UWG: Band 3 §§ 8-22; Register [2. neu bearb. u. erw. Aufl.] 9783110279306, 9783110278255

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German Pages 1584 Year 2014

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Table of contents :
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
§ 8 Beseitigung und Unterlassung
Schrifttum
Systematische Übersicht
Alphabetische Übersicht
A. Einführung
I. Entstehungsgeschichte
II. Bedeutung
B. Wettbewerbsrechtliche Abwehransprüche (Absatz 1)
I. Allgemeines
II. Unterlassungsansprüche (Absatz 1 Satz 1 Var. 2 und Satz 2)
III. Beseitigungsanspruch (Absatz 1 Satz 1 Var. 1)
C. Schuldner der Abwehransprüche
I. Haftung für eigenes Verhalten
II. Haftung für fremdes Verhalten
III. Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte (Absatz 2)
IV. Haftung mehrerer
V. Haftung bei Rechtsnachfolge
D. Gläubiger der Abwehransprüche
I. Allgemeines
II. Mitbewerber (Absatz 3 Nr. 1)
III. Verbände (Absatz 3 Nr. 2)
IV. Qualifizierte Einrichtungen zum Schutz von Verbraucherinteressen (Absatz 3 Nr. 3)
V. Kammern (Absatz 3 Nr. 4)
E. Missbräuchliche Geltendmachung von Abwehransprüchen (Absatz 4)
I. Entstehungsgeschichte und Normzweck
II. Rechtsnatur und Rechtsfolgen
III. Anwendungsbereich
IV. Tatbestandsvoraussetzungen
V. Beweislast
VI. Absatz 4 Satz 2
VII. Absatz 4 Satz 3
F. Spezieller Auskunftsanspruch (Absatz 5)
I. Allgemeines
II. Auskunftsberechtigte
III. Auskunftsverpflichtete
IV. Voraussetzungen der Auskunftserteilung
V. Gegenstand der Auskunftserteilung
VI. Kosten der Auskunftserteilung
VII. Durchsetzung der Auskunftserteilung
VIII. Unanwendbarkeit des UKlaG im Übrigen (Absatz 5 Satz 2)
IX. Normtext des § 13 UKlaG
G. Verwirkung
I. Allgemeines
II. Tatbestandsvoraussetzungen
III. Rechtsfolgen
IV. Prozessuales
§ 9 Schadensersatz
Schrifttum
Systematische Übersicht
Alphabetische Übersicht
A. Einführung
I. Entstehungsgeschichte
II. Bedeutung und Funktionen
III. Rechtsnatur und systematische Verortung
IV. Konkurrenzen
B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)
I. Tatbestandsvoraussetzungen
II. Gläubiger und Schuldner
III. Inhalt und Umfang
IV. Dreifache Schadensberechnung
V. Mitverschulden
C. Presseprivileg (Satz 2)
I. Normzweck und Rechtsentwicklung
II. Anwendungsbereich und Reichweite
III. Darlegungs- und Beweislast
D. Bereicherungsanspruch
I. Anwendungsbereich und Grundsätzliches
II. Voraussetzungen
III. Inhalt und Umfang
IV. Haftung mehrerer und Mitverschulden
V. Verjährung und Konkurrenzen
E. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag
F. Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Besichtigung
I. Grundsätzliches
II. Arten und Rechtsgrundlagen der Auskunftsansprüche
III. Rechnungslegungsanspruch
IV. Voraussetzungen der Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche
V. Inhalt, Umfang und Grenzen der Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht
VI. Erfüllung und Durchsetzung
VII. Verjährung
VIII. Anspruch auf Besichtigung (§ 809 BGB)
§ 10 Gewinnabschöpfung
Schrifttum
Systematische Übersicht
Alphabetische Übersicht
A. Allgemeines
I. Entstehungsgeschichte
II. Europäische Entwicklung
III. Zweck der Regelung
IV. Rechtspolitische Diskussion
V. Rechtsnatur des Gewinnabschöpfungsanspruchs
B. Tatbestand
I. Vorsätzliches Fehlverhalten
II. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern
C. Rechtsfolgen
I. Passivlegitimation
II. Aktivlegitimation
III. Abschöpfung von Gewinnen zugunsten des Bundeshaushalts
IV. Anrechnung anderer Leistungen
D. Durchsetzung und Verfahren
I. Zulässigkeit der Klage
II. Beweis
III. Wirkung des Urteils
IV. Follow-on-Klagen
V. Verjährung
E. Internationalrechtliche Fragen
I. Rechtsvergleichender Überblick
II. Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile
III. Das Internationale Privatrecht der Gewinnabschöpfung
§ 11 Verjährung
Schrifttum
Systematische Übersicht
Alphabetische Übersicht
A. Einführung
I. Entstehungsgeschichte
II. Zweck der Verjährung
III. Bedeutung und Systematik der Vorschrift
IV. Anwendungsbereich
B. Einzelheiten
I. Regelmäßige Verjährung (Absätze 1, 2)
II. Verjährungshöchstfristen (Absätze 3, 4)
III. Einwirkung auf den Lauf der Verjährung
IV. Rechtsfolgen der Verjährung
C. Verfahrensrechtliches
I. Prozessuale Behandlung der Verjährung
II. Darlegungs- und Beweislast
KAPITEL 3.Verfahrensvorschriften
§ 12 Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung
Systematische Übersicht
A. Besonderheiten des Klageverfahrens
I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg
Schrifttum
Systematische Übersicht
II. Insbesondere: Das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage
Schrifttum
Systematische Übersicht
III. Unterlassungsklage
Schrifttum
Systematische Übersicht
Schrifttum
Systematische Übersicht
V. Besondere Klagearten
Schrifttum
Systematische Übersicht
VI. Beweis und Beweislast
Schrifttum
Systematische Übersicht
Schrifttum
Systematische Übersicht
VIII. Rechtskraft
Schrifttum
Systematische Übersicht
IX. Erledigung der Hauptsache
Schrifttum
Systematische Übersicht
X. Kosten
Schrifttum
Systematische Übersicht
XI. Vergleich
Schrifttum
Systematische Übersicht
XII. Zwangsvollstreckung
Schrifttum
Systematische Übersicht
B. Abmahnung und Unterwerfung
Schrifttum
Systematische Übersicht
Alphabetische Übersicht
I. Abmahnung
II. Unterwerfung
C. Einstweilige Verfügung, Abschlusserklärung und Abschlussschreiben
Schrifttum
Systematische Übersicht
I. Einleitung
II. Zuständigkeit
III. Inadäquater Verfügungsanspruch
IV. Verfügungsgrund
V. Das Gerichtsverfahren
VI. Anordnung der Klageerhebung (§ 926 ZPO)
VII. Der Aufhebungsantrag (§ 927 ZPO)
IX. Die Abschlusserklärung
X. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung
XI. Schadensersatz nach § 945 ZPO
XII. Die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung
D. Aufbrauchfrist
Schrifttum
Systematische Übersicht
I. Einführung
II. Rechtsgrundlage
III. Voraussetzungen
IV. Rechtsfolgen
V. Dauer
VI. Prozessuale Behandlung
E. Urteilsveröffentlichung
Schrifttum
Systematische Übersicht
Alphabetische Übersicht
I. Einleitung
II. Tatbestandsvoraussetzungen
III. Art und Umfang der Bekanntmachung
IV. Veröffentlichungsfrist
V. Kosten und Vollstreckung
F. Streitwert und Streitwertermäßigung, § 12 Abs. 4
Schrifttum
Systematische Übersicht
I. Der volle Streitwert
II. Streitwertbegünstigung
§ 13 Sachliche Zuständigkeit
Schrifttum
Systematische Übersicht
A. Entstehungsgeschichte
B. Übersicht; Normzweck
C. Anwendungsbereich
I. Bürgerliche Rechtsstreitigkeit
II. Ansprüche auf Grund des UWG
D. Prüfung der Zuständigkeitsvoraussetzungen
E. Besondere Verfahrensarten
F. Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen, § 13 Abs. 1 S. 2
G. Konzentrationsermächtigung, Abs. 2
§ 14 Örtliche Zuständigkeit
Schrifttum
Systematische Übersicht
A. Entstehungsgeschichte
B. Normzweck; Überblick
C. Verfahrensfragen
D. Klagen auf Grund dieses Gesetzes
E. Gerichtsstand der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Niederlassung, § 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 1
F. Gerichtsstand des Wohnsitzes, § 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2
G. Gerichtsstand des inländischen Aufenthaltsortes, § 14 Abs. 1 S. 2
H. Gerichtsstand des Begehungsorts, § 14 Abs. 2 S. 1
I. Beschränkung des Gerichtsstands des Begehungsorts, § 14 Abs. 2 S. 2
§ 15 Einigungsstellen
Schrifttum
Gesetzgebungsmaterialien
Systematische Übersicht
Alphabetische Übersicht
A. Einführung
I. Entstehungsgeschichte
II. Inhalt und Zweck der Regelung
III. Anwendungsbereich
B. Allgemeines zu Einigungsstellen
I. Historische Entwicklung
II. Rechtsquellen
III. Status und Wesen der Einigungsstellen
IV. Abgrenzung der Einigungsstellen
V. Vorzüge und Nachteile der Einigungsstellen, Kritik
C. Errichtung und Geschäftsführung, Aufsicht und Amtshaftung
I. Errichtung der Einigungsstellen
II. Geschäftsführung der Einigungsstellen
III. Aufsicht über die Einigungsstellen
IV. Amtshaftung bei Amtspflichtverletzungen
D. Besetzung der Einigungsstellen
I. Berufung zu Mitgliedern der Einigungsstelle
II. Besetzung der Einigungsstelle im konkreten Streitfall
III. Ausschließung und Ablehnung von Mitgliedern der Einigungsstelle
E. Zuständigkeit der Einigungsstelle
I. Örtliche Zuständigkeit
II. Sachliche Zuständigkeit
F. Verfahren der Einigungsstelle
I. Antragsbefugnis
II. Antragserfordernis
III. Vorprüfung
IV. Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
V. Mündliche Verhandlung
VI. Beendigung des Einigungsstellenverfahrens
VII. Kosten des Einigungsstellenverfahrens
G. Zwangsvollstreckung aus Einigungsstellenvergleichen
I. Allgemeine Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung
II. Besondere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung
H. Materiellrechtliche Wirkungen des Einigungsstellenverfahrens
I. Keine Auswirkungen auf den geltend gemachten Anspruch
II. Hemmung der Verjährung
III. Begründung eines Schuldverhältnisses
J. Verfahrensrechtliche Wirkungen des Einigungsstellenverfahrens
I. Anrufung der Einigungsstelle vor Einleitung gerichtlicher Verfahren
II. Anrufung der Einigungsstelle nach Einleitung gerichtlicher Verfahren
Anhang
Durchführungsverordnungen der Länder
§ 16 Strafbare Werbung
Schrifttum
Systematische Übersicht
Alphabetische Übersicht
A. Allgemeines und Entstehungsgeschichte
B. Deliktsstruktur
C. Die strafbare irreführende Werbung nach Absatz 1
I. Vergleich zum früheren § 4
II. Schutzzweck der Norm
III. Verhältnis zu den §§ 5 und 5a
IV. Verhältnis zu § 263 StGB
V. Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG)
VI. Objektiver Tatbestand
VII. Subjektiver Tatbestand
VIII. Verbotsirrtum
IX. Vollendung und Beendigung
X. Täterkreis
XI. Strafverfolgung
XII. Verjährung
XIII. Strafe
XIV. Konkurrenzen
XV. Zivilrechtliche Folgen
D. Die progressive Kundenwerbung nach § 16 Abs. 2
I. Schutzzweck der Norm
II. Erscheinungsformen
III. Strafwürdigkeit von Schneeball- und Pyramidensystemen
IV. Objektiver Tatbestand
V. Subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld
VI. Konkurrenzen
VII. Strafverfolgung
VIII. Verjährung
IX. Strafe
X. Zivilrechtliche Folgen
§ 17 Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen
Schrifttum
Zu den §§ 17 bis 20
Systematische Übersicht
Alphabetische Übersicht
A. Allgemeines
I. Schutzzweck und Gesetzessystematik
II. Entstehungsgeschichte
B. Das Geschäfts- und Betriebsgeheimnis
I. Wirtschaftsgeheimnis als gemeinsamer Oberbegriff zum Geschäfts- und Betriebsgeheimnis
II. Begriffliche Merkmale des Wirtschaftsgeheimnisses
III. Beispiele für Wirtschaftsgeheimnisse
C. Der Geheimnisverrat durch Beschäftigte (Absatz 1)
I. Der objektive Tatbestand
II. Der subjektive Tatbestand
III. Die Rechtswidrigkeit
IV. Beteiligung
D. Betriebsspionage (Absatz 2 Nr. 1)
I. Der objektive Tatbestand
II. Der subjektive Tatbestand
III. Die Rechtswidrigkeit
E. Geheimnishehlerei (Absatz 2 Nr. 2)
I. Der objektive Tatbestand
II. Der subjektive Tatbestand
III. Rechtswidrigkeit
F. Versuch (Absatz 3)
I. Der (versuchte) Geheimnisverrat durch Beschäftigte (Absatz 1)
II. Die (versuchte) Betriebsspionage (Absatz 2 Nr. 1)
III. Die (versuchte) Geheimnishehlerei (Absatz 2 Nr. 2)
G. Konkurrenzen
H. Strafverfolgung und (strafrechtliche) Rechtsfolgen
I. Der Regelstrafrahmen
II. Besondere schwere Fälle (Absatz 4)
III. Strafverfolgung (Absatz 5)
I. Im Ausland begangene Taten (Absatz 6)
I. Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts
II. Der Wortlaut des § 5 Nr. 7 StGB
III. Der Schutzbereich des § 5 Nr. 7 StGB
IV. Anwendbarkeit des § 17 bei Verletzung ausländischer Unternehmen durch Inländer
§ 18 Verwertung von Vorlagen
Schrifttum
Systematische Übersicht
Alphabetische Übersicht
A. Allgemeines
I. Schutzzweck und Gesetzessystematik
II. Entstehungsgeschichte
B. Die Verwertung von Vorlagen (Absatz 1)
I. Der objektive Tatbestand
II. Der subjektive Tatbestand
III. Die Rechtswidrigkeit
C. Versuch (Absatz 2)
D. Konkurrenzen
E. Strafverfolgung
I. Das Antragserfordernis (Absatz 3)
II. Privatklage
F. Im Ausland begangene Taten (Absatz 4)
§ 19 Verleiten und Erbieten zum Verrat
Schrifttum
Systematische Übersicht
Alphabetische Übersicht
A. Allgemeines
I. Schutzzweck und Gesetzessystematik
II. Entstehungsgeschichte
B. Die versuchte Anstiftung (Absatz 1)
I. Der Versuch der Anstiftung (Absatz 1 Mod. 1)
II. Der Versuch der mittelbaren Anstiftung (Absatz 1 Mod. 2)
C. Erbieten oder Verabredung zum Verrat (Absatz 2)
I. Das Sichbereiterklären zur Tatbegehung (Absatz 2 Mod. 1)
II. Die Annahme des Erbietens (Absatz 2 Mod. 2)
III. Verabredung zur Tatbegehung (Absatz 2 Mod. 3)
D. Rücktritt vom Versuch (Absatz 3)
E. Konkurrenzen
F. Strafverfolgung und (strafrechtliche) Rechtsfolgen
I. Das Antragserfordernis (Absatz 4)
II. Privatklage und Nebenklage
G. Im Ausland begangen Taten (Absatz 5)
§ 20 Bußgeldvorschriften
Systematische Übersicht
Alphabetische Übersicht
A. Allgemeines
I. Entstehungsgeschichte
II. Schutzzweck und Gesetzessystematik
B. Der objektive Tatbestand
I. Der Täter
II. Die Tathandlung
C. Der subjektive Tatbestand
I. Vorsatz
II. Fahrlässigkeit
D. Rechtsfolge und Ahndung
Sachregister
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UWG: Band 3 §§ 8-22; Register [2. neu bearb. u. erw. Aufl.]
 9783110279306, 9783110278255

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Großkommentare der Praxis

I

II

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Großkommentar 2., neu bearbeitete Auflage begründet von Rainer Jacobs, Walter F. Lindacher, Otto Teplitzky herausgegeben von Otto Teplitzky, Karl-Nikolaus Peifer, Matthias Leistner Dritter Band §§ 8–20; Register Bearbeiter: §§ 8, 9: Boris P. Paal § 10: Dörte Poelzig § 11: Guido Toussaint § 12 Abschnitt A: Marcus Grosch/Jan Ebersohl/Nadine Herrmann/Jörn Feddersen § 12 Abschnitt B: Jörn Feddersen § 12 Abschnitt C: Emil Schwippert § 12 Abschnitt D: Nadine Herrmann § 12 Abschnitt E: Jörn Feddersen § 12 Abschnitt F: Jan Ebersohl §§ 13, 14: Carsten Zülch § 15: Wolfgang Nippe §§ 16–20: Gereon Wolters

III

Stand der Bearbeitung: Juli 2014 Zitiervorschlag: z.B.: GK-UWG/Paal § 8 Rn. 2

ISBN 978-3-11-027825-5 e-ISBN 978-3-11-027928-3

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston Datenkonvertierung und Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: Druckerei C.H.Beck, Nördlingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

IV

Verzeichnis der Bearbeiter

Verzeichnis der Bearbeiter der 2. Auflage Verzeichnis der Bearbeiter Verzeichnis der Bearbeiter Dr. Jan Ebersohl, Rechtsanwalt in Mannheim Jörn Feddersen, Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg Professor Dr. Jörg Fritzsche, Professor an der Universität Regensburg Professor Dr. Jochen Glöckner, Professor an der Universität Konstanz Dr. Marcus Grosch, Rechtsanwalt in Mannheim/München Professor Dr. Axel Halfmeier, Professor an der Leuphana Universität Lüneburg Dr. Christian A. Heinze, Wissenschaftlicher Referent beim Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Dr. Nadine Herrmann, Rechtsanwältin in Hamburg Professor Dr. Nadine Klass, Professorin an der Universität Siegen Professor Dr. Matthias Leistner, Professor an der Universität Bonn Professor Dr. Walter Lindacher, em. Professor an der Universität Trier Professor Dr. Axel Metzger, Professor an der Universität Hannover Dr. Wolfgang Nippe, Rechtsanwalt in Dresden, Mitglied der Geschäftsführung der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. Professor Dr. Eva Inés Obergfell, Professorin an der Humboldt-Universität zu Berlin Professor Dr. Boris P. Paal, Professor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Professor Dr. Louis Pahlow, Professor an der Universität Frankfurt a.M. Professor Dr. Karl-Nikolaus Peifer, Professor an der Universität zu Köln Professor Dr. Alexander Peukert, Professor an der Universität Frankfurt Professor Dr. Dörte Poelzig, Professorin an der Universität Passau Professor Dr. Wolfgang B. Schünemann, em. Professor an der Technischen Universität Dortmund Dr. Emil Schwippert, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Köln a.D. Professor Dr. Otto Teplitzky, Richter am Bundesgerichtshof a.D., Karlsruhe, Honorarprofessor an der Universität Bonn Dr. Guido Toussaint, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Professor Dr. Gereon Wolters, Professor an der Universität Bochum Dr. Carsten Zülch, Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe

V

Verzeichnis der Bearbeiter

VI

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ______ XVII Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur ______ XXIX § 8 Beseitigung und Unterlassung ______ 1 Schrifttum ______ 1 Systematische Übersicht ______ 8 Alphabetische Übersicht ______ 13 A. Einführung ______ 14 I. Entstehungsgeschichte ______ 14 II. Bedeutung ______ 14 B. Wettbewerbsrechtliche Abwehransprüche (Absatz 1) ______ 15 I. Allgemeines ______ 15 II. Unterlassungsansprüche (Absatz 1 Satz 1 Var. 2 und Satz 2) ______ 15 III. Beseitigungsanspruch (Absatz 1 Satz 1 Var. 1) ______ 39 C. Schuldner der Abwehransprüche ______ 50 I. Haftung für eigenes Verhalten ______ 50 II. Haftung für fremdes Verhalten ______ 67 III. Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte (Absatz 2) ______ 71 IV. Haftung mehrerer ______ 91 V. Haftung bei Rechtsnachfolge ______ 92 D. Gläubiger der Abwehransprüche ______ 93 I. Allgemeines ______ 93 II. Mitbewerber (Absatz 3 Nr. 1) ______ 99 III. Verbände (Absatz 3 Nr. 2) ______ 101 IV. Qualifizierte Einrichtungen zum Schutz von Verbraucherinteressen (Absatz 3 Nr. 3) ______ 110 V. Kammern (Absatz 3 Nr. 4) ______ 153 E. Missbräuchliche Geltendmachung von Abwehransprüchen (Absatz 4) ______ 154 I. Entstehungsgeschichte und Normzweck ______ 154 II. Rechtsnatur und Rechtsfolgen ______ 156 III. Anwendungsbereich ______ 156 IV. Tatbestandsvoraussetzungen ______ 158 V. Beweislast ______ 165 VI. Absatz 4 Satz 2 ______ 166 VII. Absatz 4 Satz 3 ______ 167 F. Spezieller Auskunftsanspruch (Absatz 5) ______ 168 I. Allgemeines ______ 168 II. Auskunftsberechtigte ______ 168 III. Auskunftsverpflichtete ______ 168 IV. Voraussetzungen der Auskunftserteilung ______ 169 V. Gegenstand der Auskunftserteilung ______ 169 VI. Kosten der Auskunftserteilung ______ 169 VII. Durchsetzung der Auskunftserteilung ______ 170 VIII. Unanwendbarkeit des UKlaG im Übrigen (Absatz 5 Satz 2) ______ 170 IX. Normtext des § 13 UKlaG ______ 171 VII

Inhaltsverzeichnis

G. Verwirkung ______ 171 I. Allgemeines ______ 171 II. Tatbestandsvoraussetzungen ______ 178 III. Rechtsfolgen ______ 191 IV. Prozessuales ______ 192 § 9 Schadensersatz ______ 193 Schrifttum ______ 193 Systematische Übersicht ______ 197 Alphabetische Übersicht ______ 199 A. Einführung ______ 200 I. Entstehungsgeschichte ______ 200 II. Bedeutung und Funktionen ______ 201 III. Rechtsnatur und systematische Verortung ______ 202 IV. Konkurrenzen ______ 203 B. Schadensersatzanspruch (Satz 1) ______ 204 I. Tatbestandsvoraussetzungen ______ 204 II. Gläubiger und Schuldner ______ 211 III. Inhalt und Umfang ______ 218 IV. Dreifache Schadensberechnung ______ 223 V. Mitverschulden ______ 230 C. Presseprivileg (Satz 2) ______ 232 I. Normzweck und Rechtsentwicklung ______ 232 II. Anwendungsbereich und Reichweite ______ 233 III. Darlegungs- und Beweislast ______ 235 D. Bereicherungsanspruch ______ 235 I. Anwendungsbereich und Grundsätzliches ______ 235 II. Voraussetzungen ______ 236 III. Inhalt und Umfang ______ 238 IV. Haftung mehrerer und Mitverschulden ______ 240 V. Verjährung und Konkurrenzen ______ 240 E. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag ______ 240 F. Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Besichtigung ______ 241 I. Grundsätzliches ______ 241 II. Arten und Rechtsgrundlagen der Auskunftsansprüche ______ 241 III. Rechnungslegungsanspruch ______ 243 IV. Voraussetzungen der Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche ______ 244 V. Inhalt, Umfang und Grenzen der Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht ______ 245 VI. Erfüllung und Durchsetzung ______ 250 VII. Verjährung ______ 252 VIII. Anspruch auf Besichtigung (§ 809 BGB) ______ 253

VIII

Inhaltsverzeichnis

§ 10 Gewinnabschöpfung ______ 254 Schrifttum ______ 254 Systematische Übersicht ______ 257 Alphabetische Übersicht ______ 259 A. Allgemeines ______ 260 I. Entstehungsgeschichte ______ 260 II. Europäische Entwicklung ______ 264 III. Zweck der Regelung ______ 266 IV. Rechtspolitische Diskussion ______ 269 V. Rechtsnatur des Gewinnabschöpfungsanspruchs ______ 279 B. Tatbestand ______ 285 I. Vorsätzliches Fehlverhalten ______ 285 II. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern ______ 289 C. Rechtsfolgen ______ 301 I. Passivlegitimation ______ 301 II. Aktivlegitimation ______ 303 III. Abschöpfung von Gewinnen zugunsten des Bundeshaushalts ______ 306 IV. Anrechnung anderer Leistungen ______ 310 D. Durchsetzung und Verfahren ______ 315 I. Zulässigkeit der Klage ______ 315 II. Beweis ______ 321 III. Wirkung des Urteils ______ 330 IV. Follow-on-Klagen ______ 331 V. Verjährung ______ 332 E. Internationalrechtliche Fragen ______ 333 I. Rechtsvergleichender Überblick ______ 333 II. Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile ______ 335 III. Das Internationale Privatrecht der Gewinnabschöpfung ______ 336 § 11 Verjährung ______ 336 Schrifttum ______ 337 Systematische Übersicht ______ 338 Alphabetische Übersicht ______ 339 A. Einführung ______ 340 I. Entstehungsgeschichte ______ 340 II. Zweck der Verjährung ______ 342 III. Bedeutung und Systematik der Vorschrift ______ 343 IV. Anwendungsbereich ______ 346 B. Einzelheiten ______ 358 I. Regelmäßige Verjährung (Absätze 1, 2) ______ 358 II. Verjährungshöchstfristen (Absätze 3, 4) ______ 371 III. Einwirkung auf den Lauf der Verjährung ______ 371 IV. Rechtsfolgen der Verjährung ______ 382 C. Verfahrensrechtliches ______ 385 I. Prozessuale Behandlung der Verjährung ______ 385 II. Darlegungs- und Beweislast ______ 387

