (752 f.). 1158 Vgl. Le Corre, D. 2005, S. 2297; Roussel-Galle, Rev. sociétés 2009, 249 (262). 1153

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Art. L. 631-1 C. Com.1159 mit herbeigeführt haben1160, wobei nach wohl herrschender und zutreffender Ansicht im französischen Schrifttum mit dieser terminologischen Differenzierung kaum materielle Unterschiede verbunden waren1161: abseits von pathologischen Ausnahmekonstellationen wird ein Geschäftsleitungsfehler, der die dauerhafte Zahlungsunfähigkeit herbeiführt, regelmäßig mit einer insuffisance d’actif einhergehen. Lag ein qualifizierter Pflichtverstoß nach Art. L. 652 C. Com. vor, war zwingend eine action en obligation aux dettes sociales zu erheben; eine action en comblement konnte daneben nicht auf den gleichen Fehler gegründet werden (non cumul)1162; den damit für den Kläger verbundenen erheblichen prozessualen Unwägbarkeiten hat die Cour de Cassation dadurch Abhilfe zu schaffen gesucht, indem sie es als zulässig erachtete, die action en comblement hilfsweise (demande à titre subsidiaire) zu erheben1163. Nach dem Wortlaut des Art. L. 652-2 C. Com. konnte einem Geschäftsleiter nicht nur die insuffisance d’actif, sondern die Gesamtheit der Gesellschaftsverbindlichkeiten (dettes sociales) auferlegt werden, wenn er unter dem Deckmantel der juristischen Person oder zum Schaden derselben sein persönliches Interesse verfolgt hatte1164. Da sich die Begrifflichkeit der dettes sociales zunächst allein auf die Passivseite der Bilanz der Schuldnergesellschaft bezieht, eröffnete die action en obligation aux dettes sociales bei streng grammatischer Auslegung damit scheinbar die Möglichkeit, dem schuldhaft handelnden Geschäftsleiter die Erfüllung der Gesamtheit der Gesellschaftsverbindlichkeiten aufzuerlegen, mit dem Ergebnis, dass es unter dem Regime der action en obligation aux dettes sociales denkbar gewesen wäre, dass die Verurteilung die Masseinsuffienz übersteigt – nämlich in Höhe des nach dem Wortlaut nicht anzusetzenden Aktivermögens der Schuldnerin. Soweit das Gesetz hier beim Wort genommen wurde, rechtfertigte man diese verschärfte Rechtsfolge insbesondere durch die Überlegung, dass die action en obligation aux dettes sociales zusätzlich Strafcharakter besitze1165 und im Übrigen die rechtsfol1159

Dass der Begriff der Zahlungsunfähigkeit entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zu verstehen ist, entspricht wohl allgemeiner Ansicht, vgl. etwa Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 182 f. Die in Deutschland im Rahmen der neuen Insolvenzverursachungshaftung (§ 64 S. 3 GmbHG) aktut gewordene Frage, ob nur die Insolvenzverursachung oder auch die Insolvenzvertiefung i.S.e. deeping insolvency erfasst wird, ist für die action en obligation aux dettes sociales ersichtlich nicht thematisiert worden. 1160 Vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2005, 743 (753). 1161 Roussel-Galle, Rev. sociétés 2009, 249 (262). 1162 Art. L. 652-1 C. Com. a.F. bestimmte diesbezüglich: „Dans les cas visés au présent article, il ne peut être fait application des dispositions de l’article L. 651-2“. 1163 Cass. Com., 30. 10. 2012 (n8 11-23.868), Dr. sociétés Février 2013, 40 (40) mit Anm. Legros. 1164 Vgl. Urbain-Parleani, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 575 (598); Le Corre, D. 2005, S. 2297; Souweine, D. 2006, S. 501. 1165 Roussel-Galle, Rev. sociétés 2009, 249 (262): „[…] l’action en obligation aux dettes sociales, qui n’était pas seulement une action en responsabilité, mais avait également la nature d’une sanction […]“.

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genäquivalente primäre Anschlussinsolvenz substituiere. Nicht anders als im Rahmen der action en comblement de passif stand die Festsetzung des konkret zu entrichtenden Betrages im Ermessen des Gerichts1166. Abweichend von der Rechtslage bei der Wiederauffüllungsklage regelte Art. L. 652 C. Com. das Schicksal der durch eine erfolgreiche action en obligation aux dettes sociales eingespielten Beträge. Diese waren nicht etwa proportional (marc-le-franc) an sämtliche Gläubiger auszukehren, sondern entsprechend der Rangfolge der Sicherheiten1167. Vergegenwärtigt man sich, dass unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger eine insolvenzbezogene Haftungsklage gegen Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft insbesondere zu Gunsten der ungesicherten Gläubiger (non-adjusting creditors) wirken sollte, erscheint diese Differenzierung, die in den Gesetzgebungsmaterialien nicht weiter begründet wurde, wenig überzeugend und ist deshalb zu Recht auf Skepsis im französischen Schriftum gestoßen1168. Aufgrund der zahlreichen Überschneidungen mit dem Tatbestand der action en comblement du passif und daraus resultierenden erheblichen praktischen, durch das dargestellte non cumul zwischen Art. L. 651 C. Com. und Art. L. 652 Com. zusätzlich verschärften Abgrenzungsschwierigkeiten1169, hat der französische Gesetzgeber die action en obligation pour les dettes sociales mit ordonnance n8 20081345 v. 18. 12. 2008 für Verfahren ab dem 15. 2. 2009 ersatzlos abgeschafft1170, so dass sie nur noch für Altfälle Bedeutung besitzt1171. Vor dem Hintergrund, dass 1166 Vgl. Le Corre, D. 2005, S. 2297; Mascala, RTD Com. 2006, 209 (212); in der parlamentarischen Diskussion war eigentlich beabsichtigt, wegen der Schwere des Verstoßes das Ermessen des Gerichts auszuschalten. Vgl. Le Cannu, Rev. sociétés 2005, 743 (754). 1167 Mascala, RTD Com. 2006, 209 (212). 1168 Mascala, RTD Com. 2006, 209 (212): „Cette différence d’affectation des sommes entre l’action en responsabilité pour insuffisance d’actif et l’obligation aux dettes sociales n’a pas de justification évidente, elle découle seulement d’une difference de rédaction de la loi…“. 1169 Beispiele etwa bei Roussel-Galle, Rev. sociétés 2009, 249 (263); Gourdain, D. 2007, 2245 (2245). 1170 Hierzu und zu den weiteren Änderungen der zivil- und strafrechtlichen Geschäftsleiterverantwortung im Rahmen der Neuordnung von 2008 etwa Dalloz, Code de Commerce 2013, Art. L. 652-1 = S. 1331 ff.; Galle, Rev. sociétés 2009, 249 (261 ff.), zu den verfahrensrechtlichen Änderungen Vallens, RTD com. 2009, 458 (458 ff.). Auch der im Rahmen der „Lex Petroplus“ neugeschaffene Art. L. 631-10-1 C. Com. führt trotz seines teilweise irreführenden Wortlauts („[…] dirigeant de droit ou de fait à l’encontre duquel l’administrateur ou le mandataire judicaire a introduit une action en responsabilité fondée sur une faute ayant contribué à la cessation des paiements du débiteur“) die action en comblement agravée nicht wieder ein, da es sich hierbei richtigerweise um eine action civile gemäß Art. 1382 Code Civile handelt. Vgl. etwa Droege-Gagnier, NZI 2012, 449 (451 Rn. 28); Lienhard, Dalloz actualité, 2 März 2012, jeweils auch zur lex Petroplus im Allgemeinen und den politischen Hintergründen im Besonderen. Zu Durchführungsverordnung (décret d’application n8 2012-1190 du 26 octobre 2012) Lienhard, Dalloz actualité, 30 Oktober 2012; Legros, Dr. sociétés 1/2013, 31 (31 f.). 1171 Auf Altfälle ist Art. L. 652-1 C. Com. a.F. weiterhin anzuwenden, soweit die Verfahren vor dem 15. 2. 2009 eingeleitet wurden: vgl. CA Paris, dr. sociétés 2010, 33 mit Anm. Legros,

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bereits durch die action en comblement faktisch jeder Geschäftsleitungsfehler erfasst werden kann, sind Haftungslücken hiermit kaum verbunden. Auch in der damit entfallenen Möglichkeit, einen Geschäftsleiter für die Gesamtheit der Gesellschaftsverbindlichkeiten (dettes sociales) einstehen zu lassen, kann man nur dann ein Versäumnis erkennen, wenn man die Notwendigkeit der Ersatzfähigkeit des Kontrahierungsschadens bejaht1172.

IX. Rechtsfolgen II: Strafbarkeit und Berufsverbote Die Rechtsfolgen verbotswidrigen Verhaltens in der Krise der Kapitalgesellschaft beschränken sich nicht auf die zivilrechtliche Einstandspflicht für eingetretene Vermögensschäden. Hinzutreten – in unterschiedlichem Ausmaß – strafrechtliche Sanktionen sowie Berufsverbote, von denen insbesondere letztere in der jüngeren Vergangenheit erhöhte Beachtung in der rechtspolitischen Diskussion erfahren haben1173. Ursächlich hierfür ist, dass Berufsverbote und Strafnormen einerseits einer zivilrechtlichen Haftung vergleichbare Wirkungen zeitigen, andererseits aber auch bestimmte Eigenschaften aufweisen, die sie als Substitut oder zumindest Komplement einer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit für Fehlverhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft erscheinen lassen. 1. Funktion a) Anreizwirkung Nicht anders als einer zivilrechtlichen Einstandspflicht kommt Berufsverboten und Strafbarkeit rechtspolitisch primär die Aufgabe der ex ante erfolgenden Beeinflussung der Entscheidungsfunktion der Geschäftsleitung zu1174. Soweit Berufsverbote ihre Grundlage im Schutz der Geschäftspartner einer Kapitalgesellschaft

wobei die Cour de Paris allerdings mit Blick auf die Abschaffung der Klage den Haftungshöchstbetrag pauschal auf EUR 5.000 festsetzt. 1172 Vgl. auch die Einschätzung bei Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 316 = S. 188: „La législateur a tenté de trouver un point d’équilibre entre les deux préoccupations suivantes: adoucir le sort des dirigeants sans leur assurer une trop grande impunité“. 1173 Vgl. stellvertretend Stellungnahme des Bundesrates zum RegE MoMiG, BR-Drs. 354/ 07 Nr. 8 = S. 8 f. Auch in allgemeinerem Kontext haben Berufsverbote Konjunktur. So empfiehlt etwa Hirte, Stellungnahme VorstAG, 5 (5 ff.) Tätigkeitsverbote als Alternative zur Vereinbarung eines zwingenden Selbstbehalts im Rahmen der allgemeinen Organhaftung. 1174 Vgl. LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (3): „Law is a system for controlling human behavior. In contemporary society, governments enforce law by essentially two mechanisms: incarceration and liability“.

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finden, sind sie Bestandteil des präventiven Gläubigerschutzes1175. Gegenüber einer haftungsrechtlichen Sanktion erfüllen sie dabei insbesondere Auffangfunktionen. Um verhaltenssteuernde Wirkung entfalten zu können, bedarf eine zivilrechtliche Haftungsregel einer effektiven Drohung. Ist der durch die Haftungsnorm angesprochene Geschäftsleiter jedoch vermögenslos (judgment proof), kann er die ihm angedrohte Sanktion ignorieren1176, ein entsprechendes Urteil ist „merely symbolic“ (LoPucki)1177. Berufsverbote und Strafbarkeit wirken hingegen in die Zukunft und hindern den damit belegten Geschäftsleiter daran, zukünftiges Einkommen als Lebensgrundlage zu erwirtschaften1178. Diese zwar nicht aktuellen, aber künftigen negativen Vermögenseffekte muss ein Geschäftsleiter unter Annahme von Rationalität berücksichtigen. b) Prozessuale Aspekte: Tertiäre Kosten Rechtspraktisch leiden sowohl Insolvenzverschleppungshaftung als auch wrongful trading darunter, dass potentielle, materiell-berechtigte Kläger aufgrund von Kosten-Nutzen-Analysen von der gerichtlichen Verfolgung ihrer Ansprüche absehen. Straftatbestände und Berufsverbote stellen auch vor diesem Hintergrund eine Residualsanktion zur Erzwingung normgerechten Verhaltens dar. Im Gegensatz zu zivilrechtlichen Ansprüchen ist ihre Durchsetzung nicht von der Initiative privater Personen abhängig, sondern obliegt staatlichen Institutionen. Zur Anwendung gelangen damit nicht Dispositions- und Beibringungsgrundsatz, sondern Offizialprinzip und Amtsermittlungsgrundsatz, so dass subjektiv-rationale Kosten-NutzenErwägungen der Durchsetzung der entsprechenden Ge- und Verbote nicht in gleicher Weise entgegenstehen wie im Falle einer durch Private oder den Insolvenzverwalter durchzusetzenden Haftungsnorm. Pflichtwidrig handelnde Geschäftsleiter können also nicht darauf vertrauen, dass sie aufgrund zu hoher Rechtsdurchsetzungskosten nicht verfolgt werden; der Verzicht auf opportunistisches Verhalten bzw. erhöhte Sorgfaltsaufwendungen werden subjektiv rationaler1179. Volkswirtschaftlich ist eine solche teilweise Überantwortung der Verfolgungsaufgabe auf den Staat immer dann effizient, wenn der gesamtwirtschaftliche Nutzen der induzierten Verhaltensände-

1175 Vgl. auch K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (144); Fleischer, ZGR 2004, 437 (472); Schulte, Comp. Law. 1999, 2 (30), 80 (82 f.); Hicks, JBL 2001, 433 (437). 1176 Ausführlich LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (1 ff.); vgl. auch Whincop, in: Ramsay, 42 (64); Hicks, JBL 2001, 433 (456); Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (304). 1177 LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (4). 1178 Vgl. Whincop, in: Ramsay, 42 (64). 1179 Vgl. Fleischer, ZGR 2004, 437 (472).

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rung die Kosten der Unterhaltung des öffentlichen Verfolgungsapparats überschreitet1180. c) Vermögenswirksamkeit Auch Berufsverbote und Strafbarkeit besitzen vermögensmindernde Wirkung und sind deshalb bis zu einem gewissen Grade haftungsgleich. Evident ist dies für den Fall einer Geldstrafe. Mittelbar gilt Gleiches auch für Freiheitsstrafen und Berufsverbote. Beide hindern die betroffene Person, durch eine Beschäftigung Einkommen zu generieren. Wenn auch das bereits erwirtschaftete Lebenseinkommen unbeeinträchtigt bleibt, wird doch die Möglichkeit zur Erzielung künftigen Einkommens für die Dauer der Freiheitsstrafe oder des Berufsverbots abgeschnitten. Ökonomisch stellen sich Berufsverbot wie Freiheitsstrafe als teilweise Entwertung des Humankapitals des verurteilten Geschäftsleiters dar und wirken damit faktisch nicht anders als eine direkte finanzielle Sanktion1181. Die Haftsumme einer solchen Sanktion VðSÞ entspricht formalisiert dem Barwert des anderenfalls während des Sanktionszeitraumes erzielten Einkommens V ðSÞ ¼

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Œ 1 t ðV ðAI Þ ¢ V ðI ÞÞ ð1 þ r Þ

wobei r den Diskontierungsfaktor darstellt, V ðAI Þ das Alternativeinkommen bezeichnet, das ohne Berufsverbot oder Strafbarkeit erzielt worden wäre, und V ðI Þ Stellvertreter für ein trotz des Berufsverbotes erzieltes Einkommen ist. d) Rückwirkungen auf den Markt für Führungskräfte Zielgenaue Berufsverbote leisten schließlich einen Beitrag zu einem effizienteren Markt für Führungskräfte1182. Dessen theoretische Disziplinierungskraft wird in der Realität insbesondere durch unvollständige und asymmetrische Information belastet. Geschäftsleiter, die sich eines Verstoßes gegen die Interessen der Fremdkapitalgeber schuldig gemacht haben, werden nicht identifiziert, finden folglich wiederum eine Anstellung und bedrohen erneut die ausbeutungsoffenen Gläubigerpositionen. Diesen Defiziten vermögen Freiheitsstrafen wie Berufsverbote entgegenzuwirken. Zunächst vermitteln sie direkten Schutz, indem eine verurteilte Person nicht mehr die Stellung eines Geschäftsleiters einzunehmen vermag. Die durchschnittliche Qualität der aktiven Geschäftsleiter steigt und führt im günstigsten denkbaren Fall zu einem Rückgang des allgemeinen Zinsniveaus. Gleichzeitig liefern gesetzliche Berufsverbote, unter der Voraussetzung, dass sie publiziert werden, einen Beitrag zum Gläubigerselbstschutz. Ein aktuelles oder früheres Berufsverbot signalisiert den 1180 Auf den Nachteil der Kosten der staatlichen Überwachung weisen auch Hirte/Lanzius/ Mock, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (304) hin. 1181 Vgl. auch Armour, Corporate Insolvency, S. 29; Fleischer, WM 2004, 157 (164). 1182 Vgl. etwa Hicks, JBL 2001, 433 (437).

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potentiellen Gläubigern einer Gesellschaft, dass die Gefahr opportunistischen Verhaltens besteht. Gläubiger können hierauf mit angepassten Kreditkonditionen, dem Einfordern von Sicherheiten oder aber einer gänzlichen Abstandnahme von einem geplanten Vertrag reagieren. 2. Deutschland a) Strafbarkeit Primäre Rechtsfolge eines Verstoßes der Geschäftsführung oder des Vorstands gegen die Insolvenzantragspflicht ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG; 401 Abs. 1 Nr. 2 AktG a.F./§ 15a Abs. 4 u. 5 InsO n.F. Hiernach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft, wer es als Geschäftsführer respektive Vorstandsmitglied unterlässt, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Anders als die zivilrechtliche Insolvenzverschleppungshaftung setzt die strafrechtliche Verantwortlichkeit keinen Schaden i.S.d. Differenzhypothese voraus. Versagt deshalb die zivilrechtliche Sanktion mangels Schadens, wirkt die Strafbarkeit nach § 15a Abs. 4 u. 5 InsO n.F. als Residualsanktion. Sie verhindert einen sich zu Gunsten der Geschäftsleitung niederschlagenden hindsight bias, indem nicht aus dem Umstand des Fehlens einer weiteren Vermögensminderung auf die Vertretbarkeit des Handelns geschlossen werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass eine bestehende Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit nicht dauerhaft durch eine erfolgreiche Spekulation auf Kosten der Gläubiger beseitigt wird, da anderenfalls die Insolvenzreife als Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit entfällt. b) Berufsverbote Neben diese strafrechtliche Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung treten in Deutschland verschiedene Berufs- und Tätigkeitsverbote. Bereits nach der bis zum Inkrafttreten des MoMiG geltenden Rechtslage zog die Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat nach den §§ 283 ff. StGB – Bankrott, besonders schwerer Fall des Bankrotts, Verletzung der Buchführungspflicht, Gläubigerbegünstigung und Schuldnerbegünstigung – gemäß §§ 6 Abs. 2 GmbHG, 76 Abs. 3 S. 3 AktG a.F. das Verbot nach sich, für die Dauer von fünf Jahren Mitglied des Vorstands oder der Geschäftsführung einer Kapitalgesellschaft zu sein1183. Eine bloße Insolvenzverschleppung stellte hingegen keine ausreichende Grundlage für die Verhängung eines Berufs- oder Tätigkeitsverbots dar1184. Ein hierfür rechtskräftig verurteilter Geschäftsführer konnte „ohne weiteres erneut sein Unwesen treiben“ und wiederum Geschäftsführer einer GmbH werden1185. Gleiches galt für weitere typische Wirt1183 1184 1185

Vgl. Stein, AG 1987, 165 (165 ff.); Kort, in: GroßKommAktG, § 76 Rn. 212. Vgl. Stein, AG 1987, 165 (165). Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 6; Stein, AG 1987, 165 (165).

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schaftsstraftaten im Umfeld der Krise wie Betrug, Untreue und Unterschlagung1186. Zahlreiche Fälle opportunistischen Verhaltens der Geschäftsleitung blieben damit im Rahmen der Berufsverbote unsanktioniert. Die beschriebenen Effekte eines Berufsverbotes konnten nicht greifen, was besonders bedenklich erschien vor dem Hintergrund der Durchsetzungsdefizite der zivilrechtlichen Insolvenzverschleppungshaftung. Abhilfe verspricht die Neufassung der §§ 6 GmbHG, 76 Abs. 3 S. 2 AktG durch das MoMiG. Bereits der RefE MoMiG sprach sich im Anschluss an das FoSiG für eine „moderate Erweiterung“ der Tätigkeitsverbote aus1187, wonach die Ausschlussgründe für Geschäftsführer und Vorstände auf Verurteilungen nach den §§ 399 bis 401 Abs. 1 AktG a.F. sowie den §§ 82, 84 GmbHG a.F. ausgedehnt werden sollten1188. Nach wie vor gesellschaftsrechtlich sanktionsfrei gestellt bleiben sollte allerdings dem Referentenentwurf zu Folge die Verwirklichung weiterer wirtschaftsrechtlicher Straftatbestände wie Untreue und Betrug1189. Hiervon abweichend und damit teilweise Kritik aus Wissenschaft und von Seiten des Bundesrates aufgreifend sehen §§ 6 GmbHG, 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 lit. e) AktG in der Fassung des MoMiG nunmehr vor, dass vom Amt eines Geschäftsführers bzw. als Mitglied des Vorstands auch solche Personen ausgeschlossen sind, die wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten nach den §§ 263 bis 264a oder 265b bis 266a des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sind1190.

1186 Vgl. Fleischer, WM 2004, 157 (157 ff.); Haas, WM 2006, 1369 (1370); Hirte/Lanzius/ Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (310); Lanzius, ZInsO 2004, 296 (301); Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 6; Stein, AG 1987, 165 (165). 1187 Vgl. Seibert, ZIP 2006, 1157 (1167); so auch Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 4; K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (145 ff.); Hüffer, AktG, § 76 Rn. 27. 1188 Vgl. BMJ, Pressemitteilung v. 29. 6. 2006; Seibert, ZIP 2006, 1157 (1167 f.); hierzu Haas, WM 2006, 1369 (1371); Noack, DB 2006, 1475 (1479); Breitenstein/Meyding, BB 2007, 1457 (1458 f.); für ein Berufsverbot für unsachliche Unternehmensführung bereits vorher Fleischer, WM 2004, 157 (158); Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (330); Hüffer, AktG, § 76 Rn. 27; K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (145); Wachter, GmbHR 2004, 888 (889); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 III 2) a) aa), S. 546. Positive Würdigung auch durch den DAVHandelsrechtsausschuss, NZG 2007, 211 (213). Vgl. auch Bage, in: VGR (Hrsg.): Die GmbHReform in der Diskussion, 169 (170). 1189 Vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 27; Kort, in: GroßKommAktG, § 76 Rn. 213; vgl. DAVHandelsrechtsausschuss, NZG 2007, 211 (213). 1190 Vgl. § 6 GmbHG RegE MoMiG sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung auf die Stellungnahme des Bundesrates zu Nr. 9 = S. 5 f. Zustimmend etwa K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (450); Breitenstein/Meyding, BB 2007, 1457 (1458); Hekschen, DStR 2007, 1442 (1449). Die vom Bundesrat in seiner Stellungnahme zum RegE MoMiG unter Nr. 9 = S. 9 befürwortete Ausdehnung auf Straftatbestände des FoSiG wurde hingegen nicht übernommen. Kritisch bezüglich vergleichbarer Regelungen allerdings schon Stein, AG 1987, 165 (168).

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Mit dieser Neufassung wird eine beträchtliche Lücke im Gläubigerschutzsystem geschlossen, indem opportunistischem Verhalten eine entschiedenere Grenze gesetzt wird. Wer die erfassten Vermögensdelikte verwirklicht, offenbart seine Bereitschaft, das Institut der beschränkten Haftung zu missbrauchen. Gleiches gilt in zahlreichen Fällen der nunmehr ebenfalls von § 6 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) GmbHG n.F. erfassten Insolvenzverschleppung1191. Andererseits gilt es zu berücksichtigen, dass die wenig differenzierende Insolvenzverschleppungshaftung auch Personen trifft, die nicht nur nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben, sondern gleichzeitig ex ante als wirtschaftlich vertretbar erscheinende Handlungsalternativen – möglicherweise unter fahrlässiger Verkennung einer Überschuldung – wahrgenommen haben. Um diesem Aspekt Rechnung zu tragen, müsste die strenge Rechtsfolge eines Berufsverbots auf der Rechtsfolgenseite flexibel ausgestaltet sein. Diesen Weg ist der Gesetzgeber jedoch nur teilweise gegangen. Auch nach Neufassung durch das MoMiG bleibt der zeitliche Umfang des auszusprechenden Berufsverbots zwingend und ist abschließend umschrieben, Umstände des Einzelfalls fließen nicht ein1192. Es mangelt §§ 6 GmbHG, 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AktG damit an Flexibilität, um unterschiedliche Ausmaße an Verantwortlichkeit unterschiedlich schwer zu bestrafen1193. Eine Milderung gegenüber der bisherigen Gesetzeslage stellt es allerdings dar, dass ein Berufsverbot nur noch bei Vorsatzdelikten in Betracht kommt. Der früher zu Recht erhobene Vorwurf, dass der bisher unbescholtene Kaufmann, der fahrlässig seine Bücher nicht ordentlich führt und fahrlässig die drohende Zahlungsunfähigkeit herbeiführt, nicht anders behandelt wird als ein mehrfach vorbestrafter betrügerischer Bankrotteur, der aus Gewinnsucht handelt und zur Höchststrafe von 10 Jahren verurteilt worden ist1194, kann demnach keine Gültigkeit mehr beanspruchen. Auch diese Begrenzung auf Vorsatzdelikte sichert allerdings nicht die Angemessenheit von § 6 GmbHG n.F., was insbesondere mit Blick auf die extensive Auslegung des Eventualvorsatzes auch und gerade durch die Strafgerichte gelten muss. Zumindest die drakonische Strafe eines Berufsverbots sollte nicht ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zur Anwendung gelangen. Rechtstechnisch ließe sich die 1191 Dabei wird man richtigerweise davon auszugehen haben, dass sich § 6 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) GmbHG auf sämtliche Tathandlungen des § 15 Abs. 4 InsO bezieht, So Gundlach/Müller, NZI 2011, 480 (481), denen im Übrigen darin nicht zu folgen ist, dass das Unterlassen der Stellung des Insolvenzantrags (Insolvenzverschleppung) i.S.v. § 6 Abs. 2 Nr. 3 lit a) GmbHG wesens- bzw. begriffsverschieden (auch) von der nicht rechtzeitigen Antragstellung i.S.v. § 15 Abs. 4 InsO ist. Auch der verspätete Insolvenzantrag stellt sich als zeitweises Unterlassen des eingeforderten Insolvenzantrags und somit als Insolvenzverschleppung dar. So aus der Rechtsprechung jüngst auch OLG Celle, Beschl. v. 29. 8. 2013 – 9 W 109/13, ZIP 2013, 1914 (1914 f.). 1192 Vgl. Haas, WM 2006, 1369 (1372); Kort, in: GroßkommAktG, § 76 Rn. 216; kritisch auch Stein, AG 1987, 165 (165 f.). 1193 Vgl. Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (306); Hirte, Stellungnahme zum RegE MoMiG, S. 1 f.; so wohl auch Hüffer, AktG, § 76 Rn. 27. 1194 Beispiel von Stein, AG 1987, 165 (166).

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notwendige Flexibilität realisieren, indem man dem zuständigen Gericht ein Ermessen bei der Verhängung eines Berufsverbots einräumen würde. Daneben eröffnet das deutsche Recht die Möglichkeit der Verhängung eines Berufsverbotes im Rahmen eines Strafverfahrens. Ein Strafgericht kann für den Fall, dass jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Missbrauch seines Berufes oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt worden ist, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, diesem die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. § 70 Abs. 1 S. 2 StGB ergänzt, dass das Berufsverbot auch für Lebenszeit festgesetzt werden kann, wenn zu erwarten ist, dass die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Die Tätigkeit als Organ einer Kapitalgesellschaft für sich wird nicht erfasst, weil Anknüpfungspunkt des § 70 StGB die Art des Gewerbes ist. Das Urteil bezeichnet den untersagten Beruf oder Berufszweig bzw. das Gewerbe oder den Gewerbezweig genau und abschließend1195. Ein Berufsverbot nach § 70 StGB führt damit immer nur dann zu einer Verhinderung einer Bestellung als Geschäftsleiter, wenn der Unternehmensgegenstand der Gesellschaft vollständig oder teilweise mit dem Gegenstand des verbotenen Berufs übereinstimmt1196. Ein sich auf jede selbständige Gewerbe- bzw. Organtätigkeit erstreckendes Berufsverbot kann hierauf nicht gestützt werden1197. Zu Recht wird deshalb moniert, dass aus § 70 StGB „eine Geschäftswelt [spricht], die noch das Berufsbild „Unternehmensleiter“ und „Manager“ nicht kannte, sich vielmehr in Branchen segmentiert definierte“1198. Auch im Rahmen von § 70 StGB erscheint deshalb eine Ausweitung der Ausschlussgründe auf einen Missbrauch von Geschäftsleiterrechten bzw. auf einen Verstoß gegen Geschäftsleiterpflichten geboten1199, die gerade den spezifischen Gefahren der Verwendung einer Kapitalgesellschaft Rechnung tragen würde. Wer Managementfunktionen unter bewusstem oder gröbst fahrlässigem Verstoß gegen anerkannte Grundsätze der Unternehmensführung ausführt und hierbei überdies straffällig wird, sollte an der Ausübung dieser spezifisch konfigurierten Dienstleistung gehindert werden können. Schließlich kann die Betätigung als Unternehmensorgan einer Kapitalgesellschaft auch aufgrund eines Gewerbeverbots nach § 35 GewO ausscheiden, wobei

1195

Vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 70 Rn. 10. Vgl. Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (306); Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 7 f. 1197 Vgl. K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (147). 1198 Vgl. K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (147). 1199 Vgl. K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (147). 1196

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regelmäßig nur die Gewerbeuntersagung in Betracht kommt1200. Voraussetzung ist die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, dass also die betreffende Person keine Gewähr dafür bietet, dass sie ihr Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird. Der Tatbestand der Unzuverlässigkeit kann durch eine Vielzahl von Verhaltensweisen verwirklicht werden, etwa durch Begehung allgemeiner Eigentums- und Vermögensdelikte, die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen oder durch Ansammlung erheblicher Steuerrückstände. Nicht ausreichend ist hingegen die Nichterfüllung bloß zivilrechtlicher Pflichten, da § 35 GewO nach Ansicht der Rechtsprechung allein dem Schutz der Allgemeinheit zu dienen bestimmt ist1201. Der Gewerbeuntersagung ist wie dem strafrechtlichen Berufsverbot zu Eigen, dass ein tatsächlicher Bezug zum Unternehmensgegenstand der Gesellschaft bestehen muss1202. Auch hier reicht damit opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft für sich genommen nicht aus, den entsprechend handelnden Geschäftsleiter auf Zeit von der Führung einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft auszuschließen1203. Durch eine Umformulierung des Unternehmensgegenstandes oder aber durch eine weniger offensichtliche Umgehung können Geschäftsleiter, die sich als zur Führung einer Beschränkthafterin ungeeignet erwiesen haben, weiter am Markt agieren. Gewerbeverbote können daher – aufgrund ihrer anderen Zielrichtung – die Bekämpfung des unsachgemäßen Umgangs mit den Risiken der beschränkten Haftung nicht leisten. Sie formulieren primär einen tätigkeitsspezifischen Anforderungskatalog an Gewerbetreibende und dienen damit zuvörderst der Einhaltung berufsspezifischer Mindeststandards. Publizität der Berufs- und Tätigkeitsverbote gegenüber der Allgemeinheit oder doch zumindest gegenüber den betroffenen Verkehrskreisen ist dem deutschen Recht fremd1204, worin sich erneut die deutsche Tendenz bestätigt, Gläubiger primär als Opfer zu betrachten, denen zu helfen die Rechtsordnung berufen ist. Vor dem Hintergrund dieses rechtspolitischen Leitmotivs ist es wenig überraschend, dass der deutsche Gesetzgeber auch im Zusammenhang mit der Disqualifizierung von Geschäftsleitern nicht auf das „caveat-creditor“-Prinzip vertraut. Im Heimatland des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung mögen datenschutzrechtliche Bedenken ein Übriges tun. Gleichwohl sollte man die Idee einer Veröffentlichung der Namen disqualifizierter Direktoren nicht ohne weitere Erörterung rundweg ableh1200 Vgl. Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (306); Kort, GroßKommAktG, § 76 Rn. 217. 1201 Vgl. Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (306 ff.). 1202 Vgl. Hirte/Lanzius/Mock, in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (308). 1203 Vgl. Hirte/Lanzius/Mock, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (308). Für eine entsprechende Weiterung von § 35 GewO de le ferenda Hirte, Stellungnahme zum RegE MoMiG, S. 1. 1204 Zu Einzelheiten der behördlichen Dokumentation von Berufs- und Tätigkeitsverboten Möser, Gläubigerschutz durch Berufsverbote für Geschäftsleiter, S. 328 ff.

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nen: selbst unter der Prämisse, dass man Möglichkeit und Neigung der Gläubiger zum Selbstschutz als gering einschätzt, käme einer leicht zugänglichen Datenbank mindestens eine Ergänzungsfunktion zu, deren praktische Bedeutung nicht zu vernachlässigen ist, berücksichtigt man, dass anderenfalls die Einhaltung ausgeurteilter Berufs- und Tätigkeitsverbote von der Befähigung staatlicher Ressourcen, diese zu überwachen, abhinge. Zwar üben deutscher Gesetzgeber und deutsche Gerichtspraxis richtigerweise große Zurückhaltung bei der Veröffentlichung personenbezogener Daten, allerdings werden dadurch erhebliche Durchsetzungsdefizite in Kauf genommen. Nicht zuletzt erscheint es hinreichend inkonsistent, einem Geschäftsleitungsorgan auf die Dauer mehrerer Jahre zu verbieten, seinen Lebensunterhalt in seiner angestammten Tätigkeit zu verdienen, gleichzeitig aber dem verurteilten Geschäftsleiter das Recht einzuräumen, den Rechtsverkehr hierüber im Dunkeln zu lassen. Dabei ist gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass der mit einem temporären Berufsverbot verbundene Makel ein durchaus anderer ist als das Menetekel einschlägiger Straftatbestände und datenschutzrechtliche Bedenken deshalb ein wenig großes Gewicht in der Abwägung des Gesetzgebers haben sollten. In der Gesamtschau erweisen sich damit die deutschen Berufs- und Tätigkeitsverbote als wenig zielgenau bei der Unterbindung krisenbezogenen opportunistischen Verhaltens der Geschäftsleitung. Die tätigkeitsbezogenen Berufsverbote besitzen eine andere Zielsetzung, sie dienen primär der Verwirklichung bestimmter berufsbedingter Verhaltensanforderungen. Ihre Begrenzung auf berufsbezogene Tätigkeitsverbote ist vor diesem Hintergrund zutreffend1205, disqualifiziert sie aber gleichzeitig als Instrument gegen opportunistisches Krisenverhalten der Geschäftsleitung. Abhilfe verspricht insoweit die Ausweitung der Bestellungsverbote durch das MoMiG, wobei jedoch eine nachträgliche Korrektur auf der Rechtsfolgenseite notwendig erscheint und auch der Tabucharakter der Publizität bestehender Berufsverbote noch einmal unbefangen diskutiert werden sollte. 3. England: Disqualification Eine § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG a.F./§ 15a Abs. 4 u. 5 InsO n.F. vergleichbare strafrechtliche Ahndung des wrongful trading kennt das englische Recht nicht1206. Im Vordergrund steht vielmehr die Disqualifizierung der Geschäftsleitung nach dem Companies Directors Disqualification Act (CDDA)1207, wobei der Vorwurf des

1205

Vgl. K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (145). Vgl. Gross/Schork, NZI 2006, 10 (14). Anderes gilt allerdings, wenn nicht nur wrongful, sondern auch fraudulent trading vorliegt. Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (16). Erwägungen bzgl. der Strafbarkeit opportunistischen Verhaltens bei Hicks, JBL 2001, 433 (453 ff.). 1207 Vgl. Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Organ der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 196 f. 1206

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wrongful trading (participation in wrongful trading) als eigenständige Fallgruppe erfasst ist (10 CDDA)1208. Auf der Grundlage des CDDA kann gegen einen director ein Berufsverbot (disqualification) von mindestens zwei bis zu höchstens 15 Jahren verhängt werden, mit dem der verurteilten Person untersagt wird, das Amt eines directors bzw. ähnlich wichtige Managementämter auszufüllen1209. Die Dauer des Berufsverbots orientiert sich grob an einer Dreiteilung, den sogenannten sevenoaks brackets bzw. sevenoaks bands1210. Ein Berufsverbot von 2 – 5 Jahren wird ausgesprochen in Fällen grober Nachlässigkeit bzw. Inkompetenz1211, 6 – 10 Jahre, wenn es sich um schwerere Verstöße handelt (more than not very serious), die aber noch nicht die Verhängung der Höchststrafe rechtfertigen (less than particularly serious)1212 – etwa bei Vorliegen von Vorsatz oder zentralen Fehlern wie unzureichender Buchführung. Ein mehr als zehnjähriges Berufsverbot wird schließlich dann verhängt, wenn ein besonders gewichtiger Verstoß (particular serious case) vorliegt, insbesondere im Falle eines Verstoßes gegen eine bestehende disqualification1213. Disqualifizierungen fallen in den Aufgabenbereich des Departement of State for Trade and Industry, das mittlerweile als Department of State for Business, Innovation and Skills1214 firmiert; ihre Durchsetzung ist somit anders als die Durchsetzung der Haftungsklage nach sec. 214 IA nicht an die Initiative eines Liquidators geknüpft. 1208

Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (58); Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 27-041 = S. 860 f. Gleiches gilt in Australien für einen Verstoß gegen sec. 588G, allerdings stellt ein solcher Verstoß auch eine criminal offence dar, vgl. Coburn, in: Ramsay, S. 122 f. 1209 Sec. 6 (4) CDDA; Bachner, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (557); Bailey/Groves, Corporate Insolvency, Rn. 17.45; Davies, AG 1998, 346 (351); Fleischer, WM 2004, 157 (160); Haas, WM 2006, 1369 (1370); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (198); Lanzius, ZInsO 2004, 296 (296 f.). 1210 Nach der Leitentscheidung Re Sevenoaks Stationers (Retail) Ltd. [1991] BCLC 325 (328 ff.), an der sich die folgende Rechtsprechung maßgeblich orientiert, vgl. etwa Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle and others [1998] 1 BCLC, 333 (336) (mit Hinweis, dass sich im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auch die Strafgerichte an diesen Zumessungsregeln orientieren sollten); Secretary of State for Trade and Industry [2007] B.C.C. 11 (22 f.); Re Instant Access Properties – Secretary of State for Business, Innovation and Skills v Gifford and others [2012] 1 BCLC 710 (717 f.); Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (557 f.); Bailey/Groves, Corporate Insolvency 17.52. 1211 Etwa in Re Richborough Furniture Ltd. [1996] 1 BCLC 507 (527 f.). 1212 Re Instant Access Properties – Secretary of State for Business, Innovation and Skills v Gifford and others [2012] 1 BCLC 710 (718); Re Normanton Wells Properties Ltd. Official Receiver v Jupe [2011] 1, 191 (201) (sieben Jahre aufgrund Verwendung von Gesellschaftsvermögen für persönliche Zwecke und schwerer Verstoß gegen Rechnungslegungspflicht). 1213 Re Sevenoaks Stationers (Retail) Ltd. [1991] BCLC, 325 (328); vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.52; Lanzius, ZInsO 2004, 296 (297); Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (558). 1214 Seit 2009 offizielle Bezeichnung des früheren Department for Trade and Industry, das zwischenzeitlich (2007 – 2009) als Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform firmiert hat.

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Die strukturellen Schwächen der zivilrechtlichen Durchsetzung der Haftung wegen wrongful trading bestehen somit nicht1215. Die Antragsberechtigung liegt sowohl bei dem dem britischen Wirtschaftsministerium unterstehenden Insolvency Service als auch dem vom Gericht eingesetzten Insolvenzverwalter (official receiver), soweit er auf Anweisung des Wirtschaftsministeriums handelt. Das Gericht ordnet die disqualification an, es sei denn, das Wirtschaftsministerium und das Mitglied des board vereinbaren außergerichtlich eine Unterlassungsverpflichtung (disqualification undertaking)1216. Der Anwendungsbereich des CDDA ist denkbar weit gefasst. Neben einem Verstoß gegen sec. 214 IA kann eine disqualification u. a. auf die Verletzung gesellschaftsrechtlicher Vorschriften sowie auf die Begehung von Straftaten im Umfeld von Gründung, Führung und Liquidation der Gesellschaft (sec. 2 – 5 CDDA)1217 bzw. auf Verstöße gegen Kartell- und Kapitalmarktrecht (sec. 9 A CDDA) gestützt werden1218. Praktischer Hauptgrund einer disqualification order – ca. 90 % der Fälle – ist der generalklauselartig gefasste Tatbestand der unfitness (sec. 6 CDDA), die sich – nicht abschließend – anhand des Kriterienkatalogs gemäß sec. 9 i.V.m. Schedule 1 CDDA bestimmt1219. Hiernach können u. a. Verstöße gegen Treuepflichten der Geschäftsleitung (fiduciary duties), die missbräuchliche Verwendung von Gesellschaftsvermögen, die Verantwortlichkeit für anfechtbare Rechtshandlungen der Gesellschaft und für Verstöße gegen Buchführungs- und Offenlegungspflichten sowie persönliche Verstöße des Direktors gegen Kooperationspflichten im Insolvenzverfahren und schließlich generell das Ausmaß der Verantwortlichkeit des Direktors für den Eintritt der Insolvenz der Gesellschaft die Ungeeignetheit zur 1215

Vgl. Bicker, GPR 2006, 127 (128); ders., Creditor Protection in the Corporate Group, S. 35 f.; Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (19). 1216 Etwa Re International Championship Management Ltd. [2007] 2 BCLC 274 (278); Secretary of State for Trade and Industry v. Ken Hall, John Andrew Nuttall 4395 [2006] EWHC 1995 (=2006 WL 2049713) para 6; vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (560); Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.46; Einmahl, GewArch 2004, 408 (408 ff.). 1217 Sog. Disqualification for general misconduct in connection with companies. 1218 Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.47; Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (312); K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.): Die GmbHReform in der Diskussion, S. 143 f.; Fleischer, BB 2008, 1070 (1074 f.). 1219 Sec. 6 (1) CDDA: „The court shall make a disqualification order against a person in any case where, on an application under this section, it is satisfied – (a) that he is or has been a director of a company which has at any time become insolvent (whether while he was a director or subsequently), and (b) that his conduct as a director of that company (either taken alone or taken together with his conduct as a director of any other company or companies) makes him unfit to be concerned in the management of a company“. Vgl. beispielsweise Secretary of State and Industry v. Ken Hall, John Andrew Nuttall 4395 [2006] EWHC 1995 (1995 ff.). Zur unfitness Drake, JBL 1989, 474 (476 ff.); Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (552 ff.); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 38 f.; Einmahl, GewArch 2004, 408 (408 ff.). Der Standard der unfitness ist darüber hinaus aus dem USamerikanischen Kapitalmarktrecht bekannt: sec. 305 SOA.

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Leitung einer Kapitalgesellschaft begründen1220. Ob das Verhalten eines directors im Einzelfall die Verhängung eines Berufsverbots rechtfertigt, beurteilt die Rechtsprechung verbreitet anhand eines dreistufigen Tests: zu prüfen ist, ob (1) dem Geschäftsleiter ein Verhaltensvorwurf (misconduct) gemacht werden kann, ob (2) das Fehlverhalten hinreichend schwer ist, um die Ausurteilung einer disqualification zu rechtfertigen, und (3) für welchen Zeitraum die disqualification auszuprechen ist, wobei zu beachten ist, dass dieser mindestens 2 Jahre betragen muss1221. Im Falle der unfitness hat das Gericht ein Berufsverbot auszusprechen, während im Falle der weiteren Tatbestände ein dahingehendes Ermessen besteht1222. Der Umstand, dass in der Praxis des CDDA die Verhängung eines Berufsverbotes maßgeblich auf Grundlage von sec. 6 CDDA erfolgt, während sec. 10 CDDA ein Schattendasein fristet1223, nährt die Vermutung, dass opportunistisches und damit eigentlich unter sec. 214 IA subsumierbares Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft für sich genommen keinen hinreichenden Ausschlussgrund darstellt. Dies erweist sich jedoch bei genauerer Betrachtung als unzutreffend. Generelles, mit der Einführung des CDDAverfolgtes Ziel ist, dass Personen, deren Verhalten gezeigt hat, dass sie ungeeignet sind, eine mit besonderen Risiken verbundene beschränkt haftende Kapitalgesellschaft zu leiten, für einen bestimmten Zeitraum von der Leitung einer Beschränkthafterin1224, nicht aber einer Personengesellschaft oder eines Einzelunternehmers ausgeschlossen werden1225. Zentraler Vorwurf ist der „abuse of limited liability“1226. Vor diesem Hintergrund werden im Rahmen der Generalklausel der sec. 6 CDDA zahlreiche Verhaltensweisen erfasst, die auch unter sec. 214 IA sanktioniert werden 1220

Vgl. Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (553). Vgl. Official Receiver v Key [2009] 1 BCLC 22 (32): „He mentioned that the decision involved a three stage process. First, do the matters relied upon amount to misconduct? Second, if they do, do they justify a finding of unfitness? And third, if they do, what period of disqualification, being not less than two years, should result?“ 1222 Re Cubelock Ltd. [2001] B.C.C. 523 (535); vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.48; Fleischer, WM 2004, 157 (160 f.); Haas, WM 2006, 1369 (1373); Heinz, Die englische Limited, S. 46. 1223 Vgl. Drake, JBL 1989, 474 (486 f.); erfolglos in Re Cubelock Ltd. [2001] B.C.C. 523 (539 ff.); in Re Idessa (UK) Ltd. (in liquidation) Burke and another v Morrison and another [2012] 1 BCLC, 80 (122) wird die Übersendung einer Kopie des Urteils durch Anderson QC, der durch den Kläger auf sec. 10 CDDA aufmerksam gemacht worden war, an den Secretary of State for Business, Innovation and Skills angeordnet. 1224 Vgl. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Rn. 10-1 (= S. 251 f.); Hicks, JBL 2001, 433 (433); Fleischer, ZGR 2004, 437 (474); Schulte, Comp. Law 1999, 20 (3), 80 (82). 1225 Vgl. Einmahl, GewArch 2004, 408 (408 ff.). 1226 Vgl. Dignam/Lowry, Company Law, Rn. 13.51 = S. 315; Drake, JBL 1989, 474 (481); Hicks, JBL 2001, 433 (440 f.); aus der Rechtsprechung etwa Re Richborough Furniture Ltd. [1996] 1 BCLC 507 (520); Re Stanford Services Ltd. [1987] BCLC 607 (619); Re Douglas Construction Services Ltd. [1988] BCLC 397 (402). 1221

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(sollen)1227. So wurde unfitness etwa im Falle einer Insolvenzverschleppung hoffungslos insolventer Unternehmen1228 und (groben) Verstößen gegen die Bilanzierungspflichten1229 bejaht, also jeweils Pflichtverletzungen, die grundsätzlich auch den Vorwurf des wrongful trading zu rechtfertigen vermocht hätten1230. Dass beide Tatbestände die gleiche Stoßrichtung aufweisen, wird insbesondere durch die Feststellung in der Entscheidung Re Douglas Construction Ltd. deutlich, dass das Gericht sich bei der Bestimmung der Höhe des konkret ausgesprochenen Berufsverbots maßgeblich davon habe leiten lassen, dass das Verhalten des Geschäftsleiters eine „cynical exploitation of the privilege of trading through limited liability“ [darstelle]1231. Bloße Managementfehler – solange diese nicht ein völlig unvertretbares Ausmaß annehmen (total incompetence)1232 – begründen keine unfitness und hierauf gestützte Disqualifizierung, vielmehr muss „ein Mehr“ oder „Extra“ hinzutreten1233. Dieses Mehr ist in der Wahrnehmung der krisenbedingten Fehlanreize oder aber in einem Ausmaß an Unvermögen, das zu gleichen Ergebnissen führt, zu sehen1234. Insoweit erfasst auch unfitness weite Teile des ansonsten unter sec. 214 IA zu subsumierenden opportunistischen Verhaltens. Dass die Gerichte und das Departement of State for 1227 Gleicher Befund bei Hicks, JBL 2001, 433 (457). Vgl. auch Park J in Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R. 733 (= 2001 WL 720239) para 103: „Mr Atherton also drew my attention to some of the decisions in director’s disqualification proceedings, which can have affinities to cases about wrongful trading under section 214“. 1228 Re Richborough Furniture Ltd. [1996] 1 BCLC, 507 (517); Re Stanford Services Ltd. [1987] BCLC, 607 (616 ff.): „[…] and that those businesses were continued at a time when Mr Ivens ought to have known that they were insolvent“; vgl. auch Haas, WM 2006, 1369 (1370). 1229 Vgl. Re Sevenoaks Stationers (Retail) Ltd. [1991] BCLC 325 (331 ff.); Secretary of State for Trade and Industry v Ken Hall, John Andrew Henry Nuttall [2006] EWHC 1995 (= 2006 WL 2049713) para. 17 ff.; Re Richborough Furniture Ltd. [1996] 1 BCLC 507 (518 f.); Re Normanton Wells Properties Ltd. Official Receiver v Jupe [2011] 1 BCLC 191 (201). Leichtere Verstöße gegen die Buchführungspflichten, wie etwa die krisentypische, verspätete Aufstellung des Jahresabschlusses genügen im Regelfall nicht, vgl. Secretary for Trade and Industry v Laing and others [1996] 2 BCLC 324 (343). 1230 Anknüpfungspunkt kann zudem die bevorzugte Befriedigung eines gesicherten Gläubigers zum Schaden der ungesicherten Gläubiger sein, vgl. Secretary for Trade and Industry v Laing and others [1996] 2 BCLC 324 (344) (im konkreten Fall wegen mangelnder Wesentlichkeit verneint). 1231 Re Douglas Construction Services Ltd. [1988] BCLC 397 (402): […] simply exploiting limited liability in a cynical way with a disregard for proper responsibility, or alternatively exploiting it because he is so stupid and ignorant that he is quite incapable of appreciating what has happened and thereby causes large losses by in a sense incompetence“; vgl. auch Hirte/ Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (314 ff.). 1232 Secretary of State for Trade and Industry v. Hollier [2006] B.C.C. 11 (21); Bailey/ Groves, Corporate Insolvency 17.51. 1233 Re Cubelock Ltd. [2001] B.C.C. 523 (535); vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency 17.51; Drake, JBL 1989, 474 (479). 1234 Vgl. etwa Park J in Re Cubelock Ltd. [2001] B.C.C. 523 (535), der zwischen lack of probity und lack of compentence unterscheidet.

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Trade and Industry in der Praxis nicht auf sec. 214 IA i.V.m. sec. 10 CDDA zurückgreifen1235 erscheint verständlich, berücksichtigt man die für den Tatbestand des wrongful trading zu konstatierenden Durchsetzungsschwierigkeiten. Darlegung und Beweis fallen unter Rekurs auf die generalklauselartige Formulierung der unfitness bedeutend leichter1236. So entfällt etwa die in Theorie und Gerichtspraxis kaum zu beantwortende Frage, ob und wann der Zeitpunkt des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation erreicht wurde. Auch die Effektivität eines Berufsverbots hängt maßgeblich davon ab, inwieweit es durchgesetzt wird. Primäre gesetzliche Sanktion ist, dass ein director, der trotz eines ergangenen Berufsausübungsverbotes faktisch die Leitungsfunktion einer beschränkt haftenden Kapitalgesellschaft ausübt, persönlich für die während dieses Zeitraums begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet (sec. 15 CDDA)1237. Diese Rechtsfolge ist Ausdruck der Tatsache, dass sich die Disqualifizierung nach dem CDDA gerade als Sanktion für einen Missbrauch der Haftungsbeschränkung darstellt1238. Ein fortgesetzter Missbrauch der Haftungsbeschränkung während des Zeitraums einer Disqualifizierung wird ausgeschlossen, da dem Geschäftsleiter die Berufung auf das Haftungsprivileg verweigert wird. Gleichzeitig stellt eine derartige verbotswidrige Betätigung eine criminal offence dar, die mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren (sec. 13 CDDA) geahndet werden kann1239. Wird eine disqualifizierte Person dennoch zum Direktor bestellt, fingieren Mustersatzung und Gesetz, dass der Geschäftsführer automatisch von seinem Posten zurücktritt (Table A, Art. 81)1240. Schließlich wird die Belegung mit einem Berufsverbot in ein für jedermann einsehbares Register eingetragen sowie im Insolvency Services General Report veröffentlicht (sec. 18 CDDA) und ist zudem über die Internetseiten des Insolvency Service sowie des Companies House kostenfrei abrufbar1241. Der Eintrag umfasst neben Namen, Geburtsdatum und Adresse den Zeitraum, für den das Tätigkeits1235 Laut einer Erhebung von Hicks gaben disqualifizierte Direktoren an, dass „though a common was trading with knowledge of insolvency at risk to creditors, there was a total absence of attempts to make them liable for wrongful trading […]“. Vgl. Hicks, JBL 2001, 433 (435). 1236 Ähnlicher Befund bei Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (198). Zum Verhältnis von sec. 6 und sec. 10 CDDA und den unterschiedlichen Anforderungen an die Einleitung einer Disqualifizierung vgl. Schulte, Comp. Law. 1999, 20 (3), 80 (82 ff.). 1237 Die sog. „relevant debts“. Vgl. Pennington, Company Law, S. 45 f.; Bailey/Groves, Corporate Insolvency 17.54. 1238 Vgl. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Rn. 10-3 (= S. 254 f.); Re LoLine Electric Motors Ltd. [1988] B.C.C. 415 (424). 1239 Vgl. Haas, WM 2006, 1369 (1374); Lanzius, ZInsO 2004, 296 (298); Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 221 ff.; Ebert/Levedag, Länderbericht England, in: Süß/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 669 (788). 1240 Vgl. Ebert/Levedag, Länderbericht England, in: Süß/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 1. Aufl., S. 679. 1241 Unter www.insolvency.gov.uk/doitonline/ddbase.htm. Vgl. Möser, Gläubigerschutz durch Berufsverbote für Geschäftsleiter S. 327 sowie Comp. Law. 2005, S. 371.

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verbot verhängt ist, und den Rechtsgrund, auf dem die Verurteilung basiert1242 ; auch eine ausnahmsweise Befreiung von einem ausgeurteilten Berufsverbot kann dem Disqualifizierungsregister entnommen werden1243. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, schriftlich oder telefonisch zu erfragen, ob eine bestimmte Person aktuell einer Disqualifizierung unterliegt1244. Die damit herbeigeführte Publizitätswirkung verstärkt die marktordnende Funktion des Berufsverbots. Betätigt sich ein disqualifizierter Direktor unter Verstoß gegen ein bestehendes Tätigkeitsverbot, wird der Markt durch die drohende weitere Sanktion nicht geschützt. Mittels der über sec. 18 CDDA hergestellten Publizität werden die Marktteilnehmer jedoch in die Lage versetzt, auf ein gerichtlich festgestelltes Urteil über die Zuverlässigkeit des Unternehmensorgans ihrer Vertragspartner zurückzugreifen. Vorteil im Vergleich zur deutschen Regelung ist, dass sich die Regelungen des CDDA speziell gegen den Missbrauch der kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung richten1245. Damit verbunden ist, dass sie eine viel größere Praxisrelevanz besitzen als die bisherigen Berufsverbote des deutschen Rechts, die einen anderen Ansatz verfolgen, indem sie Verhaltensstandards für Berufe durchzusetzen suchen1246. Nicht übersehen werden darf allerdings die Gefahr, dass die von dem Instrument ausgehende Abschreckungswirkung unangemessen groß wird1247. Diese Gefahr besteht insbesondere vor dem Hintergrund, dass der praktisch relevanteste Disqualifizierungsgrund, die unfitness, einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt, dessen Reichweite Geschäftsleiter möglicherweise nur schwer abschätzen können und sich dementsprechend für konservative, ertragsarme Handlungsalternativen entscheiden. Zentral ist damit, dass es den englischen Gerichten gelingt, einen groben Rahmen der Pflichten der Direktoren zu präzisieren und diesen an die Unternehmensorgane zu kommunizieren. Nach bisherigem Stand scheint die Rechtsprechung dem in gebührender Weise Rechnung zu tragen1248. Zunächst besteht die oben genannte Möglichkeit, die zeitliche Dauer der Disqualifikation an die Schwere des Verstoßes zu knüpfen, zum anderen kann das Gericht ausdrücklich Ausnahmen von einer ansonsten notwendigen Disqualifizierung (leave) zulassen (sec. 17 CDDA)1249. Nich zu überzeugen vermag demgegenüber im vorliegenden 1242

Vgl. Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 231; Bachner, in: Lutter, Das Aktiengesellschaft in Europa, 526 (560). 1243 Möser, Gläubigerschutz durch Berufsverbote für Geschäftsleiter, S. 327. 1244 Vgl. Heinz, Die englische Limited, S. 46. 1245 Vgl. Fleischer, WM 2004, 157 (161). 1246 Der Befund der größeren Praxisrelevanz wird allgemein geteilt. Vgl. nur Haas, WM 2006, 1369 (1371); Lanzius, ZInsO 2004, 296 (301); Schall, ZIP 2005, 965 (969). 1247 Vgl. Fleischer, WM 2004, 157 (165). 1248 Hingegen erkennt der Berufsstand der Insolvenzverwalter (insolvency practitioner) nach wie vor Durchsetzungsdefizite. Vgl. Hicks, JBL 1980, 433 (437). 1249 Vgl. Heinz, Die englische Limited, S. 46. Ein leave wird regelmäßig an bestimmte Bedingungen geknüpft, um zukünftiges Fehlverhalten weitestgehend auszuschließen. Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency 17.58.

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Zusammenhang die Haltung der Gerichte, ein Berufsverbot für vergangene Fehler auch dann auszusprechen, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass von dem betroffenen Direktor zukünftig noch Gefahren für den Rechtsverkehr ausgehen1250: funktional sind Berufsverbote auf den präventiven Schutz des Marktes gerichtet, so dass sie ihrer inneren Legitimtion verlustig gehen, wenn kein Missbruch der beschränkten Haftung durch einen Director droht. Insbesondere die mit der Publizität eines Berufsverbotes verbundene Prangerwirkung kann unter diesen Umständen nicht mehr gerechtfertigt werden. Bedenken erwecken muss zudem die in der englischen rechtspolitischen Diskussion zu konstatierende Tendenz, auf ständig ansteigende Disqualifizierungszahlen zu drängen1251. Dies birgt die Gefahr, die innere Kohärenz und Angemessenheit des Instruments zu opfern mit dem Ergebnis, dass auch dann, wenn es sich um ein einfaches unternehmerisches Scheitern handelt, die drakonische Strafe der Disqualifizierung droht1252. Dem steht allerdings der – für Haftungsregeln nicht seltene Befund – gegenüber, dass der verhaltenssteuernde Effekt nur sehr begrenzt Wirkung entfaltet1253. 4. Frankreich a) Strafbarkeit (sanctions pénales): Banqueroute (Art. L. 654 – 1 C. Com.) Wie im deutschen Recht kann die Eröffnung eines kollektiven Verfahrens zunächst eine Strafbarkeit wegen Bankrotts (banqueroute) begründen (Art. L. 654-1 C. com.). Anders als die Wiederauffüllungsklage, die nur noch in der auf Abwicklung gerichteten liquidation judicaire zulässigerweise erhoben werden kann, kommt der Bankrotttatbestand sowohl in liquidation judicaire als auch redressement judicaire, hingegen nicht im Rahmen eines sauvegarde-Verfahrens zur Anwendung1254. Diese, seit der Einschränkung des Anwendungsbereichs der action en comblement du passif das droit des entreprises en difficulté durchziehende Differenzierung vermag nicht in jeder Hinsicht zu überzeugen. Gerade dann, wenn man der nicht zweifelsfreien, aber dem aktuellen internationalen Trend entsprechenden Hypothese folgt, potenzieller Gemeinschuldnerin und ihren Geschäftsleitungsorgane müssten durch eine prognostizierbare Haftungsfreistellung die Einleitung eines Kollektiv- bzw. Vorinsolvenzverfahrens schmackhaft gemacht werden, erscheint es inkonsequent, diese Haftungsfreistellung auf die action en comblement du passif zu beschränken und 1250

Zu Recht kritisch mit Nachweisen aus der Rechtsprechung Breakey, Comp. Law. 2001, 409 (409 ff.). 1251 Vgl. hierzu Hicks, JBL 2001, 433 (433 ff.). 1252 Diese Vermutung wird unterstützt durch Hicks Umfrage unter disqualifizierten Direktoren. Vgl. Hicks, JBL 2001, 433 (435 ff.), der im Ergebnis trotz Kritik an der praktischen Wirksamkeit ebenfalls mahnt: „Disqualification should certainly deal only with abuse and should not usurp the function of the market in determining which traders are merely incompetent and so not creditworthy“ (S. 460). 1253 Vgl. Hicks, JBL 2001, 433 (438 ff.). 1254 Mascala, RTD Com. 2006, 209 (216).

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nicht auch auf die weiteren, im Einzelfall nicht minder schweren Sanktionen – faillite personnelle, interdiction de gérer, banqueroute – zu erstrecken: dass ein Geschäftsleiter im Vetrauen auf die nunmehr propagierte Schutzwirkung eines redressement judicaire (Art. L. 651 C. Com.) die notwendigen Schritte einleitet, um sich dann überraschend mit faillite personnelle, interdiction de gérer oder dem Vorwurf des Bankrotts konfrontiert zu sehen, ist ebenso wenig wünschenswert wie der andere Extremfall, in dem die um die rechtliche Differenzierung zwischen liquidation judicaire und redressement judicaire wissende Geschäftsleitung aus Gründen des Selbstschutzes auf die Einleitung eines unter staatlicher Obhut verlaufenden Verfahrens nach Möglichkeit verzichtet. Eine gewisse innere Rechtfertigung der durch den französischen Gesetzgeber vorgenommenen Differenzierung lässt sich allerdings darin finden, dass die Wiederauffüllungsklage in ihrer konkreten Ausformung selbst leichteste Geschäftsleitungsfehler erfasst, während zumindest faillite personnelle und banqueroute jeweils ein besonders schwerwiegendes Verhaltensunsrecht voraussetzen. Vor diesem Hintergrund lässt sich die dem französischen Recht nunmehr immanente Differenzierung dahingehend interpretieren, dass die Einleitung eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens einen safe harbor nur für leichtere Pflichtenverstöße bietet, eine Voraussetzung, die gerade im Falle des banqueroute nicht erfüllt ist. Gleichzeitig sollten die mit dieser verfahrensbezogenen Differenzierung verbundenen Fehlanreize nicht so ausgeprägt wie im englischen Recht sein, da am Ende der Beobachtungsphase eine Fortführung des Unternehmens nur dann in Betracht kommt, wenn sich dieses nicht als zahlungsunfähig erweist. Bei Zahlungsunfähigkeit wird hingegen eine liquidation judicaire eingeleitet1255, so dass sich die action en comblement du passif verwirklichen kann. Im Einzelnen erachtet das Gesetz fünf Verhaltensweisen für sanktionswürdig: rechtswidrige Handlungsweisen, die die Eröffnung eines kollektiven Verfahrens verzögern (avoir, dans l’intention d’éviter ou de retarder l’ouverture de la procédure de redressement judicaire ou de liquidation judicaire, soit fait des achats en vue d’une revente au-dessous du cours, soit employée des moyens ruineux pour se procurer des fonds) (Art. L. 654-2 18 C. com.), die Unterschlagung oder Verschleierung von Aktiva (avoir détourné ou dissimulé tout ou partie de l’actif du débiteur) (Art. L. 6542 28 C. com.), die betrügerische Aufblähung der Passiva des Schuldners (avoir frauduleusement augmenté le passif du débiteur (Art. L. 654-2 38 C. com.), das Unterlassen der Buchführung oder Scheinbuchführung (avoir tenu une comptabilité fictive ou fait disparaître des documents comptables de l’entreprise ou de la personne morale ou s’être abstenu de tenir toute comptabilité lorsque lex textes applicables en font obligation) (Art. L. 654-2 N8 4 C. com.) und eine offensichtlich unvollständige oder falsche Buchführung (avoir tenu une comptabilité manifestement incomplète ou irrégulière au regard des dispositions légales) (Art. L. 654-2 58 C. com); wiederum nicht erfasst wird – abweichend von der deutschen Rechtslage (§ 84 GmbHG) – eine bloße Insolvenzverschleppung, soweit sie nicht mit der Verwirklichung der be1255

Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, VIII Rn. 13.

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nannten Tatbestände einhergeht. Rechtsfolge ist Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe von 375.000 E (Art. L. 654-3 al. 1 C. com.)1256. Da es sich um Vorsatzdelikte handelt, muss der Vorsatz des Geschäftsleiters nachgewiesen werden1257. Während eines Strafverfahrens wegen Bankrotts kann das Gericht gleichzeitig eine faillite personnelle aussprechen (peines complémentaires), wenn es zu der Überzeugung gelangt, dass deren Voraussetzungen vorliegen (Art. L. 654-6 C. Com.)1258 ; wobei seit Inkrafttreten des loi de sauvegarde Höchst- und Mindestdauer denen einer durch die Zivilgerichte ausgeurteilten faillite personnelle entsprechen1259. b) Berufsverbote (sanctions professionnelles) Daneben kennt das französische Recht spezielle Berufsverbote für Geschäftsleiter, faillite personnelle und interdiction de gérer. Der Anwendungsbereich beider Instrumente ist allerdings nicht auf die Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften beschränkt, sondern erfasst auch Kaufleute und Freiberufler1260. Wird die Funktion des Geschäftsleiters zulässigerweise durch eine juristische Person wahrgenommen, richten sich die sanctions professionnelles nicht gegen diese selbst, sondern gegen den zu ihrer dauerhaften Vertretung bestellten ständigen Vertreter (représentant permanent)1261. In Abgrenzung zur Wiederauffüllungsklage, die nur mehr im auf Abwicklung gerichteten Insolvenzverfahren zulässigerweise erhoben werden kann, können sowohl faillite personnelle als auch interdiction de gérer entsprechend der Bankrottstrafbarkeit sowohl im Rahmen eines redressement judicaire wie auch einer liquidation judicaire, nicht hingegen im Rahmen einer procédure de sauvegarde ausgesprochen werden1262. 1256 Vgl. Matsopoulou, D. 2007, S. 104; Viandier/Cozian/Deboissy, droit des sociétés, Rn. 322 = S. 191. 1257 Vgl. Urbain-Parleani, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 575 (604). 1258 Vgl. Le Corre, D. 2005, S. 2297; Mascala, RTD Com. 2006, 209 (217); UrbainParleani, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 572 (605); Chaput, Droit du redressement, S. 388. Aus der Rechtsprechung etwa cass. crim. 8. 11. 2006 (N8 de pourvoi 0585271), bull. crim. 2006 N8 280, S. 1015; cass. crim. 8. 11. 2006 (N8 de pourvoi 06-81862) bull. crim. 2006 N8 280, S. 1015. 1259 Vor Inkrafttreten des loi de sauvegarde griffen die strafrechtlichen Spruchkörper in Ermangelung einer eigenen Regelung im Bankrotttatbestand auf Art. L. 131-27 des code pénal zurück mit der Konsequenz, dass nur die Wahl zwischen den beiden Optionen, Verhängung einer Höchstdauer von bis zu fünf Jahren oder aber Ausurteilung eines lebenslangen Berufsverbots bestand. Vgl. Mascala, RTD Com. 2006, 209 (218). 1260 Vgl. Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 184; Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (317); Matsopoulou, D. 2007, S. 104; Urbain-Parleani, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 575 (602 ff.); Einmahl, GewArch 2004, 408 (408 ff.). 1261 Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 184. 1262 Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 184; Mascala, RTD Com. 2006, 209 (213); Mascala/Salomon, Rev. proc. coll. 2013, 89 (90).

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aa) Insolvenzächtung (Faillite personnelle) Nach Art. L. 653-2 C. com. kann ein dirigeant bzw. dirigeant de fait mit einem dauerhaften Tätigkeitsverbot belegt werden, das wie im englischen Recht eine Höchstdauer von 15 Jahren nicht überschreiten darf (Art. L. 653-11 C. Com.). Der betroffenen Person ist für die Dauer der faillite personnelle das Recht entzogen, direkt oder indirekt eine Handelsgesellschaft zu kontrollieren oder zu lenken1263. Das bisher geltende Mindeststrafmaß von fünf Jahren und das Fehlen einer Höchstgrenze wurden mit dem loi de sauvegarde des entreprises (Loi n8 2005-845 du juillet 2005) abgeschafft1264. Hinzutreten kann als weitere Sanktion der Verlust der Wählbarkeit in öffentliche Ämter (incapacité publique élective) für die Dauer der faillite, höchstens allerdings für fünf Jahre (Art. L. 653-10 C. Com.)1265. Verstößt der verurteilte Geschäftsleiter gegen das Tätigkeitsverbot, droht nach der Neufassung des Gesetzes eine Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder eine Geldstrafe von bis zu E 375.000 (Art. L. 654-15 C. Com.)1266. Auf Altfälle finden die Neuregelungen nur beschränkte Anwendung. Zwar bestimmt Art. 190 des Gesetzes vom 26. Juli 2005, dass die Höchstdauer bei Entscheidungen über faillite personnelle und interdiction de gérer ab Verkündung des Gesetzes zu berücksichtigen ist. Soweit allerdings bereits ausgesprochene Tätigkeitsverbote – insbesondere solche auf Lebenszeit – betroffen sind, erfolgt keine Anpassung. Entsprechend hat die cour de cassation einem Geschäftsleiter, der im Jahre 1979 auf Lebenszeit disqualifiziert worden war und im Jahre 2004 (!) eines Verstoßes „überführt“ werden konnte, die Berufung auf die nunmehr geltende Höchstdauer von 15 Jahren versagt1267. Die Verhängung der faillite personnelle kann auf die Verwirklichung verschiedener Tatbestände gestützt werden. Anders als der CDDA kennt der Code de 1263 Cozian/ViandierDeboissy, droit des sociétés, Rn. 324 = S. 192; Mascala, RTD Com. 2006, 209 (213). 1264 Vgl. Le Corre, D. 2005, S. 2297; Urbain-Parleani, in: Lutter: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 572 (603); Klein, RIW 2010, 352 (357); das gilt nach Ansicht der Rechtsprechung trotz Fehlens einer ausdrücklicher Regelung auch für eine durch den Strafrichter ausgesprochene faillite personnelle: cass. crim. 8. 11. 2006 (N8 de pourvoi: 05-85922), bull. crim. 2006 N8 280, S. 1015; cass. crim. 8. 11. 2006 (N8 de pourvoi) bull. crim. 2006 N8 280, S. 1015; cass. crim. 8. 11. 2006 (N8 de pourvoi 06-81862) bull. crim. 2006 N8 280, S. 1015; vgl. – im Ergebnis zustimmend – Matsopoulou, D. 2007, S. 104. Zum alten Recht Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 563 ff.; für die Rechtslage unter Geltung des Gesetzes v. 25. 1. 1985 vgl. Chaput, Droit du redressement, S. 371 ff. 1265 Art. L. 653-10 C. Com.: „Le tribunal qui prononce la faillite personnelle peut prononcer l’incapacité d’exercer une fonction publique élective. L’incapacité est prononcée pour une durée égale à celle de la faillite personnelle, dans la limite de cinq ans“.Vgl. Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 186; Le Corre, D. 2005, S. 2297; Matsopoulou, D. 2007, S. 104. Ein dahingehender Automatismus des Inhalts, dass die faillite die Ineligibilität zwingend nach sich zieht, besteht seit dem loi de sauvergarde nicht mehr. Vgl. Mascala, RTD Com. 2006, 209 (213). 1266 Vgl. Matsopoulou, D. 2005, S. 104; Cozian/ViandierDeboissy, droit des sociétés, Rn. 324 = S. 192. 1267 Cass. crim. 19. 9. 2007 (n8 de pourvoi: 07-82653) = JCP/E 2008, 1473 (1474) mit Anm. Delattre für einen Fall der insoweit gleichen interdiction de gérer.

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Commerce allerdings keinen allgemeinen Tatbestand wie die unfitness, sondern führt enumerativ-abschließend die Sachverhalte auf, die ein Berufsverbot nach sich ziehen können1268. Im Einzelnen können Grundlage einer faillite Vermögensvermischung (avoir disposé des biens de la personne morale comme des siens propres), die Verwendung von Gesellschaftsvermögen zu eigenen Zwecken (sous le couvert de la personne morale masquant ses agissements avoir fait des actes de commerce dans un intérêt personnel), die eigennützige und missbräuchliche Ausbeutung der Gesellschaft (avoir fait des biens ou de crédit de la personne morale un usage contraire à l’intérêt de celle-ci à des fins personnelles ou pour favoriser une autre personne morale ou entreprise dans laquelle il était intéressé directement ou indirectement) (Art. L. 653-4 C. Com.), die Nichtbeachtung eines gegenständlich begrenzten Berufsverbots (interdiction de gérer) (avoir exercée une activité commerciale, artisanale ou agricole ou une fonction de direction ou d’administration d’une personne morale contrairement à une interdiction prévue par la loi) sowie Verstöße gegen zwingende gesellschaftsrechtliche Vorschriften, der ruinöse Verkauf von Vermögensgegenständen und die einseitige Begünstigung von Gläubigern (avoir payé ou fait payer, après cessation des paiements et en connaissance de cause de celle-ci, un créancier au préjudice des autres créanciers). Als weitere die Verhängung einer faillite rechtfertigende Verhaltensweisen sind im Rahmen des loi de sauvegarde schwere Fehler in der Buchführung (avoir fait disparaître des documents comptables, ne pas avoir tenu de comptabilité lorsque les textes applicables en font obligation, ou avoir tenu une comptabilité fictive, manifestement incomplète ou irrégulière au regard des dispositions applicables) (Art. L. 653-5 C. Com.)1269 sowie die Weigerung, mit Justizorganen zusammenzuarbeiten (avoir en s’abstenant volontairement de coopérer avec les organes de la procédure, fait obstacle à son bon déroulement) aufgenommen worden1270, womit der Gesetzgeber die Kooperationsbereitschaft der Geschäftsleitung der Gemeinschuldnerin für die neu strukturierten und ausgeweiteten Abwicklungs- und Reorganisationsverfahren sicherzustellen sucht1271. Eine faillite personnelle kann schließlich auch dann verhängt werden, wenn ein Geschäftsleiter seinen Verpflichtungen aus einer Verurteilung zur action en comblement de passif bzw. – in Altverfahren – einer action en obligation aux dettes sociales nicht nachkommt (Art. L. 653-6 C. Com.)1272. Die bloße Verletzung der Insolvenzantragspflicht genügt hingegen seit Inkrafttreten des loi de sauvegarde 1268

Vgl. Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (321); Einmahl, GewArch 2004, 408 (408 ff.); Legros, Dr. sociétés 2010, Repère 3. 1269 Vgl. Matsopoulou, D. 2007, S. 104. 1270 Mascala, RTD Com. 2006, 209 (212 f.). 1271 Vgl. Le Corre, D. 2005, S. 2297; Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (318); Urbain-Parleani, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 575 (602 f.). 1272 Art. L. 653-6 C. com.: „Le tribunal peut prononcer la faillite personnelle du dirigeant de la personne morale qui n’a pas acquitté les dettes de celli-ci mises à sa charge“. Vgl. Le Corre, D. 2005, S. 2297; Chaput, Droit du redressement, S. 375.

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nicht mehr für die Verhängung einer faillite personnelle1273. Diese Neuregelung bestätigt den Befund, dass auch das französische Recht in der Fortführung der Gesellschaft unter Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht nicht den Kardinalfehler in der Krise der Kapitalgesellschaft sieht, sondern ein zusätzliches Unrechtselement fordert. Das Gericht ist nicht zum Ausspruch einer faillite personnelle verpflichtet, die Verhängung ist stets fakultativ1274. Ein Verzicht kommt insbesondere unter der Voraussetzung in Betracht, dass der gérant die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um eine Gesundung der Gesellschaft herbeizuführen und die Gefährdung der Gesellschaftsgläubiger damit zu minimieren1275. Hierin lässt sich eine Übertragung der Grundgedanken der business judgment rule für den Bereich der Tätigkeitsverbote sehen. Rechtsökonomisch lässt sich diese Ausnahme mit dem Gedanken rechtfertigen, dass in diesem Fall kein opportunistisches Verhalten seitens der Geschäftsleitung vorliegt. Mehr Flexibilität eröffnet auch der Wegfall der fünfjährigen Mindeststrafe, so dass die konkrete Dauer der faillite personnelle genauer an der Schwere des Verstoßes orientiert werden kann1276. In gleiche Richtung geht es, wenn das französische Recht die Aufhebung einer faillite personnelle (relèvement) erlaubt, wenn der Geschäftsleiter die ihm aufgegebenen Gesellschaftsverbindlichkeiten erfüllt oder einen nach Ansicht des Gerichts ausreichenden Beitrag hierzu beisteuert (Art. L. 653-11 al. 3 C. Com)1277. Unter Berufung auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (proportionalité) verlangt zudem die jüngere Rechtsprechung der cour de cassation – wie im Rahmen einer action en comblement nach Art. L. 651 C. Com. – dass dann, wenn das Tatgericht die Verhängung einer faillite personnelle auf die Verwirklichung mehrerer der in Art. L. 653 C. com. aufgezählten Geschäftsleitungsfehler stützt, jeder dieser Fehler ordnungsgemäß nachgewiesen sein muss1278. Schließlich ordnet auch das französische Recht die Publizität einer ausgesprochenen faillite personnelle an, wobei im Weiteren danach differenziert wird, ob der betroffene Geschäftsleiter selbst Kaufmann (commercant) ist1279 : Besitzt das verurteilte Organ Kaufmannseigenschaft, wird die faillite personnelle in das durch das Handelsregister (tribunal de commerce) geführte registre du commerce et des so1273 Vgl. Mascala, RTD Com. 2006, 209 (213); Matsopoulou, D. 2007, S. 104. Zum früheren Art. 189 loi d. 25. 1. 1985 Chaput, Droit du redressement, S. 375 f. 1274 Vgl. Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 185; Urbain-Parleani, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 572 (603). 1275 Vgl. Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (318). 1276 Vgl. Matsopoulou, D. 2007, S. 104; Le Corre, D. 2005, S. 2297. 1277 Vgl. Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (318); Urbain-Parleani, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 572 (603); zu den Gründen für die Einführung dieser Regelung Chaput, Droit du redressement, S. 382. 1278 Cass. com., 1. 12. 2009, Bull. civ. IV N8 155 (n8 de pourvoi: 08-17.187); Legros, Dr. sociétés 2010, Repère 3. 1279 Mascala/Salomon, Rev. proc. coll. 2013, 89 (90).

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ciétés sowie in das Bulletin officiel des annonces civiles et commerciales (BODACC) eingetragen1280. Fehlt dem disqualifizierten Geschäftsleiter hingegen persönlich die Kaufmannseigenschaft, erfolgt grundsätzlich eine Eintragung im Vorstrafenregister (casier judicaire)1281. Wiederum gilt, dass die Publizität der Disqualifizierung im Grundsatz zu begrüßen ist, da sie zu einer Stärkung der Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger und der Effizienz des Marktes für Führungskräfte beiträgt. Allerdings genügt die bisherige französische lex lata dem daraus folgenden Transparenzgebot nur unzureichend: während Registergerichte und Rechtsverkehr von einem gegen einen Kaufmann ausgeurteilten Berufsverbot unproblematisch Kenntnis nehmen können, gilt anderes für eine gegen einen Nicht-Kaufmann ausgeurteilte faillite. Auf das Vorstrafenregister können weder das Handelsregister noch die betroffene Bereichsöffentlichkeit ohne weiteres zugreifen. In der Praxis führt dies dazu, dass zahlreiche eigentlich disqualifizierte Geschäftsleiter weiter als Organe zu fungieren vermögen, weil Handelsregister und sonstigen Marktteilnehmern das Berufsverbot verborgen bleibt1282. bb) Interdiction de gérer Alternativ kann das Gericht eine interdiction de gérer aussprechen, die in der Praxis die häufiger ausgeurteilte Sanktion darstellt. So wurden allein im Jahre 2002 2500 derartiger Verbote ausgesprochen1283. Die interdiction de gérer entspricht insoweit der faillite personnelle, als auch sie im Ermessen des Gerichtes steht, für den gleichen Zeitraum angeordnet werden und grundsätzlich bei denselben Verhaltensweisen der Geschäftsleitung zur Anwendung gelangen kann1284. Struktureller Unterschied zur faillite personnelle ist, dass die interdiction de gérer kein umfassendes Berufsverbot darstellt, sondern auf bestimmte Tätigkeiten oder Geschäftszweige beschränkt werden kann. Die Entscheidung hierüber obliegt dem Gericht im konkreten Fall1285. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen eine interdiction de gérer

1280 Vgl. Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 185; Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (318). Im Elsaß, das historisch bedingt einem partiellen Sonderrechtsregime unterfällt, erfolgt die Veröffentlichung im sog. Repertoire des entreprises, wird die faillite/interdiction de gérer im Rahmen eines Strafverfahrens ausgesprochen hingegen im Vorstrafenregister (casier judiciare) vgl. Le Corre, a.a.O., S. 185. 1281 Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 185. 1282 Mascala/Salomon, Rev. proc. coll. 2013, 89 (90). 1283 Vgl. Urbain-Parleani, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 572 (603). 1284 Vgl. Le Corre, D. 2005, S. 2297. Die Ähnlichkeiten betonend Matsopoulou, D. 2007, S. 104; vgl. auch Mascala, RTD Com. 2006, 209 (216). 1285 Vgl. Derrida/Sortais, D. 1994, S. 267; Cozian/ViandierDeboissy, droit des sociétés, Rn. 326 = S. 193; Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (318); Chaput, Droit du redressement, S. 379 ff.

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sind wiederum parallel zur faillite personnelle ausgestaltet: bis zu 2 Jahre Gefängnis und Geldstrafe bis zu 375.000,00 E (Art. L. 654-15 C. Com.)1286. Auch eine interdiction de gérer kann aufgehoben werden, wenn der Geschäftsleiter einen vom Gericht als ausreichend erachteten Betrag zur Begleichung der Gesellschaftsverbindlichkeiten geleistet hat (Art. L. 653-11 al. 4 C. Com). Darüber hinausgehend kann das Gericht – anders als bei der faillite personnelle – eine interdiction de gérer auch dann aufheben, wenn der Geschäftsleiter Gewähr dafür leistet, dass er zur Führung einer Gesellschaft in der Lage ist (Art. L. 653-11 al. 4 C. com.)1287. Inhalt und Reichweite dieser Entlastungsmöglichkeit sind weitestgehend unklar, insbesondere, weil es bis zu einem gewissen Grade widersprüchlich ist, eine Person, die nach Überzeugung des Gerichts zur Geschäftsführung in einem bestimmten Wirtschaftszweig ungeeignet ist, dazu aufzufordern, dem Gericht nachzuweisen, dass sie (doch und entgegen der bisherigen Überzeugung des Gerichts) über hinreichende Qualifikationen verfügt1288. Ein Anwendungsbereich verbleibt wohl in Fällen, in denen die interdiction de gérer in der Sache maßgeblich auf mangelnde kaufmännische Fähigkeiten zurückzuführen ist und der betroffene Geschäftsleiter in der Folge – etwa durch eine Fortbildung in Bilanzierung, Finanzierung etc. – belegen kann, dass grobe Fehlleistungen für die Zukunft nicht zu erwarten sind1289. Mit Inkrafttreten des loi de sauvegarde des entreprises ist als weiterer Unterschied hinzugetreten, dass die bloße Verletzung der Insolvenzantragspflicht zwar keine faillite personnelle mehr zu begründen vermag, wohl aber eine interdiction de gérer (Art. L. 653-8 C. Com.)1290. 5. Berufsverbote und Wettbewerb der Rechtsformen Vor eine neue Herausforderung gestellt wird das Recht der Berufsverbote und Disqualifizierungen durch die Entscheidungen Centros, Überseering und Inspire Art. Mit der Möglichkeit, ausländische Rechtsformen auch für das Inlandsgeschäft einzusetzen, ist die Gefahr verbunden, dass der Ausschluss von einem Geschäftsleitungsamt umgangen wird1291. Eine Person, die den Anforderungen der §§ 37 Abs. 2 S. 2 AktG, 8 Abs. 3 S. 1 GmbHG nicht zu genügen vermag, kann etwa als 1286

Vgl. Delattre, JCP/E 2008, S. 1474; Mascala/Salomon, Rev. proc. coll. 2013, 89 (90). Art. L. 653-11 C. Com: „Lorsqu’il a fait l’objet de l’interdiction prévue à l’article L. 653-8, il peut en être relevé s’il présente toutes garanties demontrant sa capacité à diriger ou contrôler l’une ou plusieurs des entreprises ou personnes visées par le même article“. Vgl. Hirte/ Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (320 f.). 1288 Skeptisch etwa Mascala, RTD Com. 2006, 209 (216). 1289 Mascala, RTD Com. 2006, 209 (216). 1290 Vgl. Le Corre, D. 2005, S. 2297; Mascala, RTD Com. 2006, 209 (216); Cozian/ViandierDeboissy, droit des sociétés, Rn. 326 = S. 193. 1291 Vgl. Bage, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 169 (171). 1287

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director einer englischen private company limited by shares agieren, da sich die Bestellung ausschließlich nach englischem Recht richtet. Die englischen Bestellungsverbote nach dem CDDA hingegen gelten im Grundsatz nur bei Verstößen gegen englisches Recht. Eine hinreichende Antwort auf diese Problematik steht noch aus1292. Nimmt man an, dass die jeweiligen Gesellschaftsformen zumindest bis zu einem gewissen Grade Substitute sind, birgt dies die Gefahr, dass die Drohung der Disqualifizierung leer läuft. Einer Teillösung wird die Problematik durch die Neufassung des § 6 GmbHG zugeführt. Auf Vorschlag des Bundesrates1293, dem sich die Bundesregierung zunächst nicht angeschlossen hatte1294, bestimmt § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG nunmehr, dass vom Amt eines Geschäftsführers auch ausgeschlossen ist, wer im Ausland wegen einer § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG vergleichbaren Tat verurteilt worden ist. Erfasst wird hiermit allerdings allein die Konstellation, in der der bisherige Geschäftsleiter einer (Schein)Auslandsgesellschaft nunmehr trotz Disqualifizierung als Mitglied des Leitungsorgans einer AG oder GmbH zu fungieren beabsichtigt. Nicht geregelt ist hingegen der umgekehrte, wohl praxisrelevantere Fall, dass der nach deutschem Recht disqualifizierte ehemalige Geschäftsleiter einer GmbH oder AG die Führung einer Scheinauslandsgesellschaft übernimmt, um das bestehende Bestellungshindernis zu umgehen. Keine probate Lösung dieses Problems stellt insbesondere ein Beschluss des BGH v. 7. 5. 2007 dar1295. Hiernach darf das Registergericht wegen eines im Inland gegen den director einer englischen private company durch vollziehbare Entscheidung der Verwaltungsbehörde verhängten Gewerbeverbots (§ 6 Abs. 2 S. 4 GmbHG a.F.) die beantragte Eintragung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister verweigern1296. Dogmatisch sieht der BGH dieses Ergebnis durch die in § 13g Abs. 3 HGB a.F.1297 enthaltene Inbezugnahme des § 10 GmbHG begründet. Die Angabe der Geschäftsführer umfasse „selbstverständlich“ auch die Feststellung ihrer Eignung gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG a.F. § 13g Abs. 2 S. 2 HGB a.F.1298 stehe dem auch im 1292

Vgl. zum Ganzen Heinz, Die englische Limited, S. 42. Stellungnahme des Bundesrates zum RegE MoMiG, BR-Drs. 354/07 Nr. 8 = S. 8 f. Vgl. hierzu Heckschen, DStR 2007, 1442 (1449). Hierfür auch Vossius/Wachter, § 8 Abs. 4 GmbHRG; K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.), 143 (146). 1294 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum RegE MoMiG zu Nr. 8 = S. 4 f. 1295 BGH, Beschl. v. 7. 5. 2007 – II ZB 7/06, NZG 2007, 592 (592 ff.); im Ergebnis gleich die erste Instanz AG Westerstede, Beschl. v. 31. 10. 2000 – 10 AR 99/00, RIW 2001, 67 (67 f.). Vgl. zum Ganzen auch Bauer/Großerichter, NZG 2008, 253 (253 ff.). 1296 A.A. noch die Vorinstanz OLG Oldenburg, Beschl. v. 28. 5. 2001 – 5 W 71/01, RIW 2001, 863 (863 f.). 1297 § 13g Abs. 3 HGB a.F.: „Die Eintragung der Zweigniederlassung hat auch die Angaben nach § 10 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie die in § 13e Abs. 2 S. 4 vorgeschriebenen Angaben zu enthalten“. 1298 § 13g Abs. 2 S. 2 HGB: „Die Vorschriften des § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind anzuwenden“. 1293

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Falle des directors einer private company nicht entgegen1299. Zwar lasse sich der Norm nicht direkt entnehmen, ob durch den fehlenden Verweis auf § 8 Abs. 3 GmbHG a.F. für Geschäftsführer einer ausländischen Gesellschaft nur die Einreichung einer entsprechenden Versicherung wegfallen sollte oder auch jene Umstände als solche, deren Nichtvorliegen nach § 8 Abs. 3 GmbHG a.F. versichert werden müsste, bei einem Geschäftsführer einer Auslandsgesellschaft ohne Relevanz bleiben sollten1300. Die letztere dieser Alternativen ist nach Ansicht des BGH jedoch weder vom historischen Gesetzgeber gewollt noch teleologisch vertretbar. Zwar müsse hingenommen werden, dass eine Person, der die Leitung einer inländischen Kapitalgesellschaft untersagt wäre, die Geschäfte einer Limited führt. Dies finde jedoch dann eine Grenze, wenn die mit einem inländischen Bestellungsverbot belegte Person durch Eintragung einer Zweigniederlassung als Geschäftsführungsorgan im Handelsregister ausgewiesen werden solle1301. Im Rahmen einer Selbstvergewisserung rundet der BGH diese Ausführungen ab, indem er sein Ergebnis mit dem Vierstufentest des EuGH für vereinbar erklärt. Bei der Verweigerung der Eintragung handele es sich zunächst um eine diskriminierungsfreie Regelung, da nach deutschem Recht bereits die Eintragung der Gesellschaft selbst scheitere.1302 Die notwendigen zwingenden Gründen sieht das Gericht darin, dass durch Verweigerung der Eintragung der Zweigniederlassung vermieden werde, dass deren director im Widerspruch zu dem bestandskräftigen und vollziehbaren Hoheitsakt der gewerberechtlichen Untersagung offiziell als Unternehmensverantwortlicher auf dem inländischen Markt wieder tätig werden könne. Die Geeignetheit der Eintragungsverweigerung soll sich aus der Erschwernis für die Betätigung des Betroffenen ergeben. Die Erforderlichkeit schließlich sieht der BGH einerseits dadurch als gegeben an, dass das Informationsmodell wegen fehlender Publizität des Bestellungsverbotes in der vorliegenden Situation keine Wirksamkeit entfalte und andererseits dadurch, dass einem in England ausgesprochenen Berufsverbot nach dem CDDA im Inland keine Wirkung zukommen würde1303. Die Entscheidung überzeugt weder dogmatisch noch inhaltlich1304. Die vermeintliche Normenkette existiert in der dargestellten Weise nicht, da § 10 GmbHG keineswegs selbstverständlich davon ausgeht, dass keine Bestellungshindernisse nach § 6 Abs. 2 S. 4 GmbHG vorliegen. Bestellungsvoraussetzungen- und hindernisse folgen vielmehr dem Gesellschaftsstatut1305. Begründbar wäre das Ergebnis des BGH vor diesem Hintergrund nur dann, wenn zwingende rechtspolitische Gründe 1299

A.A. OLG Oldenburg, Beschl. v. 28. 5. 2001 – 5 W 71/01, RIW 2001, 863 (863 f.). BGH, Beschl. v. 7. 5. 2007 – II ZB 7/06, NZG 2007, 592 (592). 1301 BGH, Beschl. v. 7.5. 2007 – II ZB 7/06, NZG 2007, 592 (593). 1302 Das Argument verfängt in der Sache nicht. Anderenfalls könnte man auch die Aufbringung eines Mindestkapitals, das auch für deutsche Gesellschaften vorgesehen ist, zur Eintragungsvoraussetzung erklären. 1303 BGH, Beschl. v. 7.5. 2007 – II ZB 7/06, NZG 2007, 592 (593 ff.). 1304 Ablehnend auch Bauer/Großerichter, NZG 2008, 253 (254 ff.). 1305 Vgl. Bauer/Großerichter, NZG 2008, 253 (254). 1300

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der Eintragung entgegenstünden und die Verweigerung gleichzeitig europarechtlichen Vorgaben standhalten würde. Beides ist indes zu verneinen. Dass der Wettbewerb der Rechtsordnungen gerade im Bereich bestehender Berufsverbote erhebliche Umgehungsgefahren begründet, ist unbestritten. Die Verweigerung der Eintragung einer Zweigniederlassung ist jedoch einerseits nicht in der Lage, diese Umgehungsmöglichkeiten zu schließen, andererseits tangiert sie ohne Not Grunddeterminanten des Registerrechts. Das eigentliche rechtspolitische Ziel, bestehende und zu Recht ausgesprochene Berufsverbote gegen Umgehung durch Einsatz einer Scheinauslandsgesellschaft zu verhindern, vermag die Lösung des II. Senats gerade nicht zu erreichen. Geradezu beiläufig konstatiert der Beschluss, dass es dem einem Gewerbeverbot unterliegenden früheren Geschäftsführer einer GmbH selbstverständlich nicht verwehrt sei, seiner früheren Tätigkeit als director einer private company nachzugehen, um sodann zum vermeintlichen Kern des Sachverhalts, der Eintragungsfähigkeit, überzuleiten. Diese Beiläufigkeit ließe sich jedoch nur dann rechtfertigen, wenn damit das zu Grunde liegende Problem einer mit dem Gesetz zu vereinbarenden und praktischen Bedürfnissen angemessenen Lösung zugeführt würde. In beiden Punkten bestehen jedoch erhebliche Zweifel. Weshalb es einer Person erlaubt sein soll, als director einer Ltd. agieren zu dürfen, gleichzeitig aber die Publizierung dieser Tatsache verboten sein soll, ist inhaltlich kaum nachzuvollziehen. Die eigentlich zur Geschäftsführung ungeeignete Person wird nicht daran gehindert, der ihr zumindest nach nationalem Recht untersagten Tätigkeit weiter nachzugehen. Gleichzeitig wird das generelle Ziel der Registerpublizität, den Rechtsverkehr über die Geschäftsführungs- und Vertretungsverhältnisse aufzuklären, geopfert. Es erscheint fraglich, ob es tatsächlich ein wünschenswerter Zustand ist, dass nach deutschem Recht disqualifizierte Direktoren in einer noch größeren Zahl von Fällen auf die Registrierung einer Zweigniederlassung verzichten. Das rechtspolitisch erwünschte Ergebnis wird nicht erreicht, gleichzeitig aber die allgemeine Registerpublizität in Teilbereichen eingeschränkt und damit der Geschäftsverkehr behindert. Nicht zuletzt gilt es zu berücksichtigen, dass auch die Entscheidung des BGH nicht die im vorliegenden Kontext eigentlich problematischen Kollisionsprobleme behandelt. Die Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO bleibt auch gegen den Geschäftsleiter einer Scheinauslandsgesellschaft vollwirksam. Heikler sind hingegen nationale Berufsverbote, die sich gegen die missbräuchliche Ausnutzung der Haftungsbeschränkung richten. Da seit Inkrafttreten des MoMiG auch eine Insolvenzverschleppung taugliche Grundlage eines Bestellungshindernisses sein kann, stellt sich die Frage, inwieweit dies Rückwirkungen auf eine Tätigkeit als director einer private company hat. Einen director trifft grundsätzlich keine Insolvenzantragspflicht, so dass auch unter gewöhnlichen Umständen die Fortführung der Gesellschaft keine Grundlage für eine disqualification order darstellt. Unklar ist, ob hier zu gelten hat, dass der Verstoß gegen das deutsche Gesellschaftsrecht auch die Tätigkeit als Geschäftsleiter einer englischen Gesellschaft ausschließt, obwohl das englische

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Recht in dem das Berufsverbot tragenden Verhalten gerade keinen ausreichenden Grund für eine Disqualifizierung zu erkennen vermag. Trotz dieser Bedenken hat der MoMiG-Gesetzgeber offensichtlich in Ermangelung von Alternativen die Lösung des BGH übernommen. Gemäß § 13e Abs. 3 S. 2 HGB n.F. gelten die § 76 Abs. 3 S. 2 u. 3 AktG und § 6 Abs. 2 S. 2 u. 3 GmbHG entsprechend. Nach dieser Gesetzeslage ist der Geschäftsleiter einer Zweigniederlassung einer Scheinauslandsgesellschaft in gleicher Weise wie der Vorstand oder Geschäftsführer einer deutschen AG oder GmbH verpflichtet, die Versicherung abzugeben, dass keine Bestellungshindernisse nach deutschem Recht vorliegen1306. Diese Neuregelung sieht sich den gleichen Einwänden ausgesetzt wie die vorbildhafte Rechtsprechung des BGH.