IX

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 3 Verfahrensvorschriften § 12 Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung ______ 389 Systematische Übersicht ______ 390 A. Besonderheiten des Klageverfahrens ______ 391 I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg ______ 391 Schrifttum ______ 391 Systematische Übersicht ______ 391 II. Insbesondere: Das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage ______ 408 Schrifttum ______ 408 Systematische Übersicht ______ 409 III. Unterlassungsklage ______ 421 Schrifttum ______ 421 Systematische Übersicht ______ 422 Schrifttum ______ 539 Systematische Übersicht ______ 539 V. Besondere Klagearten ______ 560 Schrifttum ______ 560 Systematische Übersicht ______ 561 VI. Beweis und Beweislast ______ 587 Schrifttum ______ 587 Systematische Übersicht ______ 587 Schrifttum ______ 614 Systematische Übersicht ______ 615 VIII. Rechtskraft ______ 624 Schrifttum ______ 624 Systematische Übersicht ______ 625 IX. Erledigung der Hauptsache ______ 654 Schrifttum ______ 654 Systematische Übersicht ______ 654 X. Kosten ______ 669 Schrifttum ______ 669 Systematische Übersicht ______ 670 XI. Vergleich ______ 684 Schrifttum ______ 684 Systematische Übersicht ______ 684 XII. Zwangsvollstreckung ______ 702 Schrifttum ______ 702 Systematische Übersicht ______ 702 B. Abmahnung und Unterwerfung ______ 753 Schrifttum ______ 753 Systematische Übersicht ______ 760 Alphabetische Übersicht ______ 761 I. Abmahnung ______ 765 II. Unterwerfung ______ 825 C. Einstweilige Verfügung, Abschlusserklärung und Abschlussschreiben ______ 893 Schrifttum ______ 893 X

Inhaltsverzeichnis

Systematische Übersicht ______ 897 I. Einleitung ______ 901 II. Zuständigkeit ______ 902 III. Inadäquater Verfügungsanspruch ______ 907 IV. Verfügungsgrund ______ 912 V. Das Gerichtsverfahren ______ 948 VI. Anordnung der Klageerhebung (§ 926 ZPO) ______ 992 VII. Der Aufhebungsantrag (§ 927 ZPO) ______ 1001 IX. Die Abschlusserklärung ______ 1021 X. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ______ 1026 XI. Schadensersatz nach § 945 ZPO ______ 1045 XII. Die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung ______ 1060 D. Aufbrauchfrist ______ 1067 Schrifttum ______ 1067 Systematische Übersicht ______ 1067 I. Einführung ______ 1067 II. Rechtsgrundlage ______ 1069 III. Voraussetzungen ______ 1075 IV. Rechtsfolgen ______ 1078 V. Dauer ______ 1078 VI. Prozessuale Behandlung ______ 1080 E. Urteilsveröffentlichung ______ 1082 Schrifttum ______ 1082 Systematische Übersicht ______ 1083 Alphabetische Übersicht ______ 1083 I. Einleitung ______ 1084 II. Tatbestandsvoraussetzungen ______ 1091 III. Art und Umfang der Bekanntmachung ______ 1097 IV. Veröffentlichungsfrist ______ 1100 V. Kosten und Vollstreckung ______ 1100 F. Streitwert und Streitwertermäßigung, § 12 Abs. 4 ______ 1102 Schrifttum ______ 1102 Systematische Übersicht ______ 1102 I. Der volle Streitwert ______ 1103 II. Streitwertbegünstigung ______ 1131 § 13 Sachliche Zuständigkeit ______ 1141 Schrifttum ______ 1141 Systematische Übersicht ______ 1142 A. Entstehungsgeschichte ______ 1142 B. Übersicht; Normzweck ______ 1143 C. Anwendungsbereich ______ 1144 I. Bürgerliche Rechtsstreitigkeit ______ 1144 II. Ansprüche auf Grund des UWG ______ 1144 D. Prüfung der Zuständigkeitsvoraussetzungen ______ 1152 E. Besondere Verfahrensarten ______ 1153 F. Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen, § 13 Abs. 1 S. 2 ______ 1155 G. Konzentrationsermächtigung, Abs. 2 ______ 1159 XI

Inhaltsverzeichnis

§ 14 Örtliche Zuständigkeit ______ 1160 Schrifttum ______ 1160 Systematische Übersicht ______ 1163 A. Entstehungsgeschichte ______ 1163 B. Normzweck; Überblick ______ 1172 C. Verfahrensfragen ______ 1173 D. Klagen auf Grund dieses Gesetzes ______ 1181 E. Gerichtsstand der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Niederlassung, § 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 ______ 1181 F. Gerichtsstand des Wohnsitzes, § 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ______ 1185 G. Gerichtsstand des inländischen Aufenthaltsortes, § 14 Abs. 1 S. 2 ______ 1186 H. Gerichtsstand des Begehungsorts, § 14 Abs. 2 S. 1 ______ 1187 I. Beschränkung des Gerichtsstands des Begehungsorts, § 14 Abs. 2 S. 2 ______ 1196 § 15 Einigungsstellen ______ 1197 Schrifttum ______ 1199 Gesetzgebungsmaterialien ______ 1200 Systematische Übersicht ______ 1200 Alphabetische Übersicht ______ 1203 A. Einführung ______ 1204 I. Entstehungsgeschichte ______ 1204 II. Inhalt und Zweck der Regelung ______ 1205 III. Anwendungsbereich ______ 1206 B. Allgemeines zu Einigungsstellen ______ 1207 I. Historische Entwicklung II. Rechtsquellen ______ 1213 III. Status und Wesen der Einigungsstellen ______ 1216 IV. Abgrenzung der Einigungsstellen ______ 1217 V. Vorzüge und Nachteile der Einigungsstellen, Kritik ______ 1220 C. Errichtung und Geschäftsführung, Aufsicht und Amtshaftung ______ 1225 I. Errichtung der Einigungsstellen ______ 1225 II. Geschäftsführung der Einigungsstellen ______ 1226 III. Aufsicht über die Einigungsstellen ______ 1227 IV. Amtshaftung bei Amtspflichtverletzungen ______ 1227 D. Besetzung der Einigungsstellen ______ 1228 I. Berufung zu Mitgliedern der Einigungsstelle ______ 1229 II. Besetzung der Einigungsstelle im konkreten Streitfall ______ 1237 III. Ausschließung und Ablehnung von Mitgliedern der Einigungsstelle ______ 1238 E. Zuständigkeit der Einigungsstelle ______ 1242 I. Örtliche Zuständigkeit ______ 1242 II. Sachliche Zuständigkeit ______ 1243 F. Verfahren der Einigungsstelle ______ 1250 I. Antragsbefugnis ______ 1250 II. Antragserfordernis ______ 1251 III. Vorprüfung ______ 1253 IV. Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ______ 1255 V. Mündliche Verhandlung ______ 1263 XII

Inhaltsverzeichnis

VI. Beendigung des Einigungsstellenverfahrens ______ 1281 VII. Kosten des Einigungsstellenverfahrens ______ 1289 G. Zwangsvollstreckung aus Einigungsstellenvergleichen ______ 1300 I. Allgemeine Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung ______ 1300 II. Besondere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung ______ 1301 H. Materiellrechtliche Wirkungen des Einigungsstellenverfahrens ______ 1305 I. Keine Auswirkungen auf den geltend gemachten Anspruch ______ 1305 II. Hemmung der Verjährung ______ 1305 III. Begründung eines Schuldverhältnisses ______ 1312 J. Verfahrensrechtliche Wirkungen des Einigungsstellenverfahrens ______ 1313 I. Anrufung der Einigungsstelle vor Einleitung gerichtlicher Verfahren ______ 1313 II. Anrufung der Einigungsstelle nach Einleitung gerichtlicher Verfahren ______ 1320 Anhang Durchführungsverordnungen der Länder ______ 1324 § 16 Strafbare Werbung ______ 1370 Schrifttum ______ 1370 Systematische Übersicht ______ 1372 Alphabetische Übersicht ______ 1373 A. Allgemeines und Entstehungsgeschichte ______ 1374 B. Deliktsstruktur ______ 1375 C. Die strafbare irreführende Werbung nach Absatz 1 ______ 1375 I. Vergleich zum früheren § 4 ______ 1375 II. Schutzzweck der Norm ______ 1375 III. Verhältnis zu den §§ 5 und 5a ______ 1376 IV. Verhältnis zu § 263 StGB ______ 1376 V. Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) ______ 1377 VI. Objektiver Tatbestand ______ 1378 VII. Subjektiver Tatbestand ______ 1386 VIII. Verbotsirrtum ______ 1389 IX. Vollendung und Beendigung ______ 1390 X. Täterkreis ______ 1390 XI. Strafverfolgung ______ 1391 XII. Verjährung ______ 1391 XIII. Strafe ______ 1392 XIV. Konkurrenzen ______ 1392 XV. Zivilrechtliche Folgen ______ 1392 D. Die progressive Kundenwerbung nach § 16 Abs. 2 ______ 1393 I. Schutzzweck der Norm ______ 1393 II. Erscheinungsformen ______ 1394 III. Strafwürdigkeit von Schneeball- und Pyramidensystemen ______ 1397 IV. Objektiver Tatbestand ______ 1398 V. Subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld ______ 1402 VI. Konkurrenzen ______ 1403 VII. Strafverfolgung ______ 1403 VIII. Verjährung ______ 1404 XIII

Inhaltsverzeichnis

IX. X.

Strafe ______ 1404 Zivilrechtliche Folgen ______ 1404

§ 17 Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ______ 1405 Schrifttum ______ 1405 Zu den §§ 17 bis 20 ______ 1405 Systematische Übersicht ______ 1406 Alphabetische Übersicht ______ 1408 A. Allgemeines ______ 1409 I. Schutzzweck und Gesetzessystematik ______ 1409 II. Entstehungsgeschichte ______ 1410 B. Das Geschäfts- und Betriebsgeheimnis ______ 1411 I. Wirtschaftsgeheimnis als gemeinsamer Oberbegriff zum Geschäfts- und Betriebsgeheimnis ______ 1411 II. Begriffliche Merkmale des Wirtschaftsgeheimnisses ______ 1412 III. Beispiele für Wirtschaftsgeheimnisse ______ 1418 C. Der Geheimnisverrat durch Beschäftigte (Absatz 1) ______ 1418 I. Der objektive Tatbestand ______ 1418 II. Der subjektive Tatbestand ______ 1423 III. Die Rechtswidrigkeit ______ 1425 IV. Beteiligung ______ 1428 D. Betriebsspionage (Absatz 2 Nr. 1) ______ 1428 I. Der objektive Tatbestand ______ 1428 II. Der subjektive Tatbestand ______ 1432 III. Die Rechtswidrigkeit ______ 1432 E. Geheimnishehlerei (Absatz 2 Nr. 2) ______ 1434 I. Der objektive Tatbestand ______ 1434 II. Der subjektive Tatbestand ______ 1438 III. Rechtswidrigkeit ______ 1439 F. Versuch (Absatz 3) ______ 1439 I. Der (versuchte) Geheimnisverrat durch Beschäftigte (Absatz 1) ______ 1440 II. Die (versuchte) Betriebsspionage (Absatz 2 Nr. 1) ______ 1440 III. Die (versuchte) Geheimnishehlerei (Absatz 2 Nr. 2) ______ 1440 G. Konkurrenzen ______ 1441 H. Strafverfolgung und (strafrechtliche) Rechtsfolgen ______ 1441 I. Der Regelstrafrahmen ______ 1441 II. Besondere schwere Fälle (Absatz 4) ______ 1442 III. Strafverfolgung (Absatz 5) ______ 1444 I. Im Ausland begangene Taten (Absatz 6) ______ 1446 I. Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts ______ 1446 II. Der Wortlaut des § 5 Nr. 7 StGB ______ 1446 III. Der Schutzbereich des § 5 Nr. 7 StGB ______ 1447 IV. Anwendbarkeit des § 17 bei Verletzung ausländischer Unternehmen durch Inländer ______ 1448

XIV

Inhaltsverzeichnis

§ 18 Verwertung von Vorlagen ______ 1449 Schrifttum ______ 1449 Systematische Übersicht ______ 1449 Alphabetische Übersicht ______ 1449 A. Allgemeines ______ 1449 I. Schutzzweck und Gesetzessystematik ______ 1449 II. Entstehungsgeschichte ______ 1450 B. Die Verwertung von Vorlagen (Absatz 1) ______ 1451 I. Der objektive Tatbestand ______ 1451 II. Der subjektive Tatbestand ______ 1456 III. Die Rechtswidrigkeit ______ 1456 C. Versuch (Absatz 2) ______ 1457 D. Konkurrenzen ______ 1457 E. Strafverfolgung ______ 1457 I. Das Antragserfordernis (Absatz 3) ______ 1457 II. Privatklage ______ 1458 F. Im Ausland begangene Taten (Absatz 4) ______ 1458 § 19 Verleiten und Erbieten zum Verrat ______ 1458 Schrifttum ______ 1458 Systematische Übersicht ______ 1459 Alphabetische Übersicht ______ 1459 A. Allgemeines ______ 1459 I. Schutzzweck und Gesetzessystematik ______ 1459 II. Entstehungsgeschichte ______ 1460 B. Die versuchte Anstiftung (Absatz 1) ______ 1461 I. Der Versuch der Anstiftung (Absatz 1 Mod. 1) ______ 1461 II. Der Versuch der mittelbaren Anstiftung (Absatz 1 Mod. 2) ______ 1462 C. Erbieten oder Verabredung zum Verrat (Absatz 2) ______ 1462 I. Das Sichbereiterklären zur Tatbegehung (Absatz 2 Mod. 1) ______ 1462 II. Die Annahme des Erbietens (Absatz 2 Mod. 2) ______ 1463 III. Verabredung zur Tatbegehung (Absatz 2 Mod. 3) ______ 1463 D. Rücktritt vom Versuch (Absatz 3) ______ 1463 E. Konkurrenzen ______ 1464 F. Strafverfolgung und (strafrechtliche) Rechtsfolgen ______ 1464 I. Das Antragserfordernis (Absatz 4) ______ 1464 II. Privatklage und Nebenklage ______ 1464 G. Im Ausland begangen Taten (Absatz 5) ______ 1464 § 20 Bußgeldvorschriften ______ 1465 Systematische Übersicht ______ 1465 Alphabetische Übersicht ______ 1465 A. Allgemeines ______ 1465 I. Entstehungsgeschichte ______ 1465 II. Schutzzweck und Gesetzessystematik ______ 1466 XV

Inhaltsverzeichnis

Der objektive Tatbestand ______ 1466 I. Der Täter ______ 1466 II. Die Tathandlung ______ 1467 C. Der subjektive Tatbestand ______ 1467 I. Vorsatz ______ 1467 II. Fahrlässigkeit ______ 1467 D. Rechtsfolge und Ahndung ______ 1468

B.

Sachregister ______ 1469

XVI

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Großkommentar UWG Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis a.A./A.A. a.F. a.E. aaO Am. Econ. Rev. a.M. Abk. abl. ABl. (EG-ABl./ EU-ABl.) Abs. abw. AcP AEUV

AfP AG

AGB AGG AGS AktG Az. allg. allg.M. AMG Amtl.Anz. Amtl.Begr. Amtsbl. AnfG Anh. Anl. Anm. AO AöR AP App. ArchBürgR Ark. L. Rev. Art. AT Aufl. AV AVMD-RL

XVII

anderer Ansicht alte Fassung am Ende am angegebenen Ort American Economic Review anderer Meinung Abkommen ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, konsolidierte Fassung aufgrund des am 1.12.2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon, EU-ABl. C 83/1 vom 30.3.2010 Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (vormals: Archiv für Presserecht) 1. Aktiengesellschaft 2. Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) 3. Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Anwaltsgebühren-Spezial Aktiengesetz Aktenzeichen allgemein allgemeine Meinung Arzneimittelgesetz Amtlicher Anzeiger Amtliche Begründung Amtsblatt Anfechtungsgesetz Anhang 1. Anlage 2. Anleitung Anmerkung 1. Abgabenordnung 2. Amtsordnung (Schleswig Holstein) Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis Appendix Archiv für Bürgerliches Recht Arkansas Law Review Artikel Allgemeiner Teil Auflage Ausführungsverordnung Richtlinie 89/552/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste, EG-ABl. L 298/23 (i.d.F. der RL 2007/65/EG vom 11.12.2007, EU-ABl. L 332/27

Abkürzungsverzeichnis

AWG Az.

Außenwirtschaftsgesetz Aktenzeichen

Baden-Württ. BAnz BAO BayObLG BayPrG BayZ BB BbgPG Bd. Bearb. BeckRS Begr. Beil. Bek. v. Bekl. ber. BerHG

BTDrucks. BVerfG BVerfGE BVerwG bzgl. bzw.

Baden-Württemberg Bundesanzeiger Bundesabgabenordnung Bayerisches Oberlandesgericht Bayerisches Pressegesetz vom 19.4.2000 Bayerische Zeitung Betriebs-Berater Pressegesetz des Landes Brandenburg vom 13.5.1993 Band Bearbeitung Beck-Rechtsprechung Begründung Beilage Bekanntmachung vom Beklagter Berichtigt Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz) Beschluss Besprechung betreffend Beurkundungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896 Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof BGH-Rechtsprechung, hrsg. von den Richtern des Bundesgerichtshofes Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundeskartellamt Blatt Bundesministeriums der Justiz Bundespatentgericht Entscheidungen des Bundespatentgerichts Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesratsdrucksache Bundessozialgericht Beispiel beispielsweise Bundessteuerblatt 1. Bundestag 2. Besonderer Teil Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht bezüglich beziehungsweise

c.i.c c.p.

culpa in contrahendo ceteris paribus

Beschl. Bespr. betr. BeurkG BGB BGBl. BGH BGHR BGHSt BGHZ BKartA Bl. BMJ BPatG BPatGE BRAGO BRAK-Mitt BRAO BRDrucks. BSG Bsp. bspw. BStBl BT

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

CD-ROM Cornell L. Rev. CR

Compact Disc – Read-Only Memory Cornell Law Review Computer und Recht

d.h. DatenschutzRL

das heißt Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, EG-ABl. L 281/31 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.7.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), EG-ABl. L 201/37 Deutscher Anwaltsverein Der Betrieb Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) derselbe dieselbe(n) Diplom Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Mark Die öffentliche Verwaltung Deutsches Recht Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung Drucksache Der Sachverständige Deutsches Strafecht Datenverarbeitung – Steuern – Wirtschaft – Recht (Zeitschrift) dito/gleichfalls/ebenso Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums, EU-ABl. L 157/45 Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

DatenschutzRL-EK

DAV DB DBW ders. dies. Dipl. Diss. DJT DM DÖV DR DRiG DRiZ Drucks. DS DStR DSWR dto. DurchsetzungsRL DZWIR e.V. ebd. EBE/BGH E-CommerceRL

EDV EG EG-ABl. EGBGB EGMR EGStGB EGV

eingetragener Verein ebenda Eildienst Bundesgerichtliche Entscheidungen Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt, EG-ABl. L 178/1 Elektronische Datenverarbeitung Europäische Gemeinschaft Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Konsolidierte Fassung aufgrund des Vertrags von Nizza, EG-ABl. C 325 vom 24.12.2002 Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach ehemalige Einführung Einheitlich

EGVP ehem. Einf. einh. EinigungsstellenVO/ EStVO Einigungsstellenverordnung Einl. Einleitung

XIX

Abkürzungsverzeichnis

EK-DatenschutzRL

EKMR EMRK endg. Entsch. EPÜ E-Register Erg. Erl. et al. etc. EU EU-Abl. EuBVO

EuG EuGFVO EuGH EuGHE EuGrCh EuGVO/EuGVVO

EuGVÜ

EuInsVO EuLF EuMVVO EuR EUV EuVTVO

EuZVO

EuZW EWiR EWR EWS exkl. f. FernabsatzRL

Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.7.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, EG-ABl. L 201/37 Europäische Kommission für Menschenrechte Europäische Konvention für Menschenrechte endgültig Entscheidung Europäisches Patentübereinkommen elektronisches Register Ergebnis Erläuterung et alii (und andere(n)) et cetera Europäische Union Amtsblatt der Europäischen Union Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen, ABl. 2001 L 174/1 Europäisches Gericht Erster Instanz Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, ABl. 2007, L 199/1 Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Europäische Grundrechtecharta Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen, ABl. 2001 L 12/1 Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1972 II 774 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, ABl. 2000 L 160/1 European Law Forum Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. 2006 L 399/1 Europarecht Vertrag über die Europäische Union. Konsolidierte Fassung aufgrund des Vertrags von Amsterdam, EG-ABl. C 340 vom 10.11.1997 Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, ABl. 2004 L 143/15. Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates, ABl. 2007 L 324/79 Europäische Zeitung für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht exklusive folgende (Seite) Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, EG-ABl. L 144/19 (i.d.F. der RL 2007/64/EG vom 13.11.2007, EU-ABl. L 319/1)

XX

Abkürzungsverzeichnis

FernsehRL 1989

FernsehRL 2007

ff. Fn. FPStatG FS G GA GATT GBl. GbR GebrMG gem. Geo L.J. GeschMG GewA GewO GewStG GG ggf. GK GKG GmbH GmbHG GmbHR GmS-OGB GoA GPR Grds; grds GRUR GRUR Int. GRUR-Prax GRUR-RR GrZS GS GSZ GVBl GVG GVOBl. GWB Halbbd. HandelsR Harv. L. Rev. HBÜ Hdb.

XXI

Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, EG-ABl. L 298 Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2007 zur Änderung der Richtlinie 1989/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, EU-ABl. L 332/27 folgende (Seiten) Fußnote Finanz- und Personalstatistikgesetz Festschrift Gesetz Goltdamnmer’s Archiv für Strafrecht General Agreement on Tariffs and Trade Gesetzblatt Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gebrauchsmustergesetz vom 28.8.1986 gemäß Georgetown Law Journal Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen vom 12.3.2004 Gewerbearchiv Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Großkommentar Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Geschäftsführung ohne Auftrag Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Grundsatz; grundsätzlich Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht/Internationaler Teil Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht/Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht/Rechtsprechungsreport Großer Zivilsenat des RG oder des BGH Gedächtnisschrift Großer Senat für Zivilsachen Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Halbband Handelsrecht Harvard Law Review Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18. März 1970 (Haager Beweisaufnahmeübereinkommen) Handbuch

Abkürzungsverzeichnis

Health-Claims-VO

HGB HGrG hL h.M. HPresseG HRR HRRS hrsg. v. Hrsg. Hs./Hs HTML http HWG HWiG HZPÜ HZÜ

i.d.F. i.d.R. i.e. i.E. i.e.S. i.S.d. i.S.v. i.V.m. i.w.S. ICANN ICC IHK IHKG IHKVO insbes. IPR IrreführungsRL

IrreführungsRL 1984

IrreführungsRL 1997

IrreführungsRL 2006 IT IZVR

Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, EUABl. L 12/3 vom 18.1.2007 (i.d.F. der VO vom 30.7.2009, EU-ABl. L 198/87) Handelsgesetzbuch Haushaltsgrundsätzegesetz herrschende Lehre herrschende Meinung Hessisches Pressegesetz vom 12.12.2003 Höchstrichterliche Rechtsprechung Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht herausgegeben von Herausgeber Halbsatz Hypertext Markup Language hypertext transfer protocol Heilmittelwerbegesetz Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften Haager Übereinkommen über den Zivilprozess vom 1.3.1954 Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 in der Fassung in der Regel id est (das heißt) im Ergebnis im engeren Sinne im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Internet Corporation for Assigned Names and Numbers Intergovernmental Copyright Committee Industrie- und Handelskammer Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern Verordnung über die Industrie- und Handelskammern der DDR insbesondere Internationales Privatrecht Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung (kodifizierte Fassung), EU-ABl. L 376/ 21 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10.9.1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, EG-ABl. L 250/17 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10.9.1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, i.d.F. der Änderung durch die Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.10.1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, EG-ABl. L 290/18 Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung (kodifizierte Fassung), EU-ABl. L 376/21 Informations- und Telekommunikationstechnologie Internationales Zivilverfahrensrecht

XXII

Abkürzungsverzeichnis

J. Competition L. & Econ JEP J.L. & Econ. J.L. Econ. & Org. JA JBl. JMBl. JMStV JNSt JR JurA JURA JuS JVEG JW JZ K&R Kap. Kart Kfm. Kfz KG KGaA KOM (2003) 356 endg.

KOM (2005) 646

KosmetikRL

krit. LFBG LG lit. LM LMG RheinlandPfalz LPrG M-V LS Ltd. LugÜ

LZ

XXIII

Journal of competition Law and Economics Journal of Economic Perspectives Journal of Law & Economics Journal of Law, Economics & Organization Juristische Arbeitsblätter Justizblatt Justizministerialblatt Jugendmedienschutzstaatsvertrag Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik Juristische Rundschau Juristische Analysen Juristische Ausbildung Juristische Schulung Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kommunikation und Recht Kapitel Kartellsenat Kaufmann Kraftfahrzeug 1. Kammergericht 2. Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien KOM (2003) 356 endgültig: Vorschlag für eine Richtline des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 84/450/EWG, 97/7/EG und 98/27/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), SEC (2003) 724 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung über die Ausübung der Fernsehtätigkeit Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27.7.1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel, EG-ABl. L 262/169 (i.d.F. der RL 2000/129 und 130 vom 9./12.10.2009, EU-ABl. L 268/5) kritisch Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch Landgericht littera Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes, hrsg. v. Lindemaier, Möhring u.a. Landesmediengesetz Rheinland-Pfalz vom 4.2.2005 Landespressegesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 6.6.1993 1. Landessatzung 2. Leitsatz Private Company Limited by Shares Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (Lugano-Übereinkommen), ABl. 2009 L 147/5 Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

Abkürzungsverzeichnis

M. m. M&A MA m. Anm. MarkenG MarkenR MarkenrechtsRL

MarkenrechtsRL 1989

Meinung mit Mergers & Acquisitions Der Markenartikel mit Anmerkung Markengesetz Markenrecht Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung), EU-ABl. L 299/25

m.a.W. m. Bespr. MBl. MD MDR MdSt MediationsG MitbestG Mitt. MittdtschPatAnw MiZi MMR Mod. MuW m.w.N. m.W.v.

Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, EG-ABl. L 40/1 vom 11.2.1989 mit anderen Worten mit Besprechung Ministerialblatt Magazindienst des Verbandes Sozialer Wettbewerb Monatsschrift für Deutsches Recht Mediendienstestaatsvertrag Mediationsgesetz Mitbestimmungsgesetz Mitteilungen Mitteilungen der deutschen Patentanwälte Mitteilungen in Zivilsachen Multimedia und Recht (Tatbestands-)Modalität Markenschutz und Wettbewerb mit weiteren Nachweisen mit Wirkung vom

n.F. n.v. Nachw. NJ NJOZ NJW NJW-CoR NJWE-WettbR NJW-RR Nr. NRW NStZ NVwZ NVwZ-RR NZG

neue Fassung nicht veröffentlicht Nachweise Neue Justiz Neue Juristische Online Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Computerreport NJW-Entscheidungsdienst Wettbewerbsrecht Neue Juristische Wochenschrift, Rechtssprechungsreport Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungssammlung der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

o. o.ä. OHG ÖJZ OLG OLGR ÖOGH Öst./öst. ÖUWG

oben oder ähnliches Offene Handelsgesellschaft Österreichische Juristenzeitung Oberlandesgericht OLG-Report: Zivilrechtsprechung der Oberlandesgerichte Österreichischer Oberster Gerichtshof Österreich/österreichisch Österreichisches Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

OVG OWiG ÖZW

Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

PAngV PatG PDF PKH PreisangabenRL

Verordnung zur Regelung der Preisangaben Patentgesetz portable document format (Dateiformat) Prozesskostenhilfe Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihm angebotenen Erzeugnisse, EG-ABl. L 80/27

ProduktsicherheitsRL ProdHaftG PrPG PublG PucheltsZ RabattG RabelsZ RBerG RDG Rdsch. RefE RegBegr RegE RegTP RfÄStV RfStV RG RGBl RGSt RGZ RiStBV RIW RL RL Vergleichende Werbung 1997 Rn. Rom I-VO

Rom II-VO

RpflG Rs. Rspr. RStV RVG Rz.

XXV

Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.12.2001 über die allgemeine Produktsicherheit, EG-ABl. L 11/4 vom 15.1.2002 Produkthaftungsgesetz Gesetz zur Stärkung des Schutzes geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie Publizitätsgesetz Zeitschrift für französisches Zivilrecht Rabattgesetz Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rechtsberatungsgesetz Rechtsdienstleistungsgesetz Rundschau Referentenentwurf Regierungsbegründung Regierungsentwurf Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Rundfunkänderungsstaatsvertrag Rundfunkstaatsvertrag 1. Reichgericht 2. Reichsgesetz Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.10.1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, EG-ABl. L 290/18 Randnummer Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), ABl. 2008 L 177/6 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. 2007 L 199/40 Rechtspflegergesetz Rechtssache Rechtsprechung Rundfunkstaatsvertrag Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Randziffer/Randzahl

Abkürzungsverzeichnis

S. s. s.a. SchwUWG sc. S.Ct. SE Slg. SMG sog. Sp. StabG StGB StPO Str. stRspr StV s.u. TabakwerbeRL

TB-Merkmale TDG Teilbd. teilw. TKG TRIPS Tul. L. Rev. Tz. u. u.ä. u.a. U. Chi. L. Rev. UG UGPRL

UKlaG UmwG unstr. Unterabs. UrhG Urt. URV US usf.

1. Satz 2. Seite(n) siehe siehe auch Schweizerisches Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb scilicet (das heißt, ergänze) Supreme Court Societas Europaea – Europäische Gesellschaft Sammlung Saarländisches Mediengesetz vom 27.2.2002 sogenannte Spalte(n) Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft Strafgesetzbuch Strafprozessordnung strittig ständige Rechtsprechung Staatsvertrag siehe unten Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.5.2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen, EU-ABl. L 152/16, berichtigt im EU-ABl. L 67/34 vom 5.3.2004 Tatbestandsmerkmale Gesetz über die Nutzung von Telediensten – Teledienstegesetz Teilband teilweise Telekommunikationsgesetz Trade related aspects of intellectual property rights (Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) Tulane Law Review Teilziffer und und ähnliches unter anderem University of Chicao Law Review Unternehmergesellschaft Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.5.2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), EU-ABl. L 149/22 Unterlassungsklagengesetz Umwandlungsgesetz unstrittig Unterabsatz Urheberrechtsgesetz Urteil Verordnung über das Unternehmensregister United States und so fort

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

u.U. UWG UWG 1896 UWG 1909 UWG 1932 UWG 1940 UWG 1957

UWG 1969 UWG 1986

UWG 1994 UWG 2000 UWG 2004

v. Var. VerbrKrG Verf. VersR Vertikal-GVO VertriebsR vgl. v.H. VO VWGmbHÜG Voraufl. Vorb. VStS VuR VwGO VwVfG VwZG WappenVO weit. WettbR WHO WiKG WIPO WIR WiSachvRG WiStG

XXVII

unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.3.2010, BGBl I 254 Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27.5.1896, RGBl I 145 = GRUR 1896, 178 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7.6.1909, RGBl I 499 UWG in der Fassung der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze der Wirtschaft vom 9.3.1932, RGBl I 121 UWG in der Fassung der Verordnung zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 8.3.1940, RGBl I S. 480 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Gesetzes über das Zugabewesen und des Rabattgesetzes vom 11.3.1957, BGBl I 172 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 26.6.1969, BGBl I 633 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung wirtschafts-, verbraucher- arbeitsund sozialrechtlicher Vorschriften vom 25.7.1986, BGBl I 1169, berichtigt 1987 BGBl I 565 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 25.7.1994, BGBl I 1738 („kleine UWG-Novelle“) UWG in der Fassung des Gesetzes zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerblicher Vorschriften vom 1.9.2000, BGBl I 1374 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.7.2004, BGBl I 1414 („UWG-Modernisierung“) von/vom Variante Verbraucherkreditgesetz Verfasser Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen Vertriebsrecht vergleiche von Hundert Verordnung Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand Vorauflage Vorbemerkung Vereinigte Strafsenate Verbraucher und Recht Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungszustellungsgesetz Wappenverordnung weitere(n) Wettbewerbsrecht Weltgesundheitsorganisation Das zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirschaftskriminalität vom 15.5.1986 World Intellectual Property Organization Wirtschaftsrecht Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Wirtschaftsstrafgesetz

Abkürzungsverzeichnis

wistra WiVerw WM WpAIV WpHG WpÜG WRP WRV WTO WuW www WZG

Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wirtschaft und Verwaltung – Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv Wertpapier-Mitteilungen Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wettbewerb in Recht und Praxis Weimarer Reichsverfassung World Trade Organization Wirtschaft und Wettbewerb world wide web Warenzeichengesetz

Yale L.J.

Yale Law Journal

Z z.B. ZAW ZBH ZEuP ZfB ZfbF ZfRV ZGE ZGR ZHR Ziff. ZIP ZIS zit. ZPO ZR ZRP ZS ZStW z.T. ZugabeVO ZUM ZUM-RD zust. ZVglRWiss ZVP ZZP ZZP Int.

(in Zusammenhängen) Zeitschrift, Zeitung, Zentralblatt zum Beispiel Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. Zentralblatt für Handelsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht Zeitschrift für Geistiges Eigentum Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik zitiert Zivilprozessordnung Zivilrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilsenat Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zum Teil Zugabeverordnung Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht/Film und Recht Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht – Rechtsprechungsdienst Zustimmend Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Verbraucherpolitik Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International

XXVIII

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Achenbach/Ransiek/ Bearbeiter Ackermann Ahrens, Wettbewerbsrecht Ahrens, Wettbewerbsverfahren Ahrens/Bearbeiter Ahrens/Spätgens Ann/Loschelder/Grosch Anweiler AnwKommBGB/Bearbeiter AnwKommStGB/Bearbeiter Bamberger/Roth/Bearbeiter Baudenbacher Baumbach/Hefermehl Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann Beater Bechtold, GWB Bechtold/Bosch/Brinker/ Hirsbrunner BeckOK-BGB/Bearbeiter Bender, Europ. MarkenR Benkard/Bearbeiter Berlit, Wettbewerbsrecht Berneke Beucher/Leyendecker/ von Rosenberg Boesche Borck, Wettbewerbssachen Brömmelmeyer Internetwettbewerbsrecht Büchting/Heussen Buck Bühring Bunte Büscher/Dittmer/Schiwy Buschle Busse/Bearbeiter Calliess/Ruffert Callmann

XXIX

Achenbach/Ransiek (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, Heidelberg, München, Landsberg, Berlin, 3. Aufl. 2011 Ackermann, Wettbewerbsrecht, Heidelberg, 1997 Ahrens, Cl., Wettbewerbsrecht, Berlin, 2006 Ahrens, Wettbewerbsverfahrensrecht, Köln, Berlin, Bonn, München, 1983 Ahrens (Hrsg.), Der Wettbewerbsprozess, Köln, 7. Aufl. 2013 Ahrens/Spätgens, Einstweiliger Rechtsschutz und Vollstreckung in UWGSachen, Köln, 4. Aufl. 2001 Praxishandbuch Know-how-Schutz, 2010 Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft, Frankfurt, 1997 Dauner-Lieb/Heidel/Ring (Hrsg.), Anwaltkommentar BGB, 5 Bde., Bonn, 2005 ff. Leipold/Tsambikakis/Zöller (Hrsg.), Anwaltkommentar StGB, Bonn, 2011 Bamberger/Roth, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, München, 3. Aufl. 2011 Baudenbacher, Lauterkeitsrecht, Basel, 2001 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, München, 22. Aufl. 2001 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung: ZPO, München, 71. Aufl. 2013 Beater, Unlauterer Wettbewerb, Tübingen, 2011 Bechtold, GWB, Kartellgesetz, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, München, 7. Aufl. 2013 Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, EG-Kartellrecht, München, 2. Aufl. 2009 Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand: 1.8. 2013 Bender, Europäisches Markenrecht, Köln, 2008 Benkard, Patentgesetz, München, 10. Aufl. 2006 Berlit, Wettbewerbsrecht, München, 8. Aufl. 2011 Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, München, 2. Aufl. 2003 Mediengesetze – Rundfunk, Mediendienste, Teledienste. Kommentar, München, 1999 Boesche, Wettbewerbsrecht, Heidelberg, 4. Aufl. 2011 Borck, Die anwaltliche Praxis in Wettbewerbssachen, Stuttgart, 1992 Brömmelmeyer, Internetwettbewerbsrecht, Tübingen, 2007 Büchting/Heussen, Rechtsanwalts-Handbuch, München, 9. Aufl. 2007 Buck, Über die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft, Frankfurt, 1997 Bühring, Gebrauchsmustergesetz, Köln, 8. Aufl. 2011 Bunte, Kartellrecht, München, 2. Aufl. 2008 Büscher/Dittmer/Schiwy (Hrsg.), Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, Köln, 2. Aufl. 2011 Buschle, Kommunikationsfreiheiten in den Grundrechten und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, Köln, 2004 Busse/Keukenschrijver (Hrsg.), Patentgesetz, Berlin, 7. Aufl. 2013 Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV Kommentar, München, 4. Aufl. 2011 Callmann, Der Unlautere Wettbewerb. Kommentar, Mannheim/Berlin/ Leipzig, 2. Aufl. 1932

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Cendon Dederichs Dreier/Schulze, UrhR Dethloff Drexl Ehlers Eichmann/v. Falckenstein Ekey, Grundriss Ekey/Klippel/Bender, MarkenR Ekey/Klippel/Kotthoff/ Meckel/Plaß Emmerich, Kartellrecht Emmerich, Unlauterer Wettbewerb Erbs/Kohlhaas/Bearbeiter Erman/Bearbeiter Fezer/Bearbeiter Fezer, Markenrecht Fischer FK-GWB Fritzsche, Unterlassungsanspruch Geiger/Khan/Kotzur, EUV, AEUV Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht Gloy/Loschelder/Erdmann/ Bearbeiter Götting, Wettbewerbsrecht Götting, Gewerblicher Rechtsschutz Götting/Nordemann/ Bearbeiter Grabenwarter Graf Lambsdorff Groeben/Schwarze

Hacker Hahn/Vesting/Bearbeiter Haratsch/Koenig/Pechstein Herdegen, Europarecht Harte/Henning/Bearbeiter Härting

Cendon/Pasquinelli (Hrsg.), Commentario al Codice civile, Band 5, 2, Mailand, 2011 Dederichs, Die Methodik des EuGH, Baden-Baden, 2004 Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, München, 4. Aufl. 2013 Dethloff, Die Europäisierung des Wettbewerbsrechts, Tübingen, 2001 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, Tübingen, 1998 Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, Berlin, 3. Aufl. 2009 Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, München, 4. Aufl. 2010 Ekey, Grundriss des Wettbewerbs- und Kartellrechts, Heidelberg, 3. Aufl. 2009 Ekey/Klippel/Bender, Markenrecht, Band 1, Markengesetz und Marken recht ausgewählter ausländischer Staaten (Heidelberger Kommentar), Heidelberg, 2. Aufl. 2009 Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum Wettbewerbsrecht, Heidelberg, 2. Aufl. 2005 Emmerich, Kartellrecht, München, 12. Aufl. 2012 Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, München, 8. Aufl. 2009 Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Kommentar, München, 189. Lieferung, Stand: April 2012 Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, Köln, 13. Aufl. 2011 Fezer (Hrsg.), Lauterkeitsrecht: UWG, Kommentar zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, München, 2. Aufl. 2010 Fezer, Markenrecht, München, 4. Aufl. 2009 Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, München, 59. Aufl. 2012 Jaeger u.a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Frankfurt, 78. Ergänzungslieferung 2013 Fritzsche, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage, Berlin, Heidelberg, 2000 Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV, AEUV (Kommentar), München, 5. Aufl. 2010 Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, 2006 Gloy/Loschelder/Erdmann (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbsrechts, München, 4. Aufl. 2010 Götting, Wettbewerbsrecht, München, 2005 Götting Gewerblicher Rechtsschutz, München, 9. Aufl. 2010 Götting/Nordemann, UWG, Handkommentar, Baden-Baden, 2. Aufl. 2013 Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, München, 4. Aufl. 2009 Graf Lambsdorff, Handbuch des Wettbewerbsverfahrensrechts, Köln, 2000 von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden, 6. Aufl. 2003 Hacker, Markenrecht, Köln, 2. Aufl. 2010 Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, München, 3. Aufl. 2013 Haratsch/Koenig/Pechstein Europarecht, Tübingen, 6. Aufl. 2009 Herdegen, Europarecht, München, 13. Aufl. 2011 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Kommentar, München, 3. Aufl. 2013 Härting, Internetrecht, Köln, 4. Aufl. 2010

XXX

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Hartstein/Ring/Kreile/ Dörr/Stettner/Cole Hasselblatt, AnwHandbuch Hatje Hecker, Strafbare Produktwerbung Henning-Bodewig Unfair Competition Hilty/Henning-Bodewig, Lauterkeitsrecht Himmelsbach HK-BGB/Bearbeiter Hoeren/Sieber/Bearbeiter Immenga/Mestmäcker Ingerl/Rohnke Jauernig/Bearbeiter Jestaedt Jochum, Europarecht Joller juris-PK/Bearbeiter Kehl Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht Kling/Thomas Kling/Thomas, Kartellrecht Koenig/Schreiber Kohler Köhler/Bornkamm Köhler/Piper Koos/Menke/Ring Koppensteiner, Wettbewerbsrecht Kraft, Interessenabwägung Lange Lange/Spätgens Langen/Bunte Lehmler Lehr LeipzigerKommStGB/ Bearbeiter Leistner, Richtiger Vertrag

XXXI

Rundfunkstaatsvertrag – Kommentar zum Staatsvertrag Rundfunk und Telemedien (RStV) und zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), München, 55. Ergänzungslieferung, Stand: April 2013 Hasselblatt (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Gewerblicher Rechtsschutz, München, 3. Aufl. 2009 Hatje, Wirtschaftswerbung und Meinungsfreiheit, Baden-Baden, 1993 Hecker, Strafbare Produktwerbung im Lichte des Gemeinschaftsrechts: Europäisierung des deutschen Täuschungsschutzstrafrechts am Beispiel des Lebensmittel-, Wettbewerbs- und Betrugsstrafrechts, Tübingen, 2001 Henning-Bodewig, Unfair Competition Law, European Union and Member States, The Hague, 2006 Hilty/Henning-Bodewig (Hrsg.), Lauterkeitsrecht und Acquis Communautaire, 2009 Himmelsbach (Hrsg.), Beck’sches Mandatshandbuch Wettbewerbsrecht, München, 3. Aufl. 2009 Schulze, Handkommentar Bürgerliches Gesetzbuch, Baden-Baden, 7. Auflage 2012 Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, München, 35. Aufl., Juli 2013 Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 1 und 2, München, 5. Aufl. 2012 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, München, 3. Aufl. 2010 Jauernig (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, München, 14. Aufl. 2011 Jestaedt, Wettbewerbsrecht, Köln, 2008 Jochum, Europarecht, Stuttgart, 2. Aufl. 2012 Joller, Verwechslungsgefahr im Kennzeichenrecht, Bern, 2000 Ullmann, juris-Praxiskommentar UWG, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Saarbrücken, 2. Aufl. 2009 Kehl, Wettbewerbsrecht, 1990 Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, München, 4. Aufl. 2010 Kling/Thomas, Grundkurs Wettbewerbs- und Kartellrecht, München, 2004 Kling/Thomas, Kartellrecht, München, 2007 Koenig/Schreiber, Europäisches Wettbewerbsrecht, Stuttgart, 2010 Kohler, Der unlautere Wettbewerb. Darstellung des Wettbewerbsrechts, Berlin, 1914. Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb: UWG – PAngV – UKlaG, München, 32. Aufl. 2014 Köhler/Piper (Hrsg.), Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, München, 3. Aufl. 2002 Koos/Menke/Ring (Hrsg.), Praxis des Wettbewerbsrechts, Köln, 2009 Koppensteiner, Österreichisches und Europäisches Wettbewerbsrecht, Wien, 3.Aufl. 1997 Kraft, Interessenabwägung und gute Sitten im Wettbewerbsrecht, 1963 Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, München, 2. Aufl. 2012 Lange/Spätgens, Rabatte und Zugaben im Wettbewerb, München, 2001 Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Köln, 11. Aufl. 2010/2011 Lehmler, Kommentar zum Wettbewerbsrecht – UWG, Köln, 2007 Lehr, Wettbewerbsrecht, Heidelberg, 3. Aufl. 2007 Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB, Berlin, 12. Aufl., Band 1, 2007; Band 2, 2006; Band 6, 2010; Band 10, 2008 Leistner Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, Tübingen, 2007

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Lettl Lettl, Das neue UWG Lettl, Der lauterkeitsrechtliche Schutz Lobe (Bd.)

Lettl, Wettbewerbsrecht, München, 2009 Lettl, Das neue UWG, München, 2004 Lettl, Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, München, 2004 Lobe, Die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Bd. I, Der unlautere Wettbewerb als Rechtsverletzung (1907), Bd. III, Materialien des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, 1907 Loewenheim/Meessen/ Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), Kartellrecht, München, Riesenkampff 2. Aufl. 2009 Löffler/Bearbeiter Löffler, Presserecht, Kommentar, fortgeführt von Wenzel und Sedlmaier, München, 5. Aufl. 2006 Löffler/Ricker Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, München, 6. Aufl. 2012 Matutis Matutis, UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Berlin, 2. Aufl. 2009 Maunz/Dürig/Bearbeiter Maunz/Dürig (Begr.) Grundgesetz Kommentar, München, 69. Ergänzungslieferung Mai 2013 Melullis Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, Köln, 3. Aufl. 2000 Mestmäcker/Schweitzer Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, München, 2. Aufl. 2004 Möschel, Pressekonzentration Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, Tübingen, 1978 Möschel, WettbewerbsMöschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen 1983 beschränkungen MünchKommBGB/Bearbeiter Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, München, 5. Aufl. 2006 ff. MünchKommKartR/Bearbeiter Hirsch/Montag/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), München, 2007 ff. MünchKommStGB/Bearbeiter Joecks/Miebach/Schmitz (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Nebenstrafrecht II, München, 2010 MünchKommUWG/Bearbeiter Heermann/Hirsch (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, München, 2006 MünchKommZPO/Bearbeiter Rauscher/Wax/Wenzel (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung,München, 3. Aufl. 2007 ff., 4. Aufl. 2012 ff. Musielak/Bearbeiter Musielak (Hrsg.), Kommentar zur Zivilprozessordnung: ZPO, München, 9. Aufl. 2012 Nirk/Kurtze Nirk/Kurtze, Wettbewerbsstreitigkeiten, München, 2. Aufl. 1992 Nordemann Nordemann, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Baden-Baden, 11. Aufl. 2011 Ohly, Richterrecht und Ohly, Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbe Generalklausel werbs, Köln, 1997 Ohly/Sosnitza Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, München, 6. Auflage 2014 Oppermann/Classen/ Oppermann, Classen/Nettesheim, Europarecht, München, 7. Aufl. 2011 Nettesheim Palandt/Bearbeiter Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, München, 71. Aufl. 2012 Pastor Pastor, Die Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO, Die Zwangsvollstreckung von Unterlassungstiteln, 3. Aufl. 1982 Pastor, Wettbewerbsprozess Pastor, Der Wettbewerbsprozess, 3. Aufl. 1980 Piper/Ohly/Sosnitza Piper/Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, München, 5. Aufl. 2010 Prütting/Gehrlein Prütting/Gehrlein, ZPO-Kommentar, Köln, 3. Aufl. 2011 Prütting/Wegen/Weinreich/ Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, München, 6. Aufl. 2011 Bearbeiter (PWW) Reimer Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, Köln, 3. Aufl. 1954 Rescigno Rescigno (Hrsg.), Codice civile, Mailand, 3. Aufl. 1997 RGRK/Bearbeiter BGB – RGRK Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes,

XXXII

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Rickert Riesenhuber Rittner/Dreher Rittner/Kulka Rosenthal Rosenthal, 8. Aufl. Roxin, AT I Sambuc S/S/W, StGB Säcker, Fallbuch Schenk Schlesinger Schmidt-Kessel/Schubmehl/ Bearbeiter Scholz/Tiedemann, GmbHG Schotthöfer Schönke/Schröder/ Bearbeiter Schünemann, Wettbewerbsrecht Schricker Schricker Schricker/Bodewig Schricker/Loewenheim/ Bearbeiter Schröter

Kommentar, Hrsg.: Mitglieder des Bundesgerichtshofes, Berlin/New York, 12. Aufl. 1974 Rickert, Grundrechtsgeltung bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in innerstaatliches Recht, Berlin, 1997 Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, Berlin, 2. Aufl. 2010 Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, Heidelberg, 3. Aufl. 2007 Rittner/Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Heidelberg, 8. Aufl. 2011 Rosenthal, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (bearb. von Leffmann), Berlin/Frankfurt/M., 9. Aufl. 1969 Rosenthal, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Berlin, 8. Aufl. 1930 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teilband I, München, 4. Aufl. 2006 Sambuc, Der UWG-Nachahmungsschutz, München, 1996 Satzger/Schmitt/Widmaier (Hrsg.), Strafgesetzbuch: StGB, Kommentar, Köln, 2009 Säcker(Hrsg.), Fallbuch Kartellrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Heidelberg, 2001 Schenk, Die markenrechtliche Schutzfähigkeit von Zeichen aus empirischer und sprachwissenschaftlicher Sicht, Köln, 2006 Schlesinger (Hrsg.), Il foro italiano/Codice civile, Bologna/Rom, 3. Aufl. 2010 Schmidt-Kessel, Martin/Schubmehl, Silvan (Hrsg.), Lauterkeitsrecht in Europa. Eine Sammlung von Länderberichten zum Recht gegen unlauteren Wettbewerb, München, 2011 Scholz (Hrsg.), Kommentar zum GmbH-Gesetz, Band 3, Köln, 10. Aufl. 2010 Schotthöfer, Handbuch des Werberechts in den EU-Staaten, Köln, 2. Aufl. 1997 Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, München, 28. Aufl. 2010 Schünemann, Wettbewerbsrecht, München/Wien, 1989 Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, München, 1970 Schricker (Hrsg.), Neuordnung des Wettbewerbsrechts, Baden-Baden, 1999 Schricker/Bodewig (Hrsg.), Neuordnung des Wettbewerbsrechts, BadenBaden, 1997 Schricker/Loewenheim (Hrsg.), Urheberrecht, München, 4. Aufl. 2010

Schröter/Jakob/Mederer (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht, BadenBaden, 2. Aufl. 2013 Schulte/Bearbeiter Schulte, Patentgesetz mit EPÜ, Köln, 9. Aufl. 2014 Schuschke/Walker Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, Köln, 5. Aufl. 2011 Schwarze Schwarze, EU-Kommentar, Baden-Baden, 2. Aufl. 2009 Schwintowski Schwintowski, Wettbewerbs- und Kartellrecht, München, 4. Aufl. 2007 SK-StGB Rudolphi/Horn/Samson (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Frankfurt a.M., 131. Lieferung, Stand: März 2012 Soergel/Bearbeiter Soergel/Siebert (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Stuttgart, 13. Aufl. 2001 ff. Sosnitza, Fälle Sosnitza, Fälle zum Wettbewerbs- und Kartellrecht, München, 6. Aufl. 2011 Speckmann Speckmann, Wettbewerbsrecht. UWG – Markenrechtsverletzung, Wettbewerbsverfahrensrecht, Köln, 3. Aufl. 2001 Spindler/Schuster/Bearbeiter Recht der elektronischen Medien, Kommentar, München, 2. Aufl. 2011 Staudinger/Bearbeiter J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Bearbeitung, Berlin, 1993 ff.