6. Zusammenfassung Die deutschen Regelungen über Strafbarkeit und Berufsverbote für GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder einer AG erscheinen verbesserungsbedürftig, weil sie anders als disqualification und faillite personnelle bzw. interdicition de gérer keine Antwort auf spezifisch kapitalgesellschaftsrechtliche Gefahren darstellen. Die Leitung einer beschränkt haftenden Gesellschaft ist mit spezifischen Missbrauchsmöglichkeiten verbunden, die direkt adressiert werden sollten. Das MoMiG stellt insoweit einen Schritt in die richtige Richtung dar, wenn es ein Berufsverbot mit der Insolvenzverschleppung an einen spezifisch kapitalgesellschaftsrechtlichen Tatbestand anknüpft. Die Ausdehnung der ein Bestellungsverbot auslösenden Tatbestände muss allerdings flankiert werden durch die Abschaffung des bisherigen Systems starrer Sanktionen auf der Rechtsfolgenseite. Der verbotsaussprechenden Institution muss nach dem Vorbild des § 70 StGB mindestens bezüglich der konkreten Höhe des Berufsverbots Ermessen eingeräumt werden1307. Anderenfalls würde das Verbot im Einzelfall in keinem Verhältnis zu dem vorgeworfenen Verhalten stehen und die virulente Gefahr einer Steigerung der allgemeinen Risikoaversion begründen. In diesem Zusammenhang ist weiter festzustellen, dass eine hinreichende Abstimmung des Zusammenspiels von zivilrechtlicher Haftung und Berufsverboten in der deutschen Diskussion noch aussteht. Die Entwicklung eines kumulativen Berufsverbots begründet zumindest abstrakt die Gefahr, dass die Geschäftsführer über Gebühr in die Pflicht genommen werden. Das englische Recht, für das eine gewisse Großzügigkeit bei der Verhängung mehrjähriger Berufsverbote festzustellen ist, kann insoweit kein taugliches Vorbild sein, weil in England die gerichtliche Durchsetzung der zivilrechtlichen Sanktionen in weitaus geringerem Umfang erfolgt als in Deutschland. Die Übertragbarkeit dieses Regelungsmodells einer primären 1306

Vgl. etwa Bunnemann, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, § 3 Rn. 35. 1307 Vgl. Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301 (330 f.).

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Sanktionierung über das Instrument der Disqualifizierung auf Deutschland sieht sich gleichfalls Bedenken ausgesetzt. Zu Recht oder Unrecht ist in Deutschland der kompensatorische Gläubigerschutz dominierendes Paradigma. Das englische Modell leistet hierzu keinen Beitrag, weil die von den Direktoren zu tragenden Vermögenseinbußen nicht den Gläubigern zu Gute kommen1308. Zumindest in der Theorie können mit einem solchen Sanktionsmodell zudem negative Effizienzeffekte verbunden sein. Können die Gläubiger nicht darauf zählen, einen Teil der ihnen durch opportunistisches Verhalten entstandenen Vermögenseinbußen ersetzt zu erhalten, sind sie angehalten, ein noch höheres Ausgangszinsniveau festzulegen, wodurch in letzter Konsequenz erwünschte Investitionen unterbleiben. Eine mittelbar oder unmittelbar den Gläubigern zu Gute kommende Haftungsregel vermeidet dies, weil sie Gläubigern die Gewissheit bietet, dass opportunistisches Verhalten entweder unterbleibt oder aber in seinen Vermögenseffekten durch die Rechtsordnung rückgängig gemacht wird. Der Zinssatz orientiert sich in der Theorie am technologischen Risiko. Das Zusammenspiel von Haftungsregel und Berufsverbot sollte damit grundsätzlich so justiert werden, dass primär die Haftungsregel die mit opportunistischem Verhalten verbundenen Risikosteigerungen pönalisiert, während ein Berufsverbot, um die negativen Anreizeffekte von Doppelbestrafungen zu vermeiden, grundsätzlich nur subsidiär zum Einsatz kommen sollte oder dann, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der betroffene Geschäftsleiter auch zukünftig in nicht hinnehmbarer Weise das Prinzip der beschränkten Haftung auszunutzen gewillt ist. Fraglich bleibt weiter, wem die Durchsetzung weit gefasster Berufsverbote überlassen werden sollte. Ob man tatsächlich den Registergerichten diese zusätzliche Pflicht auferlegen kann, sieht sich verschiedenen Zweifeln ausgesetzt1309. Andererseits ist die Einrichtung einer eigenständigen Behörde wie in England mit erheblichen Kosten verbunden, die sich überhaupt nur dann rechtfertigen lassen, wenn eine Verfolgung von Geschäftsleitern in größerem Umfang beabsichtigt ist1310. Die Etablierung eines solchen umfänglichen Verfolgungsapparats ist, wie das englische Beispiel lehrt, jedoch mit erheblichen Risiken für das sensible Verhältnis von Haftung und Haftungsfreistellung verbunden. Externer Druck wie auch der Impetus zur Selbstlegitimation setzen Anreize zu einer extensiven Disqualifizierungspraxis. Anders als ein Gericht muss eine Verfolgungsbehörde damit rechnen, bei geringen Verurteilungszahlen in das Kreuzfeuer öffentlicher Kritik zu geraten. Schließlich müssen die mit der Rechtsprechung des EuGH verbundenen Durchsetzungsdefizite nationaler Berufsverbote gleichfalls als noch ungelöst bezeichnet werden. Die Berücksichtigung ausländischer Berufsverbote bei der Bestellung des Geschäftsführers 1308 1309

(332).

Vgl. Hicks, JBL 2001, 433 (457). Vgl. Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 301

1310 Aufgrund der dann sinkenden Durchschnittskosten der Rechtsverfolgung, wobei unterstellt werden kann, dass die Einrichtung einer Behörde mit einem erheblichen Fixkostenanteil verbunden ist.

X. Beweislast

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einer GmbH erfasst in diesem Zusammenhang einen Teilbereich denkbarer Umgehungsstrategien. Nicht zu befriedigen vermag hingegen die durch den Reformgesetzgeber übernommene Rechtsprechung des BGH, über der ohnehin das Damoklesschwert der Europarechtswidrigkeit wegen Verstoßes gegen die Zweigniederlassungsrichtlinie schwebt1311. Eine umfassende Regelung auf europäischer Ebene erscheint grundsätzlich geboten, um diesen primär kollisionsrechtlich bedingten Unwägbarkeiten angemessen Rechnung zu tragen.

X. Beweislast 1. Bedeutung Von kaum zu unterschätzender Bedeutung für die Wirksamkeit einer Rechtsnorm ist die gesetzliche Beweislastverteilung1312. Alle drei betrachteten Jurisdiktionen kennen erhebliche Probleme bei der Implementierung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit für Verhaltensfehler in der Krise der Kapitalgesellschaft. So ist die Einführung der action en comblement du passif durch Gesetz vom 16. November 1940 maßgeblich dem Umstand geschuldet, dass die allgemeine gesellschaftsrechtliche Haftung der Geschäftsleitung aufgrund von Beweisschwierigkeiten faktisch nie oder doch nur selten zur Anwendung gelangte, und der historische Gesetzgeber dies als unangemessene Benachteiligung der Gesellschaftsgläubiger empfand1313. Ähnliche Bedeutung kommt der Beweislastverteilung auch in der deutschen Diskussion zu. Schon die allgemein als unzulänglich empfundene Wirkmächtigkeit der Haftung auf den Quotenschaden wurde nicht zuletzt als Folge der Schwierigkeiten ihrer prozessualen Durchsetzbarkeit gesehen. Und auch die partiell zu konstatierende Enttäuschung bezüglich der Effektivität der neujustierten Haftung (auch) auf den Kontrahierungsschaden gründet vor allem darin, dass auch die Neugestaltung der Insolvenzverschleppungshaftung mit erheblichen beweisrechtlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat1314. Schließlich gilt auch für England, dass die tatsächliche oder vermeintliche Zahnlosigkeit des wrongful trading nicht zuletzt auf die schwer zu erfüllenden Substantiierungspflichten zurückgeführt wird. Das deutsche Zivilprozessrecht geht in diesem Zusammenhang grundsätzlich von der Rosenbergschen Formel aus, wonach jede Seite die ihr günstigen Umstände vorzutragen und notfalls zu beweisen hat1315. Informationsökonomisch ergibt sich 1311 Vgl. Bunemann, in: Bunemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, § 3 Rn. 35. 1312 Nachdrücklich im vorliegenden Kontext Ulmer, KTS 1981, 469 (480). 1313 Vgl. etwa Guyon, Droit des Affaires II, S. 415. 1314 Vgl. Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1173); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 284. 1315 Grundlegend Rosenberg, Die Beweislast, S. 98: „Diejenige Partei, deren Prozessbegehr ohne die Anwendung eines bestimmten Rechtssatzes keinen Erfolg haben kann, trägt die

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hingegen als grundsätzliches Paradigma, dass die Partei die Darlegungs- und Beweislast treffen sollte, die am leichtesten die notwendigen Unterlagen zur Schlüssigstellung der Klage beschaffen und im Zweifel den notwendigen Beweis antreten kann. Gilt es die Gesamtverfahrenskosten, zu verstehen als Summe der durch den Staat wie durch die am Rechtsstreit Beteiligten aufzubringenden Kosten, zu minimieren, verlangt dies regelmäßig den cheapest cost avoider zu adressieren. 2. Insolvenzverschleppungshaftung Nach allgemeinen zivilprozessrechtlichen Grundsätzen hat ein Gläubiger die anspruchsbegründenden Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen1316. Im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung gilt grundsätzlich nichts anderes. Der Gläubiger respektive Insolvenzverwalter hat den Beweis für das Vorliegen der objektiven Voraussetzung der Insolvenzantragspflicht zu führen, also dafür, dass die Gesellschaft im bezeichneten Zeitpunkt zahlungsunfähig oder überschuldet war1317. Der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit hat durch stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Zahlungspflichten und der in diesem Zeitpunkt vorhandenen Geldmittel zu erfolgen1318. Soweit die Haftung auf den Quotenschaden betroffen ist, erscheint der Aufwand überschaubar. Der zur Geltendmachung des Quotenschadens befugte und berufene Insolvenzverwalter verfügt aufgrund seiner umfassenden Befugnisse über weitgehende Auskunft- und Einsichtsrechte, etwa

Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die Merkmale des Rechtssatzes im tatsächlichen Geschehen verwirklicht sind […] jede Partei hat die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm (= derjenigen Norm, deren Rechtswirkung ihr zugute kommt) zu behaupten und zu beweisen“. Vgl. Jauernig, Zivilprozessrecht, S. 209 ff.; aus der Rechtsprechung etwa BGH, Urt. v. 28. 10. 1998 – XII ZR 255/96 = NJW 1999, 353 (353 ff.). 1316 Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (379); vgl. zur Beweislastverteilung im Rahmen der allgemeinen Organ(innen)haftung Goette, ZGR 1995, 648 (648 ff.); aus der Rechtsprechung etwa BGH, Urt. v. 18. 2. 2008 – II 62/07, NZG 2008, 314 (314 ff.); BGH, Urt. v. 8. 7. 1985 – II ZR 198/ 84, NJW 1986, 54 (54 ff.). 1317 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (200); BGH, Beschl. v. 5. Nov. 2007 – II ZR 262/06, WM 2008, 27 (27 ff.); BGH, Urt. v. 27. 4. 2009 – II ZR 253/07, NZG 2009, 750 (750); OLG München, Urt. v. 28. 11. 2007 – 7 U 5444/05, GmbHR 2008, 320 (321); OLG Koblenz, Urt. v. 27. 02. 2003 – 5 U 917/02, NZI 2003, 463 (463); OLG Schleswig, EWiR 2008, 49 (49 f.) (zu § 64 Abs. 2 GmbHG); Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 80; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 75; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 143; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 76; Hess, in: Hess, InsO, § 19 Rn. 41 f.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 70; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 79; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 36; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 88; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 14; Gehrlein, DK 2007, 1 (8); Haas, NZG 1999, 373 (379); ders., DStR 2003, 423 (432); Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 317; Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 284; Arends/Möller, GmbHR 2008, 169 (170); Römermann, NZG 2009, 854 (855); a.A. Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1176). 1318 Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (379).

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§ 97 InsO1319. Anhand der Datenbasis der Buchhaltung sowie der Ein- und Auszahlungen auf den Geschäftskonten lässt sich die finanzwirtschaftliche Lage hinreichend genau nachvollziehen. Anderes gilt hingegen für einen außen stehenden Gläubiger, der im Prozess versucht, seinen Kontrahierungsschaden zu liquidieren1320. Aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Geschäftsleitung und Gläubiger wird es letzterem oftmals nicht gelingen, den genauen Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit zu benennen. Die hiermit verbundenen Folgen sind gravierend. Gelingt es einem Neugläubiger nicht, den Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit hinreichend substantiiert darzulegen, ist auch seine Stellung als Neugläubiger nicht belegt. Als Altgläubiger fehlt ihm bereits die Prozessführungsbefugnis, so dass die Klage als unzulässig abzuweisen ist. Vor dem Hintergrund dieser Informationsprobleme auf Seiten der Gläubiger erlangt die widerlegliche Vermutung nach § 17 Abs. 2 InsO erhebliche praktische Bedeutung1321. Ist eine Zahlungseinstellung i.d.S. nachgewiesen, muss der Geschäftsführer darlegen, dass nur eine Zahlungsstockung und keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt1322. Allerdings hilft auch die Vermutungsregel des § 17 Abs. 2 InsO einem prozessierenden Einzelgläubiger nicht in allen denkbaren Konstellationen. Zahlungseinstellung als nach außen Treten der Zahlungsunfähigkeit tritt frühestens gleichzeitig mit, regelmäßig jedoch zeitlich nach der eigentlichen Zahlungsunfähigkeit ein. Will ein Gläubiger zur Begründung seiner Neugläubigerstellung beweisen, dass die Gesellschaft bereits vor Zahlungseinstellung zahlungsunfähig war, hilft ihm die widerlegliche Vermutung des § 17 Abs. 2 S. 2 InsO nicht. Vergleichbar sind Darlegungs- und Beweislast für den Insolvenzgrund der Überschuldung verteilt. Der Kläger hat einen Überschuldungsstatus zu präsentieren, aus dem sich ergibt, dass das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht ausreicht1323. Sowohl unter Geltung der neuen zweistufigen Methode als auch unter der Geltung des Überschuldungsbegriffs der Insolvenzordnung1324 hat der Gläubiger „allein“ nachzuweisen, dass eine rechnerische Überschuldung vorliegt. Gelingt dem Gläubiger dies, ist es Sache des Geschäfts-

1319

Vgl. hierzu Fischer, NZI 2006, 313 (317 f.). Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 143. 1321 Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (379). Mittelbare Beweiserleichterungen sind mit dem Verzicht auf die Tatbestandsmerkmale der Wesentlichkeit und Dauerhaftigkeit verbunden. Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 284. 1322 Vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 9; Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 284. 1323 BGH, Urt. v. 27. 4. 2009 – II ZR 253/07, NZG 2009, 750 (750); OLG Hamburg, Urt. v. 30. 11. 1999 – 18 U 18/97, NZG 2000, 606 (607); Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 14; Arends/Möller, GmbHR 2008, 169 (170). 1324 BGH, Beschl. v. 5. 11. 2007 – II ZR 262/06, WM 2008, 27 (27); OLG Koblenz, Urt. v. 17. 02. 2003 – 5 U 917/02, NZI 2003, 463 (463 f.); vgl. auch Glozbach, Haftung des GmbHGeschäftsführers, S. 20 f.; Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 286; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 14. 1320

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führers, nachzuweisen, dass – etwa aufgrund nicht berücksichtigter stiller Reserven oder fehlerhafter Bewertung – die Überschuldungsbilanz fehlerhaft ist1325. Von besonderer Relevanz ist in diesem Zusammenhang, wen die Darlegungs- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose trifft. Dies gilt einerseits vor dem Hintergrund, dass mit der Rückkehr zur Überschuldung im Rechtssinne die Fortführungsprognose wieder über das Vorliegen einer Überschuldung an sich und nicht mehr nur über die maßgeblichen Wertansätze entscheidet. Andererseits fehlen regelmäßig valide Aufzeichnungen über die Entwicklung der Ertragslage der Gesellschaft. Die Gefahr von durch die Geschäftsleitung erhobenen Schutzbehauptungen des Inhalts, dass aus ihrer Sicht das Schicksal der Gesellschaft noch nicht besiegelt war, liegt auf der Hand. Unter anderem, um dieser Gefahr entgegenzusteuern, haben Rechtsprechung und Wissenschaft trotz Fehlens einer gesetzlichen Dokumentationspflicht1326 die Darlegungslast für eine positive Fortführungsprognose dem Geschäftsführer zugewiesen1327. Ein Geschäftsführer darf sich nur dann auf die günstigeren Fortführungswerte berufen, wenn die wirtschaftliche Lebensfähigkeit und die Schuldendeckung nach Fortführungswerten substantiiert dargelegt und dokumentiert ist1328. Verlangt wird ein nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erstellter Finanzplan, dem zu Folge ex ante eine positive Fortführungsprognose wahrscheinlich war1329. Um diesen Beweisanforderungen genügen zu können, ist ein Geschäftsleiter gehalten, nach Möglichkeit ausreichende Dokumentationen anzulegen, gegebenenfalls Wirtschaftsprüfer zu konsultieren und die von diesen gelieferten Befunde ihrerseits zu dokumentieren1330. Diese Verteilung der Darlegungslast erscheint auch ökonomisch plausibel. Die Geschäftsleitung vermag besser als ein Außenstehender die Zukunftsaussichten der

1325 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (200); BGH, Urt. v. 27. 4. 2009 – II ZR 253/07, NZG 2009, 750 (750); vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 317. 1326 Vgl. Bork, ZIP 2000, 1709 (1712); Drukarczyk, ZGR 1979, 552 (564 f.); einschränkend Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 79; für eine Pflicht zur substantiellen Dokumentation der Fortführungsprognose auch Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 23a. Vgl. auch IDW (FAR), WPg 1997, 22 (23), wonach die Dokumentation aus Haftungsgründen dringend empfohlen wird. 1327 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (200); BGH, Urt. v. 29. 11. 1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 (185); OLG Koblenz, Urt. v. 27. 02. 2003 – 5 U 917/02, NZI 2003, 463 (463); OLG Köln, Urt. v. 19. 12. 2000 – 22 U 144/00, NZG 2001, 411 (411); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 70; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 88; Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 285; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 19 Rn. 17; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 101; Ulmer, KTS 1981, 469 (477). 1328 Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (379). 1329 Vgl. Glozbach, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 21; Haas, DStR 2003, 423 (432). 1330 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 317.

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Gesellschaft zu beurteilen1331. Der Geschäftsführer als besser informierte Seite eines gesetzlichen oder vertraglichen Schuldverhältnisses besitzt nicht allein die Möglichkeit, sondern ist auch gesetzlich verpflichtet, ständig die finanzwirtschaftliche Lage des Unternehmens zu analysieren und zu überprüfen1332. Gläubiger sind hingegen regelmäßig nicht mit den Besonderheiten des Rechnungswesens der konkreten Gesellschaft vertraut1333. Die Darlegungslast wird insoweit auf den cheapest cost avoider übertragen. Insbesondere dann, wenn eine Dokumentation der objektiven Grundlagen einer positiven Fortführungsprognose zur Gänze fehlt, vermag allein die Geschäftsleitung der Gemeinschuldnerin aufzuzeigen, auf welche Faktoren die positive Fortführungsprognose gegründet war. Erst die Kenntnis dieser Umstände ermöglicht dem Gericht eine Beurteilung der Frage, ob die Geschäftsleitung berechtigter Weise mit einem Überleben der Gesellschaft rechnen durfte oder aber sich die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit trotz bilanzieller Überschuldung bei Ansatz von Liquidationswerten als unbegründete Hoffnung oder bewusste Spekulation darstellte. Ob den Geschäftsführer darüber hinaus auch die Beweislast für eine positive Fortführungsprognose trifft1334, hat der Bundesgerichtshof zunächst, offensichtlich vor dem Hintergrund der mit der Insolvenzverschleppung verbundenen Haftungsrisiken, ausdrücklich offen gelassen1335. Nach dem bis zur Insolvenzrechtsreform geltenden Recht hatte ein Geschäftsführer allerdings die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht gerechtfertigt erscheinen ließen, das Unternehmen fortzuführen, der Gläubiger dann gegenüber dem qualifizierten Bestreiten des Geschäftsführers die negative Fortführungsprognose zu beweisen1336. Unter Geltung des Überschuldungsbegriffs der InsO hat der BGH sodann dem Geschäftsführer auch für die Fortführungsprognose ausdrücklich die Beweislast zugewiesen1337. Hieran wird für den Überschuldungsbegriff des FMStG festzuhalten sein1338, wofür sich nunmehr auch der Wortlaut des § 19 InsO ins Felde führen lässt1339. Im Ergebnis sind also Insolvenzverwalter bzw. (Neu)Gläubiger auf einer ersten Stufe verpflichtet, die 1331 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (200); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 285. 1332 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (200); vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 80; Glozbach, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 21; Haas, DStR 2003, 423 (432). 1333 Vgl. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO § 19 Rn. 13. 1334 So etwa OLG Koblenz, Urt. v. 27. 02. 2003 – 5 U 917/02, NZI 2003, 463 (463); dafür auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 70; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 14. 1335 Vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 79; Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1176); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 286. 1336 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 286. 1337 BGH, Urt. v. 27. 4. 2009 – II ZR 253/07, NZG 2009, 750 (751). 1338 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 70. 1339 Hierauf hinweisend Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 70.

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materielle Insolvenzreife darzulegen. Die Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose an die Geschäftsleitung wirkt sich damit nur dann entlastend aus, wenn der Kläger überhaupt in der Lage ist, eine Überschuldung nachzuweisen. Gerade die Bestimmung der Überschuldung stellt nicht nur einen klagenden Einzelgläubiger, sondern auch den Insolvenzverwalter vor eine große Herausforderung1340. Da die Überschuldungsbilanz Sonderstatus ist, kann zu ihrem Nachweis nicht auf den frei zugänglichen Jahresabschluss zurückgegriffen werden1341. Konsequenterweise versagt der BGH dem Insolvenzverwalter die Berufung auf die Handelsbilanz zum Nachweis der Überschuldung, wenn die Gesellschaft substantiiert geltend machen kann, dass die tatsächlichen Werte der Vermögensgegenstände die dort angegebenen Werte vielfach ganz erheblich überstiegen1342. Nur in engen Grenzen wird die Berufung auf das Mengengerüst der Handelsbilanz zugelassen1343. So genügt nach Ansicht der Rechtsprechung ein Insolvenzverwalter seiner Darlegungslast, wenn er eine Handelsbilanz mit dem Ausweis eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages (§ 268 Abs. 3 HGB) vorlegt und erläutert, ob und gegebenenfalls welche Abweichungen nach Insolvenzrecht bestehen und dass danach eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne gegeben ist, wobei er allerdings auf einen etwaigen Gegenvortrag des beklagten Geschäftsführers einzugehen hat1344. Die Aufstellung einer vollständigen Überschuldungsbilanz ist damit nicht in jedem Fall erforderlich1345. Daneben versucht die Rechtsprechung, der ungleichen Informationsverteilung zwischen Gläubigern und Geschäftsführung durch Anwendung des Instituts der sekundären Beweislast Rechnung zu tragen. Unter der Voraussetzung, dass die Geschäftsleitung nicht nur abstrakt, sondern auch konkret über die besseren Aufklärungsmöglichkeiten verfügt und der Insolvenzverwalter bzw. Gläubiger als eigentlich darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine näheren Kenntnisse der maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind, wird dem Geschäftsführer abverlangt, zur Entlastung des Darlegungspflichtigen Tatsa1340

Vgl. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 19 Rn. 13. Vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 24; Strohn, NZG 2011, 1161 (1161 f.). 1342 Vgl. Gehrlein, DK 2007, 1 (8); vgl. auch BGH, Beschl. v. 5. 11. 2007 – II ZR 262/06, WM 2008, 26 (27). 1343 BGH, Urt. v. 8. 1. 2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (267); vgl. auch BGH, Urt. v. 7. 3. 2013 – IX 64/12, GmbHR 2013, 543 (545). Vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 4; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 18 iVm Rn. 36; Römermann, NZG 2009, 854 (855). 1344 BGH, Beschl. v. 5. 11. 2007 – II ZR 262/06, WM 2008, 27 (27) = GmbHR 2008, 142 (142 f.) mit Anm. Lindemann; vgl. auch H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 26; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 36. 1345 BGH, Urt. v. 16. 3. 2009 – II ZR 280/07, BeckRS 2009, 10663 = GWR 2009, 280936 (Ehmann). Vgl. Lindemann, GmbHR 2008, 143 (144); vgl. auch Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 36. 1341

X. Beweislast

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chen vorzubringen, derer er selbst nicht bedürfte, um sein Vorbringen schlüssig zu stellen1346. Kommt eine Partei, konkret der Geschäftsführer, dieser Verpflichtung nicht nach, gilt das Vorbringen des Gegners, also des Insolvenzverwalters oder Neugläubigers, in entsprechender Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden1347. Der Geschäftsführer kann das Vorbringen des Gläubigers regelmäßig nicht mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten1348. Den Geschäftsführer trifft also eine erweitere Informationspflicht, die erst dann entfällt, wenn er an die entsprechenden Unterlagen nicht zu gelangen vermag, etwa weil ihm der Insolvenzverwalter den Einblick in diese verweigert1349. In gleiche Richtung weist die jüngere Rechtsprechung des BGH die einen Gläubiger nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung zumindest dann von einer detaillierten Darlegung der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung befreit, wenn der Geschäftsführer die ihm obliegenden Buchführungspflichten (§§ 238, 257 HGB, § 41 GmbHG) verletzt hat und damit dem Gläubiger die Darlegung näherer Einzelheiten unmöglich macht1350. Da die Anwendung der sekundären Beweislast sowie eine vollständige Beweisvereitelung in der Praxis die Ausnahme und nicht die Regel darstellen, bleibt es jedoch bei der nicht unkritischen Beweislastverteilung zwischen Gesellschaft bzw. Geschäftsführer und klagenden Gläubigern. Gelingt es Insolvenzverwaltern oder Gläubigern, die Hürde materieller Insolvenzreife im Prozess zu überwinden, wechselt die Darlegungs- und Beweislast auf den beklagten Geschäftsführer. Diesen trifft zunächst die Beweislast für eventuell fehlendes Verschulden. Liegt objektiv eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers vor, wird sein Verschulden widerleglich vermutet1351. Zu seiner Entlastung muss ein

1346

Vgl. BGH, Urt. v. 11. 6. 1990 – II ZR 159/89, NJW 1990, 3151 (3151 f.); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 287; Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1176). 1347 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 287. 1348 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6. 11. 1992 – 22 U 104/92, NJW-RR 1993, 1128 (1129), vgl. auch Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 286. 1349 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 286. Siehe auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 6. 11. 1992 – 22 U 104/92, NJW-RR 1993, 1128 (1129): „Als Geschäftsführer der GmbH hätte er sich zum Zwecke der Rechtsverteidigung rechtzeitig um die notwendigen Informationen bemühen können und müssen“. 1350 BGH, Urt. v. 24. 1. 2012 – II ZR 119/10, ZIP 2012, 723 (724); Commandeur/Römer, NZG 2012, 979 (980). 1351 BGH, Urt. v. 1. 3. 1993 – II ZR 81/94, DStR 1994, 1092 (1093); BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (200); BGH, Urt. v. 14. 05. 2007 – II ZR 48/06, GmbHR 2007, 757 (759); BGH, Urt. v. 8. 1. 2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (274); BGH, Urt. v. 29. 11. 1999, BGHZ 143, 184 (185 f.); BGH, Urt. v. 24. 1. 2012 – II ZR 119/10, ZIP 2012, 723 (725); OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631 (631); OLG München, Urt. v. 28. 11. 2007 – 7 U 5444/05, GmbHR 2008, 320 (321); OLG Köln, Urt. v. 19. 12. 2000 – 22 U 144/00, NZG 2001, 411 (411); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 75; Haas, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 143; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh § 64 Rn. 70; H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 181; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 14; Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1177); Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 258; Haas, NZG 1999, 373 (379);

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Geschäftsführer darlegen und notfalls beweisen, dass ihm die Insolvenz der Gesellschaft weder bekannt noch auch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters erkennbar war, ein non liquet geht zu seinen Lasten1352. Hat die Geschäftsleitung die dreiwöchige Sanierungsfrist ganz oder teilweise in Anspruch genommen, trifft sie zudem die Darlegungslast dafür, dass eine rechtzeitige Sanierung ernstlich zu erwarten war1353. Darlegungs- und Beweislast bezüglich Kausalität und Schadenshöhe hingegen treffen wiederum den Insolvenzverwalter bzw. Gläubiger1354, wobei die Erleichterungen des § 287 ZPO bezüglich Substantiierungspflicht und Beweismaß in Anspruch genommen werden können1355. Auch in diesem Zusammenhang von nicht zu unterschätzender Relevanz ist, dass Gläubiger nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH nachzuweisen gehalten sind, ob sie Alt- oder Neugläubiger sind1356, da hiervon auch der Umfang des zu ersetzenden Schadens – Quoten- oder Kontrahierungsschaden – abhängt. Damit muss der genaue Zeitpunkt, in dem die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist, substantiiert werden. Denn die Berechnung des Quotenschadens eines Altgläubigers setzt notwendigerweise die Bestimmung des Zeitpunkts der Insolvenzreife voraus1357. Ein Neugläubiger braucht hingegen „nur“ darzulegen, dass die Gesellschaft bereits insolvenzreif war, als er mit ihr einen Vertrag geschlossen hat1358. Auch dies wird einem Gläubiger ohne weitere Voraussetzungen regelmäßig kaum möglich sein1359. Vor dem Hintergrund dieser Darlegungs- und Beweislastverteilung erlangt höchste Bedeutung, inwieweit Einzelgläubiger, die ihren Kontrahierungsschaden liquidieren wollen, Einblick in die Interna der Gesellschaft erlangen können. Verders., DStR 2003, 423 (432); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 281; Ulmer, KTS 1981, 469 (485). 1352 BGH, Urt. v. 14. 05. 2007 – II ZR 48/06, GmbHR 2007, 757 (759). Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (379); Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 281; Ulmer, KTS 1981, 469 (486). 1353 BGH, Urt. v. 24. 1. 2012 – II ZR 119/10, ZIP 2012, 723 (724); Haas, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 143. 1354 Vgl. OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631 (631); Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 143; ders., NZG 1999, 373 (380). 1355 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 77; Oepen, ZIP 2000, 529 (529); auch Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 290 allerdings mit dem Hinweis, dass dieses Instrument im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung durch die Praxis, i. e. in diesem Falle die Gerichte, nicht hinreichend genutzt werde. 1356 Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (380); ders., ZHR 170 (2006), 478 (481). 1357 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 288; vgl. auch Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 143 mit Hinweis darauf, dass die Bestimmung des Quotenschadens insbesondere einen klagewilligen Insolvenzgläubiger im Falle der Masselosigkeit vor unüberwindbare Hindernisse stellen wird. 1358 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 289. 1359 Vgl. Haas, ZHR 170 (2006), 478 (481); auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 77 konstatiert „beträchtliche Schwierigkeiten“ trotz des Eingreifens von § 287 ZPO.

X. Beweislast

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schiedene Ansprüche stehen hierzu zur Verfügung. Zunächst können § 810 BGB sowie der allgemeine Rechenschaftslegungsanspruch nach § 242 BGB aktiviert werden, um Einblick in die Geschäftsunterlagen1360. bzw. Auskunftserteilung, Rechenschaftslegung und Urkundeneinsicht zu erreichen1361. Hinzu treten die spezifisch insolvenzrechtlichen Auskunfts- und Einsichtsrechte. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, inwieweit außen stehende Gläubiger Einsicht in die Insolvenzakten nehmen können1362. Die Insolvenzakten enthalten sowohl die Bilanz als auch den Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters für das Insolvenzgericht, ob Insolvenzgründe gegeben und zumindest die Massekosten gedeckt sind1363. Mögliche Anspruchsgrundlage ist § 4 InsO i.V.m. § 299 ZPO1364. Die Rechtsprechung differenziert. Unproblematisch steht das Recht auf Akteneinsicht dem Gläubiger zu, der selbst Insolvenzantrag gestellt hat und aus diesem Grunde Verfahrensbeteiligter i.S.v. § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 1 ZPO ist1365. Problematisch und umstritten ist hingegen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Gläubiger, der nicht selbst Insolvenzantrag gestellt hat, im Insolvenzverfahren Akteneinsicht nach § 299 Abs. 2 ZPO nehmen kann, sofern er ein rechtliches Interesse glaubhaft zu machen in der Lage ist1366. Das OLG Köln hat hierzu sehr restriktiv und formalistisch argumentierend entschieden, dass ein Gläubiger, der mit der Akteneinsicht zu prüfen bezweckt, ob der Geschäftsführer einer GmbH seiner Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages nachgekommen ist, kein rechtliches Interesse i.S.v. § 299 Abs. 2 ZPO besitze. Er begehre nicht die Feststellung etwa noch vorhandenen Vermögens der inzwischen gelöschten GmbH. Folgerichtig bestehe kein Bezug zur Konkurseröffnung1367. Der BGH steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass auch nach Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse für einen Gläubiger der Insolvenzschuldnerin das rechtliche Interesse gemäß §§ 4 InsO, 299 Abs. 2 ZPO bestehe. Dieses entfalle auch dann nicht, wenn der entsprechende Gläubiger Akteneinsicht begehrt mit dem Ziel, festzustellen, ob ihm Durchgriffs- und Schadensersatzansprüche gegen Dritte, insbesondere gegen Geschäftsführer und Gesellschafter, zustehen1368. Dies erscheint folgerichtig, berücksichtigt man, dass die 1360 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführer, S. 291 f. Zu den Voraussetzungen allgemein Thole, ZIP 2012, 1533 (1540). 1361 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 292. 1362 Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (380). 1363 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 292. 1364 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 294 m.w.N.; allgemein zum Anspruch aus § 4 InsO i.V.m. § 299 ZPO Thole, ZIP 2012, 1533 (1535). 1365 OLG Köln, Beschluss v. 3. 5. 1999 – 7 VA 6/98, NZI 1999, 502 (502); vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 294. Zum insoweit einschlägigen formellen Parteibegriff Thole, ZIP 2012, 1533 (1535 u. 1538 f.). 1366 Vgl. Haas, NZG 1999, 373 (380). 1367 OLG Köln, Beschl. v. 18. 8. 1997 – 7 VA 4/92, BB 1998, 12; OLG Köln, Beschl. v. 3. 5. 1999 – 7 VA 6/98, NZI 1999, 502 (502). 1368 BGH, Beschl. v. 5. 4. 2006 – IVAR (VZ) 1/06, ZIP 2006, 1154 (1156); Thole, ZIP 2012, 1533 (1541).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Insolvenzverschleppungshaftung in untrennbarem Zusammenhang mit der Insolvenz der Gemeinschuldnerin steht, insofern sie ein partieller Ausgleich der beschränkten Haftung für den Fall der Insolvenz ist. Unklar ist darüber hinaus der Umfang des eventuell bestehenden Einsichtsrechts. Nach Ansicht der Oberlandesgerichte Brandenburg, Celle und Düsseldorf umfasst das Einsichtsrecht auch das wichtige Gutachten des Verwalters1369. Aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Gläubiger und Schuldner sowie der Tatsache, dass Ansprüche aus Insolvenzverschleppung in untrennbarem Zusammenhang mit der Insolvenz der Gemeinschuldnerin stehen, ist dieser weiten Auslegung zu folgen. Gesichtspunkte, die der Geschäftsleitung der Gemeinschuldnerin ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung von Bilanz etc. geben würden, sind demgegenüber nicht ersichtlich. Erleichtert wird einem Gläubiger der Nachweis auch dadurch, dass die Insolvenzordnung die Mitwirkungspflichten des Geschäftsführers ausgeweitet hat. Nach § 97 InsO ist der Schuldner verpflichtet, dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter, auf Anordnung des Gerichts auch der Gläubigerversammlung, alle Auskünfte zu erteilen, die die Umstände des Insolvenzverfahrens betreffen. Hierzu gehören Angaben zu den Gründen der Insolvenz, dem Vermögen der GmbH und seinem Verbleib, einzelnen Gläubigerforderungen und ihrer Berechtigung sowie Absonderungs- und Aussonderungsrechten. Im Falle der GmbH trifft die Verpflichtung nach § 97 Abs. 1 InsO den Geschäftsführer (§ 101 Abs. 1 InsO). Dieser hat nach § 97 Abs. 2 InsO den Insolvenzverwalter bei Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen1370. Trotz der bestehenden Beweiserleichterungen und der möglichen Wege, an Gesellschaftsinterna zu gelangen, stellt die Beweislastverteilung ein derart großes Hindernis dar, dass Geschäftsführer in der Praxis eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung kaum zu befürchten haben1371. Bedenkenswert erscheinen vor diesem Hintergrund die Vorschläge, die unter Verweis darauf, dass Rechtsprechung und herrschende Literatur die Geschäftsführung ohnehin zur ständigen Prüfung der finanzwirtschaftlichen Lage verpflichtet sehen, die Leitung der Gesellschaft in stärkerem Umfang in Fragen der Darlegungs- und Beweislast heranziehen wollen1372. Eine dahingehende Modifikation würde dem informationsökonomischen Befund, dass die Geschäftsleitung in viel stärkerem Maße zum Nachweis einer (fehlenden) Überschuldung fähig ist, Rechnung tragen. Dies muss insbesondere dann gelten, 1369 OLG Brandenburg, Beschl. v. 10. 8. 1998 – 2 VA 11/97, NZI 1999, 503; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17. 12. 1999 – 3 Va 11/99, ZIP 2000, 322 (323); OLG Celle, Beschl. v. 12. 1. 2004 – 2 W 95/03, ZIP 2004, 368 (370); OLG Celle, Beschl. v. 19. 1. 2004 – 2 W 118/03 = ZIP 2004, 370 (372). 1370 Vgl. hierzu Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 297; Bork, in: Bork/ Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 79 ff. 1371 So Glozbach, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 18 f. 1372 Vgl. etwa Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1176).

X. Beweislast

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wenn man mit Rechtsprechung und h.M. davon ausgeht, dass die prozessuale Durchsetzung der Insolvenzverschleppungshaftung zumindest in Teilen isoliert durch den Einzelgläubiger zu erfolgen hat. Überlegenswert erscheint deshalb etwa die Faustformel Altmeppens, dass „wer trotz negativen Eigenkapitals (§ 268 Abs. 3 HGB), also dann, wenn bei fortgeführten Buchwerten rechnerische Überschuldung vorliegt, nicht Konkurs anmeldet, […] nachprüfbar darlegen [muss], weshalb er Werte ansetzen durfte, die über Buch- oder Zerschlagungswerten liegen“1373. Denn in der Tat erscheint es auf dem Boden der herrschenden Meinung fragwürdig, weshalb die Geschäftsleitung zwar verpflichtet sein soll, bei Krisenanzeichen einen Überschuldungsstatus zu erstellen, der sie zu dem Ergebnis führt, dass keine Überschuldung vorliegt, sie aber im Prozess nicht verpflichtet sein soll, diese Erwägungen offenzulegen. In gleiche Richtung zielte die im Rahmen des MoMiG vorgebrachte Anregung des Bundesrates, dem insolvenzverschleppenden Organ die Beweislast dafür zuzuweisen, dass die Befriedigungsaussichten der Gläubiger sich durch die Insolvenzverschleppung nicht verschlechtert haben1374.

3. Wrongful Trading Darlegungs- und Beweislast sind im englischen Recht weitestgehend parallel zum deutschen Pendant geregelt. Die Beweislast dafür, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt keine vernünftigen Aussichten bestanden, die insolvenzbedingte Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden, trägt der Liquidator1375. In der Praxis trägt der Verwalter damit die volle Bürde der schwierigen, weil auch theoretisch bisher unvollständig durchdrungenen Bestimmung des moment of truth1376. Nicht unwesentlich erschwert wird dieser Nachweis durch die Vorstellung der englischen Spruchpraxis, dass es genau einen Zeitpunkt im Leben einer Unternehmung gebe, an dem der no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation erreicht ist1377. Ein Liquidator ist damit gehalten, nicht nur die Frage zu beantworten, ob die Geschäftsleiter hätten wissen müssen, dass die insolvenzbedingte Liquidation der Gesellschaft unvermeidlich war, sondern auch ab wann. Weicht der vom Liquidator 1373 Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1176); übereinstimmend soweit die Frage der Beweislast betroffen ist Uhlenbruck in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 18. In BGH, Urt. v. 8. 1. 2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (268) wird zumindest eingeräumt, dass dem negativen Ergebnis der fortgeschriebenen Jahresbilanz im Einzelfall auch „indizielle Bedeutung“ beigemessen werden könne. 1374 Dies grundsätzlich befürwortend Wälzholz, DStR 2007, 1914 (1915 f.). 1375 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (52); Re Idessa (UK) Ltd. (in liquidation) Burke and another v Morrison and another [2012] 1 BCLC, 80 (116); Morse, Charlesworth’s Company Law, S. 317; Drake, JBL 1989, 474 (489); Goode, JBL 1989, 436 (437); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (58); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 115; Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 421. 1376 Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (17); Wood, Principles of International Insolvency, S. 560. 1377 Vgl. etwa Steffek, NZI 2010, 589 (594).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

benannte Zeitpunkt um mehr als einige Wochen von der Feststellung des Gerichts ab, wird die Klage abgewiesen. Aus „Fairnessgründen“ ist es dem Kläger untersagt, spätere Zeitpunkte subsidiär als möglichen Haftungsbeginn vorzutragen1378. Ein Prozess ist allerdings kein Duell unter Gentlemen, bei dem es der Comment verbieten würde, einen weiteren Schuss abzugeben, sondern ein Verfahren, das der Ermittlung eines tatsächlichen Sachverhalts und seiner rechtlichen Würdigung durch Rechtsfrieden stiftende Entscheidung dient. Zumindest bei schwierigen Fällen neigt die Rechtsprechung hier zu übertriebenem Rigorismus, wenn sie den Kläger an einem von ihm benannten Zeitpunkt taggenau festhält: „This case is as complex as any section 214 case is likely to be, and I think that, given the procedural history so far, the Liquidators’ case must stand or fall with their chosen date of 19th July 19911379. Noch weiter gehend schränkt dieselbe Entscheidung (Re Continental Assurance Company of London plc) den iura novit curia-Grundsatz ein und begründet damit zusätzliche Substantiierungspflichten für den Liquidator1380. Stützt dieser das Erreichen des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation auf die Insolvenzreife der Gesellschaft und stellt sich heraus, dass die Gesellschaft im benannten Zeitpunkt noch nicht konkursreif war, ist dem Liquidator der Hinweis, dass ihr Schicksal zu diesem Zeitpunkt dennoch besiegelt war, verwehrt1381 – es gilt der Grundsatz: falsa demonstratio nocet. Dasselbe Urteil baut weitere Hürden für eine erfolgreiche Durchsetzung eines Anspruchs aus sec. 214 IA auf. So wird u. a. das Nachschieben von Alternativtatsachen praktisch untersagt, die Liquidatoren beweispflichtig für die Unangemessenheit von Bilanzpositionen erklärt, selbst wenn die Beklagten nicht bestreiten etc. Sollte die englische Spruchpraxis den durch Re Continental Assurance Company of London plc vorgezeichneten Spuren folgen, müsste man tatsächlich zu dem Befund gelangen, dass die Apostrophierung der Norm als Papiertiger zutreffend ist. Allerdings existieren verschiedene Anhaltspunkte dafür, dass Re Continental Assurance Company of London plc eine singuläre Entscheidung darstellt. Zunächst geht sie von der – wie dargestellt unzutreffenden – Annahme aus, dass der moment of truth des wrongful trading bereits durch Erreichen einer balance-sheet-insolvency 1378

Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R., 733 (= 2001 WL 72039) para. 99; Re Sherborne Associates Ltd. [1995] B.C.C. 40 (42); weniger strikt Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (49); vgl. Cook, Insolvency Lawyer 1999, 99 (99 ff.); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (1), 16 (16 f.); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 33 f.; von Hase, BB 2006, 2141 (2143 f.); Milman, JBL 2004, 493 (497); Simmons, Insolvency Intelligence 2001, 14 (2), 12 (13); Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 373 f.; ders., NZI 2010, 589 (594). 1379 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R., 733 (= 2001 WL 72039) Annex G. 1380 Ähnlich wiederum Park J in Re Cubelock Ltd. [2001] B.C.C. 523 (527): „I take the view that, on grounds of procedural fairness, it would not in any event be right for me to take account of some of the arguments presented on behalf of the Secretary of State. These were arguments which were only developed at late stages in the course of the hearing before me, and to which the directors did not have the opportunity to respond in their evidence“. 1381 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R., 733 (= 2001 WL 72039) para 100.

X. Beweislast

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markiert wird. Diese fehlerhafte Annahme sieht Park J. zu Recht als mit dem englischen Recht, dem ein grundsätzliches Fortführungsverbot fremd ist, unvereinbar an. Um zu dem im konkreten Fall gewünschten Ergebnis zu gelangen, erhöht die Entscheidung die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Liquidators unter gleichzeitiger Absenkung der Sorgfaltsanforderungen an die Mitglieder des board derart, dass bereits der falsch umrissene Tatbestand von sec. 214 IA nicht erfüllt ist. Unter Berücksichtigung der weiteren Urteile zu sec. 214 IA wäre hingegen dieser Umweg nicht erforderlich gewesen. Entweder wäre darauf abzustellen gewesen, dass zwar eine balance-sheet-insolvency vorlag, hiermit jedoch bei hinreichenden Zukunftsaussichten nicht unwiderbringlich der moment of truth des wrongful trading erreicht war, oder aber auf die Einwendung nach sec. 214 (3) IA, wonach eine Haftung ausscheidet, wenn die Geschäftsleiter jeden Schritt unternehmen, um die insolvenzbedingte Liquidation zu vermeiden1382. Nur ein solches Verständnis der Norm ermöglicht seine Aktivierung in Fällen, in denen opportunistisches Verhalten vorliegt, da anderenfalls auch hier die nicht zu erfüllenden Darlegungs- und Beweislastmaßstäbe der Entscheidung Re Continental Assurance Company of London plc zum Tragen kämen. Gelingt dem Liquidator trotz dieser Hindernisse der Nachweis fehlender Lebensfähigkeit der Gesellschaft im streitgegenständlichen Zeitpunkt, wechselt die Beweislast vollständig auf die beschuldigten Direktoren. Der Liquidator hat weder darzulegen und zu beweisen, dass der betreffende director aktiv involviert war, noch, dass die Gesellschaft überhaupt noch gehandelt hat oder den betreffenden director ein Verschuldensvorwurf trifft1383. Berufen sich Geschäftsleiter auf die Entlastungsmöglichkeit (statutory defence) nach sec. 214 (3) IA, haben sie nachzuweisen, dass sie jeden Schritt unternommen haben, um die Verluste für die Gläubiger zu minimieren1384. Grundvoraussetzung, um den Darlegungs- und Beweisanforderungen dieser anspruchsvollen Einwendung zu genügen, ist, dass der Geschäftsleiter die entsprechenden Maßnahmen hinreichend dokumentiert. Gleiches gilt für Erörterungen in mehrköpfigen Gremien bzw. in dem Fall, dass externer Sachverstand konsultiert wird1385. Wähnt ein Geschäftsleiter die Gefahr einer Haftung nach 1382

Das hätte insbesondere aufgrund der Feststellung Park Js in Re Continental Assurance Company of London plc [2001] B.P.I.R., 733 (= 2001 WL 72039) para 107, dass „in the present case the directors in my opinion, took a wholly responsible and conscientious attitude“ nahe gelegen. 1383 Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (58). 1384 Re Rod Gunner Organisation Ltd. Rubin v Gunner and another [2004] 2 BCLC, 121 (129); Re Idessa (UK) Ltd. (in liquidation) Burke and another v Morrison and another [2012] 1 BCLC, 80, (116); vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.26; Doyle, Comp. Law. 1992, 13 (5), 96 (96); Hannigan, Company Law, Rn. 25-26 = S. 655; Pennington, Company Law, S. 51; Drake, JBL 1989, 474 (489); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 33; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (194); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (58); Steffek, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 422. 1385 Vgl. Simmons, Insolvency Intelligence 2001, 14 (2), 12 (13); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (58).

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sec. 214 IA, kann sich mit dieser Ansicht im board jedoch nicht durchsetzen, sollte dies protokolliert werden1386. Gegebenenfalls ist die Einberufung einer Gesellschafterversammlung zu veranlassen1387. Im Ergebnis sieht sich sec. 214 IA ähnlichen Einwänden wie die Insolvenzverschleppungshaftung ausgesetzt, wenn in gleicher Weise vorausgesetzt wird, dass Unternehmensexterne zielgenau den haftungsbegründenden Zeitpunkt darlegen. Vereinfacht wird der notwendige Nachweis allerdings dadurch, dass allein der Insolvenzverwalter für die Liquidation eventuell entstandener Schäden verantwortlich ist. Der Insolvenzverwalter besitzt nicht allein sämtliche Geschäftsunterlagen der Gemeinschuldnerin, sondern auch umfassende Auskunfts- und Herausgabeansprüche gegen dritte Personen, die sich im Besitz von Unterlagen der Gesellschaft befinden (sec. 234 – 237 IA 1986)1388. Weitere Entlastungen bzgl. Darlegung und Beweis eines Verstoßes gegen sec. 214 IA sind mit der Entscheidung des englischen Gesetzgebers verbunden, wrongful trading auf der Rechtsfolgenseite nicht als Schadensersatzanspruch auszugestalten, sondern die Ausurteilung der konkreten Haftungshöhe in das Ermessen des Gerichts zu stellen1389. Ob dieser Vorteil allerdings nicht durch die erhöhten Zweifelsfragen im Zusammenhang mit dem haftungsbegründenden Zeitpunkt kompensiert wird, bleibt offen. Festhalten können wird man immerhin, dass die Handhabung der Beweislastverteilung sowie die Ausformung der Substantiierungspflichten durch die Spruchpraxis sicherlich einen Anteil an der fehlenden forensischen Wirkmächtigkeit des wrongful trading haben1390. 4. Action en comblement du passif Die Bedeutung der Beweislast einer Haftungsregel offenbart mit aller Deutlichkeit die bewegte Geschichte der Beweislastverteilung im Rahmen der action en comblement du passif. Tragender, wenn auch hoch umstrittener Beweggrund ihrer Einführung als eigenständiger Krisenhaftung der Geschäftsleitung war die Einschätzung des historischen Gesetzgebers, dass die im Rahmen der allgemeinen Geschäftsleiterhaftung bestehende Beweislastverteilung eine unangemessene Benachteiligung der Gläubiger mit sich bringe1391. Nach heute herrschender Ansicht stellt die action en comblement du passif keine spezifisch konkursrechtliche Haftungsregel dar, sondern ist eine Unterform der allgemeinen zivilrechtlichen Haftung, die im Zusammenhang mit den besonderen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten in 1386 Simmons, Insolvency Intelligence 2001, 14 (2), 12 (13); Doyle, Comp. Law. 1992, 13 (5), 96 (99). 1387 Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (58). 1388 Vgl. Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 16 (18); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 115 f. 1389 Konzediert etwa auch von Hirte, ZInsO 2010, 1986 (1990). 1390 Vgl. etwa den Befund von Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 421: „Das Prozessrecht erschwert die Durchsetzung der Haftung gemäß Sec. 214 IA ungemein“. 1391 Vgl. etwa Guyon, Droit des Affaires II, S. 415.

X. Beweislast

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der Insolvenz eines Unternehmens die allgemeine zivilrechtliche Sorgfaltshaftung an die Komplexität innerbetrieblicher Vorgänge und die damit verbundenen Beweisschwierigkeiten anpassen soll1392. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wurden in den frühen Fassungen (Art. 99 des Gesetzes v. 13. 7. 1967 sowie zuvor im Gesetz v. 16. November 1940 bzw. im Gesetz vom 9. August 1953 für die SARL) sowohl das Vorliegen eines Fehlers, als auch dessen Mitursächlichkeit für die insuffisance d’actif vermutet (présomption de responsabilité)1393. Die Geschäftsleitung hatte zur Widerlegung dieser Vermutung nachzuweisen, dass sie die Geschäfte mit der notwendigen Sorgfalt geführt hatte1394. In der sich anschließenden rechtspolitischen Diskussion wurde jedoch die damit verbundene Belastung der Geschäftsleitung als derart drückend empfunden1395, dass die Vermutung von faute und causalité in der Neufassung der Auffüllungsklage (Art. 180 des Gesetzes v. 25. 1. 1985) wieder aufgehoben wurde1396. Wie im droit commun sind damit auch im Rahmen der action en comblement du passif faute, dommage und causalité, konkret also faute de ges-

1392 Vgl. etwa Legros, Dr. sociétés Février 2013, 39 (40): „La doctrine voit en général dans l’action en comblement du passif une action en responsabilité civile présentant quelques particularités, tenant au pouvoir d’appréciation du juge sur l’opportunité et le montant de la condamnation […], une action de nature délictuelle à caractére non répressif […]; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 529. Vgl. Cass. com. 22. 5. 1957, Bull. civ. III n8 166 = RTDC 1957, 1015 (1015 f.); vgl. auch Guyon, Droit des Affaires II, S. 417 f. Dementsprechend ist eine Anspruchskonkurrenz zwischen action civile und action en comblement ausgeschlossen (règle/principe de non cumul). Vgl. Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91462 ff.; Souweine, D. 2006, S. 501; Lienhard, D. 2006, S. 857; zu den Gründen vgl. Derrida/Godé/Sortais, Redressement et Liquidation judicaires, S. 438. Allerdings bleibt eine action en responsabilité civile gemäß Art. 1382 Code civile zulässig, wenn sie bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhoben worden ist, das Prinzip des non cumul findet insoweit keine Anwendung, vgl. Cass. Com. 10. 2. 2009 (n8 de pourvoi 07-20.445), dr. Sociétés 2009, 28 mit Anm. Legros. 1393 Vgl. Cass. com. 22. 5. 1957, Bull. civ. III n8 166 = RTDC 1957, 1015 (1015 f.); Bulle, Le statut du dirigeant de société, S. 422; Guyon, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Frankreich, 76 (90); ders., Droit des Affaires II, S. 416; Junker, RIW 1986, 337 f.; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 529; Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 177; Terboven, Managerhaftung in Deutschland und Frankreich, S. 62 f. 1394 Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 529. 1395 Erhebungen zu Folge gelang es lediglich 9 % der beklagten Geschäftsleiter, sich vom Vorwurf eines faute de gestion zu entlasten. Vgl. Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 177. 1396 Vgl. Bulle, Le statut du dirigeant de société, S. 422; Balz, ZIP 1983, 1153 (1172); Chaput, Droit du redressement, S. 356; Guyon, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Frankreich, 76 (91); ders., JBL 1989, 440 (444); ders., Droit des Affaires II, S. 416 f.; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 529 ff. ausführlich m.w.N.; Vallens, D. 2004, S. 1796; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 195 ff. Allerdings hat die Rechtsprechung faktisch keine Urteile aufgrund der Beweislastregel gefällt, sondern grundsätzlich positiv das Vorliegen eines Fehlers festgestellt. Vgl. Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 107 f.; Zimmermann, Haftung von Geschäftsführern und Gesellschaftern in Frankreich, S. 56. Die Änderung der Beweislastverteilung wird als einer der Kernpunkte des Gesetzes angesehen vgl. Matsopoulo, D. 2007, S. 104.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

tion, insuffisance d’actif und lien de causalité, zu beweisen1397. In Verbindung mit dem Prinzip des non cumul zwischen action en comblement und action civile stellt sich damit seit 1985 die action en comblement dogmatisch nicht – wie ursprünglich intendiert – als Verschärfung der allgemeinen Geschäftsleiterhaftung, sondern als Privilegierung dar. Voraussetzungen sowie Darlegungs- und Beweislast entsprechen denen der action civile, während auf der Rechtsfolgenseite nicht dem Prinzip der Totalreparation gefolgt wird, sondern eine zu Gunsten des beklagten Geschäftsleiters wirkende Ermessenshaftung besteht, deren historischer Zweck in der Funktion als Ausgleich für die doppelte Vermutung von Geschäftsleitungsfehler und Kausalität zu suchen ist1398. In der Praxis löst sich dieser scheinbare Widerspruch dadurch auf, dass die Gerichte vor dem Hintergrund des ihnen eingeräumten Ermessens eine action en comblement unter sehr viel geringeren Anforderungen für begründet halten als eine action civile. Die aus der einseitigen Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast an den Insolvenzverwalter resultierenden Schwierigkeiten dürfen deshalb nicht überschätzt werden. Sowohl im englischen als auch im deutschen Recht ist insbesondere die genaue Bestimmung des haftungsbegründenden Zeitpunkts mit erheblichen Problemen für die Kläger verbunden. Da die action en comblement du passif kein vergleichbares Tatbestandsmerkmal kennt, stellt sich dieses Problem im französischen Recht per definitionem nicht. Darlegung und Beweis der weiteren Tatbestandsmerkmale stellen sich demgegenüber als nicht vergleichbar schwierig dar. Der Schaden ergibt sich bereits direkt aus der Unzulänglichkeit des Gesellschaftsvermögens und der damit verbundenen unvollständigen Gläubigerbefriedigung1399. Vergleichbares gilt für das Tatbestandsmerkmal des Geschäftsleitungsfehlers, berücksichtigt man, dass die französische Spruchpraxis praktisch jede unternehmerische Fehlleistung als eine faute de gestion qualifiziert und nur exogen verursachte Schäden nicht zugerechnet werden. Auch der Nachweis der Kausalität zwischen Geschäftsleitungsfehler und insuffisance d’actif wird schließlich kaum in einem Fall zu verneinen sein, da bereits der Tatbestand der Auffüllungsklage die bloße Mitursächlichkeit genügen lässt1400. Darüber hinaus lösen die französischen Spruchkörper verbleibende Unsicherheiten pragmatisch, indem sie eine Art Rechtsfolgenlösung etablieren und bestehende Unsicherheiten im Rahmen ihres weiten Er-

1397 Vgl. Bloch, Gaz. Pal. 1996, 626 (627); Bulle, Le statut du dirigeant de société, S. 433; Chaput, Droit du redressement, S. 356; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 318 = S. 189; Guyon, Droit des Affaires II, S. 418; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 529 f.; Urbain-Parleani, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 575 (599). Zur Kausalität auch Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 281. 1398 Vgl. Derrida/Godé/Sortais, Redressement et liquidation judicaires des enterprises, S. 438 f.; zu Herkunft und heutiger Beurteilung der Ausgestaltung als Ermessenshaftung Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 287 f. 1399 Vgl. Guyon, Droit des Affaires II, S. 418. 1400 Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 283.

XI. Adressaten

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messens berücksichtigen1401. Eine partielle Einschränkung hat die dahingehende Spruchpraxis allerdings durch eine Entscheidung der cour de cassation vom 30. 3. 2010 erfahren. Hiernach ist dann, wenn die haftungsbegründende faute in der unterlassenen Stellung des Insolvenzantrags liegt, durch das Gericht sowohl der Zeitpunkt der cessation des paiements als auch die in diesem Momente bestehende Unzulänglichkeit des Gesellschaftsvermögens festzustellen1402. Auch die bestehenden Informationsprobleme für die Klägerseite stellen sich im französischen Recht nicht mit gleicher Heftigkeit. Der Insolvenzverwalter als ausschließlich zur Durchsetzung des Anspruchs berechtigte Person ist der auf Gläubigerseite Bestinformierte. Darüber hinaus ist es erlaubt, die Untersuchungen, die der ermittelnde Richter (juge-commissaire) während der Beobachtungsphase des betreffenden Unternehmens im Insolvenzverfahren vorgenommen hat, als Beweismittel im Verfahren gegen die Geschäftsleiter einzuführen1403. Die Durchsetzung der Haftung ist somit in der Praxis weitaus einfacher als in Deutschland oder England, was eindrucksvoll durch die kaum überschaubare Zahl an Urteilen zur action en comblement du passif illustriert wird1404.

XI. Adressaten Die Bestimmung des richtigen Adressatenkreises ist in der rechtsökonomischen Theorie hinreichend einfach. Ist Ziel einer gesetzlichen Haftungsregel, der krisenbedingten Revision des Anreizsystems im Interesse der Gläubiger wie der gesamtwirtschaftlichen Effizienz entgegenzusteuern, ergibt sich aus diesem Postulat, dass Adressat der Sanktion die Person innerhalb eines Unternehmens sein muss, die den Anreiz zu opportunistischem Verhalten erkennt, in seiner Bedeutung erfasst und daraufhin die Risikosteigerung durchführt. Ähnlich wird im juristischen Schrifttum formuliert, dass „nur durch Ausdehnung der Haftung auf diejenigen Personen, deren gesteigerte Risikobereitschaft die Schädigungsgefahr durch Konkursverschleppung vergrößert, […] sich die Risikobereitschaft herabsetzen, jedenfalls aber ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen dem Grad der Vermögensgefährdung und dem Ausmaß der Haftung herstellen [lässt]“1405. 1401 Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 548 f. Dies galt insbesondere unter Geltung der doppelten Vermutung gemäß Art. 99 d. Gesetzes v. 1967, vgl. Guyon, Droit des Affaires II, S. 422 f. 1402 Cass. Com. 30. 3. 2010 – 08-21.906; vgl. hierzu auch Kupferberg/Göcke, RIW 2011, 337 (343). 1403 Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 548 f.; Guyon, Droit des Affaires II, S. 419. 1404 Vgl. Guyon, Droit des Affaires II, S. 416: „était devenu habituelle“; Cozian/Viandier/ Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 321 = S. 190: „[…] myriade de condamnations […]“. 1405 Stein, ZHR 148 (1984), 207 (234). Inhaltlich gleich Spindler, JZ 2006, 839 (847): „Denn derjenige, der am ehesten das Insolvenzrisiko erkennen und auch beherrschen kann, sollte über

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Dieses theoretische Postulat ist aufgrund seiner juristisch-terminologischen Unbestimmtheit keine direkt in positives Gesellschaftsrecht übertragbare Definition. Im Einzelfall variieren und überschneiden sich Einfluss und Entscheidungsrechte einer Vielzahl in die Geschäftsleitung unmittelbar oder mittelbar involvierter Personen. Gleichzeitig stimmen rechtliche und faktische Geschäftsführungsbefugnisse nicht zwingend überein. Der satzungsmäßige Geschäftsleiter einer Gesellschaft ist nicht ex definitione die Person, die die Verantwortung für eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger trägt1406. Der Rechtsordnung ist damit als Aufgabe gestellt, einerseits all diejenigen Personen zu Adressaten zu erklären, die tatsächlich die Haftungsbeschränkung auf Kosten der Gläubiger auszubeuten versuchen, andererseits die Adressateneigenschaft auf diesen Personenkreis zu beschränken. Gelingt ersteres nicht, wird opportunistischem Verhalten kein Einhalt geboten, weil für die tatsächlichen Entscheider nur Chancen und keine Risiken bestehen1407. Wird im anderen Extrem der Kreis potentiell haftbarer Personen zu weit gezogen, wäre auch dies mit Effizienzverlusten verbunden, denn definitionsgemäß haben sich diese Einflussträger keines Verstoßes gegen die Verhaltensanforderungen der Rechtsordnung schuldig gemacht. Die Risikoaversion dieser Personen wird grundlos erhöht und betriebs- wie volkswirtschaftlich erwünschte unternehmerische Wagnisse werden nicht mehr eingegangen1408. In Konsequenz ist die Bestimmung des Adressatenkreises durch Gesetzgeber und Rechtsprechung von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit einer Haftungsregel1409. 1. Insolvenzverschleppungshaftung a) Satzungsmäßig bestellter Geschäftsführer Natürlicher Adressat der Insolvenzantragspflicht ist der wirksam bestellte Geschäftsleiter1410. Die Organstellung wird gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG durch die BeHaftungssanktionen Anreize zur frühzeitigen Insolvenzvermeidung erhalten“, und Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1689): entscheidend ist die „faktische Aufgabenwahrnehmung“. Vgl. auch Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 292 f. für die AG: „Ihre Grenze findet die Haftungsbeschränkung dort, wo die Gesellschafter ihre Rolle als bloße Investoren verlassen und unternehmerisch tätig werden“. Offensichtlich a.A. Hefendehl, ZIP 2011, 601 (604) aus strafrechtlicher Perspektive. 1406 Vgl. Kratzsch, ZGR 1985, 506 (507). 1407 Vgl. Kratzsch, ZGR 1985, 506 (507). 1408 Ähnlich Wood, Principles of International Insolvency, S. 549 f. 1409 Vgl. auch Davies, EBOR 7 (2006), 301 (312). 1410 BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 76, 95 (106) – („Herstatt“); Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 26; K. Schmidt, ZIP 1988, 1497 (1500); SchmidtLeithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 73; für die AG (jedes Vorstandsmitglied) vgl. etwa Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 43, gleiches gilt für Liquidatoren und Abwickler; für Kredit- und Versicherungsgesellschaften, deren Leitungsorgane nach den §§ 46b KWG, 88 VAG verpflichtet sind, eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit bei der BaFin anzuzeigen, wird der Antrag durch die Bundesanstalt gestellt.

XI. Adressaten

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stellung durch die Gesellschaftsversammlung bzw. durch Beschluss des Aufsichtsrats (§ 84 Abs. 1 S. 1 AktG) begründet. Die Bestellung ist nach §§ 39 Abs. 1 GmbHG, 81 Abs. 1 AktG eintragungspflichtig, jedoch ist die Eintragung keine Wirksamkeitsvoraussetzung1411. Verpflichtet, den nach § 15a Abs. 1 InsO n.F. erforderlichen Insolvenzantrag zu stellen, ist jeder einzelne Geschäftsführer bzw. Vorstand, auch dann, wenn er nur gesamtvertretungsberechtigt ist1412. Eine entlastende Delegation ist nicht möglich; ebenso wenig entbindet eine organinterne Aufgaben- und Zuständigkeitsordnung das einzelne Geschäftsleitungsmitglied von der Insolvenzantragspflicht1413. Ein Vorstands- bzw. Geschäftsführungsmitglied, das nach der Ressortverteilung nicht für die Buchführung oder Finanzangelegenheiten zuständig ist, kann sich in einer Krisensituation demnach nicht darauf berufen, dass ihm die zugrunde liegenden Umstände nicht bekannt gewesen seien und ihm aufgrund wirksamer Geschäftsverteilung auch nicht hätten bekannt sein müssen1414. Im Falle einer Ressortverteilung treffen jedes Mitglied einer mehrköpfigen Geschäftsleitung Überwachungs- und Kontrollpflichten1415, dogmatisch steht auch hier der Grundsatz der Gesamtverantwortung im Hintergrund1416. Versteht man die Insolvenzverschleppungshaftung als ein Instrument zur Steuerung des Verhaltens der Geschäftsleitung, ist die Erfassung jedes Geschäftsleiters und die Unmöglichkeit entlastender Delegation nicht unproblematisch. Sieht man das konkret gläubigergefährdende Verhalten in der Vornahme oder dem Unterlassen bestimmter unternehmerischer Entscheidungen, werden nicht beteiligte Geschäftsführer trotz fehlenden Tatbeitrages für diese Fehlentscheidungen ebenfalls in Haftung genommen. Für die Inpflichtnahme aller Organmitglieder spricht hingegen, dass es eine gewisse 1411

Bisson, GmbHR 2005, 843 (848). BGH, Urt. v. 1. 3. 1993 – II ZR 81/94, NJW 1994, 2149 (2150); Casper, in: Ulmer/ Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 36; Zech, in: Ensthaler/Pfüller/Schmidt, GmbHG, § 64 Rn. 27; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 73 u. 76; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 45; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG, Vor § 64 Rn. 67; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 425; Fleck, GmbHR 1974, 224 (229); Bisson, GmbHR 2005, 843 (848); Uhlenbruck, GmbHR 2005, 817 (823). 1413 BGH, Urt. v. 1. 3. 1993 – II ZR 81/94, ZIP 1994, 891 (892); OLG Celle, Urt. v. 6. 5. 1999 – 11 U 232/97, NZG 1999, 1064 (1065); OLG Schleswig, EWiR 2008, 49 (50) mit Anm. Naraschewski; vgl. auch OVG Hamburg, Urt. v. 19. 8. 1982 – OVG Bf VI 170/81, BB 1982, 2087 (2087 f.); Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 36; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 114; Zech, in: Ensthaler/Pfüller/Schmidt, GmbHG, § 64 Rn. 27; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 73; Schmidt-Leithoff/Baumert, in: Rowedder, GmbHG Vor § 64 Rn. 67; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 41; Ulmer, in: Hachenburg, § 64 Rn. 2; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 18 Rn. 12; Dreher, ZGR 1992, 22 (57 Fn. 162); Haas, DStR 2003, 1359 (1361); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 102; Lutter, GmbHR 1997, 329 (332). 1414 Vgl. Hirschmann, Aufgaben des Vorstandes als Leitungsorgan, Rn. 202. 1415 Goette, DStR 1998, 1308 (1309). 1416 Vgl. zu diesem etwa Fleischer, NZG 2003, 449 (449 ff.); Haas, NZG 1999, 373 (373); Hirschmann, Aufgaben des Vorstandes als Leitungsorgan, Rn. 201; Schwark, ZHR 1978, 203 (203 ff.). 1412

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Residualzuständigkeit für allgemeine Fragen der Geschäftspolitik gibt und geben muss. Bestimmte Kennziffern der finanzwirtschaftlichen Lage der Gesellschaft müssen jedem Geschäftsleitungsmitglied bekannt sein. Die Verantwortung für die Beobachtung dieser Kennziffern und die Einleitung der entsprechenden Maßnahmen übernimmt ein Geschäftsleiter mit Abschluss seines Anstellungsvertrages freiwillig. Gleichzeitig wird mit der Festschreibung einer Residualzuständigkeit eine zeitnahe Auslösung des Insolvenzrechtsregimes unterstützt. Denn c.p. steigt mit der Zahl der Verpflichteten die Wahrscheinlichkeit, dass der Insolvenzantrag gestellt wird. Dennoch wird man festhalten müssen, dass aufgrund der Schwierigkeiten bei der Anamnese einer Überschuldung damit hohe Anforderungen an einen Geschäftsleiter gestellt werden, der nicht selbst das Finanzressort leitet. b) Faktischer Geschäftsführer Nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang eine nicht in gesetzes- und satzungskonformer Weise zum Gesellschaftsorgan bestellte Person Adressat der Pflichten aus §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG a.F./ § 15a Abs. 1 InsO n.F. bzw. §§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, 400 Abs. 1 Nr. 2 AktG a.F./ § 15a Abs. 4 InsO n.F. ist1417. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen bestellten, aber unwirksam bestellten Geschäftsleitungsorganen und überhaupt nicht bestellten Personen, die dennoch faktisch Aufgaben der Geschäftsleitung für die Gesellschaft wahrnehmen1418. aa) Unwirksam bestellte Geschäftsleitungsorgane Gemeinhin als unproblematisch angesehen wird die Fallgruppe eines bestellten, aber unwirksam bestellten Geschäftsleiters1419. Hintergrund ist die zutreffende 1417 Die Frage, ob eine allgemeine, nicht vom Einzeltatbestand abhängige Definition des faktischen Organs möglich und wünschenswert ist, wird hier nicht weiter verfolgt. Vgl. hierzu etwa Geißler, GmbHR 2003, 1106 (1106 ff.), für das Strafrecht Kratzsch, ZGR 1985, 506 (506 ff.). 1418 Die thematisch verwandte Figur des Geschäftsführers kraft Rechtsscheins bleibt im Folgenden ausgeblendet, da dieser qua definitione keine Entscheidungsmacht ausübt und insofern nicht Urheber gläubigergefährdender Maßnahmen sein kann. Vgl. zur Einordnung in den weiteren Kontext des faktischen Geschäftsführers Fleischer, GmbHR 2011, 337 (338). 1419 RG, Urt. v. 14. 10. 1887 – IV StR 846/87, RGSt 16, 269 (271 f.); RG, Urt. v. 5. 6. 1934 – II 59/34, RGZ 144, 384 (388); OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631, 632; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 62; Habersack, in: GroßKommAktG § 92 Rn. 32; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 49; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 16; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Anh. Rn. 22; Schmidt-Leithoff/ Baumert, in: Rowedder, GmbHG, § 64 Rn. 73 i.V.m. Vor § 64, Rn. 68, die allerdings – mit Blick auf die lediglich deklaratorische Wirkung der Eintragung nach § 39 Abs. 1 GmbHG nicht überzeugend – offensichtlich gleichzeitig eine, wenn auch unwirksame Handelsregistereintragung verlangen; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 64 Rn. 7; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 34; Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 191; Fleischer, AG 2004, 517 (517 f.); ders., GmbHR 2011, 337 (338); Fritsche/Lieder, DZWiR 2004, 93 (95);

XI. Adressaten

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Überlegung, dass sich ein gesellschaftsinterner Fehler bei der Bestellung nicht zugunsten der Geschäftsleitung auswirken darf1420. Anderenfalls würden Umgehungsstrategien gefördert1421, denn es wäre von internen Faktoren abhängig und damit der Willkür der Gesellschafter überlassen, inwieweit die eigentlich das Außenverhältnis der Gesellschaft betreffende Insolvenzantragspflicht besteht. Im Extremfall einer Gesellschaft mit einem einzelnen, aber unwirksam bestellten Geschäftsführer wäre keine Person berechtigt und verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen1422. Dies ist mit der gläubigerschützenden Funktion, die das deutsche Recht der Insolvenzantragspflicht zuweist, nicht zu vereinbaren. Weder würde der beabsichtigte Übergang der Verfügungsrechte erzwungen noch die Geschäftsleitung wirksam von gläubigerschädigenden Handlungen abgeschreckt. Gleichzeitig würde die Bedeutung der Insolvenzverschleppungshaftung als kompensatorisch wirkender Haftungssanktion geschmälert. Adressat muss die Person sein, die die sanktionswürdige Handlung oder Unterlassung vornimmt. Ob sie dies wirksam bestellt tut, ist hierbei nicht von Bedeutung. bb) Geschäftsleitung ohne Bestellungsakt Weitaus umstrittener ist die Konstellation, in der es an einem Bestellungsakt gänzlich fehlt. Während straf- und zivilrechtliche Rechtsprechung1423 sowie Teile des Schrifttums1424 unter noch zu erörternden Voraussetzungen eine Einbeziehung in den K. Schmidt, ZIP 1988, 1497 (1500); Glozbach, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 8; Stein, ZHR 148 (1984), 207 (222); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 40; Roth, ZGR 1989, 421 (423); implizit Weimar, GmbHR 1997, 473 (479); Haas, DStR 1998, 1359 (1361). Dieser Befund gilt weitgehend auch für die Strafnorm des § 84 GmbHG a.F./§ 15a Abs. 4 InsO n.F., vgl. Bisson, GmbHR 2005, 843 (849); Stein, ZHR 148 (1984), 207 (223 f.). 1420 Ausdrücklich OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631 (632): „Nimmt eine Person Geschäftsführungsaufgaben wahr, kann sie sich nicht unter Hinweis auf die fehlende Berufung zum Geschäftsführer dem Pflichtenspektrum eines solchen entziehen“. 1421 Vgl. etwa Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 116; Dierlamm, NStZ 1996, 153 (155). 1422 Die durch das MoMiG eingeführte subsidiäre Insolvenzantragspflicht der Gesellschafter bzw. der Mitglieder des Aufsichtsrats (§ 15a Abs. 3 InsO) ist aufgrund einschränkender Tatbestandsmerkmale (Kenntnis von Insolvenzgrund und Führungslosigkeit) zumindest kein vollständiges Substitut der Antragspflicht der Geschäftsleitung. 1423 BGH, Urt. v. 22. 9. 1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118 (122); BGH, Urt. v. 21. 3. 1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44 (44); BGH, Urt. v. 25. 2. 2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 (61 ff.); BGH, Urt. v. 10. 5. 2000 – 3 StR 101/00, NJW 2000, 2285 (2285); BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (106) – („Herstatt“); BGH, Beschl. v. 20. 9. 1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34 (35); BGH, Hinweisbeschl. v. 11. 2. 2008 – II ZR 291/06, DStR 2008, 1245 (1246); OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631, 632; OLG Karlsruhe – 3 Ss 190/05, NZG 2006, 354 (354); BayObLG, Urt. v. 20. 02. 1997 – 5 St RR 159/96, NJW 1997, 1936 (1936). 1424 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 57 f.; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 92 Rn. 63; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 16; Schmidt-Leithoff, in:

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Kreis der Insolvenzantragsverpflichteten befürworten, verneint dies eine in der Wissenschaft vertretene Meinung unter Verweis auf den Wortlaut des § 15a Abs. 1 InsO1425. Die Bedenken gegen eine Insolvenzantragspflicht überhaupt nicht bestellter Personen speisen sich aus der Überlegung, dass „Geschäftsführer“ (heute: organschaftlicher Vertreter) eine Rechtsbegrifflichkeit sei, die Eigenschaft als Geschäftsführer damit abhängig von einem Bestellungsakt1426. Diese gelte insbesondere mit Blick auf die auch strafrechtliche Verantwortung des rein faktischen Geschäftsführers1427. Das verfassungsrechtliche Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) verlange in verstärktem Maße die Berücksichtigung des Wortlauts einer Norm. Die Begrifflichkeit Geschäftsführer bzw. organschaftlicher Vertreter in § 15a Abs. 1 InsO n.F. müsse deshalb beschränkt werden auf die Personen, die formal durch einen (unwirksamen) Rechtsakt diese Stellung erlangt haben1428. Schließlich berge ein extensives Verständnis der faktischen Geschäftsführung die Gefahr, dass es zu einer Aufweichung der Antragsbefugnis komme1429. Hauptargument für die Möglichkeit der Behandlung nicht bestellter Personen als antragsverpflichtete Geschäftsführer ist demgegenüber, dass sich ein Geschäftsleiter gegenüber gesetzlichen Pflichten nicht darauf berufen können soll, diese Herrschaft usurpatorisch an sich gerissen zu haben1430. Rechtsökonomisch ist dies der entRowedder, GmbHG, 4. Aufl., § 64, Rn. 17; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rn. 7; ders., in: Scholz, GmbHG, § 64 Anh. Rn. 22; Gundlach/Frenzel, NZI 2006, 64 (64); Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 115 ff.; Geißler, GmbHR 2003, 1106 (1108); Hirschmann, Aufgaben des Vorstandes als Leitungsorgan, Rn. 203; Holzborn/Just, in: Holzborn/v. Vietinghoff, Haftung und Insolvenz im GmbH-Recht, Rn. 542; Wilms, KTS 2007, 337 (341). Für das Strafrecht etwa Kratsch, ZGR 1985, 506 (522 ff.). 1425 So noch Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 64 Rn. 26 (anders jetzt für die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 49); aus dem Schrifttum auch Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 172; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, Anh. § 92 Rn. 34; ablehnend für den Bereich des Strafrechts auch Kiethe, WM 2007, 722 (724); in der Tendenz auch Reiner, FS Boujoung, 415 (447 ff.). Aus jüngerer Zeit jetzt auch Schmidt-Leithoff/ Baumert, in: Rowedder, GmbHG, Vor § 64 Rn. 49. 1426 Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 64 Rn. 26; für die AG Hüffer, AktG § 93 Rn. 12, mit dem Verweis darauf, dass bloß tatsächliche Umstände keine Sonderverbindung zu begründen vermöchten. 1427 Vgl. Stein, ZHR 148 (1984), 207 (222 f.); Weimar, GmbHR 1997, 473 (474 f.); kritisch auch H.F Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 71: „problematisch […] im Hinblick auf das strafrechtliche Analogieverbot“. 1428 So etwa Stein, ZHR 148 (1984), 207 (222 ff.); ähnlich Kiethe, WM 2007, 722 (724). A.A. Bisson, GmbHR 2005, 843 (848). 1429 Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 33. 1430 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rn. 7; ähnlich Fleischer, GmbHR 2011, 337 (340) unter Hinweis auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. A.A. in der Begründung, nicht aber im Ergebnis Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 39, der den maßgeblichen Zurechnungstatbestand in der Duldung durch das für die Bestellung verantwortliche Organ sieht.

XI. Adressaten

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scheidende Gesichtspunkt. Das Verhalten der Entscheider soll gesteuert werden, um diese an opportunistischem Verhalten auf Kosten der Gläubiger zu hindern. In Konsequenz müssen die Personen Adressat der Regelung sein, die das Handeln der Gesellschaft lenken. Ob sie hierzu wirksam ermächtigt worden sind, spielt in diesem Kontext wie auch im Falle des bestellten, aber unwirksam bestellten Organs keine Rolle1431. Das revidierte Anreizsystem beeinflusst bestellte wie unbestellte Geschäftsleiter in gleicher Weise. Exemplarisch steht hierfür eine Entscheidung des dritten Strafsenates des BGH vom 22. September 19821432. Zur ordentlichen Geschäftsführerin der Gesellschaft war die Ehefrau eines bereits wegen Konkursverschleppung verurteilten Mannes bestellt. Die Beweisaufnahme ergab, dass entgegen der formalen Kompetenzordnung die Ehefrau nur die Rolle eines Strohmannes bzw. sprachlich korrekt einer Strohfrau einnahm, während sämtliche geschäftlichen Entscheidungen praktisch durch ihren Ehemann vorgenommen wurden, er war in den Worten des BGH „treibende Kraft bei dem Geschäft“1433.Unter solchen Voraussetzungen muss eine Haftungsregel primär den Ehemann und nicht seine bloß vorgeschobene Ehefrau in den Blick nehmen. Er handelt, entscheidet und spekuliert möglicherweise auf Kosten der Gläubiger. Eine Haftung der Ehefrau ist demgegenüber nur zweitbeste Lösung1434. Möglicherweise wird auch sie durch die angedrohte Sanktion in ihrem Verhalten beeinflusst, also zur Stellung des Insolvenzantrages bewegt. Dies muss aber als mehr als fraglich bezeichnet werden, verfügt sie doch nicht über den entscheidenden Einfluss in der Gesellschaft und hat sich darüber hinaus dem Willen ihres Mannes bei der Leitung der Geschäfte bereits bisher gebeugt. Es besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Ehefrau, nachdem sie bereits den Verstoß gegen § 6 GmbHG gebilligt hat, sich auch einer Insolvenzverschleppung nicht widersetzen wird. Wenn somit auch gute Gründe für die Erfassung faktischer Geschäftsleiter im Rahmen von § 15a Abs. 1 InsO n.F. bestehen, existieren doch Schwierigkeiten, die Pflicht zum Insolvenzantrag für diesen Personenkreis zu begründen. Grundsätzlich kann derjenige, der kein Recht zur Antragsstellung besitzt, auch nicht angehalten werden, den entsprechenden Antrag zu stellen1435. Zur Auflösung dieses Widerspruchs ist es grundsätzlich möglich, dem faktischen Geschäftsführer aufgrund der Sonderrolle, die er in der Gesellschaft einnimmt, gleichfalls ein Antragsrecht ein1431

Ähnlich Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (345): „decisive factor for liability is not the formal of being appointed as a director but the fact of having control over corporate affairs“. 1432 BGH, Urt. v. 22. 9. 1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118 (118 ff.). 1433 BGH, Urt. v. 22. 9. 1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118 (119). Ähnlich BayObLG, Urt. v. 20. 2. 1997 – 5 St RR 159/96, NJW 1997, 1936 (1936 f.), wo die gerade volljährige Stieftochter zur satzungsmäßigen Geschäftsführerin bestellt wurde; Ehegattenkonstellation auch in OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631 (631 f.). 1434 Gleichsinnig unter ausdrücklicher Betonung der Präventivfunktion der Insolvenzantragspflicht OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631 (632). 1435 Vgl. K. Schmidt, in: Scholz, 9. Aufl., GmbHG, § 64 Rn. 7. Hierauf seine Ablehnung des Instituts des faktischen Geschäftsführers maßgeblich stützend Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 172 ff.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

zuräumen; das Recht zur Antragstellung wird dann aus der Pflicht abgeleitet. Es ergibt sich dann allerdings das Folgeproblem, dass das Insolvenzgericht gezwungen wäre, in kürzester Zeit das Vorliegen der Voraussetzungen faktischer Geschäftsführung und damit die Zulässigkeit des Antrags zu prüfen1436. K. Schmidt versucht diesen Konflikt im Rahmen seines Verständnisses der Insolvenzantragspflicht als insolvenzrechtlicher Organpflicht aufzulösen. Materiell unerlaubt – und sanktioniert – sei nicht, dass der faktische Geschäftsführer die gebotene Antragstellung unterlasse, sondern der unerlaubte Betrieb des insolventen Unternehmens1437. Bereits unter II. wurde allerdings dargestellt, dass auch unter diesem Gesichtspunkt das Unterlassen der Antragstellung den Kernvorwurf darstellt. Das Gesetz ist in diesem Punkt eindeutig. Auch kann ein faktischer Geschäftsführer dem von K. Schmidt statuierten Fortführungsverbot eigentlich nur durch Beendigung der Geschäftstätigkeit durch Insolvenzantrag genügen. Das Problem des eigentlich fehlenden Antragsrechts stellt sich damit auch nach dieser Ansicht. Diese Begründungsprobleme lenken erneut den Blick auf die Möglichkeit, die Krisenhaftung der Geschäftsleitung von ihrer Insolvenzantragspflicht de lege ferenda zu entkoppeln. Folgt man dieser Idee einer Trennung von haftungsrechtlicher Verantwortlichkeit und Insolvenzantragspflicht nicht, erscheint zumindest die Korrektur des Täterbegriffs in den § 15a Abs. 1 u. Abs. 4 InsO n.F. angezeigt. Durch die Verwendung der Formulierung „Geschäftsführer ist, wer die Geschäfte der Gesellschaft führt“ etwa würde hinreichend deutlich, dass nicht der Rechtsbegriff des Geschäftsführers gemeint ist, sondern diejenige Person Adressat ist, die die Geschäftsleitung faktisch ausübt. Alternativ könnte eine am Schweizer Obligationenrecht orientierte Definition, wonach Geschäftsführer alle Personen sind, die mit der Geschäftsführung betraut sind, verwendet werden1438. cc) Einzelfragen faktischer Geschäftsführung Folgt man der Auffassung, dass auch bei fehlendem Bestellungsakt eine Erfassung unter § 15a Abs. 1 InsO möglich ist, schließt sich die Folgefrage an, unter welchen konkreten Voraussetzungen eine solche faktische Geschäftsführung i. e.S. anzunehmen ist. Der BGH betont allgemein, entscheidend sei das Gesamterschei-

1436

Haas, DStR 1998, 1359 (1359 ff.). Vgl. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rn. 7; ders., ZGR 1998, 633 (655 f.). 1438 In diese Richtung Haas, NZI 2006, 494 (496). Vgl. Art. 754 Obligationenrecht (Verantwortlichkeit): „Die Mitglieder des Verwaltungsrats und alle mit der Geschäftsführung oder mit der Liquidation befassten Personen sind sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen“. Zum funktionalen Organbegriff des Obligationenrechts sowie zu der jüngeren Trennung zwischen materiellen und faktischen Organen etwa Gericke/Waller, in: BaslerKommOligationenR, Art. 754 Rn. 5 f. 1437

XI. Adressaten

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nungsbild, wobei Straf- und Zivilsenate im Laufe der Rechtsprechungsgeschichte eine Art Kanon maßgeblicher Gesichtspunkte herausgearbeitet haben. (1) Außenhandeln Hochgradig umstritten ist die Frage, ob die Qualifikation als faktisches Organ voraussetzt, dass die betreffende Person nach außen für die Gesellschaft in Erscheinung getreten ist. Die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs bejahen dies in ständiger Rechtsprechung1439. Eine bloß gesellschaftsinterne Einwirkung auf die Geschäftsleitung soll nicht genügen, erforderlich sei vielmehr ein nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln1440. Teile der Literatur verzichten hingegen auf ein derartiges Außenauftreten1441, während trotz teilweise anderslautenden Befundes in der Wissenschaft dies wohl nicht für die Rechtsprechung der Strafsenate des BGH gilt1442. Der BGH rechtfertigt den Außenbezug unter Rekurs auf seine Grundannahme, dass für die Eigenschaft als faktisches Organ das Gesamterscheinungsbild maßgeblich sei. Dazu gehöre ein Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlich dem Geschäftsführungsorgan angehörenden Mitgliedes nachhaltig präge1443. Schließlich findet sich seit Inkrafttreten des MoMiG die Ansicht, dass der 1439 BGH, Hinweisbeschl. v. 11. 2. 2008 – II ZR 291/06, DStR 2008, 1245 (1246); BGH, Urt. v. 11. 7. 2005 – II ZR 253/03, NZG 2005, 816 (816 f.); BGH, Urt. v. 22. 9. 1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118 (118 ff.); vgl. auch BGH, Urt. v. 25. 02. 2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 (69) (zu § 43 Abs. 2 GmbHG); dem folgend Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 16; Hirschmann, Aufgaben des Vorstandes als Leitungsorgan, Rn. 203; Dierlamm, NStZ 1996, 153 (156 f.); Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 213. 1440 BGH, Urt. v. 11. 7. 2005 – II ZR 253/03, NZG 2005, 816 (816); BGH, Urt. v. 25. 2. 2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 (69); Geißler, GmbHR 2003, 1106 (1111 f.); Hirschmann, Aufgaben des Vorstandes als Leitungsorgan, Rn. 203. 1441 Stein, ZHR 148 (1984), 207 (220); Haas, NZI 2006, 61 (61); ders., ZHR 170 (2006), 478 (481); ders., Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 48; Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 117; Fleischer, AG 2004, 517 (525); ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 63; ders., GmbHR 2011, 337 (342 f.); Redeker, DZWiR 2005, 497 (500); Spindler, JZ 2006, 839 (847); Thole, KTS 2007, 293 (327 f.); auch Burgard, NZG 2002, 606 (607 f.), wohl allerdings beschränkt für die gegenüber der Gesellschaft bestehende Haftung nach § 43 GmbHG; Kratzsch, ZGR 1985, 506 (528) für das Strafrecht. 1442 So der Befund von Haas, NZI 2006, 494 (497), allerdings verlangen alle von Haas in der vorigen Fußnote angeführten Entscheidungen ausdrücklich ein Außenhandeln: in BGH, Urt. v. 10. 5. 2000 – 3 StR 101/00, NJW 2000, 2285 f. (2285) wird ausdrücklich ein Außenhandeln eingefordert unter Bezug auf BGH, Urt. v. 22. 9. 1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118 (118 ff.): „erfüllt, wenn sowohl betriebsintern als auch nach außen (eigene Hervorhebung) alle Dispositionen weitgehend vom faktischen Geschäftsführer ausgehen“; auch Für BayObLG, Urt. v. 20. 02. 1997 – 5 St RR 159/96, NJW 1997, 1936 (1936 f.) kann ein Verzicht auf ein Außenhandeln nicht erkannt werden, der potentielle faktische Geschäftsführer führte die Verhandlungen mit der Bank und „gestaltete die Geschäftsbeziehungen zu den Vertragspartnern“. 1443 BGH, Hinweisbeschl. v. 11. 2. 2008 – II ZR 291/06, DStR 2008, 1245 (1246); BGH, Urt. v. 25. 2. 2002 – II 196/00, BGHZ 150, 61 (69 f.). Vom Ansatz ähnlich Fleischer, AG 2004, 517

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Gesetzgeber mittels der neugeschaffenen sog. „subsidiären Selbstorganschaft“ einer extensiven Auslegung des faktischen Geschäftsführers, insbesondere auch mit Blick auf die Notwendigkeit eines Außenhandelns eine Absage erteilt habe1444. Die Gegenmeinung verweist darauf, dass dann außer Betracht bleibe, wer tatsächlich über den Insolvenzantrag entscheidet und einflussnehmende Gesellschafter oder Hintermänner von vorneherein ausgeschlossen sind1445. Diese Ausklammerung erfolge ohne Not, da der Normzweck der Insolvenzantragspflicht es nicht gebiete, zu berücksichtigen, welche Vorstellung ein faktischer Geschäftsführer bei den Gläubigern über seine Rolle in der Gesellschaft erweckt habe1446. Auch wenn konstatiert wird, dass der Bundesgerichtshof sich bei seiner Definition des faktischen Geschäftsführers primär am allgemeinen Sprachgebrauch und nicht am gesellschaftsrechtlichen Organbegriff orientiere1447, scheint gerade das aufgestellte Erfordernis eines Außenhandelns stark durch eine Ausrichtung am Organbegriff bestimmt. Der Bundesgerichtshof definiert den Adressatenkreis weniger über eine Zurechnung konkreten Handelns – im vorliegenden Kontext also die Entscheidung über das Unterlassen der gebotenen Insolvenzantragsstellung – sondern vergleicht die Stellung eines typischen satzungsmäßig bestellten Organs mit der des potentiellen faktischen Geschäftsführers. Schon unter dieser Prämisse ist das Erfordernis eines Außenbezugs nicht überzeugend. Der Geschäftsführer verfügt zwar über ihm gesetzlich eingeräumte Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft (§ 37 GmbHG), die mit Wirkung gegenüber Dritten nicht eingeschränkt werden kann (§ 37 Abs. 2 GmbHG); das Gesetz verlangt aber in keiner Weise, dass diese von ihm auch in eigener Person ausgeübt werden müsste1448. Ist die Koordinierungsfunktion der Geschäftsleitung im Innenbereich der Gesellschaft hinreichend umfänglich, kann es durchaus sinnvoll sein, die Außenvertretung der Gesellschaft an Prokuristen und sonstige Handlungsbevollmächtigte zu delegieren. Geschäftsführung ist zunächst Kennzeichen der Entscheidungsstruktur innerhalb der Gesellschaft, also intraorganisational1449. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch Art und Weise, in der der deutsche Gesetzgeber von der in der SE-VO enthaltenen Gestaltungsoption zur Einführung eines monistischen System (Art. 43 Abs. 4 SE-VO) Gebrauch gemacht hat. Während (operative) Geschäftsführung (§ 40 Abs. 2 S. 1 SEAG) und Vertretung (§ 41 SEAG) den geschäftsführenden Direktoren überantwortet sind, liegt die eigentlich unter(524): faktische Organschaft setze die „Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise“ voraus; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 63. 1444 So insbesondere Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 213. 1445 Stein, ZHR 148 (1984), 207 (220); Spindler, JZ 2006, 839 (847). 1446 Haas, NZI 2006, 61 (61); ders., ZHR 170 (2006), 478 (481); ähnlich Fleischer, AG 2004, 517 (525). 1447 So Gross/Schork, NZI 2006, 10 (12). 1448 Vgl. auch Kratzsch, ZGR 1985, 506 (528 f.). 1449 Ähnlicher Befund bei Geißler, GmbHR 2003, 1106 (1110); ohne allerdings hierdurch zu der Konsequenz zu gelangen, dass auf das Erfordernis des Außenhandelns verzichtet werden kann.