XXXIII

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Stein/Jonas/Bearbeiter Steinmetz Stiess Stober Streinz Streinz, LebensmittelrechtHandbuch Ströbele/Hacker Teplitzky

Thomas/Putzo/Bearbeiter Ulmer/Reimer/Bearbeiter

v. Gamm v. Gamm v. Schultz v. Oppermann Vorauflage/Bearbeiter Walter/Grüber Wandtke, Medienrecht Wieczorek/Schütze/ Bearbeiter Wolters, Das Unternehmensdelikt Zöller/Bearbeiter

Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung: ZPO, Tübingen, 22. Aufl. 2002 ff. Steinmetz, Der „kleine“ Wettbewerbsprozeß, München, 1993 Stiess, Schutz der Wirtschaftswerbung durch Verfassungsrecht und Gemeinschaftsrecht, München, 2000 Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, Stuttgart, 17. Aufl. 2011 Streinz, EUV/AEUV Kommentar, München, 2. Aufl. 2012 Streinz, Lebensmittelrechts-Handbuch, München, 34. Ergänzungslieferung, Stand: Mai 2013 Ströbele/Hacker (Hrsg.), Markengesetz, Köln, 10. Aufl. 2012 Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Unterlassung – Beseitigung – Schadensersatz, Anspruchsdurchsetzung und Anspruchsabwehr, Köln, 10. Aufl. 2012 Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung: ZPO, München, 33. Aufl. 2012 Ulmer/Reimer, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Bd. III – Deutschland, 1968 v. Gamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Köln, 3. Aufl. 1993 v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 1987 von Schultz, Markenrecht, Frankfurt/M., 3. Aufl. 2012 von Oppermann, Unterlassungsanspruch und materielle Gerechtigkeit, Tübingen, 1993 Jacobs/Lindacher/Teplitzky (Hrsg.), UWG, Großkommentar, Berlin, 1991 ff. Walter/Grüber (Hrsg.), Anwaltshandbuch Wettbewerbspraxis, Köln, 1998 Wandtke (Hrsg.), Medienrecht Praxishandbuch, Berlin, 2. Aufl. 2011 Wieczorek/Schütze, Zivilprozessordnung, Großkommentar, Berlin, 4. Aufl. 2013 ff. Wolters, Das Unternehmensdelikt, Baden-Baden, 2001 Zöller, Richard, Zivilprozessordnung: ZPO, Kommentar, Köln, 30. Aufl. 2014

XXXIV

Beseitigung und Unterlassung

§8

§8 Beseitigung und Unterlassung § 8 Beseitigung und Unterlassung Beseitigung und Unterlassung § 8 Paal (1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht. (2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet. (3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: 1. jedem Mitbewerber; 2. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, soweit sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt; 3. qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder in dem Verzeichnis der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel 4 der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. EG Nr. L 166 S. 51) eingetragen sind; 4. den Industrie- und Handelskammern oder den Handwerkskammern. (4) Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. In diesem Fällen kann der Anspruchsgegner Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt. (5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Abs. 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle des Anspruchs gemäß § 1 oder § 2 des Unterlassungsklagengesetzes die Unterlassungsansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4a des Unterlassungsklagengesetzes vor. Schrifttum

Schrifttum H.-J. Ahrens Die Mehrfachverfolgung desselben Wettbewerbsverstoßes, WRP 1983, 1; ders. Beteiligung der Presse an Wettbewerbsverstößen von Anzeigenkunden, FS Traub (1994) 11; ders. Die internationale Verbandsklage in Wettbewerbssachen, WRP 1994, 649; ders. Unterlassungsschuldnerschaft beim Wechsel des Unternehmensinhabers, GRUR 1996, 518; ders. Anmerkung zu BGH I ZR 126/93 – Anonymisierte Mitgliederliste, JZ 1996, 738; ders. Die Abschlusserklärung, WRP 1997, 907; ders. Störerhaftung als Beteiligungsform im Zivilrecht, FS Canaris (2007) 3; ders. 21 Thesen zur Störerhaftung im UWG und im Recht des Geistigen Eigentums, WRP 2007, 1281; Aigner Beseitigung der Wiederholungsgefahr bei Abbedingung des § 348 HGB in der strafbewährten Unterlassungserklärung? GRUR 2007, 950; Albrecht Das Vereinspolizei-

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Paal

§8

Beseitigung und Unterlassung

recht als wirksame Waffe gegen „Gebühreneinspielvereine“, WRP 1983, 540; Alexander Die strafbare Werbung in der UWG-Reform, WRP 2004, 407; ders. Die Sanktions- und Verfahrensvorschriften der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im Binnenmarkt – Umsetzungsbedarf in Deutschland? GRUR Int. 2005, 809; ders. Wirksamer Schutz gegen Missstände zum Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BB 2013, Nr. 43, Die erste Seite; Alpert Virtuelle Marktplätze im Internet: Typische Haftungsrisiken des Anbieters von B2B-Portalen, CR 2001, 604; Altmeppen Haftung der Gesellschafter einer Personengesellschaft für Delikte, NJW 1996, 1017; Augenhofer Individualrechtliche Ansprüche des Verbrauchers bei unlauterem Wettbewerbsverhalten des Unternehmers, WRP 2006, 169; K. Bacher Die Beeinträchtigungsgefahr als Voraussetzung für Unterlassungsklagen im Wettbewerbsrecht und in anderen Gebieten des Zivilrechts (1996); D. Baetge Das Recht der Verbandsklage auf neuen Wegen, ZZP 112 (1999), 329; Balzer Die Darlegung der Prozessführungsbefugnis und anderer anspruchsbezogener Sachurteilsvoraussetzungen im Zivilprozeß, NJW 1992, 2721; F. Baur Der Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB, AcP 160 (1961), 465; ders. Zu der Terminologie und einigen Sachproblemen der „vorbeugenden Unterlassungsklage“, JZ 1966, 381; Beater Mitbewerber und sonstige unternehmerische Marktteilnehmer, WRP 2009, 768; ders. Zur Deregulierung des Wettbewerbsrechts, ZHR 159 (1995), 217; Berger Verantwortlichkeit von TK-Unternehmen für wettbewerbswidrig genutzte Rufnummern, MMR 2003, 642; Berlit Aufbrauchsfrist im Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (1997); ders. Zur Frage der Einräumung einer Aufbrauchsfrist im Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Urheberrecht, WRP 1998, 250; Bernreuther Zusammentreffen von Unterlassungserklärung und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, GRUR 2001, 400; ders. Zur Auslegung und Inhaltskontrolle von Vertragsstrafevereinbarungen, GRUR 2003, 113; Beuchler Wegfall der Wiederholungsgefahr im Wettbewerbs- und Verbraucherrecht, VuR 2007, 66; T. Beyerlein Gaby ./. Nicola – Keine zeitliche Begrenzung von Schadensersatz- und Auskunftsanspruch durch die vom Gläubiger nachgewiesene erste Verletzungshandlung, WRP 2007, 1310; Borck Klagebefugnis für Verbraucherverbände, WRP 1965, 319; ders. Erste Erfahrungen im Umgang mit der Aktivlegitimation der Verbraucherverbände, WRP 1968, 1; ders. Zur Glaubhaftmachung des Unterlassungsanspruchs, WRP 1978, 776; ders. Wiederholungsgefahr – Dringlichkeit – Abmahnungsgefahr, NJW 1981, 2721; ders. Die Erstbegehungsgefahr im Unterlassungsprozess, WRP 1984, 583; ders. Über Schwierigkeiten im Gefolge von Mehrfachabmahnungen, WRP 1985, 311; ders. Aktivlegitimation und Prozeßführungsbefugnis beim Wettbewerblichen Unterlassungsanspruch, WRP 1988, 707; ders. Der Missbrauch der Aktivlegitimation (§ 13 Abs. 5 UWG), GRUR 1990, 249; ders. Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, WRP 1994, 719; ders. Das Prokrustesbett „konkrete Verletzungsform“, GRUR 1996, 522; ders. Über unbegründete Nebenentscheidungen in Unterlassungsurteilen, WRP 1997, 1162; ders. Über unrichtig gewordene Unterlassungstitel und deren Behandlung, WRP 2000, 9; ders. Die Missbrauchsklausel (§ 8 Abs. 4 UWG) und deren Missbrauch, WRP 2006, 1428; J. Bornkamm Das Wettbewerbsverhältnis und die Sachbefugnis der Mitbewerber, GRUR 1996, 527; ders. Unterlassungstitel und Wiederholungsgefahr, FS Tilmann (2003) 769; Brehm Die Vollstreckung der Beseitigungspflicht nach § 890 ZPO, ZZP 89 (1976), 178; Brömmekamp Der Fall L’Oréal gegen eBay: Prüfstein für die Informationsgesellschaft – Anmerkungen zu den Schlussanträgen des GA Jääskinen in der Rs. C-324/ 09, WRP 2011, 306; Brönneke (Hrsg.) Kollektiver Verbraucherschutz im Zivilprozeßrecht (2001); Buchmann Neuere Entwicklungen im Recht der lauterkeitsrechtlichen Abmahnung, WRP 2012, 1345; ders. Aktuelle Entwicklungen im Fernabsatzrecht 2012/2013, K&R 2013, 535; ders. Kommentar zum Beschluss des OLG Köln vom 14.05.2013, AZ III-1 RVs 67/13, WRP 2013, 1392; Büttner Anwaltswerbung zwischen Berufsrecht und Wettbewerbsrecht, FS Vieregge (1995) 99; Burmeister/Alexander Weniger Staat, mehr Markt wagen, WRP 2009, 159; C. Busch Lauterkeitsrecht in Europa: Aquis communautaire, in: Schmidt-Kessel/Schubmehl (Hrsg.), Lauterkeitsrecht in Europa (2011); Callmann Der Goodwill und die freien Berufe unter dem Bundesentschädigungsgesetz, NJW 1956, 1910; Conrad Abgabe einer Unterlassungserklärung ohne Anerkenntnis einer Rechts- und Zahlungspflicht und Aufwendungsersatz, WRP 2001, 187; Dembowski Anforderungen an Mitteilung des Schutzrechtsinhabers gegenüber Betreiber einer Internet-Handelsplattform wegen Markenrechtsverletzung („Stiftparfüm“), jurisPR-WettbR 10/2011 Anm. 1; Derleder/Zänker Die Anforderungen an die Struktur von Abmahnvereinen seit der UWG-Novelle 1994, GRUR 2002, 490; Dieselhorst Der „unmittelbar Verletzte“ im Wettbewerbsrecht nach der UWG-Novelle, WRP 1995, 1; Dilly „Nicola siegt über Gaby“ – Zum Umfang des akzessorischen Auskunftsanspruchs nach § 242 BGB, WRP 2007, 1313; R. Döring Die Haftung für eine Mitwirkung an Wettbewerbsverstößen nach der Entscheidung des BGH „jugendgefährdende Medien bei eBay“, WRP 2007, 1131; ders. Die zivilrechtliche Inanspruchnahme des Access-Providers auf Unterlassung bei Rechtsverletzungen auf fremden Webseiten, WRP 2008, 1155; Dörre/ Maaßen Das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des Geistigen Eigentums, GRUR-RR

Paal

2

Schrifttum

§8

2008, 269; G. Dreyer Konvergenz oder Divergenz – Der deutsche und der europäische Mitbewerberbegriff im Wettbewerbsrecht, GRUR 2008, 123; Eck/Dombrowski Rechtsschutz gegen Besichtigungsverfügungen im Patentrecht, GRUR 2008, 387; S. Ehret Internet-Auktionshäuser auf dem haftungsrechtlichen Prüfstand, CR 2003, 754; Eichelberger Die Drittunterwerfung im Wettbewerbsrecht, WRP 2009, 270; Eichmann Die Durchsetzung des Anspruchs auf Drittauskunft, GRUR 1990, 575; ders. Rechtsnatur der Abmahnung und Verwarnung, FS Helm (2002) 287; ders./Falkenstein Geschmacksmustergesetz, 3. Aufl. (2005); Engels/ Köster Haftung für „werbende Links“ in Online-Angeboten, MMR 1999, 522; Engels/Salomon Vom Lauterkeitsrecht zum Verbraucherschutz: UWG-Reform 2003, WRP 2004, 32; Ernst-Moll Beseitigungsanspruch und Rückruf im gewerblichen Rechtsschutz, FS Klaka (1987) 16; Flechsig Subdomain Sicher, versteckt und unerreichbar? – Die Verkehrssicherungspflichten des Hostproviders, MMR 2002, 347; Foerste Umschreibung des Unterlassungstitels bei Betriebserwerb – negatorische Haftung und Betriebsinhaberhaftung nach § 13 IV UWG, GRUR 1998, 450; Freytag Haftung im Netz (1999); J. Fritzsche Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage (2000); ders. Anmerkung zu BGH I ZR 26/02 – Werbeblocker, LMK 2004, 192; ders. Beseitigungsanspruch im Kartellrecht nach der 7. GWB-Novelle, WRP 2006, 42; ders. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, GewArch 2007, 167; H. Fröhlich Strafbewehrte Unterlassungserklärungen im Recht des unlauteren Wettbewerbs – ein rein deutsches Phänomen? ZEuP 1995, 438; Gaertner Die Haftung der Verlage für den wettbewerbswidrigen Inhalt von Anzeigen, AfP 1990, 269; Gamerith Die Verwirkung im Urheberrecht, WRP 2004, 75; Garbers Das Ende anonymisierter Mitgliederlisten, WRP 1996, 265; von Gierke Grenzen der wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung, WRP 1997, 892; Glockshuber Die Passivlegitimation im deutschen Recht des unlauteren Wettbewerbs (1997); Gloy Hat die Einschränkung der Klagebefugnis gewerblicher Verbände sich bewährt? WRP 1999, 34; H.-P. Götting Die persönliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Schutzrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstöße, GRUR 1994, 6; Goldbeck Der „umgekehrte“ Wettbewerbsprozess (2008); Gommlich Die Beseitigungsansprüche im UWG (2001); Gottschalk UWG-Reform: Die Auswirkungen auf Vertragsstrafeversprechen und gerichtliche Unterlassungstitel, WRP 2004, 1321; R. Greger Neue Regeln für die Verbandsklage im Verbraucher- und Wettbewerbsrecht, NJW 2000, 2457; Gröning 100 Tage UWGÄndG, WRP 1994, 775; ders. Die „Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs“, WRP 1995, 278; Grosch/T. Schilling Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung für die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung, FS Eisenführ (2003) 131; Grotheer Der eigentumsrechtliche Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB als Schutz vor Konkurrenten, GRUR 2006, 110; Gruber Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch nach einem „Zweitverstoß“, WRP 1991, 279; ders. Drittwirkung (vor-)gerichtlicher Unterwerfung? GRUR 1991, 354; ders. Grundsatz des Wegfalls der Wiederholungsgefahr durch Unterwerfung, WRP 1991, 368; ders. Die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr, WRP 1992, 71; B. Grunewald Die Berufsgerichtsbarkeit der freien Berufe, NJW 2002, 1369; Hackbarth Zur Störerverantwortlichkeit für die Inhalte von Internetseiten, CR 1998, 307; Hacker „L’Oréal/eBay“ – Die Host-Provider-Haftung vor dem EuGH, GRUR-Prax 2011, 391; Hadding Die Klagebefugnis der Mitbewerber und Verbände nach § 13 Abs. 1 UWG im System des Zivilprozessrechts, JZ 1970, 305; Haedicke Die Haftung für mittelbare Urheber- und Wettbewerbsverletzungen, GRUR 1999, 397; ders. Zur Frage der Drittverantwortlichkeit hinsichtlich Verletzungen des geistigen Eigentums, JZ 2010, 150; T. Hahn Die Haftung des Unternehmensinhabers nach § 8 Abs. 2 UWG (2007); Hantke Zur Beurteilung der Mehrfachverfolgung eines Wettbewerbsverstoßes als rechtsmissbräuchlich (§ 13 Abs. 5 UWG), FS Erdmann (2002) 831; Harrer Die Haftung des Geschäftsführers im Wettbewerbsrecht, FS Koppensteiner (2001) 407; A. Hartmann Unterlassungsansprüche im Internet – Störerhaftung für nutzergenerierte Inhalte (2009); H. Hartwig Die auflösend bedingte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, FS Pagenberg (2006) 301; Hasselbach Durchbrechungen der Rechtskraft im Verbandsklageverfahren, GRUR 1997, 40; Heckelmann Zum wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsvertrag bei Wegfall der Geschäftsgrundlage und dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion nach dem AGBG, WRP 1995, 166; ders./Wettich Zur Frage der Angemessenheit von Vertragsstrafen oder: Nachdenken ist angesagt, WRP 2003, 184; Heermann Die Erheblichkeitsschwelle im Sinne des § 3 UWG-E, GRUR 2004, 94; ders./Ohly Verantwortlichkeit im Netz (2002); Hefermehl Grenzen der Klagebefugnis der Gewerbetreibenden und Verbände im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, WRP 1987, 281; ders. Die Klagebefugnis der Verbände zur Wahrung der Interessen der Verbraucher, GRUR 1969, 653; Heinz/Stillner Übernahme einer an einen Dritten zu zahlende Vertragsstrafe als ausreichendes Strafgedinge bei Wettbewerbsverstößen? WRP 1976, 657; dies. Noch einmal zur Problematik eines Vertragsstrafeversprechens zugunsten eines Dritten, WRP 1977, 248; J. Helle Der Ausschluss privatrechtlichen Ehrenschutzes gegen Zeugenaussagen im Strafverfahren, NJW 1987, 233; ders. Die Begrenzung des zivilrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit und der Ehre gegenüber Äußerun-

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Paal

§8

Beseitigung und Unterlassung

gen im rechtlich geordneten Verfahren, GRUR 1982, 207; Henckel Vorbeugender Rechtsschutz im Zivilrecht, AcP 174 (1974), 97; Henke Die Unterlassungsklage der ZPO, JA 1987, 350; Henning-Bodewig Die wettbewerbsrechtliche Haftung von Werbeagenturen, GRUR 1981, 164; dies. Leitbildwerbung – haftet der „Star“ für Wettbewerbsverstöße? GRUR 1982, 202; dies. Das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, GRUR 2004, 713; G. Hess Unterwerfung als Anerkenntnis, WRP 2003, 353; ders. Vertragsstrafe bei der Verteilung von Werbematerial, WRP 2004, 296; Hinz/Weyhenmeyer Ziel und Anwendung der „Grundsätze für die Tätigkeit von Werbeagenturen“, WRP 1982, 308; M. Hirsch Anmerkung zum EuGH-Urteil vom 12.07.2011 – Zur Frage der Verantwortlichkeit des Betreibers eines Online-Marktplatzes für Markenrechtsverletzungen, K&R 2011, 572; Hirtz Der Nachweis der Wiederholungsgefahr bei Unterlassungsansprüchen, MDR 1988, 182; Hölscher Die inhaltlichen Anforderungen an die Unterwerfungserklärung, WRP 1995, 385; Hoeren Cybermanners und Wettbewerbsrecht – Einige Überlegungen zum Lauterkeitsrecht im Internet, WRP 1997, 993; ders. Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 12.7.2011 – C-324/09 – L’Oréal/eBay, MMR 2011, 605; Hoeren/Eustergerling Die Haftung des Admin-C, MMR 2006, 132; Hoeren/Semrau Haftung des Merchant für wettbewerbswidrige Affiliate-Werbung, MMR 2008, 571; Hoffmann Zivilrechtliche Haftung im Internet, MMR 2002, 284; Hollenders Mittelbare Verantwortlichkeit von Intermediären im Netz (2012); P. Huber D. Der Inhalt des Schuldverhältnisses, in: Staudinger – Eckpfeiler des Zivilrechts (Neubarb. 2012/2013); Huff Die Klagebefugnis der Rechtsanwaltskammern, NJW-Spezial 2004, 381; Hullen Zum Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, jurisPR-ITR 9/2012; Jacobs Zum Anspruch auf Drittauskunft beim wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz, GRUR 1995, 634; ders. Markenrechtsverletzungen durch Internet-Auktionen, FS Erdmann (2002) 327; Jahn/Pirrwitz Abschied vom Allgemeininteresse im Wettbewerbsrecht oder: Die Verletzung von Mitgliedsrechten als neue Voraussetzung der Klagebefugnis von Vereinen zur Förderung gewerblicher Interessen nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, GRUR 1988, 884; dies. Die wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit eines Unternehmens für Presseveröffentlichungen, insbesondere redaktionelle Werbung, WRP 1990, 372; Janal Lauterkeitsrechtliche Betrachtungen zum AffiliateMarketing, CR 2009, 317; Jelinek Das „Klagerecht“ auf Unterlassung, ÖBl. 1974, 125; Jergolla Das Ende der wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung, WRP 2004, 655; Jestaedt Bereicherungsausgleich bei unwirksamen Lizenzverträgen, WRP 2000, 899; ders. Das Merkmal „auf demselben Markt“ im Recht des unlauteren Wettbewerbs und seine Auswirkungen auf die Klagebefugnis und den Unterlassungsanspruch (2003); Kaiser Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht (1999); Kamlah Zum Konkurrenzverhältnis des UWG zum UKlaG, WRP 2006, 33; Kiethe Werbung im Internet, WRP 2000, 616; Kisseler Das Klagerecht der Verbände in der Bewährungsprobe, WRP 1977, 151; ders. Gebührenvereine im Zwielicht, WRP 1982, 123; ders. Der Missbrauch der Klagebefugnis gemäß § 13 V UWG, WRP 1989, 623; ders. Die Aufbrauchsfrist im vorprozessualen Abmahnverfahren, WRP 1991, 691; ders. Die UWG-Novelle in der Praxis, WRP 1994, 768; Klaka Ehrverletzende Äußerungen im Zivilprozess, GRUR 1973, 515; Klein Keine Vertragsstrafe für die Schwebezeit, GRUR 2007, 664; Kloos Wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit für Hyperlinks, CR 1999, 46; Klute Die aktuellen Entwicklungen im Lauterkeitsrecht, NJW 2014, 359; Knieper Mit Belegen gegen Produktpiraten, WRP 1999, 1116; Kniesbeck Die Haftung der Konzernobergesellschaft für Wettbewerbsverstöße der Untergesellschaft (1999); Koblitz Alte Versprechen, neue Probleme – Vom hoffentlich vorletzten Wort des BGH zur „Altunterwerfung“, WRP 1997, 382; Koch Perspektiven für die Link- und Suchmaschinen-Haftung, CR 2004, 213; ders. Anmerkung zu BGH JZ 1991, 1038, JZ 1991, 1041; Köhler Zum „Wiederaufleben der Wiederholungsgefahr“ beim wettbewerblichen Unterlassungsanspruch, GRUR 1989, 804; ders. Vertragliche Unterlassungspflichten, AcP 190 (1990), 496; ders. Die Haftung des Betriebsinhabers für Wettbewerbsverstöße seiner Mitarbeiter und Beauftragten (§ 13 IV UWG), GRUR 1991, 344; ders. Pressehaftung für wettbewerbswidrige Anzeigen, JuS 1991, 719; ders. Die wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüche (Unterlassung, Beseitigung, Widerruf), NJW 1992, 137; ders. Grenzen der Mehrfachklage und Mehrfachvollstreckung im Wettbewerbsrecht, WRP 1992, 359; ders. „Natürliche Handlungseinheit“ und „Fortsetzungszusammenhang“ bei Verstößen gegen Unterlassungstitel und strafbewehrte Unterlassungserklärungen, WRP 1993, 666; ders. Vertragsstrafe und Schadenersatz, GRUR 1994, 260; ders. Die Begrenzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, GRUR 1996, 82; ders. Die Beteiligung an fremden Wettbewerbsverstößen, WRP 1997, 897; ders. Anmerkung zu BGH GRUR 1998, 419 – Gewinnspiel im Ausland, LM UWG § 13 (a.F.) Nr. 91; ders. Der ergänzende Leistungsschutz: Ein Plädoyer für eine gesetzliche Regelung, WRP 1999, 1075; ders. Die Auswirkungen der Unternehmensveräußerung auf gesetzliche und vertragliche Unterlassungsansprüche, WRP 2000, 921; ders. UWG-Reform und Verbraucherschutz, GRUR 2003, 265; ders. Das neue UWG, NJW 2004, 2123; ders. Rechtsnatur und Rechtsfolgen der missbräuchlichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen (§ 8 Abs. 4 UWG), FS Schricker (2005) 725;

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ders. Zur Geltendmachung und Verjährung von Unterlassungsansprüchen, JZ 2005, 489; ders. Schutzlücken bei der Verbandsklagebefugnis im Kartell- und Wettbewerbsrecht – eine Aufgabe für den Gesetzgeber, WRP 2007, 602; ders. „Täter“ und „Störer“ im Wettbewerbs- und Markenrecht, GRUR 2008, 1; ders. Die UWG-Novelle 2008, WRP 2009, 109; ders. Der „Mitbewerber“, WRP 2009, 499; ders. Der Schutz vor Produktnachahmung im Markenrecht, Geschmacksmusterrecht und neuen Lauterkeitsrecht, GRUR 2009, 898; ders. Wegfall der Erstbegehungsgefahr durch „entgegengesetztes Verhalten“? GRUR 2011, 879; ders. Das neue Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, NJW 2013, 3473; ders./Bornkamm/Henning-Bodewig Vorschlag für eine Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine UWG-Reform, WRP 2002, 1317; A. König Wettbewerbsrechtliche Abwehransprüche gegen die GmbH und ihre Gesellschafter (1992); Körner Befristete und unbefristete Unterlassungstitel bei Wettbewerbsverstößen, GRUR 1985, 909; Köster/Jürgens Haftung professioneller Anbieter im Internet, MMR 2002, 420; Krekel Diensteanbieter als Überwachungsgaranten, WRP 2009, 1029; Krieger Zum Anspruch auf Auskunftserteilung wegen Warenzeichenverletzung, GRUR 1989, 802; Ch. Krüger Wiederholungsgefahr – unteilbar? GRUR 1984, 785; Kues Mehrfachabmahnung und Aufklärungspflicht, WRP 1985, 196; Lambsdorff Zur Klagebefugnis von Rechtsanwaltskammern, WRP 1998, 1151; Lehmann Der Einfluß des Konkurses auf Unterlassungsansprüche, ZZP 38 (1909), 68; Lehment Zur Störerhaftung von Online-Auktionshäusern, WRP 2003, 1058; Leible/Sosnitza „3…2…1… meins!“ und das TDG, WRP 2004, 592; dies. Neues zur Störerhaftung von Internet-Auktionshäusern, NJW 2004, 3225; Leisse Schadenersatz durch befristete Unterlassung, FS Traub (1994) 229; Leistner Von „Grundig-Reporter(n) zu Paperboy(s)“, GRUR 2006, 801; ders. Störerhaftung und mittelbare Schutzrechtsverletzung, GRUR-Beil. 2010, 1; Leistner/Stang Die Neuerung der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten, WRP 2008, 533; Lensing-Kramer/Ruess Markenrechtliche Verantwortlichkeit von Internet-Auktionsportalen im Rechtsvergleich, GRUR 2009, 722; Lettl Der Schutz der Verbraucher nach der UWG-Reform, GRUR 2004, 449; ders. Gemeinschaftsrecht und neues UWG, WRP 2004, 1079; ders. Das neue UWG (2004); ders. Rechtsprechungsübersicht zum Wettbewerbsrecht 2003/2004 – Relevanz im neuen UWG, BB 2004, 1913; ders. Kein vorbeugender Schutz des Persönlichkeitsrechts gegen Bildveröffentlichung? NJW 2008, 2160; W. F. Lindacher Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, GRUR 1985, 423; ders. Zur wettbewerbsrechtlichen Unterlassungshaftung der Presse im Anzeigengeschäft, WRP 1987, 585; ders. Der „Gegenschlag“ des Abgemahnten, FS von Gamm (1990) 83; ders. Die internationale Verbandsklage in Wettbewerbssachen, FS Lüke (1997) 377; ders. Wettbewerbliche Unterlassungsverpflichtung und Vertragsstrafeversprechen nach „Hamburger Brauch“, WRP 1975, 7; ders. Gesicherte Unterlassungserklärung, Wiederholungsgefahr und Rechtsschutzbedürfnis, GRUR 1975, 413; von Linstow Klagebefugnis und Gerichtsstand nach der UWG-Novelle, WRP 1994, 787; ders Die rechtsverletzende Titelschutzanzeige, FS Erdmann (2002) 375; Lohse § 1004 BGB als Rechtsgrundlage für Zahlungsansprüche? AcP 201 (2001), 902; M. Loschelder Anspruch aus § 1 UWG, gerichtet auf die Unterlassung einer Unterlassung, WRP 1999, 57; Loschelder/Dörre Wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten des Betreibers eines realen Marktplatzes, WRP 2010, 822; Lunk/Nebendah, Zur Unterlassungshaftung des Inserenten für wettbewerbswidrige Zeitungsanzeigen, GRUR 1991, 656; Maaßen Abschaffung des effektiven Rechtsschutzes durch das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“? GRURPrax 2012, 252; N. Maier Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Wettbewerbsverstöße im Unternehmen, WRP 1986, 71; Mankowski Für einen Wegfall des Fortsetzungszusammenhangs bei der Unterlassungsvollstreckung, WRP 1996, 1144; ders. Können ausländische Schutzverbände der gewerblichen Wirtschaft „qualifizierte Einrichtungen“ im Sinne der Unterlassungsklagerichtlinie sein und nach § 8 III Nr. 3 UWG klagen? WRP 2010, 186; Mees Verbandsklagebefugnis in Fällen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, WRP 1999, 62; Mels/Franzen Rechtsnachfolge in die gesetzliche Unterlassungsschuld des Wettbewerbsrechts, GRUR 2008, 968; Melullis Zu den Auswirkungen der UWG-Novelle v. 25.7.1994 auf bestehende Unterlassungsverpflichtungen, FS Piper (1996) 375; Micklitz/Rott Vergemeinschaftung des EuGVÜ in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, EuZW 2001, 325; Münzberg Bemerkungen zum Haftungsgrund der Unterlassungsklage, JZ 1967, 689; Nacken Anmerkungen zu den Änderungen des UWG, WRP 1994, 791; Nägele Das konkrete Wettbewerbsverhältnis – Entwicklungen und Ausblick, WRP 1996, 997; Nicles/von Blumenthal Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, ITRB 2013, 173; Nieder Aufbrauchsfrist via Unterwerfungserklärung? WRP 1999, 583; ders. Die vertragsstrafenbewehrte Unterwerfung im Prozessvergleich, WRP 2001, 117; Nordemann Verkehrspflichten und Urheberrecht, FS Loewenheim (2009) 215; ders. Haftung von Providern im Urheberrecht, GRUR 2011, 977; ders./Blum Das endgültige Ende der Serienabmahnungen im Immobilienrecht? NZM 2002, 148; Omsels Zur Unlauterkeit der gezielten Behinderung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 10 UWG), WRP 2004, 136; Oppermann Unterlassungsanspruch und materielle Gerechtigkeit im Wettbewerbsprozess (1993); Ottofülling Die wettbewerbsrechtliche und immaterial-

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§8

Beseitigung und Unterlassung

güterrechtliche Störerhaftung des Geschäftsführers der GmbH (1990); ders. Steht der Geschäftsführer der GmbH in der Gefahr, persönlich auf Unterlassung zu haften? GmbHR 1991, 304; Paal/Wilkat Internetauktionshäuser und Störerhaftung – Zugleich eine Besprechung von BGH, Urteil vom 17.8.2011, I ZR 57/09 – „Stiftparfüm“, MarkenR 2012, 1; Paefgen Grenzen der Verbraucherverbandsklagebefugnis bei Wettbewerbsverstößen im Btx-Dienst, CR 1992, 65; Pankoke Von der Presse- zur Providerhaftung (2000); Pastor Verbraucherverbände im Sinne des § 13 Abs. 1a UWG, GRUR 1969, 571; ders. Die Verbandsklagebefugnis des § 13 nach dem 2. Regierungsentwurf einer UWG-Reform, WRP 1982, 371; Peifer Verkehrspflicht des Nutzers einer Auktionsplattform zur Geheimhaltung der elektronischen Zugangsdaten („Halzband“), jurisPR-WettbR 5/2009 Anm. 1; Picker Der negatorische Beseitigungsanspruch (1972); Piekenbrock Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf (2006); Pietzcker Standesaufsicht durch Wettbewerbsklagen? NJW 1982, 1840; H. Piper Neuere Rechtsprechung des BGH zum Wettbewerbsrecht, GRUR 1996, 147; ders. Zur Prozessführung der Wettbewerbszentrale vor dem Bundesgerichtshof, WRP 1996, 484; P. Pohlmann Das Rechtsschutzbedürfnis bei der Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, GRUR 1993, 361; Pokrant Zur vorprozessualen Erfüllung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, FS Erdmann (2002) 863; Prelinger Klagebefugnis der Abmahnvereine? NJW 1982, 211; Rath/Hausen Ich bin doch nicht blöd? Rechtsmissbräuchliche gerichtliche Mehrfachverfolgung, WRP 2007, 133; Redeker Grenzen für Aufgaben und Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Zwangsverbände, NJW 1982, 1266; Rehart/Eckardt Auskunftsanspruch und kein Ende, WRP 2008, 1286; Rehbinder Vergütung für eingespeisten Strom im Wege der Beseitigung auch nach Betriebseinstellung? NJW 1997, 564; Reichelsdorfer Die Haftung für Dritte im Wettbewerbsrecht (2001); ders. Schadensersatzhaftung für Angestellte und Beauftragte nach § 13 Abs. 4 UWG, WRP 2004, 828; Remmertz Werbebotschaften per Handy, MMR 2003, 314; C. Renner/A. Schmidt Unterlassung von Handlungen Dritter? GRUR 2009, 908; Retzer Vernichtungsanspruch bei Nachahmung, FS Piper (1996) 421; Rheineck Rückrufpflichten des Unterlassungsschuldners? WRP 1992, 753; Rieble Wegfall wettbewerblicher Vertragsstrafen durch das UWG-Änderungsgesetz? GRUR 1995, 252; Ritter Zur Unterlassungsklage: Urteilstenor und Klageantrag (1994); M. Rössel Zur Haftung des Inhabers eines eBay-Mitgliedskontos für über das Mitgliedskonto begangene Schutzrechtsverletzungen durch einen Dritten, CR 2009, 453; Rosenthal Die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung der Unterlassungsklage, LZ 1910, 587; ders. Die Beweislast für die Wiederholungsgefahr bei der Unterlassungsklage, LZ 1911, 888; Rüßmann Die Bindungswirkung rechtskräftiger Unterlassungsurteile, FS Lüke (1997) 675; R. Sack Sittenwidrigkeit, Sozialwidrigkeit und Interessenabwägung, GRUR 1970, 493; ders. Die Durchsetzung unlauter zustande gebrachter Verträge als unlauterer Wettbewerb? WRP 2002, 396; ders. Regierungsentwurf einer UWG-Novelle – ausgewählte Probleme, BB 2003, 1073; F. J. Säcker Zur Problematik wettbewerbsrechtlicher Verbandsklage durch Spitzenorganisationen der Wirtschaft, DB 1986, 1504; ders. Die Haftung von Diensteanbietern nach dem Entwurf des EGG, MMR-Beilage 9/2000; Samwer Verbraucherschutz und Wettbewerbsrecht, GRUR 1969, 326; ders. Die Störerhaftung und die Haftung für fremdes Handeln im wettbewerblichen Unterlassungsrecht, WRP 1999, 67; Schaffert Der durch § 4 Nr. 11 UWG bewirkte Schutz der Mitbewerber, FS Ullmann (2006) 845; Schapiro Unterlassungsansprüche gegen die Betreiber von Internet-Auktionshäusern und Internet-Meinungsforen (2011); B. Schindler Die Klagebefugnis im Wettbewerbsprozeß nach der UWGReform, WRP 2004, 835; W. Schmid Überlegungen zum Sinn und zu den Rechtsfolgen von Titelschutzanzeigen, FS Erdmann (2002) 469; E. Schmidt Verbraucherschützende Verbandsklagen, NJW 2002, 25; K. Schmidt Wettbewerbsrechtliche und vereinsrechtliche Instrumente gegen die Tätigkeit der Abmahnvereine, NJW 1983, 1520; Schmitz/Eckhart Mehr Verbraucherschutz durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Eine Verbesserung im Spannungsverhältnis zur Garantie des Fernmeldegeheimnisses, CR 2013, 818; A. Schneider Vom Störer zum Täter? (2012); E. und H. Schneider Problemfälle aus der Prozesspraxis – Die Fassung des Klageantrags bei Beseitigungsklage aus § 1004 BGB, MDR 1987, 639; Schnepel Zum Streit um das „Wiederaufleben der Wiederholungsgefahr“ beim wettbewerblichen Unterlassungsanspruch, WRP 1994, 467; Schnur Das Verhältnis von Widerruf einer Behauptung und Bekanntmachung der Gerichtsentscheidung als Mittel zur Rufwiederherstellung, GRUR 1978, 225; ders. Zum „uneingeschränkten“ und „eingeschränkten“ Widerruf von Behauptungen, GRUR 1979, 139; Scholz Missbrauch der Verbandsklagebefugnis – der neue § 13 Abs. 5 UWG, WRP 1987, 433; Schotthöfer Rechtliche Probleme im Verhältnis zwischen Feststellungsklage und Unterlassungsklage im Wettbewerbsrecht, WRP 1986, 19; P. Schrader Wettbewerbsrechtlicher Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gegen Vorstandsmitglieder oder gegen die Aktiengesellschaft? DB 1994, 2221; Schreiner Anmerkung zu BGH GRUR 1988, 918 – Anonymisierte Mitgliederliste III, GRUR 1988, 919; Schricker Unlauterer Wettbewerb und Verbraucherschutz,

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GRUR Int. 1970, 32; ders. Berichtigende Werbung – Rechtsvergleichende Überlegungen zur Fortbildung des deutschen Wettbewerbsrechts, GRUR Int. 1975, 191; W. B. Schünemann Drittwirkung bei Bewilligung einer Aufbrauchfrist, WRP 1994, 693; ders. Die wettbewerbsrechtliche „Störer“-Haftung, WRP 1998, 120; SchulteFranzheim Rechtsmissbrauch durch Mehrfachverfolgung von Wettbewerbsverstößen, WRP 2001, 745; A. Schulz Einstweiliger Rechtsschutz gegen Markenanmeldungen, WRP 2000, 258; Schuschke Wiederholte Verletzungshandlungen: Natürliche Handlungseinheit, Fortsetzungszusammenhang und Gesamtstrafe im Rahmen des § 890 ZPO, WRP 2000, 1008; Schuster/Bonnots Die Gefahr des Zuwiderhandelns gegen Unterlassungsverpflichtungen (Wiederholungsgefahr), Öbl. 1974, 169; Schwartz Verfolgung unlauteren Wettbewerbs im Allgemeininteresse, GRUR 1967, 333; Sosnitza Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – Voll- oder Teilharmonisierung? WRP 2006, 1; Spätgens Drittwirkung bei Bewilligung einer Aufbrauchfrist, WRP 1994, 693; ders. Gedanken zur Klageberechtigung und zum Herstellerbegriff beim ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz, FS Erdmann (2002) 727; Spieker Haftungsrechtliche Aspekte für Unternehmen und ihre Internet-Werbepartner (Affiliates), GRUR 2006, 903; G. Spindler Verantwortlichkeit und Haftung für Hyperlinks im neuen Recht, MMR 2002, 495; ders. Das Gesetz zum elektronischen Geschäftsverkehr – Verantwortlichkeit der Diensteanbieter und Herkunftslandprinzip, NJW 2002, 921; ders. Hyperlinks und ausländische Glücksspiele, GRUR 2004, 724; ders. Europarechtliche Rahmenbedingungen der Störerhaftung im Internet – Rechtsfortbildung durch den EuGH in Sachen L’Oréal/eBay, MMR 2011, 703; G. Spindler/Volkmann Die zivilrechtliche Störerhaftung der Internet-Provider, WRP 2003, 1; dies. Störerhaftung für wettbewerbswidrig genutzte Mehrwertdienst-Rufnummern und Domains, NJW 2004, 808; T. Stadler Haftung für Information im Internet (2002); Steinbeck Die strafbewehrte Unterlassungserklärung: Ein zweischneidiges Schwert! GRUR 1994, 90; Steines Die strafbewehrte Unterlassungserklärung: Einziges Mittel zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr, NJW 1988, 1359; Steiniger Unterlassungstitel – Verletzungshandlung – Kerntheorie – oder warum man Untersagungsgeboten Folge leisten sollte, WRP 2000, 1415; Steinmetz Der „kleine“ Wettbewerbsprozeß (1993); Stickelbrock Mehrfachverfolgung von Wettbewerbsverstößen durch konzernmäßig verbundene Unternehmen, WRP 2001, 648; Strömer/Grootz Die „veranlasste Initiativunterwerfung“ – Ein untauglicher Versuch? WRP 2008, 1148; Stute Aus der Praxis – für die Praxis, Werbegemeinschaft als Beauftrage i.S.v. § 13 Abs. 4 UWG, WRP 1999, 875; Tack Zur „Wiederholten Unterwerfung“ in Wettbewerbsstreitigkeiten, WRP 1984, 455; Teplitzky Die Rechtsfolgen der unbegründeten Ablehnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, GRUR 1983, 609; ders. Das Verhältnis des objektiven Beseitigungsanspruchs zum Unterlassungsanspruch im Wettbewerbsrecht, WRP 1984, 365; ders. Unterwerfung und „konkrete Verletzungsform“, WRP 1990, 26; ders. Die (Unterwerfungs-)Vertragsstrafe in der neueren BGH-Rechtsprechung, WRP 1994, 709; ders. Zur Frage der überregionalen Drittwirkung einer Unterwerfungserklärung auf Abmahnung eines nur regional tätigen Gläubigers, WRP 1995, 359; ders. Zur Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage für Unterwerfungsverträge als Folge der Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 UWG, WRP 1995, 275; ders. Die Auflösung von Unterwerfungsverträgen mit nicht mehr verfolgungsberechtigten Gläubigern, WRP 1996, 1004; ders. Unterwerfung oder Unterlassungsurteil? Zur Frage des aus der Verletzerperspektive „richtigen“ Streiterledigungsmittels, WRP 1996, 171; ders. Die wettbewerbsrechtliche Unterwerfung heute – Neuere Entwicklungen eines alten Streitbereinigungsmittels, GRUR 1996, 969; ders. Die fortgesetzte Handlung im Zivilrecht, WRP 1997, 73; ders. Streitgegenstand und materielle Rechtskraft im Unterlassungsprozess, GRUR 1998, 320; ders. Neue Entwicklungen beim wettbewerbs- und markenrechtlichen Auskunftsanspruch, FS Tilmann (2003) 913; ders. Die prozessualen Folgen der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung, WRP 2005, 1433; ders. Aktuelle Probleme der Abmahnung und der Unterwerfung sowie des Verfahrens der einstweiligen Verfügung im Wettbewerbs- und Markenrecht, WRP 2005, 654; ders. Zur Frage der Rechtmäßigkeit unbegründeter Schutzrechtsverwarnungen, GRUR 2005, 9; ders. Zu Formen rechtsmissbäuchlichen Gläubigerverhaltens, FS 100 Jahre Wettbewerbszentrale (2013) 177; Tettenborn/Bender/ Lübben/Karenfort Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr, K&R 2001, Beilage 1 zu Heft 12/ 2001; Thun Der immaterialgüterrechtliche Vernichtungsanspruch (1998); Tilmann Der Auskunftsanspruch, GRUR 1987, 251; ders. Zum Anspruch auf Auskunftserteilung wegen Warenzeichenverletzung II, GRUR 1990, 160; ders. Die UWG-Novelle 1994, BB 1994, 1793; Tilmann/Schreibauer Die neueste BGH-Rechtsprechung zum Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB, GRUR 2002, 1015; Traub Wettbewerbsrechtliche Nachahmungstatbestände und Klagebefugnis der Wettbewerber, FS Quack (1991) 119; ders. Die Anwendung des § 278 BGB auf die Erfüllung wettbewerblicher Unterlassungsversprechen, FS Gaedertz (1992) 563; Tsantinis Aktivlegitimation und Prozeßführungsbefugnis von Individuen und Organisationen im UWGProzeßrecht (1995); Uedelhoven Die kostenlose Erstabmahnung – eine wirkungslose Waffe gegen den un-

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§8

Beseitigung und Unterlassung

seriösen Abmahnverein, WRP 1982, 564: Ullmann Zur Bedeutung der gewillkürten Prozeßstandschaft im Warenzeichen- und im Wettbewerbsrecht, FS von Gamm (1990) 315; ders. Erstbegehungsgefahr durch Vorbringen im Prozeß? WRP 1996, 1007; G. A. Ulrich Verhinderung des Mißbrauchs der Verbandsklagebefugnis durch Verbot außergerichtlichen Aufwendungsersatzes? WRP 1982, 378; ders. Der Mißbrauch der Verbandsklagebefugnis – ein Rückblick, WRP 1984, 368; ders. Der Mißbrauch prozessualer Befugnisse in Wettbewerbssachen, FS von Gamm (1990) 223; ders. Die Aufbrauchsfrist im Verfahren der einstweiligen Verfügung, GRUR 1991, 26; ders. Die Vollstreckungsabwehrklage in Wettbewerbssachen, FS Traub (1994) 423; ders. Anmerkung zu BGH I ZR 138/92 – Laienwerbung für Augenoptiker, ZIP 1995, 156; ders. Die gewillkürte Prozessstandschaft und die UWG-Novelle 1994, WRP 1995, 441; ders. Kurzkommentar zu BGH I ZR 126/93 – Anonymisierte Mitgliederliste, EWiR § UG 1/1996, 87; ders. Die fortgesetzte Handlung im Zivilrecht, WRP 1997, 1; ders. Die Mehrfachverfolgung von Wettbewerbsverstößen durch einem Konzernverbund angehörige, rechtlich selbstständige Unternehmen, die auf einem regionalen Markt tätig sind, WRP 1998, 826; ders. Abänderungsklage (§ 323 ZPO) oder/und Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) bei „unrichtig gewordenen“ Unterlassungstiteln? WRP 2000, 1054; von Ungern-Sternberg Verbandsklagebefugnis für Abmahnvereine? NJW 1981, 2328; ders. Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Vielfachabmahner – ein Nachruf? FS Klaka (1987) 72; ders. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Urheberrecht und zu den verwandten Schutzrechten in den Jahren 2008 und 2009 (Teil II), GRUR 2010, 386; Völp Änderung der Rechts- oder Sachlage bei Unterlassungstiteln, GRUR 1984, 486; Vogt Die Entwicklung des Wettbewerbsrechts in den Jahren 2003 bis 2005, NJW 2006, 2960; Volkmann Die Unterlassungsvollstreckung gegen Störer aus dem Online-Bereich, CR 2003, 440; ders. Aktuelle Entwicklungen in der Providerhaftung im Jahre 2006, K&R 2007, 289; ders. Verkehrspflichten für Internet-Provider, CR 2008, 232; ders. Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 12.7.2011 – C-324/09, CR 2011, 60; Walchner Der Beseitigungsanspruch im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (1998); G. Walter Ehrenschutz gegenüber Parteivorbringen im Zivilprozess, JZ 1986, 614; Weiler Ein lauterkeitsrechtliches Vertragsauflösungsrecht des Verbrauchers? WRP 2003, 423; Weiß Die Verbandsklagebefugnis nach neuem Recht, WRP 1995, 155; Welzel Anforderungen an die Struktur von „Abmahnvereinen“ seit der UWG-Novelle 1994 – Entgegnung auf Derleder/Zänker, GRUR 2003, 762; Wesel Zur Frage des materiellen Anspruchs bei Unterlassungsklagen, FS von Lübtow (1970) 787; Weyhenmeyer Verbandsklage durch Spitzenorganisationen der Wirtschaft, DB 1986, 2317; Wiebe Bindung an Unterlassungsverträge nach der Novellierung von § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG, WRP 1995, 75; Wiegand Die Passivlegitimation bei wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüchen (1997); Wilmer Überspannte Prüfungspflichten für Host-Provider? NJW 2008, 1845; Wiltschek Wettbewerbsund Markenrecht in Österreich, WRP 2000, 675; Wimmer Die Verantwortlichkeit des Host-Providers nach dem neuen Multimediarecht, ZUM 1999, 436; Witzmann Störerhaftung wegen Werbung auf Website mit rechtswidrigem Inhalt, K&R 2008, 314; M. Wolf Zur Zulässigkeit der Verbandsklage, BB 1971, 1293; Wuttke Neues zur wettbewerbsrechtlichen Relevanz und Interessenabwägung bei der irreführenden Werbung, WRP 2003, 839; Zeuner Gedanken zur Unterlassungs- und negativen Feststellungsklage, FS Dölle (1963) 295.