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nehmerische Führung der SE in Händen des Verwaltungsrats (§ 22 Abs. 1 SEAG), die rechtlich durch ein Weisungsrecht gegenüber den geschäftsführenden Direktoren (§ 44 Abs. 2 SEAG) abgesichert wird. Darüber hinaus wird die Verwirklichung der mit dem Institut der faktischen Geschäftsleitung verfolgten Ziele durch das Erfordernis des Außenbezugs wesentlich erschwert. Um die Anreize, die die Krise der Gesellschaft mit sich bringt, zu bekämpfen, ist nicht das Gesamterscheinungsbild der für die Unternehmung Tätigen von Bedeutung, sondern die Tatsache, dass die betreffenden Personen die Gläubigerfährdung in eigener Person zu verantworten haben. Im speziellen Fall der Insolvenzverschleppungshaftung heißt dies, dass Adressat der Insolvenzverschleppungshaftung derjenige zu sein hat, der die Entscheidung gegen einen Insolvenzantrag getroffen hat1450. Dies ist zwar mit den Kosten der gerichtlichen Ermittlung verbunden, hat aber den Vorteil, den Anreizen des unmittelbaren Entscheiders entgegenzusteuern. Gründe, die eine Freistellung der Person, die im Innenverhältnis die Entscheidung zur Fortführung der Gesellschaft trotz Insolvenzreife getroffen hat, rechtfertigen würden, sind demgegenüber nicht ersichtlich. Bezeichnend auch insoweit die Entscheidung des Gesetzgebers, in der monistischen SE die Insolvenzantragspflicht nicht dem Vertretungs- und damit das Außenverhältnis prägenden Organ der geschäftsführenden Direktoren, sondern der unternehmerische Leitungsspitze, dem Verwaltungsrat, aufzuerlegen (§ 22 Abs. 5 S. 2 SEAG). Schließlich vermag auch der Verweis auf die neugeschaffene Residualantragszuständigkeit von Gesellschaftern und Aufsichtsräten kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Zunächst hat der Gesetzgeber mit dem neugefassten § 15a Abs. 3 InsO gerade keine abschließende Regelung der faktischen Geschäftsführung beabsichtigt1451. Auch unter systematischen und teleologischen Vorzeichen ergibt sich nicht anderes. Der gegenteilige Befund ignoriert, dass subsidiäre Insolvenzantragspflicht einerseits und faktische Geschäftsführung andererseits jeweils eine unterschiedliche Stoßrichtung aufweisen und auch im Übrigen an völlig unterschiedliche Verhaltensvorwürfe anknüpfen. Historisch richet sich die subsidiäre Insolvenzantragspflicht von Gesellschaftern bzw. Aufsichtsräten primär gegen die zumindest bisher verbreitete Praxis geschäftsführerloser GmbH-Bestattungen, indem jeweils das mit Personalkompetenz versehene Organ in die Pflicht genommen wird, für eine ordnungsgemäße Besetzung des Geschäftsleitungs- und Vertretungsorgans Sorge zu tragen; Ansatzpunkt der subsidiären Selbstorganschaft ist damit eine genuine Kompetenz der Gesellschafter (§ 46 Nr. 5 GmbHG) bzw. des Aufsichtsrats (§ 84 AktG). Demge1450 So auch Spindler, JZ 2006, 839 (847); allgemein für den faktischen Geschäftsführer auch Fleischer, GmbHR 2011, 337 (342); im Ansatz ähnlich auch Wilms, KTS 2007, 337 (349), der die Insolvenzantragspflicht nicht als Organpflicht, sondern als „nach außen gerichtete Handlungspflicht des Geschäftsführers in einer bestimmten wirtschaftlichen Situation“ versteht. 1451 Insoweit konzediert auch von Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 213. A.A. Brand/Brand, NZI 2010, 712 (712 ff.), denen zu Folge die Führungslosigkeit durch das Vorhandensein eines faktischen Organs gesperrt sein soll.

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genüber setzt das Institut der faktischen Geschäftsführung an der Okkupation von Leitungsfunktionen an, die das Gesetz dem Geschäftsführungs- bzw. Vertretungsorgan vorbehält; mitnichten ist der Anwendungsbereich beider Rechtsfiguren somit deckungsgleich. Im Übrigen würde die Gegenauffassung zu systematisch und praktisch wenig überzeugenden Differenzierungen zwingen: unterstellt § 15a Abs. 3 InsO würde nach dem Spezialitätsgrundsatz den Rückgriff auf das allgemeinere Institut der faktischen Organschaft sperren, bedeutete dies, dass die für eine Einflussnahme abseits der durch die Organisationsverfassung der GmbH bzw. AG besonders anfälligen (Mehrheits)Gesellschafter und Aufsichtsratsmitglieder als faktische Geschäftsleiter nicht mehr erfasst werden könnten, wohl aber sonstige Dritte wie Banken und Berater1452. Dass die damit verbunde Privilegierungswirkung des § 15a Abs. 3 InsO zu Gunsten von Gesellschaftern und Mitgliedern des Aufsichtsrats nicht richtig sein kann, erscheint nach hier vertretener Ansicht evident. (2) Eigenhandeln In engem Zusammenhang mit dem Kriterium des Außenhandelns wird teilweise weiter verlangt, dass der faktische Geschäftsführer eigenhändig gehandelt hat. Mit diesem Tatbestandsmerkmal sollen Konstellationen aus dem Anwendungsbereich der faktischen Geschäftsführung ausgeklammert werden, in denen ein Entscheider nicht selbst, sondern durch andere handelt1453. Das Merkmal des Eigenhandelns sieht sich den gleichen Einwänden ausgesetzt wie das des Außenhandelns. Auch hier wird erkennbar auf einen Idealtypus des Organs einer Kapitalgesellschaft abgestellt, um die Verpflichtung des faktischen Organs zu legitimieren. Deutliche Parallelen bestehen zum strafrechtlichen Sonderdelikt, das nicht in mittelbarer Täterschaft begangen werden kann. Legt man demgegenüber die Begrifflichkeit des faktischen Organs dahingehend aus, dass die Person in die Pflicht zu nehmen ist, die die Entscheidung über Insolvenzantrag oder Fortführung tatsächlich trifft, ist das Merkmal des Eigenhandelns nicht begründbar. Nicht eine besondere Pflichtenstellung, die einem Organ wesensgemäß zu Eigen ist, ist Anknüpfungspunkt der Haftung, sondern der Umstand, dass durch Ausübung faktischer Leitungsbefugnisse Entscheidungen zu Lasten Dritter getroffen werden. Von diesem Standpunkt aus ist es unerheblich, ob die betreffende Person selbst oder aber durch einen Dritten handelt. Maßgeblich ist allein, ob die Handlungen des Dritten dem im Hintergrund verbleibenden faktischen Entscheider zugerechnet werden können oder aber sich als eigenes Werk des unmittelbar Handelnden darstellen. Zur Beantwortung dieser Frage wird man auf die zur strafrechtlichen Rechtsfigur des mittelbaren Täters entwickelten Kriterien zurückgreifen können. 1452 Es sei denn, man ginge den weiteren Schritt, § 15a InsO auch insoweit eine Sperrwirkung zuzuerkennen, womit in der Sache Banken, sonstige Großgläubiger und Berater vollständig aus dem Anwendungsbereich des Instituts der faktischen Geschäftsleitung herausgenommen würden. 1453 Vgl. Redeker, DZWiR 2005, 497 (498); Haas, NZI 2006, 494 (495).

XI. Adressaten

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(3) Vollständige Übernahme aller Bereiche („faktische Mitgeschäftsführung“) Umstritten ist weiter, ob die Stellung als faktischer Geschäftsführer dadurch ausgeschlossen wird, dass ein ordnungsgemäß bestellter Geschäftsführer weiterhin neben dem faktischen Geschäftsführer Teile der Leitungsaufgaben der Gesellschaft wahrnimmt und der eingetragene Geschäftsführer hierbei nicht bloßer Strohmann des faktischen Organs ist1454. Während der Bundesgerichtshof in der Herstatt-Entscheidung1455 die vollständige Verdrängung des eigentlichen Geschäftsleiters aus seiner Position verlangt hat, verzichtet die jüngere Rechtsprechung des BGH hierauf1456. Genügen soll, dass der faktische Geschäftsleiter die überragende Stellung in der Geschäftsführung innehat1457 bzw. „gerade keinen den ordentlichen Geschäftsführern gleichrangigen, sondern einen beherrschenden Einfluss auf die Unternehmenspolitik ausübt“1458. Ausreichend ist die Übernahme von Geschäftsführungsaufgaben in erheblichem Umfang1459. Zu den entscheidenden Kriterien zählt der BGH die Führung des wesentlichen kaufmännischen und finanziellen Geschäftsbereichs einschließlich der laufenden alleinigen Verfügung über das Geschäftskonto, der Buchhaltung, der Personalentscheidungen sowie die Erteilung von Weisungen gegenüber dem satzungsmäßigen Geschäftsführer auf dem Gebiet der Unternehmenspolitik und –organisation1460. Die Strafgerichte haben versucht, dies weiter zu präzisieren und formalisieren. Faktische Geschäftsführung soll nach diesem Ansatz vorliegen, wenn von acht klassischen Geschäftsführungsmerkmalen (Bestimmung 1454

Vgl. Dierlamm, NStZ 1996, 153 (155). BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (106 f.) – („Herstatt“); weitgehend auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16. 10. 1987 – 5 Ss 193/87, NJW 1988, 3166 (3167), allerdings wohl beschränkt auf die strafrechtliche Verantwortung, wonach ein Mehr im Vergleich zu einem formellen Organ verlangt wird. Ähnlich Pelz, RNotZ 2003, 415 (418); kritisch auch Weimar, GmbHR 1997, 473 (476). 1456 BGH, Urt. v. 11. 7. 2005 – II ZR 253/03, NZG 2005, 816 (816); BGH, Urt. v. 21. 3. 1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44 (46 f.); ähnlich BGH, Urt. v. 10. 5. 2000 – 3 StR 101/00, NJW 2000, 2285 (2285 f.): überragende Stellung oder zumindest deutliches Übergewicht; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 57; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 64 Rn. 47; Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 100. 1457 So BGH, Urt. v. 22. 9. 1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118 (121 f.); BayObLG, WiB 1997, 810 (810) (Strafrecht); BayObLG, Urt. v. 20. 02. 1997 – 5 St RR 159/96, NJW 1997, 1936 (1936); ähnlich OLG Jena, Urt. v. 28. 11. 2001 – 4 U 234/01, ZIP 2002, 631 (632); dem folgend Dierlamm, NStZ 1996, 153 (156); Tiedemann, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 84 Rn. 33; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Anh. Rn. 22; vgl. auch Redeker, DZWiR 2005, 497 (498). 1458 So Redeker, DZWiR 2005, ähnlich auch Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 252. 1459 Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 64 Rn. 47; auch Fleischer, AG 2004, 517 (525); ders., GmbHR 2011, 337 (341); Geißler, GmbHR 2003, 1106 (1111); kritisch für den Bereich des Strafrechts Dietz, WiB 1997, 811 (812): „vor dem Hintergrund rechtsstaatlicher Anforderungen an die Begründung strafrechtlicher Verantwortlichkeit kann letztgenannte Entscheidung jedoch als extremste Ausprägung verstanden werden […]“. 1460 BGH, Urt. v. 11. 7. 2005 – II ZR 253/03, NZG 2005, 816 (817). 1455

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der Unternehmenspolitik, Unternehmensorganisation, Einstellung von Mitarbeitern, Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern, Verhandlung mit Kreditgebern, Festsetzung der Gehaltshöhe, Entscheidung der Steuerangelegenheiten und Steuerung der Buchhaltung) sechs in den Händen der in Rede stehenden Person liegen1461. Für das Erfordernis einer vollständigen Übernahme aller Bereiche lässt sich anführen, dass es bei einem Unterlassungsdelikt wie der Insolvenzverschleppung ausreichend ist, wenn mindestens ein Verpflichteter existiert1462. Ist also ein ordnungsgemäß bestellter Geschäftsführer oder Vorstand involviert, läuft die Insolvenzantragspflicht zumindest nicht vollständig leer. Dies ignoriert allerdings, dass die Gläubiger nicht nur ein Interesse daran haben, dass überhaupt eine Person zur Stellung eines notwendigen Insolvenzantrages verpflichtet ist, sondern vor allem auch daran, welche Person dies ist. Sieht man das eigentlich sanktionswürdige Verhalten im Zeitpunkt der Krise nicht bereits im Versäumen des Insolvenzantrags, sondern in der Vornahme gläubigerschädigender Maßnahmen, führt die Beschränkung der faktischen Geschäftsführung auf Personen, die sämtliche Bereiche vollständig übernommen haben, dazu, dass in all den Fällen, in denen der satzungsmäßigen Geschäftsführung ein nicht unerhebliches Aufgabenspektrum verbleibt, eine, wenn nicht gar die maßgeblich beteiligte Person nicht adressiert wird1463. Entscheidend ist nicht, dass eine Person formal zum Insolvenzantrag verpflichtet wird, sondern die Person, die aufgrund überlegener Information und faktischer Entscheidungsrechte hierzu am besten geeignet ist (cheapest cost avoider). Nicht zuletzt sind bei der Frage, inwieweit eine vollständige Verdrängung des satzungsmäßig bestellten Organs erforderlich ist, die Interessen des ordnungsgemäß bestellten Organs in Rechnung zu stellen. Diesem kann zwar der Vorwurf gemacht werden, mit der Amtsübernahme die Gewähr übernommen zu haben, dafür Sorge zu tragen, dass keine faktischen Organe agieren und hiergegen durch das Dulden faktischer Mitgeschäftsführung verstoßen zu haben. Jedoch kann sich der Anteil des ordnungsgemäß bestellten Organs an der Insolvenzverschleppung in Grenzen halten – wie etwa im Ehefrauenfall. Ihm würde – soweit nicht die Voraussetzungen der Beihilfe erfüllt sind – die gesamte Last eines Insolvenzverschleppungsschadens auferlegt, wenn er noch Teile des operativen Geschäfts verantwortet hat. Dies erweist wiederum als Konsequenz der Konstruktion der Insolvenzverschleppungshaftung, die das haftungsbegründende Verhalten bereits mit dem Unterlassen des Antrags als erfüllt ansieht und keinerlei Differenzierungen bezüglich der nach diesem Zeitpunkt erfolgenden Handlungen etwaiger Geschäftsleitungsmaßnahmen zulässt. Lässt man 1461 BayObLG, Urt. v. 20. 2. 1997 – 5 St RR 159/96, WiB 1997, 810 (811) im Anschluss an Dierlamm, NStZ 1996, 153 (156); vgl. auch Redeker, DZWiR 2005, 497 (498) Jula, Der GmbHGeschäftsführer, S. 253. 1462 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16. 10. 1987 – 5 Ss 193/97, NJW 1988, 3166 (3167). So auch Dierlamm, NStZ 1996, 153 (155). Hierauf weist auch Roth, ZGR 1989, 421 (424 f.) hin. 1463 Auf den Aspekt wirkungsvoller Verhaltenssteuerung hinweisend auch Fleischer, GmbHR 2011, 337 (441).

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daneben auch ein faktisches Organ haften, kann zumindest im Innenverhältnis ein Ausgleich entsprechend den Verschuldensanteilen erfolgen. Da vor diesem Hintergrund die Erfassung der Zentralgestalt bzw. des eigentlichen Entscheiders geboten ist1464, ist es nicht notwendig, dass das ordnungsgemäß bestellte Organ vollständig aus seiner Position verdrängt worden ist. (4) Zeitmoment der Einflussnahme Nicht einheitlich beantwortet wird des Weiteren, inwieweit die Qualifizierung als faktischer Geschäftsführer ein Element der Dauer voraussetzt, ob also die Einflussnahme auf die Geschäftsleitung über einen bestimmten, zu präzisierenden Zeitraum hinweg erfolgen muss1465. Teilweise werden anlassbezogene Aktivitäten wie die Führung von Sanierungsverhandlungen und/oder die Steuerung des Managements in einer Umbruchphase prinzipiell als nicht haftungsbegründend angesehen1466, teilweise wird zumindest bei schwerwiegenden Einzeleingriffen eine Abkehr vom Erfordernis der dauerhaften Einflussnahme befürwortet, wobei insbesondere an Krisenzeiten gedacht wird1467. Gerade im Anwendungsbereich von § 15a Abs. 1 InsO ist ein Erfordernis fortlaufender Einflussnahme nicht unproblematisch. Konsultiert etwa eine Kapitalgesellschaft in einer zugespitzten Situation externen Sachverstand in der Weise, dass sie dem Sanierer für ein begrenztes Zeitfenster die Entscheidungsbefugnis in der Gesellschaft überlässt1468, steuert der externe Berater die finanzwirtschaftlichen Kennzahlen im Umfeld einer möglichen Insolvenzreife. Er ist Adressat des revidierten Anreizsystems, gerade dann, wenn ihm für den Fall der Überwindung der Krise lukrative Prämien zugesagt werden1469. Die nach der Legalverfassung eigentlich entscheidungsbefugte Geschäftsleitung verliert faktisch ihre überragende Stellung. Dies spricht dafür, auch bei zeitlich eng begrenzter Ausübung von Geschäftsleitungsfunktionen eine faktische Organschaft zuzulassen, wenn eine bestimmte Intensität der Einflussnahme erreicht wird. Für diese Lösung streitet nicht zuletzt die Tatsache, dass, würde eine solche Saniererpersönlichkeit mit Letztent1464 So auch Fleischer, AG 2004, 517 (525), ebenfalls unter Verweis auf die verhaltenssteuernde Wirkung. 1465 Vgl. etwa Redeker, DZWiR 2005, 497 (499). 1466 Geißler, GmbHR 2003, 1106 (1111); Dierlamm, NStZ 1996, 153 (157). 1467 Fleischer, AG 2004, 517 (525); ders., GmbHR 2011, 337 (341 f.); Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 117; ähnlich Redeker, DZWiR 2005, 497 (499) und Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (797). 1468 Vgl. hierzu bereits den Befund von Dierlamm, NStZ 1996, 153 (153): „Gerade in jüngerer Vergangenheit häufen sich die Fälle, in denen Außenstehende – sog. Sanierer – in der Krise befindliche Gesellschaften faktisch übernehmen, ohne als Geschäftsführer eingetragen zu sein“. 1469 In der Praxis kann – in Abhängigkeit von der Verhandlungsstärke der Gesellschaft – die Höhe der Erfolgsgebühr (success fee) die Höhe der festen Vergütung des Sanierungsberaters (retainer fee) durchaus erreichen oder übersteigen.

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scheidungsbefugnis zum formellen Geschäftsführer bestellt, diese selbstverständlich für die Stellung des Insolvenzantrags einzustehen hätte, unabhängig davon, seit wie langer Zeit sie für die Leitung der Gesellschaft verantwortlich zeichnet. Weshalb dies bei bloß faktischer Übernahme der Geschäftsleitung anders liegen sollte, ist zumindest aus Gläubigersicht nicht ersichtlich. Auch Einzeleingriffe müssen deshalb grundsätzlich genügen. Zu konzedieren ist in diesem Zusammenhang allein, dass einer lückenlosen Erfassung von Einzeleingriffen in der Praxis technische Grenzen gesetzt sind. Die Identifikation von Einzeleingriffen vermag die tertiären Kosten in einer Weise zu steigern, dass die Haftungssanktion leer laufen würde. Andererseits gilt es zu berücksichtigen, dass das Institut der faktischen Geschäftsführung nicht die Haftung der satzungsmäßigen Geschäftsführer beseitigt. Beweisprobleme sind damit für die Gläubiger nur bezüglich der Haftung des faktischen Organs verbunden, während die Inanspruchnahme des satzungsmäßigen Organs nicht erschwert wird. Eine nicht hinzunehmende Belastung für Berater, deren Funktion sich in der Erteilung von Ratschlägen erschöpft, ist mit einem solchen extensiven Verständnis nicht verbunden, wenn die Beweisanforderungen an die faktische Geschäftsführung bei zeitlich begrenzter Einflussnahme hinreichend restriktiv formuliert werden. Denkbar ist insbesondere, dass ein Kläger darzulegen und zu beweisen hat, dass eine konkrete Einzelentscheidung tatsächlich auf Basis faktischer Leitungsmacht die Grundlage für die verbotene Fortführung der Unternehmung bildete. (5) Duldung bzw. Kenntnis der Gesellschaft Umstritten ist weiter, ob die Qualifikation als faktisches Organ voraussetzt, dass die Tätigkeit der faktisch die Geschäfte leitenden Person von Seiten der Gesellschaft geduldet wird1470. Diesbezüglich wird teilweise das Einverständnis aller Gesellschafter verlangt1471, teilweise eine Billigung durch eine Mehrheit der Gesellschafter als notwendig, aber auch ausreichend angesehen1472.

1470

Dafür OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7. 3. 2006 – 3 Ss 190/05, NZG 2006, 354 (354); Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 39; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/ Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 108. Dagegen etwa Kratzsch, ZGR 1985, 506 (529). Ein solches Erfordernis grundsätzlich ablehnend, aber für den Fall der Insolvenzverschleppungshaftung ausdrücklich offenlassend Fleischer, GmbHR 2011, 337 (343). 1471 Vgl. Tiedemann, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 84 Rn. 33. Oftmals findet sich die nicht eindeutige Formulierung wer „im Einverständnis der Gesellschafter“ die Stellung eines Geschäftsführers tatsächlich einnimmt. So etwa BGH, Urt. v. 10. 5. 2000 – 3 StR 101/00, NJW 2000, 2285 (2285); BayObLG, Urteil v. 20. 02. 1997 – 5 St RR 159/96, NJW 1997, 1936 (1936). Nicht eindeutig auch BGH, Beschl. v. 20. 9. 1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34 (35): „Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls dann, wenn dies – wie hier – mit dem Einverständnis des Alleingesellschafters geschah“. 1472 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7. 3. 2006 – 3 Ss 190/05, NZG 2006, 354 (354), das zusätzlich verlangt, dass diese Mehrheit ausreichend ist, um satzungsgemäß eine Person zum Geschäftsführer zu bestellen.

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Bejaht man grundsätzlich das Erfordernis einer Billigung durch die Anteilseigner, folgt daraus, dass eine Person, die zwar unstreitig die faktische Geschäftsleitung innehat, aber ohne Wissen und Wollen der Gesellschaft aktiv wird, nicht antragsverpflichtet ist1473. Begründet wird dieses Ergebnis damit, dass primärer Geltungsgrund der Ausübung der Handlungsbefugnisse der mindestens konkludente Wille der Gesellschafter sei, die Unternehmensleitung auf eine bestimmte Person zu übertragen1474. Die einseitige Anmaßung von Leitungsmacht begründe keine Organstellung für die Gesellschaft1475. Man mag sich bereits an dieser Formulierung stoßen, denn einen Geltungsgrund im Sinne des Rechts besitzt das Handeln des faktischen Geschäftsführers gerade nicht. Im Übrigen wird verkannt, dass es sich letztlich nicht um ein Zurechnungsproblem handelt, weil nicht die Gesellschaft in die Pflicht genommen werden soll, sondern die die Leitungsmacht usurpierende Person. Entscheidend gegen ein Zustimmungserfordernis spricht deshalb erneut der Zweck jedes Verhaltensgebotes, die tatsächlich Handelnden im Sinne des Gesetzes zu beeinflussen. Als Beispiel der unterschiedlichen Konsequenzen diene eine Gesellschaft mit passiven Gesellschaftern und einem satzungsmäßig bestellten echten Fremdorgan. Überlässt dieser Fremdgeschäftsführer einem Dritten die Ausübung der Leitungsmacht, muss sich das Gesetz zumindest auch an diesen Dritten wenden und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschafter hiervon Kenntnis hatten oder nicht. Dies muss auch und gerade bezüglich der Insolvenzantragspflicht gelten. Nimmt man mit dem BGH an, dass diese primär den Zweck verfolgt, insolvenzreife Kapitalgesellschaften aus dem Geschäftsverkehr zu ziehen, ist korrekter Adressat die Person im Unternehmen, die die Geschäfte leitet, weil sie c.p. über die beste Information verfügt. Nur so kann der Zweck der Insolvenzantragspflicht, die insolvente GmbH zeitnah in ein staatliches Reorganisations- oder Abwicklungsverfahren zu überführen, erreicht werden. Gleichzeitig wird damit die Stellung der unwissenden Gesellschafter nicht beeinträchtigt, ihre aus Passivität resultierende Unkenntnis bleibt unsanktioniert. Die Qualifikation der ohne Wissen der Gesellschafter tätigen Person als faktisches Organ begründet keine Verantwortlichkeit der Gesellschafter, sondern betrifft allein die handelnde Person selbst. Dass eine faktische Geschäftsführung nicht an die Kenntnis oder Duldung der Gesellschafter geknüpft werden darf, zeigt darüber hinaus auch der Blick ins Aktienrecht. Zumindest im Falle einer Publikumsgesellschaft kann Kenntnis und Duldung der Aktionäre keine Bedeutung zugemessen werden, will man das Institut der faktischen Geschäftsführung nicht weitgehend leer laufen lassen. Unter rechtsökonomischen Auspizien kann nichts anderes gelten, sofern man nicht auf die Aktionäre, sondern auf den Aufsichtsrat abstellen möchte. Dass der Vorstand ohne Wissen des Aufsichtsrats einem Dritten die maßgebliche Führungsrolle in der Gesellschaft überantwortet oder aber ein Mehrheitsaktionär am Aufsichtsrat vorbei in den Vorstand durchregiert, verdient keine 1473

So etwa Geißler, GmbHR 2003, 1106 (1108). Geißler, GmbHR 2003, 1106 (1108); Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 39. 1475 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7. 3. 2006 – 3 Ss 190/05, NZG 2006, 354 (354). 1474

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hafungsrechtliche Privilegierung. Inhaltliche Gesichtspunkte, weshalb dies bei einer personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaft anders zu handhaben sein sollte, sind nicht ersichtlich. (6) Juristische Personen als faktische Geschäftsführer Gemäß §§ 76 Abs. 3 S. 1 AktG, 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG kann Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied einer GmbH oder AG nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Begründet wird dieser Ausschluss juristischer Personen mit dem Hinweis auf das Wesen des Vorstands- bzw. Geschäftsführeramtes. Vorstand bzw. Geschäftsführung seien Handelnde einer juristischen Person. Handeln setze aber persönliches Tätigwerden voraus, was nicht erfüllt sei, wenn eine juristische Person ihrerseits nicht selbst, sondern durch eine natürliche Person die Organfunktion ausfülle1476. Aus dieser Anordnung für ein satzungsmäßig bestimmtes Organ schließt der BGH, dass auch faktischer Geschäftsführer nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein könne. Was nach dem Gesetz für das rechtlich dem geschäftsführenden Organ angehörige Mitglied gelte, sei auch für die Beurteilung, ob jemand faktisch als Mitglied des geschäftsführenden Organs in Betracht komme, entscheidend1477. Bereits die zu Grunde liegende implizite Verknüpfung von Handlungsfähigkeit und natürlicher Person sieht sich Zweifeln ausgesetzt. Kern der kapitalgesellschaftsrechtlichen Zurechnungslehre ist, dass der Gesellschaft das Handeln ihrer Organe als eigenes zugerechnet wird, die Gesellschaft handelt durch ihre Organe1478. Zusätzliche Zweifel an der Absolutheit des Verdikts des BGH begründet, dass auch nach Ansicht der Rechtsprechung eine juristische Person die Rolle als Geschäftsführerin einer Kommanditgesellschaft (GmbH & Co. KG) oder aber als Komplementärin einer KGaA ausfüllen kann1479. Schließlich offenbart auch § 265 Abs. 2 AktG, dass die Einnahme der Organstellung durch eine natürliche Person kein striktes Dogma ist, von dem abzuweichen auch im Einzelfall nicht erlaubt wäre1480. Die Ansicht des BGH kann darüber hinaus im Einzelfall erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen zeitigen. Mit der Ausklammerung juristischer Personen wird ein 1476

Vgl. Godin/Wilhelmi, AktG, § 76 Anm. 9; vgl. auch Fleischer, RIW 2004, 16 (17). BGH, Urt. v. 25. 02. 2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 (69) (zu § 43 Abs. 2 GmbHG); so auch Geißler, GmbHR 2003, 1106. Zu Recht ablehnend demgegenüber Fleischer, GmbHR 2011, 337 (343). 1478 In gleiche Richtung auch Pelz, RNotZ 2003, 415 (418). 1479 Vgl. etwa Redeker, DZWiR 2005, 497 (500); rechtsvergleichend zur Möglichkeit der Organstellung einer juristischen Person Fleischer, RIW 2004, 16 (16 ff.); vgl. aber auch Fleischer, AcP 204 (2004), 502, 532, der betont, dass es sich um aus dem Prinzip der Selbstorganschaft abgeleitete Wertungen handelt, die somit für das Kapitalgesellschaft nur eingeschränkte Gültigkeit beanspruchen können. 1480 Auf § 265 Abs. 2 AktG – allerdings im Zusammenhang mit der Einnahme der Rolle eines rechtmäßigen Organs durch eine juristische Person – hinweisend Fleischer, AcP 204 (2004), 502 (532). 1477

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potentieller Haftungsadressat vollständig von der Haftungsdrohung befreit. Im Unterordnungs- wie Gleichordnungskonzern entfällt jeweils die Haftung der Mutter oder Schwestergesellschaft, soweit diese kapitalistisch organisiert ist. Zwar besteht die Möglichkeit, die Organe der Mutter oder Schwester persönlich, also als natürliche Personen, als faktische Geschäftsführer zu erfassen. Dies stellt jedoch kein wirtschaftlich äquivalentes Substitut für die unmittelbare Verantwortlichkeit der juristischen Person dar. Zwar bleibt die verhaltenssteuernde Wirkung der Insolvenzverschleppungshaftung weitgehend unberührt, weil die Organe der Ober- oder Schwestergesellschaft die Gefahren für ihr persönliches Vermögen in Rechnung zu stellen haben. Anderes gilt jedoch für das kompensatorische Moment. Für die Gläubiger der insolventen Gesellschaft kann es einen erheblichen Unterschied machen, ob sie auf das Gesellschaftsvermögen einer Konzernobergesellschaft zurückgreifen können oder aber nur auf das Vermögen der Geschäftsleiter derselben1481. Die Spruchpraxis nimmt sehenden Auges in Kauf, dass konzernierte Gesellschaften von der Möglichkeit Gebrauch machen, bestimmte Risiken auf ihre Gläubiger – und ihre Geschäftsleiter – zu verlagern. Vor dem Hintergrund, dass zwingende Gründe, die Organstellung oder zumindest eine faktische Organschaft an die Eigenschaft als natürliche Person zu knüpfen, nicht ersichtlich sind1482, erscheint eine Erfassung auch juristischer Personen vorzugswürdig. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass die Wahrnehmung der Fehlanreize der Kapitalgesellschaft primär ihren Gesellschaftern – i. e. insbesondere einer Konzernobergesellschaft – zu Gute kommt und nicht oder doch nur sehr mediatisiert ihrem Geschäftsleiter bzw. dem Geschäftsleiter der Konzernobergesellschaft. Es ist das Interesse der herrschenden Gesellschaft und nicht das ihrer Geschäftsleitungsorgane, das eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger nahe legt. dd) Fallgruppen faktischer Geschäftsführung (1) Gesellschafter Gesellschafter, selbst Mehrheits- oder Alleingesellschafter, unterliegen nach umstrittener, aber doch ganz herrschender Meinung nicht den Pflichten aus § 64 GmbHG a.F./§ 15a InsO n.F.1483. Dies gilt auch dann, wenn Gesellschafter ein

1481

A.A. offensichtlich Redeker, DZWiR 2005, 497 (500). Fleischer, AG 2004, 517 (527); Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 143; so auch Poertzgen, NZI 15 (17) speziell für die Insolvenzantragspflicht. 1483 Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 40; Haas, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 163; Fleischer, GmbHR 2011, 337 (345); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im Englischen Recht, S. 70 ff. Vgl. für die AG Hirschmann, Aufgaben des Vorstandes als Leitungsorgan, Rn. 203. A.A. insbesondere die ordoliberale Schule, nach der die Eigenschaft als herrschender Gesellschafter eine Einstandspflicht begründen muss, vgl. Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 282 f. 1482

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herrschendes Unternehmen ist, d. h. ein Konzernsachverhalt (§ 18 AktG) vorliegt1484. Rechtstechnisch wird hierfür insbesondere die fehlende Antragsbefugnis (§ 15 InsO) des Gesellschafters ins Feld geführt, will man nicht den Umkehrschluss von der Pflicht auf das Recht ziehen, um dann zirkelschlüssig wiederum die Pflicht zu begründen1485. Auch das MoMiG hat in diesem Punkte keine grundsätzliche Änderung der Rechtslage gebracht. Zwar sieht § 15a Abs. 3 InsO nunmehr eine Insolvenzantragspflicht mit korrespondierendem Antragsrecht (§ 15 Abs. 1 S. 2 InsO) der Gesellschafter einer GmbH bzw. der Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft vor („subsidiäre Selbstorganschaft“)1486. Hierbei handelt es sich jedoch um eine subsidiäre Residualzuständigkeit für die Insolvenzeröffnung, die nur im Fall der Führungslosigkeit auflebt, d. h. wenn die Gesellschaft keinen Geschäftsführer hat (§ 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG; § 78 Abs. 1 S. 2 AktG)1487. Eigentlicher Zweck der subsidiären Antragspflicht der Gesellschafter bzw. Aufsichtsräte ist es, diese zur Bestellung eines ordnungsgemäßen Vertretungsorgans zu veranlassen und eine Umgehung der Insolvenzantragspflicht zu verhindern1488. Der subsidiäre Charakter dieser Insolvenzantragspflicht wird insbesondere daran deutlich, dass ein Gesellschafter in diese nur unter der weiteren Voraussetzung einrückt, dass er sowohl Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit/und oder Überschuldung) und kumulativ die Führungslosigkeit der Gesellschaft positiv kennt1489. Die Unkenntnis bereits einer 1484

BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (106 f.) – („Herstatt“) (zur AG); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 62; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 64 Rn. 99; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 18; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rn. 9; Mertens, in: KölnerKommAktG, § 92 Rn. 48; Glozbach, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 8; Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1868. 1485 Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 18; Roth, ZGR 1989, 421 (426). 1486 K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (2); Haas, GmbHR 2006, 729 (733 f.); vgl. auch Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 168 ff.; H. Schmidt, BKR 2007, 1 (7); Poertzgen, NZI 2007, 15 (15); Schmahl, NZI 2008, 6 (6 ff.); Haas/Oechsler, NZG 2006, 806 (807); vgl. auch schon K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (149 ff.). Zur einheitlichen Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO n.F.) vgl. Noack, DB 2007, 1395 (1399); Poertzgen, GmbHR 2007, 1258 (1258 ff.); ders., NZI 2008, 9 (9 ff.); Schmahl, NZI 2008, 6 (6 ff.); Wälzholz, DStR 2007, 1914 (1914 ff.). Zum Begriff des Gesellschafters in § 15a InsO-MoMiG vgl. Schmahl, NZI 2008, 6 (7 ff.). 1487 § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG n.F. Vgl. Wicke, GmbHG, § 35 Rn. 26. Gegen ein erweitertes Verständnis der Führungslosigkeit auf Fälle, in denen der Aufenthaltsort des Geschäftsführers nicht bekannt ist, de lege lata AG Hamburg, Beschl. v. 27. 11. 2008-67c IN 478/08, NZG 2009, 157, 157 f. (nicht rechtskräftig); aus strafrechtlicher Perspektive auch Bittmann, NStZ 2009, 113 (114); vgl. hierzu auch Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 167 H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 53. 1488 Vgl. Schmahl, in: MünchKommInsO, § 15 Rn. 61; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/ Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 108; ders., DK 2007, 1 (4); Poertzgen, GmbHR 2007, 1258 (1260); H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 63; Casper, in: Bachmann/Casper/ Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (43 f.). 1489 Vgl. etwa H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 63.

XI. Adressaten

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dieser beiden Umstände befreit somit den Gesellschafter von seiner Antragspflicht1490, wobei allerdings den Gesellschafter die Beweislast trifft1491. Auch rechtsökonomisch sprechen die besseren Gründe für das Fehlen einer allgemeinen Insolvenzantragspflicht eines (Nur)Gesellschafters. Beschränkt sich ein Gesellschafter oder Aktionär auf die Rolle als Eigenkapitalgeber und Residualanspruchsberechtigter, trifft nicht er gläubigerschädigende Entscheidungen in der Krise und ist entsprechend den obigen Ausführungen nicht tauglicher Adressat einer anreizbeeinflussenden Rechtsregel. Gleichzeitig ermöglicht seine Freistellung von der Insolvenzantragspflicht und ihren Folgen – Strafbarkeit und Haftung – die Realisierung der mit der Haftungsbeschränkung verbundenen Wohlfahrtseffekte1492. Nur unter der Voraussetzung, dass ein Anteilseigner als Nichtentscheidungsträger im Falle der Insolvenz nicht persönlich belangt wird, wird die Risikoaversion von Gesellschaftern und insbesondere Aktionären gemildert und ihre Investitionsbereitschaft gefördert. Die Fungibilität der Kapitalmärkte bleibt weitgehend unbeeinträchtigt, da nur im Ausnahmefall der Unternehmenswert durch das Privatvermögen der Anteilseigner mitbestimmt wird. Eine allgemeine Verantwortlichkeit würde hingegen bloße Passivität sanktionieren, gerade weil die Insolvenzantragspflicht des deutschen Rechts ein Unterlassungsdelikt ist. Das kapitalgesellschaftsrechtliche „Recht zur Passivität“ ist jedoch Bedingung einer effektiven Trennung von Eigentum und Kontrolle, weil anderenfalls die Entlastungswirkung der Delegation durch die Belastungswirkung der Notwendigkeit zusätzlicher Kontrolle geschmälert würde1493. Ein Schutzdefizit im juristischen Sinne ist mit der fehlenden Verpflichtung der Gesellschafter zur Stellung eines Insolvenzantrages bei materieller Insolvenzreife grundsätzlich nicht verbunden. Mit der satzungsmäßigen oder faktischen Geschäftsführung sind ohnehin die Personen zur Antragsstellung verpflichtet, die aufgrund überlegenen Wissens und rechtlicher und faktischer Entscheidungsrechte 1490 Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 171; Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1689); fur den Bereich des Strafrechts Bittmann, NStZ 2009, 113 (114). A.A. de lege lata nicht überzeugend Konu/Topoglu/Calcagno, NZI 2010, 244 (247 f.): Kennenmüssen ausreichend; de lege ferenda auch Casper, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (43): „[…] Zustandshaftung infolge mangelnder Wahrnehmung ihrer Organisationszuständigkeit […]“. 1491 Strafrechtlich hat die Beweislastumkehr nach richtiger Ansicht keine Bedeutung, so etwa Bittmann, NStZ 2009, 113 (115); Hefendehl, ZIP 2011, 601 (606 f.). 1492 So auch Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 65. 1493 Gleicher Befund bei Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 144 und speziell für die Insolvenzantragspflicht S. 145. A.A. Konu/Topoglu/Calcagno, NZI 2010, 244 (247 f.), die aus der Treuepflicht eines Gesellschafters gegenüber dem Verband Überwachungs- und Handlungspflichten bei Insolvenzreife bzw. Führungslosigkeit herleiten wollen; rechtspolitisch kritisch auch Bittmann, NStZ 2009, 113 (114), der sich zumindest de lege ferenda für eine Beobachtungspflicht auch der Gesellschafter einer GmbH ausspricht.

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am zeitnächsten und angemessensten auf eine finanzwirtschaftliche Krise reagieren können1494. Auch wird Handeln der Gesellschafter damit nicht haftungsrechtlich irrelevant. Einerseits hat der Gesetzgeber Forderungen aus dem Schrifttum, auch im Anwendungsbereich der subsidiären Insolvenzantragspflicht ein Kleinstbeteiligtenprivileg nach dem Vorbild des § 39 Abs. 5 InsO einzuführen, zu Recht eine Absage erteilt: das Recht zur Passivität eines Kapitalgesellschafters wird bereits durch das Doppelerfordernis positiver Kenntnis bzgl. Insolvenzreife und Führungslosigkeit gesichert1495, während gleichzeitig auch bei einem nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter, dem beide Umstände bekannt sind, eine tatsächliche Vermutung dafür streitet, dass er erheblichen Anteil an der Führung der Geschäfte hatte, die die gesteigerte Inpflichtnahme rechtfertigt. Eventuelle Evidenzfälle können zudem sowohl zivil- als auch strafrechtlich im Rahmen des Verschuldens aufgefangen werden. Andererseits führen Einflussnahmen seitens eines Gesellschafters immer dann zu einer Insolvenzverschleppungshaftung, wenn sie den dargestellten Anforderungen an eine faktische Geschäftsführung genügen1496. Für die GmbH, in der den Gesellschaftern aufgrund ihres Weisungsrechtes gegenüber der Geschäftsleitung die überragende Stellung zukommt, wird der Gesellschafter regelmäßig Hauptanwendungsfall faktischer Geschäftsführung sein1497. Dass das Gesetz der Gesellschafterversammlung über das Instrument der Weisung die Einflussnahme auf die Geschäftsführung erlaubt, steht einer Erfassung eines Gesellschafters als faktisches Organ nicht entgegen. Zwar vermag die Gesellschafterversammlung im Prinzip, in legitimer Weise sämtliche Aufgaben der laufenden Geschäftsleitung an sich zu ziehen und den Geschäftsführer zum reinen Vollzugsorgan zu degradieren1498. Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen illegitimer und legitimer Herrschaftsausübung resultieren hieraus allerdings nur dann, wenn man ein typologisierendes 1494 So auch Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 144 für den Fall einer angemessenen Ausgestaltung und Sanktionierung der gesetzlichen Pflichten der Geschäftsleiter. 1495 Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 171. Das doppelte Vorsatzerfordernis sollte deshalb auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass man bei isolierter Kenntnis von Insolvenzreife oder Führungslosigkeit jeweils Nachforschungspflichten mit Blick auf den jeweils anderen Umstand annimmt. So aber Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 172; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 109. Wie hier Hefendehl, 2011, 601 (606). 1496 Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 40; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 18; Bayer/Lieder, WM 2006, 1 (9); Ehlers, DStR 1998, 1756 (1757); Ulmer, GmbHR 1984, 256 (263); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 72. Zu Abgrenzungsschwierigkeiten legitimer von illegitimer Einflussnahme, die insbesondere bei faktischer Organschaft im Anwendungsbereich von § 43 Abs. 2 GmbHG virulent werden, Fleischer, GmbHR 2011, 337 (345). 1497 Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1689). Zur davon völlig verschiedenen Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft vgl. etwa Fleischer, ZIP 2003, 1 (1 ff.). 1498 Haas, DStR 1998, 1359 (1359); ders., DStR 2003, 423 (423); ders., NZI 2006, 494 (495); Redeker, DZWiR 2005, 497 (499); Roth, ZGR 1989, 421 (426); ähnlich Geißler, GmbHR 2003, 1106 (1109); zum Kompetenzverhältnis zwischen Geschäftsführung und Gesellschaftern vgl. auch Kort, ZIP 1991, 1274 (1274 ff.); Konzen, NJW 1989, 2977 (2977 ff.).

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Verständnis der Rechtsbegrifflichkeit der faktischen Geschäftsführung zu Grunde legt, das zunächst eine Gleichstellung mit einem satzungsmäßigen Geschäftsführer herzustellen versucht, um im Anschluss hieran das gesamte Bündel der Organpflichten auf diese Person zu übertragen. Stellt man demgegenüber auf den missbilligten Einzelakt ab, konkret also darauf, wer die Entscheidung über die Insolvenzverschleppung fällt, ist sichergestellt, dass nicht die Ausübung des gesetzlich eingeräumten Weisungsrechts sanktioniert wird, sondern die Insolvenzverschleppung1499. Dass hiermit das Organisationsmodell der GmbH nicht unterlaufen wird1500, ergibt sich bereits daraus, dass auch die Existenz des Weisungsrechts keine Insolvenzverschleppung durch die Gesellschafter zu legitimieren vermag1501. Das GmbHG räumt den Gesellschaftern nicht die Weisungsbefugnis bezüglich einer Insolvenzverschleppung ein. Eine entsprechende Weisung wird zutreffend als rechtswidrig behandelt, da anderenfalls ein deutliches Auseinanderfallen von Einfluss und Verantwortlichkeit resultieren würde1502. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch den Blick auf das Kapitalschutzrecht sowie auf die allgemeine Zweckförderungspflicht, wo es gleichfalls keinen Grundsatz der Haftungsfreiheit von Weisungen gibt1503. Darüber hinaus würde das deutsche Organisationsmodell dann nicht überzeugen, wenn es in Konsequenz dazu führt, dass Gesellschafter die Geschäftsführung auszuüben vermögen, ohne den Bindungen der eigentlichen Geschäftsführung zu unterliegen. Lücken besitzt diese Lösung – Erfassung einer durch einen Nurgesellschafter iniierten Insolvenzverschleppung im Rahmen faktischer Organschaft – allerdings, wenn man mit dem II. Senat als notwendige Voraussetzung einer faktischen Geschäftsführung ein Außen- und Eigenhandeln des Gesellschafters verlangt. Eine Insolvenzverschleppung durch Gesellschafter, die sich praktisch in der Ausübung des Weisungsrechts vollzieht und erschöpft, wird dann nicht erfasst1504. Auch dieser Gesichtspunkt spricht dafür, auf das ohnehin überaus kritische Doppelkriterium des Außen- und Eigenhandelns zur Gänze zu verzichten. Ungerechtfertigt erscheint die Erfassung eines Gesellschafters als faktisches Organ allein dann, wenn zwar Weisungen in erheblichem Umfang erteilt werden, diese jedoch jeweils rechtmäßig sind. Anderenfalls würde der mit der Haftungsbeschränkung des Kapitalgesellschafts1499 Für eine stärkere Orientierung am einzelnen Handlungsakt auch Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 117; Spindler, JZ 2006, 839 (847 f.); schon früher in diese Richtung Fischer, GmbHG, 10. Aufl., Zf. 2d): „wenn er seinen bestimmenden Einfluss auf den Geschäftsführer ausübt und ihn aus eigennützigen Gründen veranlasst, den Konkursantrag verspätet zu stellen“. 1500 Geißler, GmbHR 2003, 1106 (1112). 1501 RG, Urt. v. 14. Dez. 1909 – II ZR 528/09, RGZ 72, 285 (288 ff.); vgl. Wilms, KTS 2007, 337 (349); Gieseke, GmbHR 1996, 486, 488 f.; Mennicke, NZG 2000, 622, 624; Konzen, NJW 1989, 2977 (2978). 1502 Vgl. Haas, NZI 2006, 494 (495). 1503 Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 117. 1504 Vgl. Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 72.

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rechts u. a. verfolgte Zweck, rein passive Gesellschafter von kostspieliger Kontrolle zu entlasten, vereitelt. Ein Gesellschafter, der vorübergehend Einfluss auf die Geschäftsführung ausgeübt hat, müsste damit rechnen, für eine geraume Zeit nach seinem Rückzug aus dem operativen Geschäft als faktisches Organ behandelt zu werden. Der Rückzug unter gleichzeitigem Verzicht auf die Ausübung von Kontrollrechten wäre mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden. Aus gleichen Gründen darf die Haftung nicht auf bloßes Unterlassen der Gesellschafter erstreckt werden1505. In allgemeinerem Kontext sprechen diese Aspekte auch gegen das typologisierende Verständnis der faktischen Organschaft. Wer mit dem BGH maßgeblich auf die Gesamtumstände und dabei neben Außen- und Eigenhandeln insbesondere auf Dauer und Umfang der Einflussnahme abstellt, um die Eigenschaft als faktisches Organ zu begründen, müsste einen Gesellschafter, der diese Kriterien kraft legitimer Ausübung seines Weisungsrechts erfüllt, eigentlich als faktisches Organ erfassen, wenn der Gesellschafter – in der konkreten Situation rein passiv – keinen Insolvenzantrag stellt. Dieses Ergebnis erscheint jedoch unter anreizspezifischen Gesichtspunkten kaum tragbar. Die Insolvenzverschleppungshaftung sollte einen Gesellschafter nicht schon dann treffen, wenn er seine Vorstellungen in zahlreichen Fällen in legitimer Weise eingebracht hat und auch im Außenverhältnis für die Gesellschaft gewirkt hat, sondern nur dann, wenn er im Stadium der finanziellen Krise bewusst daran mitgewirkt hat, dass die abgewirtschaftete Unternehmung zu Lasten ihrer Gläubiger fortgeführt wird. Erneut offenbart sich hiermit die Überlegenheit der Orientierung an der Verantwortlichkeit für den missbilligten Akt, während die alternative Orientierung am Organbegriff zu kaum zu rechtfertigenden Ergebnissen führt. Liegen die durch den BGH aufgestellten Voraussetzungen einer faktischen Geschäftsführung nicht vor, verbleibt nach der lex lata die Möglichkeit, dass ein Gesellschafter als Teilnehmer einer Insolvenzverschleppung gemäß §§ 15a Abs. 1 InsO, 823 Abs. 2, 830 BGB haftet1506. Hauptanwendungsfall einer solchen Teilnehmerhaftung sollten die Fälle sein, in denen das fragwürdige Kriterium einer Außenwirkung der Gesellschaftereinflussnahme nicht gegeben ist, weil sich der Gesellschafter auf die interne Lenkung eines nicht selbständigen satzungsmäßigen Geschäftsführers beschränkt. Voraussetzung für die Erfassung als Teilnehmer ist aufgrund der Strafrechtsakzessorietät des § 830 Abs. 2 BGB1507 zunächst objektiv 1505

Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 117 f. 1506 Vgl. Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 106; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 164; Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1182 f.); Casper, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (44); Diekmann, NZG 2006, 255 (256); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 44; Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 72. 1507 Vgl. etwa BGH, NZI 2006, 58 (59); Bayer/Lieder, WM 2006, 1 (9); Diekmann, NZG 2006, 255 (256); Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 118 f.; Redeker, DZWiR 2005, 487 (498).

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eine Einflussnahme seitens des Gesellschafters1508. Der Gesellschafter muss durch seine Beihilfehandlung die tatbestandsmäßige Handlung gefördert, erleichtert oder den Täter in seinem Entschluss bestärkt haben, ohne notwendigerweise für sie ursächlich geworden zu sein1509. Dieses Erfordernis ist juristisch und rechtsökonomisch unproblematisch, da die Haftung allein einen aktiven Gesellschafter treffen soll. Darüber hinaus setzen zivil- wie strafrechtliche Teilnahme Vorsatz des Haupttäters voraus1510. Die denkbare Konstellation, in der ein nicht nach außen in Erscheinung tretender Gesellschafter auf einen fahrlässig das Vorliegen materieller Insolvenzreife verkennenden Geschäftsleiter derart einwirkt, dass dieser die Geschäfte weiterführt, bleibt damit unsanktioniert. Das dem Strafrecht entlehnte Akzessorietätsmodell der deliktischen Teilnehmerhaftung führt also dazu, dass ein Gesellschafter, der intern gläubigergefährdende Maßnahmen veranlasst, gleichzeitig aber auch dem Geschäftsleiter die wahre Natur seiner Absichten verschleiert, nicht haftet. Die intendierte Verhaltenssteuerung kann nicht greifen, weil der Gesellschafter keine Sanktion fürchten muss1511. Im Schrifttum sind deshalb verschiedene Vorschläge zur Vermeidung dieses unerwünschten Ergebnisses unterbreitet worden. Ein erster Ansatz will die Teilnahmevoraussetzungen im vorliegend interessierenden Kontext abschwächen. Ausreichend soll die vorsätzliche Beteiligung an einer fahrlässigen Insolvenzverschleppung sein1512. Wenn auch damit das gewünschte Ergebnis erzielbar ist, erscheint die Vorzugswürdigkeit dieser Lösung fraglich. Sie bricht mit der ansonsten in zwei Rechtsgebieten geltenden Teilnahmedogmatik und dies ohne Not1513. Alternativ wird deshalb eine entsprechende Verkehrssicherungspflicht des Gesellschafters angenommen1514, bzw. vorgeschlagen, dem haftenden Geschäftsführer einen Anspruch auf Freistellung gegen den beherrschenden Gesellschafter einzuräumen, wenn dieser unter zumindest fahrlässiger Verkennung der Insolvenzreife „intern“ die gesamte Verantwortung auf sich genommen hat1515, oder aber, den Gesellschafter für insolvenzverschleppende Einflussnahmen nach §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. nach den Grundsätzen der Haftung wegen 1508

Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 142. Vgl. Diekmann, NZG 2006, 255 (256). 1510 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 142; Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 163; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 106; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 164; Schulze-Osterloh, in: Baumbach-Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 64 Rn. 99; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 102; Stein, ZHR 148 (1984), 207 (226 f.); Ulmer, KTS 1981, 469 (489); ders., GmbHR 1984, 256 (263). 1511 Vgl. etwa Casper, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (44 f.): gerade unter anreizspezifischen Aspekten unbefriedigend. 1512 Ehricke, AcP 199 (1999), 257 (295). 1513 Hiergegen auch Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 84; Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1183); Bayer/Lieder, WM 2006, 1 (9). 1514 Vgl. Ulmer, KTS 1981, 469 (490). 1515 Vgl. Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1183); dem folgend Meyke, Haftung des GmbHGeschäftsführers, S. 283. 1509

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existenzvernichtenden Eingriffs zur Verantwortung zu ziehen1516. Auch diese Vorschläge sehen sich Einwänden ausgesetzt. Zunächst wäre mit dieser Lösung eine Verwässerung der Tatbestandsvoraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung verbunden, weil eine Vermögensverlagerung nicht erforderlich wäre. Die hieraus resultierenden Gefahren für die Wohlfahrtseffekte der beschränkten Haftung wurden bereits dargestellt. Vor allem auch käme es zu einer Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte. Der Vorwurf der Insolvenzverschleppung ist unabhängig von der Person des Verschleppenden. Es überzeugt deshalb nicht, die Haftung für insolvenzverschleppende Maßnahmen an die Gesellschafterstellung (Existenzvernichtungshaftung/Verkehrssicherungspflicht) zu knüpfen. Die Inanspruchnahme eines Gesellschafters als Gesellschafter ist dort angezeigt, wo er gerade in dieser Eigenschaft handelt und es auf diese ankommt (Finanzierungsentscheidungen, Strukturmaßnahmen etc.). Handelt es sich hingegen um die Ausübung von Leitungsmacht, ist korrekter Standort eine Haftung für fehlerhafte Geschäftsführung. Die genannten Konstruktionen erübrigen sich, wenn de lege lata das Erfordernis des Außen- und Eigenhandelns aufgegeben wird bzw. de lege ferenda eine Klarstellung des Wortlauts nach oben genanntem Vorbild vorgenommen wird1517. Alternativ ist eine Modifikation der Organisationsverfassung der GmbH nach dem Vorbild der Delaware close corporation denkbar. Geschäftsführungsmaßnahmen fallen hiernach in die Zuständigkeit des board of directors, der grundsätzlich keinem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung unterliegt. Wollen die Gesellschafter die Geschäftsführung persönlich übernehmen, rücken sie weitgehend in die Haftung der Geschäftsführung ein1518. (2) Aufsichtsräte und Beiräte Aufsichtsräte und Beiräte sind aufgrund der abschließenden Beschreibung des Adressatenkreises der Insolvenzverschleppungshaftung in § 15a Abs. 1 InsO n.F. keine natürlichen Normadressaten1519. Dem kann unter rechtsökonomischen Auspizien gefolgt werden. Aufsichts- und Beiräte sind regelmäßig keine Entscheider, folglich nutzen nicht sie die Revision des Anreizsystems zu opportunistischem Verhalten. Wie jeder andere Dritte können sie im Einzelfall unter der Figur des

1516

Bayer/Lieder, WM 2006, 1 (9). Ähnlich Wagner, FS K. Schmidt, 1665 (1691), der bei eigenem Vorsatz des Gesellschafters § 826 BGB für unmittelbar einschlägig hält. 1517 So auch Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 166. 1518 §§ 350, 351 DCGL. Vgl. hierzu von Bonin, in: Hirte/Bücker, § 10 Rn. 7. 1519 RG, Urt. v. 7. 6. 1939 – II ZR 199/38, RGZ 161, 129 (132 f.); BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (106) – „Herstatt“ (AG); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 64; Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 41; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 174d; Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 18; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rn. 7; Mertens, in: KölnerKommAktG, § 92 Rn. 48; Hirschmann, Aufgaben des Vorstandes als Leitungsorgan, Rn. 203; Herget, AG 1974, 137 (138); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 43.

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faktischen Geschäftsführers erfasst werden1520 oder als Teilnehmer an einer Insolvenzverschleppung (§ 830 Abs. 2 BGB) der Geschäftsleitung1521, was wiederum folgerichtig erscheint, da sie dann in die Rolle von Entscheidern in der Gesellschaft eingerückt sind. Allerdings begegnen auch hier die mit dem Kriterium des Außenhandelns einerseits und der Strafrechtsakzessorietät der Teilnahme an einer Insolvenzverschleppung andererseits verbundenen Defizite. Da Mitglieder von Aufsichts- und Beiräten anders als passive Gesellschafter und sonstige unternehmensexterne Dritte Organe der Gesellschaft sind1522, denen auch und gerade die Überwachung der Geschäftsleitung obliegt (§ 111 AktG), werden Nachlässigkeiten im Umfeld der Krise darüber hinaus als Verstöße gegen ihre allgemeine gesellschaftsrechtliche Überwachungspflicht (§§ 52 GmbHG; 93, 116 AktG) haftungsrechtlich erfasst, wenn sie unter Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten einen Verstoß der Geschäftsführer oder Vorstände gegen § 15a Abs. 1 InsO n.F. oder das Zahlungsverbot gemäß § 64 S. 1 GmbHG/§ 92 Abs. 2 S. 1 AktG fördern oder dulden1523. Die Rechtsprechung tendiert in diesem Zusammenhang in jüngerer Zeit dazu, die diesbezüglichen Krisenpflichten des Aufsichtsrats zunehmend schärfer zu interpretieren. So ist es dem Aufsichtsrat in der Krise der Gesellschaft nicht erlaubt, sich auf die turnusmäßigen Zusammenkünfte zu beschränken, vielmehr muss er anlassbezogen und zeitnah zusammentreten bzw. die notwendigen Informationen bei Geschäftsführung bzw. Vorstand abfragen1524. Ergeben die Informationsbemühungen des Aufsichtsrats, dass die Gesellschaft insolvenzreif ist und die Dreiwochenfrist entweder abgelaufen ist oder aber ihre Inanspruchnahme nicht aussichtsreich erscheint, hat der Aufsichtsrat auf Vorstand bzw. Geschäftsführung einzuwirken, um diese zur Stellung des Insolvenzantrag und – zumindest soweit es sich um einen 1520

BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (106) – („Herstatt“). BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (107) – („Herstatt“); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Vor § 64 Rn. 143; Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 42; Nerlich, in: Michalski, GmbHG § 64 Rn. 18; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rn. 8; Konu/Topoglu/Calcagno, NZI 2010, 244 (245); Strohn, NZG 2011, 1161 (1163). 1522 Ein Beirat, Gesellschafterausschuss, Verwaltungsrat o.Ä. ist allerdings nur dann Organ der Gesellschaft, wenn er auf gesellschaftsvertraglicher bzw. satzungsmäßiger Grundlage beruht vgl. etwa Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rn. 110 f. 1523 BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (100) – („Herstatt“); BGH, Urt. v. 20. 9. 2010 – II ZR 78/09, ZIP 2010, 1988 (1989) („Doberlug“); OLG Brandenburg, Urt. v. 17. 02. 2009 – 6 U 102/07, GWR 2009, 279526 (aufgehoben in der Rechtsfolge durch die Entscheidung des BGH). Vgl. Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 41; Haas, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 174d; Herget, AG 1974, 137 (138). Vgl. Gebhardt, ZCG 2009, 115 (116 f.); eine Haftung für Duldung von Verstößen gegen das Zahlungsverbot zumindest im Grundsatz bejahend Schmidt, GmbHR 2010, 1319 (1319), bei Verstößen gegen das Zahlungsverbot leitet der BGH die Schadensersatzpflicht aus §§ 116, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG her, um seiner Interpretation des Zahlungsverbots als Ersatzanspruch eigener Art Rechnung zu tragen. Vgl. BGH, Urt. v. 20. 9. 2010 – II ZR 78/09, ZIP 2010, 1988 (1989) („Doberlug“). 1524 Vgl. hierzu etwa Strohn, NZG 2011, 1161 (1163); Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 174d. 1521

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

obligatorischen Aufsichtsrat handelt – zum Unterlassen nach § 64 S. 1 GmbHG/§ 92 Abs. 2 S. 1 AktG verbotswidriger Zahlungen zu bewegen1525. Weigert sich die Geschäftsleitung, dem nachzukommen, entscheidet über das weitere Pflichtenprogramm des Aufsichtsrats die Frage, ob dieser über die Personalkompetenz verfügt: der mit Personalkompetenz ausgestattete Aufsichtsrat hat eine sich dem Insolvenzantrag widersetzende Geschäftsleitung abzuberufen und den Insolvenzantrag selbst nach § 15a Abs. 3 InsO zu stellen; der ohne Personalkompetenz ausgestattete Aufsichtsrat einer GmbH hat demgegenüber zumindest die Gesellschafterversammlung aus wichtigem Grund einzuberufen, um die Möglichkeit einer Abberufung des Managements zu eröffnen1526. Rechtsökonomisch wird man diese Weiterungen als nicht gänzlich unproblematisch bezeichnen müssen, führen sie doch im Ergebnis dazu, dass Aufsichtsratsmitglieder auch dann praktisch in eine geschäftsführergleiche persönliche Haftung einrücken, wenn die Voraussetzungen faktischer Organschaft nicht vorliegen. Ob dies mit der doch völlig anders gearteten Funktion des Aufsichtsrats und dem empirischen Befund, dass die Mitglieder des nach wie vor bestenfalls semi-professionellen Überwachungsgremiums kaum angemessen auf eine Krise reagieren können1527, zu vereinbaren ist, sieht sich zumindest Bedenken ausgesetzt1528. Weitergehend sieht das MoMiG eine Einbeziehung der Aufsichtsräte in die Residualantragspflicht vor. Nach § 15a Abs. 1 u. Abs. 3 InsO n.F. ist im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft (§ 78 Abs. 1 S. 2 AktG) oder einer Genossenschaft (§ 24 Abs. 1 S. 2 GenG) auch jedes Mitglied des Aufsichtsrates zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, dieses hat von der Zahlungsunfähigkeit 1525 BGH, Urt. v. 20. 9. 2010 – II ZR 78/09, ZIP 2010, 1988 (1989) („Doberlug“); Strohn, NZG 2011, 1161 (1163); Goette, in: VGR (Hrsg.): Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010, 1 (21); im Grundsatz auch Altmeppen, ZIP 2010, 1973 (1976 f.). Auf den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH will der BGH demgegenüber das Zahlungsverbot des § 92 AktG nicht anwenden, da der Transmissionsmechanismus des § 52 GmbHG nur auf § 93 Abs. 1 und 2 S. 1 u. 3 AktG verweise, hingegen nicht auch auf § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, vgl. BGH, Urt. v. 20. 9. 2010 – II ZR 78/09, ZIP 2010, 1988 (1990) („Doberlug“); Goette, in: VGR (Hrsg.): Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010, 1 (21); insoweit a.A. Altmeppen, ZIP 2010, 1973 (1974 f.); zweifelnd an der Sinnhaftigkeit der Differenzierung der Rechtsprechung auch Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 174e und vor allem auch K. Schmidt, GmbHR 2010, 1319 (1319 ff.) auf Grundlage seiner abweichenden Interpretation des Zahlungsverbots. 1526 Strohn, NZG 2011, 1161 (1163); so auch Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 174d. 1527 Vgl. etwa Fleischer, AcP 204 (2004), 502, 526 f: […] geraten gerade in Krisensituationen schon aus Zeitgründen hoffnungslos ins Hintertreffen“; Endres, ZHR 169 (1999), 441 (455) unter Hinweis darauf, dass der Aufsichtsrat zu einem Gutteil auf die Informationsversorgung durch den Vorstand angewiesen ist. 1528 Dies erkennend auch Goette, in: VGR (Hrsg.): Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010, 1 (21 f.), der einerseits vor der „etwas platten“ Vorstellung warnt, die Verletzung der Überwachungspflicht laufe auf eine geschäftsleiterleitergleiche Haftung hinaus, andererseits aber auch darauf hinweist, dass die Grenzziehung im Einzelfall schwierig ist und die Funktionsunterschiede zwischen der zum eigenen Handeln verpflichteten Geschäftsleitung und des nur zur Überwachung (und Beratung) berufenen Aufsichtsrats nicht nivelliert werden dürfen.

XI. Adressaten

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und der Überschuldung keine Kenntnis1529. Mit Blick auf die rechtspolitische Zielsetzung der subsidiären Antragspflicht, das Bestellungsorgan zur ordnungsgemäßen Besetzung der Geschäftsleitung anzuhalten, sollte Gleiches gelten für einen obligatorischen oder fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH, soweit diesem gesetzlich oder satzungsmäßig die Personalkompetenz überantwortet ist1530 ; die wohl herrschende Meinung sieht sich hieran allerdings durch den das gegenteilige Ergebnis nahelegenden Wortlaut gehindert1531. Im Falle eines Verstoßes droht eine Haftung nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 15a Abs. 3 InsO direkt1532. Eine unzumutbare Belastung der Aufsichtsratsmitglieder ist hiermit nicht verbunden. Die Insolvenzantragspflicht ist auch hier an das Vorliegen der Führungslosigkeit gebunden und dient primär – nicht anders als die subsidiäre Antragspflicht der Gesellschafter – dazu, dass die Aufsichtsräte ihrer Verantwortung zur Sicherstellung eines handlungsfähigen Leitungsgremiums (§ 84 Abs. 1 S. 1 AktG) nachkommen. Da zumindest in der Publikumsgesellschaft die große Mehrzahl der Aktionäre nicht als potentiell Antragsverpflichtete in Betracht kommt, ist dies aus Sicht einer effektiven Ausübung der Antragspflicht konsequent. Zudem ist ein Aufsichtsratsmitglied anders als ein Gesellschafter zwingend zur Teilnahme an der Verwaltung verpflichtet (vgl. nur §§ 93, 116 AktG). Es wird also keine Person in die Pflicht genommen, die aus Rationalitätsgründen Kontrolle nicht ausübt. Rationale Apathie ist den Mitgliedern eines Aufsichtsrates nicht gestattet. Praktisch ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass ohnehin ein Trend zur stärkeren Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit zu beobachten ist, der es gerechtfertigt erscheinen lässt, das Sorgfaltspflichtenprogramm der Kontrolleure zumindest vorsichtig zu verschärfen. Schließlich entlässt § 15a Abs. 3 InsO ein Aufsichtsratsmitglied schon dann aus der Pflicht, wenn es von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis hat; bloßes Kennenmüssen begründet keinen haftungsrechtlich relevanten Vorwurf1533. (3) Banken und Finanzgläubiger Eine Haftung von Banken und Kreditinstituten als faktische Geschäftsführer scheidet nach deutschem Recht praktisch aus. Da Kreditinstitute auch aufgrund rechtlicher Zwänge zum ganz überwiegenden Teil als juristische Personen organisiert werden, ist dies logische Konsequenz der herrschenden Meinung, dass faktischer Geschäftsführer nur eine natürliche Person sein kann1534. Die Rechtsprechung 1529

Vgl. Gehrlein, BB 2008, 846 (847 f.). Zutreffend Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 169: Korrelat zur Bestellungsbefugnis. De lege ferenda auch Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 169. 1531 Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 43 u. 108. 1532 Vgl. Wälzholz, DStR 2007, 1914 (1916). 1533 Vgl. Gehrlein, BB 2008, 846 (848); strafrechtlich Bittmann, NStZ 2009, 113 (114). A.A. „Kennenmüssen“ ausreichend Konu/Topoglu/Calcagno, NZI 2010, 244 (246 f.). 1534 Fleischer, AG 2004, 517 (527); ders., GmbHR 2011, 337 (344). 1530

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

kompensiert dieses Defizit, indem sie neben der Haftung als Anstifter oder Gehilfe einer vorsätzlichen Insolvenzverschleppung auf der formalen Grundlage des § 826 BGB eine spezifische Insolvenzverschleppungshaftung von Kreditinstituten entwickelt hat1535. Vergleichbar den Kriterien der Haftung als faktisches Organ kommt eine Einstandspflicht eines Kreditinstituts insbesondere dann in Betracht, wenn es die Geschäftsleitung faktisch ersetzt oder doch maßgeblich beeinflusst1536. In stärkerem Maße als im Rahmen der Haftung als faktisches Organ berücksichtigt die Rechtsprechung jedoch den Charakter der von der Bank im Einzelnen veranlassten Maßnahmen. So genügt es zunächst nicht, wenn eine Bank in Reaktion auf eine Krise der Schuldnerin versucht, ihre Außenstände einzubringen1537. Eine Haftung der Bank wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung scheidet auch dann aus, wenn die Bank von der wirtschaftlich aussichtslosen Lage des Kreditnehmers Kenntnis besitzt, und trotz dieser Kenntnis eine bestehende Kreditlinie nicht unverzüglich kündigt, das bloße Stehenlassen ohne Hinzutreten weiterer Umstände genügt mangels entsprechender Pflicht zum Handeln nicht1538. Mit den Worten der Rechtsprechung bleibt es grundsätzlich der Bank überlassen, ob sie den Anstoß zum Zusammenbruch des Unternehmens geben will1539. Kritisch wird die Situation der Bank, wenn sie sich an etwaigen Sanierungsmaßnahmen beteiligt. Anders als im Anwendungsbereich der faktischen Organschaft, wo die Rechtsprechung die faktische Besetzung einer Geschäftsleitungsposition für eine Einstandspflicht genügen lässt, differenziert die Spruchpraxis auch hier danach, was das Kreditinstitut in concreto veranlasst hat. Der Versuch, ein notleidendes Unternehmen zu retten, führt nach diesen Grundsätzen nicht zu einer Einstandspflicht für durch die Insolvenzverschleppung verursachte Schäden, sofern das Kreditinstitut aufgrund sachkundiger und sorgfältiger Prüfung der Lage des 1535 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 16. 03. 1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (393); BGH, Urt. v. 11. 11. 1985 – II ZR 109/84 = BGHZ 96, 231 (231 ff.) allgemein hierzu Baterau, WM 1992, 1517 (1517 ff.); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 75 ff.; speziell unter dem Gesichtspunkt einer Insolvenzverantwortlichkeit im Rahmen von LBO zuletzt Kuntz, ZIP 2008, 814 (814 ff.). 1536 BGH, Urt. 9. 2. 1965 – VI ZR 153/62, WM 1965, 475 (476); BGH, Urt. v. 14. 04. 1964 – VI ZR 219/62. WM 1964, 671 (673); LG Köln, Urt. v. 27. 2. 2008 – 4 O 272/07 = BeckRS 2010, 03014. Vgl. Theewen, BKR 2003, 141 (142); Battereau, WM 1992, 1517 (1519). 1537 OLG Köln, Urt. v. 3. 4. 2009 – 6 U 80/08 = BeckRS 2010, 03013. Eine Prolongierungspflicht kennt das deutsche Recht grundsätzlich nicht; vgl. etwa OLG Köln, Urt. v. 3. 4. 2009 – 6 U 80/08 = BeckRS 2010, 03013: „Es ist grundsätzlich Sache der Bank oder Sparkasse, ob sie ein notleidendes Unternehmen, dem sie Kredite gegeben hat, fallen lassen will“. Vgl. auch Theewen, BKR 2003, 141 (141 f.); Batterau, WM 1992, 1517 (1519). 1538 BGH, Urt. v. 14. 04. 1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671 (672 f.); BGH, Urt. v. 9. 2. 1965 – VI ZR 153/62, WM 1965, 475 (476); LG Köln, Urt. v. 27. 2. 2008 – 4 O 272/07 = BeckRS 2010, 03014; vgl. Batterau, WM 1992, 1517 (1518 f.); Hopt, ZHR 143 (1979), 139 (167 ff.); Reiner, FS Boujoung, 415 (452). A.A. Canaris, ZHR 143 (179), 114 (114 ff.), der bei Vorliegen besonderen Umständen eine Prolongierungspflicht annehmen will. 1539 LG Köln, Urt. v. 27. 2. 2008 – 4 O 272/07 = BeckRS 2010, 03014.

XI. Adressaten

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Schuldners die Krise als überwindbar ansehen durfte, selbst dann, wenn ein solcher Versuch die Möglichkeit des Misslingens und damit einer Schädigung nicht informierter Geschäftspartner in sich birgt1540. Vom Erfolg der Sanierung soll das Kreditinstitut zumindest dann ausgehen dürfen, wenn ex ante keine vernünftigen Zweifel an ihrem Gelingen bestehen1541. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit droht erst dann, wenn ernsthafte Zweifel am Gelingen des in Aussicht genommenen Sanierungsversuches bestehen und deshalb damit zu rechnen ist, dass er den Zusammenbruch des Unternehmens allenfalls verzögern, nicht aber auf Dauer verhindern kann und der Sanierungsversuch aus eigensüchtigen Motiven erfolgt1542. Derartige eigensüchtige Motive sind zu bejahen, wenn das Kreditinstitut den Geschäftsbetrieb zu dem alleinigen Zweck aufrechterhält, den Zusammenbruch hinauszuzögern, um in dieser Zeit zum Nachteil anderer Gläubiger Sicherheiten hereinzunehmen, früher gewährte Kredite zurückzuführen, Anfechtungsfristen zu überwinden oder Sicherheiten ungestört zu verwenden1543. Bezüglich des für eine Haftung nach § 826 BGB erforderlichen subjektiven Elements gilt auch im Bereich der Bankenhaftung, dass das Kreditinstitut nur die Tatsachen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, nicht aber Sittenwidrigkeit selbst kennen muss1544. Das wird durch die Rechtsprechung dahingehend interpretiert, dass für die Bank absehbar ist, dass der Kredit letztlich nicht geeignet ist, den Zusammenbruch des Unternehmens zu verhindern1545. 1540 BGHZ, Urt. v. 9. 7. 1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (232 ff.) (zu § 138 BGB); BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (114 f.) – („Herstatt“); BGH, Urt. v. 16. 03. 1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (399); BGH – Urt. v. 11. 11. 1985 – II ZR 109/84, BGHZ 96, 231 (235); OLG Köln, Urt. v. 27. 2. 1981 – 22 U 117/79, WM 1981, 1238 (1240); OLG Köln, Urt. v. 3. 4. 2009 – 6 U 80/08 = BeckRS 2010, 03013; LG Köln, Urt. v. 27. 2. 2008 – 4 O 272/07 = BeckRS 2010, 03014; vgl. Theewen, BKR 2003, 141 (144); Battereau, WM 1992, 1517 (1518); Brünkmanns, CFL 2013, 375 (376). 1541 BGH, Urt. v. 14. 04. 1964 – VI ZR 219/62, WM 1964, 671 (672); BGH, Urt. v. 16. 03. 1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (393); vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 311; Brünkmanns, CFL 2013, 375 (376) Theewen, BKR 2003, 141 (144 ff.) zur regelmäßig notwendigen Validierung der Erfolgsaussichten mittels einer Sanierungsprüfung, insbesondere auf Grundlage des IDW S 6. 1542 BGH – Urt. v. 11. 11. 1985 – II ZR 109/84, BGHZ 96, 231 (235 f.); BGH, Urt. v. 9. 7. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (106) – („Herstatt“); OLG Köln, Urt. v. 3. 4. 2009 – 6 U 80/08 = BeckRS 2010, 03013; Reiner, FS Boujoung, 415 (444); Brünkmanns, CFL 2013, 375 (379). 1543 OLG Köln, Urt. v. 27. 2. 1981 – 22 U 117/79, WM 1981, 1238 (1240 f.); OLG Köln, Urt. v. 3. 4. 2009 – 6 U 80/08 = BeckRS 2010, 03013; LG Köln, Urt. v. 27. 2. 2008 – 4 O 272/07 = BeckRS 2010, 03014: vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 310; Theewen, BKR 2003, 141 (143); Batterau, WM 1992, 1517 (1520).Vgl. auch – wenn auch zur Frage der eigenkapitalersetzenden Qualität gewährter Darlehen – BGH, Urt. v. 16. 03. 1984 – II ZR 171/ 83, BGHZ 90, 381 (393): „Soweit die Klägerin Einwirkungen der Beklagten auf das Geschäftsverhalten der BuM behauptet hat, geht es um die Wahrnehmung externer Geldgeberinteressen […]“. 1544 Vgl. Theewen, BKR 2003, 141 (147). 1545 BGH, Urt. v. 16. 03. 1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (399); BGH, Urt. v. 4. 12. 1997 – IX ZR 47/97, WM 1998, 248 (250) (für den Fall der Vorsatzanfechtung); vgl. auch Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 310 f.; Richrath, WM 2000, 1977 (1978).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Unter rechtsökonomischen Gesichtspunkten spricht viel für diese zurückhaltende und differenzierte Erfassung der Einflussnahme von Kreditgebern wegen Insolvenzverschleppung. Finanzgläubiger befinden sich prinzipiell in keiner anderen Position als „gewöhnliche“ Gläubiger, auch sie müssen opportunistisches Verhalten der Geschäftsleitung in der Krise der Gesellschaft fürchten. Versuchen sie, die Geschäftsleitung zu einem für die Gesamtheit der Gläubiger günstigen Verhalten zu veranlassen, ist dies gerade unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes positiv zu beurteilen1546. Solange sich die Einflussnahme eines Kreditinstituts hierauf beschränkt, fungiert es reflexartig als Interessenswahrer der Gläubigergesamtheit. Die Agenturkosten des Fremdkapitals werden gesenkt. Ebenso wenig darf es sich haftungsbegründend auswirken, wenn die Bank sich darauf beschränkt, ihre Forderungen einzubringen, ohne hierbei bewusst die Positionen der übrigen Gläubiger auszunutzen1547. Anders kann dies erst dann beurteilt werden, wenn auch das Kreditinstitut beginnt, die Position der anderen Gesellschaftsgläubiger zu eigenen Gunsten zu unterminieren und dazu faktische1548 oder aufgrund von Covenants1549 eingeräumte Entscheidungsrechte in der Gesellschaft ausübt. Verhält sich die Bank ihrerseits opportunistisch, weil sie aufgrund umfassender Besicherung bei einer Fortführung der Geschäfte ebenfalls nichts oder doch nicht viel zu verlieren, gleichzeitig aber viel zu gewinnen hat, muss sie für ein derartiges Verhalten in die Pflicht genommen werden. Verhalten und induzierte Risikosteigerung stellen sich in diesem Fall nicht anders dar, als wenn sich die eigentliche Geschäftsleitung opportunistisch verhält. Die durch die Rechtsprechung vorgenommene Differenzierung kann als implizite Übertragung dieser Unterscheidung angesehen werden, wobei sie die Unterschiede in der Motivationslage der Akteure in weiterem Umfang berücksichtigt als im Rahmen der eigentlichen Insolvenzverschleppungshaftung, indem sie eine Vertretbarkeitskontrolle der konkret ergriffenen Maßnahmen etabliert. Ausgeschlossen werden zu Recht Fallgestaltungen, in denen Kreditgeber und Kreditnehmer aufgrund sorgfältiger Prüfung der Lage des Schuldners und besonders der Geschäftsaussichten davon überzeugt sein durften, dass das Sanierungsvorhaben Erfolg haben und damit mit einer Schädigung dritter Gläubiger vernünftigerweise nicht gerechnet werden musste.

1546

Im Ergebnis gleich Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 63. Vgl. auch Fleischer, AG 2004, 517 (526). 1548 Als Beispiel zur Illustration des tatsächlichen Einflusses von Banken kann die Entscheidung BGH, Hinweisbeschl. v. 23. 10. 2006 – II ZR 298/05, DStR 2007, 262 (262 f.) (Anm. Goette) dienen: die Bank erwirkte durch die Drohung, eine notwendige Kreditprolongation zu verweigern, die Abberufung eines Vorstandsmitglieds. 1549 Vgl. zur Frage einer faktischen Geschäftsführung aufgrund von Covenants Schackmann/Behling, FB 2004, 789 (796 ff.), die allerdings ausgeblendet lassen, dass Banken im Regelfall als juristische Personen organisiert sind. 1547

XI. Adressaten

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(4) Professionelle Berater Auch professionelle Berater sind grundsätzlich keine Adressaten der Insolvenzverschleppungshaftung1550. Idealtypisch steuern sie nur kaufmännischen, juristischen oder technischen Sachverstand bei1551, fällen aber nicht die gläubigergefährdenden Entscheidungen. Sie bereiten Entscheidungen vor, die dann jedoch durch die Geschäftsleiter getroffen werden. Auch profitieren sie regelmäßig nicht von den Vorteilen einer spekulativen Strategie. Ausreichend ist deshalb im Regelfall die Haftung der Person, die sich aufgrund des Ratschlages für eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger entschieden hat. Dennoch haften auch professionelle Berater ausnahmsweise den Gläubigern für Schäden aus Insolvenzverschleppung. Erfüllt ein Berater die allgemeinen Voraussetzungen faktischer Geschäftsführung, haftet auch er gemäß §§ 15a Abs. 1 InsO, 823 Abs. 2 BGB1552. Insbesondere professionelle Sanierer, die in der Krise aufgrund ihrer beruflichen Expertise die Leitung der Gesellschaft faktisch übernehmen, kommen hier als Adressaten in Betracht, wobei auch das umstrittene Kriterium der Außenwirkung keine unüberwindliche Hürde darstellen muss, weil Sanierungsberater regelmäßig auch Verhandlungen mit Banken und weiteren bedeutenden Gläubigern führen. Andererseits muss auch festgestellt werden, dass gerade Sanierungsexperten kaum jemals sehenden Auges eine Insolvenzverschleppung in Kauf nehmen werden. Die negativen Konsequenzen, die bis zu einem mehrjährigen Berufsverbot reichen können, wiegen schwer im Vergleich zu den geringen Chancen einer spekulativen Fortführung, die für externe Sanierer ohnehin dadurch eingeschränkt sind, dass ihre Existenz in viel geringerem Maße mit dem Schicksal der jeweiligen Schuldnerin verknüpft ist als im Falle der satzungsmäßigen Geschäftsleitung. Mehr Praxisrelevanz besitzt die Frage der Haftung der allgemeinen Berater. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte begleiten die Gesellschaft oftmals über lange Jahre und besitzen detaillierte Kenntnisse über ihre wirtschaftliche Situation1553. Da es hier in der Regel am Merkmal des Außenhandelns fehlen wird und zusätzlich standestypisch die Tendenz besteht, bestimmte Möglichkeiten nur aufzuzeigen, aber dezidiert die Entscheidungsgewalt der Gesellschaft zu überlassen, gewinnen hier die allgemeinen Regeln der Haftung wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung Bedeutung1554. So stellt es eine psychische Beihilfehandlung dar, wenn ein Rechtsanwalt trotz seiner Pflicht, seinen Mandanten über die Konkurs1550 Vgl. etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 63; ders., GmbHR 2011, 337 (344); Lange, DStR 2007, 954 (954). 1551 Fleischer, AG 2004, 517 (527); ders., GmbHR 2011, 337 (344). 1552 Vgl. etwa BGH, Beschl. v. 2. 9. 1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34 (35 f.); Redeker, Die Haftung wrongful trading im englischen Recht, S. 74 f.; Zugehör, NZI 2008, 652 (659). 1553 Vgl. Lange, DStR 2007, 954 (954); Ehlers, NZI 2008, 211 (212); Wagner/Zabel, NZI 2008, 660 (660 ff.). 1554 Vgl. hierzu Lange, DStR 2007, 954 (954 ff.).

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

antragspflicht zu informieren und hierzu anzuhalten, auftragsgemäß die Abwicklung der Geschäftstätigkeit übernimmt und damit die Gesellschaft auf Zeit aufrecht erhält1555. Schließlich kommt auch dann, wenn ein Geschäftsleiter – unvorsätzlich – den objektiv notwendigen Insolvenzantrag auf die Beratung eines Rechtsanwaltes, Steuerberaters oder Unternehmensberaters hin unterlässt, eine Haftung des Beraters in Betracht. Zwar lässt sich mangels Vorsatzes keine Haftung wegen Beihilfe konstruieren. Eine Einstandspflicht kann sich jedoch nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ergeben. Voraussetzung ist konkret, dass der Vertrag zwischen Beratendem und der Gesellschaft als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zu werten ist1556, dass also Dritte in den Schutzbereich des Vertrages der Gesellschaft mit einem Berater einbezogen sind1557. Dies wiederum setzt voraus, dass eine Person über besondere Sachkunde verfügt, auftragsgemäß ein Gutachten, Testat o. ä. abgibt, das erkennbar zum Gebrauch gegenüber Dritten bestimmt ist und deshalb nach dem Willen des Bestellers, beispielsweise des Mandanten eines Steuerberaters, mit entsprechender Beweiskraft ausgestattet sein soll1558. Überraschend restriktiv handhabt der BGH nicht nur eine eventuelle unmittelbare Haftung eines Beraters gegenüber Gläubigern, sondern auch die Haftung des Beraters gegenüber der Gesellschaft selbst, die im Insolvenzfall gleichfalls im Ergebnis den Gläubigern zu Gute kommen würde. So soll nach einer jüngeren Entscheidung des IX. Senats den Steuerberater einer GmbH im Rahmen seines steuerrechtlichen Dauermandats bei einem durch den Jahresabschluss ausgewiesenen, nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag keine Pflicht treffen, die Gesellschaft bzw. ihren Geschäftsführer darauf hinzuweisen, dass gegebenenfalls ein Überschuldungsstatus aufzustellen ist, um zu eruieren, ob die Gesellschaft nicht nur bilanziell, sondern auch rechtlich überschuldet ist1559. Die Entscheidung überzeugt weder im Ergebnis noch in der Begründung. Das Fehlen einer Hinweispflicht rechtfertigt sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs aus der doppelten Überlegung, dass einerseits Insolvenzantragspflicht und korrespondierend die Pflicht zur Anamnese einer Überschuldung 1555

BGH, Beschl. v. 2. 9. 1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34 (35 f.); vgl. zu weiteren denkbaren Beihilfehandlungen Lange, DStR 2007, 954 (955); zu den berufsrechtlichen Aufklärungspflichten Ehlers, NZI 2008, 211 (212); Zugehör, NZI 2008, 652 (653 ff.). Kritisch Römermann, GmbHR 2013, 513 (518 f.). 1556 Oder aber als echter Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB), was allerdings nur ausnahmsweise der Fall sein wird, etwa wenn eine Bank im Rahmen einer Sanierungsfinanzierung die Schuldnerin zur Einholung eines Sanierungs- oder Überschuldungsgutachtens verpflichtet. 1557 Vgl. Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 86; Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 282; Wagner/Zabel, NZI 2008, 660 (662 f.). 1558 Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 282 m.w.N.; Gehrlein, NZG 2014, 961 (963); Wagner/Zabel, NZI 2008, 652 (664 ff.); vgl. auch Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 174b. 1559 BGH, Urt. V. 7. 3. 2013 – IX 64/12, GmbHR 2013, 543 (544 ff.); BGH, Urt. v. 6. 6. 2013 – IX ZR 204/12, GmbHR 2013, 934 (935); Gehrlein, NZG 2013 961 (961 ff.).

XI. Adressaten

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originäre Aufgabe der Geschäftsleitung seien und andererseits einem Steuerberater ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht zugemutet werden könne, die komplexe Aufgabe der Prüfung des Vorliegens einer Überschuldung zu übernehmen1560. Schuldig bleibt die Argumentation des BGH dabei allerdings die Antwort auf die Frage, weshalb sich eine Hinweispflicht des Steuerberaters zu einer nicht gesondert vergüteten Verpflichtung zur Durchführung einer Überschuldungsprüfung verdichten soll. Richtigerweise wird man den Steuerberater als verpflichtet anzusehen haben, die Geschäftsleitung auf den Indizcharakter eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages hinzuweisen und gegebenenfalls kurz darüber aufzuklären, dass handelsbilanzielle und rechtliche Überschuldung nicht deckungsgleich sind. Die Konsequenzen dieser Entscheidung – also die Beauftragung der Erstellung einer Überschuldungsprüfung oder aber der Verzicht auf eine solche – ist hingegen durch die Geschäftsleitung bzw. die Gesellschaft zu verantworten. Auch rechtsökonomisch sprechen die besseren Argumente für eine Hinweispflicht: anders als ein Geschäftsleiter, der häufig nicht im Detail um das Verhältnis von § 268 Abs. 3 HGB und Insolvenzantragspflicht wissen wird, belastet es einen Steuerberater, vereidigten Buch- oder Wirtschaftsprüfer nicht ernsthaft, seinen Mandanten darauf hinzuweisen, dass ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag akuten Handlungsbedarf offenbart. Es würde also der cheapest cost avoider in die Verantwortung genommen. Auch Hinweise, hiermit würde der Gegenstand des Beratungsvertrages überdehnt1561, überzeugen nicht. Nicht anders als ein Röntgenarzt, der von seinem Patienten zur Verifizierung einer bestimmten Anamnese aufgesucht wird, hat auch ein Berater, der dem Interesse seines Mandanten verpflichtet ist, auf einen Zufallsfund, der für dessen Überleben von entscheidender Bedeutung sein kann, hinzuweisen. Vor diesem Hintergrund ist die abweichende Entscheidung des BGH nur mit der unseligen Tradition gesetzlicher und richterrechtlicher Privilegierung der sog. freien Berufe zu erklären. Anders beurteilt der BGH die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit eines Steuerberaters erst dann, wenn dem Steuerberater ausdrücklich ein Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife erteilt wird bzw. dieser zumindest unaufgefordert Aussagen über das Vorliegen einer rechtlichen Überschuldung tätigt1562. Verneint etwa ein Berater fälschlicherweise das Vorliegen einer Überschuldung im Rechtssinne, haftet er der Gesellschaft nach § 634 Nr. 4 BGB auf Schadensersatz, der grundsätzlich in der Vertiefung der Überschuldung in Folge unterbliebener Insolvenzantragstellung liegen soll und eventuell um ein der Gesellschaft nach § 31 BGB zuzurechnendes Mitverschulden gemindert sein kann1563.

1560

BGH, Urt. V. 7. 3. 2013 – IX 64/12, GmbHR 2013, 543 (544 ff.). So aber Römermann, GmbHR 2013, 513 (513 ff.). 1562 BGH, Urt. v. 6. 6. 2013 – IX ZR 204/12, GmbHR 2013, 934 (935). Kritisch gegenüber der impliziten Erweiterung des Mandatsvertrags Römermann/Praß, GmbHR 2013, 938 (938). 1563 BGH, Urt. v. 6. 6. 2013 – IX ZR 204/12, GmbHR 2013, 934 (936 f.) mit ablehnender Anmerkung Römermann/Praß. 1561

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Im Ergebnis wird man dennoch festhalten können, dass es angemessen ist, dass die Figur des faktischen Geschäftsführers im Beratungsgewerbe nur in pathologischen Ausnahmekonstellationen zur Anwendung gelangt. Aufgrund der Eigenart der zwischen Schuldnergesellschaft und Berater bestehenden Beziehung erscheint die Haftung für Beihilfe zur Insolvenzverschleppung als grundsätzlich korrekter Standort der Erfassung der Krisenverantwortlichkeit von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. Lücken bestehen nur dort, wo der Berater sein Wissen um die Insolvenz der Geschäftsleitung der Gesellschaft gegenüber nicht preisgibt. Dies sollte jedoch gleichfalls einen Ausnahmefall darstellen, weil auch der Berater sich mit seinen Honorarforderungen in der Insolvenz in der Rolle als einfacher Insolvenzgläubiger wiederfindet und deshalb kaum ein Interesse daran haben wird, dass die Gesellschaft ihren Betrieb ohne aktive Gegenmaßnahmen fortsetzt. Mit dem Rekurs auf das Institut des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ist es darüber hinaus möglich, etwaig verbleibende Haftungsfreiräume zu schließen. Andererseits darf der Einsatz dieses sehr stark an der allgemeinen zivilrechtlichen Dogmatik orientierten Instruments nicht dazu führen, eine zu umfängliche Haftung des beratenden Gewerbes zu begründen. (5) Konzernsachverhalte Insbesondere in Konzernlagen droht die Gefahr, dass die mit der Haftungsprivilegierung verbundenen Möglichkeiten einer Neujustierung von Chancen und Risiken in einer Weise erfolgt, dass allein das Konzerninteresse obsiegt und die Interessen der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft(en) unberücksichtigt bleiben. Die mit der Haftungsbeschränkung verbundenen Gefahren können im Konzern mit besonderer Heftigkeit auftreten. Strukturell „bietet es sich an“, besonders riskante Unternehmensgegenstände auf schwach kapitalisierte Gesellschaften auszugliedern und gleichzeitig weniger schwankungsanfällige Unternehmensgegenstände in stark kapitalisierten Gesellschaften zu bündeln1564. Spitze ist die Etablierung einer Konzernholding, die die Finanzmittel des Unternehmensverbundes akkumuliert und über jeweils nur mit dem gesetzlichen Mindestkapital ausgestattete Tochtergesellschaften als Betriebsgesellschaften verfügt. Diese Möglichkeit grundsätzlich erlaubter Vermögensverschiebung in einem Konzern bedingt, dass die Revision des Anreizsystems hier besonders ausgeprägt auftreten kann1565. Gleichzeitig ist der Konzern dadurch geprägt, dass wesentliche Unternehmerfunktionen nicht autonom von den Organen jeder Gesellschaft ausgeübt werden, sondern durch die Konzernleitung. Unmittelbarster Ausdruck dieser Entscheidungsstruktur ist die Leitungsmacht der Geschäftsleitung des herrschenden Unternehmens im Vertragskonzern (§ 308 Abs. 1 AktG). Die Möglichkeit zum Missbrauch ist evident. Als prominentes Beispiel

1564 Vgl. LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (20 ff.); Kuhlmann/Anis, Konzern- und Umwandlungsrecht, § 1 Rn. 5 f. 1565 Vgl. Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 2 f.

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hierfür mögen die Versuche stehen, durch Konzernrestrukturierungen Abfindungsansprüche von Beschäftigten zu umgehen1566. Das deutsche AktG kennt zur Lösung der mit Konzernlagen verbundenen Gefahren zum einen ein ausdifferenziertes Sonderrecht der Konzerne (§§ 291 ff.; 311 ff. AktG), das einerseits die Aufteilung von Wirtschaftsunternehmen in rechtlich selbständige Untereinheiten anerkennt, andererseits aber auch verschiedene, aus der Konzernverbindung resultierende Gefahren für außenstehende Gesellschafter und Gläubiger berücksichtigt und zu mildern sucht. Zum anderen bleibt der Rückgriff auf allgemeine gesellschaftsrechtliche Institute erlaubt. Das geschriebene Konzernrecht stellt kein abschließendes System dar, was insbesondere im Bereich des GmbHRechts gilt, wo eine eigenständige gesetzliche Regelung gänzlich fehlt. Konzernlagen bleiben nicht ohne Rückwirkung auf die Anreize von Gesellschaftern und Geschäftsleitung in der Krise der Gesellschaft. Während die bedeutenden unternehmerischen Entscheidungen – zu denen zweifellos die über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Tochtergesellschaft zählt – faktisch durch die Geschäftsleitung des herrschenden Unternehmens gefällt werden, trifft die Pflicht zum Insolvenzantrag zunächst nur die Geschäftsleitungsorgane der Tochter. Das Rechtsinstitut der faktischen Geschäftsführung erlangt vor dem Hintergrund dieses Auseinanderfallens von rechtlicher Antragspflicht und faktischer Entscheidungsmacht im Konzern besondere Bedeutung. Ist die Konzernmutter als faktische Geschäftsführerin erfasst, sind ihre Leitungsentscheidungen auch in der Krise der Tochter unbedenklich, da sie die rechtlichen Konsequenzen einer Insolvenzverschleppung in gleicher Weise in Rechnung stellen muss wie die unmittelbar als Organe verpflichteten Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft. Der Anwendung der Rechtsfigur der faktischen Geschäftsführung auf Konzernsituationen sind jedoch im deutschen Recht in mehrfacher Hinsicht Grenzen gesetzt. Zunächst wird der Anwendungsbereich der faktischen Geschäftsführung auf Konzernlagen aufgrund der fehlenden Möglichkeit der Erfassung juristischer Personen erheblich eingeschränkt1567. Schwierigkeiten bereitet daneben vor allem das von der Rechtsprechung aufgestellte Erfordernis eines Außenhandelns. Die Einflussnahme einer Konzernmutter wird regelmäßig über interne Einflusskanäle verlaufen. Die Fraglichkeit dieses Kriteriums stellt sich hier erneut mit besonderer Deutlichkeit. Weshalb die interne Einflussnahme legitim sein soll, ist nicht ersichtlich. Nutzt die Konzernmutter ihre rechtlich verfestigten (§ 308 AktG) oder faktischen Einflussrechte, um die Geschäftsleitung einer Tochtergesellschaft zu veranlassen, keinen Insolvenzantrag zu stellen, muss im Interesse der Verwirklichung des Zwecks der Insolvenzantragspflicht auch der Vorstand bzw. die Geschäftsführung der Konzernobergesellschaft zu den Adressaten gehören. Auch der Verweis darauf, dass eine Weisung, trotz materieller Insolvenzreife keinen Insolvenzantrag zu stellen, rechtswidrig ist, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Das Institut der faktischen Ge1566 1567

Vgl. Noakes, in: Ramsay, 129 (130 ff.). Vgl. Redeker, DZWiR 2005, 497 (499 f.).

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schäftsführung ist seiner Natur nach darauf angelegt, die rein formale Entscheidungsstruktur einer Kapitalgesellschaft auszublenden zu Gunsten der tatsächlich bestehenden und trägt damit richtigerweise dem Umstand Rechnung, dass rechtliche und faktische Entscheidungsbefugnis in der Praxis auseinanderlaufen können. Auch im Bereich der Insolvenzverschleppung gilt, dass der Geschäftsleiter eines abhängigen Unternehmens regelmäßig Weisungen der Obergesellschaft nur schwer wird widerstehen können1568. Kritischer noch wird die Konstellation dann, wenn ein Konzern über eine konzernweite Buchführung verfügt und dem Geschäftsleiter der insolvenzreifen Gesellschaft nur unzureichende Informationen gewährt werden. Hinzu kommt der beschriebene kompensatorische Effekt. Gerade bei Konzernen kann der Zugriff auf das Privatvermögen der Geschäftsleitung der Obergesellschaft nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sein, während der Zugriff auf das Vermögen der letztlich betriebswirtschaftlich verantwortlichen Muttergesellschaft regelmäßig eine weitergehende Befriedigung von Gläubigerschäden erwarten lässt. 3. Wrongful Trading a) Directors als Adressaten Die Pflicht, Gläubigerinteressen zu wahren, trifft die Direktoren der Gesellschaft, die in dem Zeitraum amtierten, in dem die insolvenzbedingte Liquidation bereits absehbar war1569. Sec. 250 CA 2006 bestimmt, dass director jede Person ist, die dieses Amt ausübt, unabhängig von ihrer Bezeichnung1570. Englische Gerichte haben in Ergänzung dieser gesetzlichen Regelung den grundsätzlichen funktionellen Adressatenkreis des wrongful trading dahingehend konkretisiert, dass „liability for wrongful trading is imposed by the Act on those persons who are responsible for it, that is to say, who were in a position to prevent damage to creditors by taking proper steps to protect their interests“1571. Diese allgemeine Umschreibung des Adressatenkreises deckt sich im Prinzip mit der hier geforderten Orientierung an der tatsächlichen Leitung der Gesellschaft, wonach faktische Geschäftsleitung wesentlicher ist als die rein formale. Zur Identifizierung dieses Täterkreises im Einzelfall unterscheidet das englische Recht typologisierend zwischen de iure, de facto und shadow directors1572. 1568

Ähnlich Redeker, DZWiR 2005, 497 (500). Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (188); Odiath [1990] LMCLQ 206 (212). 1570 Sec. 250 CA 2006: „In the Companies Act „director“ includes any person occupying the position of director, by whatever name called“.Vgl. auch Lawlor, ZIP 2007, 2202 (2203); Steffek, GmbHR 2007, 810 (811). 1571 Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC, 180 (182); vgl. auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (188 f.). 1572 Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC, 180 (182); Secretary of State v. Ken Hall, John Andrew Henry Nuttal [2006] EWHC 1995 (= 2006 WL 2049713) para. 22; vgl. auch Fleischer, AG 2004, 517 (519); Vorpeil, RIW 2007, 443 (443); Heinz, Die englische Limited, S. 44; Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 123; den gleichen 1569

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b) De iure directors Wie auch im deutschen Recht unproblematisch ist die Erfassung der de iure directors, d. h. der Personen, „who have been validly appointed to the office“1573. Die Einnahme einer bloß formalen Direktorenstellung entlastet nicht von den durch sec. 214 IA statuierten Krisenpflichten, ein haftungsfreies Frühstücksdirektorat (sleeping director) wird nicht anerkannt1574. Da das englische Kapitalgesellschaftsrecht nur den board als für die Gesellschaft Handelnden kennt1575, fallen hierunter sowohl die Geschäftsleitungsfunktionen ausübenden executive directors als auch die allein die eigentlichen Geschäftsleiter überwachenden non executive directors1576. Anders als im deutschen Recht kommen sowohl natürliche als auch juristische Personen als satzungsmäßige Direktoren in Betracht1577, wobei allerdings der Companies Act 2006 nunmehr verlangt, dass zumindest ein Direktor eine natürliche Person ist (sec. 155 CA 2006). c) De facto und shadow directors aa) De facto directors Adressaten sind daneben de facto und shadow directors1578. Beiden Gruppen gemeinsam ist, dass es sich jeweils um nicht wirksam zu Direktoren bestellte PerAdressatenkreis besitzt das australische Pendant des insolvent trading, vgl. Coburn, in: Ramsay, 73 (92 ff.). 1573 Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC, 180 (182); vgl. auch Griffin, Insolvency Lawyer 2003, 127 (127). 1574 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd. [1999] B.C.C. 26 (55); Dignam/Lowry, Company Law, 17.71 = S. 484; Morse, Charlesworth’s Company Law, S. 318; Simmons, Insolvency Intelligence 2001, 14 (2), 12 (13); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 113 f.; Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 359. 1575 Vgl. Shearman, Die Private Limited Company, S. 66. 1576 Oesterle, in: Ramsay, 19 (29); Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 197; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (188 f.); Hopt/Leyens, Board Models in Europe, S. 10 ff.; häufig ist dies bei der plc vgl. Ringe/Otte, in: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, S. 261 f. 1577 Vgl. Prentice, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in England, 93 (97); Shearman, Die Private Limited Company, S. 64; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (190); Heinz, Die englische Limited, S. 41; Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 28; die Abschaffung der Möglichkeit, juristische Personen als Direktoren zu bestellen, ist während der Company Law Reform – im Rahmen des Weißbuchs Company Law Reform – erwogen, im Ergebnis aber verworfen worden. Vgl. etwa Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgsellschaft, S. 390. Jüngere Erhebungen zählen etwa 64.000 solcher Corporate Directors, vgl. Goddard, Comp. Law. 2007, 281 (281). 1578 Allgemeine Meinung, auch für den nicht gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten de facto director, vgl. nur Dignam/Lowry, Company Law, 17.70 = S. 482 f.; Mayson, French & Ryan on Company Law, Rn. 20.12.1 = S. 710.

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sonen handelt, die aber einen diesen vergleichbaren Einfluss in der Gesellschaft ausüben1579. Die Figur des de facto directors ist gesetzlich nicht geregelt, „Fingerzeige“ (Fleischer) finden sich allerdings im Companies Act 1985/Companies Act 20061580. Traditionell werden hierunter die Personen erfasst, die ohne wirksam in das Amt eines Direktors der Gesellschaft berufen worden zu sein, nach außen als solche auftreten1581 bzw. als Direktoren handeln1582. Weitere Präzisierungen der Begrifflichkeit sind durch die Rechtsprechung erfolgt. Nach einer bekannten Definition Millet Js sind de facto directors „directors who assume to act as directors without having been appointed validly or at all“1583. Wann ein Handeln als director i.d.S. anzunehmen ist, bestimmt die Spruchpraxis nicht anhand eines Einzelkriteriums, sondern einer Vielzahl von Faktoren1584, die in der Zusammenschau Antwort auf die Frage erlauben, ob die betreffende Person Teil der Geschäftsleitungsstruktur der Gesellschaft gewesen ist (was this individual part of the corporate governing structure?)1585. Verlangt wird zunächst, dass die betreffende Person mindestens berechtigt gewesen sein muss, an kollektiven Entscheidungen der Gesellschaft 1579 Vgl. In Re Kaytech International Plc. [1999] B.C.C. 390 (402); Griffin, CFILR 2000, 126 (126); ders. (2003), Insolvency Lawyer, 127 (127); Haas, NZI 2006, 494 (496); ders., Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 45; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (189). 1580 In sec. 285 CA 1985 (= sec. 161 CA 2006), der die Wirksamkeit der Handlungen unwirksam bestellter Organe regelt (validity of acts of directors) und in sec. 741 (1) CA 1985 (= sec. 250 CA 2006), wonach director einer Gesellschaft ohne Rücksicht auf ihre konkrete Bezeichnung jede Person ist, die die Stellung eines directors einnimmt, vgl. Fleischer, AG 2004, 517 (519 f.). 1581 Fleischer, AG 2004, 517 (519); Haas, NZI 2006, 494 (496); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (189); so wohl auch Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (250): „[…] die zwar nicht wie ein faktischer Geschäftsleiter (de facto director) nach außen in Erscheinung treten […]“. Vgl. auch Vorpeil, RIW 2007, 443 (443); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 28. 1582 Vgl. etwa Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 391 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Vgl. auch Groves/Bailey, Corporate Insolvency, 17.4: „[…] a person not actually appointed as director who nevertheless acts as a director“. 1583 Re Hydrodam (Corby) Ltd., [1994] 2 BCLC 180 (182); dem folgend Re Richborough Furniture Ltd. [1996] 1 BCLC 507 (524) und jetzt auch der Supreme Court In re Paycheck Services 3 Ltd. and others [2010] 1 WLR 2793 (2827); Noonan/Watson, JBL 2006, 763 (766); vgl. auch Ramsay, in: Ramsay, 1 (2) für den vergleichbaren australischen Tatbestand des insolvent trading. 1584 Re Kaytech International Plc [1999] B.C.C. 390 (401 f.); Secretary of State for Trade and Industry v. Hollier [2006] B.C.C., 11 (25); Goddard, Comp. Law. 2010, 281 (282): „[…] the leading authoritiy in this area, the Court of Appeal’s decision in Re Kaytech International Plc suggests that no single test is decisive“. 1585 Secretary of State for and Industry v Tjolle and others [1998] 1 BCLC, 333 (344); Re Kaytech International Plc [1999] B.C.C. 390 (401 f.); The Secretary of State for Trade and Industry v. Ken Hall, John Andrew Henry Nuttall [2006] EWHC 1995 (1995 ff.); vgl. auch Griffin, Insolvency Intelligence 2003, 127 (127 ff.). Secretary of State for Trade and Industry v. Hollier [2006] B.C.C., 11 (25).

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teilzunehmen1586. Weitere Indizien, die den Rückschluss auf das Vorliegen eines de facto-Direktorats erlauben, sind u. a., ob die Gesellschaft die entsprechende Person dem Rechtsverkehr als Direktor – etwa als Verhandlungspartner der Gläubiger – präsentiert hat1587, ob die Person den Titel Direktor selbst verwandt hat1588, ob sie einen hinreichenden Zugang zu unternehmensinternen Informationsquellen, inbesondere den Management Accounts, besessen hat und ob schließlich in einer einem de iure director vergleichbaren Weise Entscheidungen gefällt wurden1589. Die einzelnen Beweisanzeichen müssen nicht kumulativ erfüllt werden1590, was nach jüngerer Rechtsprechung selbst für den von der deutschen Spruchpraxis als zentral erkannten Umstand gilt, ob die Gesellschaft die betreffende Person dem Rechtsverkehr als Direktor präsentiert hat (is held out as a director of the company)1591. Notwendige Voraussetzung einer Haftung soll aber zumindest die tatsächliche Möglichkeit echter Einflussnahme (real influence) sein1592 bzw. dass die betreffende Person Aufgaben wahrgenommen hat, die der obersten Geschäftsleitungsebene vorbehalten sind1593. Ein de facto director muss entweder die Geschäftsleitung allein bestimmen oder im Falle eines mehrköpfigen Führungsgremiums den Mitgliedern des boards mindestens gleichgestellt sein (on equal footing)1594. Nach überzeugender 1586 Secretary of State for Trade and Industry v. Hollier [2007] B.C.C. 11 (25); Secretary of State for Trade and Industry v Elms (unreported), hier zitiert nach Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle and others [1998] 1 BCLC, 333 (343). 1587 Secretary of State for Trade and Industry v Elms (unreported), hier zitiert nach Secretary of State for and Industry v Tjolle and others [1998] 1 BCLC, 333 (344): „[…] has the company held X out to be a director, ie allowed X to be cloaked with the indicia of directorship […]“; Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle and others [1998] 1 BCLC, 333 (343 f.). 1588 Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle and others [1998] 1 BCLC, 333 (344). 1589 Vgl. Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC 180 (183); Re Richborough Furniture Ltd. [1996] 1 BCLC 507 (524 ff.); Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle and others [1998] 1 BCLC, 333 (344); Secretary of State for Trade and Industry v Elms (unreported), hier zitiert nach Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle and others [1998] 1 BCLC, 333 (343). 1590 Re Richborough Furniture Ltd. [1996] 1 BCLC, 507 (524 ff.); The Secretary of State for Trade and Industry v. Ken Hall, John Andrew Henry Nuttal [2006] EWHC, 1995 (1995 ff.). Vgl. Griffin, (2003), Insolvency Lawyer, 127 (129); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (192 f.); Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 396. 1591 Secretary of State for Trade and Industry v. Hollier [2006] B.C.C. 11 (23 f.); Goddard, Comp. Law. 2010, 281 (282); Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S 396 f., gleichzeitig allerdings mit dem Hinweis auf die nach wie vor erhebliche Bedeutung des Außenhandelns in der Gerichtspraxis. Anders noch für die vorausgegangene Rechtsprechung Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 147, aus der früheren Rechtsprechung insbesondere Millet J in Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC 180 (183): „He [the de facto director, AdV] is held out as a director by the company […]“. 1592 Secretary of State for Trade and Industry v. Ken Hall, John Andrew Henry Nuttall [2006] EWHC 1995 (1995 ff.). Vgl. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (192 f.); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 45 f. 1593 Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC 180 (183). 1594 Re Richborough Furniture Ltd. [1991] 1 BCLC 507 (524); Secretary of State for Trade and Industry v. Hollier [2006] B.C.C. 11 (24); Secretary of State for Trade and Industry v Elms

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Ansicht der Rechtsprechung wird damit weder verlangt, dass sich der Einfluss auf sämtliche Geschäftsbereiche der Gesellschaft erstreckt1595 noch, dass der de facto director im Tagesgeschäft Kontrolle über die Angelegenheiten der Gesellschaft hat1596 ; ausreichend ist die Teilhabe an der Entscheidungsfindung der Gesellschaft1597: Ein Typenvergleich mit Aufgabenspektrum und Kompetenzen eines satzungsmäßigen Geschäftsleiters, der letztendlich die innnere Legimation der haftungsrechtlichen Verantwortung des de facto diretors bildet, bestätigt, dass Direktoren in mehrköpfigen Leitungsgremien typischerweise weder eine sachliche Allzuständigkeit trifft, vielmehr in der Praxis das Ressortprinzip dominiert, noch zwingend im Tagesgeschäft aktiv sind, erschöpft sich doch die Aufgabe des dispositiven Faktors nicht in der exekutorischen Abarbeitung täglicher Routinen, sondern gerade in den herausgehobenen Entscheidungen auf operativer und strategischer Ebene. Schließlich verlangt die Spruchpraxis auf der Zeitachse, dass sich das Wirken des potenziellen de facto directors nicht in einem einmaligen In-Erscheinung-Treten für die Gesellschaft erschöpft; dementsprechend ist die einmalige Zeichnung für die Gesellschaft als unbedenklich qualifiziert worden1598. Dem wird man allerdings allenfalls insoweit folgen können, als ein einmaliges Auftreten starkes Kontraindiz echten Einflusses ist. Denkbar bleiben daneben aber Fallgestaltungen, in denen einzelne Schicksalsentscheidungen von zentraler Bedeutung für Gesellschaft, Gesellschafter und Gläubiger sind (Unternehmensverkauf etc.); wird diese Entscheidung maßgeblich durch einen außenstehenden Dritten getroffen, sollte dieser für die eventuellen Konsequenzen seines Handelns einzustehen haben. In der Gesamtschau wird man festzuhalten haben, dass sich die Fallgruppe des de facto directors weitgehend mit der des faktischen Organs des deutschen Rechts deckt1599. Der nicht wirksam bestellte Direktor entspricht der in Deutschland gemeinhin als unproblematisch angesehenen Konstellation eines bestellten, aber unwirksam bestellten Geschäftsführers. Der überhaupt nicht bestellte Geschäftsleiter, der aber wie ein solcher auftritt, ist vergleichbar dem von Rechtsprechung und Teilen der Literatur anerkannten faktischen Geschäftsführer, der überhaupt nicht bestellt wurde. Nicht anders als im deutschen Recht dient die Figur der Verhinderung von

(unreported), hier zitiert nach Secretary of State for and Industry v Tjolle and others [1998] 1 BCLC, 333 (344). 1595 Secretary of State for Trade and Industry v. Hollier [2007] B.C.C. 11 (25). 1596 Secretary of State for Trade and Industry v. Hollier [2007] B.C.C. 11 (25); vgl. Vorpeil, RIW 2007, 443 (443). 1597 Secretary for Trade and Industry v. Hollier (2007] B.C.C. 11 (24 f.); vgl. Vorpeil, RIW 2007, 443 (443); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 35. 1598 Secretary for Trade and Industry v Laing and others [1996] 2 BCLC 324 (346). 1599 So auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (189); Möser, Gläubigerschutz durch Berufsverbote für Geschäftsleiter, S. 42; Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 397.

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Umgehungsstrategien1600. Markantester Unterschied ist, dass das englische Recht vom Erfordernis eines Außenhandelns abzusehen bereit ist. bb) Shadow directors Mit der zusätzlichen Erfassung der in sec. 214 (7) IA ausdrücklich zu Adressaten des Verbots des wrongful trading erhobenen sogenannten Schattendirektoren geht das englische Recht über die maßgeblich durch die Rechtsprechung geprägte aktuelle Rechtslage in Deutschland hinaus1601. Einen ersten Anhaltspunkt dafür, wer als Schattendirektor in diesem Sinne anzusehen ist, bietet die Legaldefinition in sec. 251 IA, wonach „shadow director, in relation to a company, means a person in accordance with whose directions or instructions the directors of the company are accustomed to act (but so that a person is not deemed a shadow director by reason only that the directors act on advice given by him in a professional capacity)“1602. Die Gerichte haben diese rudimentäre Legaldefinition weiter präzisiert, einerseits bezüglich der konkreten tatbestandlichen Voraussetzungen und andererseits bezüglich der Abgrenzung zur Rechtsfigur des de facto directors. Frühe Entscheidungen haben als Voraussetzung eines shadow directorship einerseits ein Agieren aus dem Hintergrund sowie andererseits eine dominierende Position im Innenverhältnis verlangt1603. Die eigentliche Geschäftsleitung musste als bloße Marionette des shadow directors erscheinen1604, was angenommen wurde, wenn die satzungsmäßige Geschäftsleitung keinerlei eigenes Ermessen auszuüben berechtigt ist, sondern nur als Weisungsempfängerin agiert1605. Diese Rechtsprechung, die erkennbar von der Überlegung getragen erscheint, dass ein Weniger im Außenverhältnis durch ein Mehr im Innenverhältnis ausgeglichen werden muss, führte in der Rechtspraxis zu dem Ergebnis, dass eine Haftung als shadow director 1600 Re Richborough Furniture Ltd. [1996] 1 BCLC 507 (524); Re Lo-Line Electric Motors Ltd. [1988] B.C.C., 415 (422); vgl. Wood, Principles of International Insolvency, S. 589; siehe auch Möser, Gläubigerschutz durch Berufsverbote für Geschäftsleiter, S. 40 f. 1601 Sec. 214 (7) IA: „In this section director includes shadow director“. Vgl. Habersack/ Verse, ZHR 168 (2004), 174 (189). Demgegenüber sollen – nach zumindest inhaltlich wenig überzeugender – Ansicht des Supreme Court shadow directors mangels ausdrücklicher Anordnung nach dem Vorbild von sec. 214 (7) IA keine Adressaten von sec. 212 IA (misfeasance) sein, vgl. In re Paycheck Services 3 Ltd. and others [2010] 1 WLR 2793 (2804). 1602 Sec. 251 IA 1986 wortgleich mit sec. 741 (2) CA 1985 und sec. 22 (5) CDDA. 1603 Stilprägend insoweit Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC 180 (183 f.): „He lurks in the shadow, sheltering behind others, who he claims, are the only directors of the company to exclusion of himself“; vgl. Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 401. 1604 Re Unisoft Group Ltd. (No. 3) [1994] 1 BCLC 609 (620): „shadow director must be, in effect, the puppet-master controlling the actions of the board. The directors must be (to use a different phrase) ,the cat’s paw‘ of the shadow director“. 1605 Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC 180 (183): „secondly a pattern of behavior in which the board did not exercise any discretion or judgment of its own, but acted in accordance with the directions of others“. Vgl. auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (190); Möser, Gläubigerschutz durch Berufsverbote für Geschäftsleiter, S. 42 f.

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nur in Ausnahmefällen bejaht wurde1606. Mit der Grundsatzentscheidung Secretary of State for Trade and Industry v. Deverell sind sowohl das Erfordernis einer Beschränkung auf das Innenverhältnis als auch die Anforderungen an die Intensität der Einflussnahme deutlich relativiert worden: verlangt wird weder eine notwendig auf das Innenverhältnis beschränkte und vor den betroffenen Verkehrskreisen verheimlichte Einflussnahme noch ein umfassendes puppet mastership, es genügt – nicht anders als im Fall des de facto directors – die Ausübungen echten Einflusses (real influence)1607. Wesentliches Kennzeichen eines Schattendirektors ist damit, dass er den board in seinem Sinne lenken kann oder aber Entscheidungen auch gegen den (Mehrheits-)willen des board durchzusetzen vermag1608. Bezüglich des erforderlichen Umfangs der Tätigkeit, die entwickelt werden muss, um als shadow director qualifiziert zu werden, gibt zunächst das Gesetz in der Legaldefinition des Schattendirektors erste Auskunft. Die satzungsmäßige Geschäftsleitung muss gewohnt sein (accustomed to act), entsprechend den Anweisungen des Hintermannes zu handeln. Hieran schließt sich nicht anders als im deutschen Recht die Frage an, inwieweit die Geschäfte der Gesellschaft der Leitung durch den eigentlichen board entzogen sein müssen. Die englischen Gerichte gehen davon aus, dass es nicht erforderlich ist, dass ein Schattendirektor die gesamte oder zumindest die Mehrheit der maßgeblichen Entscheidungen getroffen haben muss. So führt Morritt LJ in Secretary of State for Trade and Industry v. Deverell aus, dass die durch diese gegebenen „directions and instructions do not have to extend over all or most of the corporate activities of the company“1609. Diese Sichtweise wird bestätigt in Secretary of State for Trade and Industry v. Becker1610. Auf der anderen Seite soll es nicht genügen, wenn ein Nichtgeschäftsleiter eine aktive Rolle bei nur einem Ereignis am Ende der Gesellschaft wahrnimmt1611. Verlangt wird eine übliche Praxis, nach der die Direktoren den Instruktionen des Schattendirektors zu folgen gewohnt sind1612. 1606

Vgl. Bhattacharyya, Comp. Law. 1995 (16 (10), 313 (313); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (190 f.). 1607 Secretary of State for Trade and Industry v. Deverell, CA [2001], Ch. 340 (354 f.). Vgl. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (191); Redeker, DZWiR 2005, 497 (502). 1608 Vgl. Noonan/Watson, JBL 2006, 763 (770); ähnlich Griffin CILR 2000, 126 (126): „[…] exerts a dominant and controlling influence over the company’s board“. 1609 Secretary of State for Trade v. Deverell, (CA) [2001] Ch. 340 (354 f.); vgl. Griffin, Insolvency Intelligence 2003, 127 (127 ff.); vgl. auch Vorpeil, RIW 2007, 443 (443); Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (556). 1610 Secretary of State for Trade and Industry v Becker [2002] EWHC 2200 (Ch D) (2200 ff.). 1611 Re Unisoft Group Ltd. (No. 2) [1994] B.C.C. 766 (775). Vgl. Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 46; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (191 f.); Hicks, Comp. Law 1993, 14 (3), 55 (58 f.); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 35; Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 130. 1612 Re Unisoft Group Ltd. (No.2) [1994] B.C.C. 766 (775): „They must be people who act on the directions or instructions of the shadow director as a matter of regular practice. […] That

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Indem die Haftung wegen wrongful trading nicht voraussetzt, dass ein Schattendirektor die Geschäftsleitung insgesamt an sich zieht, ermöglicht sie es, zielgenauer opportunistischem Verhalten entgegenzusteuern, das nicht daran geknüpft ist, dass die betreffende Person kontinuierlich und in vollem Umfang die Geschicke der Gesellschaft bestimmt. Auch eine zeitlich oder gegenständlich begrenzte Einflussnahme vermag die Befriedigungschancen der Gläubiger unangemessen zu verschlechtern. Fragwürdig ist vor diesem Hintergrund die Ansicht der Rechtsprechung, dass die wesentliche Beteiligung an einer Einzelmaßnahme zur Bejahung der Eigenschaft als Schattendirektor nicht genügen können soll. Zwar findet sich hierfür ein Rückhalt im Gesetzeswortlaut, der von accustomed to act spricht, jedoch erscheinen Konstellationen denkbar, in denen gerade auch eine Einzelentscheidung maßgeblichen Anteil an der Gefährdung der Gläubigerinteressen besitzt1613. cc) Verhältnis von de facto und shadow directorship Die englische Spruchpraxis verwendet nicht unerheblichen Aufwand auf die Frage der richtigen Abgrenzung zwischen de facto und shadow directors. Die Entscheidung Re Hydrodam Corby geht in diesem Zusammenhang von einem strikten Alternativenverhältnis zwischen de facto und shadow director aus: „A shadow director, by contrast, does not claim or purport to act as a director. On the contrary, he claims not to be a director. He lurks in the shadow, sheltering behind others, who he claims, are the only directors of the company to exclusion of himself“1614. Ausgehend vom Wortverständnis hat das Gericht damit dem Handeln im Hintergrund entscheidende Bedeutung beigemessen. Auf gleicher Ebene liegen Entscheidungen, die den Schattendirektor umschreiben als „puppet master controlling the actions of the board“1615, während sich die eigentlichen Direktoren als „the „cat’s paw“ of the shadow director“ darstellen müssen1616, denn auch der Puppenspieler lenkt seine Marionetten aus dem Verborgenen. Das Schattendirektorat ist hiernach gekennzeichnet durch die Innehabung der nach außen nicht in Erscheinung tretenden Entscheidungsgewalt. Maßgeblich ist nicht die Okkupation einer bestimmten rechtlich vorgeprägten Funktion, sondern die Ausübung faktischer Leitungsmacht. Anders als nach deutschem Recht wird es damit möglich, immer die Person zu erfassen, die tatsächlich die Entscheidung für eine Spekulation auf Kosten der Gläumust refer to acts not on one individual occasion but over a period of time and as regular course of conduct“. 1613 Kritisch auch Griffin, Insolvency Lawyer 2003, 127 (127 ff.). 1614 Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC 180 (183 f.); dem folgend Secretary for Trade and Industry v Laing and others [1996] 2 BCLC 324 (347): „[…] without distinguishing whether at any material time he is alleging that they were acting as de facto or shadow directors, is embarrassing“. Sympathisierend Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.5: „It appears that a person cannot be both a de facto and and a shadow director at the same […]“; vgl. auch Bhattacharyya, Comp. Law. 15 (5), 151 (151). 1615 In Re Unisoft Group Ltd. (No.3) [1994] B.C.C. 766 (775). 1616 In Re Unisoft Group Ltd. (No.3) [1994] B.C.C. 766 (775).

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biger getroffen hat – und zwar auch dann, wenn sie nicht nach außen in Erscheinung getreten ist1617. Nach diesem Verständnis eines strikten Alternativverhältnisses ist ein de facto director eine Person, die vergleichbar einem satzungsmäßigen Geschäftsleiter im Geschäftsverkehr aufgetreten ist, während das shadow directorship quasi als Auffangtatbestand faktische Leitungsmacht erfasst, die nicht nach außen in Erscheinung getreten ist. Das englische Recht kennt damit neben einer Haftung kraft (scheinbaren) Amtes auch eine Haftung aus reiner Verantwortlichkeit. Diese strikte Trennung zwischen de facto und shadow director wird jedoch in der Rechtsprechung nicht vollständig durchgehalten. So betont Morritt LJ in Secretary of State for Trade and Industry v. Deverell die Ähnlichkeiten der beiden Rechtsfiguren und erkennt Überschneidungen: „[…] in my view it is not necessary to the recognition of a shadow director that he should lurk in the shadows, though frequently he may, for example, in the case of a person resident abroad who owns all the shares in a company but chooses to operate through a local board of directors. From time to time the owner, to the knowledge of all to whom it may be of concern gives directions to the local board what to do but takes no part in the management of the company himself. In my view such an owner may be a shadow director notwithstanding that he takes no steps to hide the part he plays in the affairs of the company. Lurking in the shadows may occur but is not an essential ingredient to the recognition of the shadow director“1618. Hiernach existiert kein striktes Alternativenverhältnis zwischen de facto und shadow director, vielmehr verlaufen die Grenzen zwischen beiden Rechtsfiguren fließend, Überschneidungen sind möglich1619. Wie dargestellt, ist selbst fehlendes Auftreten nach außen kein notwendiges Kriterium eines Schattendirektorats1620. Dies korrespondiert mit der dargestellten jüngeren Rechtsprechung, die ein Handeln nach außen nicht als konstitutives Tatbestandsmerkmal eines de facto directorships verlangt. 1617

Vgl. Redeker, DZWiR 2005, 497 (502); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 45; Möser, Gläubigerschutz durch Berufsverbote für Geschäftsleiter, S. 44. 1618 Secretary of State for Trade and Industry v. Deverell, CA [2001], Ch. 340 (354 f.); vorsichtiger als Millet J auch schon Walker LJ in In Re International Plc [1999] B.C.C., 390 (402): „I readily agree that that is so in most cases […] However the two concepts do have at least this much in common, that an individual who was not a de jure director is alleged to have exercised real influence […] in the corporate governance of a company. Sometimes that influence may be concealed and sometimes it may be open. Sometimes it may be something of a mixture, as the facts of the present case show“. Vgl. auch Bachner, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 526 (556); Kritisch zu Deverell Noonan/Watson, JBL 2006, 763 (773 ff.). 1619 Vgl. Griffin, Insolvency Lawyer 2003, 127 (127 ff.); aus dem früheren Schrifttum schon Prentice, Corporate Personality, 90 (114). Vgl. demgegenüber noch Millet J in Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC 180 (182): „[…] in my judgment an allegation that a defendant acted as a de facto or shadow director, without distinguishing between the two, is embarrassing“. 1620 Wenn auch für die strikte Trennung die Bezeichnung als shadow director spricht, vgl. Griffin, (2003), Insolvency Lawyer, 127 (129).

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Eine erneute Korrektur des Verhältnisses von shadow director und de facto director hat die Chancery Division des England and Wales High Court mit Urteil vom 17. 7. 2006 vollzogen1621. Das Gericht greift hierin die ältere Ansicht auf, wonach niemand gleichzeitig shadow director und de facto director sein könne, ergänzt um die Feststellung, dass die Abgrenzung im Einzelfall kritisch sein kann: „De facto directorships and shadow directorships are alternatives, although there may be cases, particularly where the defendant’s influence in the corporate governance was partly concealed and partly open, where it may not be entirely straightforward which of the two descriptions is most apposite“1622. Ob mit dieser Entscheidung allerdings das letzte Wort in der Abgrenzungsfrage gesprochen ist, wird man angesichts der bisher oszillierenden Rechtsprechung mit guten Gründen bezweifeln dürfen. Als Ergebnis wird man immerhin festhalten können, dass eine Person dann, wenn sie sich wie ein Mitglied des boards geriert, sie in gleicher Weise zum Adressaten von sec. 214 IA als de facto director erklärt wird, während dann, wenn lediglich Einfluss genommen wird, ohne dass die entscheidende Person hierbei wie ein Direktor im klassischen Sinne agiert, ein Schattendirektorat im Raum steht. Unterschiedliche inhaltliche Anforderungen sind hiermit nach dem strikt differenzierenden Verständnis insoweit verbunden, als ein de facto director bereits dann in die Pflichten nach sec. 214 IA einrückt, wenn er den gewöhnlichen Direktoren vergleichbaren Einfluss besitzt (on equal footing), während ein shadow director den board dominieren muss1623. Inhaltlich sollten die mit diesen Rechtsprechungsschwankungen verbundenen Effekte für die vorliegende Frage1624 jedoch nicht überschätzt werden. Über die Figur des shadow director bleibt es nach wie vor möglich, Personen zu erfassen, die sich auf die gesellschaftsinterne Einflussnahme beschränken und im Außenverhältnis nicht wie Organe der Gesellschaft auftreten1625. Hierin liegt der maßgebliche Unterschied im Vergleich zum Adressatenkreis der durch den II. Senat des Bundesgerichtshofs geprägten Insolvenzverschleppungshaftung des faktischen Organs1626. Zurechnungstatbestand ist die Vornahme einer bestimmten bzw. be1621

Secretary of State for Trade and Industry v. Hollier [2007] B.C.C. 11 (11 ff.). Secretary of State for Trade and Industry v. Hollier [2007] B.C.C. 11 (27). 1623 Vgl. Noonan/Watson, JBL 2006, 763 (773). 1624 Zu Implikationen einer strikten Trennung im Allgemeinen vgl. Noonan/Watson, JBL 2006, 763 (763 ff.). 1625 Vgl. etwa Floyd J in Re Instant Access Properties Ltd – Secretary of State for Business, Innovation and Skills v Gifford and others [2012] 1 BCLC 710 (711), der im Rahmen eines Antrags des Secretary of State, trotz Ablauf der Zweijahresfrist gem. Sec. 7 (2) CDDA ein Disqualifizierungsverfahren einzuleiten, auf einen Hinweis des Rechtsanwalts der Beklagten, dass die Differenzierung zwischen de facto und shadow director nach Millett J von zentraler Bedeutung sei, bemerkt: „I do not regard the points taken about whether these defendants were shadow or de facto directors as going to the root of the case advanced against them at this stage. The evidence adequately addresses the conduct of which complaint is made and the involvement of these individuals in it“. 1626 Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (250 f.); Redeker, DZWiR 2005, 497 (502); Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 20. 1622

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stimmter gläubigergefährdender Maßnahmen durch die Ausübung faktischer Leitungsmacht1627. Eine Entscheidung kann damit haftungsrechtlich dem eigentlichen Entscheidungsträger zugeordnet werden. Durch diese unmittelbare Adressierung des faktisch Verantwortlichen ist die Regelung zielgenauer als die faktische Organschaft des deutschen Rechts und genügt damit dem Gebot, die Person zum Adressaten einer Haftungsregel zu machen, die tatsächlich die Entscheidung über das rechtlich missbilligte Verhalten trifft. Der prinzipiell weite Anwendungsbereich des gesetzlichen Schattendirektorats ist auch mit Blick auf die Disziplinierungswirkung des Marktes für Führungskräfte positiv zu beurteilen. Indem auch der nicht wirksam oder überhaupt nicht bestellte Entscheider erfasst wird, droht auch ihm grundsätzlich eine Verurteilung wegen wrongful tradings, die der Markt wiederum als Indikator für die fehlende Zuverlässigkeit der betroffenen Person verwenden kann. dd) Fallgruppen Kritische Konstellationen, die eine Fallgruppenbildung bezüglich des Anwendungsbereiches des De-Facto- oder Schattendirektorats nahelegen, sind wiederum Banken und andere institutionelle Finanzkreditgeber, Muttergesellschaften bzw. Mehrheitsgesellschafter sowie (Sanierungs-)Berater1628. (1) Gesellschafter Nicht anders als im deutschen Recht erweist sich auch im englischen Recht die Behandlung der Gesellschafter einer private company als schwierig. Verfügt ein Gesellschafter bzw. eine Gruppe von Gesellschaftern über dominierenden Einfluss in der Gesellschafterversammlung, nimmt aber nicht gleichzeitig die formale Stellung eines Direktors ein, kommt eine Haftung als de facto oder shadow director in Betracht1629. Nicht ausreichend ist die bloße Stellung als Mehrheits- oder Alleingesellschafter und die damit abstrakt verbundenen rechtlich verfestigten und tatsächlichen Einflussmöglichkeiten auf die satzungsmäßige Geschäftsleitung1630. Während die Subsumtion unter den Begriff des de facto-Directors keine über die allgemeinen Unsicherheiten hinausgehenden Schwierigkeiten bereitet, erfordert die Bejahung der Einschlägigkeit eines Schattendirektors eine Abgrenzung zwischen legitimer Ausübung von mitgliedschaftlichen Einflussrechten und haftungsbe1627 Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.23: […] what is looked for is some active role in managing the company and interfering with its running by way of instructing or directing the board to act in particular way and the board following those instructions“. 1628 Fleischer, AG 1999, 350 (356); Hicks, Comp. Law. 1993, 14 (3), 55 (59); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (89); Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (251); Oesterle, in: Ramsay, 19 (29); Triebel/Otte/Kimpel, BB 2005, 1233 (1237); vgl. auch Coburn, in: Ramsay, 72 (92). 1629 Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, Rn. 17.23; Oesterle, in: Ramsay, 19 (31). 1630 Vgl. Griffin, Insolvency Lawyer 2003, 127 (127 ff.); Noonan/Watson, JBL 2006, 763 (786); Prentice, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Großbritannien, 93 (106).

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gründender Einflussnahme. Eine überragende Stellung in der Gesellschafterversammlung ist grundsätzlich verbunden mit der Möglichkeit, eine zentrale Rolle auch bei der Leitung des operativen Geschäfts einer Limited einzunehmen1631. Nicht haftungsbegründend wirkt sich in diesem Zusammenhang die Ausübung der gesetzlichen eingeräumten Rechte als Gesellschafter aus1632. Die Grenze zur verbotenen bzw. haftungsbegründenden Übernahme der faktischen Geschäftsleitung überschreitet ein Gesellschafter, wenn er mittels seiner dominierenden Gesellschafterstellung einen solchen Einfluss auf die ordnungsgemäß bestellten Direktoren der Gesellschaft ausübt, dass er als integraler Bestandteil der internen Managementstruktur der Gesellschaft anzusehen ist1633. Erforderlich ist auch hier echte Entscheidungsmacht (real influence)1634, die dann vorliegt, wenn eine Mehrheit der de iure directors entsprechend den Weisungen des Gesellschafters zu handeln gewohnt ist1635, ihre Entscheidungsfreiheit also begrenzt wird durch das faktische Erfordernis der Zustimmung des Gesellschafters1636. Ob der Rechtsverkehr davon Kenntnis erlangt, ist nach den Grundsätzen des Instituts unbeachtlich. (2) Kreditinstitute Grundsätzlich möglich ist auch die Erfassung einer Bank als Schattendirektor1637. An ein Schattendirektorat eines Kreditinstitutes ist insbesondere dann zu denken, wenn dieses aufgrund von Covenants über weitgehende Einflussrechte in der betroffenen Gesellschaft verfügt1638. Die Rechtsprechung wendet das Institut jedoch sehr restriktiv an1639. Streitgegenständlich wurde die Frage erstmals in der Sache Re a Company (No 005009 of 1987) ex parte Copp and another1640. Die spätere Gemeinschuldnerin hatte über einen längeren Zeitraum Gewinne erwirtschaftet, war dann jedoch wegen 1631

Vgl. Griffin, (2003), Insolvency Lawyer, 127 (129). Vgl. Noonan/Watson, JBL 2006, 763 (781 ff.). 1633 Vgl. Griffin, Insolvency Lawyer 2003, 127 (127 ff.); Redeker, DZWiR 2005, 497 (503). 1634 Vgl. Milman, JBL 2004, 493 (495). 1635 Vgl. Milman, JBL 2004, 493 (495). 1636 Vgl. Noonan/Watson, JBL 2006, 763 (782). 1637 Erfolglos etwa Re a Company (No 005009 of 1987) ex parte Copp and another, [1989] BCLC, 13 (13 ff.). Vgl. Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.23; Fleischer, AG 2004, 517 (520); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 45; Milman, JBL 2004, 493 (495 f.); Odiath [1990] LMCQL 206 (209); Schulte, Comp. Law. 1999, 20 (3), 80 (80); Wood, Principles of International Insolvency, S. 591; vgl. Re PFTZM Ltd. [1995] B.C.C. 280 (280 ff.). 1638 Vgl. Oesterle, in: Ramsay, 19 (31); Odiath [1990] LMCQL 206 (209). 1639 Vgl. Bhattacharyya, Comp. Law. 1994, 15 (5), 151 (152); ders., Comp. Law. 1995, 16 (10), 313 (313); Fleischer, AG 2004, 517 (520). Bisher ist ersichtlich noch kein Kreditinstitut als de facto- oder Schattendirektor verurteilt worden. 1640 Re a Company (No 005009 of 1987) ex parte Copp and another [1989] BCLC 13 (13 ff.); vgl. zum Sachverhalt auch Re MC Bacon Ltd. [1990] BCLC 324 (326 ff.). 1632

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Verlusts ihres Hauptkunden in die Verlustzone geraten und genötigt, in wachsendem Ausmaß den durch die Hausbank eingeräumten Überziehungskredit in Anspruch zu nehmen. Nach vollständiger Ausschöpfung des Kreditrahmens veranlasste die Bank eine Prüfung der gesellschaftsinternen Verhältnisse durch ihre Finanzabteilung. In Reaktion auf die Besorgnis erregenden Prüfergebnisse erstellte die Bank in Eigenregie einen Sanierungsplan und drängte die spätere Gemeinschuldnerin zu dessen Umsetzung. Verschiedene Schritte zu dessen Durchsetzung wurden in Folge durchgeführt1641, die allerdings die Insolvenz letztlich nicht mehr verhindern konnten. Aufgrund dieser Einflussnahme beabsichtigte der Liquidator, die Bank nach sec. 214 IA in Anspruch zu nehmen. Dem Gegenantrag der Bank, die Klage des Konkursverwalters als von vorneherein aussichtslos zu verwerfen, gab das Gericht – allerdings ausdrücklich ohne damit ein Präjudiz für das Hauptsacheverfahren setzen zu wollen – nicht statt1642. Eine weitere Klärung zur Frage, wann ein Schattendirektorat der Bank vorliegen kann, wurde dadurch vereitelt, dass der Konkursverwalter nach sechstätiger Beweisaufnahme seine Klage zurückzog1643. Dass das Gericht ein Schattendirektorat abgelehnt hätte, lässt sich einerseits daraus ableiten, dass Millet J bei Prozessbeendigung feststellte, dass der Liquidator die Klage „rightly abandoned“ habe sowie in einem der Verfahrenseinstellung nachfolgenden Aufsatz konstatierte, „the charge would have failed anyway“1644. Diesen Äußerungen sowie den fehlenden Verurteilungen eines Kreditinstitutes als Schattendirektor lässt sich entnehmen, dass nicht jede Einflussnahme in der Krise der Gesellschaft ausreichend ist, um – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – eine Haftung der Bank nach sec. 214 IA zu begründen. Auch eine Bank muss folglich wie ein Puppenspieler (puppet master) alle Fäden in der Hand gehalten bzw. nach dem abgeschwächten Kriterium der jüngeren Rechtsprechung echten Einfluss auf die Geschäftsleitung ausgeübt haben. Hierfür reicht nicht jedes Mit-den-MuskelnSpielen seitens eines Kreditinstituts aus. Beschränkt sich die Bank darauf, die Gemeinschuldnerin zu einem Verhalten anzuhalten, dass die Rückzahlung ihrer Kredite sicherstellt, droht kein Vorwurf. So ist es legitim, wenn eine Bank in der Krise der Schuldnergesellschaft die Fortsetzung ihrer Unterstützung von bestimmten Bedingungen abhängig macht. Hierunter zu subsumieren ist es, wenn die Bank Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Schuldnerin nimmt bzw. Inspektoren einsetzt, um die Lage der Gesellschaft zu evaluieren, die Rückführung oder zusätzliche Besicherung 1641 Re a Company (No. O05009 of 1987), ex parte Copp and another [1989] BCLC 13 (18); vgl. Hicks, Comp Law. 1993, 55 (59). 1642 Re a Company (No. O05009 of 1987), ex parte Copp and another [1989] BCLC 13 (21): „In fact in this case I have come to the conclusion that what I can, perhaps, conveniently call „the obviously unsustainable test“ is not satisfied in relation to the claim that the bank acted as shadow director“ (Knox J). 1643 Unter dem Rubrum In Re Mc Bacon [1990] BCLC 324 (326). Vgl. hierzu Bhattacharyya, Comp. Law. 15 (5), 151 (152); Fleischer, AG 1999, 350 (356 f.); Hirte, ECFR 1 (2004), 71 (90). 1644 Vgl. hierzu Bhattacharyya, Comp. Law. 1994, 15 (5), 151 (152).

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ihrer Kredite fordert, sich Finanzpläne vorlegen lässt oder Sanierungsvorschläge unterbreitet1645. Auf gleicher Linie liegt die Entscheidung Re PFTZM Ltd1646, die über die Frage eines Schattendirektorats eines Konsortiums von Finanziers einer Hotel- und Freizeitclubanlage zu befinden hatte. Diese Gruppe hatte nach dem Bekanntwerden fehlender Profitabilität die Gesellschaft nicht nur weitere zwei Jahre finanziell unterstützt, sondern aktiv wirtschaftliche Entscheidungen mit beeinflusst – u.a. im Rahmen eines wöchentlich tagenden Arbeitskreises1647. Dies allein genügte jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht, um die Eigenschaft als Schattendirektor zu begründen. Die Gruppe sei eine der Hauptgläubigerinnen der Gesellschaft gewesen und ihre Einflussnahme auf die Schuldnerin habe allein der Wahrung ihrer Interessen als Gläubigerin gedient1648. Auch sei die Geschäftsleitung weiterhin frei in ihren Entscheidungen gewesen und somit nicht gewohnt (accustomed) gewesen, entsprechend den Weisungen der Gläubigergruppe zu handeln1649. Solange sich also eine Bank hierauf beschränkt und der Geschäftsleitung und den Gesellschaftern der Kreditnehmerin nicht faktisch die Entscheidung über Fortsetzung oder Liquidation entzieht, muss sie nicht mit dem Vorwurf des wrongful tradings rechnen1650. Dieser droht erst dann, wenn sie als eigentliche Direktorin gehandelt hat1651. Der Grundtenor lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass die Schwelle zum haftungsbegründenden Schattendirektorat erst dann überschritten ist, wenn die Bank über legitime Vorschläge zur Unternehmenssanierung die Leitungsmacht in der Gesellschaft an sich zieht1652. Ähnlich der deutschen Bankenhaftung sichert die Spruchpraxis damit weitgehend, dass eine Krisenhaftung der Banken erst dann in Betracht kommt, wenn die Geschäftspolitik eines Kreditinstituts darauf zielt, die Positionen der anderen Gläubiger auszubeuten. Die englischen Gerichte stellen zu Recht nicht allein auf das Formalkriterium der Letztentscheidungskompetenz ab, sondern auch darauf, was die Bank in concreto veranlasst. Versucht sie die Geschäftsleitung zu einem für die Gesamtheit der Gläubiger günstigen Verhalten zu veranlassen und macht hierbei ex ante wirtschaftlich vertretbare Sanierungsvorschläge, muss eine Haftung ausscheiden. Anders sollte dies erst dann beurteilt werden, wenn auch das Kreditinstitut beginnt, die Position der anderen Gesell1645 Bhattacharyya, Comp. Law. 1994, 15 (5), 151 (152); Prentice, Corporate Personality, 90 (114 f.). 1646 Re PTZFM [1995] B.C.C. 280 (280 ff.); vgl. Bhattacharyya, Comp. Law. 1994, 15 (5), 151 (152); ders., Comp. Law. 1995, 16 (10), 313 (313). 1647 Vgl. zum Sachverhalt etwa auch Bhattacharyya, Comp. Law. 1995, 16 (10), 313 (314). 1648 Re PTZFM [1995] B.C.C. 280 (290 ff.); Bhattacharyya, Comp. Law. 1995, 16 (10), 313 (314). 1649 Re PTZFM [1995] B.C.C. 280 (291 f.). 1650 Vgl. Payne/Prentice, in: Ramsay, 190 (202). 1651 Vgl. auch Bhattacharyya, Comp. Law. 1994, 15 (5), 151 (152). 1652 Vgl. Bhattacharyya, Comp. Law. 1994, 15 (5), 151 (152); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (90); Wood, Principles of International Insolvency, S. 591.

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schaftsgläubiger zu unterminieren und dazu ein faktisch vorhandenes Entscheidungsrecht in der Gesellschaft ausübt1653. Dies wird man etwa dann anzunehmen haben, wenn eine Bank im Wissen um ihre weitgehende oder vollständige Absicherung sich an der Durchführung spekulativer Geschäfte beteiligt, um gegebenenfalls weitere Anschlussgeschäfte abschließen zu können1654. Letztlich ist dieses Doppelkriterium einer Bankenhaftung – faktische Leitungsmacht und ihre Ausübung in missbräuchlicher Weise – Ausfluss der Struktur von sec. 214 IA. Es wird nicht einem bestimmten Adressatenkreis eine einzelne Kardinalpflicht auferlegt, vielmehr muss ein potentiell Haftender Einfluss genommen und darüber hinaus opportunistisch gehandelt haben. Dass für den Bereich der Bankenhaftung beide Jurisdiktionen zu vergleichbaren Ergebnissen gelangen, ist dem Umstand geschuldet, dass die deutsche Rechtsprechung die Bankenhaftung wegen Insolvenzverschleppung gerade nicht auf den allgemeinen Tatbestand der §§ 15a Abs. 1 InsO, 823 Abs. 2 BGB stützt, sondern in § 826 BGB verortet. Gegenüber der deutschen Rechtslage – Haftung allein nach § 826 BGB – hat die Adressatenregelung des wrongful trading den Vorteil, das sie faktisch gleiches Verhalten rechtlich gleich kategorisiert. Das Kreditinstitut, das als Schattendirektor qualifiziert wird, haftet im Übrigen unter den gleichen Voraussetzungen wie ein satzungsmäßig bestellter director. Bedenklich erscheint demgegenüber, dass es in den über zwei Jahrzehnten der Geltung von sec. 214 IA nie zur Bejahung der Einstandspflicht einer Bank gekommen ist. Es drängt sich damit der Verdacht auf, dass die Gerichte die Gratwanderung zwischen notwendiger Haftungsfreistellung und ebenso notwendiger Haftung noch nicht vollständig gemeistert haben. Allerdings ist auch in Rechnung zu stellen, dass Banken als professionelle Akteure ihrerseits im sanierungsfreundlichen englischen Insolvenzrecht Möglichkeiten besitzen, eine drohende gerichtliche Klage in einem out-of-court-settlement abzuwehren. Evidenzfälle, in denen die Gerichte eine Haftung bejaht hätten, mögen deshalb nicht vor die Gerichte gebracht worden sein. (3) Berater Zur möglichen Haftung eines Beraters oder Beratungsunternehmens wegen wrongful trading äußert sich zunächst das Gesetz selbst in sec. 251 (2) IA: „but so that a person is not deemed a shadow director by reason only that the directors act on advice given by him in a professional capacity“. Die bloße Tatsache der Beratung ist also für sich nicht ausreichend, um eine Haftung wegen wrongful tradings zu begründen1655. Andererseits darf diese Passage nicht so verstanden werden, dass die Eigenschaft als Berater die Erfassung als shadow director per se ausschließen

1653

Tendenziell ähnlich Bailey/Groves, Corporate Insolvency, Rn. 17.23; kritisch hingegen Milman, JBL 2004, 493 (495). 1654 Ähnlich Spindler, EBOR 7 (2006), 339 (345), der Banken dann erfassen will, wenn sie den gleichen Fehlanreizen wie Geschäftsleitung und Gesellschafter ausgesetzt sind. 1655 Vgl. Fleischer, ZGR 2004, 437 (461 f.).

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würde1656. Umgehungsstrategien wären anderenfalls die unweigerliche Folge. Wenn sec. 251 (2) IA Berater grundsätzlich von der Haftung als Schattendirektor ausnimmt, liegt dem die Überlegung zu Grunde, dass nicht jeder Rat, auch wenn er auf ein sec. 214 IA erfüllendes Verhalten der Geschäftsleitung abzielt, die Eigenschaft als Schattendirektor begründen kann. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass jede Person, die den Entscheider in der Unternehmung „auf die Idee gebracht hat“, sich opportunistisch zu verhalten, in Haftung genommen wird. Krisenbedingtes opportunistisches Verhalten als Ausfluss der beschränkten Haftung ist daran gebunden, dass ein Entscheider gegebenenfalls u. a. die Gefahr einer Gläubigerschädigung erkennt und dennoch handelt. Zu trennen sind bloße Beratung (advice) und Beteiligung an bzw. Verantwortung für Entscheidungen (instruction)1657. Diesem grundsätzlichen Postulat genügend rechtfertigt nach Ansicht der Rechtsprechung ein falscher Rechtsrat an sich selbst dann keine Haftung nach sec. 214 IA, wenn er sich auf die kritische Frage der Fortführung der Gesellschaft in der Krise bezieht1658. In gleicher Weise scheidet ein Regress von nach sec. 214 IA in die Haftung genommenen Direktoren gegen ihre Berater gemäß sec. 1 und sec. 6 CLCA (Civil Liability (Contribution) Act 1978) aus1659. Die Haftung eines Beraters für wrongful trading ist vielmehr daran geknüpft, dass die allgemeinen Kriterien eines de facto oder shadow directorship erfüllt sind1660. In Übertragung dieser Grundsätze wird die Beteiligung eines externen Beraters in der Krise dann kritisch, wenn er als „company doctor“ die Geschäftsleitung faktisch selbst führt, um den die 1656

Re Tasbian Ltd. (No.3) [1991] BCLC 792 (792 ff.); Re International Championship Management Ltd. [2007] 2 BCLC 274 (282), hierzu Steffek, EWiR 2007, 371 (371 f.); Milman, JBL 2004, 493 (496); Oesterle, in: Ramsay, 19 (32); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (189); Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 198; Heinz, Die englisches Limited, S. 46. A.A. oder zumindest missverständlich Mülhens, Haftungsdurchgriff im deutschen und englischen Recht, S. 170. A.A. in weiten Teilen auch Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 140, der professionelle Berater nicht als erfasst ansieht. Unklar bleibt allerdings, da Redeker auch Wirtschaftsprüfer, Sanierungsberater und Unternehmensberater nicht hierunter erfasst, wer als solcher professioneller Berater anzusehen ist. 1657 Vgl. Coburn, in: Ramsay, 72 (93). 1658 Re International Championship Management Ltd. [2007] 2 BCLC 274 (282), hierzu Steffek, EWiR 2007, 371 (371 f.). 1659 Re International Championship Management Ltd. [2007] 2 BCLC 274 (282), Steffek, EWiR 2007, 371 (371 f.) Die betreffenden Paragrafen des Civil Liability Contribution Act 1978 lauten: Sec. 1 (1): „Subject to the following provisions of this section, any person liable in respect of any damage suffered by another person may recover contribution from any other person liable in respect of the same damage (whether jointly with him or otherwise)“. Sec. 6 (1): „A person is liable in respect of any damage for the purposes of this Act if the person who suffered it (or anyone representing his estate or dependents) is entitled to recover compensation from him in respect of that damage (whatever the legal basis of his liability, whether tort, breach of contract, breach of trust or otherwise“. 1660 Re Championship Management Ltd. [2007] 2 BCLC 274 (282), hierzu Steffek, EWiR 2007, 371 (371 f.); so vorher auch schon Oesterle, in: Ramsay, 19 (32).

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wirtschaftliche Geschäftsgrundlage des Beratervertrages darstellenden turn-around zu realisieren1661. Indizien, die für ein de facto oder Schattendirektorat eines Beraters sprechen, sind Auftreten gegenüber den Gläubigern, Kontovollmachten bzw. Zeichnungspflichten der eigentlichen Geschäftsleitung gegenüber dem company doctor und insbesondere die maßgebliche Beteiligung an Strukturmaßnahmen, die in Reaktion auf die Krise durchgeführt werden1662. Vor- und Nachteile im Vergleich zur deutschen Rechtslage liegen auf der Hand. Einerseits wird vermieden, dass jede Beratung in der Krise in den Dunstkreis einer Haftung nach sec. 214 IA gerät. Der Berater muss vielmehr selbst über mindestens faktische Entscheidungsrechte in der Krise verfügt und keine angemessene Rücksicht auf die Belange der Gläubiger genommen haben. Andererseits bewahrt sie auch den Berater vor Haftung, der eine Strategie entwirft, wie man die Gesellschaft auf Kosten der Gläubiger fortführen kann, sich aber darauf beschränkt, eine solche Strategie der Geschäftsleitung zu präsentieren und ihr die Entscheidung über die Implementierung überlässt. (4) Konzernsachverhalte Anders als das deutsche kennt das englische Recht kein Konzernrecht1663 i.S. eines selbständigen Teils des Gesellschaftsrechts1664, maximal kann es als Recht im Werden (Fleischer) bezeichnet werden1665. Im Hintergrund steht die in angelsächsischen Ländern übliche Betrachtungsweise, dass kein grundsätzlicher Unterschied zwischen der Macht eines Mehrheitsgesellschafters und der einer Konzernmutter besteht1666, sowie die in common law-Jurisdiktionen nicht minder übliche Betonung der Relevanz des Einzelfalls1667. Der Konzern unterliegt damit primär dem allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regularium1668 mit der Folge, dass eine Konzernmutter wie jeder andere (Mehrheits-)Gesellschafter nach sec. 214 IA als Schatten-

1661

So in Re Tasbian Ltd. (No.3) [1991] BCLC 792 (792 ff.) zu sec. 6 CDDA (unfitness); vgl. Milman, JBL 2004, 493 (496); Drake, JBL 1989, 474 (478); Goddard, in: Ramsay, 169 (186); Oesterle, in: Ramsay, 19 (32); Wood, Principles of International Insolvency, S. 591; vgl. auch Coburn, in: Ramsay, 72 (92). 1662 Unter diesen Aspekten wird eine Disqualifizierung als de facto bzw. shadow director in Re Tasbian Ltd. (No.3) [1991] BCLC, 792 (800 ff.) für möglich gehalten. Vgl. hierzu Coburn, in: Ramsay, 72 (93 f.). 1663 Zur Definition der Gruppe im englischen Recht vgl. etwa Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group. S. 13. 1664 Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (80); Prentice, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Großbritannien, 93 (93 ff.); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 5 f. 1665 Fleischer, AG 1999, 350 (359). 1666 Vgl. Hopt, ZHR 171 (2007), 199 (202 f.). 1667 Vgl. Prentice, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Großbritannien, 93 (95). 1668 Vgl. Prentice, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Großbritannien, 93 (95 f.); ders., Corporate Personality, 90 (116).

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direktorin für Teile oder die Gesamtheit der Verbindlichkeiten der abhängigen Gesellschaft einzustehen verpflichtet sein kann1669. Leitentscheidung für die Frage eines Schattendirektorats der Konzernobergesellschaft ist Re Hydrodam (Corby) Ltd1670. Bei der insolventen Gesellschaft handelte es sich um eine indirekt gehaltene Tochtergesellschaft der Eagle Trust plc. Der Liquidator der Hydrodam Ltd. stellte Anträge wegen wrongful tradings gegen 14 natürliche und juristische Personen, u. a. die Eagle Trust plc., eine ihrer direkten Töchter sowie alle Direktoren der Eagle Trust. Zwei der Direktoren der Eagle Trust stellten Gegenantrag, die Klage gegen sie abzuweisen. Millet J gab letzterem mit der Maßgabe statt, dass selbst unter der Annahme, dass die Eagle Trust plc als Schattendirektorin der Hydrodam Corby Ltd. zu qualifizieren wäre, hieraus nicht automatisch folge, dass die Direktoren der Eagle Trust plc gemeinsam verantwortlich für das Verhalten der Mutter gegenüber der Tochtergesellschaft seien, d. h. also ihrerseits Schattendirektoren seien1671; die Direktoren einer juristischen Person, die ihrerseits Direktor einer weiteren Gesellschaft ist, sind demnach nicht ohne Weiteres de facto oder Schattendirektoren dieser Tochtergesellschaft1672. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass dann, wenn die Direktoren der Konzernmutter gemeinschaftlich als Organ der Obergesellschaft handeln, die Obergesellschaft und nicht die Organe persönlich Schattendirektorin ist1673. Die Bedeutung der Entscheidung liegt darin, dass die Möglichkeit eines Schattendirektorats einer Konzernobergesellschaft ausdrücklich bejaht wird. Andererseits darf sie nicht so verstanden werden, dass die Haftung einer Konzernmutter nach sec. 214 IA notwendig an eine Repräsentanz der Obergesellschaft im board der beherrschten Gesellschaft oder eine vergleichbare rechtlich verfestigte Einflussnahmemöglichkeit geknüpft wäre. Es gilt auch hier, dass ein über die Repräsentanz im board, Doppelmandate, faktische Einflussrechte etc. bestehender tatsächlicher Einfluss dazu führen muss, dass die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft ge1669 Vgl. Bhattacharyya, Comp. Law. 1994 15 (5), 151 (152); Bailey/Groves, Corporate Insolvency, 17.23; Drake, JBL 1989, 474 (477 f.); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Rn. 9-7 (= S. 252); Schulte, Comp. Law. 1999, 20 (3), 80 (80); Burg, GmbHR 2004, 1379 (1381 f.); Triebel/Otte/Kimpel, BB 2005, 1233 (1237); Bödecker, Kapitalerhaltung im englischen Recht, S. 119; Heinz, Die englische Limited, S. 45 f.; vgl. auch Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (251): „allgemeiner Konzernhaftungstatbestand“. 1670 Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC 180 (183 ff.); ausführlicher zu diesem Fall Bhattacharyya, Comp. Law. 1995, 16 (10), 313 (313); Fleischer, AG 1999, 350 (357 f.); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (90 f.). 1671 Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC 180 (184); vgl. auch The Secretary of State for Trade an Industry v. Ken Hall, John Andrew Henry Nuttall [2006] EWHC, 1995 (1995 ff.); zu dieser Entscheidung Goddard, Comp. Law. 2010, 281 (281 f.). 1672 Vgl. etwa Goddard, Comp. Law. 2010, 281 (281); bestätigt in In re Paycheck Services 3 Ltd. and others [2010] 1 WLR 2793 (2827 f.); dem folgend auch Secretary of State and Industry v Laing and others [1996] 2 BCLC 324 (338 f.). 1673 Re Hydrodam (Corby) Ltd. [1994] 2 BCLC 180 (184).

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wohnt ist (accustomed to act) entsprechend den Vorgaben der Muttergesellschaft zu handeln. Dieses Kriterium wird in Konzernlagen erst dann als erfüllt angesehen, wenn die betreffenden Direktoren der Obergesellschaft individuell und persönlich Weisungen an die Tochtergesellschaft geben, nach denen die Tochtergesellschaft zu handeln gewohnt war. Dies setzt zunächst voraus, dass die Muttergesellschaft ein bestehendes Weisungsrecht tatsächlich ausgeübt hat1674, wobei die Mutter in eigener Person den Tatbestand des sec. 214 IA verwirklicht haben muss1675. Bloße Passivität begründet also keine Übertragung der Geschäftsleiterpflichten1676. In der Gesamtschau muss sich ein Verhaltensmuster ergeben, dass der Geschäftsleitung der Untergesellschaft keinerlei eigenständige Entscheidungsspielräume mehr belässt. Enthält sich die Konzernmutter hingegen jeglicher Einflussnahme, stellt sie also sicher, dass die Geschäftsleitung der Tochter unabhängig und im ausschließlichen Interesse der Tochtergesellschaft handeln kann, ist eine Verurteilung nach sec. 214 IA in Ermangelung eines Schattendirektorats nicht zu befürchten1677. Dem vergleichbar wird in Australien für das Parallelinstitut des insolvent trading (sec. 588G Australia Corporations Act) „actual control“ verlangt1678. Liegt ein Schattendirektorat nach diesen Grundsätzen vor, erwächst hieraus nicht unmittelbar eine Verantwortung nach sec. 214 IA. Sec. 214 IA begründet keine allgemeine Konzernstrukturhaftung, sondern eine Konzernverhaltenshaftung, die ihren Sitz im allgemeinen Haftungsrecht hat1679. Die Bejahung eines Schattendirektorats führt deshalb nicht eo ipso zu einer Einstandspflicht der Konzernmutter gegenüber der Untergesellschaft bzw. ihren Gläubigern, sondern erst dann, wenn die weiteren Voraussetzungen des Haftungstatbestands verwirklicht worden sind. Das bloße Moment der Ausübung des Weisungsrechts begründet eine Verantwortlichkeit nach sec. 214 IA erst dann, wenn sich die Einflussnahme im konkreten Fall als missbräuchlich darstellt1680. Diese missbräuchliche Einflussnahme ist in der Verwirklichung des Tatbestands von sec. 214 IA zu sehen. Die Konzernmutter als Schattendirektorin muss folglich von dem Zeitpunkt an, ab dem keine vernünftige Aussicht bestand, die insolvenzbedingte Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden,

1674 Vgl. Redeker, DZWiR 2005, 497 (503); ders., Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 135 f. 1675 Vgl. Redeker, DZWiR 2005, 497 (503). 1676 Secretary of State for Trade and Industry v. (1) Ken Hall (2) John Andrew Henry Nuttal [2006] EWHC, 1995 (= 2006 WL 2049713) para. 29 f.; vgl. Vorpeil, RIW 2007, 443 (443). 1677 Re Hydrodam Corby Ltd. [1994] 2 BCLC, 180 (183 ff.). Vgl. Bhattacharyya, Comp. Law. 1994, 15 (5), 151 (152); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 34 f. 1678 Vgl. Coburn, in: Ramsay, 72 (93) m.w.N. Actual control i.d.S. verlangt also die Ausübung von Leitungsmacht und darf deshalb nicht mit dem Control-Konzept des § 290 Abs. 2 HGB a.F. verwechselt werden. 1679 Vgl. zur Konzernverhaltungshaftung etwa Schanze, AG 1993, 376 (377 ff.); auch Prentice, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Großbritannien, 93 (103). 1680 Vgl. Prentice, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Großbritannien, 93 (103).

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keine angemessene Rücksicht auf die legitimen Belange der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft genommen haben. Trotz teilweise formulierter Besorgnisse kann deshalb nicht davon gesprochen werden, dass mit Einführung des wrongful trading ein Strukturhaftungstatbestand für den Bereich des Konzernrechts geschaffen worden wäre, was nicht zuletzt dadurch illustriert wird, dass es bisher noch zu keiner erfolgreichen Verurteilung einer Konzernobergesellschaft nach sec. 214 IA gekommen ist. Die Ausübung von Leitungsmacht durch eine Konzernobergesellschaft eröffnet nur grundsätzlich den Anwendungsbereich von sec. 214 IA. Für den Bereich des Konzernrechts gilt damit der Befund, dass sec. 214 IA die Gefahren der Haftungsbeschränkung erkennt, diese jedoch nur dann zur Grundlage einer Verurteilung der Geschäftsleitung macht, wenn tatsächlich opportunistisch gehandelt worden ist. Wenn auch diese Reserve gegenüber einer allzu extensiven Konzernhaftung zu begrüßen ist, ist die Kritik an der allzu restriktiven Aktivierung des wrongful trading im Bereich des Konzernrechts1681 wie auch im Falle der Bankenhaftung teilweise begründet. Problematisch erscheint insbesondere die Übernahme des allgemeinen Kriteriums eines Verhaltensmusters, nach dem die Geschäftsleitung entsprechend den Weisungen der Obergesellschaft zu handeln gewohnt sein muss. Nicht anders als im deutschen Recht muss gelten, dass auch die einmalige missbräuchliche Ausübung des Weisungsrechts genügen sollte, wenn sie sich als opportunistisch darstellt. Es sind keine inhaltlichen Gesichtspunkte erkennbar, eine Obergesellschaft haftungsrechtlich zu privilegieren, wenn diese sich in gesunden Zeiten zurückgehalten hat, um dann in der Krise der Tochter mittels ihres Weisungsrechts eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger zu initiieren1682. Vielmehr gilt umgekehrt, dass gerade in Konzernen defizitäre Geschäftsteile ausgegliedert und rechtlich verselbständigt werden, um Einstandspflichten (Abfindungen etc.) des Restkonzerns für den voraussehbaren Fall der Insolvenz der Abteilung zu vermeiden. Die in Konzernlagen notwendige haftungsrechtliche Trennung sollte de lege ferenda nicht am Zeitmoment anknüpfen, sondern an dem gleichfalls von der Rechtsprechung verwandten Kriterium des real influence. Die Indizwirkung der zeitlichen Einflussnahme könnte dann im Rahmen der Frage, ob wirklicher Einfluss vorgelegen hat, herangezogen werden. Eine Würdigung von sec. 214 IA i.V.m. mit dem allgemeineren Institut des Schattendirektorats als Instrument zur Bekämpfung schädlicher Einflussnahmen in Konzernlagen muss zwiespältig ausfallen. Konzeptionell erscheint es zunächst durchaus überzeugend, auf die Etablierung eines Strukturhaftungstatbestandes nach dem Vorbild des qualifizierten faktischen Konzerns zu verzichten; die bloße Existenz von Leitungsmacht rechtfertigt für sich keine Haftung. Auch dass das englische Recht – anders als das deutsche Aktienkonzernrecht, aber vergleichbar der Haftung 1681

Vgl. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (190 f.); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 34 f. 1682 So auch Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 35 unter Verweis darauf, dass gerade in der Krise der Gesellschaft starke Anreize zur Einflussnahme bestehen.

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wegen existenzvernichtenden Eingriffs – zeitlich erst für die Krise Konzernverhaltenspflichten zur Berücksichtigung der Gläubiger etabliert, ist kein Manko, sind doch im Rahmen des normalen Geschäftsgangs vor allem Minderheitsgesellschafter potenziell Leidtragende des Konzernkonflikts1683. Gleichzeitig ist die Konzernverhaltenshaftung nach sec. 214 IA der deutschen Existenzvernichtungshaftung insoweit überlegen, als sie opportunistisches Verhalten nicht nur in Gestalt des asset withdrawal, sondern auch in Form von Unterinvestition, Überinvestition und Claim Dilution zu erfassen vermag. Nicht überzeugend erscheint demgegenüber das Erfordernis eines umfänglichen Zeitmoments als Voraussetzung eines shadow directorships; zumindest für den Bereich der Gruppenhaftung ist das deutsche Aktienkonzernrecht hier weiter, wenn es auch einmalige Einflussnahme bei hinreichender Intensität genügen lässt. Dennoch wird man in der Gesamtschau die Instrumentalisierung des wrongful trading zur Eindämmung gläubigerspefizischer Konzernlagen als konzeptionell weitgehend stimmig bezeichnen dürfen. Anders muss der Befund mit Blick auf die praktische Wirkmächtigkeit ausfallen. Der Umstand, dass es bisher in kanpp drei Jahrzehnten nicht zu einer einzigen Verurteilung einer Muttergesellschaft wegen wrongful trading gekommen ist, bedarf insoweit keiner weiteren Erläuterungen. Drei Ursachen wird man für diese praktische Wirkungslosigkeit zu identifizieren haben: (1) zunächst die auch aus dem deutschen Konzernrecht bekannten Beweisprobleme, denen sich der Nachweis schädigender Einflussnahme im Konzern ausgesetzt sieht, (2) die bewusste und gewollte Weigerung englischer Gerichte, die Haftung wegen wrongful trading jenseits von Evidenzfällen zu aktivieren, und (3) schließlich die sämtliche Rechtsordnungen mit Ausnahme Deutschlands, Portugals und Kroatiens kennzeichende, weitaus größere Zurückhaltung bei der Sanktionierung latenter oder virulenter Konzernflikte.

3. Action en comblement du passif a) Dirigeants als Adressaten Adressaten der action en comblement du passif sind alle rechtmäßigen (dirigeants de droit) und „faktischen“ (dirigeants de fait) Geschäftsleiter, wobei als rechtmäßige wie auch faktische Geschäftsführer grundsätzlich natürliche wie juristische Personen in Betracht kommen1684. Unerheblich ist, ob der satzungsmäßige oder faktische Geschäftsleiter für seine Tätigkeit vergütet wird1685. 1683 Den gleichen Weg geht letztlich auch das deutsche Recht des faktischen GmbHKonzerns, soweit man von einem solchen sprechen kann. Außerhalb der Haftung wegen existenzvernichtendem Eingriff, greifen in der mehrgliedrigen abhängigen oder konzernierten GmbH allein die ITT-Treuepflichten, deren Stoßrichtung gleichfalls allein der Gesellschafter-, und nicht auch der Gläubigerschutz ist. 1684 Vgl. Chaput, Droit du redressement, S. 354; Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91470; Ballot-Lená, Droit civile de l’enterprise, D. 2007, S. 1688; Marquardt/Hau, RIW 1998, 441 (442); Maul, NZG 1998, 965 (972); Meyer/Gros,

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b) Dirigeants de droit Natürlicher Adressat der action en comblement du passif ist nicht anders als im deutschen und englischen Recht jeder ordentlich bestellte Geschäftsleiter (dirigeant de droit). Gérant de droit erfasst als Obergriff alle satzungsmäßig vorgesehenen Geschäftsleitungsorgane1686. Im Falle der in Frankreich weit verbreiteten SA1687 ist aufgrund der verschiedenen, durch das französische Gesellschaftsrecht zur Wahl gestellten Strukturformen zu unterscheiden. Im Falle der klassischen monistischen Form der SA (structure classique), die mit der Hauptversammlung der Aktionäre (assemblée des actionnaires) und dem Verwaltungsrat (conseil d’administration) über zwei Organe verfügt, sind Adressaten sowohl die die unternehmerische Leitungsspitze bildenden Mitglieder des Verwaltungsrats als auch die Generaldirektion einschließlich ihres Vorsitzenden, des directeur général1688, der in der Praxis – entgegen der Fließrichtung der internationalen Corporate Governance-Diskussion, die auch der französische Gesetzgeber in Teilen nachgezeichnet hat – häufig zugleich Präsident des Verwaltungsrats (président du conseil d’administration) ist, sog. président directeur général (PDG)1689. Zumindest im Rahmen der action en combGmbHR 2006, 1032 (1035); Junker, RIW 1986, 337 (340); Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 64; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 531 ff. Vgl. auch Fleischer, RIW 2004, 16 (17 f.). Vgl. für die SA Art. L. 225-20 C. com.: „Une personne morale peut être nommée administrateur“. 1685 Vgl. etwa Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 531; Chaput, Droit du redressement, S. 354; Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 168; Durch das loi de sauvegarde ist die ausdrückliche Umschreibung („rémunéres ou non“) nach Art. L. 624-3 C. Com. a.F. weggefallen, ohne dass damit allerdings eine inhaltliche Änderung beabsichtigt gewesen wäre, vgl. Zattara-Gros, LPA, 20. 3. 2007 N8 57, S. 33; Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 177; Montéran, Gaz. Pal. 2005, 3016 (3017); Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 87. 1686 Junker, RIW 1986, 337 (340); Klein, RIW 2010, 352 (352); Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 177; Chaput, Droit du redressement, S. 354; Zimmermann, Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführen in Frankreich, S. 53 f. 1687 Bei den sociétés par actions muss eigentlich zwischen drei Typen unterscheiden werden: dem Grundmodell der SA, der société en commandite par actions (SCA) und der société par actions simplifiée (SAS); im Folgenden wird zur Vereinfachung nur das Grundmodell betrachtet. 1688 Die Generaldirektion als operatives Herz einer klassischen SA besteht mindestens aus einem Generaldirektor, dem fakultiv weitere Personen zur Seite gestellte werden können (directeurs général délégué). Vgl. etwa Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 90 f. 1689 Vgl. Memento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91471; Meyer/Gros, GmbHR 2006, 1032 (1035); Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 532; Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 168; Süß, EuZW 1996 65. Zur durch das NRE v. 15. 5. 2001 geänderten Stellung des PDG vgl. etwa Seseke/ Fangmann, IStR 2002, 851 (851 f.); die Kumulation der Ämter des Verwaltungsratspräsidenten und Generaldirektors bleibt zulässig: „La direction générale de la société est assumée, sous sa responsabilité, soit par le président du conseil d’administration, soit par une autre personne physique nommée par le conseil d’administration et portant le titre de directeur général“ (Art. L. 225-51-1 C. Com.).

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lement du passif ohne Folgen geblieben ist die mit dem Loi NRE vom 15. Mai 2001 verbundene striktere Differenzierung zwischen den Funktionen des Verwaltungsrats, seines Präsidenten und des Generaldirektors: obwohl einfache Mitglieder des Verwaltungsrats hiernach keine Geschäftsleitungsfunktionen (fonction de gestion) wahrnehmen1690, bleiben sie als Mitglieder des Leitungsgremiums Geschäftsleiter i.S.d. Art. L. 651-2 C. Com.1691. Nicht angesprochen werden hingegen die technischen Direktoren (directeurs techniques), die durch einen Arbeitsvertrag an die Gesellschaft gebunden sind und deren Entscheidungskompetenz auf bestimmte Sachbereiche beschränkt ist1692. Als Alternative zur klassischen SA bietet das französische Gesellschaftsrecht seit 1966 das am Vorbild der deutschen AG orientierte système dualiste1693. Entsprechend der deutschen Struktur existiert hier neben dem Verwaltungsrat bzw. Vorstand (directoire), der zwingend aus natürlichen Personen gebildet sein muss, ein formal von diesem getrennter Aufsichtsrat (conseil de surveillance). Dem deutschen Recht entsprechend sind hier die Mitglieder des Vorstands als Teil der unternehmerischen Leitungsspitze Geschäftsleiter i.S.d. Art. L. 651-2 C. Com.1694, während die Mitglieder des Aufsichtsrates nicht erfasst werden1695. Auch hier gilt, dass die grundsätzliche Freistellung der Mitglieder des conseil de surveillance sachgerecht ist, ist 1690 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 540 = S. 302.Vgl. zur Stellung des Verwaltungsrats Art. L. 225-35 C. Com.: „Le conseil d’administration détermine les orientations de l’activité de la société et veille à leur mise en œuvre. Sous réserve des pouvoirs expressément attribués aux assemblées d’actionnaires et dans la limite de l’objet social, il se saisit de toute question intéressant la bonne marche de la société et règle par ses déliberations les affaires qui la concernant“. 1691 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 275 = S. 302. 1692 Vgl. Chaput, Droit du redressement, S. 354; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 532 f. Deutsches Pendant der technischen Direktoren sind die leitenden Angestellten. Vgl. Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 92. 1693 Vgl. Lutter, NJW 1967, 1153 (1154 f.). Der Verbreitungsgrad des système dualiste bzw. der structure nouvelle ist in absoluten Zahlen gering, lediglich 2 – 4 % aller SA haben eine Entscheidung für diese Strukturform getroffen. Hiervon zu trennen ist seine Bedeutung. 20 % aller Gesellschaften des CAC 40 (u. a. Air Liquide, AXA, PSA-Peugeot, Printemps, Vivendi, Compagnie Financière Edmond de Rothschild) haben sich für das „deutsche“ Modell entschieden. Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 669 = S. 368 f.; Fleischer, AcP 204 (2004), 502 (528 f.); Hopt/Leyens, Board Models in Europe, S. 16; Großerichter, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S. 336. Hintergrund der Ablehnung einer generellen Einführung des système dualiste war die Befürchtung, dass über den Aufsichtsrat eine Beteiligung der Arbeitnehmer an der Geschäftsleitung Einzug halten würde. Vgl. Guyon, FS Lutter, 83 (85). 1694 Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 93. 1695 CA Paris, 8. 7. 1975, Rev. sociétés 1976, 114 (114 ff.); Cass. Com. 12. 7. 2005, Arrêt N8 1238, JCP/G 2006, 362 (362 f.) mit Anm. Caussain/Deboissy/Wicker. Vgl. Chaput, Droit du redressement, S. 354; Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 177; Martin, Gaz. Pal. 1991, 1 Doctr. 24 (24 ff.); Memento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91471; Meyer/Gros, GmbHR 2006, 1032 (1035); Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 532; Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 168; Süß, EuZW 1996, 65.

XI. Adressaten

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doch der Aufsichtsrat Kontroll- und nicht Entscheidungsorgan1696. Im Falle der S.à.r.l. sind Adressaten schließlich die Geschäftsleiter (gérants), wobei diese Position von jeder natürlichen, unbeschränkt geschäftsfähigen Person eingenommen werden kann; eine juristische Person als gérant lässt das französische Recht nicht zu1697. Ausreichend ist die formale Einnahme der Organstellung. Die genannten Organmitglieder sind damit auch dann Adressaten der action en comblement du passif, wenn nur Strohmannfunktionen wahrgenommen werden, tatsächliche Einflussnahme wird nicht vorausgesetzt1698. Wie bereits angedeutet, erlaubt das französische Recht abweichend vom deutschen Recht grundsätzlich auch die Einnahme von Organfunktionen durch juristische Personen. Adressaten der action en comblement du passif sind in diesem Fall sowohl die juristische Person (personne morale) selbst als auch die notwendig zu bestellenden natürlichen Personen, die für die juristische Person handeln (représentants permanents) (Art. L. 225-25 C. Com.)1699. c) Dirigeants de fait Seit der Neufassung der action en comblement du passif durch das Konkursgesetz vom 13. Juli 1967 ist weiterer Adressat der sogenannte dirigeant de fait1700. Der Begriff wird vom Gesetz nur gebraucht, nicht aber legaldefiniert, weshalb er maßgeblich durch die Rechtsprechung mit Leben gefüllt worden ist1701. Obwohl sich gérance de fait als „faktische Geschäftsleitung“ übersetzen lässt, deckt sich der

1696 Martin, Gaz. Pal. 1991, 1 Doctr. 24 (24), Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 93 f.; vgl. auch Süß, EuZW 1996, 65. 1697 Vgl. Frank/Wachter, RIW 2002, 11 (14); Karst, Länderbericht Frankreich, 873 (899); Meyer/Gros, GmbHR 2006, 1032 (1035); Maier-Bridou, Die GmbH in Frankreich, S. 86; Maul, RIW 2000, 364 (364); Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 532; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 95. 1698 Vgl. Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91471; FEK, ZGR 1998, 672 (758); Pernice, Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft, S. 151; Junker RIW 1986, 337 (340); Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 86. 1699 Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 177 f.; Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91472. Ausführlicher zu ihrer rechtlichen Stellung Stadler, Managerhaftung in der Insolven, S. 72 ff. 1700 Junker, RIW 1986, 337 (342); Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 178; vorher waren Adressaten die Personen, „qu’ils aient participé effetivement à la gestion“. Vgl. Zimmermann, Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern in Frankreich, S. 54. Ausführlich im deutschen Schrifttum zuletzt Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 106 ff. 1701 Vgl. Ballot-Léna, Droit civile de l’enterprise, D. 2007, S. 1688; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 106 ff.; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 94.

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Anwendungsbereich beider Institute nicht1702. Nach ständiger Rechtsprechung der cour de cassation sind dirigeants de fait die natürlichen oder juristischen Personen, die neben oder anstelle der berufenen Geschäftsführer (regelmäßig und) in unabhängiger Stellung durch positives Tun Geschäftsführungsfunktionen ausüben1703; häufig findet sich zudem eine terminologische Verdichtung dieser Definition dahingehend, dass sich die betreffende Person in die Geschäftsführung der Gesellschaft „eingemischt“ hat (immixtion)1704. Erfasst werden soll der eigentliche „Drahtzieher“ (Wiedemann)1705. Drei Kriterien müssen damit kumulativ vorliegen, um die Eigenschaft als dirigeant de fait zu begründen: positives Tun (activité positive) bei der Unternehmensleitung (de direction) in Freiheit und Unabhängigkeit (en souveraineté et indépendance)1706. Keine Änderung dieses klassischen Begriffsverständnisses ist mit der Banque Worms-Entscheidung der cour de cassation verbunden, in der diese die Fallgruppe des dirigeant de fait par personne interposée1707 geschaffen hat. Zwar legt die Begründung einer eigenen Fallgruppe nahe, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handelt; die cour de cassation selbst jedoch sieht hierin nicht mehr als einen besonders benannten Fall der weisungsunabhängigen Entscheidung in einer unternehmerischen Frage1708.

1702

Vgl. Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 12 f.; Marquardt/ Hau, RIW 1998, 441 (442). 1703 Vgl. Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91480; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 275 = S. 159; FEK, ZGR 1998, 758; Ebenroth/Wilken, BB 1992, 1 (10 f.); Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 534; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 94; Hirschmann, Neue Gestaltungsfreiheit im französischen Gesellschaftsrecht: Die SAS, S. 121; Junker, RIW 1986, 337 (342); Marquardt/Hau, RIW 1998, 441 (442); Merkt/Spindler, Durchgriffshaftung und verwandte Rechtsfiguren, 207 (224); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 III 2, b), S. 549 f.; Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 12 f. 1704 Nurit-Pontier, Bull. Joly 2012, 161 (162). Vgl. auch Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 117, der zutreffend darauf hinweist, dass sich Begriff und Verständnis der Einmischung mit der klassischen dreigliedrigen Definition weitgehend decken. 1705 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 III 2, b), S. 550; vgl. auch Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 106, der den Grundgedanken der gérance de fait dahingehend zusammenfasst: „Wer handelt, haftet.“ [Hervorhebung im Original]. 1706 Cass. com. 30. Mai 2006 (n8 de pourvoi 05-14.958); Ballot-Léna, D. 2007, S. 1688; Junker, RIW 1986, 337 (342); Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 178; Marquardt/ Hau, RIW 1998, 441 (442); Porrachia, Rev. sociétés 2006, 406 (406); Süß, EuZW 1996, 65; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 107; Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 13; Ebenroth/Wilken, BB 1992, 1 (10 f). 1707 Cass. com., 2. Nov. 2005, Rev. sociétés 2006, 398; cass. com. 27. Juin 2006, Bull. civ. IV, n8 151 = Rev. sociétés 2006, 900 (900 ff.); vgl. Damann/Paszkudzki, D. 2006, S. 2534; RTD com. 2006 892 mit Anmerkung Legeais; Porrachia, Rev. sociétés 2006, 904 (904 ff.); BallotLéna, D. 2007, S. 1688. 1708 Cass. com., 2. Nov. 2005, Rev. sociétés 2006, 398; so auch Porrachia, Rev. sociétés 2006, 904 (908 f.).

XI. Adressaten

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aa) Positives Tun (activité positive) Erste Voraussetzung ist ein positives Tun seitens der betroffenen Person. Anders als bei einem satzungsmäßig bestellten Organ genügt bloßes Unterlassen (faute d’omission) zur Bejahung einer Haftung als dirigeant de fait nicht1709. Nicht ausreichend ist insbesondere die Nichtanzeige der Zahlungseinstellung beim Insolvenzgericht1710. Dies überrascht im Vergleich zur deutschen Rechtslage, die allein auf das Unterlassen des Insolvenzantrags als haftungsbegründendes Momentum auch für den faktischen Geschäftsführer abstellt. Ursächlich ist, dass das französische Recht bereits dem Ansatz des deutschen Rechts, in einem ersten Schritt Stellung und Funktion der betroffenen Person in der insolventen Gesellschaft zu bestimmen, um ihr sodann den Pflichtenkanon eines satzungsmäßigen Geschäftsleiters aufzuerlegen, nicht folgt. Das Institut der gérance de fait gründet die haftungsrechtliche Einstandspflicht auf die Verantwortlichkeit für eine konkrete Maßnahme. Indem die action en comblement die faute de gestion zum Anknüpfungspunkt für den haftungsbegründenden Vorwurf macht, braucht sie nicht den Umweg über einen Vergleich mit einem satzungsmäßigen Organ zu gehen. Adressat ist die Person, die gläubigergefährdende Handlungen, also die faute, vornimmt oder veranlasst. Indem das französische Recht somit den Entscheider für seine konkreten Maßnahmen zur Verantwortung zieht, entspricht es strukturell zielgenauer dem rechtsökonomischen Postulat einer direkten Adressierung der Entscheidungsträger. Effizient umgesetzt werden die Personen in die Pflicht genommen, die tatsächlich die konkrete, gläubigergefährdende Maßnahme veranlasst haben. Gleichzeitig wird das ungewollte Ergebnis vermieden, dass eine Person, die sich über einen längeren Zeitraum organgleich in der Gesellschaft betätigt hat, allerdings keinerlei Verantwortung für die Insolvenzverschleppung trägt, mit der drakonischen Rechtsfolge der Insolvenzverschleppungshaftung belegt wird. Allerdings folgt auch das französische Recht dieser Orientierung am missbilligten Einzelakt nicht durchgängig: nach Ansicht der cour de cassation kann ein aktives Tun, das den Anforderungen der gérance de fait genügt, eine Folgeverantwortung des Inhalts begründen, dass auch eine Person, die als faktischer Geschäftsleiter zu qualifizieren ist, ab dem Zeitpunkt ihres aktiven Tätigwerdens eine aktive Befassungspflicht trifft1711; in Anlehnung an deutsche Diktion kann man insoweit von einer Verantwortlichkeit kraf Ingerenz sprechen; der faktische Geschäftsleiter ist für die Folgen einer von ihm in Gang gesetzten Kausalkette verantwortlich. Im Ergebnis wird man dennoch festzuhalten haben, dass das französische Recht anders als die deutsche Lehre vom faktischen Organ und das de facto 1709 Cass. com. 30. Mai 2006 (n8 de pourvoi 05-14.958); vgl. Junker, RIW 1986, 337 (342); Klein, RIW 2010, 352 (353); Marquardt/Hau, RIW 1998, 441 (442); Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (225); Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 113; Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 13; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 95. 1710 Vgl. Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 13. 1711 Cass. Com. 12. 1. 1976, D. 1976, inf. Rap. 122; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 114.