Systematische Übersicht A.

B.

Paal

Systematische Übersicht Einführung | 1 I. Entstehungsgeschichte | 1 II. Bedeutung | 3 Wettbewerbsrechtliche Abwehransprüche (Absatz 1) | 4 I. Allgemeines | 4 II. Unterlassungsansprüche (Absatz 1 Satz 1 Var. 2 und Satz 2) | 6 1. Begehungsgefahr | 7 a) Materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung | 8 b) Begehungsgefahr vs. Rechtsschutzbedürfnis | 9 2. Verletzungsunterlassungsanspruch (Absatz 1 Satz 1 Var. 2) | 10

a) Verletzungshandlung | 11 b) Bestehen der Wiederholungsgefahr | 12 aa) Begriff und Wesen der Wiederholungsgefahr | 12 bb) Vermutungswirkung begangener Wettbewerbsverstöße | 14 c) Wegfall der Wiederholungsgefahr | 18 aa) Strafbewehrte Unterlassungserklärung | 19 (1) Rechtsnatur | 20 (2) Formerfordernis | 21

8

Systematische Übersicht

(3) Auslegung | 22 (4) Teilunterwerfung | 23 (5) Bedingung und Befristung | 24 (6) Vertragsstrafeversprechen | 25 bb) Rechtskräftiges Unterlassungsurteil | 29 cc) Einstweilige Verfügung mit Abschlusserklärung | 30 dd) Vergleich | 31 ee) Rechtliche Änderungen | 32 ff) Tatsächliche Änderungen | 33 3. Vorbeugender Unterlassungsanspruch (Absatz 1 Satz 2) | 34 a) Vorliegen der Erstbegehungsgefahr | 36 aa) Berühmung | 38 bb) Vorbereitungshandlungen | 40 cc) Verjährter Verletzungsunterlassungsanspruch | 41 b) Wegfall der Erstbegehungsgefahr | 42 4. Umfang des Unterlassungsanspruchs | 45 a) Sachlicher Umfang | 45 b) Räumlicher Umfang | 47 c) Zeitlicher Umfang | 48 d) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit | 49 e) Aufbrauchsfrist | 50 aa) Rechtsgrundlage | 51 bb) Voraussetzungen der Gewährung | 52 cc) Dauer | 54 dd) Verfahrensfragen | 55 5. Vertraglicher Unterlassungsanspruch | 58 a) Rechtsnatur des Unterlassungsvertrags | 59 b) Zustandekommen und Inhalt des Unterlassungsvertrags | 60 c) Wirkungen des Unterlassungsvertrags | 62 d) Beendigung des Unterlassungsvertrags | 63

9

§8

III.

C.

Beseitigungsanspruch (Absatz 1 Satz 1 Var. 1) | 64 1. Allgemeines | 64 2. Voraussetzungen | 67 a) Zuwiderhandlung | 68 b) Fortdauernder Störungszustand | 69 c) Rechtswidrigkeit des Störungszustands | 71 3. Inhalt | 72 a) Art und Weise der Beseitigung | 73 b) Verhältnismäßigkeit der Beseitigung | 76 c) Möglichkeit der Beseitigung | 77 4. Sonderfall: Widerrufsanspruch | 78 a) Bedeutung und Funktion | 78 b) Voraussetzungen | 80 aa) Spezifischer Wettbewerbsverstoß (unrichtige Tatsachenbehauptung) | 81 bb) Fortdauernder Störungszustand | 84 cc) Rechtswidrigkeit | 86 dd) Verhältnismäßigkeit | 87 c) Beweislast | 89 d) Durchführung | 90 Schuldner der Abwehransprüche | 91 I. Haftung für eigenes Verhalten | 92 1. Täterschaft | 93 a) Allgemeines | 93 aa) Aktives Tun und Unterlassen | 94 bb) Geschäftliche Handlung | 95 cc) Allein, Mit-, mittelbare und Nebentäterschaft | 96 b) Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten | 99 aa) Institut der Störerhaftung | 100 bb) Konzept der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten | 105 (1) Normativer Anknüpfungspunkt im UWG 2004 | 106

Paal

§8

Beseitigung und Unterlassung

II.

III.

Paal

(2) Normativer Anknüpfungspunkt im UWG 2008 | 107 (3) Stellungnahme | 108 cc) Inhalt und Umfang wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten | 109 dd) Verkehrspflichten von Internetauktionshäusern | 110 (1) Rechtsprechung des BGH | 111 (2) Rechtsprechung des EuGH | 112 ee) Verkehrspflichten sonstiger Internetdiensteanbieter | 113 ff) Verkehrspflichten der Presse | 116 gg) Verkehrspflichten sonstiger Akteure | 118 c) Haftung wegen unzureichender Sicherung von Zugangsdaten | 122 aa) Begründung des BGH | 123 bb) Bewertung im Schrifttum | 125 cc) Stellungnahme | 127 2. Teilnahme | 128 a) Anstiftung | 129 b) Beihilfe | 131 Haftung für fremdes Verhalten | 134 1. Organ- und Repräsentantenhaftung | 135 a) Verfassungsmäßig berufene Vertreter | 136 b) In Ausführung der zustehenden Verrichtungen | 137 c) Haftung des Repräsentanten | 138 d) Lehre vom Organisationsmangel | 139 2. Haftung für Gesellschaftsschulden | 140 3. Haftung für Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen | 141 Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte (Absatz 2) | 142 1. Rechtsnatur und Normzweck | 143

D.

2. Anwendungsbereich und Bedeutung | 145 3. Voraussetzungen | 149 a) Zuwiderhandlung | 150 b) In einem Unternehmen | 152 c) Mitarbeiter oder Beauftragter | 155 aa) Mitarbeiter | 156 bb) Beauftragter | 158 cc) Abgrenzung | 165 d) Unternehmensinhaber | 167 4. Beweislast | 172 5. Rechtsfolgen | 174 a) Zusätzlicher Anspruch gegen den Unternehmensinhaber | 175 b) Haftung bei Unternehmensübergang | 178 aa) Meinungsstreit | 179 bb) Stellungnahme | 181 c) Verfahrensfragen | 185 IV. Haftung mehrerer | 187 V. Haftung bei Rechtsnachfolge | 189 Gläubiger der Abwehransprüche | 192 I. Allgemeines | 192 1. Normzweck | 192 2. Rechtsnatur und prozessuale Folgen | 195 3. Anwendungsbereich | 197 4. Übertragung der Anspruchsberechtigung | 199 a) Abtretung | 199 b) Gesetzlicher Forderungsübergang | 200 c) Prozessstandschaft | 201 II. Mitbewerber (Absatz 3 Nr. 1) | 204 1. Allgemeines und Entstehungsgeschichte | 204 2. Mitbewerbereigenschaft | 205 III. Verbände (Absatz 3 Nr. 2) | 208 1. Allgemeines | 208 2. Voraussetzungen | 209 a) Rechtsfähigkeit des Verbandes | 209 b) Satzungszweck des Verbandes | 211

10

Systematische Übersicht

c)

IV.

V.

11

Verbandsangehörige | 212 aa) Tätigkeiten auf demselben sachlich relevanten Markt | 214 bb) Tätigkeiten auf demselben räumlich relevanten Markt | 216 cc) Erhebliche Zahl von Unternehmern | 217 dd) Verbandszugehörigkeit von Verbrauchern | 220 d) Ausstattung des Verbandes | 221 aa) Personelle Ausstattung | 222 bb) Sachliche Ausstattung | 224 cc) Finanzielle Ausstattung | 225 e) Verbandsbezogene Interessenberührung | 227 Qualifizierte Einrichtungen zum Schutz von Verbraucherinteressen (Absatz 3 Nr. 3) | 228 1. Allgemeines und Entstehungsgeschichte | 228 2. Voraussetzungen nach UKlaG (inländische qualifizierte Einrichtungen) | 230 a) Eintragungsvoraussetzungen | 232 aa) Rechtsfähigkeit | 233 bb) Satzungszweck und satzungsmäßige Tätigkeit | 234 cc) Mitgliederstruktur | 237 dd) Unwiderlegliche Vermutung | 238 b) Aufhebung der Eintragung | 239 c) Keine gerichtliche Überprüfung der Eintragungsvoraussetzungen | 241 d) Liste der qualifizierten Einrichtungen | 242 3. Voraussetzungen nach RL 98/27/EG (ausländische qualifizierte Einrichtungen) | 243 a) Anforderungen nach RL 98/27/EG | 245 b) Liste der qualifizierten Einrichtungen | 246 Kammern (Absatz 3 Nr. 4) | 247

E.

F.

G.

§8

Missbräuchliche Geltendmachung von Abwehransprüchen (Absatz 4) | 249 I. Entstehungsgeschichte und Normzweck | 249 II. Rechtsnatur und Rechtsfolgen | 252 III. Anwendungsbereich | 253 IV. Tatbestandsvoraussetzungen | 256 1. Geltendmachung | 256 2. Missbrauch | 257 3. Einzelfälle und Konkretisierung | 259 a) Einnahmeerzielungsinteresse | 260 b) Kostenbelastungsinteresse | 262 aa) Mehrfachklagen | 263 bb) Mehrfachabmahnungen | 267 cc) Nebeneinander von Verfügungs- und Hauptsacheverfahren | 268 c) Sonstige Konstellationen | 269 V. Beweislast | 273 VI. Absatz 4 Satz 2 | 273a 1. Tatbestandsvoraussetzungen | 273a 2. Rechtsfolgen | 273b 3. Bewertung | 273c VII. Absatz 4 Satz 3 | 273e Spezieller Auskunftsanspruch (Absatz 5) | 274 I. Allgemeines | 274 II. Auskunftsberechtigte | 275 III. Auskunftsverpflichtete | 276 IV. Voraussetzungen der Auskunftserteilung | 277 V. Gegenstand der Auskunftserteilung | 279 VI. Kosten der Auskunftserteilung | 280 VII. Durchsetzung der Auskunftserteilung | 282 VIII. Unanwendbarkeit des UKlaG im Übrigen (Absatz 5 Satz 2) | 283 IX. Normtext des § 13 UKlaG | 284 Verwirkung | 285 I. Allgemeines | 285 1. Dogmatische Verortung und Abgrenzung | 286

Paal

§8

Beseitigung und Unterlassung

a)

II.

Paal

Intention des Gesetzgebers | 287 b) Gesetzessystematik | 288 2. Rechtsnatur | 289 3. Verwirkungsobjekt | 290 a) Beeinträchtigtes Recht als solches | 291 b) Konkretisierte Rechtsposition vs. unmittelbarer Anspruch | 292 aa) Gleichartige bzw. wiederholte Verletzungshandlungen | 293 bb) Dauerhandlungen | 294 cc) Zusammenfassende Stellungnahme | 295 c) Einzelne Ansprüche | 296 4. Zeitfenster der Verwirkung | 297 5. Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten | 298 a) Verjährung | 299 b) Ausschlussfristen, Verzicht, Erlass | 300 c) Ersitzung | 301 Tatbestandsvoraussetzungen | 302 1. Tatsächliches Vertrauen | 303 2. Berechtigung des Vertrauens | 304 a) Zeitmoment | 305 aa) Möglichkeit | 306 bb) Zumutbarkeit | 307 cc) Zeitumfang | 308 b) Umstandsmoment | 309 aa) Vertrauensbegründung | 310 bb) Tatsächliche Unkenntnis des Verletzten | 311 cc) Bösgläubigkeit des Verletzers | 312 (1) Zeitpunkt der Verletzungshandlung | 313

III.

IV.

(2) Rechtsprechung des BGH | 314 (3) Nachträgliche Bösgläubigkeit | 315 (4) Rechtsverfolgungsmaßnahmen | 316 (5) Vollständige Erfüllung des Vertrauenstatbestands | 317 (6) Wiederholte gleichartige Verletzungen | 318 dd) Unmittelbare Geschäftsbeziehungen | 319 ee) Sonstige Umstände des Einzelfalls | 320 3. Wertvoller Besitzstand | 321 a) Anwendungsbereich | 321 aa) Schadensersatz | 322 bb) Beseitigung und Unterlassung | 323 b) Besitzstand | 324 c) Entstehungszeitpunkt | 325 d) Werthaltigkeit | 326 aa) Bewertungskriterien | 327 bb) Mindestwert | 328 4. Kausalität | 329 5. Interessen der Allgemeinheit als tatbestandliche Grenzen | 330 a) Ausgangspunkt | 330 b) Sonstige Ansprüche | 331 c) Ausnahmen und Rückausnahmen | 332 6. Gesamtwürdigung | 333 Rechtsfolgen | 334 1. Erweiterung des Besitzstands | 335 2. Vertragliche Gestattung als Vergleichsgegenstand | 337 Prozessuales | 338

12

Alphabetische Übersicht

§8

Alphabetische Übersicht Alphabetische Übersicht Abtretung 199 missbräuchliche Geltendmachung 249 ff. Abwehransprüche, wettbewerbsrechtliche 4 ff. Nebentäterschaft 96 Abwehransprüche, negatorische 4 Organhaftung 135 ff. Organisationsmangel, Lehre vom 139 Anstiftung 129 f. Presse 115 ff. Aufbrauchfrist 50 ff. Auskunftsberechtigte 275, 281 Prozessstandschaft 201 ff. Prüfungspflichten 102, 111 ff. Auskunftsverpflichtete 276 Ausstattung des Verbandes 221 ff. Repräsentantenhaftung 135 ff. Beauftragter 158 ff., 178 spezieller Auskunftsanspruch 274 ff. Begehungsgefahr 7 ff., 36 ff. Störungszustand 69 ff., 80, 84 f. Beihilfe 131 ff. Störerhaftung 100 ff. Berechtigung des Vertrauens 304 ff. Tatsachenbehauptung, objektiv Berühmung 38 f. unrichtige 80 ff. Beseitigungsanspruch 64 ff. Täterschaft 93 ff. Beweislast 89, 172 f., 273, 338 Teilnahme 128 ff. Bösgläubigkeit 312 ff. Teilunterwerfung 23 Umfang des Unterlassungsanspruchs 45 ff. Dauerhandlung 294 Unterlassungsurteil, rechtskräftiges 29 Doppelnatur, Lehre von der 195 f., 208 Einnahmeerzielungsinteresse 260 f. Unterlassungsvertrag 58 ff. Einrichtungen zum Schutz von VerbraucherinteUnternehmensinhaber 167 ff. Unternehmensübergang 178 ff. ressen 228 ff., 242, 246 einstweilige Verfügung 30, 57 Verbände 208 ff., 275 Verbandsangehörige 212 ff. Erstbegehungsgefahr 36 ff., 42 ff., 183 Filtersoftware 111 Verbandszugehörigkeit 219 f. Forderungsübergang, gesetzlicher 200 Vergleich 31 Geltendmachung, missbräuchliche 256 ff. Verhältnismäßigkeit 49, 76, 87 f., 332 Handlanger 272 Verkehrspflichten, wettbewerbsrechtliche 99 ff. Hersteller 121 Verletzungshandlung 11, 293, 313 Hotelbewertungsportal 114 Verletzungsunterlassungsanspruch 10 ff., 41, 48 Ingerenz 94 Vermieter 119 Interessenabwägung 52 f. Vermutungswirkung 14 ff. Interessenberührung, verbandsbezogene 227 vertraglicher Unterlassungsanspruch 58 ff. Vertragsstrafe 19 ff., 25 Internetauktionshaus 110 ff. Internetdiensteanbieter 113 f. Vertrauen 303 ff. Kammern 247 f., 275 Verwirkung 285 ff. Kausalität 329 Verwirkungsobjekt 290 ff. Kleinanzeigen-Portal 113 Vorbereitungshandlungen 40 Kostenbelastungsinteresse 262 vorbeugender Unterlassungsanspruch 34 ff. Mehrfachklagen 263 ff. Werbeagentur 120 wertvoller Besitzstand 321 ff., 335 f. Mehrfachabmahnungen 267 Mitarbeiter 156 f. Widerrufsanspruch 78 ff. Mitbewerber 204 ff. Wiederholungsgefahr 12 ff., 18 ff. Mittäterschaft 96, 98 Zugangsdaten 122 ff. mittelbare Täterschaft 96 f. Zuwiderhandlung 68, 150 f.

13

Paal

§8

Beseitigung und Unterlassung

A. Einführung*

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte I. Entstehungsgeschichte Durch das UWG 2004 sind die lauterkeitsrechtlichen Verbotsvorschriften (§§ 3–7) und die hierauf bezogenen lauterkeitsrechtlichen Anspruchsgrundlagen (§§ 8–10) getrennt voneinander geregelt worden.1 In diesem Sinne trifft Absatz 1 eine einheitliche Regelung sowohl für den Beseitigungsanspruch als auch für den Unterlassungsanspruch, wohingegen unter Geltung des alten Rechts die Anspruchsgrundlagen für die Geltendmachung von lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsansprüchen über das UWG verstreut geregelt waren. Neben Absatz 1 (Beseitigung und Unterlassung) sind nunmehr in § 9 (Schadensersatz) und § 10 (Gewinnabschöpfung) die wesentlichen Rechtsfolgen von Wettbewerbsverstößen kodifiziert, wobei ausweichlich der Gesetzesbegründung im Bereich der Rechtsfolgen „an dem bewährten System der Durchsetzung des Lauterkeitsrechts mit Hilfe von zivilrechtlichen Ansprüchen festgehalten“ wurde.2 Die vorprozessuale Anspruchsdurchsetzung ist in § 12 geregelt. Besonders gravierende Rechtsverletzungen sind zudem mit strafrechtlichen Sanktionen versehen, vgl. §§ 16–19. Im Zuge der UWG-Novelle 2008 zur Umsetzung der UGPRL haben nur geringfügige 2 redaktionelle Änderungen in Abs. 1 der Vorschrift stattgefunden, wohingegen sich an der materiellen Rechtslage nichts geändert hat: So ist in Absatz 1 Satz 1 die vormalige Formulierung „wer dem § 3 zuwiderhandelt“ ersetzt worden durch „wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt“; in Absatz 1 Satz 2 ist die Formulierung betreffend die Anknüpfung an die „Zuwiderhandlung“ erweitert worden auf „derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7“, wodurch nicht zuletzt der Neufassung der Regelungen zur Bekämpfung von belästigender Werbung in § 7 entsprechend Rechnung getragen wurde. In Ansehung des Einflusses des europäischen Rechts enthält die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) zwar in den Artt. 11 Abs. 1, 13 eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zur Bekämpfung von unlauteren geschäftlichen Handlungen zur Verfügung zu stellen; Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 RL 2005/29 EG überlässt es aber den Mitgliedstaaten zu regeln, ob die jeweiligen Sanktionsmechanismen straf-, verwaltungsoder zivilrechtlich ausgestaltet werden. Vor diesem Hintergrund war für § 8 kein Anpassungs- bzw. Umsetzungsbedarf im nationalen Recht gegeben. II. Bedeutung 1

II. Bedeutung 3

Den wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüchen kommt erhebliche praktische Bedeutung zu, wobei dem auf die Abwehr einer bevorstehenden Beeinträchtigung gerichteten Unterlassungsanspruch – sei es als Verletzungsunterlassungsanspruch bei Wiederholungsgefahr (vgl. Absatz 1 Satz 1 Var. 2) oder als vorbeugender Unterlassungsanspruch bei Erstbegehungsgefahr (vgl. Absatz 1 Satz 2) – das Schwergewicht zukommt.3 Geringere praktische Bedeutung kommt demgegenüber dem Beseitigungsanspruch (vgl. Absatz 1 Satz 1 Var. 1) zu, welcher auf die Unterbindung der Fortwirkung eines bereits bestehenden – rechtswidrigen – Störungszustands abzielt. Nach der gesetzgeberischen

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* Bearbeitungsstand: Januar 2013; Rechtsprechung und Literatur z.T. mit Bearbeitungsstand Juni 2014. 1 Zur historischen Entwicklung des Unterlassungsanspruchs vgl. etwa GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. 1 ff.; Teplitzky Kap. 2 Rn. 15 ff. 2 BTDrucks. 15/1487 S. 22. 3 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.3; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 3.

Paal

14

I. Allgemeines

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

Intention sind die Regelungen zu den zivilrechtlichen Rechtsfolgen sowohl hinsichtlich der Klagebefugnis als auch hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen abschließend ausgestaltet.4

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche B. Wettbewerbsrechtliche Abwehransprüche (Absatz 1) I. Allgemeines I. Allgemeines Absatz 1 regelt die wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüche, welche die gegen 4 künftige Wettbewerbsverstöße gerichteten Unterlassungsansprüche (Absatz 1 Satz 1 Var. 2 und Satz 2) und die gegen bereits eingetretene Beeinträchtigung gerichteten Beseitigungsansprüche (Absatz 1 Satz 1 Var. 1) umschließen. Im Bürgerlichen Recht gewährt § 1004 BGB bei Beeinträchtigung des Eigentums einen Anspruch auf Beseitigung der bestehenden und auf Unterlassung künftiger Beeinträchtigung(en), sog. negatorische Abwehransprüche. Anerkanntermaßen findet § 1004 BGB analoge Anwendung auf objektiv widerrechtliche Eingriffe in ein absolutes Recht sowie in ein sonstiges Rechtsgut oder rechtlich geschütztes Interesse (sog. quasi-negatorischer Abwehranspruch).5 Sowohl der Beseitigungs- als auch der Unterlassungsanspruch sind verschuldens- 5 unabhängig ausgestaltet. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche können nebeneinander klageweise geltend gemacht werden und betreffen grundsätzlich verschiedene Streitgegenstände.6 II. Unterlassungsansprüche II. Unterlassungsansprüche (Absatz 1 Satz 1 Var. 2 und Satz 2) Der Unterlassungsanspruch dient der Abwehr künftiger Beeinträchtigungen,7 wobei 6 die drohende Gefahr der Beeinträchtigung für die Anspruchsbegründung bereits ausreicht. Für die Rechtsnatur des Unterlassungsanspruchs gilt, dass es sich um einen materiell-rechtlichen Anspruch i.S.d. § 241 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt, nicht dagegen um einen lediglich prozessualen Rechtsbehelf.8 Die Verjährung der Unterlassungsansprüche bestimmt sich auf der Grundlage und am Maßstab von § 11. 1. Begehungsgefahr. Die Begehungsgefahr bildet eine einheitliche Voraussetzung 7 der gesetzlichen Unterlassungsansprüche, sprich sowohl des Verletzungsunterlassungsanspruchs (Absatz 1 Satz 1 Var. 2) als auch des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs (Absatz 1 Satz 2). In diesem Sinne leitet sich die Unterscheidung von Wiederholungsgefahr einerseits und Erstbegehungsgefahr andererseits nur von unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen ab, die ihrerseits wiederum einen unterschiedlichen prozessua-

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4 BTDrucks. 15/1487 S. 22. 5 St. Rspr., vgl. etwa BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53 – BGHZ 14, 163, 173 = GRUR 1955, 97, 99 – Constanze II; BGH 25.4.1958 – I ZR 97/57 – GRUR 1958, 448 – Blanko-Verordnungen. 6 BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99, 101 – Brünova m. Anm. Malzer; BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 616 – Gebäudefassade m. Anm. Fezer; BGH 25.1.1990 – I ZR 19/87 – GRUR 1990, 522, 528 – HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz. 7 Zum Begriff der „Unterlassung“ bzw. des „Unterlasssens“ siehe Teplitzky Kap. 1 Rn. 1 ff. m.w.N. 8 BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin m. Anm. Storch; BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127, 128 – Vertragsstrafeversprechen. Weiterhin aus dem Schrifttum Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.8; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 29; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 5; Teplitzky Kap. 1 Rn. 6. Siehe zum früheren Streitstand ausführlich und m.w.N. Fritzsche S. 115 ff.; Teplitzky Kap. 1 Rn. 6.

15

Paal

§8

Beseitigung und Unterlassung

len Darlegungs- und Begründungsaufwand auslösen.9 Dagegen setzen die vertraglichen Unterlassungsansprüche keine solche Begehungsgefahr voraus. 10 Durch die Begehungsgefahr wird das allgemeine Unterlassungsgebot inhaltlich sowohl nach seinem Gegenstand als auch personell betreffend die Personen von Gläubiger und Schuldner konkretisiert.11 8

a) Materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung. Es handelt sich bei der Begehungsgefahr um eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung.12 Für den Unterlassungsanspruch ist abzustellen auf die ernsthafte und greifbare Besorgnis der künftigen Rechtsverletzung, ohne dass es jedoch darauf ankommt, ob die Gefahr eines erstmaligen Wettbewerbsverstoßes oder die Wiederholung einer wettbewerbswidrigen Zuwiderhandlung in Rede steht.13 Fehlt es an der Begehungsgefahr, so ist die Klage als unbegründet abzuweisen.14 Das Vorliegen der Begehungsgefahr betreffend eine Verletzungshandlung ist Tatfrage.15 Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen der Begehungsgefahr ist die letzte mündliche Tatsachenverhandlung, da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist und weitere Zuwiderhandlungen verhindern soll.16

9

b) Begehungsgefahr vs. Rechtsschutzbedürfnis. Die Begehungsgefahr als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung (siehe hierzu vorstehend Rn. 8) ist abzugrenzen gegenüber dem (allgemeinen) Rechtsschutzbedürfnis, wie es für die Unterlassungsklage als Fall der Leistungsklage im Sinne eines allgemeinen prozessualen Erfordernisses einzufordern ist.17 Bei vertraglichen Unterlassungsansprüchen kann das Rechtsschutzinteresse entfallen, falls seit der geltend gemachten Zuwiderhandlung bereits ein längerer Zeitraum vorübergegangen ist.18

10

2. Verletzungsunterlassungsanspruch (Absatz 1 Satz 1 Var. 2). Die Tatbestandsvoraussetzungen des Verletzungsunterlassungsanspruchs ergeben sich aus Absatz 1 Satz 1 Var. 2. Erforderlich ist zunächst eine Zuwiderhandlung i.S.e. Verstoßes gegen § 3

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9 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.11; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 14. 10 BGH 21.1.1999 – I ZR 135/96 – GRUR 1999, 522, 525 – Datenbankabgleich m.w.N. Weiterhin aus dem Schrifttum etwa MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 14. 11 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.9; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 14; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 6. 12 St. Rspr., vgl. etwa BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin m. Anm. Storch; BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127, 128 – Vertragsstrafeversprechen; BGH 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186, 186 – Wiederholte Unterwerfung; BGH 16.1.1992 – I ZR 84/90 – GRUR 1992, 318, 319 – Jubiläumsverkauf; BGH 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 25 – Testfundstelle. Weiterhin aus dem Schrifttum Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 14; Piper/Ohly/ Sosnitza § 8 Rn. 6; Teplitzky Kap. 6 Rn. 7 ff. 13 BGH 16.1.1992 – I ZR 84/90 – GRUR 1992, 318, 319 – Jubiläumsverkauf. 14 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.11; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 6; Teplitzky Kap. 6 Rn. 8. 15 BGH 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186, 186 – Wiederholte Unterwerfung; BGH 24.4.1986 – I ZR 56/84 – GRUR 1987, 45, 46 – Sommerpreiswerbung m. Anm. Klaka. 16 BGH 30.6.1972 – I ZR 1/71 – GRUR 1973, 203, 204 – Badische Rundschau m. Anm. Hoth; BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 615 – Gebäudefassade m. Anm. Fezer; BGH 10.12.1969 – I ZR 20/68 – GRUR 1970, 254, 257 – Remington m. Anm. Droste; KG 11.5.2001 – 5 U 9292/00 – GRUR-RR 2002, 337, 339 – T-offline. 17 BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; BGH 24.4.1986 – I ZR 56/84 – GRUR 1987, 45, 45 – Sommerpreiswerbung m. Anm. Klaka; BGH 4.2.1993 – I ZR 42/91 – BGHZ 121, 242, 244 = GRUR 1993, 556, 558 – TRIANGLE. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.13; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 28. 18 BGH 21.1.1999 – I ZR 135/96 – GRUR 1999, 522, 524 – Datenbankabgleich.

Paal

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II. Unterlassungsansprüche

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

oder § 7, wobei insoweit regelmäßig von einer konkreten Verletzungshandlung gesprochen wird.19 Diese Zuwiderhandlung bildet ihrerseits die Grundlage für die Annahme des Bestehens einer Wiederholungsgefahr. a) Verletzungshandlung. Die konkrete Verletzungshandlung muss zunächst be- 11 reits vollendet sein;20 ansonsten kommt allenfalls ein vorbeugender Unterlassungsanspruch in Betracht. Weiterhin muss es sich um ein rechtswidriges bzw. wettbewerbswidriges Verhalten handeln,21 wobei die für die Zuwiderhandlung erforderliche Unlauterkeit das Rechtswidrigkeitsurteil regelmäßig indiziert. Allenfalls ausnahmsweise können allfällige allgemeine Rechtfertigungsgründe eine Rolle spielen, wie bspw. §§ 228, 904 BGB, § 23 KunstUrhG, §§ 32, 34 StGB.22 Bei gerichtlichen Verfahren ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt die letzte mündliche Tatsachenverhandlung.23 Dagegen ist nicht erforderlich, dass die in Rede stehende Zuwiderhandlung schuldhaft vorgenommen wurde.24 Die hiervon getrennt zu beurteilende Frage nach dem Erfordernis einer subjektiven Komponente in Gestalt einer Kenntnis von den die Unlauterkeit begründenden Umständen betrifft die (insoweit vorgreifliche) Ebene der Zuwiderhandlung, nicht dagegen die hieraus ableitbaren Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche.25 b) Bestehen der Wiederholungsgefahr aa) Begriff und Wesen der Wiederholungsgefahr. Bei der Wiederholungsgefahr 12 handelt es sich um eine in Rechtsprechung und Literatur seit langem anerkannte, mittlerweile ausdrücklich normierte materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung.26 Wiederholungsgefahr ist gegeben, wenn eine Wiederholung des wettbewerbswidrigen Verhaltens ernsthaft und greifbar zu besorgen ist.27 Die bloße objektive Möglichkeit einer

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19 Vgl. etwa Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 51; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. 25; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.30; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 29; Teplitzky Kap. 5 Rn. 5 ff. 20 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 207 = GRUR 2007, 890 Tz. 52 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 21 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 52; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 11; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.30; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 18. 22 Vgl. hierzu MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 20. 23 BGH 30.6.1972 – I ZR 1/71 – GRUR 1973, 203, 204 – Badische Rundschau m. Anm. Hoth; BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 615 – Gebäudefassade m. Anm. Fezer; BGH 10.12.1969 – I ZR 20/68 – GRUR 1970, 254, 257 – Remington m. Anm. Droste; KG 11.5.2001 – 5 U 9292/00 – GRUR-RR 2002, 337, 339 – T-offline. 24 BGH 10.10.2005 – II ZR 323/03 – GRUR 2006, 167 Tz. 7 – Gasbelieferung II. Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 11; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.30; MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 21. 25 Siehe weiterhin auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 54; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 22 – jeweils m.w.N. 26 BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin; BGH 9.11.1979 – I ZR 4/78 – GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127, 128 – Vertragsstrafeversprechen; BGH 16.1.1992 – I ZR 84/90 – GRUR 1992, 318, 319 – Jubiläumsverkauf; BGH 19.10.2004 – VI ZR 292/03 – GRUR 2005, 76, 77 – „Rivalin“ von Uschi Glas. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 55 ff.; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.32; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 33; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 7. Zu dem früheren Streit um die Rechtsnatur der Wiederholungsgefahr siehe etwa Teplitzky Kap. 6 Rn. 6 ff. 27 BGH 16.5.1961 – I ZR 175/58 – GRUR 1962, 34, 35 – Torsana; BGH 16.1.1992 – I ZR 84/90 – GRUR 1992, 318, 319 – Jubiläumsverkauf. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 56; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 12; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.32; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 7; Teplitzky Kap. 6 Rn. 1: Gefahr der erneuten Begehung einer konkreten Verletzungshandlung, die der Verletzer in gleicher oder im Kern gleichartiger Form bereits rechtswidrig begangen hat.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

Wiederholung reicht insoweit allerdings (noch) nicht aus.28 Entscheidende Bedeutung für die Annahme von Wiederholungsgefahr hat vielmehr vor allem die Willensrichtung des Verletzers.29 Dabei handelt es sich um eine rein subjektive Tatsache, auf deren Vorliegen anhand der äußerlich erkennbaren Umstände zu schließen ist.30 Die Wiederholungsgefahr ist ein tatsächlicher Umstand, der allein nach den Ver13 hältnissen in der Person des Zuwiderhandelnden zu beurteilen ist und daher nicht der Rechtsnachfolge unterliegt.31 Für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an.32 Die tatrichterliche Beurteilung kann im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt und keine wesentlichen Tatumstände außer Acht gelassen worden sind.33 bb) Vermutungswirkung begangener Wettbewerbsverstöße. Ein begangener Wettbewerbsverstoß begründet eine widerlegliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr.34 Die Widerlegung der Vermutung obliegt dem Verletzer.35 Von einem begangenen Wettbewerbsverstoß kann nur ausgegangen werden, wenn die beanstandete Handlung schon zum Zeitpunkt der Vornahme verboten war.36 Eine Vermutung, wonach ein Verhalten wiederholt wird, nachdem es vom Gesetz ausdrücklich verboten wurde, besteht nicht.37 Konstellationen, in denen ein begangener Wettbewerbsverstoß ausnahmsweise 15 nicht zur Annahme einer Wiederholungsgefahr führt, sind nur schwer vorstellbar.38 Kritisch zu würdigen ist insoweit etwa die Entscheidung „Jubiläumsverkauf“.39 Danach

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28 BGH 16.1.1992 – I ZR 84/90 – GRUR 1992, 318, 319 – Jubiläumsverkauf. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 56; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.32; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 33; Teplitzky Kap. 6 Rn. 2. 29 BGH 16.5.1961 – I ZR 175/58 – GRUR 1962, 34, 35 – Torsana. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.32; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 33; Teplitzky Kap. 6 Rn. 2. 30 BGH 16.5.1961 – I ZR 175/58 – GRUR 1962, 34, 35 – Torsana. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.32; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 33; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 7; Teplitzky Kap. 6 Rn. 2. 31 BGH 16.3.2006 – I ZR 92/03 – GRUR 2006, 879 Tz. 10 – Flüssiggastank; BGH 26.4.2007 – I ZR 34/05 – GRUR 2007, 995 Tz. 11 – Schuldnachfolge; BGH 3.4.2008 – I ZR 49/05 – GRUR 2008, 1002 Tz. 36 – Schuhpark. Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 156; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 12; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.32; Köhler WRP 2000, 921 ff.; ders. WRP 2010, 475 ff.; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 291; Teplitzky Kap. 15 Rn. 12. 32 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 57; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 12; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 24; Teplitzky Kap. 6 Rn. 2. 33 BGH 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186, 186 – Wiederholte Unterwerfung; BGH 24.2.1994 – I ZR 59/92 – GRUR 1994, 516, 517 – Auskunft über Notdienste. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 57; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 12; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 24. 34 BGH 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH 19.6.1997 – I ZR 46/95 – GRUR 1997, 929, 930 – Herstellergarantie; BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98 – GRUR 2001, 453, 455 – TCM-Zentrum; BGH 25.10.2001 – I ZR 29/99 – GRUR 2002, 717, 719 – Vertretung der Anwalts-GmbH. 35 BGH 1.4.1993 – I ZR 85/91 – GRUR 1993, 579, 581 – Römer-GmbH. 36 BGH 20.1.2005 – I ZR 96/02 – GRUR 2005, 442, 442 – Direkt ab Werk; BGH 28.6.2007 – I ZR 153/04 – GRUR 2008, 186 Tz. 17 – Telefonaktion; BGH 9.10.2008 – I ZR 126/06 – GRUR 2009, 79 Tz. 25 – Gebäckpresse; BGH 22.4.2009 – I ZR 216/06 – GRUR 2009, 845 Tz. 35 – Internet-Videorecorder; BGH 22.1.2009 – I ZR 31/06 – GRUR 2009, 875 Tz. 8 – Jeder 100. Einkauf gratis; BGH 9.7.2009 – I ZR 13/07 – GRUR 2009, 977 Tz. 11 – Brillenversorgung; BGH 14.5.2009 – I ZR 179/07 – GRUR 2009, 886 Tz. 13 – Die clevere Alternative. 37 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.43. 38 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.41. 39 BGH 16.1.1992 – I ZR 84/90 – GRUR 1992, 318 – Jubiläumsverkauf. Kritisch insoweit Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 64; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.41; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 39. Vgl. weiterhin Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 14.

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II. Unterlassungsansprüche

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

soll eine Wiederholungsgefahr ausnahmsweise nicht zu vermuten sein, wenn nicht damit zu rechnen ist, dass sich ein allein aus Anlass eines Jubiläumsverkaufs im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG begangener Verstoß gegen die PAngV (Ankündigung eines pauschalen Nachlasses von 10% auf alle Waren ohne entsprechende Auszeichnung der einzelnen Waren)40 früher als 25 Jahre nach seiner Begehung wiederholt.41 Bei der Ablehnung der Wiederholungsgefahr hat der BGH nicht hinreichend berücksichtigt, dass eine Wiederholung des in casu beanstandeten Verhaltens künftig nicht nur anlässlich eines Jubiläums, sondern vielmehr auch im Rahmen von Saisonschluss- und Räumungsverkäufen erfolgen konnte.42 Die Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr hängt ferner nicht von 16 der Vorwerfbarkeit des Verstoßes ab.43 Der Unterlassungsanspruch setzt gerade kein Verschulden voraus.44 Als Ausnahme erscheint vor diesem Hintergrund die Entscheidung des BGH in der Rechtssache „Versicherungsvermittlung im öffentlichen Dienst“:45 Unter Verweis auf seine Rechtsprechung zur Verneinung eines Rechtsbruchs bei Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums46 führte der I. Zivilsenat dort aus, dass die Vermutung der Wiederholungsgefahr ausnahmsweise entfallen könne, wenn die wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit der beanstandeten Tätigkeit erst durch die Entscheidung höchstrichterlich klargestellt werde.47 Abgestellt wurde zudem darauf, dass die Wettbewerbsverstöße provoziert worden seien und die Dienstvorgesetzten einem weiteren Verstoß durch verstärkte Kontrollmaßnahmen hätten entgegenwirken können.48 Die Wiederholungsvermutung bezieht sich nicht nur auf identische, sondern auch 17 auf im Kern gleichartige Verletzungsformen.49 Im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes und zur Vermeidung unnötiger Streitverlagerungen in die Vollstreckungsinstanz dürfen auch gewisse Verallgemeinerungen über die enge Form der festgestellten Verletzungshandlung hinaus vorgenommen werden, sofern auch in der erweiter-

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40 Klarstellend sei angemerkt, dass generelle Preisnachlässe nach heutiger Rechtslage nicht mehr als wettbewerbswidrig anzusehen sind, vgl. § 9 Abs. 2 PAngV. 41 BGH 16.1.1992 – I ZR 84/90 – GRUR 1992, 318, 319 – Jubiläumsverkauf. 42 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.41; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 39. 43 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 64; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 15; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.42. 44 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 64; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 19; Teplitzky Kap. 7 Rn. 4. 45 BGH 10.2.1994 – I ZR 16/92 – GRUR 1994, 443 – Versicherungsvermittlung im öffentlichen Dienst. Kritisch insoweit Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 15; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 64; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.42; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 19; Teplitzky Kap. 7 Rn. 6 m.w.N. 46 BGH 14.10.1993 – I ZR 218/91 – WRP 1994, 101, 103 f. – Flaschenpfand. 47 BGH 10.2.1994 – I ZR 16/92 – GRUR 1994, 443, 445 – Versicherungsvermittlung im öffentlichen Dienst. 48 BGH 10.2.1994 – I ZR 16/92 – GRUR 1994, 443, 445 – Versicherungsvermittlung im öffentlichen Dienst. 49 BGH 16.2.1989 – I ZR 76/87 – GRUR 1989, 445, 446 – Professorenbezeichnung in der Ärztewerbung II; BGH 1.4.1993 – I ZR 85/91 – GRUR 1993, 579, 581 – Römer-GmbH; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler; BGH 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290, 291 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH 9.5.1996 – I ZR 107/94 – GRUR 1996, 800, 802 – EDV-Geräte; BGH 17.7.1997 – I ZR 40/95 – GRUR 1997, 931, 932 – Sekundenschnell; BGH 5.3.1998 – I ZR 229/95 – GRUR 1998, 1039, 1040 – Fotovergrößerungen; BGH 10.12.1998 – I ZR 141 / 96 – GRUR 1999, 509, 511 – Vorratslücken; BGH 15.7.1999 – I ZR 204/96 – GRUR 1999, 1017, 1018 – Kontrollnummernbeseitigung I; BGH 15.12.1999 – I ZR 159/97 – GRUR 2000, 337, 338 – Preisknaller; BGH 9.9.2004 – I ZR 93/02 – GRUR 2005, 443, 446 – Ansprechen in der Öffentlichkeit II; BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05 – GRUR 2008, 702, 706 – Internetversteigerung III; BGH 18.12.2008 – I ZR 200/06 – GRUR 2009, 772 Tz. 29 – Augsburger Puppenkiste. Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 59; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 17; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.37; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 36; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 8; Teplitzky Kap. 6 Rn. 3.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

ten Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform aus der begangenen Handlung zum Ausdruck kommt.50 Die Zulässigkeit einer Verallgemeinerung verneinte die Rechtsprechung dagegen etwa im Falle einer an das allgemeine Publikum gerichteten Werbung für Computer, die in der angebotenen technischen Ausstattung zu dem angekündigten Zeitpunkt im Verkaufslokal nicht erhältlich waren:51 Aus dem vorübergehenden Nichtvorhandensein eines völlig neuen, dem letzten Stand der Technik entsprechenden Computergeräts könne nicht die Vermutung abgeleitet werden, dass auch sämtliche anderen, verschiedenen Warenbereichen angehörenden EDV-Waren am Tage des Erscheinens der Werbung noch nicht erhältlich sein könnten.52 Ferner soll das wettbewerbswidrige Werben für Fotovergrößerungen kein Verbot der Werbung für Fotoarbeiten schlechthin rechtfertigen;53 Filmentwicklungen sowie das Anfertigen von Passfotos und Ausschnittsabzügen erschienen mit Vergrößerungsarbeiten nicht ohne Weiteres gleichartig.54 18

c) Wegfall der Wiederholungsgefahr. An den Fortfall der Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen.55 Da die Wiederholungsgefahr materielle Voraussetzung des auf sie gestützten Unterlassungsanspruchs ist, hat der Fortfall der Wiederholungsgefahr das Erlöschen des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs zur Folge.56 Eine einmal entfallene Wiederholungsgefahr kann auch nicht wieder aufleben.57

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aa) Strafbewehrte Unterlassungserklärung. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur durch eine Unterwerfungserklärung – das heißt durch eine uneingeschränkte, bedingungslose und unwiderrufliche Unterlassungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung – ausgeräumt werden.58 Nur im Falle einer derartigen Erklä-

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50 BGH 16.2.1989 – I ZR 76/87 – GRUR 1989, 445, 446 – Professorenbezeichnung in der Ärztewerbung II; BGH 15.12.1999 – I ZR 159/97 – GRUR 2000, 337, 338 – Preisknaller. 51 BGH 9.5.1996 – I ZR 107/94 – GRUR 1996, 800, 802 – EDV-Geräte. 52 BGH 9.5.1996 – I ZR 107/94 – GRUR 1996, 800, 802 – EDV-Geräte mit Verweis auf BGH 25.6.1992 – I ZR 136/90 – GRUR 1992, 858, 860 – Clementinen. 53 BGH 5.3.1998 – I ZR 229/95 – GRUR 1998, 1039, 1040 f. – Fotovergrößerungen. 54 BGH 5.3.1998 – I ZR 229/95 – GRUR 1998, 1039, 1040 f. – Fotovergrößerungen. 55 BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53 – BGHZ 14, 163, 167 f. = GRUR 1955, 97, 98 – Constanze II; BGH 6.2.1959 – I ZR 50/57 – GRUR 1959, 367, 374 – Ernst Abbe; BGH 30.9.1964 – Ib ZR 65/63 – GRUR 1965, 198, 202 – Küchenmaschinen; BGH 26.6.1970 – I ZR 14/69 – GRUR 1970, 558, 559 – Sanatorium; BGH 10.12.1971 – I ZR 65/70 – GRUR 1972, 550, 550 – Spezialsalz II; BGH 10.7.1997 – I ZR 62/95 – GRUR 1998, 483, 485 – Der M.-Markt packt aus; BGH 31.5.2001 – I ZR 82/99 – GRUR 2002, 180, 180 – Weit-Vor-WinterschlussVerkauf. 56 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – GRUR 1995, 678, 679 – Kurze Verjährungsfrist; GRUR 2006, 953 Tz. 14 – Warnhinweis II. 57 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – GRUR 1995, 678, 679 – Kurze Verjährungsfrist; GRUR 2006, 953 Tz. 14 – Warnhinweis II. 58 BGH 24.11.1983 – I ZR 192/81 – GRUR 1984, 214, 216 – Copy-Charge; BGH 15.3.1984 – I ZR 74/82 – GRUR 1984, 593, 595 – adidas-Sportartikel; BGH 12.7.1984 – I ZR 123/82 – GRUR 1985, 155, 156 – Vertragsstrafe bis zu … I; BGH 10.2.1994 – I ZR 16/92 – GRUR 1994, 443, 445 – Versicherungsvermittlung im öffentlichen Dienst; BGH 24.2.1994 – I ZR 59/92 – GRUR 1994, 516, 517 – Auskunft über Notdienste; BGH 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290, 291 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH 31.5.2001 – I ZR 82/99 – GRUR 2002, 180, 181 – Weit-vor-Winterschlussverkauf; BGH 21.2.2008 – I ZR 142/05 – GRUR 2008, 815 Tz. 14 – Buchführungsbüro. Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 67; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 23; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.38; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 41; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 10; Teplitzky Kap. 8 Rn. 1.