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directorship des englischen Rechts weniger auf ein organgleiches Wirken abstellt, sondern auf die Vornahme im Rahmen der action en comblement missbilligter Handlungen. bb) Unternehmensleitung Weiter muss bei einer Entscheidung Einfluss genommen worden sein auf die Geschäftsleitung, also Entscheidungsgewalt über das finanzielle oder leistungswirtschaftliche Schicksal der Gesellschaft bzw. des von ihr betriebenen Unternehmens ausgeübt worden sein1712. Gegenbegrifflichkeit ist die bloß beratende Tätigkeit1713. Als Abgrenzungskriterium zwischen verbotener Einflussnahme und legitimer Beratung fungiert die Frage, ob dem Unternehmen ein endgültiger Entscheidungsspielraum verblieben ist1714. Gleichzeitig wird verlangt, dass es sich um Maßnahmen auf dem Gebiet der Unternehmensleitung (direction) im engeren Sinn handelt. Ist beispielsweise allein das Verhältnis zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft, wie etwa das Stimmverhalten in der Hauptversammlung betroffen, kommt eine gérance de fait nicht in Betracht1715; ebenso wenig schadet die Ausübung von gesetzlichen und satzungsmäßigen Kontrollrechten durch den Aufsichtsrat im système dualiste1716. Berücksichtigt man, dass die Krisenhaftung der Geschäftsleitung der Minimierung der Agenturkosten des Fremdkapitals und nicht der Agenturkosten des Eigenkapitals zu dienen bestimmt ist, ist diese Trennung selbstverständlich. Einen entscheidenden Unterschied im Vergleich zur faktischen Organschaft im Sinne des deutschen Rechts stellt es dar, dass die Ausübung von Geschäftsführungsfunktionen keinen Außenbezug voraussetzt; ob die Person offen oder verdeckt gehandelt hat, ist unerheblich1717, maßgeblich ist allein die missbräuchliche und fehlerhafte Ausübung von Leitungsmacht, die zu einer insuffisance d’actif beige1712 Vgl. Dammann/Paszudzki, D. 2006, S. 2534; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 96; Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 13. Vgl. auch Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 107: „[…] Verantwortung für den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der juristischen Person“. 1713 Vgl. Chaput, Droit du redressement, S. 354 f.; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 112. 1714 Vgl. Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S.13. 1715 Junker, RIW 1986, 337 (343); Marquardt/Hau, RIW 1998, 441 (442); Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 13. 1716 Cass. Com., 12. 5. 2005, Arrêt N8 1238, JCP/G 2006, 362 (362 f.) mit Anm. Caussain/ Deboissy/Wicker. Vgl. auch Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91482: Unschädlichkeit der Ausübung der Personalkompetenz, auch wenn diese den Vertrauensverlust der Gläubiger in die Gesellschaft zur Folge hat. 1717 Fleischer, AG 2004, 517 (521); Junker, RIW 1986, 337 (342); Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 110 f.; vor Inkrafttreten des Gesetzes v. 25. 1. 1985 wurde dies ausdrücklich durch die Formulierung „apparents ou occultes“ klargestellt, ohne dass mit dem Wegfall dieses Kriteriums eine Änderung beabsichtigt oder eingetreten wäre. Vgl. Chaput, Droit du redressement, S. 354.

XI. Adressaten

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tragen hat. Typischen Handlungen im Außenverhältnis, etwa der Dispositionsbefugnis über die Gesellschaftskonten und Verhandlungen mit Lieferanten, Kunden und Banken, kommt lediglich die Rolle als Beweisanzeichen dafür zu, dass in unabhängiger Weise auf die Geschäftsleitung der Gesellschaft eingewirkt wurde1718. Auch hier wird offenbar, dass auch das französische Recht nicht primär die gesetzeswidrige Okkupation der Organstellung sanktioniert, sondern schädliches Verhalten durch Ausübung von Leitungsmacht. Wie de facto und Schattendirektorat nach sec. 214 IA ermöglicht die gérance de fait damit einerseits die Erfassung des sich auf die Einflussnahme im Innenverhältnis beschränkenden Entscheiders, andererseits wirkt nicht jede Beteiligung an der Geschäftsleitung per se haftungsbegründend. Nicht völlig eindeutig ist, inwieweit die Spruchpraxis dem Zeitmoment der Einflussnahme entscheidende Bedeutung zumisst. Während die Grundlagenentscheidung der Cour de Cassation die Regelmäßigkeit der Einflussnahme noch ausdrücklich hervorhebt, wird das Merkmal in nachfolgenden Entscheidungen nicht mehr im Rahmen der konstitutiven Voraussetzungen der gérance de fait erwähnt1719; auch in der Literatur finden sich kaum Bezugnahmen auf die Notwendigkeit einer dauerhaften Einflussnahme1720, nicht selten wird das Zeitmoment weder thematisiert noch überhaupt erwähnt1721. Auch eine detailliertere Analyse der bisherigen Spruchpraxis französicher Gerichte vermittelt kein eindeutiges Bild. So hat die Cour de Cassation den Einwand des Beklagten, lediglich bei zwei Gelegenheiten für die Gesellschaft agiert zu haben und deshalb nicht die Voraussetzungen faktischer Geschäftsführung zu erfüllen, als unbeachtlich zurückgewiesen1722. Entgegensetzt entscheidet demgegenüber der Berufungsgerichtshof von Paris, dem zu Folge „[…] la qualité de gérant de fait est characterisée par […] impliquant une participation continue à cette direction et un contrôle effectif et constant de la marche de la société en cause“1723. Eine abschließende Entscheidung der Frage fehlt, was nicht zuletzt auch darin begründet liegt, dass sich die cour de cassation in ihren Entscheidungen traditionell weder mit Literaturansichten noch mit der Instanzenrechtsprechung auseinandersetzt und sich die Entscheidungsbegründung in der Mehrzahl der Fälle

1718 Etwa in CA Paris 18. 10. 2011 (n8 10/25084), Bull. Joly 2012, 161 (161) mit Anm. Nurit-Pontier; Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 178; vgl. auch die Rechtsprechungsnachweise bei Martin-Serf, Rev. proc. coll. 2001, 262 (262 ff.). 1719 Die Rechtsprechung erwähnt das Merkmal im Rahmen der Definition der gerance fait regelmäßig nicht: vgl. CA Paris 18. 10. 2011 (n8 10/25084), Bull. Joly 2012, 161 (161) mit Anm. Nurit-Pontier. 1720 Anders etwa Martin, Gaz. Pal. 1991, 1 Doctr. 24 (25): „Un acte isolé n’est pas suffisant, il faut une immixtion habituelle dan la gestion de la société“. 1721 Etwa bei Le Corre, Droit des entreprises en difficulté, S. 178; Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 169. 1722 Cass. Com. 6.1. 1998, JCP/E 1998, S. 853 (zur faillite personnelle). 1723 CA Paris, Bull. Joly Sociétés 1987, 719. Vgl. auch Fleischer, GmbHR 2011, 337 (341).

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auf einen Halbsatz und damit allein auf ein tragendes Element stützt1724. Festzuhalten haben wird man dennoch, dass das französische Recht dem Zeitmoment der Einflussnahme wesentlich geringeres Gewicht beimisst als das deutsche Recht. Im Einzelfall kann auch ein kurzfristiges Tätigwerden genügen, sofern nur die Voraussetzung des positiven Tuns erfüllt ist1725. Verlangt wird in diesem Zusammenhang allein, dass sich die Einflussnahme zumindest auf einen Teil der Geschäftsführung (une partie de la gestion de la personne morale) bezieht und es sich nicht um begrenzte oder isolierte Fehler handelt (faits limités ou isolés)1726. Berücksichtigt man wiederum, dass die aus einem Geschäftsleiterhandeln resultierenden Gefahren auch bei einem einmaligen Vorgang, etwa dem Beschluss über die Durchführung eines riskanten Investitionsprojekts oder eines Devisentermingeschäfts in Tradition der Metallbank – bet-the-Company-Projekte –, immens sind und aus diesem Grunde der konkrete Entscheider hiervon abgehalten werden sollte, ist es folgerichtig, kein Umfangskriterium in den Begriff der gérance de fait aufzunehmen. Qualität der Einflussnahme muss in der Lage sein, mangelnde Quantität zu substituieren. Anderenfalls wäre wiederum eine Lage die Folge, in der der faktische Entscheider Anreize zur Ausnutzung der Haftungsbeschränkung besitzt, weil er aufgrund seiner bloß einmaligen Entscheidung keine Sanktionen zu fürchten hat. Dass es sich hierbei nicht nur im in der Theorie denkbare Lehrbuchfälle handelt, mögen die Beispiele eines im letzten Moment sich einmischenden Mehrheitsgesellschafters oder aber eines zu vergleichbar spätem Zeitpunkt hinzugezogenen externen Beraters, die jeweils mit einem „Coup“ das Ruder herumzuwerfen beabsichtigen, illustrieren. Überzeugende materiell-rechtliche Argumente für eine Ausklammerung bloßer Einzelakte lassen sich demgegenüber nicht ausmachen. Allein prozessual gilt es, bei nur einmaliger Einflussnahme sehr zurückhaltend zu sein. Ein nur einmaliges Tätigwerden, das sich darüber hinaus im Außenverhältnis nicht manifestiert, begründet berechtigte Zweifel, ob die betreffende Person tatsächlich über Letztentscheidungskompetenz verfügt hat. Dem kann jedoch durch hinreichend restriktive beweisrechtliche Anforderungen an den Nachweis der Einflussnahme bei einer Entscheidung sowie dem weiteren Kriterium der souveränen und unabhängigen Stellung in adäquater Weise Rechnung getragen werden. cc) Souveräne und unabhängige Stellung Schließlich muss die entsprechende Person weisungsunabhängig sein bzw. gehandelt haben; insbesondere Arbeitnehmer und höhere Angestellte werden hierdurch 1724 Ausführlichere Begründungen wesentlicher Rechtsprechung finden sich allenfalls in den Jahresberichten (rapport annuel) der cour, die allerdings im Regelfall nicht zuletzt die Funktion als rechtspolitisches Forum des Gerichtshofs erfüllen und mittels derer die Cour Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen sucht. 1725 Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 118; Terboven, Managerhaftung in Deutschland und Frankreich, S. 13. 1726 Vgl. Porrachia, Rev. sociétés 2006, 404 (406); Haas, NZI 2006, 494 (496).

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ausgeklammert1727. Die dahinter stehende Logik ist evident. Bei weisungsgebundener Tätigkeit ist nur der Weisungsgeber Geschäftsleiter i.S.v. Entscheider, während die Angestellten aufgrund ihrer subordinierten Stellung gegenüber den Organen der Gesellschaft nicht entscheiden, sondern Entscheidungen ausführen1728. Anders ist die Verantwortlichkeit einer grundsätzlich weisungsgebundenen Person erst und nur dann zu beurteilen, wenn diese die Entscheidungsgewalt an sich gerissen hat1729. In einer solchen Situation spekuliert nicht das satzungsmäßig bestellte Organ auf Kosten der Gläubiger, sondern der Angestellte. Er trifft die Entscheidung, die gläubigergefährdende Strategie höchst unsicherer Ertragserwartungen zu implementieren. Nicht formale Stellung als Organ gefährdet die Gläubiger, sondern konkrete Handlungen der beteiligten Personen. Zudem kann ein Angestellter in gleicher Weise wie ein Fremdgeschäftsführer dem revidierten Anreizsystem ausgesetzt sein. Wie dieser hat auch ein Angestellter den Anreiz, sein Arbeitsverhältnis in dieser Gesellschaft zu erhalten, um die transaktionsspezifischen Investitionen zu retten. Schließlich würde durch eine andere Betrachtung erneut Umgehungsstrategien Vorschub geleistet, was zutreffend dahingehend formuliert worden ist, dass auch hier gelte, dass, wer sich eines vorgeschobenen Werkzeugs bedient, es weder verdient noch damit rechnen darf, von der Haftung für Geschäftsleitungsmaßnahmen freigestellt zu sein1730. dd) Fallgruppen der gérance de fait Grundsätzlich gilt auch für das französische Recht, dass die Qualifikation als gérant de fait eine Frage des Einzelfalls ist1731. Dennoch sind es auch hier die bereits genannten Personen- und Berufsgruppen, bei denen strukturell eine Nähe zur Figur des gérant de fait besteht, so dass Typologisierungen ihrer Voraussetzungen notwendig erscheinen1732. 1727 Vgl. Dammann/Paszkudzki, D. 2006, S. 2534; Junker, RIW 1986, 337 (343); Marquardt/Hau, RIW 1998, 441 (442); Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 13; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 535 f.; allgemein zur Haftung nachgeordneter Unternehmensangehöriger Fleischer, AG 2004, 517 (526). Die Weisungsgebundenheit gegenüber Dritten ist demgengeüber im Rahmen der gérance de fait unbeachtlich, vgl. Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 115. 1728 Vgl. Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 14; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 104. 1729 Cass. com. 6. 10. 1981 (N8 de pourvoi 77-15265); cass. crim. 12. 12. 1988 (N8 de pourvoi: 88-81353) bull. crim. 1988 N8 421, p. 1116. Vgl. Fleischer, AG 2004, 517 (521); Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 114; Wood, Principles of International Insolvency, S. 590. 1730 Vgl. Junker, RIW 1986, 337 (340). 1731 Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 94 f.; Dammann/ Paszkudzki, D. 2006, S. 2534. 1732 Vgl. Wood, Principles of International Insolvency, S. 590 f. Vgl. auch Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 119 ff., der zudem weitere, vorliegend nicht im Fokus stehende Fallgruppen diskutiert.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

(1) Gesellschafter Auch das französische Recht folgt dem Grundsatz, dass Gesellschafter, auch Mehrheitsgesellschafter, nicht eo ipso dirigeants de fait sind1733. Die Inanspruchnahme des Gesellschafters setzt nach allgemeinen Grundsätzen positives Tun bei der Geschäftsleitung in Unabhängigkeit voraus1734. Dementsprechend begründet das Halten einer (Mehrheits-)Beteiligung keine gérance de fait, solange sich der Gesellschafter auf die Teilnahme an der Anteilseignerversammlung1735 und die Ausübung sonstiger Gesellschafterrechte beschränkt1736, weil hierin gerade keine Einflussnahme auf die Geschäftsleitung gesehen werden kann. Gesetzlich erlaubtes Verhalten zieht keine Haftung nach sich. Ebenso wenig ist es möglich, eine insuffisance d’actif unter dem Gesichtspunkt der Nachlässigkeit dem Gesellschafter zuzuschreiben1737; selbst bei Kenntnis fortlaufender Verluste ist ein Gesellschafter nicht verpflichtet, das Gericht anzurufen. Hinzutreten muss eine Einflussnahme, die eine nicht nur strukturelle, sondern konkrete Zurechenbarkeit des Geschäftsleitungsfehlers ermöglicht. Idealtypische Konstellation ist auch in Frankreich die Einschaltung eines Strohmannes zur Umgehung bestehender Bestellungshindernisse1738. Wiederum gilt, dass mit der grundsätzlichen Freistellung des Gesellschafters eine Funktionsvoraussetzung einer effektiven Trennung von Eigentum und Kontrolle verwirklicht wird. Erst wenn der Gesellschafter durch opportunistisches Verhalten aktiv die Befriedigungschancen der Gläubiger gefährdet, muss er mit einer Inanspruchnahme rechnen. Die Struktur der S.à.r.l. erleichtert dabei im Vergleich zur deutschen GmbH die Abgrenzung zwischen legitimer und haftungsbegründender Einflussnahme von Gesellschafterseite, da die Geschäftsführer grundsätzlich weisungsunabhängig sind1739.

1733 Cass. com. 2. 11. 2005; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 275 = S. 159; Klein, RIW 2010, 352 (353); Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (225 f.); Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 95; Hirschmann, Neue Gestaltungsfreiheit im französischen Gesellschaftsrecht: Die SAS, S. 121; Süß, EuZW 1996, 65; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 112 f. u. S. 124. 1734 Cass. com., Urt. v. 15. 12. 1982 (Aktenzeichen des Rechtsmittels fehlt im Urteil). Vgl. Haas, NZI 2006, 494 (496); Zimmermann, Haftung von Geschäftsführern und Gesellschaftern in Frankreich, S. 54 f. 1735 Vgl. Dammann/Paszkudzki, D. 2006, S. 2534; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (204); Haas, NZI 2006, 494 (496); Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 275 = S. 159. 1736 Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91482; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 113. 1737 Zimmermann, Geschäftsleiterhaftung in Frankreich, S. 54. 1738 Cass. com. 25. 1. 1994 (N8 de pourvoi 91-2007); vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen auch Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 120 f. 1739 Vgl. Becker, GmbHR 2003, 220 (220); dies., GmbHR 2003, 162 (165); Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459 (463).

XI. Adressaten

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(2) Banken Auch im Rahmen der action en responsabilité pour l’insuffisance d’actif kommen Banken als Adressaten in Betracht1740. Vergleichbar der deutschen Bankenhaftung nach § 826 BGB unterscheidet auch das Institut der gérance de fait – zumindest in der Theorie – trennscharf zwischen Maßnahmen im allgemeinen Gläubigerinteresse und kollusivem opportunistischen Zusammenwirken mit der Geschäftsleitung zu Lasten weiterer Gläubiger1741. Zunächst gilt als allgemeiner Grundsatz, dass die Kreditgewährung als solche1742 wie auch die Erteilung bloßer Ratschläge durch einen Finanzgläubiger1743 nicht haftungsbegründend wirkt. Selbst die Stellung als „mächtiger Gläubiger“ begründet nicht eo ipso eine Haftung als faktischer Geschäftsführer1744. Kritisch wird eine Kreditgewährung in der Krise, wenn gleichzeitig Entscheidungskompetenzen und Kontrollrechte auf das Kreditinstitut verlagert werden1745. Die Übertragung von Kontrollrechten an sich begründet zwar noch keine gérance de fait, zieht aber eine Vertretbarkeitskontrolle der Einflussnahme durch das Kreditinstitut nach sich. Als Faustregel gilt, dass Maßnahmen, die allein dazu dienen, die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung des Darlehens zu erhöhen, risikolos sind1746. Unschädlich ist nach Ansicht der Rechtsprechung die Ausübung von Kontrollrechten, um die Verwendung der überlassenen Mittel zu überwachen1747, das Verlangen, einen unfähigen Geschäftsleiter abzuberufen oder die Erstellung eines validen Sanierungskonzepts1748. Die Grenze zwischen legitimer Einflussnahme und unerlaubter Geschäftsleitung durch ein Kreditinstitut wird hingegen überschritten, wenn sich Kreditgeber in er1740

Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 275 = S. 159; Dammann/ Paszkudzki, D. 2006, S. 2534; Porrachia, Rev. sociétés 2006, 904 (904); Ehricke, Das abhängige Kozernunternehmen in der Insolvenz, S. 539. 1741 Vgl. Dammann/Paszkudzki, D. 2006, S. 2534: „La condamnation du banquier à combler l’insuffisance d’actif ne peut intervenir que dans des circonstances exceptionelles“. 1742 Vgl. Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 112; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 97. 1743 Cass. com. 23. 03. 1971 (N8 de pourvoi: 70-10308), Bull. civ. IV n8 91. Vgl. Dammann/ Paszkudzki, D. 2006, S. 2534; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 97. 1744 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, droit des sociétés, Rn. 275 = S. 159. 1745 Vgl. Hirschmann, Neue Gestaltungsfreiheit im französischen Gesellschaftsrecht: Die SAS, S. 121; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 112; Wood, Principles of International Insolvency, S. 613. 1746 Vgl. Junker, RIW 1986, 337 (343); Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 539; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (204). 1747 Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 539; Dammann/ Paszukdzki, D. 2006, S. 2534. 1748 Vgl. Fleischer, AG 2004, 517 (521); Junker, RIW 1986, 337 (343); Hirschmann, Neue Gestaltungsfreiheit im französischen Gesellschaftsrecht: Die SAS, 121 Fn. 453; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 539 f.; Memento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91482.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

heblicher Weise in die Geschäftsführung einmischen, sich an der Gesellschaft beteiligen, durch ständige Verlustübernahme das geschäftliche und finanzielle Schicksal in der Hand haben oder aber ein Direktor entsandt wird, der die Leitung der Gesellschaft zum Vorteil des Kreditgebers übernimmt1749. Zur Beantwortung der Frage, wann von einer Übernahme der Leitung der Gesellschaft in diesem Sinne auszugehen ist, stellt die Rechtsprechung maßgeblich auf die allgemeinen Voraussetzungen der gérance de fait ab. Bedeutung kommt insbesondere dem Umstand zu, ob die Bank ihre Vorstellung durch Drohungen oder Ultimaten durchzusetzen vermag1750. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass das französische Recht die vom deutschen Recht bewusst nicht nachvollzogene Grundentscheidung getroffen hat, unter engen Voraussetzungen auch die bloße Kreditprolongation haftungsrechtlich zu sanktionieren. Nach dem eigenständig in Art. L. 650-1 C. Com. geregelten Institut des soutien abusif kann ein Kreditgeber, insbesondere eine Bank, dann in eine Haftung einrücken, wenn er durch fortgesetzte Kreditgewährung den Todeskampf der Gesellschaft künstlich verlängert, obwohl das Schicksal der Gesellschaft erkennbar besiegelt war, oder aber eine „ruinöse Kreditpolitik des Unternehmens“ (Sonnenberger/Dammann) unterstützt wird1751. Im Ergebnis erlaubt das französische Recht damit Einflussnahmen durch Finanzgläubiger auch in Zeiten der Krise, sofern hierdurch keine fremdkapitalbezogenen Agenturkosten für die weiteren Gesellschaftsgläubiger geschaffen werden. Indem das Verhalten der Bank einen Geschäftsleitungsfehler darstellen muss, der zur Vermögensinsuffizienz beigetragen hat, werden sowohl die im allgemeinen Gläubigerinteresse liegende Etablierung eines Kontrollsystems als auch wünschenswerte Sanierungsarbeiten ermöglicht. In derartigen Fällen wirkt die Bank faktisch als mittelbarer Überwacher für die Gesamtgläubigerschaft, so dass die Möglichkeit einer Reduzierung der financial agency costs besteht. (3) Aufsichtsräte Aufsichtsräte einer dualistisch strukturierten SA sind solange nicht Adressaten der action en comblement du passif, wie sie nicht die Anforderungen der gérance de fait erfüllen1752. Ein Mitglied des conseil de surveillance wird damit dann zum Adressaten der action en comblement, wenn es sich unter den benannten Umständen

1749

Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 540; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz, S. 97; Marquardt/Hau, RIW 1998, 441 (442); Porrachia, Rev. sociétés 2006, 904 (908). Vgl. auch Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 275 = S. 159. 1750 Vgl. Dammann/Paszkudzki, D. 2006, S. 2534. 1751 Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. VIII 19 = S. 513. 1752 Vgl. Chaput, Droit du redressement, S. 354; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 112 u. 123; Süß, EuZW 1996, 65.

XI. Adressaten

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in die Geschäftsleitung der späteren Gemeinschuldnerin eingemischt hat1753. Auch für das französische Recht gilt damit, dass der unterschiedlichen haftungsrechtlichen Relevanz von reiner Beratung und Kontrolle einerseits und Entscheidung andererseits Rechnung getragen wird. (4) Berater Die Haftung von Beratern regelt das französische Recht im Ergebnis in gleicher Weise wie das englische. Da für eine gérance de fait positives Handeln bei einer Entscheidung verlangt wird, führt die Erteilung von Ratschlägen und Empfehlungen nicht zu einer Haftung1754. Als kritisch erweist sich auch hier die Abgrenzung zwischen bloßer Beratung und der Ausübung faktischer Entscheidungsrechte1755. Übernimmt ein Berater die Geschäftsleitung, ist er für die in diesem Zusammenhang auftretenden Geschäftsleitungsfehler verantwortlich1756. Wie dargestellt, handelt es sich hierbei jedoch primär um ein beweisrechtliches Problem. Die Praxis vermeidet die ungerechtfertigte Haftung von Beratern, indem sie zu Recht von der Vermutung ausgeht, dass die Letztentscheidungsbefugnis bei der Geschäftsleitung der Gemeinschuldnerin verblieben ist. Die Grenze zulässiger und haftungsfreier Beratung als überschritten angesehen hat die Rechtsprechung etwa dann, wenn der Vorsitzende eines rechtberatenden Gremiums (cabinet de conseils juridique) Markststudien erstellt, potenzielle Investoren ermittelt, Unternehmenspräsentationen für Dritte hält, die Kommunikation mit Finanzinstituten (organismes financières) verantwortet, eine im Übrigen maßgebliche Stellung im Außenverhältnis einnimmt sowie ein besonderes persönliches Interesse aufgrund einer ausgereichten Bürgschaft hat1757. Es entlastet einen Berater nicht, dass er die faktische Geschäftsleitung erst zu einem Zeitpunkt übernommen hat, in dem das wirtschaftliche Schicksal der Gesellschaft bereits besiegelt war1758 ; was selbstverständlich ist, berücksichtigt man, dass die action en comblement du passif anders als etwa die Haftung nach § 64 S. 3 GmbHG nicht nur Insolvenzursachungs-, sondern auch Insolvenzvertiefungshaftung ist.

1753 Vgl. Chaput, Droit de redressement, S. 354; Redenius-Hoevermann, La responsabilité des dirigeants, S. 169 f. 1754 Chaput, Droit du redressement, S. 354 f.; Memento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés Commerciales 2013, Rn. 91470; Junker, RIW 1986, 337 (342); Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 112 u. 122. 1755 Vgl. hierzu Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 537. 1756 Cass. Com. 15. 2. 2011 (n8 de pourvoi 10 – 11.781) (unveröffentlicht): Anwalt und Mehrheitsaktionär, der die eigentliche Geschäftsleitung innehatte. Vgl. Allgemein auch Wood, Principles of International Insolvency, S. 590. 1757 Toulouse, 25. 1. 1993, JCP/E 1993, I, Pan. 1412 (= S. 451); vgl. auch Rontchevsky, Code de Commerce 2013, Art. L. 651-2 C. Com. Rn. 11; Stadler, Manangerhaftung in der Insolvenz, S. 123. 1758 Cass. com. 18. 5. 1980 (N8 de pourvoi: 78-13483); Wood, Principles of International Insolvency, S. 613.

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

(5) Konzerne Auch das französische Recht besitzt de lege lata keine den §§ 291 ff., 311 ff. AktG vergleichbare Konzernverfassung, die Anspruch auf Vollständigkeit erheben könnte1759. Lediglich Einzelvorschriften knüpfen an konzernrechtliche Tatbestände wie Kapitalbeteiligung, Stimmrechtsmacht, Beherrschung, Abhängigkeit, wirtschaftliche und soziale Einheit sowie an den Begriff „Konzern“ (groupe de sociétés) an1760. Eine Haftung im Konzern kann sich jedoch nach allgemeinen Vorschriften ergeben1761, wobei im Falle der Insolvenz der abhängigen Gesellschaft insbesondere eine Haftung der Konzernobergesellschaft als dirigeant de fait im Rahmen der action en comblement du passif im Raum steht1762. Eine Konzernstrukturhaftung ist der action en comblement du passif fremd1763. Nicht anders als bei bloßer Mehrheitsherrschaft gilt auch im Konzern, dass nach dem Prinzip der Haftungsbeschränkung jede Gesellschaft nur für die eigenen Verbindlichkeiten haftet1764. Zwar ist struktureller Anknüpfungspunkt einer Einstandspflicht der Konzernobergesellschaft gemäß Art. L. 651-2 C. com. die Interessenverflechtung zwischen den einzelnen Gesellschaften, die Abhängigkeit der Untergesellschaft sowie der bestimmende Einfluss der Konzernmutter bzw. ihre Autorität gegenüber den Organen der Tochtergesellschaft1765. Notwendig ist dennoch entsprechend den allgemeinen Grundsätzen ein weisungsfreies positives Handeln seitens der Konzernmutter bei einer unternehmerischen Entscheidung1766. Das Erfordernis positiven Tuns setzt voraus, dass sich die aufgrund Konzernierung abstrakt bestehende Ein-

1759

Guyon, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Frankreich, 76 (77 ff.); Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 501; Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 100; Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 6 f.; Maul, NZG 1998, 965 (965); Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (226); Terboven, Managerhaftung in Frankreich und Deutschland, S. 65; Lutter, NJW 1967, 1153 (1155); Ebenroth/Reiner, BB 1992, 1 (2). 1760 Vgl. Pariente, ECFR 2007, 317 (317 ff.); Ebenroth/Reiner, BB 1992, 1 (3); Guyon, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Frankreich, 77 (77 ff.); Maul, NZG 1998, 965 (965); Großerichter, in: Sonnnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S. 328: Art. L. 233-1 ff. C. Com. enthalten „Ansätze eines Konzernrechts“. 1761 Einen deutschsprachigen Überblick über die Haftung der Muttergesellschaft nach französischem Recht bietet Maul, NZG 1998, 965 (968). 1762 Vgl. Guyon, Das Recht der Gesellschaftsgruppe in Frankreich, 76 (91); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 6; Maier-Bridou, Die GmbH in Frankreich, S. 92; Ebenroth/Wilken, BB 1992, 10 (10); Maul, NZG 1998, 965 (972). 1763 Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 127. 1764 Vgl. Ebenroth/Wilken, BB 1992, 1 (10); Wood, Principles of International Insolvency, S. 602. 1765 Vgl. Ebenroth/Wilken, BB 1992, 1 (11). 1766 Junker, RIW 1986, 337 (342); Fleischer, AG 2004, 517 (522); Wood, Principles of International Insolvency, S. 602.

XI. Adressaten

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flussnahmemöglichkeit im Einzelfall zu konkreten Handlungsanweisungen verdichtet hat1767. Archimedischer Punkt ist damit die Abgrenzung zwischen unverbindlicher Empfehlung und auf faktischem Entscheidungsrecht beruhender verbindlicher Weisung1768. Eine Konzernmutter ist nach der Rechtsprechung dann faktischer Geschäftsführer, „si elle s’est immiscée dans la direction générale de la société filiale, situation courante, ou si la dépendance financière, commerciale, administrative de la filiale est avérée“1769. Maßgeblich ist, dass die Muttergesellschaft aktiven Einfluss auf Leitung und Geschäftsführung der Untergesellschaft nimmt und diese Einflussnahme für die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft zumindest faktisch verbindlich ist1770. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn der Präsident des Verwaltungsrates der Obergesellschaft in wöchentlichen Treffen die Untergesellschaft instruiert und für diese auch im Außenverhältnis agiert1771. Nach den Banque WormsEntscheidungen der cour d’appel de Versailles und der cour de cassation können die Voraussetzungen faktischer Geschäftsführung auch dann vorliegen, wenn nicht die Gesellschaft selbst, sondern von ihr entsandte Strohmänner (gérance de fait par personne interposée) Leitungsmacht in der Tochtergesellschaft ausgeübt haben (exercer en fait des pouvoirs de direction sur la société)1772. Im zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte sich die Banque Worms durch eine 20 %-ige Beteiligung an der SPAD 24 zum Zwecke der Finanzierung spekulativer Immobiliengeschäfte beteiligt. Zugleich gewährte sie weiteren Konzerngesellschaften Darlehen in einer Gesamthöhe von 80.000.000,00 Francs. Im Gegenzug wurde der Banque Worms das Recht eingeräumt, zwei Personen in den Verwaltungsrat der SPAD 24 sowie Repräsentanten in das strategische Gremium (comité stratégique)1773 der SPAD 24 zu entsenden, um dort – so die Feststellungen des Gerichts – entsprechend den Weisungen der Bank zu agieren. Die betreffenden Personen wurden nicht als Repräsentanten der juristischen Person (répresentant permanent de la personne morale) gemäß Art. L. 225-20 C. com.1774, sondern à titre personnel entsandt. Gegen 1992 geriet die 1767

Vgl. Ebenroth/Wilken, BB 1992, 1 (11); Marquardt/Hau, RIW 1998, 441 (442); Haas, NZI 2006, 494 (496). 1768 Zahn, Geschäftsleiterhaftung und Gläubigerschutz in Frankreich, S. 101. 1769 Vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, droit des sociétés, Rn. 1560 = S. 793; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 127. Aus der Rechtsprechung auch die Entscheidung der cour de cassation im berühmten Nadler Gourdain-Fall: Cass. Com. 31. 1. 1978, D. 1978, Inf. rap. S. 286. 1770 Cass. Com. 31. 1. 1978, D. 1978, Inf. rap. S. 286; Stadler, Managerhaftung in der Insolvenz, S. 127. 1771 Cass. com. 19. 10. 1993 (N8 de pourvoi: 91-14040). 1772 Vgl. Porrachia, Rev. sociétés 2006, 904 (904 f.). 1773 Vergleichbar einem executive committee nach dem Vorbild der Deutsche Bank AG. 1774 Für den Fall, dass von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, eine juristische Person zum administrateur einer SA gemäß Art. L. 225-20 C. Com. zu bestellen, verlangt das französische Recht zugleich die Benennung eines ständigen Vertreters (répresentant permanent) der juristischen Person, der für die Erfüllung der Verpflichtungen der juristischen Person

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§ 7 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung

Gesellschaft aufgrund von Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt in derart ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten, dass die Tochtergesellschaften nicht mehr in der Lage waren, ihren Bankverpflichtungen nachzukommen. Auf Seiten der Banque Worms kam man im September des gleichen Jahres intern zu der Überzeugung, dass Eigen- und Fremdkapitalanteil an der SPAD ein unvernünftiges Ausmaß angenommen hätten. Ende 1996 wurde schließlich das Insolvenzverfahren über das Vermögen der SPAD 24 und weiterer Konzerngesellschaften (confusion des patrimoines) eröffnet, wobei sich eine insuffisance d’actif in Höhe von 93.000.000 E offenbarte. Berufungsgericht und Kassationsgerichtshof verurteilten die Banque Worms persönlich als faktische Geschäftsführerin mit der Begründung, dass eine Bank „peut être déclarée responsable de ces fautes, sur le fondement de l’article L. 624-3 du code de commerce, la personne morale qui, sans être dirigeant de droit de la société en redressement ou liquidation judicaire, a exercé en fait, par l’intermédiaire d’une personne physique qu’elle a choisie et qui a agi sous son emprise, des pouvoirs de direction sur la société“. Die Haftung der Bank ist nach dieser Konzeption unabhängig von ihrer institutionellen Position gegenüber der Gemeinschuldnerin1775. Insbesondere muss die konstitutive Ausübung faktischer Leitungsmacht nicht durch den dirigeant de fait persönlich und unmittelbar erfolgen1776. Dies erscheint insoweit zutreffend, als es keine Rolle spielen darf, ob die entsprechenden Personen formal als Repräsentanten der Bank oder à titre personnel entsandt werden. Anderenfalls wäre eine Umgehung der Vorschriften über die gérance de fait, die ihrerseits ja gerade Umgehungsschutz bezwecken, durch einfaches Zwischenschalten einer weiteren natürlichen oder juristischen Person möglich1777. Gleichzeitig verlangt auch die Fallgruppe der gérance de fait par personne interposée die schwierige Abgrenzung zwischen Fällen, in denen die zwischengeschaltete Person den Willen der im Hintergrund stehenden juristischen oder natürlichen Person verwirklicht und solchen, in denen die Mittelsperson eigene Entscheidungen fällt: „a exercé, en fait, par l’intermédiaire d’une personne physiques qu’elle a chosie et qui a agi sous son emprise des pouvoirs de direction“1778. Im konkreten Fall hat die cour de cassation maßgeblich darauf abgestellt, dass die Vertreter der Bank als solche in die Leitungs- und Kontrollgremien der SPAD 24 entsandt wurden und keinerlei Möglichkeit gehabt hätten, sich Direktiven der Bank zu widersetzen. Den fehlenden Spielraum der Strohmänner für eigenständige Entscheidungen sah der Kassationsgerichtshof begründet durch die arbeitsvertragliche Verpflichtung, die Interessen der persönlich einzustehen hat, vgl. Art. L. 225-20 C. Com.: „Lors de sa nomination [der juristischen Person zum Mitglied des Verwaltungsrats, A.d.V.], elle est tenue de désigner un répresentant permanent qui est soumis aux mêmes conditions et obligations et qui encourt les mêmes responsabilités civile et pénale que s’il était administrateur de son nom propre, sans préjudice de la responsabilité solidaire de la personne morale qu’il représente“. 1775 Vgl. Dammann/Paszkudzki, D. 2006, S. 2534. 1776 Vgl. Porrachia, Rev. sociétés 2006, 904 (905). 1777 Vgl. auch Porrachia, Rev. sociétés 2006, 904 (904 f.). 1778 Vgl. Porrachia, Rev. sociétés 2006, 904 (905).

XI. Adressaten

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Obergesellschaft zu wahren sowie durch die Möglichkeit, die entsandten Personen jederzeit abzuberufen1779. Selbst bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wird jedoch keine Konzernstrukturhaftung begründet1780. Sachgerechte Konzernleitung begründet keine Haftung, vielmehr muss vergleichbar dem englischen Recht der im Rahmen der action en comblement du passif notwendige Verhaltensvorwurf hinzutreten1781. Allerdings werden neben den allgemeinen Anforderungen an ordnungsgemäßes Geschäftsleiterverhalten auch konzernspezifische Risiken unter dem Merkmal der faute auf ihre wirtschaftliche Vertretbarkeit hin überprüft. So hat die cour de cassation etwa in der Auslagerung eines defizitären Unternehmensteils auf eine eigenständige Gesellschaft unter gleichzeitiger Wahrung der faktischen Leitungsmacht eine haftungsbegründende faute de gestion erkannt1782. Dennoch gilt, dass solange keine faute de gestion vorliegt, eine Haftung nach Art. L. 651-2 C. Com. – auch bei faktischer Geschäftsleitung durch die Obergesellschaft – nicht in Betracht kommt. Die action en comblement du passif stellt somit einen Ansatzpunkt für eine krisenspezifische Konzernverhaltenshaftung dar. Ihre praktische Bedeutung als Instrument des Gläubigerschutzes im Konzern wird allerdings beeinträchtigt durch den empirischen Befund, dass sie nur in wenigen Fällen Grundlage einer Verurteilung war1783, wobei einerseits Beweisschwierigkeiten, andererseits die Neigung der französischen Rechtsprechung, subtile Konzerneinflussformen nicht als Geschäftsleitungsmaßnahmen zu erfassen, hierfür verantwortlich gemacht werden1784. Zu ergänzen ist wiederum, dass auch in Konzernsachverhalten eine Haftung der finanzierenden Muttergesellschaft wegen soutien abusif in Betracht kommt1785.

1779

Vgl. Porrachia, Rev. sociétés 2006, 904 (905). Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 531 f. 1781 Deutlich Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 531; vgl. auch Hopt, ZHR 171 (2007), 199 (228); Ebenroth/Wilken, BB 1992, 1 (11). 1782 Cass. com. 19. 10. 1993 (N8 de pourvoi: 91-14040); vgl. Wood, Principles of Corporate Insolvency, S. 603. 1783 Vgl. Ebenroth/Wilken, BB 1992, 1 (12). Etwa in cass. com. 19. 10. 1993 (N8 de pourvoi 91-14040). 1784 Vgl. Ebenroth/Wilken, BB 1992, 1 (12); Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 554. 1785 Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. VIII 19 = S. 513. 1780

§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung I. Informationsmodell Ausgehend von dem Befund der theoretischen Überlegenheit der Marktlösung wurde mindestens bis zu den Verwerfungen der Finanzmarktkrise nach dem Vorbild der angelsächsischen Länder1 verstärkt ein Abbau zwingender gesellschafts- und kapitalmarktrechtlicher Verhaltensregeln gefordert und ihre Substituierung durch weitreichende Publizitätspflichten empfohlen2. Der Schutz gegen allgemeine Ausfall- bzw. Insolvenzrisiken wie auch die besonderen Risiken der Haftungsbeschränkung hat hiernach grundsätzlich im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu erfolgen3. 1

Zur Bedeutung des Paradigmas der creditor self help in den angelsächsischen Ländern vgl. etwa Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 14 f. Auch die Company Law Reform 2006 baut auf diesen Grundsätzen auf vgl. Davies/Rickford, ECFR 2008, 48 (49 ff.). Zu beachten ist aber auch, dass die weitreichenden Publizitätspflichten des US-amerikanischen Rechts (1) auf public corporations beschränkt und (2) primär dem Anleger- bzw. Investorenschutz verpflichtet sind, vgl. Merkt, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 93 (105). Im Rahmen der Corporate Governance setzt die Kommission weiterhin auf Information und Publizität, vgl. etwa Hopt, ZGR 2013, 165 (185 ff.). 2 Vgl. Grundmann, DStR 2004, 232 (232 ff.); Leyens, JZ 2007, 1061 (1064); Miola, ECFR 2005, 413 (421 ff.); Seibt, ZHR 171 (2004), 282 (295 ff.); Pellens/Schmidt, ZGR 2008, 381 (386). Vgl. auch EuGH, Urt. v. 30. 9. 2003 – Rs. C 167/01, NZG 2003, 1064 (1071 Nr. 135) – „Inspire Art“. Kritisch allerdings die German Experts on Corporate Law, ZIP 2002, 1310 (1311): „Informations- und Veröffentlichungspflichten (disclosure requirements) können nur ganz ausnahmsweise [sic!, A.d.V.] effizientere Wirkung entfalten als inhaltliche Regelungen. Für den Regelfall sollten Informations- und Veröffentlichungspflichten nicht als Ersatz für inhaltliche Regelungen konzipiert werden, sondern nur ergänzend zu diesen hinzutreten“. Zum Informationsmodell unter rechtsökonomischen Gesichtspunkten vgl. auch Rehberg, Der staatliche Umgang mit Information, S. 3 ff. sowie Spindler/Klöhn, Kommentar zu Markus Rehberg, S. 1 ff. Zur Debatte um das Paradigma der Corporate Governance (Gesellschaftsrecht oder Kapitalmarktrecht) etwa Merkt, AG 2003, 126 (126 ff.). Für ein alternatives GovernanceModell, in dem zwingende Publizitätspflichten durch Mitbestimmung der Arbeitnehmer ersetzt bzw. begrenzt werden sollen, Hertig, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 121 (121 ff.) mit Hinweis auf die stark durch Geschäftsbanken geprägte Wirtschaftsverfassung Kontinentaleuropas. 3 Paradigmatisch etwa North American Catholic Educational Programming Foundation Inc. v. Gheewalla, Del., 930 A. 2d 92 (2007) 99: „It is well established that the directors owe their fiduciary obligations to the corporation and its shareholders. While shareholders rely on directors acting as fiduciaries to protect their interests, creditors are afforded protection through contractual agreements, fraud and fraudulent conveyance law, implied covenants of good faith and fair dealing, general commercial law and other sources of creditor rights. Delaware courts

I. Informationsmodell

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Gerechtfertigt ist diese Herangehensweise immer dann, wenn die Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger ausreichen, um sich die Risiken einer Finanzierungsbeziehung über vertragliche Abreden vergüten zu lassen. Voraussetzung hierfür ist grundsätzlich allein, dass die Gläubiger möglichst umfassende Information über die relevanten Risikogesichtspunkte besitzen4. Je vollständiger die Informationsgrundlage, desto besser, also präferenzkonformer das durch den Markt generierte Ergebnis5. Im Informationsmodell hat der Gesetzgeber allein sicherzustellen, dass die für die jeweilige Transaktion notwendigen Informationen zur Verfügung stehen und diese inhaltlich korrekt sind. Die Umsetzung dieser Information in gläubigerschützende bi- und multilaterale Regelungen bleibt demgegenüber den Parteien überlassen. Die jedem realen Regelungsmodell notwendig immanenten Lücken werden darüber hinaus durch Reputationsmechanismen zumindest in Teilen geschlossen. Wenn auch das Informationsmodell zahlreiche Vorteile aufweist, kann es gerade im vorliegenden Kontext nicht als absolutes Substitut einer Krisengeschäftsleiterhaftung bezeichnet werden6. Zunächst sprechen hiergegen die bereits beschriebenen allgemeinen Probleme des creditor self help approach wie etwa die oftmals mangelnde Zeitnähe der durch gesetzliche Publizitätspflichten zur Verfügung gestellten Daten7, die dadurch induzierten Kosten der Ermittlung der Rückzahlungswahrscheinlichkeit im Fälligkeitszeitpunkt, die insbesondere bei langfristigen Verträgen schwierig ist8 und die Kosten nachvertraglicher Kontrolle9. Ungelöst bleiben nicht zuletzt die Berücksichtigung der legitimen Interessen der unfreiwilligen Gläubiger10 und der Umstand, dass die Einpreisung der durch die krisenbedingte Revision des Anreizsystems Fehlanreize volkswirtschaftlich keinen effizienten Zustand darstellt. Diesen generellen Kritikpunkten lässt sich allerdings entgegenhalten, dass auch eine gesetzliche Haftungsregel mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist. Ob eines der beiden Regelungsmodelle generell überlegen ist, kann vor dem Hintergrund fehlender hinreichend valider Studien zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden, ist vorliegend jedoch auch nicht erforderlich. Das spehave traditionally been reluctant to expand existing fiduciary duties. Accordingly, ,the general rule is that directors do not owe creditors duties beyond the relevant contractual terms‘“. 4 Vgl. Lennarts, EBOR 8 (2007), 131 (134); Pellens/Schmidt, ZGR 2008, 381 (386). 5 Vgl. zu diesem Begründungsstrang etwa Merkt, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 92 (97 ff.). 6 A.A. die Contractarians im Rahmen der Debatte um die creditor-regarding-duties in the vicinity of insolvency. 7 Vgl. Lennarts, EBOR 8 (2007), 131 (134); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 15. 8 Vgl. Lennarts, EBOR 8 (2007), 131 (134 f.); vgl. auch Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 15. 9 Vgl. Lennarts, EBOR 8 (2007), 131 (135); Leyens, JZ 2007, 1061 (1064). 10 Vgl. Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 15; Merkt, AG 2003, 126 (129).

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§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung

zielle Problem der Fehlanreize in der Krise der Kapitalgesellschaft vermag das Informationsmodell grundsätzlich auch bei verbesserter Informationsgrundlage nicht zu bewältigen11. Allerdings hat Hirte im hier interessierenden Kontext unlängst die These aufgestellt, dass bei einem Übergang von HGB- zu IFRS-Bilanzierung auch im Rahmen der Überschuldungsmessung ein Verzicht auf die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleitungsorgane und damit auch auf die an diese anknüpfende Insolvenzverschleppungshaftung in Betracht komme12. Dem liegt die zutreffende Überlegung zu Grunde, dass bei hinreichend genauer Kenntnis der finanzwirtschaftlichen Risiken die Gläubiger durch Ausübung ihres Insolvenzantragsrechts selbst in der Lage sind, eine insolvenzreife Schuldnerin aus dem Markt zu entfernen bzw. in das staatliche Reorganisationsverfahren zu überführen. Gleichzeitig würden langwierigere Sanierungsprozesse, die den Rahmen der durch das Gesetz zugelassenen und im Einzelfall viel zu engen Dreiwochenfrist sprengen, zulässig, wenn sie im Einvernehmen mit den Gläubigern erfolgen. Allerdings liegen diesem Ansatz weitere Prämissen zu Grunde, die den Vorschlag in unmodifizierter Form bedenklich erscheinen lassen. Erstens müsste die Verwendung der IFRS tatsächlich ein zuverlässiger Indikator der Risiken für die Gläubiger sein13. Zweitens müsste diese überlegene Informationsgrundlage den Gläubigern kontinuierlich zeitnah zur Verfügung stehen, da sie nur dann von ihrem Insolvenzantragsrecht in sinnvoller Weise Gebrauch machen können. Die erst mit Ende des Geschäftsjahres einsetzende Pflicht zur Aufstellung und Veröffentlichung des Jahresabschlusses würde sicherlich nicht genügen und ein unvertretbares Zeitfenster für Spekulationen eröffnen in Fällen, in denen eine unumkehrbare Krise mit der Genese der beschriebenen Fehlanreize unterjährig einsetzt. Unterjährige Berichtspflichten hingegen wären mit hohen unmittelbaren Kosten für die publizitätspflichtigen Unternehmen verbunden. Eine Berechnung der volkswirtschaftlichen Gesamtkosten einer entsprechenden Modifikation müsste überdies die Screening-Kosten für die Gläubiger berücksichtigen, denen nach dem Vorschlag die Aufgabe zufallen würde, die liquidations- oder reorganisationsreife Gesellschaft aus dem Rechtsverkehr zu ziehen. Zweifel an der Effizienz eines ausschließlichen Insolvenzantragsrechts der Gläubiger begründet in diesem Zusammenhang die hier zu Grunde gelegte Annahme, dass die Geschäftsleitung und nicht ein Gläubiger cheapest cost avoider ist. Dies gilt insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass bereits der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit mit ernstlichem Einfordern, modifizierter Wesentlichkeit und Zahlungsstockung Elemente enthält, die ein einzelner Gläubiger theoretisch und praktisch nur nach Rücksprache mit der Gesamtheit der weiteren Gläubiger beantworten kann14. Einer solchen Absprache stehen aber die bekannten collective action und free-ridingProbleme gegenüber, überdies mag man zweifeln, ob es sich um eine wirtschaftlich sinnvolle Ausgestaltung handeln würde. Demgegenüber verfügt die Geschäftslei11 12 13 14

Vgl. hierzu bereits unter § 5, II. 1. a) ff). Hirte, ZGR 2008, 284 (284 ff.) Vgl. hierzu Kebekus, ZGR 2008, 275 (279 f.); Mock, ZGR 2008, 294 (294.). So auch Kebekus, ZGR 2008, 275 (280).

II. Zum Problem der unfreiwilligen Gläubiger

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tung über die notwendigen Informationen bezüglich Dauer und Umfang des von den Gläubigern ausgeübten Drucks. Ein ausschließliches Antragsrecht der Gläubiger müsste deshalb mit Blick auf die Funktion der Insolvenzgründe als Terminierungsregeln mindestens um dem englischen Recht vergleichbare Vermutungstatbestände ergänzt werden15. Nur dann wäre gewährleistet, dass ein einzelner Gläubiger bereits aus dem Zahlungsverhalten der Gesellschaft ihm gegenüber Rückschlüsse auf die finanzwirtschaftliche Gesamtsituation der Schuldnerin ziehen kann. Nicht zuletzt müssten Verstöße gegen die entsprechenden Publizitätspflichten der Geschäftsleitung in stärkerem Maße als unter der lex lata sanktioniert werden. Anderenfalls wäre es Gesellschaftern und Geschäftsleitung nicht verwehrt, das Insolvenzantragsrecht der Gläubiger durch Unterlassen der Veröffentlichung zu unterlaufen und quasi im Geheimen opportunistische Strategien zu verfolgen. Zur Lösung dieses Problems wäre daran zu denken, die Schutzgesetzeigenschaft von §§ 41 GmbHG, 91 Abs. 1 AktG zu bejahen, womit allerdings wiederum sämtliche Defizite einer Schadensersatzhaftung importiert würden. Nicht zuletzt bietet dieses Konzept des Gläubigerselbstschutzes in der Krise keine Lösung für opportunistisches Verhalten vor Erreichen der Insolvenzreife. Auch ein Wegfall der Insolvenzantragspflicht und Insolvenzverschleppungshaftung müsste deshalb begleitet werden von der Einführung einer dem wrongful trading vergleichbaren Regelung. Überlegen erscheint deshalb eine Abkopplung von Krisenhaftung und Insolvenzreife unter gleichzeitiger Beibehaltung der Insolvenzantragspflicht. Hiermit wäre weiterhin der cheapest cost avoider für die Einleitung eines Reorganisationsverfahrens verantwortlich. Um Sanierungsversuche zu ermöglichen, müsste allerdings gleichzeitig das Eingreifen der Insolvenzreife auf einen möglichst späten Zeitpunkt verlagert werden. Diese Rückverlagerung der Insolvenzreife müsste, um nicht gleichzeitig wiederum opportunistischem Handeln Vorschub zu leisten, begleitet werden von einer deutlich vor Eintritt der Antragspflicht einsetzenden allgemeinen Geschäftsleiterhaftung für unvertretbares Handeln.

II. Zum Problem der unfreiwilligen Gläubiger Als besonders unbefriedigend erweist sich die durch die Rechtsprechung des II. Senats geprägte lex lata der Insolvenzverschleppungshaftung mit Blick auf die unfreiwilligen Gläubiger. Trotz ihrer generellen ökonomischen Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit wird diesen der Ersatz ihres negativen Interesses durch die Rechtsprechung versagt. Dies wirft die Frage auf, ob der damit einhergehende negative externe Effekt, der zugleich einen Fehlanreiz für Geschäftsleitungen insolvenzgefährdeter Gesellschaften setzt, auf anderem Wege als durch eine Haftung der

15 Gegen den Wegfall der Insolvenzantragspflicht auch bei Übergang zu IFRS Kebekus, ZGR 2008, 275 (283).

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§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung

Geschäftsleiter kompensiert werden kann. Insbesondere in jüngerer Zeit konkurrieren verschiedene strukturelle Ansätze zur Lösung dieses Problems. 1. Pro-Rata-Haftung für Deliktsforderungen Eine erste Möglichkeit, die fehlenden Eigensicherungsmöglichkeiten unfreiwilliger Gläubiger rechtlich zu kompensieren, ist es, ihre Forderungen über das Instrument des Durchgriffs zu qualifizieren16, also gegenüber Deliktsgläubigern § 13 Abs. 2 GmbHG generell aufzuheben17. Dogmatisch und auch wirtschaftlich zu trennen hiervon ist die von Hansmann und Kraakman in die Diskussion eingebrachte Alternative einer Pro-Rata-Haftung von Gesellschaftern und Aktionären für Schäden der Deliktsgläubiger18. Übersetzt in deutsche Haftungssystematik stellt sich diese Haftung als Teilschuldnerschaft nach § 421 BGB dar, wobei sich die relativen Anteile nach dem Verhältnis der Gesellschaftsanteile bestimmen. Idealerweise führt eine solche Haftung zu folgenden, am Beispiel einer börsennotierten Gesellschaft dargestellten Effekten. Unter der Annahme informationseffizienter Märkte werden realisierte und erwartete Einzahlungsüberschüsse im Aktienkurs der Gesellschaft zutreffend abgebildet. Wird unter dieser Voraussetzung eine Pro-Rata-Haftung für deliktische Verbindlichkeiten eingeführt, sind die Marktakteure gehalten, die damit verbundenen Risiken einzupreisen. Die Berücksichtigung dieser zusätzlichen Risiken bei ansonsten gleichbleibenden Ertragschancen induziert ein Sinken des Börsenkurses. Das Management, dessen Vergütung regelmäßig maßgeblich von der Performance der Aktie beeinflusst wird, unterlässt in Konsequenz die Eingehung unvertretbarer Risiken oder fängt die Haftungsrisiken durch Abschluss von Versicherungen auf. Aus Sicht der Deliktsgläubiger besitzt diese Lösung den Vorteil, dass es nicht mehr möglich wäre, das Insolvenzrisiko auf sie zu externalisieren. Eine bewusst gewählte Unterkapitalisierung, die dem Ziel dienen soll, den Nutzen der unternehmerischen Betätigung zur Gänze den Gesellschaftern, die Risiken hingegen primär den unfreiwilligen Gläubigern aufzubürden, wäre keine subjektiv rationale Alternative19. Auch unter Effizienzgesichtspunkten kann eine derartige bereichsspezifische Aufhebung des Haftungsprivilegs geboten sein. Die Internalisierung eines externen Effektes ist per definitionem mit einer Effizienzsteigerung verbunden, weil sie nichts anderes darstellt als die Angleichung der tatsächlichen Situation an die hypothetisch optimale Tauschlösung. 16

Vgl. Drukarczyk, WM 1994, 1737 (1740); Hansmann/Kraakman, Yale L. J. 100 (1991), 1879 (1892 ff.); positiv Mülbert, DK 2004, 151 (157); vgl. auch Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (883 f.). 17 Vgl. Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1051). 18 Vgl. Hansmann/Kraakman, Yale L. J. 100 (1991), 1879 (1881), für die Vertragsgläubiger (contract creditors) wollen sie hingegen an der Haftungsbeschränkung festhalten. Zur Pro-RataHaftung auch Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1578 ff.); LoPucki, Yale L. J. 55 (196), 1 (55 ff.); allgemein Halpern/Trebilcock/Turnbull, U. Toronto L. J. 30 (1980), 117 (137 f.). 19 Vgl. Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1053 f.).

II. Zum Problem der unfreiwilligen Gläubiger

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Zu beantworten bleibt die Folgefrage, ob die anteilige Haftung von Gesellschaftern bzw. Aktionären den unter Effizienzgesichtspunkten optimalen Weg zur Lösung dieses Internalisierungsproblems darstellt. Unter zwei Gesichtspunkten ist Kritik laut geworden. Eine erste Gruppe von Kritikern bestreitet nicht die theoretische Sinnhaftigkeit des Konzepts, sondern versucht nachzuweisen, dass der von Hansmann/Kraakman vorgeschlagene Mechanismus in der realen Welt nicht implementierbar ist20. Auf einer grundsätzlicheren Ebene wird darüber hinaus bestritten, dass selbst unter der Annahme ihrer Funktionsfähigkeit die Pro-Rata-Haftung Effizienzgewinne mit sich bringt, also die rechtsökonomische Legitimität des Vorschlags an sich21. Hauptargument des ersten Kritikstranges ist, dass es aufgrund der Gegebenheiten realer Kapitalmärkte nicht zu dem erwarteten Absinken der Börsenkurse komme mit der weiteren Konsequenz, dass die Geschäftsleitung die Geschäftspolitik nicht anpasse. Kapitalmärkte als hochdynamische Institutionen würden auf die Einführung einer Pro-Rata-Haftung mit Ausweichreaktionen antworten. Faktisch nicht haftbare (judgment proof) Personen konzentrieren sich in diesem Szenario auf das Halten besonders riskanter Titel, während nicht haftungsresistente Anleger vergleichsweise sichere Beteiligungstitel in ihr Portfolio aufnehmen (clientele effects). Es schließen sich Arbitragetransaktionen auf Futures-, Options- und Swapmärkten an, die es den Investoren ermöglichen, ihr optimales Portfolio zu halten. Der Preiseffekt, den die Einführung der Pro-Rata-Haftung herbeizuführen bestimmt ist, wird gleichzeitig beseitigt22, die Internalisierung der unvergüteten Risiken der unfreiwilligen Gläubiger unterbleibt oder erfolgt nur höchst unvollständig. Hansmann und Kraakman selbst anerkennen diese strukturellen Gefahren für ihr System, gehen jedoch davon aus, dass sich kaum Personen bereit finden würden, diese kumulierten Risiken zu tragen. Darüber hinaus wollen sie die Gerichte für die Funktionsfähigkeit ihres Systems in die Pflicht nehmen, indem sie diesen die Aufgabe zuweisen, Umgehungsversuche durch Behandlung der eingesetzten Derivate als haftendes Eigenkapital (recharacterization) zu verhindern23. Diese Mittel versagen allerdings dann, wenn Gesellschaften aus Staaten, die ihrerseits keine vergleichbare Pro-Rata-Haftung kennen, die Anteile an den inländischen Kapitalgesellschaften halten. Im Extremfall führt die Pro-Rata-Haftung dann zum Zugriff auf das Vermögen einer 20 Vgl. Grundfest, Yale L. J. 102 (1992), 387 (390): „Even if everyone agrees that reasons of equity or efficiency make it desirable to abandon limited liability, we cannot achieve that result for firms with liquid equity traded in a world with innovative capital markets and minimal transaction costs“. Ähnlich Alexander, Harv. L. Rev. 106 (1992), 387 (388): „I do not wish to join, at least directly, in the debate over whether unlimited shareholder liability is preferable to the present system as matter of the policies that guide corporate or tort law“. Vgl. auch LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (56 f.). 21 Vgl. Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 46 f.; kritisch aus gesellschaftsrechtlicher Sicht auch Lutter, AG 1998, 375 (376). 22 Vgl. Grundfest, Yale L. J. 102 (1992), 387 (392 ff.); LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (60 f). 23 Vgl. Hansmann/Kraakman, Yale L. J. 102 (1992), 427 (429 ff.).

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§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung

Kapitalgesellschaft, deren einziger Vermögenswert das Investment an der inländischen Kapitalgesellschaft ist. Dass die Beschränkung der Engagements ausländischer Gesellschaften an inländischen Gesellschaften hierauf keine ernsthaft zu erwägende Alternative darstellt, kann vor dem Hintergrund der notwendigen Vernetzung internationaler Kapitalmärkte kaum bezweifelt werden24. Neben diese markttechnischen Einwände tritt grundsätzliche Kritik. Bis zu einem gewissen Grade konterkariert eine Pro-Rata-Haftung sämtliche Vorteile, um derentwillen die beschränkte Haftung zugelassen wird25. Unter Berücksichtigung der möglichen Höhe der Schadensersatzforderungen unfreiwilliger Gläubiger steht für Gesellschafter/Aktionäre ihr gesamtes Vermögen auf dem Spiel. Die zentrale Funktion der Haftungsbeschränkung, natürliche Personen zur Eingehung wirtschaftlich sinnvoller Risiken zu bewegen, wird damit nachhaltig beeinträchtigt. Nur begrenzte Sicherheit gewährt den Anlegern der Umstand, dass einerseits der Umfang ihrer Inanspruchnahme durch die Ausgestaltung als Pro-Rata-Haftung begrenzt wird26 und andererseits die zu erzielenden Summen den Aufwand der Verfolgung im Einzelfall nicht zu rechtfertigen vermögen, so dass allein umfänglicher beteiligte Anteilseigner wie institutionelle Investoren mit einer Inanspruchnahme zu rechnen bräuchten. Zumindest wohlhabende Privatinvestoren und institutionelle Investoren bleiben im direkten Fokus der Deliktsgläubiger. Ihre Risikobereitschaft würde entschieden verringert, insbesondere weil es nicht möglich wäre, das Privatvermögen durch Zwischenschaltung eines Investmentvehikels abzusichern, da auch dieses der Pro-Rata-Haftung unterfallen würde. Vergegenwärtigt man sich die Bedeutung, die insbesondere institutionelle Investoren für die Finanzierung über den anonymen Kapitalmarkt besitzen, erscheint die Einführung einer Pro-Rata-Haftung mehr als kritisch. Auch die mit der Haftungsbeschränkung verbundene Steigerung von Effizienz und Fungibilität des Kapitalmarkthandels würde durch die Einführung einer ProRata-Haftung unterminiert, da das Vermögen der hinter der Gesellschaft stehenden natürlichen und juristischen Personen wieder Bedeutung erlangen würde27. Gleichzeitig würde die Trennung von Eigentum und Kontrolle mit der Möglichkeit, Spezialisierungseffekte zu realisieren, vereitelt. Der theoretisch erhöhte Kontrollaufwand erschwert dann auch die Diversifizierung des Portfolios, da sie eine Kumulation von Risiken herbeiführen würde, wenn auch geringer als unter den Bedingungen eines echten Durchgriffs28. Keinen Ausgleich hierfür stellt die Mög24 Vgl. LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (60 f.) zu den dahingehenden Überlegungen von Hansmann und Kraakman. 25 Vgl. Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 46 f.; Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1055); konzediert auch von Hansmann/Kraakman, Yale L. J. 102 (1992), 427 (435 f.), die allerdings die Vorteile größer einschätzen. 26 Vgl. Posner, Economic Analysis of Law, S. 423 f.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 46 f.; Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1055). 27 Vgl. Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1055). 28 Vgl. Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1598 ff.).

II. Zum Problem der unfreiwilligen Gläubiger

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lichkeit einer Versicherung deliktischer Haftungsrisiken durch die Verwaltung der Gesellschaft dar. Denn es müsste sichergestellt werden, dass die Geschäftsleitung die entsprechenden Policen im korrekten Umfang abschließt. Bei der Vielzahl denkbarer Delikte, die insbesondere eine Publikumsgesellschaft begehen kann, ist nicht anzunehmen, dass alle Delikte durch Policen erfasst würden29. Anleger, die sichergehen wollen, nicht unbeschränkt haften zu müssen, wären gezwungen, sich Informationen über die zu versichernden Risiken einerseits sowie über das Versicherungsportfolio der Gesellschaft andererseits zu verschaffen. Das Informations- und Kontrollproblem bliebe damit ungelöst, die für den Anleger notwendige Komplexitätsreduktion würde nicht erreicht. Wiederum ist allerdings zu konstatieren, dass viele der benannten Gesichtspunkte nur für börsennotierte Kapitalgesellschaften Bedeutung erlangen. Dies könnte den Schluss nahe legen, zumindest für kleine kapitalmarktferne Gesellschaften das Institut der Pro-Rata-Haftung einzuführen30. Auch hier gilt jedoch, dass die mit der beschränkten Haftung primär intendierte Senkung der Risikoaversion teilweise aufgehoben wird. Bestimmte legitime Gesellschafterstrukturen könnten in Folge des ex ante nicht begrenzbaren Haftungsrisikos nicht mehr verwirklicht werden. So wäre z. B. eine Beteiligung von Familienmitgliedern als passiven Gesellschaftern einer personalistischen GmbH mit den gleichen Unwägbarkeiten verbunden wie die Stellung eines Aktionärs im geschilderten Modellszenario. Nicht unterschätzt werden sollte auch der Effekt, dass durch die Drohung persönlicher Haftung für kapitalmarktferne Gesellschaften für die Eigner dieser Unternehmensträger ein starker Anreiz besteht, einen Formwechsel hin zu einer kapitalmarktfähigen Gesellschaft vorzunehmen. Damit würde aber ein Teil der Gesellschaften in das starre Korsett der Aktiengesellschaft (§ 23 Abs. 5 AktG) gezwungen, für die der Gesetzgeber grundsätzlich flexible Satzungsbestimmungen (§ 45 Abs. 2 GmbHG) vorgesehen hat31. Anderes gilt allein für Gesellschaften, in denen ein AlleingesellschafterGeschäftsführer die Unternehmenspolitik bestimmt bzw. Gesellschaften, in denen alle Gesellschafter vertretungs- und geschäftsführungsbefugt sind. Hier würde eine Pro-Rata-Haftung diejenigen treffen, die die Risiken eingehen, sie somit auch steuern oder durch Versicherungsschutz minimieren können. Das Kontrollproblem würde sich hier nicht oder doch nur in geringem Umfang bemerkbar machen. Konsequent zu Ende gedacht spricht dieser Gesichtspunkt jedoch nicht für eine Internalisierung des den Deliktsgläubigern drohenden Insolvenzrisikos mittels einer Strukturhaftung der Anteilseigner personalistischer Gesellschaften, sondern für eine Verhaltensverantwortlichkeit der handelnden Personen. Festzuhalten ist damit im Ergebnis, dass eine Pro-Rata-Haftung der Gesellschafter zwar eine Möglichkeit 29 Vgl. Posner, Economic Analysis of Law, S. 423 f.; vgl. auch Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 47. 30 In diese Richtung etwa Freedman, MLR 63 (2000), 317 (330). 31 Historische Beispiele dieser Flucht in die Aktiengesellschaft sind aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des GmbHG bekannt, in der sich karitative Vereinigungen, Studentencorps usw. als Aktiengesellschaften inkorporierten. Vgl. Schubert, FS GmbHG, 1 (14).

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§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung

darstellt, das durch den Markt nicht lösbare Problem der durch die Haftungsbeschränkung erhöhten Ausfallwahrscheinlichkeit der unfreiwilligen Gläubiger anzugehen, gleichzeitig aber mit einer Reihe von praktischen und theoretischen Fragezeichen versehen ist. 2. Versicherungslösung Eine nicht spezifisch gesellschaftsrechtliche Lösung der Problematik der unfreiwilligen Gläubiger stellt eine Pflicht zur Versicherung dar, mit der der Gesellschaft aufgegeben wird, zu Gunsten unfreiwilliger Gläubiger Deckungsschutz auch und gerade für den Insolvenzfall zu garantieren32. Richtig ausgestaltet wird durch eine Versicherungspflicht das Insolvenzrisiko der Deliktsgläubiger auf die Gesellschaft und ihre Träger zurückverlagert33. Dass es sich hierbei um eine obligatorische Pflicht handeln muss, ist evident, da es für ein Unternehmen irrational wäre, die Vorteile der Risikoexternalisierung nicht wahrzunehmen. Gegenüber Durchgriff und Pro-Rata-Haftung besitzt die Versicherungslösung den Vorteil, dass sie die Wohlfahrtswirkungen der beschränkten Haftung in deutlich geringerem Ausmaß berührt. Ein Investment würde für die Gesellschafter zwar teurer, weil zusätzlich die Kosten für die Versicherung aufgebracht werden müssen. Das liegt aber in der Natur der Sache, stellt doch die Internalisierung eines externen Effektes nichts anderes dar als die mit Kosten verbundene Beseitigung einer unter Effizienzgesichtspunkten unberechtigten Begünstigung. Gleichzeitig bliebe die investitionsfördernde Wirkung der beschränkten Haftung gewahrt. Gesellschafter und Geschäftsleiter müssten nicht fürchten, persönlich für die im Einzelfall unübersichtlichen Risiken in Anspruch genommen zu werden. Kapital- und Kreditmarkt blieben entlastet von den mit einem Durchgriff oder einer Pro-Rata-Haftung verbundenen Überwachungskosten, die entweder aus der Ausübung von Kontrolle oder aber den negativen Folgen fehlender Kontrolle resultieren. Auch die Fungibilität der Anteile bliebe unbeeinträchtigt, weil ihre Übertragbarkeit nicht durch die Bonität der Gesellschafter beeinflusst würde. Schließlich würde durch eine effiziente Versicherungspflicht auch das Unternehmensgründungen entgegenstehende Erfordernis materieller Kapitalisierung obsolet. 32 Vgl. allgemein hierzu Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (882 ff.); Davies, EBOR 7 (2006), 302 (305); Drukarczyk, WM 1994, 1737 (1740); Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (114); Kuhner, ZGR 2005, 753 (780 f.); LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (71 ff.); Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (493 f.); Schön, DK 2004, 162 (165); vgl. auch Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 59 ff., der auch für die Gruppe der Konsumenten eine solche Produkthaftpflichtversicherung befürwortet (S. 65 ff.). Vgl. auch den Diskussionsbericht zum Symposion „Efficient Creditor Protection in European Company Law“ bei Schindler, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 129 (129). 33 Vgl. Hirt, ECFR 1 (2004), 71 (114); Merkt/Spindler, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 207 (274); Mülbert, DK 2004, 151 (157); Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (883).

II. Zum Problem der unfreiwilligen Gläubiger

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Nicht anders als eine Pro-Rata-Haftung der Gesellschafter für Schäden der Deliktsgläubiger ist auch die Idee der Versicherungslösung mit Unwägbarkeiten praktischer und grundsätzlicher Natur behaftet34. Maßgebliches praktisches Problem ist die Frage nach dem Umfang der zu versichernden Ausfälle. Gesetzlich zu bestimmen wäre, welche Risiken die Gesellschaft zu versichern hat35. Sicherlich ineffizient ist eine vollständige gesetzliche Ausfallversicherung für Vertrags- und Deliktsgläubigerschäden. Eine allgemeine Ausfallversicherung ist nicht nur mit hohen Kosten verbunden36, sondern konterkariert auch die Idee der beschränkten Haftung. Die Haftungsbeschränkung wird in diesem Fall nur formal, nicht aber inhaltlich gewährleistet. Zwar sind Gesellschafter in der Insolvenz freigestellt, weil die Versicherung verpflichtet ist, die Gläubigerforderungen zu befriedigen. Wirtschaftlich trifft diese Verpflichtung letztlich jedoch die Gesellschafter in Gestalt der an die Versicherung zu entrichtenden Prämien. Sowohl die investitionsfördernde Wirkung als auch die intendierte Verteilung unternehmerischer Risiken zwischen Gesellschaftern und Gläubigern würde beseitigt. Wirtschaftlicher (Miss)Erfolg der Unternehmung, insbesondere auch das technologische Risiko, und die konjunkturelle Lage der Volkswirtschaft würden mitversichert37. Beschränkte Versicherungslösungen, etwa für Forderungsausfälle unfreiwilliger Gläubiger, scheinen deshalb überlegen38. Selbst im Falle einer solchen eingeschränkten Versicherungspflicht ist allerdings zu berücksichtigen, dass nicht spezifisch aus der Haftungsbeschränkung resultierende Risiken mitversichert werden. Allgemeine Insolvenzrisiken enthalten immer auch Risiken für ungesicherte Gläubiger. Mit Blick auf das Teilproblem des Krisengebarens der Geschäftsleiter einer Beschränkthafterin erweist sich die Versicherungslösung sogar als kontraproduktiv. Eine umfassende Versicherung der Insolvenzrisiken im Allgemeinen beseitigt jeden Verhaltensanreiz für die Geschäftsleitung, gläubigergefährdende Handlungen nicht zu implementieren. Versichertes opportunistisches Verhalten brauchen Geschäftsleitung und Gesellschafter nicht zu unterlassen39. Der Preis für die Gefährdung der Gläubigerpositionen wird bereits durch die Versicherungsprämie entrichtet, faktisch erkauft sich die Gesellschaft ein Recht zur sanktionslosen bzw. ex ante kompensierten Gläubigerschädigung durch ineffiziente Handlungsweisen. Konsequenz ist, dass zwar die bei den einzelnen Gläubigern individuell eintretenden Schäden durch die Versicherungsleistungen kompensiert werden, die mit opportunistischem Verhalten verbundenen Nachteile für die Gesamtwirtschaft hingegen nicht beseitigt 34

Vgl. LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (71 ff.). Vgl. auch den Diskussionsbericht zum Symposion „Efficient Creditor Protection in European Company Law“ bei Schindler, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 129 (129). 36 Zweifelnd deshalb Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (493). 37 Vgl. Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1603 f.). 38 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 81. 39 Vgl. Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 80 f. 35

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§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung

werden. Im Gegenteil setzt eine Pflichtversicherung einen zusätzlichen Anreiz für Gesellschafter und Geschäftsleitung, sich im Ernstfall der Krise opportunistisch zu verhalten. Eine Versicherungspflicht muss für alle am Markt aktiven Gesellschaften gelten, weil ex ante nicht bekannt ist, welche Gesellschaften erhebliche Risiken für Deliktsgläubiger begründen bzw. sich opportunistisch verhalten werden. Da die Prämienzahlungen ohnehin geleistet werden müssen, würde sich ein Verzicht auf die Durchführung eines spekulativen Projekts betriebswirtschaftlich als sunk costs darstellen. Im Ernstfall sollte deshalb jedes rational handelnde Unternehmen sich opportunistisch verhalten. Gleichzeitig gilt, dass eine einzelfallunabhängige Versicherungspflicht die Kosten unternehmerischer Betätigung generell verteuert, was wiederum zu einer Verschiebung des break-even-Zinssatzes der Volkswirtschaft und damit zu negativen Effekten für das Produktionspotential der Volkswirtschaft führt. Unproblematisch ist die Implementierung einer Versicherungslösung deshalb nur dann, wenn strukturelle Risiken im Raume stehen. Soweit hingegen Verhaltensrisiken beeinflusst werden sollen, erscheint die direkte Ansprache durch eine Rechtsregel überlegen. Dies gilt gerade deshalb, weil die Antworten einer privatautonomen Versicherungslösung auf grob fahrlässige vorsätzliche Verhaltensfehler (Selbstbehalte, Entfall des Versicherungsschutzes bei bestimmten Schuldformen)40 im Falle einer gesetzlichen Pflichtversicherung zum Schutz unfreiwilliger Gläubiger per definitionem nicht greifen können. Eine solche Versicherungspflicht zielt gerade auf die sichere Erfüllung der Verbindlichkeit im Insolvenzfall. Bezweckt eine Pflichtversicherung den Ausgleich negativer Vermögenseffekte bestimmter Verhaltensfehler, kann selbstverständlich der Versicherungsschutz gerade dann nicht im Fall des Verhaltensfehlers entfallen. Im Ergebnis erweist sich die Pflichtversicherung als denkbares Komplement einer Krisengeschäftsleiterhaftung. Unfreiwilligen Gläubigern strukturell drohende Risiken können durch Versicherungspflichten in ihren negativen Effekten erheblich eingeschränkt werden. Gerade für Risiken, die außerordentlich selten und kaum quantifizierbar sind41, erweist sich die Statuierung einer Versicherungspflicht als sinnvoll, weil hier erhebliche Gefahren auch dann drohen, wenn sich die Gesellschaft nicht opportunistisch verhält. Soweit hingegen verhaltensspezifische Risiken im Raume stehen, erscheint eine unmittelbare Verhaltenshaftung überlegen.

40

Vgl. Lohr, NZG 2000, 1204 (1211 ff.). Vgl. hierzu auch die im Rahmen des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) entbrannte Debatte um den gesetzlichen Selbstbehalt nach § 93 Abs. 2 AktG n.F., etwa: Hirte, Stellungnahme VorstAG, S. 3 ff.; DGB, Stellungnahme VorstAG, S. 11 f.; GDV, Überlegungen zur verpflichtenden Einführung von Selbstbehalten; Kempter, Stellungnahme VorstAG, S. 16; Thüsing, Stellungnahme VorstAG, S. 11 ff.; ders., AG 2009, 517, 526 f.; Lange, VW 2009, 918 (918 f.) sowie die Reaktion der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, Pressemitteilung v. 29. 5. 2009, S. 2. 41 Vgl. Kuhner, ZGR 2005, 753 (780 f.).

II. Zum Problem der unfreiwilligen Gläubiger

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3. Insolvenzrechtliche Lösung Alternativ wird die dem deutschen Recht bislang fremde Privilegierung unfreiwilliger Gläubiger im Rahmen des Gesamtvollstreckungsverfahrens vorgeschlagen42. Nach der lex lata konkurrieren Zwangsgläubiger im Insolvenzverfahren mit den einfachen Insolvenzgläubigern. Einzige Ausnahme von diesem Grundsatz bildet neben der fiskalpolitisch motivierten Privilegierung des § 55 Abs. 4 InsO43 § 302 Nr. 1 InsO, wonach Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung von der Restschuldbefreiung ausgeklammert bleiben44. Aus Sicht der unfreiwilligen Gläubiger stellt dies jedoch nur „einen Tropfen auf den heißen Stein“ (Wagner) dar, weil es sich nicht um eine insolvenzrechtliche Privilegierung im engeren Sinne handelt, sondern um eine Begünstigung, die erst nach Abschluss des Verfahrens ihre Wirkung entfaltet. Die insolvenzrechtliche Schlechterstellung gegenüber den Inhabern von Kreditsicherheiten im eigentlichen Verfahren wird hierdurch nicht beseitigt. Auch ist der Anwendungsbereich des § 302 Nr. 1 InsO dadurch beschränkt, dass er sich allein auf Vorsatzdelikte erstreckt, die aus Beweisgründen die Ausnahme und nicht die Regel darstellen. Für das den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit darstellende Fehlverhalten der Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft entscheidend ist vor allem, dass diese Privilegierung an die Existenz einer natürlichen Person als Gemeinschuldnerin geknüpft ist. Für die Insolvenz einer juristischen Person muss hingegen eine „Restschuldbefreiung gleichsam auf kaltem Wege und zu Lasten sämtlicher Deliktsgläubiger“ konstatiert werden45. Weitergehenden Schutz würde de lege ferenda die Begründung einer Superiorität der Forderungen von unfreiwilligen Gläubigern bieten46. Hiernach würden ihre Ansprüche auch denen gesicherter Gläubiger vorgehen, was technisch durch eine Kürzung von Sicherungsrechten zu erfolgen hätte, wie sie während der Insolvenzrechtsreformdiskussion teilweise auch von betriebswirtschaftlicher Seite gefordert worden ist47. Intuitiver Einwand ist, dass sich unter einem derartigen Insolvenz42

Insbesondere LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (61 ff.); Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (883); als diskussionswürdig bezeichnet auch von Fleischer, in: Eidenmüller/ Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 27 (31). 43 Dass die Gesetzesbegründung diese Ausnahme mit der Zwangsgläubigereigenschaft des Fiskus begründet, stellt kaum mehr als ein löchriges Feigenblatt dar, vgl. etwa Jaffé, ZHR 175 (2011), 38 (51) mit dem zutreffenden Hinweis, dass gerade nicht sämtliche Zwangsgläubiger privilegiert werden. 44 Vgl. Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1066 f.). 45 Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1066 f.). 46 Vgl. LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (61 f.); Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1066 f.); angedacht auch von den German Experts on Corporate Law, ZIP 2002, 1310 (1317) für den Fall einer Abschaffung des Kapitalschutzsystems. Allgemein hierzu auch schon Jackson, Yale L. J. 91 (1982), 857 (888 f.); Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857 (883). 47 Vgl. Leebron, Colum. L. Rev. 91 (1991), 1565 (1569); Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1067 ff.); vgl. auch Hansmann/Kraakman, Yale L. J. 100 (1991), 1879 (1901 f.); Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (491 f.).

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§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung

rechtsregime fehlender oder doch nur beschränkter Sicherungsmöglichkeiten mindestens ein Teil der bisher gesicherten Gläubigergruppen aus der Finanzierung der Gesellschaft zurückzieht oder aber sich die Kreditkonditionen für die Schuldnergesellschaft in Reaktion auf die Entwertung bestehender Sicherungsrechte verschlechtern48. Komparativ-statisch ist dieser Befund zutreffend. Andererseits heißt dies nicht, dass dieser Rückzug bzw. die Anpassung der Kreditkonditionen unter Effizienzgesichtspunkten nicht notwendig und erwünscht ist. Unter Geltung der lex lata – fehlender Durchgriff für Schäden unfreiwilliger Gläubiger, fehlende vollständige Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung für insolvenzbedingte Ausfälle unfreiwilliger Gläubiger und fehlende Privilegierung in der Insolvenz – orientieren sich die Kreditkonditionen besicherter Finanzierungskontrakte u. a. an der absoluten Priorität des gesicherten Gläubigers. Implizit berücksichtigt wird von beiden Seiten, dass hohe Schäden auf Seiten der unfreiwilligen Gläubiger keine Relevanz für das Ausfallrisiko des konkreten Kredits besitzen49. Dieses Risiko wird damit in den Finanzierungsbeziehungen nicht abgebildet. Das Verdikt LoPuckis, dass Kreditsicherheiten Vereinbarungen zwischen A und B darüber sind, dass C nichts erhalten soll, gilt für keine Gruppe in stärkerem Maße als für die der unfreiwilligen Gläubiger. Die vorgeschlagene Privilegierung würde diesem unbefriedigenden Zustand Abhilfe schaffen, ohne gleichzeitig die Stellung gesicherter Gläubiger in illegitimer und ineffizienter Weise zu verschlechtern. Im Gegenteil würde ein negativer externer Effekt des Kapitalgesellschaftsrechts beseitigt. Zwar erschwert die Kürzung der Sicherungsrechte den Sicherungsnehmern den Verzicht auf Kreditkontrolle. Nicht mehr allein der Wert des Sicherungsgutes muss überwacht werden, sondern zugleich die allgemeine leistungs- und finanzwirtschaftliche Situation des Unternehmens, die u. a. auch Auskunft darüber gibt, inwieweit die Schuldnergesellschaft für vorrangige Deliktsforderungen aufzukommen hat und in der Lage ist50. Die Zuweisung dieses zusätzlichen Risikos an die Sicherungsnehmer erscheint jedoch schon deshalb vertretbar, weil allein die Vertragsgläubiger überhaupt in der Lage sind, diese Risiken wahrzunehmen und abzuschätzen und in Konsequenz von einem Engagement abzusehen oder aber höhere Zinsen einzufordern. Vor allem auch erscheint eine Effizienzsteigerung im Vergleich zur lex lata mit Blick auf die Zusammensetzung der gesicherten Gläubiger möglich. Zu ihnen zählen insbesondere auch die Finanzgläubiger, von denen angenommen werden kann, dass sie Kreditrisiken am besten einschätzen und bewerten können. Sie preisen dann auch das Risiko deliktischer Schädigungen ein. Die Kreditkonditionen geben in Konsequenz ein realistischeres Bild der finanzwirtschaftlichen Lage der Gesellschaft51. Zusammenfassend wird man damit festhalten können, dass die Begründung insolvenzrechtlicher Priorität der Forderungen unfreiwilliger Gläubiger ein geeigneter 48 Letzteres findet sich als Einwand bei Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 488 (491). 49 Vgl. LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (61 f.). 50 Vgl. schon Jackson, Yale L. J. 91 (1982), 857 (903). 51 Vgl. LoPucki, Yale L. J. 106 (1996), 1 (62); Wagner, FS Gerhardt, 1043 (1070 f.).

III. Zum Problem der Masselosigkeit: Insolvenzkostenpflichtversicherung

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Weg ist, die besonderen Gefahren, die die beschränkte Haftung für diese Gläubigergruppe mit sich bringt, angemessen zu erfassen. Gleichzeitig bietet diese Lösung des Problems unfreiwilliger Gläubiger den zusätzlichen Vorteil, dass sie die spürbare Ausweitung der Insolvenzverschleppungshaftung, die mit der Berücksichtigung der Forderungen der Deliktsgläubiger verbunden wäre, zu einem Teil obsolet macht. Das technologische Risiko würde im Ergebnis wieder den Personengruppen zufallen, die es ursprünglich übernommen haben, nämlich Gesellschaftern und freiwilligen Gläubigern.

III. Zum Problem der Masselosigkeit: Insolvenzkostenpflichtversicherung Ein drängendes Problem des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts stellt die hohe Zahl masseloser Insolvenzen dar, die im Jahre 1999 60 % betrug und auch nach Einführung der Insolvenzordnung nach wie vor bei im Schnitt ca. 50 % liegt52. Verschärft wird dieser Befund dadurch, dass diese Zahlen nicht die Fälle enthalten, in denen ein Insolvenzverfahren mangels Masse gemäß § 207 Abs. 1 S. 1 InsO abgewiesen oder wegen Masseunzulänglichkeit (§ 211 Abs. 1 InsO) wieder eingestellt wurde. Teilweise wird ein weiteres Anwachsen dieser Zahlen aufgrund der Deregulierungen durch das MoMiG befürchtet53. Die aufgrund Masselosigkeit unterbleibende Verfahrenseröffnung führt zunächst dazu, dass Gläubiger nicht einmal die im Regelfall ohnehin schon überaus bescheidene Quote realisieren können. Haftungsrechtlich von entscheidender Bedeutung ist hingegen, dass aufgrund des Fehlens eines Ansprüche verfolgenden Insolvenzverwalters Gesellschafter und Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft im Falle der Masselosigkeit „gute Chancen haben, ungeschoren davon zu kommen“54. Die Vermeidung masseloser Insolvenzen wird damit zu einem zentralen Anliegen nicht nur kompensatorisch wirkender, sondern auch anreizorientierter gläubigerschützender Normen. Die Lösung kann entweder durch Absenkung der relativen und absoluten Zahlen masseloser Insolvenzen oder aber durch die Etablierung eines Verfahrens auch im Fall von Masselosigkeit erfolgen55. Den letzteren Weg geht ein Vorschlag von Burgard/Gundlach, der die Gesellschaft gesetzlich verpflichten will, eine Versicherung für im Rahmen eines Insolvenzverfahrens anfallende Kosten (§ 54 InsO) abzuschließen. Genügt die Gesellschaft ihrer Versicherungspflicht nicht, soll die Versicherung zur Leistung verpflichtet bleiben, gleichzeitig aber einen Erstattungsanspruch gegen das Unternehmen bzw. dessen Gesellschafter und Geschäfts52

Vgl. Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1568 (1568). Vgl. Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1568 (1568). 54 Vgl. Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1568 (1569); Casper, in: Bachmann/Casper/Schäfer,/ Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (46). 55 Vgl. Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1568 (1569). 53

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§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung

leiter als Gesamtschuldner erhalten; unterlässt die Gesellschaft gesetzeswidrig den Abschluss der Versicherung komplett, soll hingegen ein von den Versicherern zu bildender Fonds in Vorleistung treten und als Gegenleistung einen vergleichbaren Erstattungsanspruch gegen die Gesellschaft erhalten56. Evident wäre damit das Problem der unterbleibenden Verfahrenseröffnung bei Massearmut gelöst. Ein weiterer Vorteil wird darin gesehen, dass die Aufbringung der Prämie durch den Insolvenzschuldner als Verursacher einerseits und alle Gewerbetreibenden als den möglichen Nutznießern einer Verfahrensdurchführung andererseits geleistet wird57. Gegenüber der Alternative eines den Gesellschaftern und/oder der Geschäftsleitung abzufordernden Massezuschusses hat eine Insolvenzkostenversicherung darüber hinaus den Vorteil, dass einerseits mit Sicherheit feststeht, dass die Verfahrenskosten im entscheidenden Zeitpunkt aufgebracht werden, andererseits ist sie nicht mit den Belastungen (prozessuale Durchsetzung) behaftet, die aus einer etwaig bestehenden Zahlungsunwilligkeit auf Seiten der Gesellschaft resultieren58. Fraglich wie bei jeder Versicherungslösung ist, ob nicht der Allgemeinheit Kosten auferlegt werden, die unter dem Gesichtspunkt der Verhaltenssteuerung spezifischen Unternehmen und ihren Entscheidungsträgern aufzuerlegen wären. Die Kosten einer Insolvenzkostenversicherung werden auch von den erfolgreichen Unternehmen, denen weder Zahlungsunfähigkeit noch Überschuldung droht, mitfinanziert59. Dem steht gegenüber, dass der Geschäftsverkehr insgesamt von einer Insolvenzkostenpflichtversicherung profitieren würde. Jeder Verpflichtete genießt im Insolvenzfall eines Vertragspartners die Vorteile einer Insolvenzkostenpflichtversicherung. Die Einführung einer Insolvenzkostenpflichtversicherung erscheint deshalb als Alternative zu einer extensiven Geschäftsleiterhaftung, die primär darauf fokussiert ist, den Geschäftsleiter zu einer rechtzeitigen Verfahrenseröffnung zu bewegen. Dies gerade vor dem Hintergrund, dass von der Möglichkeit, einen Vorschuss auf die Verfahrenskosten zu leisten, um diesen im Anschluss bei einem Geschäftsleiter zu liquidieren (§ 26 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 3 S. 1 InsO), in der Praxis kaum Gebrauch gemacht wird60.

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Vgl. Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1568 (1571 f.). Vgl. Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1568 (1571). 58 Vgl. Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1569 (1571). 59 Deshalb skeptisch Casper, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (46 f.). 60 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 314. 57

IV. Solvenzbasierte Ausschüttungssysteme

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IV. Solvenzbasierte Ausschüttungssysteme 1. Struktur und Kritik des Solvenztests Die Kritik am tradierten System des festen Nennkapitals speist sich maßgeblich aus dem Vergleich mit dem Gläubigerschutzkonzept des angelsächsischen Rechtsraums61. Dort existiert mit dem in 38 US-Bundesstaaten sowie Neuseeland geltenden solvency test ein konkurrierendes Alternativkonzept; ein erster Einbruch in die kontinentaleuropäische Phalanx der Verteidiger des klassischen Kapitalschutzsystems ist zudem unlängst in den Niederlanden gelungen, die ein an den US-amerikanischen Vorbildern orientiertes Gläubigerschutzsystem für die flex-bv adaptiert haben62. Im Gegensatz zum Kapitalschutzsystem deutscher bzw. europäischer Prägung, dass die Ausschüttungsfähigkeit unter Rückgriff auf den Jahresabschluss bestimmt63, stellt der solvency test ein System situativer Ausschüttungssperren dar, das, aufbauend auf betriebswirtschaftlichen Finanzplänen, die Frage stellt, ob das liquidierbare Vermögen der Gesellschaft auch nach der Ausschüttung noch ausreicht, um fällig werdende Verbindlichkeiten zu bedienen64. Ausschüttungen, die die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft beeinträchtigen, sind verboten65. Ein Verstoß gegen das Ausschüttungsverbot begründet zum einen einen entsprechenden Rückforderungsanspruch gegen den Empfänger-Gesellschafter, zum anderen haftet auch der für die Ausschüttung verantwortliche director gegenüber der Gesellschaft im Interesse der Gläubiger in Höhe des Auszahlungsbetrages66. Kern eines solchen solvency tests bildet ein Liquiditätstest (equity insolvency test)67. Erforderlich ist die Erstellung eines umfassenden Finanzplans, der die vor61 Exemplarisch nach wie vor die Kritik von Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1165 ff.). Vgl. allgemein zur Debatte um das System der Kapitalrichtlinie van Hulle/ Maul, ZGR 2004, 494 (498 f.); Arnold, DK 2007, 118 (118 f.); Engert, ZHR 170 (2006), 296 (297 f.); Hennrichs, DK 2008, 42 (42 ff.); Köhler/Marten/Ehret, DB 2007, 2729 (2729); Miola, ECFR 2008, 413 (453 ff.); Teichmann, NJW 2006, 2444 (2446); Schön, in Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 181 (181 ff.); Thole, KTS 2007, 293 (298); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 123 ff. Überblick über die neuseeländischen Regelungen bei Weiss, DK 2007, 109 (109 ff.). 62 Hierzu aus dem deutschen Schrifttum Hirschfeld, RIW 2013, 134 (138 ff.). 63 Vgl. Hennrichs, DK 2008, 42 (43). 64 Vgl. Weller, DStR 2007, 116 (116); Spindler, JZ 2006, 839 (843); Pellens/Brandt/Richard, DB 2006, 2021 (2021 ff.); Köhler/Marten/Schlereth, DB 2007, 2729 (2729). 65 Vgl. Arnold, DK 2007, 118 (119); Köhler/Marten/Schlereth, DB 2007, 2729 (2731). 66 Vgl. Pellens/Brandt/Richard, DB 2006, 2021 (2024). In vergleichbarer Weise schlägt der Rickford-Report vor, die Direktoren zu verpflichten „to reach the view that for the reasonably foreseeable future, taking into account of the company’s expected prospects in the ordinary course of business, it can reasonably be expected to meet its liabilities“. 67 Vgl. Weller, DStR 2007, 116 (117); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 124.

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aussichtlichen Ein- und Auszahlungen periodisch gegenüberstellt68. Eine Ausschüttung ist unzulässig, wenn in ihrer Folge „the corporation would not be able to pay its debts as they become due in the normal course of business“69. In der Praxis wird dieser reine Solvenztest regelmäßig um im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägte Bilanzerfordernisse ergänzt70. So erlaubt der US Revised Model Business Corporations Act Ausschüttungen nur dann, wenn neben der voraussichtlichen Zahlungsfähigkeit ein positives Bilanznettovermögen (nach Abfindung der Vorzugsaktionäre) vorhanden ist (adjusted net worth balance test)71. Vergleichbar verlangt der kalifornische Corporations Code das Vorhandensein positiver Gewinnrücklagen bzw. alternativ die Erfüllung einer bestimmten Relation zwischen Vermögenswerten und Schulden, ergänzt um das Erfordernis, dass der Quotient aus Umlaufvermögen und Verbindlichkeiten größer 1 ist72. Ähnlich auch der Vorschlag der Winter-Gruppe, wonach das Aktivvermögen auch nach der Ausschüttung ausreichen muss, um die Passiva zu decken und die Schuldenbegleichung nur aus dem Umlaufvermögen, nicht aber aus dem Anlagevermögen erfolgen darf73. Auch Neuseeland legt mit cash flow und balance sheet insolvency ein doppeltes Kriterium zu Grunde74. Allein der nicht Gesetz gewordene Rickford-Report sieht eine völlige Abkehr von bilanzorientierten Größen vor; die Jahresabschlusssituation soll hiernach bei der Entscheidung über Ausschüttungen lediglich in Erwägung zu ziehen sein und bilanzbasierte Überschuldungstests nur Informationspflichten begründen, wenn Ausschüttungen trotz Verfehlens eines positiven Bilanznettovermögens erfolgen75. Solvenztests weisen gegenüber dem tradierten Kapitalschutzsystem eine Reihe von zumindest theoretischen Vorteilen auf. Während das Kapitalerhaltungsrecht durch den Rekurs auf den Jahresabschluss des abgelaufenen Wirtschaftsjahres mindestens partiell rückwärtsgewandt ist76, schaut ein Solvenztest einerseits nach vorn und nimmt andererseits die für die Gläubiger maßgebliche Kennziffer, die 68

Vgl. Arnold, DK 2007, 118 (122); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 124. 69 Sec. 6.40 (c) (1) RMBCA. 70 Vgl. Pellens/Brandt/Richard, DB 2007, 2021 (2021 ff.); Arnold, DK 2007, 118 (119), so auch das niederländische Konzept für die flex-bv, vgl. Hirschfeld, RIW 2013, 134 (138 f.): Kombination aus Bilanztest und Liquditätsprognose. Befürwortend Schön, in Eidenmüller/ Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 181 (196 ff.). 71 Sec. 6.40 (c) (2) RMBCA. Vgl. Kuhner, ZGR 2005, 757 (776); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 123 f.; Miola, ECFR 2008, 413 (456). 72 Cal. Corp. Code, Sec. 500(a), (b). Vgl. Kuhner, ZGR 2005, 757 (776); Miola, ECFR 2008, 413 (453 f). 73 Vgl. Weiss, DK 2007, 109 (112). Ähnlich Pellens/Schmidt, ZGR 2008, 381 (428 f.). 74 Vgl. hierzu Weiss, DK 2007, 109 (112 ff.). 75 Vgl. Rickford, EBLR 2004, 919 (966); Kuhner, ZGR 2005, 753 (777); vgl. auch Arnold, DK 2007, 118 (119); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 124. 76 Die zahlungs- und zukunftsorientierten Posten einer Bilanz betont etwa Hennrichs, DK 2008, 42 (43 f.).

IV. Solvenzbasierte Ausschüttungssysteme

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fristgerechte und vollständige Leistung des Kapitaldiensts in den Blick77. Er ist damit theoretisch besser geeignet, Ausschüttungssperren zu bestimmen78. Ob er auch für die Praxis das überlegene Konzept darstellt, wird insbesondere mit Blick auf seine Prognoseabhängigkeit bezweifelt. Die Kritik entzündet sich auch hier daran, dass ein Solvenztest im Vergleich zum Kapitalerhaltungssystem kontinentaleuropäischer Prägung zusätzliche Unsicherheitselemente in sich berge79, die Höhe der erforderlichen Finanzmittel sei tatsächlich nicht bestimmbar80. Die theoretische Überlegenheit des Solvenztests werde überdies dadurch gemindert, dass auch ein Solvenztest zur Prognoseerstellung Daten aus der Vergangenheit zu Grunde legen müsse81. Demgegenüber sei das Kapitalschutzsystem klassischer kontinentaleuropäischer Prägung verlässlicher, indem es auf die Werte aus dem betrieblichen Rechnungswesen zurückgreife82. Die Notwendigkeit einer bilanzorientierten Ausschüttungssperre ergebe sich zudem aus der asymmetrischen Erfassung von Chancen und Risiken, die ihrerseits Resultat des Umstandes sei, dass einmal ausgeschüttete Gewinne nicht zurückgezahlt werden können83. Negative Effekte dieser Unsicherheiten werden insbesondere mit Blick auf die Anreize der Geschäftsleitung befürchtet. Das Vorzeichen dieser Effekte ist jedoch auch unter den Kritikern solvenzbasierter Ausschüttungssperren streitig. Teilweise wird in Anbetracht der persönlichen Haftung der Geschäftsleitung, die kaum mit hinreichender Wahrscheinlichkeit beurteilt werden könne, eine übervorsichtige Ausschüttungspolitik befürchtet84. Teilweise wird hingegen die Kritik am Konzept des Solvenztests auf die gegenteilige Annahme gestützt, dass Geschäftsleiter im Wissen um die nicht justiziablen Prognosefreiräume eine zu optimistische Ausschüttungspolitik betreiben würden85, wobei zu Recht auf den psychologisch nicht unbedeutenden Umstand hingewiesen wird, dass Geschäftsleiter, die zur Verneinung einer Auszahlung einen negativen Business-und Solvenzplan für die nähere Zukunft erstellen, ihren Prinzipalen signalisieren, dass sie zumindest in der näheren Zukunft und nach eigener 77

Vgl. Pellens/Schmidt, ZGR 2008, 381 (423 f.). Liquidität bzw. Liquidierbarkeit spielen demgegenüber im Rahmen eines klassischen Bilanztest keine Rolle. Vgl. Schön, in Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 181 (189). 78 Vgl. K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1074); Thole, KTS 2007, 293 (328); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 130 f.; Miola, ECFR 2008, 413 (453 ff.). 79 Vgl. zum Unsicherheitselement Kleindiek, ZGR 2005, 335 (347); Kuhner, ZGR 2005, 753 (778ff); Spindler, JZ 2006, 839 (843); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1074); Teichmann, NJW 2006, 2444 (2446 f.). 80 Vgl. Teichmann, NJW 2006, 2444 (2447). 81 Vgl. Arnold, DK 2007, 118 (121); vgl. auch Thole, KTS 2007, 293 (328 f.). 82 Vgl. Teichmann, NJW 2006, 2444 (2447). 83 Vgl. Kleindiek, ZGR 2005, 335 (347 f.); Schön, in Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 181 (186 f.). 84 Vgl. Teichmann, NJW 2006, 2444 (2447); Hommelhoff/Teichmann, DStR 2008, 925 (931); Weiss, DK 2007, 109 (114). 85 Vgl. Arnold, DK 2007, 118 (121); ähnlich Schön, in Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 181 (194).

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Einschätzung voraussichtlich nicht in der Lage sein werden, die Gesellschaft erfolgreich zu führen86. Ob Geschäftsführer und Vorstände ihren Gesellschaftern gegenüber ein derart negatives Bild zumindest auch der eigenen Leistung jetzt und in Zukunft zeichnen werden und damit gegebenenfalls ihr Schicksal besiegeln, erscheint zumindest fraglich. Neben diese grundsätzliche Kritik treten Bedenken bezüglich der effektiven Implementierung eines Solvenztests. Auch in diesem Zusammenhang begegnen die üblichen Verdächtigen rechtlich relevanter Prognoserechnungen – Zeitraum und Gewichte bzw. Wahrscheinlichkeiten87. Ein Zielkonflikt wird hier insbesondere mit Blick auf die Vereinbarkeit eines – aus Objektivitätsgründen notwendigen – überschaubaren Prognosezeitraums mit der Berücksichtigung langfristiger Verbindlichkeiten gesehen88. Wenn auch zu konstatieren ist, dass ein Solvenztest in der Tat nur bedingt Rechtssicherheit zu generieren vermag, kann dies nicht als Verdikt seiner Ungeeignetheit heranzogen werden. Zutreffend ist, dass die Güte des Solvenztests von der Güte der zur Verfügung stehenden Informationen abhängig ist89. Die mit der Zukunftsorientierung verbundenen Unwägbarkeiten erreichen allerdings kein derartiges Ausmaß, dass sie Aufstellung und gerichtliche Überprüfung unmöglich machen würden. Auch das bilanzorientierte Kapitalerhaltungsrecht kommt nicht ohne Prognosen aus90. Gleichzeitig liegt bis in die Insolvenz die Einschätzungsprärogative bezüglich der Ausschüttungsfähigkeit von Vermögen an die Gesellschafter bei Anteilseignern und Geschäftsführung, so dass fraglich ist, inwieweit tatsächlich ein Vorfeldschutz geboten wird. Bewertungswahlrechte und Scheingeschäfte mit den Gesellschaftern zu nicht marktüblichen Konditionen ermöglichen zumindest für den Augenblick auch unter Geltung des Kapitalschutzsystems die Verlagerung von Vermögenswerten91. Im Übrigen scheint auch die Praxis der Auffassung zu sein, dass die mit der Prognoseerstellung verbundenen Schwierigkeiten mit vertretbarem Aufwand zu bewältigen sind92. Schon de lege lata ist die Geschäftsführung insbesondere bei krisenhafter Zuspitzung der finanzwirtschaftlichen Entwicklung zur fortdauernden Kontrolle der Lage der Gesellschaft verpflichtet93. Schließlich stehen der Verwendung von Solvenztests auch keine schutzwürdigen Belange der Gläubiger entgegen94. Bilanzkennziffern sind irrelevant, solange die Forderungen der Gläubiger befriedigt werden95. Soweit hingegen die Unwägbarkeiten zukünftiger Zah86

Schön, in Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 181 (197). Vgl. Hennrichs, DK 2008, 42 (47). 88 Vgl. Hennrichs, DK 2008, 42 (47 f.). 89 Vgl. Köhler/Marten/Schlereth, DB 2007, 2729 (2731). 90 Vgl. Spindler, JZ 2006, 839 (844); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 135. 91 Vgl. etwa Enriques/Macey, Cornell L. Rev. 86 (2001), 1165 (1191). 92 Vgl. Köhler/Marten/Schlereth, DB 2007, 2729 (2732). 93 Vgl. Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 134 f. 94 Vgl. Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 136. 95 Vgl. Teichmann, NJW 2006, 2444 (2446 f.). 87

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lungsströme im Raum stehen, gilt es wiederum in Anschlag zu bringen, dass gerade diese Unsicherheit einen wesentlichen, wenn auch impliziten Bestandteil der Kreditbeziehung darstellt. Die Gläubiger sind nicht vor dem unternehmerischen Risiko an sich zu schützen, sondern allein vor unbegründeten und falschen Prognosen der Geschäftsleitung96. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Fortführung in Folge einer günstigen Prognose nicht nur Risiken, sondern auch Chancen für die Gläubiger mit sich bringt97. 2. Solvenztests und opportunistisches Verhalten in der Krise Soweit die Eignung eines Solvenztests zur Einschränkung der krisenbedingten Fehlanreize betroffen ist, muss – nicht anders als im Rahmen des bilanzorientierten Kapitalschutzrechtes – differenziert werden. Soweit die Anreize der Gesellschafter betroffen sind, etwaig noch vorhandene Vermögenswerte aus dem haftenden Unternehmensträger zu retten, werden diese durch einen Solvenztest zumindest behindert. Der zahlungsbezogene Solvenztest ist in diesem Zusammenhang allerdings zumindest theoretisch besser geeignet als das bilanzorientierte Kapitalschutzsystem, den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem das gamble for resurrection für Gesellschafter und Geschäftsleitung attraktiv wird98. Sind hingegen die Anreize, die abgewirtschaftete Gesellschaft als Objekt einer Spekulation auf Kosten der Gläubiger einzusetzen, betroffen, geht auch ein Solvenztest ins Leere. Die Probleme der Überinvestition, Unterinvestition und Verwässerung kann auch er nicht lösen99, da jeweils eine Ausschüttung nicht beabsichtigt ist und damit bereits der tatbestandliche Anwendungsbereich eines Solvenztests nicht eröffnet ist. Vielmehr gilt, ebenfalls nicht anders als im bilanzorientierten Kapitalerhaltungsrecht, dass die durch einen Solvenztest aufgestellten Ausschüttungssperren die entsprechenden Fehlanreize im Einzelfall noch intensivieren können. Der mit der Ausschüttungssperre verbundene Zwang zur unternehmensinternen (Re)Investition von Mitteln kann Überinvestitionsprobleme erst hervorrufen100. Unter umgekehrten Vorzeichen wird zudem befürchtet, dass die Ersetzung eines Bilanz- durch einen ausschließlichen Solvenztest das Phänomen des asset withdrawal im Einzelfall noch verschärfen könne: da die Freiheitsgrade im Zeitpunkt der Entscheidung über eine Ausschüttung größer sind, ist denkbar, dass Geschäftsleiter im Interesse ihrer Gesellschafter ein allzu günstiges Bild der weiteren Liquidiätsentwicklung zeichnen, um Zahlungen an Gesellschafter zu legitimieren; während der Bilanztest in einer vergleichbaren Situation die Gestaltungsspielräume zumindest insoweit einschränkt, als die Geschäftsleitung gehalten ist, die Zulässigkeit der Ausschüttung anhand der bisherigen Bilanzierungs96

Ähnlich Thole, KTS 2007, 293 (329). Vgl. Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 136. 98 Vgl. Spindler, JZ 2006, 839 (843 f.). 99 Vgl. Arnold, DK 2007, 118 (120). 100 Vgl. Arnold, DK 2007, 118 (120).

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technik zu messen101. Der Solvenztest stellt damit ein Substitut des Kapitalschutzsystems kontinentaleuropäischer Prägung dar, nicht hingegen für eine direkte Krisenhaftung der Geschäftsleitung nach dem Muster der Insolvenzverschleppungshaftung, des wrongful trading und der action en comblement du passif102.

V. Insolvenzverursachungshaftung: Ausweitung des Zahlungsverbots des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./ § 64 S. 1 GmbHG n.F. 1. Das Zahlungsverbot des § 64 S. 1 GmbHG n.F. Eigentliche haftungsrechtliche Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht ist das Zahlungsverbot des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§§ 92 Abs. 3 AktG, 130a Abs. 2 S. 3 HGB a.F.)/§ 64 S. 1 GmbHG n.F.103. Hiernach ist es Geschäftsführern und Vorständen ab Insolvenzreife untersagt, für die Gesellschaft Zahlungen zu leisten. Diesem Verbot zu Wider erfolgte Zahlungen sind durch die Geschäftsführer zu ersetzen, soweit die Zahlungen nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 S. 1 GmbHG n.F. erfasst ausschließlich Zahlungen aus dem Vermögen der Gesellschaft, die nach Insolvenzreife, also Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, geleistet worden sind. Bezüglich des pflichtenauslösenden Zeitpunkts gilt damit Vergleichbares wie im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung. Fehlanreize können weit im Vorfeld von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung existieren, so dass auch die Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG n.F. diesbezüglich keinen wirksameren Schutz als die Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB bietet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Rahmen des Zahlungsverbotes des § 64 S. 1 GmbHG n.F. nach ganz herrschender Meinung die dreiwöchige Sanierungsfrist keine Anwendung findet104. Da es sich hierbei um eine Höchstfrist handelt, die die Geschäftsführung 101

Schön, in Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 181 (195 f.). Gerade diese Unzulänglichkeit auch eines Systems situativer Ausschüttungssperren veranlasste Chancellor Allen in Credit Lyonnais zur Ableitung gläubigerschützender Krisenpflichten der Geschäftsleitung auf common law-Basis. 103 Vgl. Poertzgen, NZI 2008, 9 (11); Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1173); K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (665). 104 So die h.M. BGH, Urt. 19. 6. 2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 (1557); BGH, Urt. v. 16. 3. 2009 – II ZR 280/07, BeckRS 2009, 10663 = GWR 2009, 280936 (Ehmann); OLG München, Urt. v. 28. 11. 2007 – 7 U 5444/05, GmbHR 2008, 320 (321) Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 27; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 2; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 17; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 33; Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Ehricke, GmbHG, § 64 Rn. 31; Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 12; Bork, NZG 2009, 775 (776). 102

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allein für erfolgversprechende und seriöse Sanierungsversuche nutzen kann, wird bereits im Rahmen von § 15a Abs. 1 InsO kein haftungsfreies Zeitfenster für Spekulationen auf Kosten der Gläubiger eröffnet. Die tatbestandliche Reichweite von § 64 S. 1 GmbHG wird darüber hinaus maßgeblich von der überaus umstrittenen Definition des Tatbestandsmerkmals der Zahlung bestimmt. Nach Ansicht der Rechtsprechung sind Zahlungen in diesem Sinne über den Wortlaut hinausgehend nicht nur alle baren und unbaren Geldleistungen105, sondern auch die Leistung sonstiger Gegenstände des Gesellschaftsvermögens, etwa die Lieferung von Waren, die Erbringung von Dienstleistungen oder die Gewährung von Sicherheiten106. Auch den durch den Geschäftsführer einer insolvenzreifen GmbH veranlassten Einzug eines Kundenschecks auf ein debitorisches Bankkonto der GmbH – also eigentlich eine Einzahlung – qualifiziert die Rechtsprechung als verbotene Zahlung, weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Lasten ihrer Gläubigergesamtheit (und zum Vorteil der Bank) geschmälert wird107. Keine masseschmälernde Leistung liegt hingegen vor, wenn es sich um einen reinen Aktiventausch handelt, wenn also Gegenstände angeschafft werden, die in der Insolvenz noch mit ihrem Anschaffungswert aktiviert werden können108. Auch das bloße Eingehen von Verbindlichkeiten subsumiert die Rechtsprechung entgegen teilweise vertretener Ansicht in der Literatur 109 nicht unter den Begriff der Zahlung110. Trotz dieser weiten Interpretation des Tatbestandsmerkmals gilt, dass das 105

BGH, Urt. 29. 11. 1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 (186); Vgl. Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 93; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 6; K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (667); Greulich/Bungemann, NZG 2006, 681 (684). Für eine wortgetreue Auslegung hingegen Mertens, in: KölnerKommAktG, § 92 Rn. 56 f.; kritisch gegenüber der weiten Auslegung auch BDI/GDV, Stellungnahme RefE MoMiG, S. 12. 106 Vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 7; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 20; Eckert, in: Wachter, AktG, § 92 Rn. 13; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 22; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 93; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 92 Rn. 14; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 92 Rn. 9; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 33; Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 84. 107 Vgl. BGH, Urt. v. 26. 3. 2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 (1007); BGH, Urt. v. 29. 11. 1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 (186 ff.); aus der Literatur etwa Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 33: Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 92 Rn. 14; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 92 Rn. 9; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 33; Bitter, WM 2001, 666 (666 ff.). A.A. etwa Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 88 im Falle eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Scheckinkasso und erneuter Verfügung über die gewonnene Liquidität durch die Gesellschaft. 108 Vgl. Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 85; Jula, Der GmbHGeschäftsführer, S. 323; Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1173). 109 Vgl. Altmeppen, ZIP 1997, 1173 (1173); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2002, § 64 Rn. 23; Flume, ZIP 1994, 337 (341); Glozbach, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 24; Wilhelm, ZIP 1993, 1833 (1836). 110 BGH, Urt. v. 30. 3. 1998 – II ZR 146/98, BGHZ 138, 211 (216 f.); aus der Literatur Eckert, in: Wachter, AktG, § 92 Rn. 13; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 23; Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Ehricke, GmbHG, § 64 Rn. 14; Spindler, in: MünchKomm-

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Gesetz die bereits für das Kapitalschutzrecht beschriebenen Probleme übernimmt, wenn es mit der Rechtsbegrifflichkeit der Zahlung an bestimmte, einzeln identifizierbare Geschäftsvorfälle anknüpft. Opportunistisches Verhalten, das nicht in bilanzwirksamen Handlungen, sondern etwa in spekulativem Zuwarten besteht, wird nicht erfasst111. Hier versagt auch die Haftung gemäß § 64 S. 1 GmbHG n.F. Das grundsätzlich extensive Verständnis setzt sich auf der Rechtsfolgenseite fort. Nach § 64 S. 1 GmbHG n.F. ist die Geschäftsleitung zur Erstattung der verbotswidrig geleisteten Zahlungen verpflichtet. Rechtsprechung und Teile der Literatur sehen hierin einen Erstattungsanspruch eigener Art und verzichten in Konsequenz darauf, dass der Gesellschaft durch die Zahlung ein Schaden entstanden ist112. Dies ist zunächst Folge des Umstands, dass bei Begleichung einer Verbindlichkeit nur eine Bilanzkürzung eintritt, die Gesellschaft aufgrund des Wegfalls der Verbindlichkeit also gerade keinen bilanziell messbaren Schaden erleidet113. Rechtsprechung und der ihr folgende Teil des Schrifttums sehen dieses Ergebnis durch den Normzweck von § 64 S. 1 GmbHG n.F. bestätigt. Das Zahlungsverbot diene dem Ziel, die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger zu erhalten und die bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern114. Nach diesem Verständnis ergänzt § 64 S. 1 GmbHG die AktG, § 92 Rn. 59; Hüffer, AktG, § 92 Rn. 14a; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 10; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 92 Rn. 9; Krieger/ Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 92 Rn. 14; ähnlich Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 219; ders., DStR 1998, 1308 (1311); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 25; Poertzgen, GmbHR 2006, 1182 (1183 f.); Röhricht, ZIP 2005, 505 (510 f.); Knof, DStR 2007, 1536 (1538); offengelassen noch von Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG (16. Aufl.), § 64 Rn. 59: bedarf noch weiterer Diskussion. 111 Vgl. zur Irrelevanz von Unterlassungen etwa Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Ehricke, GmbHG, § 64 Rn. 18. 112 Vgl. BGH, Urt. v. 26. 3. 2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 (1006); BGH, Urt. v. 8. 1. 2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (278); OLG München, Urt. v. 13. 2. 2013 – 7 U 2831/12, ZIP 2013, 778 (779); Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 1; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 19; Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Ehricke, GmbHG, § 64 Rn. 4; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 19; Röhricht, ZIP 2005, 505 (509). Dem soll nach BGH, Urt. v. 26. 3. 2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 (1006) auch § 130 Abs. 2 S. 3 HGB, der von einem Schaden spricht, nicht entgegenstehen. Es handele sich um einen speziellen Schadensersatz, der nicht nach der ansonsten üblichen Differenzmethode zu bestimmen sei. Dies ergebe sich schon daraus, weil den Zahlungen Leistungen in das Gesellschaftsvermögen gegenüberstehen. Der Schaden liege bereits im Abfluss von Mitteln aus der im Stadium der Insolvenzreife der Gesellschaft zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger zu erhaltenden Vermögensmasse A.A. (Schadensersatzanspruch) insbesondere K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (650 ff.); ähnlich Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 64 Rn. 41: Schadensersatzanspruch, wenn auch kein „gewöhnlicher“, sondern ein Schaden der Gläubigergemeinschaft. 113 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 19; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 91. Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 92 Rn. 35. 114 Vgl. BGH, Urt. v. 26. 3. 2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 (1007); BGH, Urt. v. 29. 11. 1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 (186); BGH, Beschl. v. 30. Juli 2003 – 5 StR 221/03, BGHSt 48, 307 (309); so auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 18; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 4; Goette, ZGR 2008, 435 (444 f.). A.A. K. Schmidt,

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insolvenzrechtlichen Bestimmungen – insbesondere die §§ 129 ff. InsO – indem es deren Wirkungen vorverlagert115. § 64 S. 1 GmbHG n.F. sichert, dass ab Insolvenzreife sämtliche Gläubiger quotal am vorhandenen Gesellschaftsvermögen partizipieren116, die Wertungen des Insolvenzverfahrens also auch dann zur Geltung gebracht werden, wenn das Verfahrensregime der InsO aufgrund eines unterlassenen Insolvenzantrags nicht zum Durchbruch gelangen konnte117. Konsequenz dieses Verständnisses ist, dass der Erstattungsanspruch nicht auf Ersatz des Quotenschadens gerichtet ist118. Zu erstatten ist vielmehr der gezahlte Betrag, ohne Abzug des Betrages, den Gläubiger als Insolvenzquote erhalten hätten119. Diese weite Interpretation des § 64 S. 1 GmbHG ist auf ein geteiltes Echo in der Wissenschaft getroffen120. Zwar ermöglicht sie, die Masse gleichermaßen als Befriedigungsobjekt für alle Gläubiger bereit zu halten. Andererseits birgt sie erhebliche Haftungsrisiken für den Geschäftsführer. Dieser haftet nach der durch den II. Senat vertretenen Auffassung unter Umständen nicht allein auf die durch Zahlungen entstandenen Masseschmälerungen, sondern auf die Summe des gesamten, ab Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzreife getätigten Umsatzes121. Der Haftungsumfang wird allein durch den relevanten Zahlungsmittelabfluss bestimmt122. Bedenken erweckt diese Rechtsfolge zunächst unter Berücksichtigung, dass anders als im Anfechtungsrecht nicht der Begünstigte, sondern der (Mit-)Veranlasser auf den Ersatz der Zahlung haftet123. Die Gefahr der Erwirkung eines für eine Kahlpfändung ausreichenden Titels gegen den Geschäftsführer liegt auf der Hand124. Um diese Haftungsrisiken zu kanalisieren, wird von Teilen der Literatur vorgeschlagen, die Ersatzpflicht des Geschäftsleiters von vorneherein auf die insgesamt eingetretene ZHR 168 (2004), 637 (654): „dient […] einzig und allein der Herbeischaffung von Haftungsmasse“; in diese Richtung auch Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 69 f. 115 Vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 4; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 92 Rn. 18; Goette, DStR 2003, 887 (893). 116 Vgl. nur Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 1; Habersack, in: GroßKommAktG, § 92 Rn. 91. 117 Vgl. BGH, Urt. v. 26. 3. 2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 (1006). 118 Vgl. BGH, Urt. v. 26. 3. 2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 (1006). 119 Vgl. Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 23. 120 Grundsätzliche Kritik insbesondere von K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (650ff), der „beide Absätze des § 64 GmbHG […] als Ausdruck eines einheitlichen Pflichten- und Sanktionsprogramms“ ansieht. Für einen Schadensersatzanspruch etwa auch Fischer, GmbHG, 10. Aufl., § 64 Nr. 2; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 36. 121 Vgl. Bitter, WM 2001, 666 (668); K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (651 f.); ders., GmbHR 2007, 1 (6); vgl. auch Arends/Möller, GmbHR 2008, 169 (170): „begründet […] höchste Haftungsrisiken“. 122 Vgl. Knof, DStR 2007, 1580 (1584). 123 Kritisch deshalb insbesondere K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (654); ders., ZHR 175 (2011), 433 (435 f.); Altmeppen, ZIP 2010, 1973 (1977). 124 So K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (644).

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Masseschmälerung zu begrenzen125 bzw. dem vergleichbar auf den durch Verringerung der Masse eingetretenen Gesamtschaden126. Mit gleicher Zielsetzung plädieren Altmeppen/Wilhelm dafür, die Erstattungspflicht nach § 64 S. 1 GmbHG auf die Verluste zu beziehen, die der Gesellschaft vom Zeitpunkt der Insolvenzreife bis zur tatsächlichen Verfahrenseröffnung entstehen („schadensrechtliche Gesamtsaldierung“)127. Praktische Konsequenz dieser Alternativvorschläge ist, dass § 64 S. 1 GmbHG nicht auf den Ersatz (aller) konkreten Zahlungen geht, sondern nur die Minderung des Gesellschaftsvermögens im kritischen Zeitraum erfasst128. Vom hier vertretenen Standpunkt, wonach bereits die Haftung auf den Quotenschaden im Einzelfall der Geschäftsleitung das eigentlich nicht von ihr zu tragende technologische Risiko aufbürdet, sind derartige Beschränkungsversuche zu begrüßen. Bedenken sehen sie sich allerdings insoweit ausgesetzt, dass sie die Durchsetzungsprobleme und die im Einzelfall zu konstatierenden Übertreibungen der Haftung auf den Quotenschaden in den Tatbestand des § 64 S. 1 GmbHG importieren. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass § 64 S. 1 GmbHG der Geschäftsleitung der Gemeinschuldnerin weitergehende Entlastungsmöglichkeiten als die Insolvenzverschleppungshaftung nach § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB einräumt. Nur wenig Hilfe vermag dem redlichen Geschäftsleiter in diesem Zusammenhang allerdings das Verschuldenserfordernis des § 64 S. 1 GmbHG zu bieten129. Es genügt auch hier einfache Fahrlässigkeit, so dass eine Haftung bereits dann in Betracht kommt, wenn der Geschäftsleiter fahrlässig in Unkenntnis darüber ist, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist130. Maßstab ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, auf individuelle Umstände kommt es nicht an, so dass sich der betroffene Geschäftsführer nicht durch einen Hinweis auf seine mangelnde Sachkunde entlasten kann131. Nicht anders als im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung scheidet ein Verschulden daher nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei qualifizierter externer Beratung, aus132. Im Ge-

125

Vgl. Bitter, WM 2001, 666 (670). K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (663 ff.); ders., ZHR 175 (2011), 433 (440); sympathisierend Bachner, Creditor Protection in Private Companies, S. 193 f. 127 Altmeppen/Wilhelm, NJW 1999, 673 (678 ff.); Altmeppen, ZIP 2010, 1973 (1977). 128 Vgl. Bitter, WM 2001, 666 (671). 129 A.A. Bork, NZG 2009, 775 (776), dem zu Folge es aufgrund des Verschuldenserfordernisses nicht zu einer unvorhersehbar ausufernden Haftung kommen können soll. 130 BGH, Urt. v. 19. 6. 2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 (1557); Casper, in: Ulmer/ Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 93; Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Ehricke, GmbHG, § 64 Rn. 32 f.; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 22; Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 323. 131 BGH, Urt. v. 19. 6. 2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 (1557). 132 Vgl. Arends/Möller, GmbHR 2008, 169 (171). Zum streitigen Verhältnis zwischen § 64 Abs. 2 GmbHG und § 266a StGB vgl. zuletzt BGH, Urt. vom 14. 05. 2007, GmbHR 2007, 757 (757 ff.) mit Anm. Schröder; OLG München, Urt. v. 28. 11. 2007 – 7 U 5444/05, GmbHR 2008, 126

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gensatz zur Insolvenzverschleppungshaftung erlaubt § 64 S. 2 GmbHG jedoch zusätzlich den Nachweis der wirtschaftlichen Vertretbarkeit der jeweiligen Zahlung133. Ein Geschäftsleiter hat solche Zahlungen nicht zu ersetzen, die zwar nach Insolvenzreife erfolgen, jedoch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. In der Diktion des BGH ist eine Zahlung dann mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns im Sinne des § 64 S. 2 GmbHG vereinbar, wenn durch sie größere Nachteile für die Insolvenzmasse abgewendet werden sollen134. Regelmäßig wird es sich hierbei um Zahlungen handeln, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, um entweder eine Sanierung zu ermöglichen oder aber schlimmere Schäden zu verhüten135. Prüfungsmaßstab ist der Zweck des Zahlungsverbots, die Masse für die Gläubiger zu erhalten sowie eine einzelne Gläubiger einseitig begünstigende Befriedigungspolitik des Schuldners zu unterbinden136. Hiermit kennt die Haftung der Geschäftsleiter nach § 64 S. 1 GmbHG anders als die Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB ein Tatbestandsmerkmal, das Einzelhandlungen der Geschäftsleiter auch nach Eintritt der Insolvenzreife zu legitimieren vermag. Wie im englischen Recht (took every step to minimise the loss of the creditors) ist es damit grundsätzlich möglich, zwischen opportunistischen, gläubigergefährdenden Maßnahmen der Geschäftsleitung und wirtschaftlich vertretbaren Entscheidungen zu unterscheiden. Der Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG wohnt somit nicht in gleicher Weise wie § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB ein Zufallselement inne. Überlegenswert erscheint deshalb, die Insolvenzverschleppungshaftung um ein vergleichbares Tatbestandsmerkmal zu ergänzen. Eine analoge Anwendung wird aber – soweit ersichtlich – nicht vertreten. Dass hiermit eine zu weitgehende Freistellung der Geschäftsleitung zu Lasten der Gläubiger verbunden wäre, ist nicht anzunehmen, da § 64 S. 2 GmbHG die Darlegungs- und Beweislast dem Geschäftsführer zuweist137 und Rechtsprechung und 320 (321); Arends/Möller, GmbHR 2008, 169 (171.); Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 22; Goette, ZGR 2008, 436 (444 f.). 133 Vgl. etwa Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, § 92 Rn. 26; Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 76. Im jüngeren Schrifttum wird zunehmend vertreten, dass es sich bei § 64 S. 2 GmbHG um einen objektiven Ausnahmetatbestand handele, der nicht bereits das Verschulden der handelnden Geschäftsleiter, sondern bereits die Pflichtwidrigkeit ausschließt. So etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 30. 134 BGH, Beschl. v. 5. 11. 2007 – II ZR 262/06, WM 2008, 27 (27); BGH, Urt. v. 1. 10. 2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (274 f.); vgl. Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 21. 135 BGH, Beschl. v. 5. 11. 2007 – II ZR 262/06, WM 2007. 27 (28); vgl. Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 11 f.; Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 89; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 31; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, § 92 Rn. 16; Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Ehricke, GmbHG, § 64 Rn. 28; Jula, Der GmbHGeschäftsführer, S. 323; Wagner/Zabel, NZI 2008, 660 (662 f.); ähnlich auch K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 637 (667 f.). 136 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 323. 137 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92 Rn. 30; Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/ Ehricke, GmbHG, § 64 Rn. 25; Wagner/Zabel, NZI 2008, 660 (662 f.); Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 22.

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§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung

Literatur generell hohe Anforderungen an die Einhaltung dieses Pflichtenmaßstabs stellen138. Konstruktiv überlegen ist das Zahlungsverbot auch insoweit, als Inhaberin des Anspruchs die Gesellschaft ist, die Haftung also im Insolvenzfall durch den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO) geltend gemacht wird139. Die Zuweisung des Anspruchs an die Gesellschaft im Rahmen von § 64 S. 1 GmbHG n.F. bereitet sowohl rechtskonstruktiv als auch praktisch erheblich weniger Probleme als im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO. Einerseits verfügt allein die Gesellschaft bzw. der sich im Besitz der Dokumente der Gesellschaft befindende Insolvenzverwalter über die entsprechende Kenntnis zur Bezifferung des Gesamtgläubigerschadens bzw. des Umfangs des „Ersatzanspruchs eigener Art“. Zum anderen argumentiert auch die Rechtswissenschaft hier mit der Überlegung, einen Gläubigerwettlauf durch Anspruchskonzentration in der Person des Insolvenzverwalters zu verhindern140. 2. Ausweitung des Zahlungsverbotes: Insolvenzverursachungshaftung nach § 64 S. 3 GmbHG n.F. Direkten Einfluss auf das Krisengebaren der Geschäftsleitung versucht der Reformgesetzgeber durch Erweiterung des Zahlungsverbotes des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 S. 1 u. 2 GmbHG n.F. zu nehmen141. Nach § 64 S. 3 GmbHG n.F. trifft „die gleiche Verpflichtung […] die Geschäftsführer, wenn die Zahlungen an Gesellschafter die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeiführen mussten, es sei denn, dass diese Folge auch bei Beachtung der in S. 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar war“. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfes nimmt der Gesetzgeber mit dieser Ausweitung des Zahlungsverbots ausdrücklich die Kritik der Wissenschaft an der Lückenhaftigkeit des geltenden Insolvenzhaftungsregimes auf. Darüber hinaus wird man hierin einen Versuch zu sehen haben, die aufgrund zunehmend hoher Verschuldungsgrade angewachsene Insolvenzwahrscheinlichkeit bei leveraged buy outs haftungsrechtlich zu erfassen142. 138

So die allgemeine Ansicht für § 64 Abs. 2 GmbHG: vgl. etwa Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 76. 139 Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Ehricke, GmbHG, § 64 Rn. 44. 140 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 324. 141 Vgl. Arends/Möller, GmbHR 2008, 169 (172 f.); Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203 (1203 ff.); Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681 (681 ff.); Greulich/Rau, NZG 2008, 284 (284 ff.); Haas, GmbHR 2010, 1 (1 ff.); Knapp, DStR 2008, 2371 (2373); Knof, DStR 2007, 1536 (1536 ff.) u. 1580 (1580 ff.); Möller, DK 2008, 1 (8 f.); Noack, DB 2006, 1475 (1479 f.); Poertzgen, NZI 2007 15 (15); ders., GmbHR 2007, 1258 (1261); ders., NZI 2008, 9 (11); H. Schmidt, BKR 2007, 1 (7); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1078 ff.); ders., GmbHR 2008, 449 (453 ff.); Streit/Bürk, DB 2008, 742 (749 f.); vgl. auch Gehrlein, DK 2007, 1 (7). 142 Vgl. Seibert, ZIP 2006, 1157 (1167); H. F. Müller, in: MünchKommGmbHG, 2011, § 64 Rn. 2; Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681 (681); Greulich/Rau, NZG 2008, 284 (285); Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203 (1203); H. Schmidt, BKR 2007, 1 (7); Knof, DStR 2007, 1580 (1586).

V. Insolvenzverursachungshaftung: Ausweitung des Zahlungsverbots

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Wenn die Neufassung trotz dieser populären Anliegen auf ein eher kritisches Echo gestoßen ist143, stellt sich die Frage nach den Gründen. Nur am Rande kann dies durch die wenig zielgenaue dogmatische Verortung bedingt sein, die selbst den Gesetzgeber zu der Feststellung bemüßigt hat, dass Überschneidungen sowohl mit § 30 Abs. 1 GmbHG als auch den §§ 129 ff. InsO und der durch den BGH geschaffenen Existenzvernichtungshaftung bestünden144 sowie durch die fehlende Abgrenzung zur Erfassung insolvenzverursachender Maßnahmen im Rahmen von § 43 GmbHG145. Zunächst sprechen durchaus gewichtige Punkte für die durch den Gesetzgeber geschaffene Regelung. Die bisherige Insolvenzverschleppungshaftung ist selbst unter der Annahme, dass sie effektiv durchgesetzt würde, ein stumpfes Schwert im Kampf gegen opportunistisches Verhalten im Stadium vor Erreichen der Insolvenzreife. Die Neufassung des § 64 GmbHG wirkt hier korrigierend, indem mit der drohenden bzw. prognostizierbaren Zahlungsunfähigkeit auf einen Zeitpunkt in der Krise der Gesellschaft abgestellt wird, in dem die Gefahr opportunistischen Verhaltens virulent wird146. Steht zu befürchten, dass sich die Unternehmung nicht am Markt halten wird, verstärken sich die Anreize, das verbliebene Gesellschaftsvermögen abzuziehen und mit der verbliebenen rechtlichen Hülle auf Kosten der Gläubiger zu spekulieren, dramatisch147. Gleichzeitig wird mit der Neuregelung bewusst eine Anknüpfung an das Prinzip des solvency tests hergestellt148 und damit das im deutschen Gläubigerschutzrecht ansonsten vernachlässigte Element der Cash-Flow-Orientierung aufgewertet149. Die Beurteilung der Frage, ob eine Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen musste, erscheint nur dann möglich, wenn die Geschäftsleitung Zahlungs143

Vgl. etwa Poertzgen, NZI 2008, 9 (9 ff.); BDI/GDV, Stellungnahme RefE MoMiG, S. 12; Noack, DB 2006, 1475 (1479); K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (453ff). Zum Vorentwurf nach dem MindestKapG kritisch bereits Driesen, GmbHR 2005 R 229 (R 230). Positiv demgegenüber Lutter, Stellungnahme RegE MoMiG, S. 10 f.; Streit/Bürk, DB 2008, 742 (749). 144 Vgl. Seibert, ZIP 2006, 1157 (1167); kritisch Poertzgen, NZI 2007, 15 (16); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (6). 145 Vgl. K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (6); Poertzgen, NZI 2007, 15 (16); vgl. auch Casper, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (41), der § 64 S. 3 GmbHG als Haftung für die unterlassene Einrichtung eines (funktionsfähigen) Risikofrühwarnsystems begreift und deshalb eine Verortung in § 43 Abs. 3 GmbHG für zutreffend erachtet. 146 A.A. offensichtlich Poertzgen, NZI 2008, 9 (12). 147 Ähnlich Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 102: Ausplündern der Gesellschaft vor Insolvenzreife soll vermieden werden. 148 Vgl. Seibert, ZIP 2006, 1157 (1167); Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 48; Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 27; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 25; Greulich/Bungemann, NZG 2006, 681 (683); Römermann, NZI 2008, 641 (643); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1078); Brand, ZIP 2012, 1010 (1010); Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 64 Rn. 3; Weller, DStR 2007, 116 (116 ff.), dort auch ausführliche Behandlung der Frage, inwieweit Existenzvernichtungshaftung und solvency test inhaltsgleich sind. 149 In diesem Sinne auch Greulich/Bunnemann, NZG 2008, 284 (285); Greulich/Rau, NZG 2008, 284 (285).

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pläne aufstellt, aus denen sich ergibt, ob man sich nach dem normalerweise zu erwartenden Verlauf der Dinge eine Entnahme durch Gesellschafter leisten kann150. Dass damit die Geschäftsführung ab Eintritt drohender Zahlungsunfähigkeit gelähmt würde und auch auf aussichtsreiche Sanierungsversuche verzichtet151, ist nicht gesichert. Diese Befürchtung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Haftung nach § 64 S. 3 GmbHG n.F. als der Insolvenzverschleppungshaftung vergleichbare Erfolgshaftung darstellen würde. Dass ein solches Verständnis nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht, lässt sich vermuten, berücksichtigt man, dass in Abwendung vom RefE MoMiG, wonach „die Zahlungsunfähigkeit […] herbeigeführt wird“, § 64 S. 3 GmbHG in seiner Gesetz gewordenen Fassung nunmehr verlangt, dass die Zahlungen „zur Zahlungsunfähigkeit […] führen mussten“. Während der RefE MoMiG zumindest seinem Wortlaut nach die Haftung vom bloßen Faktum eines ex post zu konstatierenden Vermögensschadens abhängig macht, klingt in der Gesetz gewordenen Formulierung des RegE MoMiG an, dass auf die ex ante-Sicht abzustellen ist152. Erste Äußerungen verstehen dementsprechend das Kriterium quantitativ, dass im Zeitpunkt der Zahlung eine mehr als 50 %-ige Wahrscheinlichkeit dafür bestanden haben muss, dass die Insolvenz Folge der Zahlung sein würde153. Zudem wird nach zutreffender und im Schrifttum verbreiteter Ansicht das Tatbestandsmerkmal der Insolvenzherbeiführung nicht im Sinne einer bloßen Kausalität interpretiert, sondern ein adäquat kausaler Zusammenhang zwischen Zahlung und Zahlungsunfähigkeit verlangt154, der dann anzunehmen sein soll, wenn zwischen Zahlung und Zahlungsunfähigkeit ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht155. Zuzugestehen ist allerdings, dass aufgrund fehlender Umschreibung der Anforderungen, die für das Erreichen dieses safe harbor verlangt werden, möglicherweise Zurückhaltung vorherrschen wird156. Viel wird hier davon abhängen, wie die § 64 S. 2 GmbHG entsprechende Entlastungsmöglichkeit des § 64 S. 3 Hs. 2 GmbHG n.F. durch die Rechtsprechung interpretiert wird157. Bedenkenswert erscheint in diesen Zusammenhang, um der angesprochenen Kritik Rechnung zu tragen, die Beweislast bzw. die Interpretation des Entlastungsmerkmals 150 Vgl. Noack, DB 2006, 1475 (1479); H. Schmidt, BKR 2007, 1 (7); Casper, in: Ulmer/ Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 103; Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 29; ausführlich zur geforderten Fortbestehensprognose Knof, DStR 2007, 1580 (1580 ff.). 151 So die Befürchtung von Poertzgen, NZI 2007, 15 (16); auch für die Neufassung durch den RegE MoMiG ders., GmbHR 2007, 1258 (1261); ders., NZI 2008, 9 (11); Böcker/ Poertzgen, WM 2007, 1203 (1204 f.). Rechtsunsicherheit befürchten auch Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681 (685). 152 Für eine Rückkehr zur Formulierung des RefE MoMiG hingegen Poertzgen, GmbHR 2007, 1258 (1261). 153 Vgl. Knof, DStR 2007, 1536 (1539 f.). 154 So etwa Brand, ZIP 2012, 1010 (1011); ähnlich Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 108 f. 155 Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 53. 156 Vgl. Greulich/Rau, NZG 2008, 284 (288). 157 So auch Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203 (1203 ff.).

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deutlich großzügiger zu handhaben als im Bereich des nach materieller Insolvenzreife bestehenden Zahlungsverbots158. Richtigerweise wird in Restrukturierungsszenarien dem Geschäftsleiter Absolution schon dann zu erteilen sein, „wenn ein schlüssiges Sanierungskonzept [vorliegt], das von den erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht, jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt ist und infolge dessen auf Seiten des Geschäftsleiters eine begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt“159. Im Übrigen kann es nicht als Defizit der Regelung bezeichnet werden, wenn die Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften – in stärkerem Maße als unter der bisherigen lex lata – angehalten werden, Solvenzrechnungen zu erstellen160. Dass deren bloße Existenz nicht für sich den Vorwurf insolvenzverursachender Zahlungen ausschließen kann und der „Willkür Tür und Tor geöffnet“ werden, kann mit Blick darauf, dass bei der Planung die Sorgfalt eines ordentliches Geschäftsmannes geschuldet wird (§ 64 S. 3 GmbHG n.F.)161, und der wenig großzügigen Interpretation dieses Tatbestandsmerkmals durch den BGH kaum ernsthaft erwartet werden. Andererseits übernimmt die Neuregelung durch die bewusste Anknüpfung an das Zahlungsverbot bisheriger Prägung162 sowie die ausdrückliche Bezugnahme auf die Existenzvernichtungshaftung die Nachteile dieser Rechtsinstitute. Übernommen wird die Gesamtheit der mit dem Begriff der Zahlungen einerseits sowie der Existenzvernichtungshaftung andererseits im Allgemeinen verbundenen Unsicherheiten163. Zusätzliche Unwägbarkeiten treten wie dargestellt durch die Formulierung „Zahlungen, die die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen mussten“, hinzu164. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang zwar, dass die Neuregelung durch ihre Orientierung am richterrechtlich geprägten Institut der Existenzvernichtungshaftung deren zutreffenden Gedanken übernimmt, dass Gefahren durch Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen nicht allein an ihren bilanziellen Auswirkungen gemessen werden können, 158 Im Ergebnis ähnlich Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681 (686); enger wohl Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 33, der eine Entlastung insbesondere bei exogenen Schocks annehmen will. 159 Vgl. Knof, DStR 2007, 1580 (1584). 160 So wohl auch Lutter, Stellungnahme RegE MoMiG, S. 10 f.; Knof, DStR 2007, 1580 (1586); den Aufwand für überschaubar halten auch Pellens/Schmidt, ZGR 2008, 381 (425). A.A. K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (453) vor dem Hintergrund der gleichfalls bestehenden Pflicht zur Selbstprüfung mit Blick auf das Vorliegen einer Überschuldung. 161 Vgl. Knof, DStR 2007, 1580 (1581). 162 Der Zahlungsbegriff in S. 3 ist nach h.M. mit dem des S. 1 identisch. Vgl. etwa Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 49; Eckert, in: Wachter, AktG, § 92 Rn. 16; Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Ehricke, GmbHG, § 64 Rn. 53. Kritisch Casper, in: Bachmann/Casper/ Schäfer/Veil, Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, 33 (41). 163 Vgl. Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203 (1203); Poertzgen, NZI 2007, 15 (15); Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681 (682); Greulich/Rau, NZG 2008, 284 (286 f.); Knof, DStR 2007, 1536 (1537). Vgl. zur Auseinandersetzung, inwieweit die Bestellung von Sicherheiten als Zahlung iSv § 64 S. 3 GmbHG qualifiziert, etwa Brand, ZIP 2012, 1010, (1011 ff.); ders., NZG 2012, 1374 (1375 f.) jeweils m.w.N. 164 Vgl. Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203 (1207 f.); Noack, DB 2006, 1475 (1479); H. Schmidt, BKR 2007, 1 (7).

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sondern auch dann drohen, wenn eine insolvenzverursachende Maßnahme über das nach §§ 30, 31 GmbHG auszugleichende Maß hinausgeht bzw. keine bilanzielle Auswirkungen nach sich zieht165. Der Rekurs auf Existenzvernichtungshaftung und Krisenhaftung nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 S. 1 GmbHG n.F. bedingt jedoch, dass rein tatsächliches opportunistisches Verhalten auch im Rahmen von § 64 S. 3 GmbHG n.F. nicht erfasst werden kann. Bloßes Abwarten in der Krise in der ungerechtfertigten Hoffnung auf Veränderungen des Entscheidungsumfelds wird nach wie vor erst ab Eintritt der antragsverpflichtenden Insolvenzreife erfasst. Die intendierte Vorverlagerung der Krisenhaftung bleibt damit unvollständig, weil sie nur einen Ausschnitt denkbaren gläubigergefährdenden Verhaltens erfasst. Technisch wird mit der Neuregelung nur die Gefahr des asset withdrawal bzw. der asset substitution erfasst166, während Überinvestition, Unterinvestition und Verwässerung auch unter dem modifizierten Regime des § 64 GmbHG n.F. nur dann erfasst werden, wenn sie einerseits zahlungswirksam sind und andererseits nach Erreichen der Konkursreife erfolgen167. Weitere Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Insolvenzverursachungshaftung ergeben sich bei wortlautgetreuer Auslegung aus dem Umstand, dass Zahlungen an einen Gesellschafter dann nicht zur Zahlungsunfähigkeit führen können, soweit sie auf fällige und damit liquiditätsneutrale Verbindlichkeiten gegenüber dem Anteilsinhaber erfolgen168. Rechtsprechung und Literatur tendieren hier dazu, solche Forderungen bei Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit unberücksichtigt zu lassen169. Andererseits erscheint die Haftungsausweitung teilweise zu umfänglich. Insoweit als die Rechtsprechung im Rahmen des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 S. 1 GmbHG n.F. nicht einmal die Masseschmälerung als Obergrenze des Anspruchs gegen den Geschäftsführer akzeptiert, liegt die Gefahr der Zuweisung weiterer windfall profits an die Gläubiger auf der Hand170. Insbesondere bei Umschlaggeschäften im Konzern werden überbordende Haftungsrisiken befürchtet171.

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Vgl. Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681 (682). Ohne sich rechtsökonomischer Kategorien zu bedienen, ähnliche Einschätzung durch den BGH, Urt. v. 9. 10. 2012 – II ZR 298/11, ZIP 2012, 2391 (2392): Anwendungsbereich gerade im Bereich der unrechtmäßigen Vermögensverschiebung. 167 Nach Ansicht des BGH, Urt. v. 9. 10. 2012 – II ZR 298/11, ZIP 2012, 2391 (2391) scheidet eine Haftung auf Grundlage des § 64 S. 3 GmbHG ohnehin aus, wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist. § 64 S. 3 GmbHG begründet eine reine Insolvenzverusachungshaftung, Insolvenzvertiefungen können somit grundsätzlich nur über das Zahlungsverbot des § 64 S. 1 GmbHG und die Insolvenzverschleppungshaftung haftungsrechtlich erfasst werden. So aus dem Schrifttum etwa auch Casper, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 64 Rn. 102. 168 Vgl. hierzu etwa Bork, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 64 Rn. 52. 169 Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Ehricke, GmbHG, § 64 Rn. 49. 170 In diese Richtung auch K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1078); ders., GmbHR 2008, 449 (453). 171 Vgl. Poertzgen, GmbHR 2007, 1258 (1261). 166

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Einen unverständlichen Bruch mit dem Grundtatbestand des Zahlungsverbotes stellt es schließlich dar, dass sich die Neuregelung auf Ausschüttungen, Zahlungen und Vermögensverschiebungen zu Gunsten der Gesellschafter beschränkt172. Konsequenz ist eine strikte Unterscheidung zwischen Zahlungen an beliebige Gläubiger (§ 64 S. 1 GmbHG n.F.) und Zahlungen an Gesellschafter (§ 64 S. 3 GmbHG n.F.)173. Zahlungen an Gesellschafter oder an diesen nahestehende Personen (related party transactions) bergen sicherlich ein erhöhtes strukturelle Risiko, dass es sich hierbei um nicht marktkonforme Geschäfte (at arm‘s length) handelt174, mit denen die verbliebenen Vermögensgegenstände vor dem Zugriff der Gläubiger gerettet werden sollen. Insofern ist es konsequent, sie einer strengeren Kontrolle zu unterwerfen als Geschäfte mit Dritten. Dennoch gilt, dass die Interessen der Gläubiger auch durch Zahlungen an andere Personen geschädigt werden können, wenn sie nicht hinreichend vergütet werden. In beiden Fällen kommt es zu einer Minderung des Gesellschaftsvermögens und damit der Haftmasse. Diesem Gedanken trägt § 64 GmbHG n.F. auch ansonsten Rechnung. Die Beschränkung der Regelung auf Zahlungen an Gesellschafter erscheint somit nicht zwingend und lässt der Geschäftsleitung weitere Spielräume für opportunistisches Verhalten. In diesem Zusammenhang ist zudem unverständlich, weshalb allein die Geschäftsführer zum Ersatz verbotswidriger Zahlungen bzw. zur Verweigerung entsprechender Auszahlungsbegehren der Gesellschafter175 herangezogen werden und nicht auch der Gesellschafter als Zahlungsempfänger gleichermaßen zur Rückgewähr verpflichtet wird176. Gerade in den besonders bedenklichen Fällen, in denen die Auszahlung nicht irrtümlich erfolgt, sondern Gesellschafter und Geschäftsleitung zusammenwirken, um die verbliebenen Ressourcen dem in der Insolvenz zu gewährenden Zugriff der Gläubiger zu entziehen, wird die Initiative hierzu maßgeblich von dem Gesellschafter ausgehen, da die entsprechende Transaktion nur für ihn, nicht hingegen für den Geschäftsführer von Vorteil ist. Auch würde dem Gesellschafter hiermit nichts Unmögliches abverlangt, er hat allein den ihm nach der Rechtsordnung nicht zustehenden Vermögensvorteil zurückzugewähren. Eine darüber hinausgehende Einstandspflicht für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die mit den Zwecken der beschränkten Haftung unvereinbar ist, wird nicht festgelegt. Will man den Gesellschafter dennoch vor weitergehender Inanspruchnahme freihalten, böte sich zuletzt 172

Vgl. zu diesem Regelungspunkt Seibert, ZIP 2006, 1157 (1167); Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681 (685). 173 Vgl. K Schmidt, GmbHR 2007, 1 (5); H. Schmidt, BKR 2007, 1 (7); gleiches gilt für den existenzvernichtenden Eingriff, vgl. Weller, DStR 2007, 116 (119). 174 Vgl. hierzu allgemein Enriques/Hertig/Kanda, in: Kraakman et. alii (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Law, 153 (153 ff.); empirische Daten über Ursachen und Wirkungen bei Ryngaert/Thomas, Related Party Transactions: Their Origins and Wealth Effects, S. 1 ff. 175 § 64 S. 3 GmbHG begründet ein Leistungsverweigerungsrecht zu Gunsten der Gesellschaft bzw. ihrer Geschäftsführer, vgl. BGH, Urt. v. 9. 12. 2012 – II ZR 298/11, ZIP 2012, 2391 (2393); aus dem Schrifttum etwa Brand, ZIP 2012, 1010 (1012); ders., NZG 2012, 1374 (1375). Insoweit a.A. OLG München, Urt. v. 22. 12. 2012 – 7 U 4960/07, ZIP 2011, 225, 226. 176 So auch Greulich/Rau, NZG 2008, 284 (285 f.).

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an, in Analogie zu § 818 Abs. 3, Abs. 4 BGB die Grundsätze der Entreicherung zu seinen Gunsten zur Anwendung gelangen zu lassen, wobei allerdings aufgrund der Besonderheit der Krisensituation entsprechend strikte Darlegungs- und Beweislastanforderungen an den empfangenden Gesellschafter zu stellen wären. Im Ergebnis wird man festzuhalten haben, dass die Insolvenzverursachungshaftung mit der Ausweitung des Zeitraums, während dessen Verhalten der Geschäftsleitung sich haftungsbegründend auswirken kann, in die richtige Richtung weist. Nicht konsequent erscheint hingegen die Fortschreibung der bekannten, mit dem Zahlungsverbot nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. verbundenen Probleme177.

VI. Positive Anreizsysteme 1. Drohende Zahlungsunfähigkeit, Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltung Während das Deutsche Recht unter Geltung der KO und der VglO von einem Primat der Liquidation gekennzeichnet war, rückt insbesondere das US-amerikanische Recht mit Chapter 11 des Bankruptcy Code traditionell die Fortführung des Unternehmens in den Vordergrund staatlicher Reorganisations- und Abwicklungsverfahren178 und gewährt selbst rechtlich verselbständigten Schuldenbergen wie General Motors die Aussicht auf ein Überleben179. Die Wirkungen eines fortführungsfreundlichen Insolvenzrechts beschränken sich nicht auf die Rettung überlebensfähiger Unternehmen, sondern verändern auch die Anreize für Geschäftsleitung und Gesellschafter in der Krise der Kapitalgesellschaft. Wird hierdurch für Geschäftsleitung und Gesellschafter eine realistische Chance begründet, in näherer Zukunft ein profitables Unternehmen ihr Eigen nennen zu können bzw. zu führen, erweist sich eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger als irrational180. Dementsprechend wird im amerikanischen Recht eine Insolvenzantragspflicht nach kontinentaleuropäischem Vorbild für obsolet erachtet, weil die Geschäftsleitung genügend Eigenanreize besitze, den Schutz von Chapter 11 zeitnah durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeizuführen181. Mit der Einführung von Eigenverwaltung, 177

Vgl. oben § 6, V. 1. Vgl. Armour, Corporate Insolvency, S. 29 ff. Anschaulich: Jaffé, ZGR 2010, 248 (251): kein Schutz der Gläubiger, sondern Schutz vor Gläubigern. 179 Im Zeitpunkt des Antrags auf Einleitung eines Chapter 11-Verfahrens am Manhattan New York federal bankruptcy court unter dem Datum des 1. Juni 2009 wies General Motors bei Vermögen in Höhe von US-$ 82,29 Milliarden Verbindlichkeiten in einem Gesamtumfang von US-$ 172,81 Milliarden aus. 180 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 302 (308); Armour, Corporate Insolvency, S. 29. 181 Vgl. Fleischer, ZGR 2004, 437 (448); Davies, EBOR 7 (2006), 301 (315); Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1399 ff.); Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 172; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 270: „Jedenfalls was die Geschäftsleitung angeht, setzt das amerikanische Recht in der Krise 178

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Insolvenzplanverfahren und dem fakultativen Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit sowie ihrer Fortentwicklung und Ergänzung, insbesondere durch das Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) im Rahmen des ESUG hat auch der deutsche Gesetzgeber Schritte in diese Richtung einer stärkeren Betonung der Unternehmensfortführung gemacht182. 2. Insolvenzplanverfahren Gemäß § 217 S. 1 InsO können die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens in einem Insolvenzplan abweichend von den Vorschriften der Insolvenzordnung geregelt werden. Die Regelung präjudiziert nicht, dass die Gesellschaft fortgeführt wird; im Rahmen eines Insolvenzplanes kann sowohl die Abwicklung als auch die Fortführung der Unternehmung vereinbart werden183. Trotz dieser konstruktiven Offenheit dominiert die Idee der Sanierung und Fortführung das Planverfahren184. Wenn der frei darstellbare Teil des Insolvenzplans (§ 220 InsO) den Gläubigern die Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Verwertungsalternativen aufzeigt185, so geschieht dies insbesondere, um u. a. die organisatorischen, finanz- und leistungswirtschaftlichen Maßnahmen zu offenbaren, mit deren Hilfe die Fortführung des Unternehmens ermöglicht werden soll bzw. kann. Vergleichsmaßstab bildet eine Zerschlagungsrechnung, in die auch die Verwertungs- und Opportunitätskosten einer Liquidation aufzunehmen sind186. Gleichzeitig ist der Insolvenzplan keine Option im Sinne eines Rettungsankers für Geschäftsführung und Gesellschafter der insolvenzreifen Gemeinschuldnerin, die ganz auf Verhaltenslenkung durch die Verlockungen der Restrukturierung, etwa unter dem sanierungsfreundlichen Chapter 11 […]“. Eine gegenläufige Strömung stellt insoweit das tort of deepening insolvency dar, das – in seiner Interpretation durch einzelne Gerichte – ein mittelbares Fortführungsverbot festschreibt. Vgl. etwa Schillig, Comp. Law. 2009, 298 (298 ff.), der gleichzeitig dafür plädiert, deepening insolvency nicht als striktes Fortführungsverbot zu begreifen, sondern als allgemeine Pflicht zur Wahrung der Gläubigerinteressen nach dem Vorbild von sec. 214 IA fortzuentwickeln. Für die Praxis von herausragender Bedeutung ist zudem, dass die Delaware-Rechtsprechung ein tort of deepening insolvency ausdrücklich ablehnt, vgl. Trenwick America Lit. v. Ernst & Young, Del. Ch. 906 A.2d 168 (2006). 182 Vgl. Paulus, ZGR 2005, 309 (315 ff.); Labbé/Rudolph, FB 2008, 97 (97). Chapter 11 diente hierbei als Vorbild, vgl. Riggert, in Nerlich/Römermann, InsO, vor § 270 Rn. 3 einen vergleichbaren Schritt hat Frankreich mit der sauvegarde im Loi de sauvegarde des enterprises vollzogen; vgl. Bauerreis, ZGR 2006, 294 (320 ff.). 183 Vgl. Becker, Insolvenzrecht, S. 464; Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 66; Burger/Buchhart, AG 2000, 414 (414); Labbé/Rudolph, FB 2008, 97 (97). 184 Vgl. Labbé/Rudolph, FB 2008, 97 (97). 185 Vgl. Burger/Buchhart, AG 2000, 414 (414). 186 Vgl. Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (414).

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diese zur Ausbeutung der Gläubigerpositionen einzusetzen vermöchten, sondern Instrument und Ausdruck der Gläubigerautonomie187. Dies zeigt sich insbesondere in den §§ 231 ff. InsO. Zwar besitzt nicht nur der Insolvenzverwalter, sondern auch der Schuldner ein Planinitiativrecht (§ 218 Abs. 1 S. 1 InsO)188. Im Anschluss an eine Vorprüfung (§ 231 InsO) und Erörterung entscheidet jedoch letztlich die Gläubigerversammlung über die Annahme des vorgeschlagenen Planes (§§ 244 ff. InsO)189. Die Gläubigerversammlung ist darüber hinaus für die Zustimmung zur Veräußerung des Unternehmens oder Betriebs zuständig (§ 162 InsO)190. In der Theorie sollte aufgrund der mit der Überführung in ein staatliches Reorganisationsverfahren verbundenen Good-Will-Verluste und den nicht unerheblichen administrativen Kosten die gütliche Einigung zwischen (potentiellem) Gemeinschuldner und Gläubigern die Regel sein. Das Insolvenzplanverfahren wäre damit eine nicht notwendige Second-Best-Alternative. In zahlreichen Fällen scheitern jedoch derartige Out-of-Court-Settlements am Einstimmigkeitserfordernis191. Common-Pool- und Collective-Action-Probleme verhindern eine freiwillige Einigung. Hier bietet das Insolvenzplanverfahren Abhilfe. Wesentlicher Vorteil einer im Insolvenzverfahren erfolgenden Sanierung ist, dass die Gläubiger in ihrer Gesamtheit in eine Warteposition gedrängt werden können192. Ein Insolvenzverfahren verbindet die Gläubiger zwangsweise zu einer Schicksalsgemeinschaft (Fischer)193, indem es ausreichen lässt, dass eine Mehrheit der Gläubiger zustimmt (§§ 242 ff. InsO)194. Im Einzelfall kann darüber hinaus das Insolvenzgericht Eingriffe in die Rechte der planablehnenden Gläubiger vornehmen (§ 245 InsO) und damit strategischem Opportunismus entgegenwirken195. Eine wesentliche Aufwertung des Instrumentes des Insolvenzplans ist zudem durch das ESUG erfolgt, in dem dieses nunmehr ausdrücklich auch Eingriffe in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte zum zulässigen Regelungsgegenstand eines Insolvenzplans erklärt (§§ 217 S. 2, 225a InsO)196. Daneben lassen sich im Rahmen eines Insolvenzplanes Regelungen, ins187

Den Grundsatz der Gläubigerautonomie als Paradigma des Insolvenzverfahrens betonend Gravenbrucher Kreis, Stellungnahme zum Diskussionsentwurf eines Insolvenzrechtsreformgesetzes, ZIP 1989, 468 (469 ff.) 188 Vgl. Becker, Insolvenzrecht, S. 473. 189 Vgl. Burger/Buchhart, AG 2000, 41 (414); Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11 (32 f.). 190 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 151; Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11 (32 f.). 191 Vgl. Paulus, ZGR 2005, 309 (315). 192 Vgl. Paulus, ZGR 2005, 309 (319). 193 Vgl. Fischer, NZI 2006, 313 (323). 194 Vgl. Paulus, ZGR 2005, 309 (315 f.); Bales, NZI 2008, 216 (217 f.); Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 3 f. 195 Vgl. Bales, NZI 2008, 216 (217 f.) 196 Vgl. hierzu etwa Heinrich, NZI 2012, 235 (236 ff.); Simon/Merkelbach, NZG 2012, 121 (121 ff.). Die fehlende Möglichkeit dahingehender Regelungen wurde als eine der Kernschwächen des deutschen Planverfahrens qualifiziert, vgl. etwa Jaffé, ZGR 2010, 248 (251); Pape, NWB 2011, 3108 (3114 f.).

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besondere arbeitsrechtsrechtlicher Natur, vereinbaren, die in einem außergerichtlichen Verfahren nicht zu erreichen wären197. Problematischer erscheint es unter rechtsökonomischen Auspizien, wenn als weiterer Vorteil hervorgehoben wird, dass mittels des Insolvenzgeldes eine Subventionierung der Sanierung erfolgen kann198. Dies mag für die Einzelunternehmung zwar von Vorteil sein, kann sich jedoch aufgrund der mit jeder Subventionierung verbundenen Reallokationseffekte gesamtwirtschaftlich negativ auswirken. Trotz dieser theoretischen Vorteile hat das Insolvenzplanverfahren anders als Chapter 11 bisher kein starkes praktisches Echo gefunden. Erfolgsfälle wie Küppersbusch und Herlitz bilden (noch) die Ausnahme199, wenn auch die Insolvenzen zahlreicher Traditionsunternehmen aufgrund oder im Umfeld der Finanzkrise – Karmann, Schiesser, Hertie, Woolworth, Karstadt-Quelle/Arcandor etc. – einen möglichen Paradigmenwechsel indizieren. Ein wichtiger Grund für die bisher zu beobachtende geringe Akzeptanz des Insolvenzplans wird in bestehenden Mentalitätsunterschieden zwischen den angelsächsischen und den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen zu sehen sein200. Auch das Insolvenzplanverfahren ist mit dem Makel des Konkurses behaftet201, während die Einleitung eines Verfahrens nach Chapter 11 aufgrund seiner Üblichkeit weit weniger negativ konnotiert ist; ob sich der deutsche Rechts- und Geschäftsverkehr der durch den ESUG-Gesetzgeber vorgezeichneten moralischen Neubewertung des Konkurses anschließt, bleibt abzuwarten. Eine Schwäche der deutschen Regelung wird man auch darin zu sehen haben, dass allein dem Schuldner und dem Insolvenzverwalter ein Vorschlagsrecht bezüglich des Insolvenzplans eingeräumt wird (§ 218 Abs. 1 S. 1 InsO). Überlegene konkurrierende Konzepte zur Reorganisation können die Gläubiger damit nicht einbringen202, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass auch Chapter 11 der bisherigen Geschäftsleitung die notwendige Atempause nicht allein durch den automatic stay (11 U.S.C. § 362), sondern auch durch Einräumung des für 120 Tage geltenden ausschließlichen Rechts, einen Plan zur Fortführung oder Liquidation zu entwickeln (11 U.S.C. § 1121(b)), verschafft203. Neben die systembedingten Schwächen des Planverfahrens tritt auch die Rechtsprechung der Oberlandesge197

Vgl. Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 18 Rn. 13; Labbé/Rudolph, FB 2008, 97 (99). Vgl. Paulus, ZGR 2005, 309 (320). 199 Vgl. Paulus, ZGR 2005, 309 (316 f.); Labbé/Rudolph, FB 2008, 97 (97). Aus jüngerer Zeit „Phoenix“, vgl. ZIP 2007, 2229 (2229 ff.). Hierzu Heinrich, NZI 2008, 74 (74 ff.). Nur ca. 1 % aller Insolvenzverfahren werden durch einen Insolvenzplan abgeschlossen, vgl. Bales, NZI 2008, 216 (219). 200 Vgl. Paulus, ZGR 2005, 309 (317). 201 Vgl. Fastrich, DStR 2006, 656 (661); Richrath, WM 2000, 1977 (1978). 202 So etwa Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (417). Vgl. aber auch zum Ausverkauf der Teilgesellschaften der Lehman Brothers Holdings Inc. unter faktischem Ausschluss der Gläubiger Madaus, NZI 2008, 715 (715 ff.); ähnlich zurückgedrängt wurden die Interessen der Gläubiger in der Insolvenz von General Motors. 203 Vgl. Madaus, NZI 2008, 715 (717). 198

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richte, die § 61 InsO stringent anwenden, wodurch die Durchführung eines Planverfahrens mit erheblichen Risiken für den Insolvenzverwalter verbunden ist. 3. Eigenverwaltung Ebenfalls mit der Insolvenzrechtsreform eingeführt wurde die Möglichkeit der Eigenverwaltung (§§ 270 – 285 InsO)204. Grundsätzlich geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Anders hingegen im Verfahren der Eigenverwaltung. Hier wird es dem Schuldner gestattet, die Geschicke der Gesellschaft unter Aufsicht durch den Sachwalter (§ 274 InsO) weiter zu bestimmen205. Auf den ersten Blick erscheint die Eigenverwaltung als ein Widerspruch in sich. Zunächst wird der Geschäftsleitung der Gemeinschuldnerin im Interesse der Gläubiger die Verfügungsbefugnis über die Verwaltung der Gesellschaft und ihr Vermögen entzogen, um ihr diese dann im Rahmen der Eigenverwaltung zurück zu übertragen. Der Verdacht drängt sich auf, dass der Bock zum Gärtner gemacht wird206. Die Sinnhaftigkeit des Instruments erschließt sich erst dann, wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass trotz der durch den Schuldner zu verantwortenden Insolvenzreife dieser im Einzelfall über Fähigkeiten verfügen kann, die unternehmerischen Erfolg unter anderen Voraussetzungen ermöglichen können207. Zu denken ist etwa an Pionierunternehmer, deren Ideen durchaus marktgängig sind, denen jedoch bestimmte weitere Fähigkeiten wie etwa Verhandeln, Finanzieren etc. fehlen. Das Instrument der Eigenverwaltung bietet hier die Möglichkeit, dieses akquisitorische Potential im Interesse des Gemeinschuldners und der Gläubiger zu aktivieren, indem gleichzeitig die bisherige Geschäftsführung, bereinigt um vergangene Defizite, fortgeführt wird208. Die Eigenverwaltung stellt sich unter der Voraussetzung, dass die Gläubiger hinreichendes Vertrauen in den Schuldner besitzen, als beste Möglichkeit dar, Erfahrungen und Kenntnisse des Schuldners im Insolvenzverfahren zu verwerten209. Gleichzeitig erlaubt die Eigenverwaltung zeitnähere Reaktionen auf 204

Vgl. allgemein etwa Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 270 Rn. 1 ff. Vgl. Hess, in: Hess, GroßKommInsO, § 1g Rn. 13; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 270 Rn. 2. 206 Hieran entzündete sich insbesondere die Kritik während des Gesetzgebungsverfahrens vgl. Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 270 Rn. 4; vgl. zur fortbestehenden Virulenz etwa Pape, NWB 2011, 3108 (3108). 207 Vgl. Foltis, in: FrankfurterKommInsO, vor §§ 270 ff. Rn. 6; Riggert, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 270 Rn. 4; Bales, NZI 2008, 216 (220); Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 28; hierzu und zu weiteren Vorteilen auch Jaffé, ZHR 175 (2011), 38 (42 ff.). 208 Vgl. Hofmann, ZIP 2007, 260 (260). 209 Vgl. Hofmann, ZIP 2007, 260 (261); Römermann, NJW 2012, 645 (648). Die Mitwirkungspflichten der §§ 97, 101 InsO stellen für eine „echte“ Beteiligung des bisherigen Managements an der Geschäftsführung kein wirkliches Substitut dar, vgl. Jaffé, ZHR 175 (2011), 205

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Unternehmenskrisen, weil die Einarbeitungszeit für ein neues Management entfällt210. Auch bezüglich der krisenbedingten Revision des Anreizsystems entfaltet die Möglichkeit der Eigenverwaltung durch den Schuldner bzw. die bisherige Geschäftsleitung Wirkung. Es entfällt insbesondere für die Geschäftsführungsorgane die Drohung, im Falle der Insolvenz ersetzt zu werden. Auch das psychologische Moment darf nicht unterschätzt werden. Der Schuldner, der im Rahmen der Insolvenz die Verfügungsbefugnis behält, sieht sich nicht mit voller Wucht dem Makel des Konkurses ausgesetzt211. Damit kann die Verfahrenseröffnung zur subjektiv-rationalen Alternative werden, weshalb ein Insolvenzantrag ceteris paribus früher gestellt werden sollte212. Noch abzuwarten bleibt, ob dieser Anreiz durch die Entscheidung des ESUG-Gesetzgebers, die Verwaltungsrechte von Aufsichtsrat und Anteilseignern für die Dauer der Eigenverwaltung zu suspendieren (§ 276a InsO), verstärkt oder aber konterkariert wird. Künftige Empirie wird zu zeigen haben, ob das Wissen eines Geschäftsleiters darum, im Falle der Eigenverwaltung von rechtlichen und tatsächlichen Einflüsterungen der Gesellschafter bzw. des Aufsichtsrats unabhängig agieren zu können, diesen zu einer zeitnahen Antragstellung bewegt213, oder aber Anteilseigner und Aufsichtsräte, die sich für den Fall einer Verfahrenseröffnung mit einer weitgehenden Entmachtung konfrontiert sehen, das ihre veranlassen, um einen (frühzeitigen) Insolvenzantrag möglichst zu vermeiden214. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung die Entscheidung über einen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit im Falle der GmbH nicht der Kompetenz der Geschäftsführung zurechnet, sondern als gesellschaftsrechtliches Grundlagengeschäft im Verantwortungsbereich der Gesellschafter ansiedelt215. Auch im Übrigen ist zu beachten, dass sich ein Geschäftsleiter auch bei Eigenverwaltung bestimmten Restriktionen ausgesetzt sieht. Einen echten debtor in possession wie das US-amerikanische Insolvenzrecht (11 U.S.C. § 1107) kennt das 38 (42), der selbst der Perpetuierung der bisherigen Managementstruktur skeptisch gegenübersteht. 210 Vgl. Bales, NZI 2008, 216 (220); Hofmann, ZIP 2007, 260 (261). 211 Vgl. Hofmann, ZIP 2007, 260 (261). Dies gilt insbesondere für Chapter 11, das auch von renommierten Firmen in Anspruch genommen worden ist und wird. Vgl. Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1376 f.). 212 Vgl. Riggert, in: Nerlich/Römermann, vor § 270 Rn. 4; Hofmann, ZIP 2007, 260 (261); Jaffé, ZHR 175 (2011), 38 (44 f.). 213 Positiv gegenüber der Neuregelung etwa Klöhn, NZG 2013, 81 (83 f.), allerdings maßgeblich unter dem Aspekt, dass hierdurch ein gamble for resurrection nach Verfahrenseröffnung deutlich unwahrscheinlicher wird. Vgl. ebda. auch ausführlicher zum Tatbestand des § 276a InsO. Die Klarstellung der bisher umstrittenen Kompetenzfrage durch § 276a InsO begrüßend auch Pape, NWB 2011, 3108 (3118 f.). 214 Skeptisch mit Blick auf die Unwägbarkeiten, die das ESUG für die Anteilseigner mit sich bringt, auch Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11 (30). 215 OLG München, Urt. v. 21. 3. 2013 – 23 U 3344/12, NZI 2013, 542 (544). A.A. mit Blick auf die damit verbundenen Probleme Hölzle, ZIP 2013, 1846 (1846 ff.).

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deutsche Recht bisher gerade nicht216. Nach § 274 InsO untersteht die Geschäftsleitung der Aufsicht durch den Insolvenzverwalter217, was rechtsökonomisch nicht zuletzt geboten erscheint, weil die Eigenverwaltung nichts daran ändert sollte, dass mit der Insolvenzreife bzw. Verfahrenseröffnung die Verfügungsrechte eigentlich auf die Gläubiger übergehen oder doch zumindest unter Berücksichtigung ihrer Interessen auszuüben sind218. Der Schuldner agiert letztlich nicht anders als ein Insolvenzverwalter als „Treuhänder der Gläubigergesamtheit“219. Darüber noch hinaus gehend steht es zur Disposition der Gläubiger, die Wirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte an das Erfordernis der Zustimmung des Sachwalters zu knüpfen bzw. im Extremfall nach § 272 Nr. 1 InsO die Eigenverwaltung wieder aufzuheben. Zudem besteht kein Anspruch des Schuldners auf Eigenverwaltung, der Antrag auf Eigenverwaltung war insofern zumindest bisher mit dem Risiko belastet, dass sich die Unternehmung nach Antragstellung nicht in Eigenverwaltung, sondern im Regelinsolvenzverfahren wiederfindet220. Mehr Rechts- und Planungssicherheit verschafft dem Schuldner, der einen Antrag auf Eigenverwaltung erwägt, nunmehr § 270a InsO. Hiernach soll das Gericht, sofern der Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung nicht offensichtlich aussichtslos ist, davon absehen, dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind221. Weitergehend sieht § 270a Abs. 2 InsO vor, dass das Gericht einem Schuldner, der bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag verbunden mit einem Antrag auf Eigenverwaltung gestellt hat, dann, wenn es die Voraussetzungen der Eigenverwaltung als nicht gegeben ansieht, die Gelegenheit geben, seinen Insolvenzantrag zurückzuziehen. Auch hiermit sollen Skrupel auf Seiten der Geschäftsleitung, einen Insolvenzantrag zu stellen, beseitigt und gleichzeitig auf eine frühe Verfahrensauslösung hingewirkt werden222. Völlig risikolos wird die 216

Vgl. Paulus, ZGR 2005, 309 (318); Jaffé, ZGR 2010, 248 (256 f.). Hierzu etwa Jaffé, ZHR 175 (2011), 38 (40 f.). Allerdings kennt auch das US-amerikanische Recht Beschränkungen (trustee, examiner und creditors committees), wobei deren Bedeutung allerdings rechtspraktisch gering ist. Gleichzeitig unterliegt der debtor in possession dem Kanon der Rechte und Pflichten eines trustee im Falle der bankruptcy. Vgl. Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1347); aus dem deutschen Schrifttum etwa Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 173 ff.; Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11 (18 f.), dort auch zur Gestaltung der Secured Party in Possession. 218 Vgl. Jaffé, ZGR 2010, 248 (256 f.), der darauf hinweist, dass sich die Anerkennung eines debtor in possession insbesondere daraus erklärt, dass die Schuldnergesellschaft in einer Vielzahl von Fällen noch nicht insolvenzreif und somit auch kein Übergang der Verfügungsrechte auf die Gläubiger bzw. einen ihren Interessen verpflichteten Sachwalter geboten ist. 219 Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 142. 220 Zur Rechtslage vor ESUG Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11 (25); Römermann, NJW 2012, 645 (649). 221 Ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, scheidet eine nachfolgende Anordnung der Eigenverwaltung praktisch aus, vgl. Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11 (25). 222 Vgl. etwa Pape, NWB 2011, 3108 (3118). 217

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Antragstellung durch die Geschäftsleitung damit dennoch nicht gestellt: nicht selten wird die Gesellschaft im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit gleichzeitig – gegebenenfalls unerkannt – überschuldet sein. Kommt das Gericht unter diesen Voraussetzungen zu dem Ergebnis, dass eine Eigenverwaltung aussichtslos ist, wird das Regelverfahren wegen Überschuldung eingeleitet, ohne dass dem Antragsteller ein Rückzugsrecht zugestanden würde. Trotz der deutlichen Nachbesserungen bleibt es damit dabei, dass sich aus Sicht eines Geschäftsführers und erst recht eines Gesellschafters die Eigenverwaltung nie als first-best-Option darstellt. Dies mag ursächlich sein dafür, dass auch rechtspraktisch die Eigenverwaltung bisher ein Schattendasein fristet223. Ihre Anwendung beschränkt sich auf einige Großverfahren wie Philipp Holzmann AG, KirchMedia GmbH & Co KG KGaA, Kirch Beteiligungs GmbH & Co. KG, Babcock/Borsig AG, Ihr Platz GmbH & Co. KG und Agfa-Photo, in denen zudem der Vorwurf erhoben wurde, dass es sich um großgläubigerbestimmte und damit (gesamt)gläubigerschädigende Selbstsanierungen gehandelt habe224. Inwieweit dieser Vorwurf generell berechtigt ist, werden insbesondere die zahlreichen anstehenden Großinsolvenzen im Umfeld und Nachgang der Finanz- und Staatsschuldenkrise zeigen. Aus diesen Gründen stellt sich auch das Instrument der Eigenverwaltung maximal als Komplement einer gesetzlichen Organhaftung für Fehlverhalten in der Krise dar. Unter bestimmten Auspizien wird es für Gesellschafter und Geschäftsleitung rational, das Insolvenzverfahren einzuleiten. Ein Hinauszögern des Insolvenzantrages wird unvernünftig, weil es die tatsächlichen Voraussetzungen einer Rettung des Unternehmens durch Insolvenzplan und Eigenverwaltung untergräbt. Ihr Einsatz erscheint jedoch nur dann vertretbar, wenn einerseits die Gläubiger hinreichendes Vertrauen in die Redlichkeit des Schuldners besitzen und andererseits der Gemeinschuldner auch über die notwendigen Fähigkeiten verfügt, um Rettungschancen implementierbar zu machen, anderenfalls würde doch der Bock zum Gärtner gemacht225. Einen allgemeinen safe harbor darf die Eigenverwaltung gerade nicht begründen, will sie nicht Spekulationen zu Lasten der Gläubiger nachhaltig fördern. Unseriöses und fehlerhaftes Management müssen mindestens mit der Drohung der Absetzung für den Fall der Insolvenz versehen sein226. Diese notwendige Bedingung effektiven Gesellschafter- und Gläubigerschutzes hat allerdings ihrerseits ihren Preis, indem das Zuckerbrot der Eigenverwaltung den faden Beigeschmack der Peitsche der Absetzung behält227. Müssen Geschäftsleitung und Gesellschafter davon ausgehen, dass sie im Falle der Verfahrenseröffnung die Verfügungsbefugnis über 223

Vgl. Paulus, ZGR 2005, 309 (318); Römermann, NJW 2012, 645 (648). Vgl. Foltis, in: FrankfurterKommInsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 6 f.; Hofmann, ZIP 2007, 260 (260). Nach Angaben bei Jaffé, ZHR 175 (2011), 38 (41) kam die Eigenverwaltung lediglich in 1 % der eröffneten Insolvenzverfahren zur Anwendung. 225 Vgl. Gravenbrucher Kreis, ZIP 1989, 468 (471); Hofmann, ZIP 2007, 261 (262). 226 Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 29 f. 227 Auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 30 erkennt ein „gewisses Dilemma“ dieser doppelten rechtspolitischen Zielsetzung. 224

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das Gesellschaftsvermögen abgesprochen bekommen, existieren keine oder zumindest deutlich schwächere Anreize, opportunistisches Verhalten zu unterlassen228. Die Geschäftsleitung der Schuldnerin kann nicht darauf vertrauen, im Falle der Verfahrenseröffnung weiter zu amtieren, wodurch spekulative Strategien wiederum subjektiv-rational werden. Das Instrument der Eigenverwaltung ist somit nicht geeignet, generell den Fehlanreizen in der Krise der Kapitalgesellschaft entgegenzuwirken. Insbesondere bei abgewirtschafteten Gesellschaften, in denen sich Gesellschafter und Geschäftsleitung in besonderem Maße den krisenbedingten Fehlanreizen ausgesetzt sehen, vermag die nur theoretische Aussicht auf Insolvenzplan und Eigenverwaltung nicht die Gefahren für die Gesellschaftsgläubiger zu minimieren. Ob man in der denkbaren Alternative einer Ausweitung der Eigenverwaltungsmöglichkeiten einen Ansatzpunkt zur Reduktion opportunistischen Verhaltens sehen darf229, muss allerdings gleichfalls bezweifelt werden, denn die Chance, die Führung der Gesellschaft weiter in den Händen zu halten, provoziert ihrerseits Fehlanreize. So wird in den Vereinigten Staaten gemutmaßt, dass die Flucht unter Chapter 11 weniger dazu dient, eine wirkliche Sanierung durchzuführen, sondern – zumindest vorübergehend – den eigenen Arbeitsplatz zu erhalten230. 4. Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) Die Insolvenzordnung beschränkt sich nicht darauf, mit Insolvenzplanverfahren, Eigenverwaltung und nunmehr auch Schutzschirmverfahren Anreize für die zeitnahe Verfahrenseröffnung durch die Unternehmensorgane einzuführen. Mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit als fakultativem Eröffnungsgrund wird zusätzlich eine Vorverlagerung der Verfahrenseröffnung (nur) auf Betreiben des Schuldners ermöglicht231. Der Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit soll nach der Intention des Gesetzgebers dazu beitragen, dass bereits im Vorfeld materieller Insolvenzreife rechtliche und wirtschaftliche Maßnahmen – auch zum Schutz des Schuldners – mit Hilfe eines erfahrenen (vorläufigen) Insolvenzverwalters einge228

Ähnlicher Befund bei Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 18 Rn. 2: „nur dann attraktiv, wenn einmal in solchen Fällen die Eigenverwaltung großzügig zugelassen wird, die organschaftlichen Vertreter nicht automatisch durch einen Insolvenzverwalter ersetzt werden und schließlich einigermaßen Gewähr dafür besteht, dass die Gläubiger statt der beabsichtigten Sanierung nicht eine wertzerschlagende Liquidation beschließen“. Gleiches gilt in abgeschwächtem Maße auch für die USA vgl. Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1377). 229 Dafür in der Sache etwa Hirte, ZGR 2010, 224 (227 ff.), der bei echter Fremdorganschaft die Insolvenzantragspflicht abschaffen möchte, um außergerichtliche Sanierungen unter Beibehaltung des bisherigen Managements zu ermöglichen, während Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11 (14) bei Eigenantrag vor Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eine zwingende Eigenverwaltung empfiehlt. 230 Vgl. etwa Baird/Jackson, U. Chi. L. Rev. 51 (1984), 97 (125). 231 Vgl. Bußhardt, in: Braun, InsO, § 18 Rn. 1; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 16 Rn. 5a; Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 18 Rn. 1 f.; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 19 Rn. 1; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 330.

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leitet werden. Unternehmenskrisen sollen früher erkannt und die Rettung des Unternehmens wahrscheinlicher werden, wenn die außergerichtliche Sanierung nicht möglich ist232. Gleichzeitig soll durch die induzierte frühzeitige Verfahrenseröffnung der Massearmut vorgebeugt werden und die Verteilungsquote zu Gunsten der einfachen Insolvenzgläubiger erhöht werden233. Nach § 18 Abs. 2 InsO droht der Schuldner zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist mittels einer Prognose über die finanzwirtschaftliche Gesamtentwicklung der Schuldnerin zu bestimmen234. Es ist ein Finanzplan aufzustellen, der die Bestände an liquiden Mitteln einerseits und die Planeinzahlungen und –auszahlungen andererseits erfasst235. Unstreitig einzustellen sind bereits bestehende fällige sowie bestehende, aber noch nicht fällige Zahlungspflichten236. Umstritten ist hingegen, ob noch nicht begründete, aber absehbare Zahlungspflichten zu berücksichtigen sind237. Richtiger Ansicht nach sind auch erst künftig entstehende Zahlungspflichten aufzunehmen, sofern nur nach vernünftiger kaufmännischer Erwägung in der Planrechnung voraussichtlich mit ihrer Bedienung gerechnet werden muss238. Der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist ein Prognosetatbestand, der es ermöglichen soll, auf eine bereits erkennbare krisenhafte Zuspitzung frühzeitig mit der Eröffnung des staatlichen Reorganisationsverfahrens zu reagieren. Sind Verbindlichkeiten noch nicht wirksam begründet, ihre Entstehung aber hinreichend wahrscheinlich, muss 232 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 18 Rn. 9; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 18 Rn. 16; Pape, in: Kübler/Prütting, § 18 Rn. 1; Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 18 Rn. 3; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 18 Rn. 2; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 1. 233 Vgl. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 18 Rn. 9 ff.; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, § 17 Rn. 1; Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 316. 234 Vgl. Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 332; Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (414). 235 Vgl. Burger, DB 1992, 2149 (2151); Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 18 Rn. 28; vgl. auch Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 18 Rn. 7: Aufstellung eines Finanzplanes, einer Plan-GuV und einer Planbilanz. 236 Hess, in: Hess, InsO, § 17 Rn. 4; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 18 Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, § 18 Rn. 5; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 18 Rn. 5; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 331; Sailer/Krieger, in: Schmidt/Lutter, AktG, Anh § 92: § 15a InsO Rn. 11; Hess, in: Hess, InsO, § 18 Rn. 18; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 18 Rn. 9; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 22. 237 Dafür Pape, in: Kübler/Prütting, InsO § 18 Rn. 5; Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 18 Rn. 8; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 18 Rn. 10; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO § 18 Rn. 5; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 332; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 22; Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 18 Rn. 43, für den Fall, dass sie im Prognosezeitraum auch fällig werden; dagegen: Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 18 Rn. 6; wohl auch Hess, in: Hess, InsO, § 18 Rn. 18. 238 So auch Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 15; zumindest für Löhne, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 140; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 18 Rn. 7.

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davon ausgegangen werden, dass auch sie das Ergebnis und damit die Zahlungsfähigkeit der Unternehmung belasten. Auch sie müssen deshalb, um den Zweck des § 18 InsO zu erreichen, berücksichtigt werden. Den bestehenden und künftigen Zahlungspflichten sind die Forderungsbestände, die zu erwartenden Einzahlungen laut Umsatzprognose, die erwarteten Zuflüsse aus Teilen des derzeit gebundenen Betriebsvermögens, Finanzmittel aus geplanten Kreditaufnahmen sowie Finanzmittel aus beabsichtigten Kapitalerhöhungen, Verlustübernahmen und Gesellschafterzuschüssen gegenüberzustellen239. Im Gegensatz zur Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO handelt es sich somit bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit auch konzeptionell um Zeitraumilliquidität240. Keine Einigkeit besteht bezüglich der Länge des Prognosezeitraums. Während nach teilweise vertretener Ansicht nur wenige Monate in Betracht genommen werden sollen241, sprechen sich andere Stimmen für ein bis höchstens zwei Jahre242, höchstens zwei Jahre243, maximal drei Jahre244 bzw. mehrere Jahre245 aus. Alternativ zu diesen an festen Zeitpunkten orientierten Meinungen wird vertreten, dass die Festlegung eines einheitlichen Prognosezeitraums nicht möglich sei, dieser vielmehr im Einzelfall bestimmt werden müsse246. Von Bedeutung soll etwa sein, ob es sich um ein Unternehmen mit kurz- oder langfristiger Produktion oder aber um ein so genanntes Saisonunternehmen handelt247. Im Ergebnis wird man sich auch in diesem Zusammenhang den Ansichten anzuschließen haben, die eine maximal zweijährige Prognosedauer zulassen. Weiter in die Zukunft reichende Prognosen müssen entweder maßgeblich auf subjektiven Expektanzen aufbauen oder aber die Entwicklung des laufenden und kommenden Geschäftsjahres nach einem fixen oder variablen Schlüssel fortschreiben. Im ersten Fall würde sich die entsprechende Prognose zu Recht dem Vorwurf der Manipulation bzw. Manipulierbarkeit ausgesetzt sehen, während in letzterem Fall die Aussagekraft der Prognose nicht gesteigert wird. Gleichzeitig sollte der Prognosezeitraum mindestens das laufende und das kommende Geschäftsjahr umfassen, da in zahlreichen Fällen Verträge auch bereits für das 239

Vgl. Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 332. Vgl. Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 18 Rn. 5; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 18 Rn. 6; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO § 17 Rn. 3; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 18 Rn. 8; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 22; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 333; Burger/Schellberger, BB 1995, 261 (264). 241 Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO § 18 Rn. 34. 242 Vgl. Uhlenbruck/Gundlach, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 6 Rn. 19; ders., in: Uhlenbruck, InsO, § 18 Rn. 10: „maximal das folgende Geschäftsjahr“. 243 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 18 Rn. 5; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 18 Rn. 6; Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 18 Rn. 10. 244 Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 18 Rn. 8a. 245 Vgl. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 18 Rn. 25 für den Fall, dass langfristige Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind. 246 Bußhardt, in: Braun, InsO, § 18 Rn. 8; Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 18 Rn. 49. 247 Vgl. Bußhardt, in: Braun, InsO, § 18 Rn. 8. 240

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kommende Jahr abgeschlossen sind und diese möglicherweise für die Prosperität der Unternehmung von entscheidender Bedeutung sind. Schließlich muss die Zahlungsunfähigkeit voraussichtlich gegeben sein. Das ist nach allgemeiner Ansicht dann der Fall, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher als ihr Ausbleiben ist, die Eintrittswahrscheinlichkeit also größer als 50 % ist (einfache Wahrscheinlichkeit)248. Im Hintergrund steht die Überlegung, dass ab diesem Zeitpunkt die Befriedigung der Gläubiger so stark gefährdet ist, dass die Verfahrenseröffnung gerechtfertigt erscheint249. Wie bereits im Rahmen der Fortführungsprognose der Überschuldung ausgeführt, kann das Abstellen auf die 50 %-Schwelle über das Gesetz der großen Zahl auch rechtsökonomisch legitimiert werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit insbesondere mit Blick auf die Funktion der Insolvenztatbestände als haftungsauslösendem Zeitpunkt gewisse Vorteile gegenüber den klassischen Insolvenztatbeständen besitzt. In weitaus geringerem Ausmaß als der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit nimmt er die zwischen Schuldnergesellschaft und ihren Kreditgebern bestehenden Informationsasymmetrien in sich auf. Das bestehende Informationsgefälle zwischen Geschäftsleitung und ihren Gläubigern bedingt, dass der Kreditmarkt Zahlungsunfähigkeit zu spät herbeiführt. Unbekannte Informationen können die Marktakteure nicht berücksichtigen. Diese Defizite treten im Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht mit gleicher Vehemenz zu Tage. Insoweit als mittels der Zahlungsfähigkeitsprognose auch die Zukunft in den Blick genommen wird, kann berücksichtigt werden, inwieweit sich das Bekanntwerden kritischer Informationen auswirkt. Unterschiede und Überschneidungen zum Überschuldungstatbestand variieren in Abhängigkeit davon, welchem Überschuldungsbegriff man folgt. Keine wesentlichen Unterschiede bestehen, wenn man Überschuldung rein dynamisch als Ertragswert formuliert. Anderes gilt hingegen für die Überschuldungsdefinitionen, die bilanziell orientiert sind, hier geht die drohende Zahlungsfähigkeit weitestgehend in der positiven oder negativen Fortführungsprognose auf. Ökonomisch teilt sie damit alle theoretischen Vorteile und tatsächlichen oder vermeintlichen praktischen Nachteile zahlungsbezogener Konzepte gegenüber der rein bilanziell orientierten Betrachtungsweise. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass drohende Zahlungsunfähigkeit als obligatorischer Eröffnungsgrund nur schwer zu rechtfertigen ist. Drohende Zahlungsunfähigkeit bedeutet nicht mehr, als dass bei ungehindertem Lauf der Dinge eine gerade einmal knapp überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Gesellschaft u. U. erst am Ende des Progno248 Vgl. Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 18 Rn. 19; Hess, in: Hess, § 18 Rn. 6; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 18 Rn. 24; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 18 Rn. 9; Pöhlmann, in: Graf-Schlicker, InsO, 1. Aufl., § 18 Rn. 6; Bußhardt, in: Braun, InsO, § 18 Rn. 5; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, § 18 Rn. 6; Spindler, in: MünchKommAktG, § 92 Rn. 22; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 2 Rn. 334; Burger/Buchhart, AG 2000, 412 (414); ähnlich Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 18 Rn. 13 (mindestens 50 %). 249 Vgl. Hess, in: Hess, InsO, § 18 Rn. 6.

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sezeitraums zahlungsunfähig werden wird. Insofern erscheint es konsequent, dass das Gesetz es dabei belässt, drohende Zahlungsunfähigkeit zum fakultativen Eröffnungsgrund zu erklären. Nicht anders als im Rahmen der Insolvenzantragspflicht erscheint es nur schwer vertretbar, Anteilseignern und Geschäftsleitung eines Unternehmens trotz fehlender bilanzieller Überschuldung die Verfügungsbefugnis über ihr Unternehmen zu entziehen mit dem Hinweis, dass bei gleichbleibenden Umständen die Gesellschaft in Zukunft nicht mehr in der Lage sein wird, ihre Verbindlichkeiten zu befriedigen. Ein fakultativer Eröffnungsgrund kann jedoch allein unter der Voraussetzung praktische Wirksamkeit entfalten, dass die Stellung des Antrags für den Antragsberechtigten mit Vorteilen verbunden ist. Aus Sicht der Schuldnergesellschaft spricht gegen die Eröffnung bei Vorliegen des fakultativen Insolvenzgrundes der Umstand, dass mit der Verfahrenseröffnung erhebliche Good-Will-Verluste verbunden sind und der Entzug der Verfügungsbefugnis droht. Demgegenüber stehen die für den Schuldner vorteilhaften Rechtsfolgen des Insolvenzregimes. Mit Verfahrenseröffnung ist es dem Schuldner möglich, eine Herausgabesperre zu bewirken, die dem Schuldner den Zugriff auf das Sicherungsgut belässt und damit Sanierungs- und Fortführungschancen eröffnet (§§ 165, 166 InsO, 30d Abs. 1 ZVG)250. Des Weiteren kommt der Schuldner „in den Genuss“ der Rückschlagsperre (§ 88 InsO), die Vollstreckungsgläubigern Vorzugsrechte nimmt und gepfändete Vermögensgegenstände für die Insolvenz sichert251. Hinzutreten die Möglichkeiten, die Verfahrenseröffnung mit einem Insolvenzplan oder der Eigenverwaltung zu verknüpfen252. Die frühzeitige Eröffnung des Verfahrens kann eine zeitnahe Umsetzung eines möglicherweise schon bestehenden Insolvenzplanes ermöglichen253. Der Widerstand einzelner Gläubiger, die sich einem out of court settlement widersetzen und die Implementierung des Sanierungskonzepts gefährden, kann durch die Abstimmung in Gruppen gemäß § 244 InsO gebrochen werden. Hinzutritt die Möglichkeit, einen Schutzschirmantrag zu stellen. Zweifel an der Attraktivität und damit der Effektivität der fakultativen Verfahrenseröffnung und der damit korrespondierenden Vorverlagerung des Eröffnungszeitpunkts weckt erneut der Befund, dass die Verfahrenseröffnung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit in der Praxis bisher kaum eine Rolle gespielt hat254. Vielmehr wird angenommen, dass Anträge wegen drohender Zahlungsunfähigkeit in der Mehrzahl gestellt werden, um eine bereits eingetretene Insolvenzverschleppung zu 250 Vgl. Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 18 Rn. 3; Pape, in: Kübler/Prütting, § 18 Rn. 13; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 18 Rn. 1; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 18 Rn. 6. 251 Vgl. Hess, in: Hess, InsO § 18 Rn. 9. 252 Vgl. Drukarczyk, in: MünchKommInsO, § 17 Rn. 3; Pape, in: Kübler/Prütting, § 18 Rn. 14; Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 18 Rn. 1. 253 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 152. 254 Vgl. Fischer, ZGR 2006, 403 (404); Paulus, ZGR 2005, 309 (316).

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verschleiern255. Dies mag zunächst konstruktiv darin begründet liegen, dass es kein Junktim zwischen fakultativer Antragstellung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und den Vorteilen der Eigenverwaltung und des Insolvenzplanverfahrens gibt256. Damit droht einerseits die Gefahr, dass die mit dem freiwilligen Insolvenzantrag beabsichtigte Eigenverwaltung am Widerstand der Gläubiger scheitert257. Andererseits kann der Schuldner unter umgekehrten Vorzeichen darauf hoffen, dass er grundsätzlich bis zu Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit weiter wirtschaften kann und dennoch Aussicht auf die Durchführung der günstigeren Verfahrensalternative besitzt. Dies wird er insbesondere bereits deshalb regelmäßig versuchen, weil eine außergerichtliche Sanierung erfolgversprechender ist und das Renommée der unternehmenstragenden Gesellschaft weniger stark beeinträchtigt. Ein weiterer Grund lag bisher in der Tatsache begründet, dass durch die Eigenverwaltung gerade nicht das Institut des debtor in possession anerkannt wurde258. Will sich die Unternehmensleitung ihre Selbständigkeit bei der Gestaltung der Geschäftspolitik erhalten, wird sie gerade auf eine freiwillige Antragstellung verzichten, die selbst im Falle der Eigenverwaltung eine Kontrolle durch Dritte begründet; noch abzuwarten bleibt, ob die mit dem ESUG verbundenen Neuerungen eine Trendwende einleiten. Nach wie vor eine virulente Größe bleibt das psychologische Momentum, dass die Insolvenz in Deutschland als wirtschaftliches und persönliches Scheitern empfunden wird259. Nicht zuletzt droht den Geschäftsleitern im Falle einer zu frühzeitigen Antragstellung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit eine Haftung nach § 43 GmbHG260. Im Ergebnis wird man festzuhalten haben, dass anders als unter der lex lata, der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit gerade nicht als Eröffnungsgrund praktische Bedeutung erlangen könnte, sondern als Beginn eines erhöhten Sorgfaltspflichtprogramms der Geschäftsleitung. Drohende Zahlungsunfähigkeit kennzeichnet einen Zeitpunkt im Leben der Unternehmung, in dem die erfolgreiche Fortsetzung nicht mehr (überwiegend) wahrscheinlich ist und die krisenbedingte Revision des Anreizsystems spätestens einsetzt. Vor diesem Hintergrund liegt es nicht fern, drohende Zahlungsunfähigkeit zum Auslöser eines verschärften 255 Vgl. K. Schmidt, in: VGR (Hrsg.): Die GmbH-Reform in der Diskussion, 143 (158 f.); vgl. etwa BGH, Urt. v. 24. 5. 2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426 (1427); vgl. auch Pape, in: Kübler/Prütting, § 18 Rn. 3; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 9. 256 Die Bedeutung des Zusammenspiels von drohender Zahlungsunfähigkeit, Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltung betont auch Paulus, ZGR 2005, 309 (316). 257 Vgl. Uhlenbruck, NZI 2008, 201 (204 f.). 258 Ähnlich Schmerbach, in: FrankfurterKommInsO, § 18 Rn. 21: Anreize zu schwach, um den Schuldner zur frühzeitigen Antragstellung zu veranlassen. 259 Vgl. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO § 18 Rn. 49. 260 Vgl. Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 316; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 92 Rn. 13: aufgrund der Verpflichtung zur Gewinnerzielung ist Geschäftsleitung bei drohender Zahlungsunfähigkeit zur – zu ergänzen wohl außergerichtlichen – Sanierung verpflichtet, sofern diese erfolgversprechend ist.

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Pflichtprogramms der Geschäftsleitung in der Krise zu machen anstatt sie als wenig attraktiven fakultativen Eröffnungsgrund zu offerieren. 5. Weitere Änderungen durch das ESUG a) Schutzschirmverfahren gemäß § 270b InsO Kernelement zur Verbesserung der Chancen einer erfolgreichen Sanierung durch das ESUG – und Instrument zur Verhinderung der Abwanderung von Insolvenzverfahren insbesondere in das europäische Ausland (forum shopping)261 – ist das sog. „Schutzschirmverfahren“ (§ 270b InsO). Wie dargestellt, entscheidet über Erfolg oder Misserfolg eines staatlich reglementierten (Vor)Insolvenzverfahrens maßgeblich, inwieweit die Einleitung eines solchen Verfahrens aus Sicht der Schuldnergesellschaft und ihrer Geschäftsleitung eine attraktive Alternative zum Weiterwirtschaften ist. Vor dem Hintergrund der doch eher enttäuschenden Erfahrungen mit der Eigenverwaltung hält die InsO i.d.F. des ESUG mit dem Schutzschirmverfahren einen zusätzlichen Baustein bereit, um dem Schuldner bzw. seiner Geschäftsleitung die frühzeitige Antragstellung „schmackhaft zu machen“. Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und die Eigenverwaltung beantragt und ist die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos, bestimmt das Insolvenzgericht eine höchstens dreimonatige Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans (§ 270b Abs. 1 S. 1 u. 2 InsO). Voraussetzung ist die Vorlage einer mit Begründung versehenen Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aus261

Insbesondere die Verlagerung des COMI, um ein Company Voluntary Arrangement (CVA) oder ein sog. Scheme of Arrangement zu ermöglichen in den Fällen Schefenacker, Deutsche Nickel und Hans Brochier ist skeptisch aufgenommen worden. Zum CVA etwa Rumberg, RIW 2010, 358 (358 ff.); zum Scheme of Arrangement etwa O’Dea/Long/Smyth, Schemes of Arrangement; Bork, IILR 2012, 477 (477 ff.). In Frankreich steht neben dem unverbindlichen Verfahren der conciliation insbesondere die procédure de sauvegarde zur Verfügung, die nicht erst bei Zahlungsunfähigkeit (cessation des paiements), sondern schon dann eingeleitet werden kann, wenn der Schuldner darlegt, nicht in der Lage zu sein, seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu überwinden, vgl. Art. L.620-1 C. com.: „Il est institué une procédure de sauvegarde ouverte sur demande d’un débiteur mentionné à l’article L. 620-2 qui, sans être en cessation des paiements, justifie de difficultés qu’il n’est pas en mesure de surmonter. Cette procédure est destinée à faciliter la réorganisation de l’entreprise afin de permettre la poursuite de l’activité économique, le maintien de l’emploi et l’apurement du passif“. Vgl. hierzu etwa Dammann, NZI 2009, 502 (505 f.); Klein, RIW 2006, 13 (13 ff.); Vallens, RTD com. 2009, 458 (459); zur Variante des sauvegarde financière acceélérée Degenhardt, NZI 2013, 830 (830 ff.). Generell zum forum shopping etwa die Beiträge von McCahery und Enriques/Gelter in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, S. 421 ff. und S. 459 ff.

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sichtslos ist (§ 270b Abs. 1 S. 3 InsO). Das Schutzschirmverfahren erlaubt also bereits vor Verfahrenseröffnung die Erarbeitung eines Sanierungskonzeptes in Abstimmung mit dem Insolvenzgericht, insofern steht das Schutzschirmverfahren als mixtum compositum zwischen echter außergerichtlicher Sanierung und Sanierung im Insolvenzverfahren und folgt damit u. a. englischen262 und französischen263 Vorbildern. Teilt man die mittlerweile insbesondere auf Ebene der Gesetzgeber verbreitete Ansicht264, dass eine statistisch signifikante Zahl eigentlich lebensfähiger Unternehmen (nur) durch ein staatliches oder halbstaatliches Sanierungsverfahren gerettet werden kann, aber auch muss, ist die frühzeitige Verfahrenseinleitung von zentraler Bedeutung265. Das Schutzschirmverfahren knüpft an die bereits bekannten Tatbestände der Überschuldung und drohenden Zahlungsunfähigkeit an266. Andere Verfahrensrechte gehen diesbezüglich weiter: so setzt das in seinen Rechtswirkungen allerdings beschränkte mandat ad hoc nicht an das Erreichen einer durch finanzwirtschaftliche Kennziffern ausgedrückten Zuspitzung der Krise an, und auch die Einleitung einer conciliation bzw. einer procedure de sauvegarde lässt genügen, dass sich die Schuldnerin in rechtlichen, wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten befindet bzw. in einer Krise, die sie aus eigener Kraft nicht mehr zu überwinden vermag267, während das solvent scheme of arrangement gemäß Sec. 895 ff. CA 2006268 und Sec. 301 des US-amerikanischen Bankruptcy Code einen Verfahrensantrag praktisch zu jedem Zeitpunkt zulassen269. Um die Geschäftsleitung zur frühzeitigen Verfahrenseinleitung zu bewegen, wertet das Schutzschirmverfahren ihre Stellung in verschiedener Hinsicht auf. So 262

Company Voluntary Arrangement und scheme of arrangement sind jeweils außerinsolvenzliche verwalterlose Verfahren, vgl. etwa Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11 (26 f.). 263 Auch im Rahmen der procedure de sauvegarde wird dem Schuldner – abweichend vom Sanierungsplan des regulären Insolvenzverfahrens – das Recht zugesprochen, den Sanierungsplan auszuarbeiten. Vgl. hierzu Dammann, NZI 2009, 502 (506); Großerichter, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S. 370. 264 Hierzu etwa Paulus, RIW 2013, 577 (577 ff.). 265 Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11 (30). 266 Kritisch insoweit etwa Hirte, ZInsO 2011, 401 (402); Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11 (36). Zur Frage, ob der Tatbestand der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ gegebenenfalls enger als in § 18 InsO auszulegen ist Ganter, NZI 2012, 985 (985 ff.). 267 Vgl. Art. L.611-4 C.Com. (conciliation): „[…] qui eprouvent une difficulté juridique, économique ou financière, avérée ou prévisible, et ne se trouvent pas en cessation des paiements depuis plus de quarante-cinq jours“ und Art L. 620-1 C. Com.: „[…] débiteur […] qui sans être en cessation des paiements, justifie de difficultés qu’il n’est pas en mesure de surmonter“. Vgl. auch Paulus, RIW 2013, 577 (581); Degenhardt, NZI 2013, 830 (831); Voinot, Gaz. Pal. 2005, 2943 (2949 f.). 268 Vgl. Bork, IILR 2012, 477 (477); Paulus, RIW 2013, 577 (580): ursächlich ist insoweit, dass das solvent scheme of arrangement gerade kein insolvenzrechtliches Institut ist. 269 Paulus, RIW 2013, 577 (580). Kritisch gegenüber einer solchen vollständigen Entkopplung von einer nachhaltigen wirtschaftlichen Schieflage Jaffé, ZHR 175 (2011), 38 (54).

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wird zunächst auf den gleichfalls aus der Eigenverwaltung bisheriger Prägung bekannten Sachwalter – auch insoweit in Übereinstimmung mit internationalen Vorbildern – auch im Schutzschirmverfahren nicht zur Gänze verzichtet, aber gleichfalls versucht, diese Institutionalisierung einer Geschäftsführung unter Vorbehalt für den Schuldner und sein Geschäftsleitungsorgan akzeptabler zu gestalten. Der vorläufige Sachwalter ist – nach dem Vorbild zahlreicher ausländischer Sanierungsrechte270 – grundsätzlich entsprechend dem Vorschlag des Schuldners zu bestimmen; dem Gericht steht eine Ablehnungsbefugnis nur dann zu, wenn der durch den Schuldner benannte Sachwalter offensichtlich ungeeignet ist. Der Schuldner und seine Geschäfsleitung bleiben damit die dominierenden Figuren, während der Sachwalter auf die Rolle als bloßer Überwacher beschränkt bleibt271. Wesentliches materielles Recht, das der Schulderin im Schutzschirmverfahren zugestanden wird, ist das Recht zur Ausarbeitung des Insolvenzplans272. Gleichzeitig ermöglicht § 270b Abs. 2 S. 3 InsO weitergehend als bisher einen automatic stay nach US-amerikanischem bzw. englischem273 und französischem Vorbild274. Eine abschließende Würdigung des Schutzschirmverfahrens ist gegenwärtig nicht zu leisten. Folgende Eckpunke werden bei der zukünftigen Bewertung erster empirischer Ergebnisse zu beachten sein. Zunächst kann der deutsche Gesetzgeber das Argument der Konvergenz für sich in Anspruch nehmen: mittlerweile betonen nicht nur die USA, sondern auch zahlreiche weitere Rechtsordnungen die Fortführung des Unternehmens und stellen hierfür eine Reihe aus Sicht des Schuldners weitgehend maßgeschneiderter Verfahren zur Verfügung275. Frankreich etwa bietet mit règlement amiable, concilitiation und procedure de sauvegarde mittlerweile gleich drei vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren276. Diese rechtspolitische Grundentscheidung 270 So kann in Frankreich sowohl im Rahmen der conciliation als auch der procédure de sauvegarde der Schuldner den Schlichter (conciliateur) bzw. Verwalter (administrateur) vorschlagen (Art. L 611-6 C. com. und Art. L 621-4 C. com.) Vgl. Dammann, NZI 2009, 502 (504, 506); auch der bankruptcy code kennt ein exklusives Vorschlagsrechts des Schuldners, vgl. Jaffé, ZGR 2010, 248 (260). 271 Römermann, NJW 2012, 645 (650). 272 Hierin wurde eine wesentliche Schwäche des alten Sanierungsrechts der InsO gesehen. Vgl. Jaffé, ZGR 2010, 248 (251). 273 Piekenbrock, NZI 2012, 905 (907). Das Verfahren der conciliation hat demgegeüber keine automatische Aussetzung der Vollstreckung zu Folge. Vgl. Großerichter, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S. 369. 274 Art. L. 622-21 C. Com.: „Le jugement d’ouverture interrompt ou interdit toute action en justie de la part de tous les créanciers dont la créance n’est pas mentionée au I de l’article L. 62217 et tendant: 18 a la condamnation du débiteur au paiement d’une somme d’ argent; 28 a la résolution d’un contrat pour défaut de paiment d’une somme d’argent […]“. 275 Knapper Überblick etwa bei Paulus, RIW 2013, 577 (577 ff.). 276 Hinzutritt die allerdings weitestgehend auf das Innenverhältnis beschränkte procedure d’alerte; vgl. etwa Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. VIII 11 = S. 508 f. Griffiger Überblick über die Grundelemente der einzelnen Verfahren im deutschen Schrifftum etwa bei Großerichter, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, S. 367 ff.

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erscheint auf einen ersten Blick überzeugend: zunächst lässt sich der Wettbewerb der Insolvenzrechte ins Felde führen, der zum Reagieren nötige; jenseits solch viktimisierender Larmoyanz kann auf die Notwendigkeit der Bewahrung des Unternehmens, seiner Arbeitsplätze etc. verwiesen werden. Mit Blick auf den Wettbewerb um das mildeste Insolvenzverfahren erscheint gleichzeitig aber auch ein doppeltes caveat geboten. So fällt zunächst die Begründung, warum ein Staat im Wettbewerb der Insolvenzrechte eine führende Rolle einnehmen müsse, weitaus schwieriger als für den Bereich des artverwandten Gesellschaftsrechts. Die Bewahrung eines angemessenen Gläubigerschutzes wird man hierfür kaum anführen können, geht doch die Stoßrichtung des Wettstreits der Konkurs- und Sanierungsrechte dahin, die Stellung der Gläubiger an sich zu schwächen, um entweder der Schuldnerin oder aber Großgläubigern, in der Regel also Banken, zur Hilfe zu eilen. Legt man die nationale Brille beseite, beschränken sich die Vorteile einer führenden Rolle im Wettbewerb der Sanierungsrechte darauf, die technischen Schwierigkeiten, die mit der Verfahrenseröffnung in einer ausländischen Jurisdiktion für nationale Gläubiger und weitere Verfahrensbeteiligte verbunden sind, zu minimieren, und – soweit man dem Sympathie entgegenbringen will – die eines industriepolitischen Stimulans zu Gunsten der heimischen Sanierungsberatungsindustrie, die aus naheliegenden Gründen einen Schrecken ohne Ende einem Ende mit Schrecken vorzieht. Entscheidend bleibt damit die grundsätzliche Frage, welche Anstrengungen ein Staat unternehmen sollte, um ein eigentlich bereits gescheitertes Unternehmen zu reanimieren. Wie ausgeführt erfüllt die Insolvenz in einer marktwirtschaftlich verfassten Wirtschaftsordnung die Aufgabe, der Schuldnerin, die der Minimalbedingung des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zu genügen vermag, die Verfügungsrechte über die suboptimal eingesetzten Produktionsfaktoren zu entziehen, um diese rentablen Unternehmungen zu überantworten. Dementsprechend kann staatlich organisierte Insolvenzvermeidung kein Selbstzweck sein, sondern ist ihrerseits daran zu messen, ob die volkswirtschaflichen Kosten der Rettung geringer sind als die mit einem endgültigen Zusammenbruch verbundenen Kosten. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass der erste Ansturm auf das neugeschaffene Schutzschirmverfahren vorrangig aus den Reihen der deutschen Solarenergie erfolgte, also durch Unternehmen einer dem globalen Wettbewerb nicht (mehr) gewachsenen Branche. Es kann allerdings nicht Aufgabe eines Sanierungsrechts sein, ohne staatliche Hilfe nicht überlebensfähigen Unternehmen eine Zukunft zu sichern. Die vorübergehende Fortführung solcher Unternehmen ist letztlich nur mit weiterem ineffektiven Ressourcenverbrauch und einer Fehlallokation von Produktionsfaktoren verbunden. Auch weniger unmittelbare volkswirtschaftliche Effekte eines allzu fortführungsfreundlichen Insolvenzrechts müssen in Rechnung gestellt werden. Ein zu schuldnerfreundliches Insolvenzrecht führt zu verstärkten Sicherungsanstrengungen, etwa über höhere Zinsen und zusätzliche Hereinnahme von Sicherheiten. In der Folge steigen Transaktions- und Refinanzierungkosten gegebenenfalls über das volkswirtschaftlich vernünftige Niveau hinaus. Ein Mehr ist also nicht zwingend besser.

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b) Weitere Änderungen Neben der oben beschriebenen Einführung des Schutzschirmverfahrens beinhaltet das ESUG zahlreiche weitere verfahrensrechtliche und materielle Regelungen, mit denen der deutsche Gesetzgeber ein modernes und konkurrenzfähiges Sanierungsrecht unter gleichzeitiger Austarierung der Interessen von Gemeinschuldnerin und Gläubigern zu gewährleisten sucht. Zu nennen sind die Aufwertung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses (§§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a, 22a InsO)277, die Stärkung des Einflusses der (Groß)Gläubiger auf die Verwalterbestellung zumindest in Großverfahren (§§ 56a, 57 InsO)278, die Beschleunigung des Planverfahrens (§§ 231 Abs. 1 S. 2 InsO, 251 Abs. 2 u. 3, 253 f. InsO; Abschaffung von § 7 InsO a.F.)279 und die von der Praxis seit langem geforderte Zulassung eines DebtEquity-Swaps unter vereinfachten Voraussetzungen (§ 225a Abs. 2 InsO)280. Auch den jüngst veröffentlichten Diskussionsentwurf für ein Konzerninsolvenzrecht281 hat man zu den Maßnahmen zur Schaffung eines modernen Sanierungsrechts zu zählen, zielt doch der im Übrigen auf ein durchaus kritisches Echo gestoßene Entwurf zu Recht nicht darauf, die – in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls vermeintliche oder tatsächliche – wirtschaftliche Einheit des Konzerns haftunsgsrechtlich in der Insolvenz zu verwirklichen, sondern beschränkt sich darauf, vorhandene Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Insolvenzverwaltern, Entscheidungsträgern und Gläubigern verschiedener Konzerngesellschaften zu beheben, um dadurch einen eventuell vorhandenen Going Concern-Wert der Gruppe zu erhalten. 6. Zwischenergebnis Trotz des Wettlaufs der Insolvenzrechtsgesetzgeber bleiben die verantwortlichen nationalen Gesetzgeber aufgerufen, Kosten und Nutzen besonders sanierungsfreundlicher Restrukturierungsregime kritisch zu würdigen. Zu berücksichtigen ist, dass die öffentlichkeitswirksame Rettung strauchelnder Unternehmen ökonomisch durch eine Beeinträchtigung der Allokationseffizienz des Marktes erkauft wird: dem im Marktprozess gescheiterten Unternehmen wird durch staatliche Anschubhilfe eine zweite Chance eingeräumt, die nach wirtschaftlicher Rechtfertigung verlangt. Auch mit Blick auf die vorliegend im Fokus stehenden Fehlanreize kann das notwendig vorläufige Urteil nicht uneingeschränkt positiv ausfallen: einerseits kann die 277 Vgl. hierzu etwa Römermann, NJW 2012, 645 (647 f.); Willemsen/Rechel, BB 2012, 203 (203 f.); kritisch Pape, NWB 2011, 3108 (3112 f.). 278 Vgl. hierzu Römermann, NJW 2012, 645 (648 f.). 279 Pape, NWB 2011, 3108 (3115 f.). 280 Vgl. hierzu Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Vor. § 64 Rn. 73 ff.; Simon/Merkelbach, NZG 2012, 121 (123 ff.). Kritisch zur Regelung, die der Debt-Equity-Swap durch das ESUG erfahren hat, etwa Römermann, NJW 2012, 645 (650 f.). 281 Hierzu etwa Andres/Möhlenkamp, BB 2013, 579 (579 ff.); Harder/Lojowsky, NZI 2013, 327 (327 ff.); Siemon/Frind, NZI 2013, 1 (1 ff.).

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Erwartung, auch im Falle der Eröffnung eines Insolvenz- oder vergleichbaren Restrukturierungsverfahrens die Stellung als Geschäftsleiter zu behalten, dazu führen, dass von der Implementierung spekulativer und überriskanter Strategien Abstand genommen wird. Gleichzeitig lehrt die Rechtsvergleichung aber auch, dass dies nicht notwendig der Fall ist: vielmehr kann die rationale Strategie gerade dahin lauten zu Beginn einer Krise überriskant zu agieren, um den unwahrscheinlichen Turn around außergerichtlich zu realisieren, um sich im Scheiternsfall noch zeitnah in ein Sanierungsverfahren zu retten. Marktordnungspolitisch ist zudem nicht unbedenklich, dass das Sanierungsverfahren gerade den Entscheidungsträgern einen Verbleib im Amt ermöglicht, die im Regelfall einen maßgeblichen Anteil an der Krise der Schuldnergesellschaft haben.

VII. Insolvenzanfechtung Im US-amerikanischen Recht erfolgt die Bekämpfung der krisenbedingten Fehlanreize (near bankruptcy/perverse incentives) maßgeblich über das Anfechtungsrecht282. Das deutsche Recht hingegen sieht die Grundlage der Insolvenzanfechtung traditionell in der Verwirklichung des den par conditio creditorum Grundsatz ergänzenden Verbots einzelner Gläubigerzugriffe im Umfeld der Insolvenz283. Die Anfechtungstatbestände der §§ 129 ff. InsO erweisen sich hiernach als Weiterung des durch § 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 S. 1 GmbHG n.F. gewährten Schutzes, indem auch durch sie Vermögen, das der Gesellschaft entzogen wurde, wieder an die Gesellschaft zurückgeführt284 bzw. ein entsprechender Abfluss von vorneherein unterbunden wird285. Dieses traditionelle Verständnis der Insolvenzanfechtung als Verteilungsregel schließt es jedoch nicht aus, das Anfechtungsrecht gleichzeitig als Instrument zur Steuerung krisenspezifischer Fehlanreize zu betrachten. Das Anfechtungsrecht stellt seiner Natur nach eine ex-post Kontrolle unternehmerischen Verhaltens in der Krise dar, das auf die Identifikation opportunis282 Vgl. etwa North American Catholic Educational Programming Foundation Inc. v. Gheewalla, Del., 930 A. 2d 92 (2007) 99: „It is well established that the directors owe their fiduciary obligations to the corporation and its shareholders. While shareholders rely on directors acting as fiduciaries to protect their interests, creditors are afforded protection through contractual agreements, fraud and fraudulent conveyance law, implied covenants of good faith and fair dealing, general commercial law and other sources of creditor rights“. Vgl. Baird, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 199 (199 ff.). Aus dem deutschen Schrifttum insbesondere Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 90 ff. Vgl. auch Seibt, ZHR 171 (2007), 282 (311): „praktische Hauptsäule des Gläubigerschutzes“. 283 BGH, Urt. v. 18. 12. 2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 (245). Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 64. Vgl. auch Bachner, Creditor Protection in Praivate Companies, S. 46. 284 Vgl. Fischer, ZGR 2006, 403 (410); Steffek, ZRP 2007, 228 (229). Zum Konkurrenzverhältnis von Erstattung nach § 64 S. 1 GmbHG und Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO, insbesondere § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO, vgl. Flöther/Korb, ZIP 2012, 2333 (2335). 285 Vgl. Steffek, ZRP 2007, 228 (228 ff.).

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tischen Verhaltens mit der Verhängung bestimmter Rechtsfolgen antwortet286. Vor diesem Hintergrund wird auch in Deutschland zunehmend eine Verlagerung oder Ergänzung des gesetzlich vermittelten Gläubigerschutzes in das Recht der Insolvenzanfechtung diskutiert287. Die Relevanz der Insolvenzanfechtung für das Problem der fehlerhaften Anreize in der Krise der Kapitalgesellschaft ergibt sich daraus, dass auch Handlungen der Geschäftsleitung der Schuldnergesellschaft im Vorfeld materieller Insolvenzreife erfasst werden. Wie dargestellt, krankt die Insolvenzverschleppungshaftung konstruktiv insbesondere daran, dass spekulatives Verhalten vor Überschuldung überhaupt nicht oder doch nur in den engen Grenzen des § 826 BGB pönalisiert wird. Das Insolvenzanfechtungsrecht bietet hierfür, soweit sein Anwendungsbereich reicht, einen gewissen Ausgleich: Vorgänge, die höchstens drei Monate vor Antragsstellung liegen, werden zunächst durch die §§ 130 – 132 InsO erfasst. Dass es sich hierbei nur um eine bescheidene Vorverlagerung handelt, die, da auf den Insolvenzantrag und nicht die Insolvenzreife abgestellt wird, im Einzelfall nicht mal eine solche sein muss, ist maßgeblich dem Umstand geschuldet, dass die §§ 130 – 132 InsO dem Ziel dienen, die materiellen Wirkungen der Insolvenz bereits vor der formellen Verfahrenseröffnung eintreten zu lassen288. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass Anknüpfungspunkt im Falle der §§ 130, 131 InsO das Verhalten des Gläubigers, der Deckung erlangt, ist, und nicht das des Schuldners289. Strukturell handelt es sich um Konstellationen, in denen sich ein Gläubiger der Gesellschaft opportunistisch verhält, indem er die Positionen der weiteren Gesellschaftsgläubiger zu seinen Gunsten ausbeutet. Verhält sich hingegen allein die Führung der Gesellschaft auf Kosten der Gesamtheit opportunistisch, gewähren die §§ 130 – 132 InsO keinen Schutz. In Verbindung mit dem engen Zeitfenster wird im Ergebnis nur ein Ausschnitt denkbaren opportunistischen Verhaltens und damit der Agenturkosten des Fremdkapitals adressiert290.

286 Thole, KTS 2007, 293 (298); tendenziell ähnlich Haas, ZHR 170 (2006), 478 (482); auch Steffek, ZRP 2007, 228 (228 ff.) und Bitter, ZHR 176 (2012), 578 (579) rücken die Präventionsfunktion in den Vordergrund. Vgl. Baird/Jackson, Vand. L. Rev. 38 (1985), 829 (829 ff.); Halpern/Trebilcock/Turnbull, University of Toronto Law Journal 30 (1980), 117 (146) für den UFCA. 287 Vgl. Thole, KTS 2007, 293 (293 ff.); Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 51 ff.; ders., ZIP 2006, 1373 (1373 ff.); Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (644); Bork, ZIP 2004, 1684 (1684 ff.); Wagner, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 217 (217 ff.). Die Bedeutung der Insolvenzanfechtung hervorhebend auch Bachner, Creditor Protection in Private Companies, S. 39 ff. 288 Vgl. Fischer, ZGR 2006, 403 (411). 289 Vgl. Thole, KTS 2007, 293 (299). 290 Im Ergebnis ähnlich Haas, ZIP 2006, 1373 (1373).

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Bedeutsamer im vorliegenden Kontext, weil zeitlich viel weiter zurückliegende Vorgänge erfassend, ist die Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO)291. Der Vorsatzanfechtung unterliegen Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte (§ 133 Abs. 1 S. 1 InsO). Die Vorsatzanfechtung dient der Rückgängigmachung von Vermögensverschiebungen, die mit den Interessen der Gläubigergesamtheit in keiner Weise vereinbar sind. Vorwurf ist eine Vermögensverlagerung durch den Schuldner unter sozial inadäquaten Umständen292. Voraussetzung ist deshalb objektiv eine Gläubigerbenachteiligung, die nach der Rechtsprechung anzunehmen ist, wenn die Insolvenzmasse durch die anfechtbare Handlung verkürzt worden ist, wenn sich also die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die fragliche Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten293. Der zeitlich weit ausgreifende Anwendungsbereich der Vorsatzanfechtung wird kompensiert durch das Hinzutreten subjektiver Erfordernisse294. Einerseits muss der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt haben, wobei – wie bereits im Rahmen der Absichtsanfechtung der KO – dolus eventualis genügt295, andererseits muss auf Seiten des Anfechtungsgegners zumindest Kenntnis bezüglich des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Gemeinschuldnerin vorhanden sein. Letzteres ist anzunehmen, wenn der Gläubiger weiß, dass der Schuldner wegen seiner finanziell beengten Lage in absehbarer Zeit nicht mehr fähig ist, sämtliche Insolvenzgläubiger zu befriedigen296. Den hiermit naturgemäß verbundenen Nachweisschwierigkeiten versucht die Rechtsprechung durch ein System von Beweisanzeichen Herr zu werden297. Eine Vorsatzanfechtung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Gesellschafter einer GmbH das Kapital, dessen diese zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten bedarf, entziehen, um es einem oder mehreren Gesellschaftern unmittelbar oder über ein Unternehmen, an dem diese wesentlich beteiligt sind, zuzuwenden. Der 291 Vgl. hierzu ausführlich Bork, ZIP 1989, 1684 (1684 ff.); Thole KTS 2007, 293 (293 ff.). Die mögliche Bedeutung, die § 133 InsO in einer Gesamtkonzeption erlangen könnte, betonend auch Wagner, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 217 (229 ff.). 292 Thole, KTS 2007, 293 (300); Bork, ZIP 2004, 1684 (1691); Haas, ZIP 2006, 1373 (1373 f.). 293 BGH, Urt. v. 27. 05. 2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (80 f.); Bork, ZIP 2004, 1684 (1687); Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (673). 294 Kritisch gegenüber der strengen Handhabung des Vorsatzerfordernisses durch die Rechtsprechung Wagner, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 217 (226). 295 BGH, Urteil v. 27. 05. 2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (84). Vgl. Dauernheim, in: FrankfurterKommInsO, § 133 Rn. 9; Weis, in: Hess, InsO, § 133 Rn. 1; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 12; Bork, ZIP 2004, 1684 (1687); Thole, KTS 2007, 293 (301 ff.). 296 BGH, Urt. v. 18. 12. 2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 (250); Bork, ZIP 2004, 1684 (1687). 297 Vgl. Bork, ZIP 2004, 1684 (1688 ff.).

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Benachteiligungsvorsatz liege hier häufig auf der Hand298. Gleiches gilt für auf einen Druckinsolvenzantrag geleistete Zahlungen299. Im Übrigen gilt, dass ausreichende Kenntnis dann angenommen wird, wenn der andere Teil der Transaktion wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte, was immer dann der Fall ist, sobald dem Empfänger die einen Eröffnungsgrund begründenden Tatsachen bekannt sind300. Insoweit schließt die Vorsatzanfechtung auch Teile der Fehlanreize mit ein. Sie unternimmt den Versuch, eine Externalisierung von Risiken durch Frustration von Gläubigern zu verhindern301. Insbesondere vermag sie, auch den nicht anpassungsfähigen Gläubigern Schutz zu gewähren302. Vorteil ist darüber hinaus, dass nicht die Gefahr einer unbeschränkten persönlichen Haftung im Raume steht, sondern nur der gegenständlich beschränkte Verlust der empfangenen Leistung303. Allerdings ist auch das Anfechtungsrecht durch Eigenheiten gekennzeichnet, die es als ausschließliches Instrument zur Steuerung des Krisenverhaltens von Geschäftsleitung und Gesellschaftern ungeeignet erscheinen lassen. § 129 Abs. 1 InsO setzt notwendig eine Rechtshandlung voraus. Zwar wird der Begriff der Rechtshandlung denkbar weit gefasst und erfasst jede Willensbetätigung des Schuldners mit Rechtswirkung304. Erforderlich bleibt jedoch das Vorliegen konkreter Rechtshandlungen305. Opportunistisches Verhalten wird nur dann erfasst, wenn es zu einer Vermögensverschiebung zwischen Gesellschaft und Anfechtungsgegner kommt306. Nicht anders als das Zahlungsverbot des § 64 S.1 GmbHG n.F. und das Kapitalerhaltungsrecht versagt die Insolvenzanfechtung damit immer dann, wenn sich das opportunistische Verhalten in bloßem Zuwarten erschöpft. Konstellationen wie die des der Entscheidung Re Produce Marketing zu Grunde liegenden Sachverhalts lassen sich nicht greifen. Dass der IX. Senat auch Unterlassungen als Rechtshandlungen erfasst, ändert hieran im Ergebnis nichts, weil vorausgesetzt wird, dass auch ein solches Nichthandeln irgendwelche Rechtsfolgen zeitigt307. In gleicher Weise bleiben rein unternehmerische Fehlleistungen, die nicht mit einer Vermögensverschiebung verbunden sind, im Rahmen der §§ 129 ff. InsO unsanktioniert. Die bloß spekulative Fortführung wird deshalb nur durch die Insolvenzverschleppungshaf298

Vgl. Fischer, ZGR 2006, 403 (413). BGH, Urt. v. 18. 12. 2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 (247 f.); Bork, ZIP 2004, 1684 (1684 ff.). 300 BGH, Urt. v. 27. 05. 2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (84 ff.). 301 Vgl. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 62; Foerste, Insolvenzrecht, S. 143; Thole, KTS 2007, 293 (300); Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (671 f.). 302 Vgl. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (670). 303 Vgl. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (670). 304 Vgl. Thole, KTS 2007, 293 (300); Haas, ZIP 2006, 1373 (1375). 305 Vgl. Bork, ZIP 2004, 1684 (1685); Thole, KTS 2007, 293 (300 f.). 306 Vgl. Haas, ZHR 170 (2006), 478 (482). 307 BGH, Urt. v. 22. 12. 2005 – IX ZR 190/02, NZG 2006, 264 (266); vgl. Fischer, NZI 2006, 313 (319 f.). 299

VIII. Allgemeine Geschäftsleiterhaftung (§§ 43 GmbHG, 93 AktG)

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tung erfasst. Die Forensik des deutschen Rechts des faktischen Konzerns sowie des US-amerikanischen fraudulent transfer laws offenbaren zudem, dass gerade in Konstellationen, in denen in großem Stil unlauterer Einfluss auf die Schuldnerin genommen worden ist, die Identifikation missbilligter Einzelakte häufig nicht gelingt. Die Zuflucht zu wenig filigranen und deshalb wenig treffgenauen Instrumenten wie dem – mittlerweile abgeschafften – qualifizierten faktischen Konzern und equitable subordination bzw. recharakterization308 illustrieren die praktische Wirkmächtigkeit dieses Befundes. Hinzu tritt, dass die beschränkte Rechtsfolge der Rückgewähr von Anfechtungsgegenständen geradezu dazu einlädt, es zu versuchen309. Gelingt die Verbringung des konkreten Gegenstands aus der Haftmasse nicht, ist sie allein zurück zu übereignen, ein darüber hinausgehendes pönales Moment ist dem Anfechtungsrecht fremd. Problematisch ist schließlich, dass das insolvenzrechtliche Anfechtungsregime an die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geknüpft ist, also gerade bei masselosen Insolvenzen keine Wirksamkeit entfalten kann310. Die Existenz des AnfG bietet hierfür theoretisch und empirisch nur bedingten Ersatz, was sich maßgeblich darauf gründet, dass mit dem Insolvenzverwalter die Person ausfällt, die aufgrund ihres Informationsstandes zur Durchsetzung der Anfechtungsrechte am besten geeignet ist.

VIII. Allgemeine Geschäftsleiterhaftung (§§ 43 GmbHG, 93 AktG) Zunächst fernliegend erscheint die Sanktionierung spekulativen Handelns in der Krise im Rahmen der allgemeinen Geschäftsleiterhaftung gemäß §§ 43 GmbHG, 93 AktG. Die allgemeine Organhaftung zwingt die Geschäftsleitung zur Beachtung der Interessen der Gesellschafter, also gerade der Personen, die im Zweifelsfall für eine Spekulation auf Kosten der Gläubiger votieren würden. Dennoch wird unter verschiedenen Auspizien das Problem der Fehlanreize in der Krise im Rahmen der allgemeinen Geschäftsleiterhaftung diskutiert. So ist die Spruchpraxis der angelsächsischen Länder dadurch gekennzeichnet, Direktoren im Rahmen ihrer commonlaw-Pflichten generell oder ab Erreichen eines kritischen Zeitpunktes explizit auf die Beachtung von Gläubigerinteressen zu verpflichten311. Paradigmatisch steht hierfür in den USA die bisherige Credit Lyonnais-Rechtsprechung des Delaware Court of Chancery312, während sich in England die sogenannte West Mercia-Doktrin her308 Zu deren Lückenfüllungsfunktion etwa Skeel/Krause-Vilmar, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 261 (265 f.); Cahn, in: Eidenmüller/Schön, Law and Economics of Creditor Protection, 289 (294). 309 Vgl. Steffek, ZRP 2007, 228 (229). 310 Vgl. Haddick, ZGR 2006, 403 (421). 311 Vgl. Davies, EBOR 7 (2006), 301 (329). 312 Credit Lyonnais Bank Nederland NV v. Pathe Communications Corp., Delaware Journal of Corporate Law 17 (1992), 1099 (1099 ff.). Vgl. hierzu etwa Bainbridge, Much Ado About

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ausgebildet hat313. Soweit sich diese Entwicklungen darauf beschränken, eine ansonsten fehlende Krisengeschäftsleiterhaftung zu etablieren, ist damit wenig gewonnen314. Es ergeben sich die gleichen Abgrenzungsschwierigkeiten bezüglich des pflichtenauslösenden Zeitpunkts als auch bezüglich der Frage, welche Verhaltensweisen erlaubt bzw. verboten sind bzw. sein sollten. So sind etwa die durch den Delaware Court of Chancery verwandte Begrifflichkeit vicinity of insolvency sowie die alternative Umschreibung der twilight zone ebenso unbestimmt wie der Zeitpunkt des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation315. Nicht zuletzt tendiert Little? Directors’ Fiduciary Duties in the Vicinity of Insolvency, Journal of Business & Technology Law, S. 1 ff.; Barondes, Fiduciary Duties in Distressed Corporations, S. 1 ff.; Booth, The Duty to Creditors Reconsidered, S. 1ff, Campbell/Frost, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed Corporations, S. 17 ff.; Klöhn, RIW 2008, 37 (40 ff.); ders., ZGR 2008, 110 (120 ff.); Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (647 ff.); Tung, Journal of Business & Technology Law 1 (2007), 1201 (1201 ff.); Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (1 ff.);. Anders noch der District Court for the Southern District of New York in Metropolitan Life Ins. Co. v. RJR Nabisco, Inc., 716 F. Supp., 1504 (1504 ff.) (S.D.N.Y. 1989). Vgl. zum Sachverhalt etwa Burrough/Helyar, Barbarians at the Gate. Weitgehend eingeschränkt in North American Catholic Educational Programming Foundation Inc. v. Gheewalla, Del., 930 A. 2d 92 (2007) 99: „It is well established that the directors owe their fiduciary obligations to the corporation and its shareholders. […] Accordingly, ,the general rule is that directors do not owe creditors duties beyond the relevant contractual terms‘“. Hierzu Klöhn, RIW 2008, 37 (40 ff.); ders., ZGR 2008, 110 (120 ff.); Conaway, Trenwalla: A Call for Rationalizing Fiduciary Duties to Creditors in Delaware, S. 1 ff.; Baird/Henderson, Other People’s Money, S. 1 ff.; Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1321 ff.). Zum Alternativkonzept des sog. „Deepening Insolvency“ etwa Thole, ZIP 2007, 1590 (1590 ff.); Schillig, Comp. Law. 2009, 298 (298 ff.). 313 Liquidator of West Mercia Safetywear v. Dodd [1988], BCLC 250 (250 ff.). Vgl. hierzu Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (199 ff.); Hawke, JBL 1989, 54 (54 ff.); Kasalowsky/ Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 34; Klöhn, ZGR 2008, 110 (127 ff.); Lotz, ZInsO 1010, 1634 (1634 ff.); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 26 ff.; Payne/Prentice, in: Ramsay, 190 (193 ff.); Redeker, Die Haftung für wrongful trading im englischen Recht, S. 175 ff.; Stöber, ZHR 176 (2012), 326 (341 ff.). Eine Kodifikation in den sec. 170 ff. CA 2006 ist bewusst unterlassen worden, weil sich die Entwicklung der common law-Rechtsprechung noch im Fluss befinde. Vgl. Davies/Rickford, ECFR 2008, 48 (63). 314 Positiver aber Davies, EBOR 7 (2006), 301 (329), der eine Ergänzungsfunktion zu sec. 214 IA annimmt, weil die common-law-Pflichten zur Beachtung der Interessen der Gläubiger im Einzelfall früher eingreifen und sie auch im Verfahren der administration zur Anwendung gelangen könnten. Ergänzungsfunktion billigt ihnen auch Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 29 zu. Ähnlich auch Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 265, dem zu Folge wrongful trading typischerweise erst bei Zahlungsunfähigkeit greift, die creditor regarding duties nach common law hingegen bereits ab Überschuldung; die Abgrenzung überzeugt schon deshalb nicht, weil Schall gleichzeitig wrongful trading als Insolvenzverursachungshaftung begreift, womit sec. 214 IA regelmäßig Maßnahmen und Eingriffe erfassen würde, die im Stadium einer zumindest rechnerischen Überschuldung vorgenommen werden. 315 Vgl. für Delawares „vicinity of insolvency“ etwa Bainbridge, Much ado about Little, Journal of Business Law & Technology, S. 21; Callison, Duty Shift to Creditors, S. 22; Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (671): „vague conception of high leverage or minimal net worth“; Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1338): „whatever that might mean“; Campbell/Frost, Managers’ Fiduciary Duties in Financially Distressed Corpo-

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die Rechtsprechung im Bereich der common-law-Haftung zur Einbeziehung weiterer Stakeholder-Gruppen wie etwa der Arbeitnehmer und sieht sich damit der Gefahr ausgesetzt, die wenig zielführende Debatte um das Unternehmensinteresse in den angelsächsischen Bereich zu importieren316, die zumindest in den USA in Gestalt der in der Tradition des managerialism stehenden director primacy allenfalls als Argument gegen die gerichtliche Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen317, nicht aber als echte Zielgröße begegnet318. Von diesen Versuchen, durch Rechtsfortbildung eine spezifische Krisenhaftung zu etablieren, sind Ansätze zu unterscheiden, einen generell gültigen Verhaltensstandard in und außerhalb der Krise festzuschreiben, der sich nicht ausschließlich an den Gesellschafterinteressen (shareholder primacy)319, sondern am ökonomischen rations, S. 18; Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (13); kritisch auch schon Vice Chancellor Strine in Production Resources Group LLC 863 Ad. 2d. 790: „Fortunately, this case does not require me to explore the metaphysical boundaries of the zone of insolvency“. Zur Unbestimmtheit der common-law-Haftung auch Davies, EBOR 7 (2006), 301 (328); Bicker, Creditor Protection in the Corporate Group, S. 27; Klöhn, ZGR 2008, 110 (141 f.); Milman, JBL 2004, 493 (493). In der amerikanischen Debatte wird deshalb teilweise vorgeschlagen, die directors duties allein auf den Zeitraum der Insolvenz zu beschränken. Vgl. etwa Schwarcz, Cardozo L. Rev. 17 (1996), 647 (671). 316 Beispielhaft Re Saul D Harrison & Sons plc [1995] 1 BCLC 14 (31 ff.). Zur wenig zielführenden Debatte um das Unternehmensinteresse in Deutschland etwa Hüffer, AktG, § 76 Rn. 15; die allerdings nicht vollständig beendet ist, sondern unter Stichworten wie „interessenplurale Zielkonzeption“ der Leitungsverantwortung wiederbegegnet (so etwa Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12 ff.; zur Übertragbarkeit auf das Recht der GmbH Fleischer, GmbHR 2010, 1307 (1307 ff.)). Auch der DGB, Stellungnahme VorstAG, S. 14 f. nimmt das VorstAG zum Anlass, erneut die Diskussion um das Unternehmensinteresse wiederzubeleben. 317 Unterstützung erfährt der weite Stakeholder-Ansatz – nur auf einen ersten Blick überraschend – vor allem von Seiten der Verwaltungsberatung, die die weitgehende Haftungsfreistellung des Managements als Funktionsbedingung der amerikanischen Wirtschaftsordnung („corporate America“) begreift. So etwa Warden, Business Lawyer 40 (1985), 1431 (1431 ff.), der sogar die Staatsraison (national interest) als abwägungserheblichen Belang ansieht. 318 Johnson/La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer, Am. Econ. Rev. P&P 90 (2000), 22 (23). 319 Zum in der US-amerikanischen Rechtsprechung und Wissenschaft dominierenden Paradigma der Shareholder Primacy vgl. etwa Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 90 ff.; Booth, The Duty to Creditors Reconstructed, S. 1 f..; Davis, U. Chi. L. Rev. 76 (2009), 83 (98 f.); Tung, Journal of Business & Technology Law 1 (2007), 1202 (1202 ff.); ders., The Death of Corporate Contract, S. 8 f. Leading case ist immer noch Dodge v. Ford Motor Co. 170 N.W. 668 (Mich. 1919): „A business corporation is organized and carried on primarily for the profit of the stockholders. The powers of the directors are to be employed for that end. The discretion of directors is to be exercised in the choice of means to attain that end, and does not extend to a change in the end itself, to the reduction of profits, or to the nondistribution of profits among stockholders in order to devote them to other purposes“. Deutlich auch die Entscheidung des Gesetzgebers in Colorado, wo auf abweichende Entscheidungen der Rechtsprechung der Gesetzgeber den ausschließlichen Vorrang der Anteilseignerinteressen festgeschrieben hat. Vgl. Callison, Shift of Fiduciary Duty, S. 12 ff. Zu impliziten Abweichungen von diesem Grundsatz Baird/Henderson, Other People‘s Money, S. 15 ff. Die in den USA geführte Debatte um den corporate purpose/goal hat demgegenüber als primären Gegenstand, inwieweit bei gewinnorientierten Unternehmen (for-profit corporations) eine sat-

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Interesse der davon zu trennenden Gesellschaft orientiert (financial value maximation)320. Aus der deutschen Diskussion ist hier insbesondere auf den in jüngerer Zeit von Grigoleit präsentierten Vorschlag zu verweisen, die Gesellschafter auf das Prinzip der dezentralen Gewinnverwendung als Ausfluss der allgemeinen Zweckförderungspflicht zu verpflichten321, sowie auf den Vorschlag von Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön die Geschäftsleitung generell auf die betriebswirtschaftliche Maßnahme zu verpflichten, die „objektiv“, also bei nicht durch die beschränkte Haftung verzerrter Betrachtung den höchsten Erwartungswert aufweist322. In gleiche Richtung zielt es, wenn die neuseeländische Rechtsprechung den Inhalt der gläubigerorientierten common-law-Pflichten dahingehend umschreibt, dass der Geschäftsleitung Handlungen verboten sind, die „by a course of action which would jeopardize solvency323“. Wenn Grigoleit das Erzielen von Gewinnen, die neuseeländische Rechtsprechung hingegen den Verzicht auf überriskante Verhaltensweisen zum Pflichtenprogramm erhebt, lässt sich als gemeinsamer Ausgangspunkt identifizieren, dass Geschäftsleitung und Gesellschafter zwingend auf das Ziel verpflichtet werden sollen, den Unternehmenswert zu maximieren324. Maximierung des Unternehmenswertes setzt voraus, dass bei mehreren zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen nur diejenigen mit einem positiven Erwartungswert und bei mehreren zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen mit positizungsmäßige Abweichung vom Ziel der profit bzw. shareholder value maximization zulässig ist, also shareholder value maximation lediglich eine default rule ist, die zur Disposition (nur) der Anteilseigner steht. Für die Zulässigkeit solcher Abweichung von einem vertragsorientierten Standpunkt Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 35 f. A.A. offensichtlich Chancellor Chandler in eBay Domestic Holdings, Inc. v. Newmark, 16. A. 3d, 11 (Del. Ch. 2010); kritisch zu dieser Entscheidung etwa Wishnick, Yale L. J. 121 (2012), 2405 (2410 ff.). 320 Hierfür Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (25 ff.); ähnlich Kandestin, Vand. L. Rev. 60 (2007), 1231 (1249 f.); auch Baird/Henderson, Other People’s Money, S. 25: „They [the directors, A.d.V.] are obliged to make decisions that maximize the value of the entire pie, not any particular slice“. Vgl. zu diesem Ansatz (kritisch) auch Tung, Journal of Business & Technology Law 1 (2007), 1201 (1217ff); ders., Death of Corporate Contract, S. 30 ff.; einen Überblick aus deutscher Sicht bietet Klöhn, ZGR 2008, 110 (137). 321 Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, ablehnend Hönn, WM 2008, 769 (776 f.). 322 Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 134 f. allerdings mit begrenzter Gegenausnahme für den Fall, dass mehrere zur Verfügung stehende Investitionsprojekte gleiche Erwartungswerte, aber ein unterschiedliches Risikoprofil aufweisen; hier soll im Zweifel das Gläubigerinteresse vorrangig sein. 323 Nicholson v. Permakraft (NZ) Ltd. [1985] 1 NZLR 242. Vgl. auch Davies, EBOR 7 (2006), 301 (328). 324 Ähnliche Interpretation des Ansatzes von Grigoleit durch Haas, ZHR 170 (2006), 478 (479). In diese Richtung lässt sich auch die Aussage Chancellor Allens in Credit Lyonnais, a.a.O., 1099 verstehen: „At least where a company is operating in the vicinity of insolvency, a board of directors is not merely the agent of residue risk bearers, but owes its duty to the corporate enterprise“. Vgl. (kritisch) zur Idee der Orientierung am corporate interest aus Sicht der contractarians Bainbridge, Journal of Business and Technology Law, S. 18 ff.

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vem Erwartungswert jeweils diejenigen mit dem höchsten Erwartungswert bzw. höchsten Nettogegenwert (NPV), der anhand einer DCF-Rechnung zu ermitteln ist, gewählt werden325. Entsprechend diesem betriebswirtschaftlichen Handlungsbefehl ist die Wahl von Projekten mit negativem Erwartungswert keine zulässige Entscheidung326. Verwendet man diese Entscheidungsregel als Pflichtenprogramm und schreibt es in die Krise fort, so lässt sich als Inhalt festhalten, dass es der Geschäftsleitung verwehrt ist, Projekte mit (unrevidiert) negativem Erwartungswert zu realisieren. In der Theorie wird es durch eine entsprechend formulierte Haftungsregel Geschäftsleitern, unabhängig vom konkreten Zeitpunkt, untersagt, opportunistische Handlungen vorzunehmen327. Die Vorteile der beschränkten Haftung bleiben im Prinzip gewahrt, da die Geschäftsleitung riskante Handlungen vornehmen darf und allein unvertretbare Handlungen sich haftungsbegründend auswirken. Eine Verortung der Krisenpflichten der Geschäftsleitung im Rahmen der allgemeinen Geschäftsleiterhaftung weist eine Reihe von Vorteilen, jedoch auch bestimmte Defizite auf. Durch Aufwertung der Unternehmenswertmaximierung zum überragenden Ziel wird die Notwendigkeit, einen bestimmten Zeitpunkt festzulegen, ab dem die krisenbedingte Revision des Anreizsystems haftungsrechtlich relevant wird, obsolet328. Die mit einer konkreten Festlegung verbundenen temporären Haftungsfreiräume werden vermieden. Gleichzeitig ist mit der Unternehmenswertmaximierung eine Zielgröße gefunden, die einerseits einen tauglichen Orientierungsmaßstab für krisenbezogene Geschäftsleiterpflichten darstellt, andererseits weitestgehend als gemeinsames Anliegen von Gläubigern und Gesellschaftern gekennzeichnet werden kann329. Quasi entsprechend dem Grundsatz essentia non sunt multiplacanda praeter necessitatem wird die in der US-amerikanischen Debatte im Vordergrund stehende Frage, ob und in welchem Umfang die Geschäftsleitung die Gewinnansprüche der Anteilseigner oder aber den Wert der Gläubigerforderungen zu maximieren hat (two master problem) obsolet, denn vergleichbar der handelsbilanziellen Unterteilung würde zwischen Mittelherkunft und Mittelverwendung unterschieden330. Die Mittel sind unabhängig von ihrer Herkunft in die Investitions-

325

Vgl. Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (3). Vgl. Tung, Journal of Business & Technology Law, 1 (2007), 1201 (1217). 327 Vgl. auch Tung, Journal of Business & Technology Law 1 (2007), 1201 (1217). 328 Vgl. Kandestin, Vand. L. Rev. 60 (2007), 1231 (1239 f.). 329 Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Rev. 2 (2007), 1 (28 f.); im Ansatz sympathisierend Barondes, Fiduciary Duties in Distressed Corporations, S. 25: „One focus of the principles governing management of a distressed firm should be maximization of aggregate distressed firm value. That is not to say distributional concerns […] are necessarily irrelevant. However, one focus should be whether developing legal principles will impede actions that are collectively desirable“. 330 Vgl. zu der kaum überschaubaren Diskussion, wem gegenüber fiduciary duties geschuldet sind Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (4 ff.); Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1344 ff.) jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen; aus dem deutschen Schrifttum zuletzt Klöhn, ZGR 2008, 110 (110 ff.). 326

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projekte zu lenken, die den höchsten Erwartungswert aufweisen331. Finanzierungstheoretisches Fundament erhält dieser Ansatz durch die Grundaussagen des Modigliani-Miller-Theorems sowie der Fisher-Separation zwischen Investition und Finanzierung332. Werden allein die wirtschaftlichen Konsequenzen unternehmerischer Handlungsalternativen zum Gegenstand der Sorgfaltspflicht gemacht, wird irrelevant, wem welche Positionen zustehen333. Indem Risiko und Rendite auf objektiver Basis in den Fokus der Pflichten genommen werden, wird auch Deliktsgläubigern hinreichender Schutz zu Teil. Gleichzeitig würden die auch im Rahmen einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung notwendigen Haftungsfreiräume durch das im Bereich der allgemeinen Organhaftung ohnehin geltende Institut der business judgment rule gewährleistet334. Diese müsste allerdings eine – möglicherweise ohnehin notwendige – Metamorphose erfahren. Die business judgment rule traditioneller Prägung ist ausschließlich Verfahrensregel. Handelt die Geschäftsleitung auf hinreichend valider Grundlage nach bestem Wissen zum Wohle der Gesellschaft, scheidet eine Haftung aus. Eine Vertretbarkeitskontrolle findet nur bezüglich des Entscheidungsprozesses, nicht bezüglich des Entscheidungsergebnisses statt. Soweit man dem Paradigma der shareholder primacy folgt, ist dieser Ansatz wenig problematisch. Interessen der Gesellschafter sind hiernach Interessen der Gesellschaft, so dass in letzter Konsequenz doch berücksichtigt wird, welchen Einfluss die getroffenen Maßnahmen auf die Vermögenspositionen der Gesellschafter besitzen. Sieht man hingegen nicht isoliert die Gesellschafterinteressen als Zielgröße, sondern den Unternehmenswert, fällt die Beurteilung der ergriffenen Maßnahmen durch die business judgment rule weniger eindeutig aus. In der Krise durchgeführte spekulative Projekte dienen zwar dem Interesse der Gesellschafter, maximieren hingegen nicht den Unternehmenswert. Nicht umsonst beanspruchen die Gegner eines duty shifting, dass durch einen Pflichtenwechsel in der Krise das Interesse der

331 Nicht überzeugend deshalb Kanda, J. Legal Studies 21 (1992), 431 (444 f.), der übersieht, dass bei ausschließlicher Orientierung am Nettogegenwartswert der Unternehmeung die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkapital keine Bedeutung mehr besitzt. 332 Vgl. Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (30 ff.). 333 Vgl. Valsan/Yahya, Virginia Law & Business Review 2 (2007), 1 (3). Ähnlich entscheiden die US-amerikanischen Insolvenzgerichte, wonach Aufgabe einer unter Chapter 11 agierenden Gesellschaft nicht die Maximierung des Forderungswertes oder der Gesellschafterinteressen ist, sondern die Maximierung des „estate“ (11 U.S.C. § 541(a) (1988)). Vgl. etwa In re Central Ice Cream Co., 836 F.2d 1068 (1072) (7th Cir. 1987). Vgl. hierzu Campbell/Frost, Managers’ Fiduciaray Duties in Financially Distressed Corporations, S. 24 ff.; Kandestin, Vand. L. Rev. 60 (2007), 1231 (1235); siehe auch Klöhn, ZGR 2008, 123 (123), dem folgend insoweit auch Kanda, J. Legal Stud. 21 (1992), 431 (445) unter Hinweis darauf, dass Residualanspruchsberechtigte in diesem Fall die Gläubiger sind. 334 In den USA ist Anwendung und Umfang der business jugdment rule im Rahmen der creditor regarding duties allerdings umstritten, alternativ wird aufgrund der dogmatischen Einordnung als fiduciary duty die Anwendung von trust fund doctrines erwogen. Vgl. zu dieser Frage etwa Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1380); Callsion, Duty Shift to Creditors, S. 24.

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Gesellschaft neudefiniert werden müsse335. Die grundsätzliche Nichtberücksichtigung der letztlich getroffenen Entscheidung kann bei Orientierung der Geschäftsleiterpflichten am Paradigma der Erwartungswertmaximierung nicht beibehalten werden. Es darf einen Geschäftsleiter nicht entlasten, wenn er auf informierter Grundlage in gutem Glauben eine nicht erwartungswertmaximale Entscheidung getroffen hat, die Vermögen von den Gläubigern auf die Gesellschafter umleitet. Es gibt keine ökonomische Rechtfertigung, Geschäftsleitungen die Realisierung von Investitionsprojekten mit negativem Erwartungswert unter Rekurs auf das Prinzip der shareholder primacy zu erlauben. Die gegen ein solches Konzept vorgebrachten Befürchtungen, die darauf hinweisen, dass gerade viele Start Ups als Keimzelle des Wachstums durch eine hohe Scheiternswahrscheinlichkeit gekennzeichnet sind336, stehen diesem Befund nicht entgegen. Die hohe Scheiternswahrscheinlichkeit wird regelmäßig von überaus hohen Ertragschancen im Erfolgsfall begleitet, so dass sich im Ergebnis doch ein positiver Nettogegenwartswert ergibt. Das business judgment wäre deshalb neu zu definieren dahingehend, dass die Geschäftsleitung grundsätzlich die ex ante erfolgversprechendsten Handlungsalternativen gemessen an den generierten Einzahlungsüberschüssen zu wählen hat (entire fairness review)337, ihr aber aufgrund der bestehenden Unsicherheiten bei Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten und Ergebnisausprägungen ein weites Ermessen eingeräumt wird. Um den gleichwohl existenten Gefahren (hindsight bias etc.) Rechnung zu tragen, ist die Vertretbarkeitsprüfung durch das Gericht einzuschränken. Innerhalb großzügiger Bandbreiten ist es den Gerichten verwehrt, die Wirtschaftlichkeit des Projekts abzulehnen. Diese zunächst rein theoretische Fundierung wäre prozessual umzusetzen, indem Kläger als auch Beklagter gehalten sind, anhand von Planrechnungen darzustellen, ob es sich um ein Projekt mit positivem Gegenwartswert oder um eine reine Wette handelte. Kann das Gericht diesen Gutachten nicht entnehmen, dass die angesetzten Berechnungsgrundlagen fehlerhaft sind, darf keine Verurteilung ausgesprochen werden. Schließlich würde eine Krisenhaftung im Rahmen der allgemeinen Geschäftsleiterpflichten als Innenhaftung die Prioritäts- und Durchsetzungskonflikte, die mit einer direkten Außenhaftung verbunden sind, beseitigen. Diesen Vorteilen stehen nicht unerhebliche Nachteile gegenüber. Die in der Theorie unproblematische Bezugnahme auf den Unternehmenswert ist in der Praxis nur schwer durchzuführen338. Den Gerichten würde es zur Aufgabe gemacht, die 335

Vgl. etwa Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1380). Exemplarisch Hu/Westbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1381). 337 Zu Inhalt und Umfang der entire fairness review aus der Rechtsprechung etwa Weinberger v. UOP, Inc., 457 A2d 701 (Del. 1983): Kahn v. Lynch Communication Systems, Del.Supr., 638 A.2d 1110 (1994), 1115 ff. Zur Grenze zwischen Business Judgment und entire fairness review in der Rechtsprechung Delawares vgl. Lazarus, Delaware Journal of Corporate Law 26 (2001), 911 (911 ff.). 338 Vgl. Haas, ZHR 160 (2007), 478 (485); sehr kritisch auch Tung, Journal of Business & Technology Law 1 (2007), 1201 (1217 ff.); Hu/Westerbrook, Colum. L. Rev. 107 (2007), 1321 (1345). 336

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unterschiedlichen Handlungsalternativen der Geschäftsleitung im streitgegenständlichen Fall zu identifizieren und deren wirtschaftliche Konsequenzen einzuschätzen339. Mögliche Folge ist, dass entweder Geschäftsleiter zu übertriebener Risikoscheu tendieren, um einer persönlichen Haftung zu entgehen oder aber keine nachhaltigen Verhaltensänderungen bewirkt werden, weil die Haftungsvoraussetzungen zu unpräzise sind, als dass die Geschäftsleitung eine Haftung zu gewärtigen hätte. Darüber hinaus steht die Binnenhaftung nach §§ 43 GmbHG, 93 AktG grundsätzlich zur Disposition der Gesellschafter respektive der Aktionäre340. Diese Disponibilität der Ansprüche ist unvereinbar mit der zugedachten Funktion als Gegenmittel gegen die Fehlanreize. Dass die Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers entfällt, wenn durch die ergriffenen Maßnahmen nicht mehr primär die Interessen der Gesellschafter, sondern die der außen stehenden Gläubiger betroffen sind341, ändert an diesem Befund nichts. Auch hier wäre wie im Rahmen von sec. 214 IA etc. zu ermitteln, wann die Weisungsgebundenheit endet und welche Maßnahmen im Gläubigerinteresse geboten wären. Nicht zuletzt entfällt die mit einem besonderen Haftungstatbestand verbundene Appellfunktion für die Geschäftsleitung, die diese darauf hinweist, dass aufgrund stark beeinträchtigter Zukunftsaussichten ein erhöhtes Sorgfaltsniveau eingefordert wird. Im Ergebnis wird man deshalb festhalten müssen, dass zumindest gegenwärtig eine Erfassung der krisenspezifischen Fehlanreize im Rahmen der allgemeinen Geschäftsleiterhaftung nicht in Betracht kommt, da sie zu sehr mit der überkommenen Dogmatik der kapitalgesellschaftsrechtlichen Organhaftung bricht.

IX. Zivilrechtliche Evidenzhaftung (§ 826 BGB) 1. § 826 BGB als Grundlage einer zivilrechtlichen Evidenzhaftung Zunehmende Bedeutung erlangt sowohl im Bereich des Anleger- als auch des Gläubigerschutzes die Haftung gemäß § 826 BGB. Der Bundesgerichtshof wendet die Norm fallgruppenartig u. a. in den Bereichen fehlerhafte Kapitalmarktinformation, Insolvenzverschleppung und nunmehr auch existenzvernichtende Eingriffe342 339

Vgl. Tung, Journal of Business & Technology Law 1 (2007), 1201 (1218). Zumindest soweit nicht Offizialpflichten wie § 15a Abs. 1 InsO, § 41 GmbHG oder die Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 30, 33 i.V.m. § 43 Abs. 3 GmbHG) betroffen sind. Im Übrigen sind die konkreten Voraussetzungen allerdings streitig. Vgl. aus der Rechtsprechung etwa BGH, Urt. v. 16. 9. 2002 – II 107/01, NZG 2002, 1170 (1171 ff.). Auch in den USA werden fiduciary duties regelmäßig als abdingbare default rules qualifiziert, vgl. Ribstein, The Nature of the Fiduciary Relationship, S. 9, zumindest im Falle von closely-held corporations, vgl. Callison, Duty Shift to Creditors, S. 24 f. 341 Vgl. Goette, ZGR 2008, 436 (447 f.). 342 BGH, Urt. v 16. 7. 2007 – II ZR 2/04; vgl. hierzu Wilhelm, EWiR 2007, 557 (557 f.); Lieder, DZWiR 2008, 145 (145 ff.). 340

IX. Zivilrechtliche Evidenzhaftung (§ 826 BGB)

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an. Diese Rechtsprechung begleitend und ordnend hat sich das Schrifttum bemüht, § 826 BGB als Generalnorm einer Evidenzhaftung zu aktivieren. Sester etwa sieht in der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung die Grundlage einer allgemeinen Evidenzhaftung im Bereich des Kapitalgesellschaftsrechts. § 826 BGB enthalte die Haftungsregel, dass ein grober Verstoß gegen einen Fairnessstandard, der sich auf Vermögensdispositionen Dritter bezieht, zu denen die Handelnden in einer Sonderbeziehung stehen, die vorsätzliche Schädigung indiziert und eine Ersatzpflicht für Vermögensschäden begründe, sofern ein unmittelbarer und offensichtlicher Kausalzusammenhang zwischen Fairnessverstoß und Schaden vorliegt. Adressaten dieser deliktischen Evidenzhaftung sollen sowohl Geschäftsleiter als auch unternehmerischen Einfluss ausübende Gesellschafter sein343. In gleiche Richtung hat bereits zuvor Haas für den Spezialfall der Krise ausgeführt, dass ein Geschäftsführer sittenwidrig handele, „der in völlig unzureichender Erfüllung der ihm obliegenden Selbstprüfungspflicht zu einer unrealistischen Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft gelangt und trotzdem Geschäfte in großem Umfang mit Dritten abschließt und diese dadurch schädigt“344. Im vorliegenden Kontext evidenter Vorteil im Vergleich zur Insolvenzverschleppungshaftung ist, dass die allgemeine Verhaltenshaftung gemäß § 826 BGB weder an das Erreichen materieller Insolvenzreife noch an einen durch eine sonstige finanzwirtschaftliche Kennzahl oder generalklauselartig umschriebenen Zeitpunkt geknüpft ist. Auch spekulative Projekte, denen die Insolvenzverschleppungshaftung nicht Herr zu werden vermag, lassen sich grundsätzlich unter der Überschrift der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung erfassen345. Gleichzeitig ist die Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nicht mit den – hausgemachten – Problemen bei der Beschreibung des Adressatenkreises verbunden. Ohne dass es des Umweges über das Institut der faktischen Geschäftsführung bedürfte, werden sowohl Geschäftsleiter als auch Gesellschafter für die Folgen der von ihnen durchgeführten Handlungen in die Pflicht genommen. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigungen sind Geschäftsleitern und Gesellschaftern gleichermaßen untersagt. Das unplausible Merkmal des Außenhandelns entfällt, Voraussetzung ist allein die Verantwortlichkeit für eine Entscheidung. Nicht zuletzt erlaubt ein Ausweichen auf § 826 BGB anders als die Insolvenzverschleppungshaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO auch notwendige Begrenzungen. Vermögensschutz wird nicht für jede Art von Fahrlässigkeit gewährt346. Am Tatbestandsmerkmal des Eventualvorsatzes lässt sich eine Unterscheidung von Handeln im Rahmen des vertraglich vereinbarten Risikos und Opportunismus andocken. 343 Vgl. Sester, ZGR 2006, 1 (2). Positiv gegenüber der Verortung von Gläubigerschutz in § 826 BGB auch Thole, KTS 2007, 293 (313); kritisch hingegen K. Schmidt, GmbHR 2008, 449 (458), der die Entwicklung spezifisch gesellschaftsrechtlicher Institute anmahnt. 344 Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, S. 72. 345 So insbesondere Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz, E 40; Sester, ZGR 2006, 1 (31 ff.). 346 Vgl. Sester, ZGR 2006, 1 (15 ff.).

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§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung

Allerdings besitzt der Tatbestand auch strukturelle Nachteile. Die grundsätzliche Offenheit der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung befördert Rechtsunsicherheit, was insbesondere vor dem Hintergrund bedenklich erscheint, dass die Anforderungen an die Elemente Sittenwidrigkeit und Vorsatz beständig abgeschwächt werden. Eine Verortung der Krisenhaftung in § 826 BGB bedingt darüber hinaus, dass die Appellfunktion des Tatbestandes weitgehend verloren geht. Eine richterliche Rechtsfortbildung nach dem Vorbild der Existenzvernichtungshaftung ist für die Akteure nicht voraussehbar und kann folglich keine ex ante wirkenden Verhaltensanreize für Geschäftsleiter und Gesellschafter setzen, sondern allein als ungerecht empfundene Ergebnisse im Wege einer Billigkeitsrechtsprechung korrigieren. Inwieweit die Haftung nach § 826 BGB als Instrument eines verhaltenslenkenden präventiven, die legitimen Belange von Gesellschaftern und Gläubigern berücksichtigenden Gläubigerschutzes Bedeutung zu erlangen vermag, hängt damit wesentlich davon ab, ob es der Rechtsprechung gelungen ist und gelingt, typische Verhaltensweisen zu identifizieren, die eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in der Krise der Kapitalgesellschaft zu begründen vermögen und die entsprechenden Voraussetzungen und Rechtsfolgen den betroffenen Kreisen zu kommunizieren. 2. Erfasste Verhaltensweisen Mit dem Konzept einer Evidenzhaftung ist es zunächst vereinbar, wenn die Rechtsprechung Sachverhalte unter § 826 BGB erfasst, in denen opportunistisches Verhalten auf Seiten der Geschäftsleitung festzustellen ist. So hat das OLG Koblenz eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung für den Fall bejaht, dass ein Vorstand im Rahmen getätigter Geschäfte einen Wissensvorsprung hinsichtlich besonderer Risiken des Geschäftes besitzt, die den Abschluss des Vertrages durch den Geschädigten bei dessen voller Kenntnis der Risikolage verhindert hätten, und der Vorstand diesen Wissensvorsprung dadurch ausnutzt, dass er den Vertragspartner nicht informiert347. Hier handelt es sich um den Lehrbuchfall opportunistischen Verhaltens in Form der Qualitätsunsicherheit. Das den Vertragskonditionen zu Grunde liegende Risiko entspricht nicht dem tatsächlichen, der Schuldnergesellschaft bekannten. Ähnlich hat der Bundesgerichtshof geurteilt, dass § 826 BGB einschlägig ist, wenn der Geschäftsführer risikoreiche Verträge abschließt und die Verträge so ausgestaltet sind, dass das Verlustrisiko bereits nach der internen Kalkulation der Geschäftsleitung allein oder überwiegend von den Gläubigern zu tragen ist348. Auch hier lässt sich der Gedanke identifizieren, dass Risiko bewusst unvergütet auf die Gesellschaftsgläubiger überwälzt wird. Allerdings bleibt die Rechtsprechung nicht bei dieser Sanktionierung bewusster Ausbeutung von Informationsdefiziten stehen. Im Einzelfall soll eine Verpflichtung der Geschäftsleitung zur Offenbarung der Vermögenslage bei Verhandlungen über 347 348

OLG Koblenz, Urt. v. 5. 11. 2004 – 5 U 875/04, AG 2005, 446 (447). BGH, Urt. v. 16. 3. 1992 – II ZR 152/91, ZIP 1992, 694 (695).

IX. Zivilrechtliche Evidenzhaftung (§ 826 BGB)

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Abschluss und Fortführung von Verträgen schon dann bestehen, wenn dem Vertragspartner unbekannte Umstände vorliegen, die ihm nach Treu und Glauben bekannt sein müssen, weil sein Verhalten bei Vertragsverhandlungen und die von ihm zu treffenden Entscheidungen davon wesentlich beeinträchtigt werden, so etwa wenn der Verhandelnde weiß oder wissen musste, dass er aufgrund Zahlungsunfähigkeit nicht in der Lage sein wird, die Verbindlichkeit zu befriedigen. So hat es das OLG Celle für eine Haftung des Geschäftsführers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung genügen lassen, dass dem Geschäftsführer bekannt ist, dass aufgrund einer außerordentlich negativen Geschäftsentwicklung die Begleichung der Verbindlichkeiten wahrscheinlich nicht möglich ist und er in Reaktion auf diesen Befund eine Aufklärung seines Gegenübers unterlässt349. Hier ist eine Tendenz zu erkennen, eine Einstandspflicht der Geschäftsleitung nicht erst bei Ausnutzen einer asymmetrischen Informationsverteilung anzunehmen, sondern bereits bei symmetrisch verteilter bloßer Unsicherheit. Zwar lässt sich dies notfalls mit der Überlegung rechtfertigen, dass es dem Geschäftsleiter wesentlich einfacher möglich gewesen wäre, die vertragswesentlichen Informationen zu erlangen. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass durch diese extensive Interpretation dem Geschäftsführer ein Großteil des technologischen Risikos aufgebürdet wird. Eine konsequente Orientierung an den überlegenen Informationsmöglichkeiten der Geschäftsleitung liefe im Ergebnis auf eine unbeschränkte Haftung der Geschäftsleitung hinaus. Eine solche Risikoverteilung wäre mit der Natur des Finanzierungskontrakts unvereinbar. Ignoriert würde damit sowohl, dass auch die Gläubiger einen Teil des unternehmerischen Risikos bewusst übernommen haben, als auch, dass die Gläubiger grundsätzlich gehalten sind, das technologische Risiko – zu dem man auch unbewusste Nachlässigkeiten wird zählen müssen – in den Kreditvertrag einzupreisen oder aber durch alternative Sicherungsmechanismen zu berücksichtigen. 3. Subjektives Element In subjektiver Hinsicht verlangt § 826 BGB Vorsatz, wobei dolus eventualis genügt350. Anders als im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung, wo das subjektive Element der einfachen Fahrlässigkeit praktisch in jedem Fall zu bejahen sein wird, ist es der Rechtsprechung unter Rekurs auf das Vorsatzerfordernis möglich, die Einstellung des Täters zur Tat zu berücksichtigen. Umgekehrt bereitet das Vorsatzerfordernis auch strukturelle Probleme, die die Wirksamkeit von § 826 BGB als Disziplinierungselement beeinträchtigen. Prozessual ist der Vorsatznachweis nur äußerst schwierig darzulegen und zu beweisen. Die Rechtsprechung versucht diesen Konflikt dadurch aufzulösen, indem der BGH faktisch Fallgruppen bzw. Beweisanzeichen erarbeitet, die den Instanzengerichten als Leitlinie dienen, wann von Vorsatz im Sinne des § 826 BGB auszugehen ist. 349 350

OLG Celle, Urt. v. 19. 11. 1993 – 4 U 46/91, GmbHR 1994, 467 (468). Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 304.

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§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung

Generell verlangt die Rechtsprechung, dass der Geschäftsführer die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken konnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat351. Regelmäßig wird dies dahingehend konkretisiert, dass der Geschäftsführer billigend in Kauf nimmt, dass die Gesellschaft die vertraglich übernommenen Verbindlichkeiten nicht werde erfüllen können352. Dies erscheint recht weitgehend, handelt es sich doch immerhin um eine beschränkt haftende Kapitalgesellschaft, so dass in der Krise der Gesellschaft ein Geschäftsführer eigentlich immer in Rechnung zu stellen hat, dass die Verbindlichkeiten gegebenenfalls nicht vollständig befriedigt werden können, wenn sich die Lage nicht zum Besseren wendet. Der BGH geht dennoch sogar darüber hinaus und lässt für „Vorsatz“ genügen, dass nachgewiesen wird, dass bei dem Täter ein solcher Grad an Leichtfertigkeit vorgelegen habe353, dass dieser eine Schädigung des anderen in Kauf genommen haben müsse und dass er vor den die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen die Augen verschlossen habe354. Vor dem Hintergrund, dass der BGH damit zumindest sprachlich den Anwendungsbereich des § 826 BGB sehr extensiv interpretiert, ist es zu begrüßen, dass er andererseits einen Verstoß gegen die guten Sitten etwa für den Fall verneint hat, dass der für die Stellung des Insolvenzantrags verantwortliche Geschäftsführer den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterlassen hat, weil er die Krise den Umständen nach für überwindbar hielt und daher Bemühungen um ihre Behebung durch eine erfolgreiche Sanierung als berechtigt ansehen durfte355. Gerechtfertigt wird diese Ausnahme u. a. durch die Überlegung, dass Sanierungsbemühungen überhaupt nur Aussicht auf Erfolg versprechen, wenn die Krise gerade nicht offenbart wird356. Zumindest das Ergebnis überzeugt, weil in dieser Situation weder opportunistisches Verhalten der Geschäftsleitung zu bejahen ist noch eine grobe, den üblichen Rahmen sprengende unternehmerische Fehlleistung vorliegt. Anderenfalls droht eine willkürlich weit nach vorne hinausschiebbare Haftung wegen Informationspflichtverletzung, die mindestens unter der lex lata systemwidrig ist. Folgt man der Rechtsprechung des II. Senats zur Ersatzfähigkeit des Kontrahierungsschadens, so vertraut der Rechtsverkehr nur darauf, dass die Geschäftsleitung bei Überschuldung oder Zahlungsunfä-

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BGH, Urt. v. 26. 6. 1989 – II ZR 289/99, BGHZ 108, 134 (143). OLG Koblenz, Urt. v. 5. 11. 2004 – 5 U 875/04, AG 2005, 446 (447); vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 304. 353 Die verwendeten Begrifflichkeiten sind insofern unstimmig, als Leichtfertigkeit das strafrechtliche Pendant zur groben Fahrlässigkeit darstellt. 354 BGH, Urt. v. 18. 3. 1993 – II ZR 255/92, NJW 1994, 197 (198); ähnlich OLG Celle, Urt. v. 19. 11. 1993 – 4 U 46/91, GmbHR 1994, 467 (468). 355 BGH, Urt. v. 26. 6. 1989 – II ZR 289/88, BGHZ 108, 134 (144); BGH, Urt. v. 1. 7. 1991 – II ZR 180/90, ZIP 1991, 1140 (1144). Vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 301. 356 OLG Koblenz, Urt. v. 5. 11. 2004 – 5 U 875/04, AG 2005, 446 (447); vgl. Meyke, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 302 f. 352

IX. Zivilrechtliche Evidenzhaftung (§ 826 BGB)

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higkeit Insolvenzantrag stellt, nicht aber darauf, dass sie jegliche wirtschaftlichen Probleme ohne Weiteres offenlegt. 4. Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen von § 826 BGB Insofern als auch § 826 BGB einen an der Differenzhypothese ausgerichteten Schadensersatzanspruch der betroffenen Gläubiger festschreibt, droht auch im Rahmen einer Evidenzhaftung die Zuweisung von windfall profits an die Gläubiger. Bedingte Abhilfe könnte auch hier der Rekurs auf § 254 BGB schaffen. Die Rechtsprechung verweigert dem in Anspruch Genommenen jedoch den Einwand fahrlässigen Mitverschuldens. Fahrlässiges Mitverschulden soll hinter vorsätzliches Handeln zurücktreten357. Diese dogmenhafte Einseitigkeit sieht sich Bedenken ausgesetzt. Wiederum wird der Geschäftsleitung das gesamte technologische Risiko aufgebürdet. Dies ließe sich grundsätzlich noch legitimieren unter Berücksichtigung, dass § 826 BGB sowohl Vorsatz als auch Sittenwidrigkeit voraussetzt. Hier mag man ein Bedürfnis für ein pönales Element erkennen. Durch die zunehmend geringer werdenden Anforderungen an das subjektive Element sowie die Ausfüllung der Sittenwidrigkeit durch gesellschaftsrechtliche Wertungen (Kapitalschutz etc.) erscheint es jedoch unberechtigt, im Rahmen von § 826 BGB generell von derartigen, ein zusätzliches pönales Element erfordernden Verstößen auszugehen. Gerade dann, wenn man versucht, § 826 BGB tatbestandlich einen größeren Anwendungsbereich zu verschaffen, müssen die existenten Begrenzungsmöglichkeiten gleichfalls konsequent genutzt werden. Darüber hinaus erscheint es mit Blick auf die sekundären Kosten vorzugswürdig, die Kürzung etwaiger Ansprüche der Gläubiger nicht vom Grade des Verschuldens des Geschäftsleiters abhängig zu machen, sondern vielmehr vom Grade ihres eigenen Verschuldens. Hier wäre dann der korrekte Ort zur Berücksichtigung der Schwere des Verstoßes der Geschäftsleiter. Spiegelt dieser etwa dem Gläubiger glaubwürdig eine bestimmte Sachlage vor, so wird man im Einzelfall den Mitverschuldensvorwurf nicht erheben können. Eine alternative Lösung, die sowohl das gesteigerte Verhaltensunrecht der Geschäftsleitung als auch unterlassenen Selbstschutz berücksichtigen würde, wäre eine Kombination von Kriminalstrafe und Haftung wie sie das englische Recht mit sec. 213 IA kennt358. Nachlässigkeit der Gläubiger würde dann zwar im Rahmen des Mitverschuldens die Haftung nach § 826 BGB begrenzen, dies würde jedoch dadurch ausgeglichen, dass ihn gleichzeitig eine Kriminalstrafe treffen würde359.

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BGH, Urt. v. 1. 7. 1991 – II ZR 180/90, ZIP 1991, 1140 (1145). Vg. Farrar, JBL 1980, 336 (336 ff.). 359 Im Falle der Haftung wegen fraudulent trading, die im Grundsatz wie die Haftung wegen wrongful trading primär kompensatorisch ist, kommt der Strafbarkeit Bedeutung als punitives Element für geeignete Fälle zu. Vgl. Farrar, JBL 1980, 336 (337). 358

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§ 8 Substitute und Komplemente einer Krisenhaftung der Geschäftsleitung

5. Fazit De lege lata kann § 826 BGB als adäquate Reaktion auf im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung nicht fassbare opportunistische Handlungen der Organe einer Kapitalgesellschaft angesehen werden. Dies muss gerade für Altgläubiger gelten, die durch ein wirtschaftlich nicht vertretbares Handeln der Geschäftsleitung geschädigt werden, aber im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung nur auf eine kaum bestimmbare und umfangmäßig begrenzte Befriedigung hoffen können. Auch erlaubt der Rückgriff auf § 826 BGB eine direkte Inanspruchnahme der Gesellschafter360. Andererseits ist eine Haftung gemäß § 826 BGB mit allen Unwägbarkeiten behaftet, die jeder Billigkeitsnorm zu Eigen sind361. Wenn die Rechtsprechung dem durch Fallgruppenbildung entgegenzusteuern sucht, mindert dies die Rechtsunsicherheit nur bedingt362, da ständig die Gefahr der Entwicklung einer neuen Fallgruppe im Raume steht. Auch kann das Zusammenspiel von § 826 BGB und § 15a Abs. 1 InsO nicht als äquivalentes Substitut zu den Regelungen des Insolvency Act bzw. des Code de Commerce angesehen werden363. Der Rückgriff auf § 826 BGB ermöglicht zwar die Erfassung opportunistischen Verhaltens, das unter ausschließlicher Geltung des § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB unsanktioniert bliebe. Anderseits wird der zu extensive Anwendungsbereich des § 15a Abs. 1 InsO in keiner Weise korrigiert. Es kommt zu einer Kumulation von Haftungsrisiken in der Person des Geschäftsführers, wodurch zu einem nicht unerheblichen Teil das technologische Risiko der Unternehmung auf diesen verlagert wird.

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Vgl. Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 89. Aus diesem Grunde gegenüber der Neuverortung der Existenzvernichtungshaftung in § 826 BGB kritisch Lieder, DZWiR 2008, 145 (147). 362 A.A. Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 90 f. 363 A.A. wiederum Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, E 39 f. 361

§ 9 Ergebnis Nur wenige Fragestellungen haben Rechtsprechung und Wissenschaft so intensiv beschäftigt wie die nach der des angemessenen Gläubigerschutzes im Kapitalgesellschaftsrecht. Trotz eines mittlerweile beeindruckenden Instrumentenkastens und einer kaum mehr beherrschbaren Stofffülle wird man dennoch zu konstatieren haben, dass nach wie vor erhebliche Unsicherheit bzw. Unzufriedenheit dahingehend herrscht, ob mit der lex lata das „richtige“ Maß an Gläubigerschutz verwirklicht ist. Beschränkte Haftung und Gläubigerschutz sind nach zahlreichen Stimmen nach wie vor nicht ausreichend miteinander versöhnt. Das Meinungsbild fällt dabei durchaus differenziert aus: während einerseits mit Blick auf die weiterhin geringen Insolvenzquoten, die ein einfacher Insolvenzgläubiger im Ernstfall zu realisieren vermag, einer Ausweitung und Effektuierung staatlichen Gläubigerschutzes das Wort geredet wird, gehen andere, in der jüngeren Vergangenheit lauter werdende Stimmen davon aus, dass bereits die lex lata weit über das Ziel hinausschießt und deshalb ein Rückbau des staatlichen Gläubigerschutzregimes angezeigt sei. Die Auseinandersetzung um das angemessene bzw. gesamtgesellschaftlich „richtige“ Gläubigerschutzniveau krankt ersichtlich daran, dass es den Rechtswissenschaften an einem Optimalitätskriterium mangelt, anhand dessen die gesamtwirtschaftlichen Effekte konkurrierender Konzepte gemessen werden könnten. Sucht man vor diesem Hintergrund in verwandten Disziplinen nach einem Optimalitätsmaßstab, wird man in der Nationalökonomie fündig. Dort steht mit dem der Lausanner Schule entlehnten Kriterium der Effizienz ein Maßstab zur Verfügung, der nicht nur qualitative, sondern auch quantitative Aussagen erlaubt. Auch wenn sich das Effizienzkriterium als Schöpfung des Utilitarismus seinerseits einer Reihe nicht gänzlich unberechtigter Einwände ausgesetzt sieht, wird man ihm dennoch eine gewisse inhärente Logik nicht absprechen können. Lässt sich durch eine Umverteilung von Rechten und Pflichten mindestens eine Person besser stellen, ohne gleichzeitig andere Personen schlechter zu stellen, sollte die Beweislast bei demjenigen liegen, der diese Änderung ablehnt. Mindestens als erste Annäherung an die volkswirtschaftlichen Gesamteffekte des Instituts der beschränkten Haftung erscheint das Effizienzkriterium deshalb gut geeignet. Überantwortet man das Zusammenspiel von Beschränkter Haftung und Gläubigerschutz einer Analyse nach Maßgabe des Effizienzkriteriums, kann zu optimierende Zielgröße nicht die Minimierung der Forderungsausfälle der Gläubigergesamtheit sein. Anderenfalls droht der Zirkelschluss, dass effiziente Gläubigerschutzregel die unbeschränkte Haftung sei. Vielmehr sind in einem Dreischritt zunächst Vor- und Nachteile der Haftungsbeschränkung auf den Verband zu identifi-

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§ 9 Ergebnis

zieren, sodann zu evaluieren, inwieweit bereits das reine Marktergebnis ausreichenden Schutz gegen eventuelle Fehleffekte gewährt, um schließlich normativ zu überprüfen, ob ein Eingreifen des Gesetzgebers eine Pareto- oder Hicks-KaldorVerbesserung zu ermöglichen in der Lage ist. Ausgangspunkt zur Beurteilung der ökonomischen Legitimität staatlicher Eingriffe in die Rechtsbeziehungen zwischen beschränkt haftender Schuldnergesellschaft und ihren Gläubigern muss deshalb der Befund sein, dass die Haftungsbeschränkung ihre Existenzberechtigung nicht staatlicher Willkür, historischer Tradition oder der Entrichtung eines Preises verdankt, sondern aus funktionalen Gründen in sich selbst legitimiert ist. Die Beschränkung der Haftung auf das Vermögen des Verbandes setzt u. a. Anreize zu volkswirtschaftlich erwünschten Investitionen, senkt Kontrollkosten, sichert die kapitalmarkttheoretisch bedeutsame Fungibilität der Anteile und ermöglicht Risikodiversifizierung und Spezialisierung. Beschränkte Haftung ist gewollt, nicht geduldet! Im Grundsatz werden diese positiven Wohlfahrtseffekte nicht auf Kosten der Gläubiger realisiert. Zwar ist die Zulassung der beschränkten Haftung mit einem strukturell höheren Ausfallrisiko der Gläubiger verbunden, weil als Befriedigungsobjekt allein das Gesellschaftsvermögen, nicht auch ein eventuell daneben vorhandenes Privatvermögen der Gesellschafter zur Verfügung steht. Dieser Befund darf allerdings nicht dahingehend missverstanden werden, dass sich Eigenkapitalgeber durch das Institut der beschränkten Haftung von einem Teil des unternehmerischen Risikos freizeichnen und dieses auf die Gläubiger überwälzen könnten. Einerseits nehmen auch Gläubiger – nicht anders als Gesellschafter – bewusst am Risiko der Unsicherheit zukünftiger Einzahlungsüberschüsse aus der unternehmerischen Betätigung der Schuldnergesellschaft teil; Sicherheit bzgl. einer vollständigen Befriedigung von Kreditvolumen zzgl. Kupon ist somit entgegen verbreiteter Ansicht im rechtswissenschaftlichen Schrifttum mitnichten implizite Voraussetzung eines Fremdkapitalkontrakts. Andererseits besteht für Gläubiger die Möglichkeit, sich das strukturell höhere Ausfallrisiko, das mit dem Institut der beschränkten Haftung verbunden ist, vergüten zu lassen. Im einfachsten Fall korrespondiert dem strukturell höheren Ausfallrisiko ein höherer Zins. Alternativ stehen insbesondere die Hereinnahme von Sicherheiten und die auch in der Bundesrepublik üblich werdende Vereinbarung von Covenants als Instrumente zu Verfügung, um das Ausfallrisiko zu reduzieren. Nicht zuletzt bleibt es potenziellen Gläubigern, die selbst bei Vereinbarung solcher Kautelen nicht bereit sind, in eine Geschäftsbeziehung mit einer Beschränkthafterin zu treten, unbenommen, auf deren Begründung zur Gänze zu verzichten. Fallen unter diesen Bedingungen Gläubiger in der Insolvenz der Gesellschaft aus, besteht kein Handlungsbedarf. Wer beim Roulette auf Zahl setzt, kann sich nicht ex post auf das im Vergleich zu Farbe ungleich höhere Ausfallrisiko berufen. Gleichzeitig lassen sich drei Phänomene identifizieren, die diesen Befund zumindest in seiner Allgemeingültigkeit relativieren: Zunächst sind reale Märkte durch

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Existenz von Transaktionskosten und Informationsasymmetrien gekennzeichnet mit der Konsequenz, dass die zwischen einer Beschränkthafterin und ihren Gläubigern abgeschlossenen Finanzierungskontrakte notwendig unvollständig sind und deshalb die Präferenzen der Akteure gegebenenfalls nur unzureichend abbilden. Die empirischen und rechtspolitischen Implikationen dieses Befundes sind allerdings wenig eindeutig. Weitgehend unstreitig ist, dass in einer ersten Annäherung zwischen freiwilligen und unfreiwilligen Gläubigern bzw. anpassungsfähigen und nicht anpassungsfähigen Gläubigern unterschieden werden muss, wobei die Grenze zwischen beiden Gruppen grob anhand des Kriteriums erfolgt, ob ihre Mitglieder theoretisch und praktisch in der Lage sind, das besondere Risiko der beschränkten Haftung nährungsweise exakt zu kalkulieren und zum Gegenstand des Geschäftskontraktes zu machen. Insbesondere Finanzgläubigern – d. h. auch und vor allem der jeweiligen Hausbank – wird man die entsprechende Befähigung attestieren dürfen. Jenseits dieser Feststellung ist vieles unklar. Das gilt nicht zuletzt auch für die Antwort auf die zentrale Frage, zu wessen Gunsten – Schuldnergesellschaft oder ihrer Gläubiger – sich die beschriebene Unvollständigkeit realer Verträge rechtspraktisch auswirkt. Auf einen ersten Blick legt das Informationsgefälle zwischen Schuldnergesellschaft und ihren Gläubigern nahe, dass erstere ihren Wissensvorsprung zu Lasten ihrer Kreditgeber ausnutzen vermag. Zweifel hieran wecken allerdings empirische Ergebnisse, etwa dass Lieferantenkredite durchgehend ein überraschend hohes Durchschnittszinsniveau aufweisen. Die Beantwortung dieser grundlegenden Fragestellung wird zusätzlich dadurch erschwert, dass bestimmten Gläubigergruppen auch außerhalb des Gesellschaftsrechts besonderer Schutz zuerkannt wird – paradigmatisch hierfür steht das Instrument des Insolvenzgelds. Der Blickwinkel darf also nicht auf das Gesellschaftsrecht verkürzt werden. Gegenwärtig wird man zu konstatieren haben, dass noch nicht abschließend geklärt ist, ob die (vermeintlich) schwachen Gläubigergruppen tatsächlich einer Unterstützung durch den Staat bedürfen. Selbst wenn man dies – auf Basis hinreichend valider empirischer Ergebnisse – zu bejahen hätte, würde sich die Folgefrage stellen, ob tatsächlich das Gesellschaftsrecht der richtige Standort für die gebotene Berücksichtigung dieser Sonderinteressen ist oder aber – etwa nach dem Vorbild des Insolvenzgelds – möglicherweise andere Rechtsgebiete diese Aufgabe besser zu erfüllen geeignet sind. Eine separate Lösung könnte zumindest für sich reklamieren, die Kohärenz des Gesellschaftsrechts weitestgehend zu schonen und zielgenauer die unterschiedliche Schutzbedürftigkeit der einzelnen Gläubigergruppe zu adressieren. Völlig anders fällt der Befund für die Gruppe der (echten) unfreiwilligen Gläubiger aus, also solcher Gläubiger, die sich nicht im Rahmen einer Markttransaktion mit der Gesellschaft verbunden haben, sondern deren Ansprüche vor allem auf deliktischer Grundlage, gegebenenfalls auch auf Eingriffskondiktion beruhen. Für diese Gruppe besteht ex definitione keine Möglichkeit, die aus der beschränkten Haftung resultierenden besonderen Risiken in einem Finanzierungskontrakt aufzufangen. Erleiden diese Gläubiger in der Insolvenz einer beschränkt haftenden Gemeinschuldnerin Ausfälle, die sie in einem Regime unbeschränkter Haftung nicht zu

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§ 9 Ergebnis

tragen hätten, handelt es sich um einen echten negativen externen Effekt, der nach Möglichkeit zu korrigieren ist. Unter Effizienzgesichtspunkten besonders schwerwiegend ist schließlich der weitergehende Befund, dass das Institut der beschränkten Haftung in der Krise der Kapitalgesellschaft, hier verstanden als Zustand erheblich gesteigerter Insolvenzwahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit, Fehlanreize auf Seiten der Gesellschafter und Geschäftsführer zu ineffizienten, also gesamtwirtschaftlich unerwünschten Verhaltensweisen provoziert. Unter der doppelten Voraussetzung, dass das Gesellschaftsvermögen weitgehend verwirtschaftet ist, und die Unternehmung auch keine positive Fortführungsprognose besitzt, befördert die Haftungsbeschränkung irrationales Verhalten auf Seiten der Gesellschafter und Geschäftsführer: Im Einzelnen haben Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft und ihnen verpflichtete Fremdorgane gerade in einer existenziellen Krise einen Anreiz, im Gesellschaftsvermögen verbliebene Vermögensgegenstände in ihr Privatvermögen zu überführen, um sie dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger zu entziehen (asset withdrawal). Weiter besitzen sie bei hinreichend ungünstiger Fortführungsprognose Anreize, riskante Investitionsprojekte, im Extremfall solche mit negativem Erwartungswert zu wählen, und zwar selbst dann, wenn alternative Investitionsmöglichkeiten mit einem positiven Erwartungswert existieren (Überinvestition). Umgekehrt kann die starke Verschuldung einer Beschränkthafterin deren Entscheidungsträger veranlassen, die Durchführung objektiv aussichtsreicher Investitionsprojekte zu unterlassen, da deren erwartete Erträge ausschließlich den Gesellschaftsgläubigern zu Gute kommen und ihre Realisierung damit für Gesellschafter und Geschäftsführer nur mit Kosten, nicht aber Nutzen verbunden wäre (Unterinvestition). Schließlich kann das Wissen der Entscheidungsträger um ihre begrenzte Einstandspflicht diese veranlassen, die Fremdkapitalquote auf ein unvernünftiges Maß zu erhöhen, etwa um eventuell für eine Überinvestitionsstrategie benötigte liquide Mittel zu generieren (claim dilution). In Abgrenzung zu dem mit der Haftungsbeschränkung generell verbundenen strukturell höheren Ausfallrisiko, das potenziellen Gläubigern durch das Firmenrecht offengelegt wird, sind die Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger gegen die beschriebenen Formen opportunistischen Verhaltens begrenzt. Da es sich bei asset withdrawal, Überinvestition, Unterinvestition und claim dilution jeweils um dem eigentlichen Vertragsschluss nachfolgendes Fehlverhalten handelt, kann es in den Vertragsbedingungen nur unzureichend abgebildet werden. Insbesondere der außerhalb der Krise wirksame Reputationsmechanismus bietet nur bedingt Abhilfe: einerseits existieren Formen opportunistischen Verhaltens, die nicht identifizierbar sind (moral hazard) und deshalb nicht sanktioniert werden können, andererseits ist die Krise spieltheoretisch durch ihren Endspiel- bzw. Last-period-Charakter gekennzeichnet mit der Folge, dass Geschäftsleitung und Gesellschafter eventuelle negative Rückwirkungen opportunistischen Verhaltens auf nachfolgende Verhandlungsrunden ausblenden können oder doch zumindest weniger stark gewichten müssen. Gläubigern verbleibt damit in der Theorie allenfalls die Möglichkeit, in

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Rechnung zu stellen, dass sich Schuldnergesellschaften mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit opportunistisch verhalten werden und dementsprechend generell eine Risikoprämie für diese zusätzliche latente Gefahr einzufordern. Allerdings wäre ein dahingehendes Vorgehen sowohl für den Einzelgläubiger als auch die Gesamtwirtschaft mit sämtlichen Risiken der Gleichbehandlung von Schuldnern ungleicher Bonität verbunden, die im Extremfall die Qualität des Kreditmarktes zu verwässern geeignet sind (adverse Selektion). Nicht zuletzt ist festzuhalten, dass selbst eine genaue Eskomptierung des Opportunismusrisikos keine gesamtwirtschaftlich effiziente Lösung wäre. Die beschriebenen Agenturkosten des Fremdkapitals in Gestalt von asset withdrawal, Überinvestition, Unterinvestition und Verwässerung sind maßgeblich der Rechtsschöpfung der beschränkten Haftung geschuldet und deshalb auf einem vollständigen Markt nicht zu beobachten. Resultat sind unmittelbare Wohlfahrtsverluste durch das objektiv unwirtschaftliche Handeln der Entscheidungsträger sowie mittelbar ein im Vergleich mit einem vollständigen Markt durchgängig höheres Zinsniveau, mit dem sich die Gläubiger gegen dieses zusätzliche Risiko absichern und das im Ergebnis dazu führt, dass sich der gesamtwirtschaftliche Break-Even-Zinssatz negativ verschiebt. Mit Blick auf die Frage des gesamtgesellschaftlich optimalen Gläubigerschutzniveaus ist somit zweierlei festzuhalten: bezüglich des mit der Haftungsbeschränkung verbundenen strukturell höheren Ausfallrisikos besteht zumindest kein dringendes Bedürfnis, Gläubigern mit den Instrumenten des Rechts zur Hilfe zu eilen; eine Ausnahme gilt allein für das bisher nicht befriedigend gelöste Sonderproblem der unfreiwilligen Gläubiger. Virulente Risiken für Gläubiger und Gesamtwohlfahrt, denen marktmäßige Disziplinierungsinstrumente nur höchst unzureichend Einhalt zu gebieten vermögen, bergen demgegenüber die Agenturkosten des Eigenkapitals. Letzterer Befund induziert ein Bedürfnis nach ergänzendem gesetzlichem Gläubigerschutz, der einerseits in der Lage ist, die legitimen Belange von Gesellschaftern und Geschäftsführern zu schützen, andererseits aber opportunistischem Verhalten einen wirksamen Riegel vorschiebt. Englisches, französisches und deutsches Recht stellen mit action en responsabilité pour l’insuffisance d’actif, wrongful trading und Insolvenzverschleppungshaftung Instrumente zur Verfügung, die jeweils mehr oder weniger ausdrücklich mit dem Anspruch antreten, die dargestellten spezifischen Gefahren einer in die Krise geratenen Kapitalgesellschaft zu adressieren. Anders als in jüngerer Zeit verstärkt behauptet, tun sie dies jedoch auf unterschiedlichen Wegen. Insolvenzverschleppungshaftung, wrongful trading und action en comblement unterscheiden sich sowohl strukturell als auch in ihren konkreten Voraussetzungen und Rechtsfolgen, was nicht ohne Einfluss auf ihre rechtsökonomische Würdigung bleibt. Das deutsche Recht in seiner maßgeblich durch die Rechtsprechung des II. Senats geprägten Ausformung erhebt die Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu der Kardinalpflicht in der Krise der Kapitalgesellschaft. Wird diese verletzt, haften die Geschäftsführer für alle weiteren Vermögensschädigungen

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persönlich. Eine Vertretbarkeitsprüfung der nach Insolvenzreife veranlassten Maßnahmen findet allein in dem überaus knapp bemessenen, maximal dreiwöchigen Zeitfenster der Sanierungsfrist statt und ist zusätzlich daran geknüpft, dass eine objektiv gerechtfertigte Sanierungschance vorliegt. Die Insolvenzverschleppungshaftung stellt sich damit in weiten Teilen als Erfolgshaftung für Vermögensschmälerungen nach Erreichen des haftungsauslösenden Zeitpunkts dar1, wodurch gleichzeitig die Geschäftsleitung de facto zum Garanten des wirtschaftlichen Erfolgs der insolventen Gesellschaft wird. Nicht allein opportunistisches Verhalten wirkt haftungsbegründend, sondern auch wirtschaftlich vertretbare Entscheidungen, so dass auch das allgemeine Risiko unternehmerischer Betätigung, das technologische Risiko, das eigentlich von Gesellschaftern und Gläubigern zu tragen ist, in Teilen auf die Geschäftsleitung übergeleitet wird. Das traditionelle deutsche Verständnis der Insolvenzantragspflicht als der Kardinalpflicht in der Krise und die daraus gezogene Schlussfolgerung, die Geschäftsleitung für nach diesem Zeitpunkt zu beobachtende Vermögensschmälerungen umfassend zur Verantwortung zu ziehen, setzt sich auf der Rechtsfolgenseite fort. So ist zunächst der der Insolvenzverschleppungshaftung immanente Rückgriff auf die allgemeine schadensrechtliche Differenzhypothese nicht in der Lage, zu erfassen, dass das Risiko des Forderungsausfalls impliziter Bestandteil jedes Kreditvertrages ist, dieses Risiko über den Zins vergütet worden ist und Gläubiger folglich mitnichten einen Schaden in Höhe ihres Forderungsausfalls realisieren. Der bereits für die Tatbestandsseite zu konstatierende Befund, dass die deutsche Krisengeschäftsleiterhaftung das technologische Risiko der Unternehmensfortführung nach Insolvenzreife in nicht unwesentlichen Teilen auf die Geschäftsleitung überträgt, spiegelt sich insbesondere auch in der Entscheidung von Rechtsprechung und h.L., Neugläubiger nicht auf den Quotenschaden zu verweisen, sondern ihnen ihren gesamten Kontrahierungsschaden zuzugestehen. Dass es sich bei den Neugläubigern gerade um die Gläubigergruppe handelt, die ganz offensichtlich durch besonders nachlässiges Screening aufgefallen ist, bleibt dabei ausgeblendet. Einzige Ausnahme von dieser weitgehenden Einstandspflicht der Geschäftsleitung ist die Versagung des negativen Interesses gesetzlicher Gläubiger – unter rechtsökonomischen Auspizien ein widersinniges Ergebnis. In der Gesamtschau wird man festhalten müssen, dass Rechtsprechung und h.L. die Geschäftsleitung ab Überschreiten der Nulllinie zwischen bloßer Unterbilanz und Überschuldung zum Garanten der erfolgreichen Geschäftsfortführung erklären. Der Verdacht, dass den Gesellschaftsgläubigern, die mit ihren Ansprüchen aus § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a Abs. 1 InsO n.F. i.V.m. § 823 1 Die Gefahr, dass ein haftungsbewehrtes Fortführungsverbot auf eine Erfolgshaftung der Geschäftsleitung hinausläuft, sehend und deshalb ein solches ablehnend Vice-Chancellor (jetzt: Chancellor) Strine in Trenwick America it. v. Ernst & Young, Del. Ch. 906 A.2d 168 (2006) 169 f.: „If the board of an insolvent corporation, acting with due diligence and good faith, pursues a business strategy, that it believes will increase the corporation’s value, but that also involves the incurrence of additional debt, it does not become a guarantor of that strategy’s success […]“.

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Abs. 2 BGB reüssieren, ein windfall profit zugesprochen wird, liegt auf der Hand. Gleichzeitig erscheint die Insolvenzverschleppungshaftung auch konstruktiv bedenklich. Die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen greift nur solange, wie das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Gesamtverbindlichkeiten ausreicht. Wird diese Grenze überschritten, greift die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung verbunden mit einer nachfolgenden persönlichen Haftung der Geschäftsleitung für praktisch sämtliche Vermögenseinbußen. Das Institut der beschränkten Haftung wird damit in der Sache nivelliert, da zwar nicht die Gesellschafter, wohl aber die Geschäftsführer für jede Masseinsuffizienz einzustehen haben. Dass sich diese weitgehende Aushöhlung des Prinzips der Beschränkten Haftung in der Forensik weniger stark als erwartet niederschlägt, ist vor allem den Schwierigkeiten der prozessualen Durchsetzung der Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO geschuldet und kann damit nicht als Verdienst des nach hier vertretener Ansicht fragwürdigen Konzepts der Insolvenzverschleppungshaftung bezeichnet werden. Gleichzeitig steht diesen Übertreibungen auf der anderen Seite der Befund gegenüber, dass die Insolvenzverschleppungshaftung häufig zu spät auslöst. Durch die Anknüpfung an das Erreichen materieller Insolvenzreife werden zahlreiche Verhaltensweisen nicht erfasst, die überaus riskant sind und die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft nachhaltig beeinträchtigen, aber vor dem Zeitpunkt der Überschuldung durchgeführt werden. Will man daraus resultierende Haftungsfreiräume schließen, ist man genötigt, auf die Allzweckwaffe des § 826 BGB zurückzugreifen, was gleichfalls konzeptionell und praktisch wenig überzeugend erscheint, da ein massiver Einsatz der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung erhebliche Rechtsunsicherheit befördert. Einen vom deutschen Recht verschiedenen Weg geht das englische Recht. Trotz des teilweise behaupteten gegenläufigen Befundes statuiert sec. 214 IAweder de iure noch de facto eine Insolvenzantragspflicht oder ein inhaltsgleiches Fortführungsverbot verbunden mit einer persönlichen Haftung der Geschäftsleitung für den Fall der Zuwiderhandlung. Das englische Recht unternimmt vielmehr den Versuch, in einem ersten Schritt den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem die Konstruktion der beschränkten Haftung die virulente Gefahr begründet, dass ausstehende Positionen der Gläubiger durch Überinvestition, Unterinvestition und Verwässerung beeinträchtigt werden, um sodann für den Zeitraum ab Überschreiten dieser Markscheide ein verschärftes Pflichtenprogramm einzufordern. Den maßgeblichen Zeitpunkt umschreibt das englische Recht dabei als den Moment, in dem ein Geschäftsleiter bei Anwendung der gebührenden Sorgfalt erkennt oder erkennen muss, dass keine vernünftige Aussicht mehr besteht, die insolvenzbedingte Liquidation zu vermeiden. Die mangelnde Präzision dieses Tatbestandsmerkmals hat insbesondere in der deutschen Rechtsvergleichung wiederholt die Frage aufgeworfen, wie sich dieser „moment of truth“ zur materiellen Insolvenzreife des deutschen Rechts verhält. Theoretisch liegt dieser Zeitpunkt vor dem

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Eintritt materieller Insolvenzreife, da das englische Recht nach hier vertretener Ansicht auf den Zeitpunkt abstellt, in dem sich abzeichnet, dass die Unternehmung – rebus sic stantibus – auf Dauer nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann. Nach Wiedereinführung der rechtlichen Überschuldung wird man den durch sec. 214 IA umschriebenen Zeitpunkt wohl am ehesten dem Zeitpunkt gleichsetzen können, in dem die Fortführungsprognose i.S.v. § 19 InsO erstmalig negativ ausfällt, womit er gleichzeitig vor der Überschuldung im Rechtssinne liegt, da das deutsche Recht kumulativ das Vorliegen einer rechnerischen Überschuldung verlangt. Gleichzeitig ist aber auch zu konstatieren, dass die Rechtsprechung von den damit eingeräumten Spielräumen kaum bzw. keinen Gebrauch macht. Regelmäßig stellt die englische Spruchpraxis auf weit später liegende Zeitpunkte ab, in denen die Gesellschaft bereits seit geraumer Zeit (rechnerisch) überschuldet und auch zahlungsunfähig ist. Dieses Ergebnis ist allerdings weniger der Konstruktion von sec. 214 IA geschuldet, als vielmehr der weit größeren Bereitschaft der englischen Spruchpraxis, Sanierungshandlungen auch unter widrigen Bedingungen noch als legitim anzusehen und der deutlich größeren Zurückhaltung bei der Formulierung von Selbstinformationspflichten der Geschäftsleitung über die finanzwirtschaftliche Verfassung der Gesellschaft. Wesentlicher konstruktiver Unterschied im Vergleich zur deutschen Insolvenzverschleppungshaftung auf Tatbestandsseite ist, dass wrongful trading keine Erfolgshaftung für die erfolglose Fortsetzung der Geschäftstätigkeit nach Überschreiten des kritischen Zeitpunkts statuiert, sondern ein besonderes und verschärftes Pflichtenprogramm der Geschäftsleitung. Nach Erreichen des moment oft truth müssen die Handlungen der Geschäftsleitung nicht nur einer am Gesellschafts- bzw. Gesellschafterinteresse ausgerichteten Vertretbarkeitskontrolle genügen, sondern auch mit legitimen Belangen der Gläubiger zu vereinbaren sein. Der Unsicherheit unternehmerischer Entscheidungen trägt die englische Spruchpraxis, die kein der business judgment rule vergleichbares Instrument eines ausdrücklichen judicial self restraint entwickelt hat, dabei durch eine deutschen Beobachtern bisweilen allzu großzügig erscheinende Berücksichtigung subjektiver Elemente Rechnung. Im Vergleich zur deutschen Insolvenzverschleppungshaftung kann die englische Haftungsregel damit trennschärfer zwischen gesamtwirtschaftlich nicht zu beanstandenden Maßnahmen und opportunistischem Verhalten der Geschäftsleitung differenzieren. Dieser strukturelle Ansatz des englischen Rechts, den Geschäftsleiter nicht ohne weiteres zum Garanten möglichst vollständiger Gläubigerbefriedigung zu erklären, spiegelt sich auch auf der Rechtsfolgenseite. Ein Verstoß gegen sec. 214 IA begründet keine am Prinzip der Totalreparation orientierte Schadensersatzhaftung nach deutschem Vorbild. Vielmehr überantwortet das englische Recht die Höhe der Einstandspflicht der Geschäftsleitung dem Ermessen des Tatgerichts. Bei der Ausübung dieses Ermessens orientieren sich die Gerichte an der Masseschmälerung, bleiben hierbei aber nicht stehen. Da das englische Recht den eigentlichen Vorwurf nicht in der Fortführung der Geschäftstätigkeit über einen bestimmten kritischen

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Zeitpunkt hinaus sieht, sind die englischen Spruchkörper nicht genötigt, jede dem moment of truth zeitlich nachfolgende Vermögensschmälerung haftungsrechtlich der Verantwortung der Geschäftsleitung zuzuordnen. Vielmehr wird auch auf der Rechtsfolgenseite danach differenziert, inwieweit die weitere Verschlechterung der Unternehmensfinanzen auf Verstöße gegen die besonderen Krisenpflichten zurückzuführen ist. Insgesamt erscheint sec. 214 IA konstruktiv ausgewogener als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung. Das nicht überzeugende Ergebnis einer beschränkten Haftung der Gesellschafter mit gleichzeitig weitgehender unbeschränkter Garantiehaftung der Geschäftsführer wird vermieden. Gesellschafter und Geschäftsführer dürfen die Haftungsbeschränkung grundsätzlich legitimer Weise reklamieren, es sei denn, sie nutzen diese bewusst oder grob fahrlässig zum Nachteil ihrer Gläubiger aus. Weniger günstig muss der Befund ausfallen, soweit die praktische Wirkmächtigkeit von sec. 214 IA in Rede steht. In den nunmehr fast dreißig Jahren seit seiner Einführung hat es bisher kaum mehr als eine Handvoll Klagen gegeben. Die Gründe hierfür sind differenziert zu beurteilen: wohl ins Reich der Legende zu verweisen ist die von Befürwortern häufig artikulierte Behauptung, die präventive Wirkung der Regel sei so umfänglich, dass Verstöße faktisch nicht mehr vorkämen. Vielmehr wird man wrongful trading bisher mangelnde forensische Effektivität zu attestieren haben, zu der sicherlich die tatbestandlichen Unbestimmtheiten das Ihre leisten, deren eigentliche Ursache man aber vor allem darin zu sehen haben wird, dass englische Gerichte höchste Zurückhaltung bei der Beurteilung von Geschäftsleiterhandeln walten lassen, sowie in einem überaus ungünstigen Kostenrecht, das den ausschließlich zuständigen Insolvenzverwalter – zumindest bisher – in zahlreichen Fällen davon abgehalten haben dürfte, auch aussichtsreiche Sachverhalte vor die Gerichte zu bringen. Einen dem englischen Recht strukturell vergleichbaren, in den Details jedoch stark abweichenden Weg zur Disziplinierung der Geschäftsleitung in der Krise der Kapitalgesellschaft geht schließlich die Wiederauffüllungsklage des französischen Rechts. Parallel zum englischen Recht wird ein Geschäftsleiter nicht ab Erreichen eines bestimmten kritischen Zeitpunkts im Leben der Schuldnergesellschaft allgemein zum Garanten weitgehender Gläubigerbefriedigung erklärt, sondern nur dann zu einem Beitrag zu den Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin herangezogen, wenn eine Vertretbarkeitskontrolle seines Handelns einen Pflichtverstoß (faute de gestion) offenbart. Augenfälligster Unterschied sowohl zu wrongful trading als auch Insolvenzverschleppungshaftung ist der vollständige Verzicht auf die Bestimmung eines kritischen Zeitpunkts im Leben der Gesellschaft, ab dem dieses besondere Pflichtenprogramm eingefordert wird. Die damit verbundenen Vorteile der Regelung sind evident, berücksichtigt man die Defizite von Insolvenzverschleppungshaftung und wrongful trading. Ein haftungsfreies Zeitfenster für spekulative Investitionsvorhaben wird nicht eröffnet. Gleichzeitig wird die prozessuale Durchsetzung der Haftung wesentlich erleichtert, weil klagende Insolvenzverwalter und Gläubiger von den kaum zu meisternden Anforderungen, den haftungsauslösenden Zeitpunkt zu

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bestimmen, entlastet werden. Im Ergebnis kommt die action en comblement du passif damit den Ansätzen nahe, die unter Aufgabe der constituency- bzw. Unternehmensinteresse-Debatte eine allgemeine, zeitpunktunabhängige Pflicht zur Maximierung des Nettogegenwartswerts der Gesellschaft befürworten. Da die Wiederauffüllungsklage damit gleichzeitig in die Nähe einer allgemeinen Geschäftsleiterhaftung rückt, ist es allerdings überaus problematisch, dass das französische Recht auf Tatbestandsseite praktisch vollständig auf korrigierende Elemente verzichtet. Weder anerkennt das französische Recht die Notwendigkeit eines haftungsfreien business judgment oder eines vergleichbaren judicial self restraint noch erfahren subjektive Elemente eine besondere Gewichtung, um der Unsicherheit unternehmerischer Entscheidungen Rechnung zu tragen. Es bleibt vielmehr bei der klassischen Trias des droit commun von faute, dommage und causalité. Auch das Tatbestandsmerkmal des Geschäftsleitungsfehlers (faute de gestion) vermag die Aufgabe des notwendigen Korrektivs nicht zu übernehmen, da die französische Rechtsprechung praktisch jeden Gesetzesverstoß und jede betriebswirtschaftliche Fehlleistung hierunter subsumiert, worin man nicht zuletzt einen Ausfluss des französischen Glaubens an die Planbarkeit unternehmerischen Handelns – man denke an Colbertinismus und Planification – zu sehen haben wird. Abweichungen vom droit commun finden sich hingegen auf der Rechtsfolgenseite. Wenn auch aus historisch anderen Gründen, statuiert das französische vergleichbar dem englischen Recht keine Schadensersatzhaftung, sondern überantwortet es gleichfalls dem Ermessen des Tatgerichts zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Geschäftsleiter zu einem Beitrag in das Gesellschaftsvermögen herangezogen wird. Das Ermessen des Gerichts ist dabei denkbar weit gefasst: obliegt es einerseits den Spruchkörpern zu entscheiden, ob ein Geschäftsleiter aufgrund eines Geschäftsleitungsfehlers überhaupt zu einem Beitrag in das Gesellschaftsvermögen verurteilt werden soll, steht es ihnen umgekehrt ebenso frei, einem Geschäftsleiter auch dann die Befriedigung sämtlicher offen gebliebenen Forderungen aufzugeben, wenn der in Rede stehende Geschäftsleitungsfehler lediglich mitursächlich für die Masseinsuffizienz gewesen ist. Die Rechtsfolgenseite ist gleichzeitig der Ort, an dem das französische Recht versucht, die „Versäumnisse“ auf Tatbestandsebene zu korrigieren. So werden u. a. Schwere des Geschäftsleitungsfehlers, Grad der Verantwortung und Relevanz für den Umfang der Masseinsuffizienz in Anschlag gebracht. Für das vollständige Fehlen von Ermessens- und subjektiven Elementen auf der Tatbestandsseite stellt dies allerdings allenfalls ein bedingtes Substitut dar. Das Wissen um die Verwirklichung des Tatbestandes von Art. L. 651-2 C. com. bei gleichzeitiger ungewisser Hoffnung auf eine milde Ermessensentscheidung des Gerichts kann nicht ohne erhebliche Rückwirkungen auf die Risikofreude eines Geschäftsleitungsorgans bleiben. Und selbst der Geschäftsleiter, der ein wenig drastisches Urteil als sicher annimmt, muss die Effekte auf künftige Anstellungsverhältnisse berücksichtigen, die mit dem Makel der Verurteilung wegen eines die Insolvenz mit verursachenden Geschäftsleitungsfehlers verbunden sind. Im Ergebnis wird man festhalten können, dass der strukturelle Ansatz des französischen Rechts,

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die Fortschreibung der allgemeinen Geschäftsleiterhaftung in die Krise der Gesellschaft hinein, durchaus Sympathien erweckt, gleichzeitig es aber – anders als im Rahmen der originären Binnenhaftung – noch nicht befriedigend gelungen ist, eventuellen Übertreibungen rechtssicher entgegenzuwirken. Unterschiede – auch im Grundsätzlichen – bestehen nicht nur bezüglich Voraussetzungen und Rechtsfolgen sanktionswürdig erachteten Verhaltens, sondern auch bei der Fassung des Adressatenkreises. Gemeinsamer Ausgangspunkt der drei Rechtsordnungen ist, dass primär die wirksam oder unwirksam bestellten Geschäftsleiter in die Pflicht zu nehmen sind, es hierbei aber nicht sein Bewenden haben kann. Sowohl Insolvenzverschleppung (faktische Geschäftsführung) als auch action en responsabilité pour l’insuffisance d’actif (gérance de fait) und wrongful trading (de facto bzw. shadow directors) erweitern den Adressatenkreis unter unterschiedlichen Auspizien auf Personen, die ohne jeden Bestellungsakt Aufgaben der Geschäftsleitung in der insolventen Gesellschaft wahrgenommen haben. Unterschiede bestehen jedoch sowohl in der dogmatischen Herangehensweise als auch in den generierten Ergebnissen. Die deutsche Figur des faktischen Organs ist maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass das Gesamterscheinungsbild des Auftretens des potentiellen Haftungsadressaten mit der Stellung eines idealtypischen Geschäftsführers verglichen wird. Ergibt sich bei diesem Vergleich ein gewisser kritischer Grad an Übereinstimmung, rückt das faktische Organ umfänglich in die Pflichtenposition eines rechtmäßigen Organs ein. Für den Teilbereich der Insolvenzverschleppungshaftung bedeutet dies, dass das Unterlassen des gebotenen Insolvenzantrags auch für das faktische Organ haftungsbegründend wirkt. Sowohl die durch die Rechtsprechung entwickelten Kriterien für eine Gleichstellung als auch die strukturelle Begründung faktischer Organschaft überzeugen jedoch nicht zur Gänze. Das gilt zunächst mit Blick auf die Grundentscheidung, die Krisenpflichten nur auf solche Personen zu übertragen, die einem idealtypischen Geschäftsleitungsorgans hinreichend vergleichbar sind. Entscheidungstheoretisch und auch aus Sicht der Gläubiger ist unerheblich, wie eine bestimmte Person sich im Allgemeinen dem Rechtsverkehr präsentiert. Maßgeblich ist vielmehr, wer die Letztverantwortung für die rechtlich missbilligte Handlung trägt, d. h. im konkreten Fall die Person, die die Entscheidung gegen einen Insolvenzantrag und für die Fortsetzung der Gesellschaft getroffen hat. Diesem Anspruch genügt die Orientierung am Organbegriff nur unzureichend: einerseits werden Personen haftungsrechtlich dispensiert, die zwar die Fortführung der Gesellschaft faktisch verantworten, dabei aber nicht hinreichend organgleich agieren, andererseits droht sonstigen Nichtgeschäftsleitern, vor allem Gesellschaftern, die gegebenenfalls aktiv und hinreichend organgleich an der Leitung der Gesellschaft beteiligt waren, aber die Insolvenzverschleppung nicht zu verantworten haben, dennoch eine Inanspruchnahme nach § 15a InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB; im letzteren Fall handelt es sich damit letztlich um eine Haftung wegen Garantenstellung kraft Ingerenz, die man überzeugend finden kann, aber nicht muss. Nicht gefolgt werden kann zudem der von der Rechtsprechung mit einigem Nachdruck vertretenen Ansicht, dass zu den konstitutiven Voraussetzungen einer faktischen Organschaft ein

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Auftreten nach außen zählt. Der Verhaltensvorwurf, der einem sich auf interne Einflussnahme beschränkenden (formal) Unternehmensfremden gemacht wird, unterscheidet sich nicht von dem, der gegenüber einem Unternehmensfremden erhoben wird, der auch gegenüber Dritten als für die Gesellschaft handelnd aufgetreten ist. Beiden Personen ist gemeinsam, dass sie ihre faktisch bestehenden Einflussrechte in der Gesellschaft nicht dahin gehend geltend gemacht haben, dass sie im Moment des Erreichens materieller Insolvenzreife den Übergang der Verfügungsrechte herbeigeführt bzw. die materielle Insolvenz nicht innerhalb der Dreiwochenfrist beseitigt haben. Auch insoweit verfehlt das Institut des faktischen Organs die wesentliche Funktion einer Adressatenregelung, das Verhalten der eigentlichen Entscheider in einer mit dem Gläubigerinteresse zu vereinbarenden Weise zu steuern. Zielgenauer erweist sich in diesen Punkten das englische Recht. Mit dem Institut des shadow directorship wird ausdrücklich auch die interne Einflussnahme erfasst. Andererseits ist auch das englische Recht – wenn auch in geringerem Umfang – durch eine typologisierende Orientierung an einem idealtypischen Geschäftsleiterverständnis gekennzeichnet. Dies schlägt sich darin nieder, dass auch für den als Auffangtatbestand konzipierten shadow director eine Einbindung in die generelle Geschäftsleitungsorganisation verlangt wird, indem zur Voraussetzung gemacht wird, dass die satzungsmäßigen Direktoren gewohnt (accustomed) waren, entsprechend den Anweisungen der tatsächlichen Entscheider zu handeln. Unter Berücksichtigung dieses Wortlauts lehnt die Rechtsprechung die Erfassung von Einzeleingriffen ab, was im Ergebnis nicht unbedenklich erscheint. Einen hiervon zumindest graduell abweichenden Weg schlägt schließlich die action en responsabilité pour l’insuffisance d’actif ein, die anders als deutsches und englisches Recht die Verantwortlichkeit für den konkret missbilligten Einzelakt ins Zentrum stellt. Dass sich das französische Recht hierbei leichter tut, dürfte maßgeblich dem Umstand geschuldet sein, dass sowohl wrongful trading als auch Insolvenzverschleppung als Dauerdelikte ausgestaltet sind, während die action en comblement eine Verhaltensverantwortlichkeit (auch) für Einzeleingriffe festschreibt. Auch in der Ausgestaltung der einzelnen Tatbestandsmerkmale kann man der gérance de fait aus rechtsökonomischer Perspektive Vorbildcharakter zusprechen. Das französische Recht verzichtet weitgehend auf einen Vergleich mit dem Idealtypus eines Geschäftsleitungsorgans, sondern lässt das Vorliegen einer Merkmalstrias aus (1) aktivem Tun, (2) in Unabhängigkeit (3) bei einer Geschäftsleitungsmaßnahme genügen. Durch das Erfordernis aktiven Tuns wird sichergestellt, dass Gesellschafter, die sich aus legitimen Gründen auf das passive Halten einer Beteiligung beschränken, nicht in die Verantwortlichkeit für Vermögenseinbußen der Gläubiger in der Krise geraten, wodurch die Wohlfahrtseffekte der Haftungsbeschränkung eingeschränkt würden. Durch die weitere Voraussetzung einer unabhängigen Entscheidung bei einer Geschäftsführungsmaßnahme setzt das Institut der gérance de fait zugleich das theoretische Postulat um, dass Adressaten die Personen sein müssen, die die Krisenanreize erfassen und ihnen entsprechend handeln.

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Im Ergebnis offenbart der Vergleich der Insolvenzverschleppungshaftung mit action en comblement du passif und wrongful trading Stärken und Schwächen der deutschen lex lata. Die Statuierung einer Insolvenzantragspflicht lässt sich informationsökonomisch gut legitimieren. Zwar sollte in der Theorie bereits das Insolvenzantragsrecht der Gläubiger bei Zahlungsunfähigkeit den primär intendierten Übergang der Verfügungsrechte in einem Zeitpunkt herbeiführen, in dem die Gesellschaft nicht mehr in der Lage ist, die bestehenden Verbindlichkeiten im Fälligkeitszeitpunkt zu befriedigen. Bestehende Informationsasymmetrien und der Unvollständigkeit realer Kapital- und Kreditmärkte geschuldete Einschränkungen der Rechtsbegrifflichkeit der Zahlungsunfähigkeit (Wesentlichkeit, Zahlungsstockung) lassen das Antragsrecht der Gläubiger jedoch rechtspraktisch weitgehend leer laufen. Vor diesem Hintergrund sichert eine sanktionierte Insolvenzantragspflicht, dass es zu einem zeitnahen Übergang der Verfügungsrechte kommt. Aus gleichen Gründen lässt sich die ansonsten weitgehend unbekannte Antragspflicht im Falle der Überschuldung rechtfertigen. Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit verwertet das Urteil der Marktakteure über die Bonität – und damit die Überlebensfähigkeit der Kreditnehmerin – zur Bestimmung materieller Insolvenzreife. Dieses Urteil ist jedoch aufgrund der genannten Informationsasymmetrien ungenau. Vor diesem Hintergrund kann der Zusatztatbestand der Überschuldung trotz aller mit ihm verbundenen Unwägbarkeiten eine sinnvolle Aufgabe übernehmen. Versteht man Überschuldung im dynamischen Sinne als Erreichen eines Zustands zur Gläubigerbefriedigung nicht ausreichender Einzahlungsüberschüsse, wird damit genau der Zeitpunkt umschrieben, in dem ein vollständiger und informationseffizienter Kreditmarkt die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin herbeiführen würde. Die Notwendigkeit des zusätzlichen Insolvenzgrundes ergibt sich also aus den durch Informationsasymmetrien bedingten Schwächen der Zahlungsunfähigkeit. Dass es hier nicht bei einem Antragsrecht der Gläubiger sein Bewenden haben kann, ergibt sich bereits daraus, dass es sich um eine Prognoserechnung handelt, die nur in Kenntnis der wirtschaftlichen Kerndaten der Schuldnergesellschaft erstellt werden kann. Der Tatbestand der Überschuldung zwingt damit im Ergebnis die Schuldnergesellschaft, ihr Wissen um eine bereits prognostizierbare, aber für Außenstehende noch nicht erkennbare Zahlungsunfähigkeit offenzulegen. Weitaus problematischer ist es hingegen, an das Erreichen materieller Insolvenzreife eine weitgehend unbeschränkte Haftung der Geschäftsleitung zu knüpfen. Weil das deutsche Recht keine Vertretbarkeitskontrolle der einzelnen, durch die Geschäftsleitung durchgeführten Maßnahmen vornimmt, stellt sich die Insolvenzverschleppungshaftung als reine Erfolgshaftung dar. Eine Unterscheidung zwischen ex ante erfolgversprechenden und damit auch legitime Gläubigerbelange nicht verletzenden Handlungen und solchen, die man als opportunistisch zu qualifizieren hat, wird nicht vorgenommen. Dies ist im Falle der Insolvenzverschleppungshaftung besonders kritisch zu würdigen, weil es sich dogmatisch um eine Schadensersatzhaftung handelt, die jedwede Vermögensschmälerung während des Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht umfasst und dabei ausblendet, dass auch die Gläubiger

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einen Teil des Risikos tragen. Die dem Instrument immanente Tendenz, das gesamte unternehmerische bzw. technologische Risiko der Geschäftsleitung aufzuerlegen, wird vollendet durch den Ersatz des Kontrahierungsschadens, mit dem die Geschäftsleitung faktisch für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen verpflichtet wird. Dies erscheint mit Idee und volkswirtschaftlicher Funktion der beschränkten Haftung nur schwer zu vereinbaren. Vorzugswürdig erscheint demgegenüber der strukturelle Ansatz des englischen und französischen Rechts, die Geschäftsleitung einem verschärften Pflichtenprogramm zu unterwerfen, sie andererseits aber nicht ohne jede weitere Inhaltskontrolle für jede Vermögensschmälerung einstehen zu lassen. Unvertretbare Haftungsfreiräume, wie sie – aus deutscher Sicht – möglicherweise im englischen Recht existieren, sind aufgrund des ohnehin sehr viel strengeren Maßstabs der deutschen Gerichte nicht zu erwarten. Mit § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG a.F./§ 64 S. 2 GmbHG n.F. steht bereits ein möglicher Pate für eine entsprechende Vertretbarkeitsprüfung bereit, der die Notwendigkeit eines legal transplant obsolet machen würde und in seinen groben Linien bereits durch Rechtsprechung und Wissenschaft ausgeleuchtet ist. Eine weitere bzw. zusätzliche Möglichkeit, der das deutsche Recht bisher kennzeichnenden weitgehenden Verlagerung des technologischen Risikos auf die Geschäftsleitung entgegenzusteuern, bietet die Ersetzung der Rechtsfolge der Schadensersatzhaftung durch einen Ermessensanspruch des Gerichts. Im Rahmen dieses Ermessens wäre insbesondere in Ansatz zu bringen, dass die Gläubiger einen Teil des unternehmerischen Risikos und das durch die Haftungsbeschränkung erhöhte Risiko sehenden Auges in Kauf genommen haben. Zwar mag man daran zweifeln, ob ein derartiger (vermeintlicher) Billigkeitsanspruch hinreichende Akzeptanz in der durch das Prinzip der Totalreparation geprägten Rechtslandschaft Deutschlands finden würde; allerdings belegt das französische Beispiel, dass es sich durchaus nicht um Unvereinbares handelt. Alternative, die mit deutschen Traditionen besser vereinbar ist, wäre eine stärkere Berücksichtigung der haftungsausfüllenden Kausalität. Unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile der einzelnen Instrumente ergeben sich folgende Eckpunkte für eine denkbare Neujustierung der Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung in der Krise der Kapitalgesellschaft: 1. Beibehaltung der Insolvenzantragspflicht nicht nur bei Zahlungsunfähigkeit, sondern auch bei zahlungsorientierter Überschuldung. 2. Privatautonomie wie auch methodologischer Individualismus begründen ein Recht zur Selbstschädigung, solange nicht schützenswerte Interessen Dritter berührt werden. Dementsprechend ist der Übergang der Verfügungsrechte über die Schuldnergesellschaft auf die Gläubiger weiterhin zusätzlich daran zu knüpfen, dass die Gesellschaft auch rechnerisch überschuldet ist. 3. Abkoppelung – im Sinne einer Vorverlagerung – des haftungsauslösenden Zeitpunkts der Geschäftsleiterhaftung von der Insolvenzreife.

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4. Kompensation der Vorverlagerung des haftungsauslösenden Zeitpunkts durch ein pflichtenbasiertes Konzept erhöhter Sorgfaltsanforderungen ab Erreichen des Stadiums drohender Zahlungsunfähigkeit. 5. Verhaltensverstöße stellen sowohl rechtsgeschäftliche als auch tatsächliche Handlungen sowie bloßes Unterlassen dar. 6. Maßstab dafür, ob ein Verhaltensverstoß vorliegt, ist die wirtschaftliche Vertretbarkeit der entsprechenden Maßnahme bzw. Handlungsalternative. Abzustellen ist auf den Erwartungswert bzw. Nettogegenwartswert unter Ausklammerung der Effekte der beschränkten Haftung. 7. Im Rahmen der Vertretbarkeitsprüfung ist der Geschäftsleitung ein weites Ermessen im Sinne eines business judgment einzuräumen. Das Ermessen bezieht sich nicht auf den Entscheidungsfindungsprozess, sondern auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit. 8. Adressat einer entsprechenden Regel ist jede Person, die für den Verhaltensverstoß Letztverantwortung trägt. Auf organisationsverfassungsrechtliche Gesichtspunkte kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Beweislast für das Vorliegen entsprechender Letztverantwortung trägt der Kläger. 9. Parallel ist mit zahlreichen Stimmen im Schrifttum die starre Dreiwochenhöchstfrist entweder nach dem Vorbild des österreichischen Rechts spürbar zu verlängern, oder generell zeitlich flexibel auszugestalten. Hinter diesen Eckpunkten steht das folgende Konzept: Anders als nach bisherigem Recht sind gläubigerschützende Verhaltenspflichten und Verfahrenseröffnung durch Insolvenzantragspflicht strikt voneinander getrennt. Die Erhaltung des GoingConcern-Wertes einer Unternehmung verlangt grundsätzlich nach einer Verfahrenseröffnung in einem möglichst späten Zeitpunkt. Demgegenüber setzt die krisenbedingte Revision des Anreizsystems weitaus früher ein und streitet deshalb für eine Vorverlagerung. Eine Totallösung, die entweder im Interesse der Haftungsfunktion die Konkursreife immer weiter nach vorne verlagert oder aber dem Ziel eines sachgerechten Übergangs der Verfügungsrechte durch späte Verfahrenseröffnung zu dienen sucht, ist bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Beide Funktionen sind deshalb tatbestandlich zu trennen. Die Insolvenzantragspflicht nicht nur bei Zahlungsunfähigkeit, sondern auch bei Überschuldung ist – trotz ihrer absoluten internationalen Unüblichkeit – beizubehalten, da sie ein Korrektiv zur asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Geschäftsleitung und Gläubigern darstellt. Aufgrund der berechtigten Zweifel an ihrer Legitimierbarkeit und ihrer Ersetzung als moment of truth durch einen weiteren Tatbestand ist hierbei auf die dynamische Überschuldungsprüfung abzustellen, die für sich den Vorteil innerer theoretischer Legitimation in Anspruch nehmen kann; da allerdings Überschuldung nicht mehr Anknüpfungspunkt einer Krisenhaftung ist, sondern nur noch den Zeitpunkt kennzeichnet, in dem die Verfügungsrechte über das Vermögen der Schuldnergesellschaft

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auf ihre Gläubiger überführt werden, ist gleichzeitig am Erfordernis einer kumulativ vorliegenden rechnerischen Überschuldung festzuhalten. Durch die Entkoppelung der Krisengeschäftsleiterhaftung vom Zeitpunkt materieller Insolvenzreife kann diese weitaus früher greifen. Die Vorverlagerung der Krisenhaftung der Geschäftsleitung ihrerseits kann nur unter gleichzeitigen haftungsbeschränkenden Korrekturen durchgeführt werden. Anderenfalls würde die Vorverlagerung dazu führen, dass das technologische Risiko in noch größerem Umfang als bereits unter Geltung der lex lata auf die Geschäftsleitung übertragen würde. Zu diesem Zwecke ist der Geschäftsleitung ein weites Ermessen nach dem Vorbild der für die Binnenhaftung anerkannten business judgment rule einzuräumen, gleichzeitig aber auch den Besonderheiten der Krise Rechnung zu tragen. Wenn die business judgment rule traditioneller Prägung sich – in Abwesenheit virulenter Interessenkonflikte – auf die Überprüfung des Entscheidungsfindungsprozesses beschränken kann, steht im Hintergrund die Überlegung, dass nicht persönlich betroffene und ausreichend informierte Geschäftsleiter regelmäßig das Investitionsprojekt mit dem höchsten Erwartungswert wählen werden. Diese Richtigkeitsgewähr einer informierten Entscheidung kann jedoch in der Krise keine Geltung beanspruchen. Im Gegenteil kann gerade die informierte Geschäftsleitung, die aufgrund einer genauen Analyse die Bedeutung der krisenspezifischen Fehlanreize erkennt, sich auf dieser Grundlage für die Durchführung eines spekulatives Projektes als letzten, wenn auch unwahrscheinlichen Rettungsanker entscheiden oder aber auf die Durchführung eines erfolgversprechenden Investitionsvorhabens verzichten. Folgerichtig muss nicht nur der Entscheidungsfindungsprozess, sondern auch die Entscheidung selbst einer Inhaltskontrolle unterzogen werden. Im Rahmen dieser Prüfung ist die Unsicherheit unternehmerischer Entscheidungen dadurch zu berücksichtigen, dass ausdrücklich zu berücksichtigen ist, dass die Folgen von unternehmerischen Entscheidungen mehrwertig sind und das Ergebnis einer bestimmten Entscheidung keinen einfachen Rückschluss auf ihre Güte zulässt. Definiert man das Konzept der Insolvenzverschleppungshaftung schlagwortartig als Einstandspflicht für Vermögenseinbußen der Gläubiger nach mindestens fahrlässigem Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht, kann der vorliegende Ansatz als Fahrlässigkeitshaftung für betriebs- und volkswirtschaftlich nicht mehr vertretbare Verhaltensweisen in der Krise der Kapitalgesellschaft bezeichnet werden. Die Fortführung der insolventen Gesellschaft wird zwar nicht anders als nach der lex lata verboten, der Verstoß hiergegen führt aber zur bloßen Strafbarkeit, nicht hingegen eo ipso zu einer Haftung der Geschäftsleitungsorgane. Das unternehmerische Risiko, das allgemein mit dem Betrieb eines Geschäfts verbunden ist, bleibt hiernach zur Gänze bei Gesellschaftern und Gläubigern, denen die konkrete Allokation der Ausfallwahrscheinlichkeiten im Verhandlungswege überlassen bleibt. Demgegenüber rückt die Geschäftsleitung immer, aber auch nur dann in die Haftung für eventuelle Gläubigerausfälle ein, wenn sich ihre Entscheidungen betriebs- und volkswirtschaftlich nicht mehr rechtfertigen lassen.

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Trotz der offensichtlichen Anleihen im englischen und französischen Recht erscheint dieses Modell mit der Philosophie des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts vereinbar. Vergleicht man die durch den historischen GmbH-Gesetzgeber gewählte Lösung mit der hier vorgeschlagenen, werden deutliche Parallelen erkennbar. Bei Einführung des GmbHG 1892 war die Rechtslage durchaus vergleichbar. Die insolvente bzw. konkursreife Kapitalgesellschaft sollte aufgrund ihrer überaus zweifelhaften Aussichten in das Insolvenzverfahren überführt und der Geschäftsführer zur Herbeiführung dieser Rechtsfolge durch das Instrument der Strafbarkeit angehalten werden. Eine darüber hinausgehende Einstandspflicht für möglicherweise in der Folge eintretende Verluste traf den Geschäftsführer nach der Rechtslage von 1892 hingegen nur dann, wenn er betriebswirtschaftlich unvertretbare Handlungen, nämlich solche, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns unvereinbar sind, durchführte (§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F./§ 64 GmbHG n.F.). Insolvenzantragspflicht und verschärfte Sorgfaltsanforderungen sind die historischen Antworten des GmbHG auf die Krise der Kapitalgesellschaft, nicht hingegen die faktische Aufhebung des Privilegs der beschränkten Haftung. Geht man von dieser Konzeption aus, erscheint auch die Einordnung von § 15a Abs. 1 InsO als Schutzgesetz zu Gunsten der Gläubiger überaus fraglich. Dies ist zwar einerseits dogmatisch einwandfrei, weil selbstverständlich der Schutz der Gläubiger der Gesellschaft intendiert ist, stellt aber andererseits einen systematischen Bruch mit dem Prinzip der beschränkten Haftung dar. Die artifizielle Verknüpfung von Insolvenzantragspflicht bei Erkennbarkeit der Überschuldung mit einer unbegrenzten Differenzhaftung der Geschäftsleitung führt in der Theorie faktisch zu einer Gesellschaft mit begrenzter Gesellschafter- und unbegrenzter Geschäftsleiterhaftung. Dass dies in der Praxis nicht so deutlich hervortritt, ist kein Indikator für die Angemessenheit der durch die h.M. gefundenen Lösung, sondern allein dem Umstand geschuldet, dass die anspruchsvolle Konstruktion der Insolvenzverschleppungshaftung im Zusammenhang mit dem ebenfalls überaus kritischen Überschuldungstatbestand in der Rechtspraxis erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Eine im Ansatz fehlerhafte, weil zu weitgehende Lösung zu verteidigen unter Verweis darauf, dass es ihr an praktischer Wirksamkeit mangelt, wird wohl kaum als befriedigend empfunden werden dürfen. Darüber hinaus sind hiermit Negativeffekte auf die Anreizstruktur der Geschäftsleitung verbunden. Sich darauf zu verlassen, dass das Damoklesschwert der Insolvenzverschleppungshaftung aufgrund von Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten im Prozess sein Ziel verfehlt, erscheint als kaum gangbare Alternative. Die mit der Einführung der beschränkten Haftung eigentlich intendierte Senkung der Risikoaversion natürlicher Personen wird im Ergebnis verfehlt. Sieht man in Übereinstimmung mit den vorangegangenen Ausführungen im Ansatz von 1892 das überzeugendere Konzept, ist gleichzeitig der Ort gewiesen, an dem die notwendigen Modifikationen der deutschen Krisengeschäftsleiterhaftung anzusetzen haben – § 64 GmbHG. Die Norm ist allerdings um notwendige Änderungen zu ergänzen. Dies gilt zunächst mit Blick auf den haftungsauslösenden Zeitpunkt. Wenn die Entkoppelung von Insolvenzantragspflicht und pflichtenaus-

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lösendem Zeitpunkt zum Zwecke der früheren Adressierung der Fehlanreize in der Krise erfolgt, ist damit nicht bestimmt, welcher Zeitpunkt dies sein sollte. Die Orientierung am Konzept der action en comblement du passif besitzt zwar theoretische Vorteile, sollte aber aufgrund der in der französischen Praxis zu beobachtenden Übertreibungen verworfen werden. Ebenso wenig empfiehlt sich angesichts der nach wie vor bestehenden Bestimmungsprobleme die schlichte Übernahme des no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation. Ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit sowie eine Anknüpfung an deutsche insolvenzrechtliche Tradition bietet der Rückgriff auf die drohende Zahlungsunfähigkeit, die auch das MoMiG in ähnlicher Weise einzusetzen versucht. Zwar wird man aufgrund des Prozesscharakters der Revision des Anreizsystems in der Krise der Kapitalgesellschaft in der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht genau den kritischen Zeitpunkt sehen können. Jedoch ist hiermit ein Zeitpunkt im Leben der Gesellschaft benannt, in dem die Fehlanreize virulent werden. Ist absehbar, dass die Gesellschaft bei unverändertem Geschäftsgebaren keine Erträge mehr für ihre Anteilseigner erwirtschaften wird, drängt sich die Realisierung eines turn-around mittels spekulativer Strategien auf. Der Begriff der Zahlungen ist zu ersetzen. Er entstammt einer Zeit, in der man davon ausgehen durfte, dass gläubigergefährdende Maßnahmen sich in zahlungsund bilanzwirksamen Vorgängen ausdrücken würden. Die Möglichkeiten opportunistischen Verhaltens sind hierauf jedoch nicht beschränkt. Vorzugswürdig erscheint demgegenüber eine offene Formulierung nach dem Vorbild des französischen Rechts, die jede Art von Handlungen als auch Unterlassungen zu erfassen vermag. Im Zusammenspiel mit der Fortgeltung des Kriteriums der Vereinbarkeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns käme man im Ergebnis zu einem vergleichbaren Ergebnis wie das französische Recht, wobei die Beweislast für die Vertretbarkeit der ergriffenen Handlung beim in Anspruch genommenen Geschäftsleiter liegen würde. Auf der Rechtsfolgenseite sollte trotz des damit verbundenen Paradigmenwechsels die Begründung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Erstattungspflicht erwogen werden. Evidenter Vorteil eines Ermessensanspruchs ist, dass er zumindest grundsätzlich in der Lage ist, abzubilden, dass die Gläubiger ein gewisses Ausfallrisiko bewusst in Kauf genommen haben. Die Ausgestaltung als Anspruch gegenüber der Gesellschaft ist beizubehalten, um allfälligen common pool-Problemen, die nicht nur bei der Vollstreckung in das Vermögen der insolventen Gemeinschuldnerin, sondern auch in das eines ihrer Geschäftsleiter regelmäßig auftreten, entgegenzuwirken. Soweit schließlich der Adressatenkreis betroffen ist, ist ein zusätzlicher Absatz zu ergänzen, wonach Adressat auch solche Personen sind, die ohne formal zum Geschäftsleiter bestellt worden zu sein, die Geschicke der Gesellschaft tatsächlich geführt haben. Es ergibt sich damit folgender § 64 GmbHG: (1) Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet, soweit durch einen nach Eintritt drohender Zahlungsunfähigkeit eingetretenen Geschäftsleitungsfehler der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist.

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(2) Ein Geschäftsleitungsfehler liegt nicht vor, wenn die Geschäftsführung unter Berücksichtigung der Interessen der Gläubiger auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft gehandelt hat. (3) Die gleiche Verpflichtung trifft eine Person, die ohne zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein, die Geschäfte der Gesellschaft tatsächlich geführt hat.

Eine derart vorsichtige Entkopplung der Krisengeschäftsleiterhaftung von der Insolvenzantragspflicht stellt keinen Bruch mit deutschen Traditionen dar. Vergegenwärtigt man sich die Strenge der deutschen Rechtsprechung im Bereich der Krisenhaftung wird man in einer ersten Rechtsfolgenabschätzung nicht damit zu rechnen haben, dass nach Einführung entsprechender Modifikationen unverantwortliches Verhalten und die Ausnutzung der beschränkten Haftung nicht mehr sanktioniert würden. Zahlreiche Fälle, in denen gegenwärtig eine Verurteilung auf Grundlage von § 15a InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB erfolgt, würden voraussichtlich auch im Rahmen der hier vorgeschlagenen Vertretbarkeitskontrolle haftungsrechtlich geahndet werden; dies verdeutlicht nicht zuletzt der Vergleich mit der Forensik der französischen Wiederauffüllungsklage, wo die Fortsetzung des defizitären Geschäftsbetriebs der Schuldnerin zu den praktisch bedeutendsten Fallgruppen der faute de gestion zählt. Umgekehrt sollte man die Relevanz der vorgeschlagenen Modifikationen dennoch nicht unterschätzen, wäre doch mit ihnen ein zumindest partieller Paradigmenwechsel verbunden. Insbesondere die Rechtsprechung wäre künftig aufgerufen, sich nicht auf die Feststellung der unternehmerischen Betätigung trotz materieller Insolvenzreife zu beschränken, sondern das Geschäftsleiterverhalten einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. Zumindest sofern die Geschäftsleitung betriebswirtschaftlich plausible Gründe für die (zeitweise) Fortsetzung der Geschäftstätigkeit – etwa den Abverkauf einer Ausproduktion – darlegen und eine entsprechend sorgfältige Dokumentation präsentieren kann, sollte es Geschäftsleitern möglich sein, wenn schon nicht den Vorwurf der Insolvenzverschleppung an sich, so doch eine unbeschränkte Einstandspflicht abzuwenden. Im Gesamtergebnis wird damit das inkonsistente Nebeneinander von beschränkter Haftung und Garantenstellung des Geschäftsführers aufgehoben. Abschließend ist vor dem Hintergrund der vorangehenden Ergebnisse auf die bereits einleitend gestellte Frage zurückzukommen, ob sich die Einführung einer gemeinsamen europäischen Krisengeschäftsleiterhaftung empfiehlt. Dahingehenden Vorschlägen ist mit Zurückhaltung zu begegnen. Zunächst ist noch einmal festzuhalten, dass entgegen der Ansicht der High Level Group action en comblement du passif, Insolvenzverschleppungshaftung und wrongful trading zwar einen gemeinsamen Geist atmen, in Rechtstechnik und praktischer Anwendung aber erhebliche Unterschiede aufweisen. Mitnichten handelt es sich bei diesen Unterschieden lediglich um technische Details materiell weitgehend identischer Haftungstatbestände. Vielmehr sind die Unterschiede zu wesentlichen Teilen Ausfluss völlig unterschiedlicher Paradigmen über die richtige Behandlung einer in die Krise geratenen Unternehmung und ihres Führungspersonals. Während das deutsche Recht tradi-

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tionell auf dem Standpunkt steht, dass Gläubiger, die Forderungsausfälle in der Insolvenz erleiden, Geschädigte im Rechtssinne sind und im Grundsatz Anspruch auf die Realisierung ihres nominalen Forderungsvolumens hätten, dominiert in England die rescue culture das Rechtsdenken: Gesellschaftern und Geschäftsleitung werden auch in der Krise weitgehende Freiheitsgrade bei der Führung ihres Unternehmens eingeräumt und auch Sanierungsmaßnahmen müssen nicht zwangsläufig in einem gerichtlichen Kontext erfolgen. Demgegenüber sind Gläubiger im angelsächsischen Modell vorrangig darauf verwiesen – marktwirtschaftlichen Grundprinzipien entsprechend – selbst für ihren Schutz zu sorgen. In Frankreich wiederum dominiert der Primat der Unternehmensfortführung. Die Rettung des Unternehmens – und seiner Arbeitsplätze – erscheint hier beinahe als Selbstzweck, dem notfalls nicht nur Gesellschafter-, sondern auch Gläubigerinteressen geopfert werden. Diese völlig unterschiedlichen Kulturen sprechen nachdrücklich gegen die Etablierung einer europäischen Krisengeschäftsleiterhaftung. Nähme man etwa die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung als Vorbild eines unionsweiten Haftungstatbestands, würde es sich bereits aus englischer und französischer Sicht nicht nur um ein Oktroi, sondern auch um einen Fremdkörper handeln, da diesen Rechtsordnungen entweder überhaupt keine Insolvenzantragspflicht (England) oder aber zumindest nur für den Fall der Zahlungsunfähigkeit (Frankreich) bekannt ist. Auch einen künstlich am legislativen Reißbrett geschaffenen europäischen Haftungstatbestand, der sich als Substrat der nationalen Regelungen darzustellen versuchen würde, wird man nicht als Lösung dieses Problems ansehen können. Erfahrungen mit der gemeinsamen europäischen Währung, die nach dem Muster der als besonders erfolgreich eingeschätzten Geldpolitik der Bundesbank den Grundsätzen der Austerität und Geldmengensteuerung verpflichtet sein sollte, lehren, dass überkommene Traditionen nicht mittels eines gutgemeintes Federstrichs ausradiert werden können. Für die europäische Geldpolitik mündet dies gegenwärtig in dem Befund, dass das ursprüngliche schablonenhafte Konzept hinreichend verwässert ist, und die EZB zwischen Geldmengensteuerung und keynesianisch anmutender Zinssteuerung nach dem Vorbild der Federal Reserve unentschieden hin- und herschwenkt mit dem unbefriedigenden Ergebnis, dass die stabilitätsorientierten EUMitgliedstaaten eine Aufweichung der haushalterischen Disziplin beklagen, während die Staaten, die durch eine Historie aktivistischer Geldpolitik gekennzeichnet sind, enttäuscht sind über die mangelnden geldpolitischen Impulse. Auch wenn die Etablierung einer europäischen Krisengeschäftsleiterhaftung selbstverständlich keine Schicksalsfrage wie die Einführung einer gemeinsamen Währung zum Gegenstand hat, verdeutlicht der Vergleich doch die Wirkmächtigkeit historisch gewachsener Kulturen, die durch einen Federstrich des Gesetzgebers nicht einfach ausgelöscht werden können. Das Ziel einer europaweiten Harmonisierung muss deshalb nicht gänzlich aus den Augen verloren werden. Anders als die Gipfellogik, die Europäisierung und Harmonisierung als proaktiven Prozess behandelt, ist notwendige Voraussetzung einer sinnvollen Europäisierung aber ein hinreichender Gleichlauf der entsprechenden

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Gesellschafts- und Insolvenzrechte und ihrer gelebten Rechtspraxis in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten. Dahingehende Angleichungstendenzen sind durchaus denkbar. Die mit zunehmender Europäisierung und Globalisierung exponentiell zunehmenden Berührungen mit ausländischen Rechtsordnungen haben auch in den bisher selbstgenügsamen großen europäischen Jurisdiktionen ein stetig wachsendes Interesse an den Antworten ausländischer Rechtsordnungen auf gemeinsame Fragestellungen und deren praktischen Implikationen geweckt. Im Rahmen des damit verbundenen Dialogs ist nicht ausgeschlossen, dass sich die nationalen Insolvenzkulturen annähern und gleichzeitig ein Grundkonsens über die notwendigen Bestandteile eines angemessenen Krisenhaftungstatbestands erzielt wird, der die Grundlage für eine großflächig akzeptierte europäische Regelung bilden könnte. Bis allerdings der dafür erforderliche hinreichende Grad faktischer Konvergenz erreicht ist, scheint es geboten, die durchaus unterschiedlichen, aber in sich geschlossenen Regelungssysteme nicht durch punktuelle Maßnahmen ihrer Konsistenz zu berauben, sondern ihnen die Chance zu geben, sich im Wettbewerb der Gesellschafts- und Insolvenzrechte auch dem internationalen Vergleich zu stellen und ihre Würdigung Marktteilnehmern und nationalen Gesetzgebern zu überlassen.

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Stichwortverzeichnis Action en comblement de passif aggravée siehe action en obligation aux dettes sociales Action en comblement du passif – Adressaten 576 ff. – Aufsichtsratsmitglieder 588 f. – Banken 587 f. – Begünstigte Gläubigergruppen 466 ff. – Berater 589 – Beweislast 516 ff. – Cessation des paiements 335 ff. – Dirigeant de droit 577 ff. – Dirigeant de fait 579 ff. – Ermessen 394 ff. – Faute d’action 361 – Faute de gestion 360 ff. – Faute d’omission 361 – Faute grave 367 f. – Gesellschafter 586 – Haftungsauslösender Zeitpunkt 337 ff. – Kausalität (Causalité) 366 f. – Klagebefugnis 467 ff. – Konzernlagen 590 ff. – obligation de résultat 365 – primäre Anschlussinsolvenz 470 ff. – procédure d’extension 470 ff. – Rechtsfolgen I: Zivilrechtliche Haftung 460 ff. – Rechtsfolgen II: Strafbarkeit und Berufsverbote 490 ff. – Rechtsfolgen materieller Insolvenzreife 337 – Redressement/Liquidation judicaire à titre personnel 468 ff. – Subjektives Element 381 ff. Action en obligation aux dettes sociales 473 ff. – Außerkraftsetzung 474 f. – Begünstigte Gläubigergruppen 474 – Non cumul 473 – Rechtsfolgen 473 f.

– Tatbestand 472 Action en responsabilité pour l’insuffisance d’actif siehe action en comblement du passif Adressaten 519 ff. – Action en comblement du passif 576 ff. – Insolvenzverschleppungshafttung 520 ff. – Rechtsökonomische Anforderungen 519 f. – Wrongful Trading 556 ff. Anzeigepflicht bei Verlust des hälftigen Stamm-/Grundkapitals 206 ff. Arbeitsmarktdisziplinierung 174 ff. – Endspielcharakter der Krise 174 f. – Last-Period-Charakter der Krise 174 f. – Markt für Führungskräfte 174 ff. – Opportunistisches Verhalten 174 ff. – Reputation 174 f. Asset Withdrawal – Existenzvernichtungshaftung 232 f. – Insolvenzverursachungshaftung (§ 64 S. 3 GmbHG) 624 – Kapitalerhaltung 204 – Krise der Kapitalgesellschaft 103 f. – Solvenztest 613 f. – Trennung von Eigentum und Kontrolle 107 – Wrongful Trading 354, 576 Asymmetrische Information 54 ff. – Beweislast 512 – Coase-Theorem 54 ff. – Hidden Characteristics 55 – Hold Up 55 – Kreditsicherheiten 156 – Market for Lemons 55 f. – Markt für Führungskräfte 176 f. – Mindestkapital 196 f. – Modigliani-Miller-Theorem 65 f. – Moral Hazard 55 – Principal-Agent-Theorie 59 f. – Risikoabgeltungstheorie 117 ff.

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Stichwortverzeichnis

– Signaling 118 ff. – Überschuldung 312 f. – Zahlungsunfähigkeit 254, 307 Aufsichtsratsmitglieder – faktische Organschaft 544 ff. – Insolvenzantragspflicht, subsidiäre 546 f. – Krisenpflichten 545 f. Banqueroute 490 ff. – Peines complémentaires 492 – Rechtsfolgen 492 – Tatbestand 491 f. Beiratsmitglieder – faktische Organschaft 544 – Insolvenzantragspflicht, subsidiäre 547 Berufsverbote 475 ff. – Deutschland 478 ff. – England 483 ff. – FoSiG 479 – Frankreich 492 ff. – Funktion 475 ff. – Markt für Führungskräfte 477 f. – MoMiG 478 ff. – Vermögenswirkungen 477 – Wettbewerb der Rechtsformen 497 Beschränkte Haftung 69 ff. – Abschottung des Gesellschaftsvermögens 78 f. – Anteilsfungibilität 83 f. – Geschäftsführerhaftung 88 ff. – Gläubigerselbstschutz 112 ff. – Grundlagen 69 ff. – Juristische Person 72 ff. – Kapitalmarkteffizienz 82 ff. – Kapitalsammelstellenfunktion 86 f. – Kontrollkosten 79 f., 83 f. – Markt für Unternehmenskontrolle 84 – Portfoliooptimierung 84 ff. – Rechtsökonomik 74 ff. – Revision der Risikopräferenzstruktur 74 ff. – Schutz des Privatvermögens 74 ff. – Spezialisierungseffekte 80 ff. – Überlegene Risikoträgerschaft der Gläubiger 87 f. Beweislast 503 ff. – Action en comblement du passif 516 ff. – Bedeutung 503 f.

– Cheapest Cost Avoider 503 f. – Informationsökonomik 503 f. – Insolvenzverschleppungshaftung 504 ff. – Rosenbergsche Formel 503 – Überschuldung 505 ff. – Wrongful Trading 513 ff. – Zahlungseinstellung, Bedeutung 505 – Zahlungsunfähigkeit 504 ff. Bounded Rationality 50 f. Business Judgment Rule 382 ff. – Action en comblement du passif 394 ff. – Funktion 382 ff. – Insolvenzverschleppungshaftung 389 ff. – Krisengeschäftsleiterhaftung 386 f. – Wrongful Trading 391 ff.

Claim Dilution siehe Verwässerung Coase-Theorem 52 f. – Transaktionskosten 53 f. Companies Directors Disqualification Act 483 ff. Covenants 163 ff. – Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland 167 – Breach of covenants, Rechtsfolgen 165 – Change of business covenants 165 – Change of control covenants 165 – Claim dilution 166 – Costly contracting hypothesis 163 – Cross-default-clause 170 – Deep-Rock-Doktrin 170 – Disposal of assets covenants 165 – Eigenkapitalersatzrecht 171 – Equitable Subordination 170 – Insolvenzanfechtung 172 – Kosten 168 f. – Negative covenants 167 – Negative pledge covenants 165, 170 – Non-adjusting creditors 168 f. – Non-financial covenants 167 – Pfandgläubigerentscheidung 171 – Reporting covenants 164 ff. – Sittenwidrigkeit 171 – Überinvestition 166 – Unterinvestition 166 – Verwässerung 166 – Zwangsgläubiger 169 f.

Stichwortverzeichnis Deliktsgläubiger – negatives Interesse – Ersatzfähigkeit 427 ff. – rechtsökonomische Aspekte 431 f. – Quotenschaden, Ersatzfähigkeit 401 f. – Versicherungspflicht 173 Disqualification 483 ff. – Antragsbefugnis 485 – Criminal offence 488 – Disqualification undertaking 485 – Leave 489 – Publizität 488 f. – Sevenoak brackets 484 – Unfitness 485 ff. – Wrongful trading 483 f. Drohende Zahlungsunfähigkeit 634 ff. – Definition 635 ff. – Funktion 634 f. – Praktische Bedeutung 638 f. Durchgriff 222 ff. – Existenzvernichtungshaftung 230 ff. – Materielle Unterkapitalisierung 226 ff. – Rechtsfolge 222 – Sphärenvermischung 223 – Vermögensvermischung 223 ff. Effizienzkriterium 51 f. Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen – Claim Dilution 219 – Covenants 171 – Grundlagen 209 ff. – MoMiG 220 ff. – opportunistisches Verhalten 216 ff. – Reform durch das MoMiG 220 ff. – Sicherheiten 219 f. – Überinvestition 217 f. – Überschuldungsstatus, Behandlung im 299 ff. – Unterinvestition 218 – Verwässerung 219 Ermessen siehe Geschäftsleitermessen Existenzvernichtungshaftung 230 ff. – Anspruchsberechtigung 237 – Bremer Vulkan/KBV-Doktrin 230 ff. – Kapitalerhaltungsrecht, Konkurrenzverhältnis 232 – opportunistisches Verhalten 231 ff.

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– „Trihotel“-Doktrin 236 ff. – Vermögensübertragung 231 f. Extrinsische Managementdisziplinierung 112 ff. – Beteiligung 146 ff. – Covenants 163 ff. – Kreditsicherheiten 155 ff. – Risikoabgeltungstheorie 112 ff. – Versicherungspflicht 173 Faillite personnelle 493 ff. – Adressaten 493 – Aufhebung (relèvement) 495 – Ermessen des Gerichts 495 – Höchstdauer 493 – Ineligibilität 493 – Insolvenzantragspflicht 494 f. – Publizität 495 f. – Rechtsfolgen 493 – Tatbestand 493 ff. – Verhältnismäßigkeit 495 Faktische Geschäftsführung 522 ff. – Aufsichtsratsmitglieder 545 ff. – Außenhandeln 527 ff. – Banken 547 ff. – Beiratsmitglieder 545 ff. – Berater 551 ff. – Duldung bzw. Kenntnis der Gesellschaft 534 ff. – Eigenhandeln 530 – Einzelfragen faktischer Geschäftsführung 526 ff. – Faktische Mitgeschäftsführung 531 ff. – Fallgruppen 537 ff. – Finanzgläubiger 547 ff. – Gesellschafter 537 ff. – Juristische Personen 536 f. – Konzernsachverhalte 554 ff. – Überhaupt nicht bestellte „Organe“ 523 ff. – Unwirksam bestellt Organe 522 f. – Vollständige Übernahme aller Bereiche 531 ff. – Zeitliche Anforderungen 533 f. Faute de gestion 361 ff. – Causalité 366 f. – Faute d’action 361 – Faute d’omission 361

750

Stichwortverzeichnis

– – – –

Faute grave 367 f. Insolvenzverschleppung 363 Kausalität (Causalité) 366 f. Verstoß gegen betriebswirtschaftliche Pflichten 363 ff. – Verstoß gegen gesetzliche Pflichten 361 f. Fortführungsprognose 301 ff. – Beweislast 507 f. – Prognosegegenstand 301 ff. – Prognosezeitraum 304 f. – Wahrscheinlichkeitsmaß 305 f. Fortführungswille 306 Gamble for resurrection 96 f. Geschäftsleiterermessen 382 ff. – Action en comblement du passif 394 ff. – Funktion 382 ff. – Insolvenzverschleppungshaftung 389 ff. – Wrongful Trading 391 ff. Geschäftsleiterhaftung 239 ff. – Effizienzmaßstab 244 ff. – Einheit von Herrschaft und Haftung 239 f. – Incentives 240 f. – Informationsökonomik 241 f. – Legitimation 239 ff. – Ordoliberalismus 239 f. – Risikoallokation 242 f. Gesellschafterhaftung 192 ff. – Action en comblement du passif 586 f. – Anzeigepflicht bei hälftigem Verlust des Stammkapitals 206 ff. – Durchgriffshaftung 222 ff. – Eigenkapitalersatzrecht 209 ff. – Existenzvernichtungshaftung 230 ff. – Faktische Organschaft 537 ff. – Kapitalschutz 203 ff. – Materielle Unterkapitalisierung 226 ff. – Mindestkapitalerfordernisse 193 ff. – Vermögensvermischung 223 ff. – Wrongful Trading 566 f. Gläubigerselbstschutz 112 ff. – Beteiligung an der Schuldnerin 153 ff. – Covenants 163 ff. – Kreditsicherheiten 155 ff. – Personalsicherheiten 160 f.

– Realsicherheiten 161 f. – Risikoabgeltungstheorie 112 ff. – Arbeitnehmer 135 ff. – Dienstleister 132 ff. – Endkunden 134 f. – Finanzgläubiger 124 ff. – Praxisnähe 122 ff. – Warenkreditgeber 130 ff. – Zwangsgläubiger 139 ff. – Versicherungspflicht 173 Haftungsauslösender Zeitpunkt 246 ff. – Action en comblement du passif 337 ff. – Bedeutung 246 f. – Insolvenzverschleppungshaftung 247 ff. – Wrongful Trading 319 ff. Haftungsbeschränkung siehe Beschränkte Haftung Haftungsprivileg siehe Beschränkte Haftung Informationsmodell 594 ff. Insolvenz als Common-Pool-Problem 434 ff. Insolvenzächtung siehe faillite personnelle Insolvenzanfechtung 645 ff. Insolvenzantragspflicht – Aufsichtsratsmitglieder 546 f. – Beiratsmitglieder 546 f. – Doppelfunktion 247 ff. – Gesellschafter 537 ff. – Inhalt 341 ff. – MoMiG 413 – Strafbarkeit 478 – Subsidiäre 538 f., 546 f. – Telos 413 ff. Insolvenzgründe – Auslöser der Insolvenzverschleppungshaftung 249 – Drohende Zahlungsunfähigkeit 634 ff. – Englisches Recht 317 ff. – Französisches Recht 335 ff. – Terminierungsregeln 248 – Überschuldung 268 ff. – Zahlungsunfähigkeit 250 ff. Insolvenzverschleppungshaftung, – Adressaten 520 ff. – Altgläubiger 400 f. – Antragspflicht 341 ff.

Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – – –

Aufsichtsratsmitglieder 544 ff. Banken 547 ff. Beiratsmitglieder 544 ff. Berater 551 ff. Berufsverbot 478 ff. Beweislast 504 ff. Deliktsgläubiger 401, 409 ff. Finanzgläubiger 547 ff. Gesellschafter 537 ff. Haftungsauslösender Zeitpunkt 247 ff. Individualklagebefugnis der Neugläubiger 432 ff. – Kontrahierungsschaden 409 ff. – Konzernsachverhalte 554 ff. – Mitverschulden 421 ff. – Neugläubiger 400 f. – Quotenschaden 401 f. – Deliktsgläubiger 401 – Klagebefugnis 432 – Rechtsfolgen I: Zivilrechtliche Haftung 397 ff. – Rechtsfolgen II: Strafbarkeit und Berufsverbote 478 ff. – Rechtsökonomische Aspekte 403 ff., 416 ff. – Sanierungsfrist 346 ff. – Sanktioniertes Verhalten 341 ff. – Schutzbereich – persönlicher 400 f. – sachlicher 401 ff. – Schutzgesetzeigenschaft von § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./15a InsO 397 ff. – Strafbarkeit 478 – Subjektives Element 371 ff. – Unfreiwillige Gläubiger 401, 409 ff. – Windfall profits zu Gunsten der Altgläubiger 424 ff. – Zwangsgläubiger 401, 409 ff. Insolvenzverursachungshaftung – Cash-Flow-Orientierung 621 f. – Leveraged Buy Out 620 – MoMiG 620 ff. – Normzweck 620 – Zahlungsbegriff 623 f. – Zahlungsverbot 620 ff. Interdiction de gérer 496 ff. – Aufhebung 497 – Ermessen des Gerichts 496 f.

751

– Faillite personnelle, Abgrenzung 496 – Insolvenzantragspflicht 497 – Praktische Bedeutung 496 – Rechtsfolgen 496 f. – Tatbestand 496 f. Intrinsische Managementdisziplinierung 174 ff. – Arbeitsmarktdisziplinierung 174 ff. – Markt für Unternehmenskontrolle 177 ff. Juristische Person – Beschränkte Haftung 72 ff. – England 73 f. – Faktische Geschäftsführung 536 f. – Frankreich 73 – Wesen 73 Kapitalmarktdisziplinierung 177 ff. – Agenturkosten des Fremdkapitals 182 – Corporate raiders 178 – Funktionsmechanismus 177 f. – Greenmailing 179 – Hindernisse 180 ff. – Nicht börsennotierte Kapitalgesellschaften 182 ff. – Stand-still agreement 179 – Targeted repurchase agreement 179 – Unvollständigkeit der Übernahmedrohung 178 ff. Kapitalschutz 203 ff. – Fehlanreize 204 ff. – Kapitalaufbringung 203 f. – Kapitalerhaltung 203 f. – Opportunistisches Verhalten 204 ff. Kontrahierungsschaden 409 ff. – Ersatzfähigkeit des negativen Interesses der Deliktsgläubiger 426 ff. – Grundsätzliche Ersatzfähigkeit 409 ff. – Individualklagebefugnis der Neugläubiger 432 ff. Kreditsicherheiten 155 ff. – Asymmetrische Information 156 – Eigenkapitalersatzrecht 219 ff. – Grundlagen 155 – Opportunistisches Verhalten 156 ff. – Personalsicherheiten 160 f. – Realsicherheiten 161 f. – Sharing rules 157

752

Stichwortverzeichnis

– Sicherungsmöglichkeiten unterschiedlicher Gläubigergruppen 162 ff. – Vertrag zu Lasten Dritter 157 Krise der Kapitalgesellschaft 91 ff. – Anreizsystem bei negativer Fortführungsprognose 96 ff. – Anreizsystem bei positiver Fortführungsprognose 94 ff. – Asset withdrawal 103 f. – Endspielcharakter der Krise 121 f. – gamble for resurrection 96 f. – Last-Period-Charakter der Krise 121 f. – Rechtsökonomik der Krise 91 ff. – Trennung von Eigentum und Kontrolle 104 ff. – Überinvestition 96 ff. – Unterinvestition 101 f. Learned-Hand-Formel 370 f. Managementdisziplinierung 109 ff. – Arbeitsmarktdisziplinierung 174 ff. – Beteiligung 146 ff. – Covenants 163 ff. – Extrinsische Managementdisziplinierung 112 ff. – Intrinsische Managementdisziplinierung 174 ff. – Markt für Unternehmenskontrolle 177 ff. – Marktimmanente Managementdisziplinierung 174 ff. – Reputation 120 f. – Risikoabgeltungstheorie 112 ff. – Staat und Markt 109 ff. Market for corporate control 177 ff. – Agenturkosten des Fremdkapitals 182 – Corporate raiders 178 – Funktionsweise 177 ff. – Greenmailing 179 – Hindernisse 179 ff. – Informationseffizienz 179 f. – Krisenspezifische Fehlanreize 182 – Nicht börsennotierte Kapitalgesellschaften 182 ff. – Stand-still agreement 179 – Targeted repurchase agreement 179 Markt für Führungskräfte 174 ff.

Marktimmanente Managementdisziplinierung 174 ff. – Arbeitsmarktdisziplinierung 174 ff. – Markt für Unternehmenskontrolle 177 ff. Masselose Insolvenz – Insolvenzkostenpflichtversicherung 607 ff. – Problematik 28 – Ursachen 28 Materielle Unterkapitalisierung 226 ff. – qualifizierte materieller Unterkapitalisierung 227 – Zweck 227 f. Mindestkapitalerfordernisse 193 ff. – Fehlanreize – initiale 199 f. – krisenbedingte 200 ff. – „Flex-bv“ 194 – MoMiG 194 – Niederlande 194 – Opportunistisches Verhalten 195 ff. – Österreich 194 – Seriositätsschwelle 195 f. – Signaling 196 ff. Modigliani-Miller-Theorem 61 ff. – Claim Dilution 66 – Implikationen für nicht-perfekte Kapitalmärkte 62 ff. – Insolvenzkosten 65 – Institutionenökonomik 65 f. – Irrelevanz der Finanzierungsentscheidung 62 – Tax Shield-Effekte 64 f. – Überinvestition 66 – Unterinvestition 66 – Verwässerung 66 – Voraussetzungen 62 MoMiG – Ausweitung des Zahlungsverbots 620 ff. – Berufsverbote 478 ff – Eigenkapitalersatzrecht 210 ff., 220 ff. – Gesellschafterdarlehen, Überschuldungsbilanz 299 f. – Insolvenzantragspflicht 413 – subsidiäre 538 f. – Insolvenzverursachungshaftung 620 ff. – Materielle Unterkapitalisierung 226 – Subsidiäre Insolvenzantragspflicht 538 f.

Stichwortverzeichnis – Unternehmergesellschaft 37 f. – Zahlungsverbot 620 ff. Opportunistisches Verhalten – Asset withdrawal 103 f. – Claim dilution 66, 102 f., 219 – Eigenkapitalersatzrecht 216 ff. – Finanzierungsentscheidungen 65 f. – Kapitalgesellschaftsrecht 107 f. – Kapitalschutz 204 ff. – Krise der Kapitalgesellschaft 91 ff. – Markt für Führungskräfte 174 ff. – Mindestkapital 195 ff. – Trennung von Eigentum und Kontrolle 104 ff. – Überinvestition 66, 96 ff., 217 f. – Unterinvestition 66, 101 f., 218 – Verwässerung 66, 102 f., 219 Principal-Agent-Theorie 59 ff. – Agenturkosten 59 f. – des Eigenkapitals 60 – des Eigenkapitals und Gläubigerinteresse 92 f. – des Fremdkapitals 60 – Asymmetrische Informationsverteilung 59 – Opportunistisches Verhalten 60 f. – Theorie der Unternehmung 57 – Trennung von Eigentum und Kontrolle 60 Quotenschaden 401 f. – Klagebefugnis 432 Rechtsökonomik 46 ff. – Asymmetrische Information 54 ff. – Bounded Rationality 50 f. – Coase-Theorem 52 f. – Effizienzkriterium 51 f. – Grundlagen 46 ff. – Hicks-Kaldor-Effizienz 51 f. – Hidden Characteristics 55 – Hold Up 55 – Irrelevanz der Finanzierungsentscheidung 61 – Market for Lemons 55 f. – Modigliani-Miller-Theorem 61 ff. – Moral Hazard 55

753

– Nexus of contracts 56 – Pareto-Effizienz 51 – Präferenzstruktur 47 f. – Principal-Agent-Theorie 59 ff. – Risikoaversion 49 f. – Theorie der Unternehmung 56 ff. – Transaktionskosten 53 f. – Unsicherheit 49 – Unvollständige Information 54 Risikoabgeltungstheorie 112 ff. – Asymmetrische Information 117 ff. – Endspielcharakter der Krise 121 f. – Eskomptierung krisenspezifischer Risiken 116 f. – Hold up 119 ff. – Last-period-Charakter der Krise 121 f. – Moral Hazard 120 f. – Nachvertragliche Risikorevision 119 ff. – Praxisnähe 122 ff. – Arbeitnehmer 135 ff. – Dienstleister 132 ff. – Endkunden 134 f. – Finanzgläubiger 124 ff. – Warenkreditgeber 130 ff. – Zwangsgläubiger 139 ff. – Qualitätsunsicherheit 118 f. – Rechtsökonomische Ineffizienz 141 f. – Reputation 120 f. – Signaling 118 f. Sanctions professionelles 492 ff. Sanktioniertes Verhalten 340 ff. – Action en comblement du passif 360 ff. – Deutschland – Dreiwöchige Sanierungshöchstfrist 346 ff. – Insolvenzantragspflicht 341 ff. – Insolvenzverschleppungshaftung 341 ff. – Wrongful Trading 352 ff. Schutzschirmverfahren 640 ff. Solvenztest 609 ff. – Kritik 609 ff. – Opportunistisches Verhalten in der Krise 613 ff. – Struktur 609 ff. Subjektives Element – Action en comblement du passif 381 ff. – Insolvenzverschleppungshaftung 371 ff.

754

Stichwortverzeichnis

– Learned-Hand-Formel 370 f. – Rechtsökonomische Anforderungen 369 ff. – Wrongful Trading 376 ff. Theorie der Unternehmung 56 ff. – Coase 57 – Nexus of contracts 56 – Principal-Agent-Theorie 57 – Shirking 57 – Transaktionskosten 57 Transaktionskosten 53 f. – Coase Theorem 53 f. Überinvestition – Covenants 166 – Krise der Kapitalgesellschaft 96 ff. – Trennung von Eigentum und Kontrolle 106 ff. Überschuldung 268 ff. – Aktiva, Ansatz von 296 – Beweislast 505 ff. – Fortführungsprognose 507 f. – Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen 299 ff. – Einstufig-dynamische 279 ff. – Einstufige 275 ff. – Einstufig-statische 275 ff. – Eröffnungsgrund 270 ff. – Feststellung 274 f. – Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) 308 ff. – Firmenwert, Berücksichtigungsfähigkeit 297 f. – Fortführungsprognose 301 ff. – Beweislast 507 f. – Fortführungswille 306 – Prognosegegenstand 301 ff. – Prognosegegenzeitraum 304 f. – Wahrscheinlichkeitsmaß 305 f. – Haftungsauslösender Zeitpunkt 273 f. – im Rechtssinne 283 ff. – Immaterielle Vermögenswerte, Ansatz von 296 f. – Passiva, Ansatz von 298 f. – Überschuldungsbegriff der InsO 289 ff. – Verfahrenskosten 301 – Wesen 268 ff.

– Zweigliedrige 283 ff. Unfreiwillige Gläubiger – Covenants 169 f. – Insolvenzrechtliche Lösung 605 ff. – Pro-Rata-Haftung 598 ff. – Versicherungslösung 602 ff. Unterinvestition – Covenants 166 – Krise der Kapitalgesellschaft 101 f. – Trennung von Eigentum und Kontrolle 106 f. Unternehmergesellschaft 37 f. Vermögensvermischung 223 ff. – affirmative asset partitioning 224 – opportunistisches Verhalten 225 Verwässerung – Covenants 166 – Krise der Kapitalgesellschaft 102 f. – Trennung von Eigentum und Kontrolle 107 Wrongful Trading – Adressaten 556 ff. – Begünstigte Gläubigergruppen 452 ff. – Beweislast 513 ff. – de facto directors 557 ff. – de iure directors 557 – Directors 556 – Ermessen 391 ff. – Insolvenzreife, Verhältnis zu 314 ff. – Klagebefugnis 454 ff. – Rechtsfolgen I: Zivilrechtliche Haftung 444 ff. – Rechtsfolgen II: Disqualification 483 ff. – Sanktioniertes Verhalten 352 ff. – Shadow Directors 561 ff. – Subjektives Element 376 ff. – Tertiäre Kosten 455 ff. – Verhältnis de facto – shadow directors 563 ff. Zahlungsunfähigkeit 250 ff. – Beweislast 504 ff. – Drohende 634 ff. – Ernstliches Einfordern 265 f. – Haftungsauslösender Zeitpunkt 253 f. – Liquiditätslücken 261 ff.

Stichwortverzeichnis – – – – – –

Terminierungsregel 250 ff. Wesentlichkeit 261 ff. Zahlungseinstellung 256 f. Zahlungspflichten 255 f. Zahlungsstockung 257 ff. Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO 254 ff. – Zahlungsunwilligkeit 264 f. Zahlungsverbot 614 ff. – Ausweitung durch MoMiG 620 ff. – Insolvenzverursachungshaftung 620 ff. – MoMiG 620 ff. – Normzweck 616 f. – Rechtsfolgen 616 ff.

755

– Sanierungsfrist 614 f. – Tatbestand 614 ff. – Verschulden 618 – Vertretbarkeitskontrolle 618 f. – Zahlungsbegriff 615 f. Zivilrechtrechtliche Evidenzhaftung 656 ff. – Adressaten 657 – Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen 661 – Haftungsauslösender Zeitpunkt 657 – Sanktioniertes Verhalten 658 f. – Subjektives Element 659 ff. Zwangsgläubiger siehe unfreiwillige Gläubiger