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II. Unterlassungsansprüche

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

rung bestehen regelmäßig keine Zweifel an der Ernstlichkeit des Willens des Verletzers, künftige Verletzungen zu unterlassen.59 Ein einfaches Versprechen künftiger Unterlassung vermag die Wiederholungsgefahr hingegen nicht zu beseitigen.60 (1) Rechtsnatur. Die Rechtsnatur von Unterlassungsverpflichtungen, die als Folge 20 einer begangenen Verletzungshandlung eingegangen werden, kann mit Blick auf den für sie geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht generell und einheitlich festgelegt werden.61 Sofern die Unterlassungsverpflichtung eine zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr geeignete Vertragsstrafebewehrung umfasst, liegt in aller Regel ein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner vor.62 Bei diesem Vertrag handelt es sich um ein abstraktes Schuldversprechen, durch dessen Begründung der gesetzliche Unterlassungsanspruch im Wege der Novation erlischt.63 Die Wiederholungsgefahr entfällt weiterhin auch dann, wenn die Unterwerfungserklärung des Schuldners nur das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Vertrags enthält, der Gläubiger dieses Angebot später jedoch nicht annimmt.64 Ansprüche auf Zahlung der Vertragsstrafe kann der Gläubiger jedoch grundsätzlich nur für nach Vertragsschluss erfolgte Verstöße geltend machen.65 (2) Formerfordernis. Als abstraktes Schuldversprechen bedarf die Unterwerfungs- 21 erklärung der Schriftform (§ 780 BGB).66 Das Schriftformerfordernis entfällt allerdings, wenn der Schuldner – wie im Regelfall – Kaufmann ist (vgl. §§ 343, 350 HGB).67 Daher kann ein Kaufmann die Wiederholungsvermutung etwa auch durch ein Fernschreiben beseitigen, sofern die Erklärung inhaltlich die gebotenen Voraussetzungen erfüllt.68 Ein hinreichend ernsthafter Unterlassungswille muss jedoch im Hinblick auf Sinn und Funktion einer Unterwerfungserklärung als einer für den Gläubiger ohne größere Schwierigkeiten durchsetzbaren Verpflichtung die Bereitschaft einschließen, dem Gläubiger auf dessen Verlangen die Erklärung schriftlich zu bestätigen.69 Kommt der Schuldner einem

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59 BGH 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II. 60 BGH 16.11.1954 – I ZR 12/53 – GRUR 1955, 342, 345 – Holländische Obstbäume; BGH 5.3.1951 – I ZR 40/50 – BGHZ 1, 241, 248 = GRUR 1951, 324, 326 – Piek-fein. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 92; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 27; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.39; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 16. 61 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288, 292 = GRUR 1995, 678, 679 – Kurze Verjährungsfrist. 62 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.113. 63 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288, 292 = GRUR 1995, 678, 679 f. – Kurze Verjährungsfrist; BGH 5.3.1998 – I ZR 202/95 – GRUR 1998, 953, 954 – Altunterwerfung III. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.113; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 49. 64 BGH 24.11.1983 – I ZR 192/81 – GRUR 1984, 214, 216 – Copy-Charge; BGH 12.7.1984 – I ZR 123/82 – GRUR 1985, 155, 156 – Vertragsstrafe bis zu … I; BGH 17.12.1987 – I ZR 190/85 – GRUR 1988, 459, 460 – Teilzahlungsankündigung; BGH 31.5.1990 – I ZR 285/88 – GRUR 1990, 1051, 1052 – Vertragsstrafe ohne Obergrenze; BGH 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290, 292 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 20 – Vertragsstrafevereinbarung. Eingehend zu dogmatischen Begründungsansätzen Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.116. 65 BGH 10.10.1991 – I ZR 147/89 – GRUR 1993, 34, 37 – Bedienungsanweisung; BGH 18.5.2006 – I ZR 32/ 03 – GRUR 2006, 878 Tz. 20 – Vertragsstrafevereinbarung. 66 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 67 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.103; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 13; Teplitzky Kap. 8 Rn. 4 ff. 67 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 68; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.104; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 13; Teplitzky Kap. 8 Rn. 4 ff. 68 BGH 8.3.1990 – I ZR 116/88 – GRUR 1990, 530, 532 – Unterwerfung durch Fernschreiben; KG 14.11.1986 – 5 W 4941/86 – GRUR 1988, 567, 568 – Telex-Unterlassungsverpflichtung I. 69 BGH 8.3.1990 – I ZR 116/88 – GRUR 1990, 530, 532 – Unterwerfung durch Fernschreiben; KG 14.11.1986 – 5 W 4941/86 – GRUR 1988, 567, 568 – Telex-Unterlassungsverpflichtung I; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 67 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.104; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 13. Weitergehend Teplitzky

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§8

Beseitigung und Unterlassung

solchen Verlangen nicht nach, verliert die fernschriftliche Erklärung mangels ernsthafter Unterwerfungsbereitschaft ihre Wirkung.70 22

(3) Auslegung. Unterwerfungserklärungen sind als Willenserklärungen einer Auslegung nach den allgemeinen Regeln zugänglich.71 Eine unmittelbare Heranziehung der restriktiven Grundsätze, wie sie für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten Unterlassungstitels im Hinblick auf dessen Vollstreckbarkeit entwickelt worden sind, kommt nicht in Betracht.72 Der Unterwerfungserklärung fehlt gerade der Charakter eines vollstreckbaren Titels; ihre Auslegung kann – wie die jedes anderen Vertrags – in einem besonderen Streitverfahren geprüft werden.73 Die Parteien sind bei der Gestaltung des Inhalts einer Unterwerfungserklärung frei;74 in diesem Sinne sind die Parteien insbesondere nicht an die konkrete Verletzungsform einer bestimmten Verletzungshandlung gebunden.75 Bezieht sich die Unterwerfungserklärung ihrem Wortlaut nach nur auf die konkrete Verletzungsform, kann die Unterwerfungserklärung gleichwohl dahin auszulegen sein, dass sie sich nicht nur auf die identische, sondern auf alle Handlungen erstreckt, die das Charakteristische der Verletzungshandlung ebenfalls aufweisen.76

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(4) Teilunterwerfung. Eine sich nur auf einen abgrenzbaren Teil des Unterlassungsanspruchs beziehende, im Übrigen aber unbedingte Teilunterwerfung oder eine Unterwerfung nur hinsichtlich eines von mehreren Unterlassungsansprüchen ist grundsätzlich möglich.77 Allein der Umstand der nicht vollständigen Unterwerfung rechtfertigt für sich genommen (noch) keine Zweifel an der Ernstlichkeit der Erklärung.78 Auch eine Unterlassungserklärung, die sich zwar nicht auf eine Beendigung der bereits begonnenen und noch andauernden Verletzungshandlung erstreckt, wohl aber auf eine Wiederholung gleichartiger Handlungen nach Beendigung der gegenwärtig stattfindenden Verletzungshandlung, ist zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr geeignet, wenn und soweit sie die notwendige Ernstlichkeit aufweist.79

_____ Kap. 8 Rn. 4 ff.: Soweit die Unterwerfungserklärung nicht in Schriftform abgegeben wird, könne sie zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nur dann genügen, wenn Gründe für eine vorläufige formlose Erklärung und der nur vorläufig gemeinte Charakter erkennbar sind und wenn eine schriftliche Verpflichtungserklärung – auch ohne Aufforderung des Gläubigers – in angemessener Frist nachfolgt. 70 BGH 8.3.1990 – I ZR 116/88 – GRUR 1990, 530, 532 – Unterwerfung durch Fernschreiben; KG 14.11.1986 – 5 W 4941/86 – GRUR 1988, 567, 568 – Telex-Unterlassungsverpflichtung I. 71 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61, 62 – Preisvergleichsliste; BGH 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290, 291 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II. 72 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61, 62 – Preisvergleichsliste. 73 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61, 62 – Preisvergleichsliste. 74 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61, 62 – Preisvergleichsliste. 75 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61, 62 – Preisvergleichsliste. 76 BGH 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290, 291 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH 10.7.1997 – I ZR 62/95 – GRUR 1998, 483, 485 – Der M-Markt packt aus. 77 BGH 24.4.1986 – I ZR 127/84 – GRUR 1986, 814, 815 – Whisky-Mischgetränk; BGH 19.10.2000 – I ZR 89/98 – GRUR 2001, 422, 424 – ZOCOR; BGH 25.4.2002 – I ZR 296/99 – GRUR 2002, 824, 825 – Teilunterwerfung. Vgl. weiterhin Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 23 unter Verweis auf Brüning § 12 Rn. 170 (in Fn. 39); Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 11. 78 BGH 19.10.2000 – I ZR 89/98 – GRUR 2001, 422, 424 – ZOCOR. 79 BGH 31.5.2001 – I ZR 82/99 – GRUR 2002, 180, 181 – Weit-vor-Winterschlussverkauf.

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II. Unterlassungsansprüche

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

(5) Bedingung und Befristung. Die Unterwerfungserklärung muss grundsätzlich 24 unbedingt und unbefristet abgegeben werden.80 Beschränkungen der Unterwerfungserklärung, die lediglich einer Begrenzung des Unterlassungsanspruchs des Gläubigers nach materiellem Recht entsprechen, sind jedoch unbedenklich.81 Dem Wegfall der Wiederholungsgefahr steht nicht entgegen, dass der Schuldner es ablehnt, seine Unterwerfungserklärung auf ein Verhalten zu erstrecken, das ihm nicht verboten werden kann.82 Ein zulässiger Vorbehalt ist danach etwa die auflösende Bedingung einer Änderung oder Klärung der Rechtslage durch Gesetz oder höchstrichterliche Rechtsprechung, durch die das zu unterlassende Wettbewerbsverhalten rechtmäßig bzw. seine Zulässigkeit verbindlich geklärt wird.83 Unschädlich sind ferner der Vorbehalt einer Aufbrauchsfrist84 sowie Befristungen, wenn und soweit auch der Unterlassungsanspruch einer zeitlichen Begrenzung unterliegt.85 Unabhängig von der materiellen Rechtslage lassen Bedingungen und Befristungen die Ernstlichkeit eines Unterlassungsversprechens unberührt, falls der Schuldner an der Beschränkung ein berechtigtes Interesse hat und keine schutzwürdigen Belange des Gläubigers oder der Allgemeinheit entgegenstehen.86 So kann etwa eine aufschiebend befristete Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr ab Fristbeginn beseitigen, wenn auf Seiten des Schuldners nachvollziehbare Gründe für die Befristung bestehen und die Interessen des Gläubigers durch die Möglichkeit der Erwirkung eines gerichtlichen Unterlassungstitels im Wege der einstweiligen Verfügung sowie durch entsprechende Schadensersatzansprüche hinreichend geschützt sind.87 (6) Vertragsstrafeversprechen. Die Vertragsstrafe ist vom Gesetzgeber mit einer 25 doppelten Zweckrichtung versehen: So soll die Vertragsstrafe zum einen als Zwangsmittel den Schuldner zur Erbringung der geschuldeten Leistung anhalten, zum anderen aber auch dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung eröffnen.88 Für die Sicherung der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverpflichtung steht der Zweck der Vertragsstrafe, künftige Wettbewerbsverstöße zu verhindern, im Vordergrund.89 Die Sicherung von Schadensersatzansprüchen stellt demgegenüber insoweit nur einen Nebenzweck dar.90 Die Vertragsstrafe muss der Höhe nach so bemessen sein, dass der Schuldner von 26 einem weiteren Verstoß absieht. Maßgeblich sind insoweit sämtliche Umstände des Ein-

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80 BGH 1.4.1993 – I ZR 136/91 – GRUR 1993, 677, 679 – Bedingte Unterwerfung; BGH 21.2.2008 – I ZR 142/05 – GRUR 2008, 815 Tz. 14 – Buchführungsbüro. 81 BGH 21.2.2008 – I ZR 142/05 – GRUR 2008, 815 Tz. 14 – Buchführungsbüro. 82 BGH 21.2.2008 – I ZR 142/05 – GRUR 2008, 815 Tz. 14 – Buchführungsbüro. 83 BGH 1.4.1993 – I ZR 136/91 – GRUR 1993, 677, 679 – Bedingte Unterwerfung; BGH 1.10.1996 – VI ZR 206/95 – GRUR 1997, 125, 128 – Künstlerabbildung in CD-Einlegeblatt. Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 70; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.129; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 51; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 12; Teplitzky Kap. 8 Rn. 8. 84 Berlit WRP 1998, 250, 252; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 72; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.130; Piper/ Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 12; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 52; Teplitzky Kap. 8 Rn. 10. 85 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 70; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.127; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 51; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 12; Teplitzky Kap. 8 Rn. 8. 86 BGH 31.5.2001 – I ZR 82/99 – GRUR 2002, 180, 181 – Weit-vor-Winterschlussverkauf; BGH 15.2.2007 – I ZR 114/04 – BGHZ 171, 151, 166 = GRUR 2007, 871 Tz. 41 – Wagenfeld-Leuchte. Vgl. weiterhin Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.131; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 12. 87 BGH 31.5.2001 – I ZR 82/99 – GRUR 2002, 180, 181 – Weit-vor-Winterschlussverkauf. 88 BGH 27.11.1974 – VIII ZR 9/73 – BGHZ 63, 256, 259 = NJW 1975, 163, 164; BGH 30.9.1993 – I ZR 54/91 – GRUR 1994, 146, 148 – Vertragsstrafebemessung. 89 BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127, 128 – Vertragsstrafeversprechen. 90 BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127, 128 – Vertragsstrafeversprechen.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

zelfalls, insbesondere die Größe des Unternehmens, die Art des Wettbewerbsverstoßes und seines Zustandekommens sowie das übrige im Zusammenhang mit dem Verstoß – auch nachträglich – an den Tag gelegte Verhalten des Verletzers.91 Bei der Bemessung der Vertragsstrafe ist ferner zu berücksichtigen, dass die Titelverletzung aus Sicht des Schuldners wirtschaftlich nicht lohnend erscheinen darf.92 Die Bestimmung der Vertragsstrafe kann auch dem Gläubiger oder einem Dritten 27 überlassen werden (vgl. §§ 315, 317 BGB).93 Dritter kann jedoch nicht das ordentliche Gericht innerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises sein.94 Die Parteien vermögen nicht durch eine vertragliche Vereinbarung dem Gericht die Aufgabe zu übertragen, den Inhalt eines von ihnen geschlossenen Vertrages durch eine vertragsgestaltende Tätigkeit zu ergänzen.95 Eine Begrenzung der zu bestimmenden Vertragsstrafe der Höhe nach kann im Einzelfall sinnvoll und praktikabel sein.96 Eine solche begrenzte Vertragsstrafe vermag dem friedlichen Ausgleich der beiderseitigen Interessen häufig besser gerecht werden als eine der Höhe nach unbegrenzte Vertragsstrafe mit einem Bestimmungsrecht des Gläubigers, da sich in ersterem Fall das Risiko beider Vertragspartner in einem überschaubaren Rahmen hält.97 Die Festlegung einer Obergrenze für die Vertragsstrafe ist allerdings nicht zwingend erforderlich.98 Ob die Wiederholungsvermutung durch Abgabe eines Vertragsstrafeversprechens 28 gegenüber einem von mehreren Verletzten auch mit Wirkung gegenüber den übrigen Verletzten entfällt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.99 Wie bei jedem Vertragsstrafeversprechen kommt es auch insoweit entscheidend darauf an, dass die eingegangene Verpflichtung geeignet erscheint, den Versprechenden tatsächlich und ernsthaft von Wiederholungen der Verletzungshandlung abzuhalten. 100 Maßgeblich abzustellen ist hierbei auf die Person des Vertragsstrafegläubigers und dessen Beziehung zum Schuldner.101 Ist die Wiederholungsvermutung durch Abgabe eines Vertragsstrafeversprechens gegenüber einem Verletzten mit Wirkung gegenüber allen Verletzten entfallen, so ist der Verletzer im Falle einer Abmahnung durch einen anderen Verletzten nach Treu und Glauben verpflichtet, auf die bereits erfolgte Unterwerfung hinzuweisen.102 Die Unterlassung eines entsprechenden Hinweises kann zur Begründung von Schadensersatzansprüchen

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91 BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127, 129 – Vertragsstrafeversprechen. 92 BGH 30.9.1993 – I ZR 54/91 – GRUR 1994, 146, 147 – Vertragsstrafebemessung. 93 BGH 14.10.1977 – I ZR l19/76 – GRUR 1978, 192, 193 – Hamburger Brauch; BGH 12.7.1984 – I ZR 123/82 – GRUR 1985, 155, 157 – Vertragsstrafe bis zu … I. 94 BGH 14.10.1977 – I ZR l19/76 – GRUR 1978, 192, 193 – Hamburger Brauch. 95 BGH 14.10.1977 – I ZR l19/76 – GRUR 1978, 192, 193 – Hamburger Brauch. 96 BGH 12.7.1984 – I ZR 123/82 – GRUR 1985, 155, 157 – Vertragsstrafe bis zu … I; BGH 14.2.1985 – I ZR 20/83 – GRUR 1985, 937, 938 – Vertragsstrafe bis zu … II. 97 BGH 12.7.1984 – I ZR 123/82 – GRUR 1985, 155, 157 – Vertragsstrafe bis zu … I. 98 BGH 31.5.1990 – I ZR 285/88 – GRUR 1990, 1051, 1052 – Vertragsstrafe ohne Obergrenze. 99 BGH 5.1.1960 – I ZR 100/58 – GRUR 1960, 379, 381 – Zentrale; BGH 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186, 187 – Wiederholte Unterwerfung I; BGH 22.6.1989 – I ZR 120/87 – GRUR 1989, 758, 759 – Gruppenprofil. 100 BGH 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186, 187 – Wiederholte Unterwerfung I; BGH 22.6.1989 – I ZR 120/87 – GRUR 1989, 758, 759 – Gruppenprofil. 101 BGH 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186, 187 – Wiederholte Unterwerfung I; BGH 22.6.1989 – I ZR 120/87 – GRUR 1989, 758, 759 – Gruppenprofil. Vgl. weiterhin Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.166 ff.; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 44 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 18; Teplitzky Kap. 8 Rn. 38 ff. 102 BGH 19.6.1986 – I ZR 65/84 – GRUR 1987, 54, 55 – Aufklärungspflicht des Abgemahnten; BGH 13.5.1987 – I ZR 79/85 – GRUR 1987, 640, 641 – Wiederholte Unterwerfung II; BGH 5.5.1988 – I ZR 151/86 – GRUR 1988, 716, 717 – Aufklärungspflicht gegenüber Verbänden.

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II. Unterlassungsansprüche

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

des Abmahnenden führen.103 Ob sich ein im Rahmen einer Unterwerfungserklärung eingegangenes Vertragsstrafeversprechen zugunsten eines Dritten als ernsthaftes, die Wiederholungsgefahr beseitigendes Unterlassungsversprechen darstellt, ist ebenfalls eine Frage des konkreten Einzelfalls.104 bb) Rechtskräftiges Unterlassungsurteil. Nach der Rechtsprechung des BGH105 29 und der (mittlerweile) herrschenden Meinung im Schrifttum106 entfällt die Wiederholungsgefahr regelmäßig auch durch einen rechtskräftigen Unterlassungstitel in einem Hauptsacheverfahren. Denn es ist anzunehmen, dass der Schuldner ein Urteil ebenso ernst nehmen und für sein künftiges Verhalten bestimmend erachten wird wie eine eigene vertragliche strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung.107 Eine andere Beurteilung kann ausnahmsweise im Einzelfall angebracht sein, wenn der vom Unterlassungsgläubiger verschiedene Vollstreckungsgläubiger an der Durchsetzung des Titels nicht interessiert ist oder wenn das Verhalten des Schuldners Zweifel aufkommen lässt, dass er dem ergangenen Urteil eine den Streit regelnde Wirkung beimisst.108 Um solche Zweifel nicht aufkommen zu lassen, bedarf es weder einer eigenständigen verpflichtenden oder anerkennenden Erklärung noch einer Abschlusserklärung wie bei im Verfahren der einstweiligen Verfügung erstrittenen Titeln.109 Hinreichend, aber auch erforderlich ist insoweit vielmehr ein Verhalten des Schuldners, wonach der Schuldner das ergangene Urteil als eine den Streit betreffende Regelung versteht.110 Befindet sich der Verurteilte wegen derselben Wettbewerbshandlung mit einem Dritten in einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung, so beseitigt das rechtskräftige Urteil die Wiederholungsgefahr gegenüber dem Dritten nur, wenn sich der Verurteilte auf das Urteil beruft und dadurch zu erkennen gibt, dass das Urteil auch diesen Streit regelt.111 cc) Einstweilige Verfügung mit Abschlusserklärung. Eine vom Verletzten erwirk- 30 te einstweilige Verfügung lässt die Wiederholungsvermutung nur entfallen, wenn der Schuldner eine Abschlusserklärung abgibt und dadurch die einstweilige Verfügung als endgültige und damit einem im Hauptsacheverfahren ergangenen rechtskräftigen Urteil gleichstehende Regelung anerkennt.112

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103 BGH 19.6.1986 – I ZR 65/84 – GRUR 1987, 54, 55 – Aufklärungspflicht des Abgemahnten; BGH 13.5.1987 – I ZR 79/85 – GRUR 1987, 640, 641 – Wiederholte Unterwerfung II; BGH 5.5.1988 – I ZR 151/86 – GRUR 1988, 716, 717 – Aufklärungspflicht gegenüber Verbänden. 104 BGH 27.5.1987 – I ZR 153/85 – GRUR 1987, 748, 749 f. – Getarnte Werbung II. Die Ernstlichkeit des Unterlassungsversprechens im Falle eines Vertragsstrafeversprechens zugunsten eines Dritten eher verneinend Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.146; Teplitzky GRUR 1996, 696, 700. 105 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450, 452 – Begrenzte Preissenkung. Eingehend zu den früher gegen die Annahme eines Fortfalls der Wiederholungsgefahr durch ein Urteil vorgebrachten Argumente Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.46 ff. 106 Vgl. etwa Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 94; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann § 8 Rn. 25; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 65 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 23; Teplitzky Kap. 7 Rn. 4a ff. 107 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450, 452 – Begrenzte Preissenkung. 108 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450, 452 – Begrenzte Preissenkung. 109 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450, 452 – Begrenzte Preissenkung. 110 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450, 452 – Begrenzte Preissenkung. 111 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450, 452 – Begrenzte Preissenkung. 112 BGH 27.11.1963 – Ib ZR 60/62 – GRUR 64, 274, 275 – Möbelrabatt; BGH 4.5.2005 – I ZR 127/02 – GRUR 2005, 692, 694 – „statt”-Preis; OLG Hamburg 20.6.1984 – 3 W 103/84 – GRUR 1984, 889, 890 – Anerkannte Unterlassungsverfügung; OLG Karlsruhe 22.2.1995 – 6 U 250/94 – GRUR 1995, 510, 513 – Ginkgo-bilobaPräparat; KG 25.10.1996 – 5 U 4912/96 – WRP 1998, 71, 72 – Wegfall der Wiederholungsgefahr; OLG Frankfurt 24.2.2000 – 6 U 190/99260 – NJWE-WettbR 2000, 259, 260. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 94; Harte-

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Beseitigung und Unterlassung

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dd) Vergleich. Die Wiederholungsgefahr wird auch durch einen gerichtlichen oder anwaltlichen Vergleich beseitigt, der eine Pflicht zur Unterlassung enthält.113 Anders als ein entsprechendes Urteil enthält ein Vergleich sogar ein Freiwilligkeitsmoment, das grundsätzlich eine zusätzliche Gewähr für die Einhaltung der Rechtspflicht bietet.114 Im Gegensatz zu einem durch Urteil angedrohten Ordnungsgeld kann in einem Vergleich auch eine Vertragsstrafe festgelegt werden, die bei einem eventuellen nochmaligen Verstoß verwirkt wird und insoweit ein zusätzliches Motivationsmoment für die Rechtsdurchsetzung durch den Gläubiger darstellt.115 Die Wiederholungsgefahr ist erst mit der endgültigen Wirksamkeit des Vergleichs widerlegt, bei Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts also mit dem Ablauf der Widerrufsfrist ohne Ausübung des Widerrufsrechts.116 Wird der Vergleich durch den Gläubiger widerrufen, so steht dies der Wiederholungsgefahr nicht stets entgegen.117 Generelle Kritik an einer Widerlegung der Wiederholungsgefahr durch eine im Wege des Vergleichs gleichsam „erkaufte“ Unterwerfungserklärung mangels tatsächlich zum Ausdruck gebrachter Einsicht118 verfängt nicht. Aus welcher Motivation heraus von einem künftig wettbewerbsrechtskonformen Verhalten ausgegangen werden kann, ist in diesem Zusammenhang vielmehr grundsätzlich unbeachtlich. So genügt auch ein Unterlassen aus Angst vor den Konsequenzen weiterer Zuwiderhandlungen. Denn der Unterlassungsanspruch ist gerade kein Instrumentarium zur moralischen Erziehung, sondern dient (nur) dem Schutz der berechtigten Interessen des Anspruchsgläubigers. Eine zusätzliche strafbewehrte Unterlassungserklärung ist nicht erforderlich, dem Verletzer aber stets anzuempfehlen.

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ee) Rechtliche Änderungen. Die Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr entfällt, wenn die Wettbewerbswidrigkeit des fraglichen Verhaltens in der Vergangenheit umstritten war, auf Grund einer Gesetzesänderung nunmehr aber eindeutig zu bejahen ist.119 So kann nicht angenommen werden, dass derjenige, der bei zweifelhafter Rechtslage sein Verhalten mit vertretbaren Gründen gegen den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verteidigt, auch dann auf Fortsetzung oder Wiederholung seines Handelns besteht, wenn der Gesetzgeber die offene Frage eindeutig im Sinne des zuvor streitigen Verbots entschieden hat.120 Lässt eine Gesetzesänderung die Wettbewerbswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens nachträglich entfallen, scheidet ein Unterlassungsanspruch schon deshalb aus, weil sich die Beurteilung des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht richtet.121

_____ Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 26; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.51; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 63 f.; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 22; Teplitzky Kap. 7 Rn. 4a. 113 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.50a. 114 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.50a, der sich kritisch zu einer zusätzlichen Gewähr durch ein Freiwilligkeitsmoment äußert, das de facto erkauft oder sogar erzwungen wurde. 115 Vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.49, der auch mit Blick auf Urteile die Durchsetzung durch den Charakter des Ordnungsgeldes nicht gefährdet sieht. 116 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.50a. 117 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.50a. 118 Vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.50a. 119 BGH 25.10.2001 – I ZR 29/99 – GRUR 2002, 717, 719 – Vertretung der Anwalts-GmbH; BGH 13.7.2006 – I ZR 234/03 – GRUR 2006, 953 Tz. 20 – Warnhinweis II. Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 93; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 32; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.43; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 72; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 20. 120 BGH 25.10.2001 – I ZR 29/99 – GRUR 2002, 717, 719 – Vertretung der Anwalts-GmbH. 121 BGH 6.5.1999 – I ZR 199 / 96 – GRUR 1999, 923, 925 – Tele-Info-CD.

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II. Unterlassungsansprüche

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

ff) Tatsächliche Änderungen. Tatsächliche Änderungen führen nur dann zum 33 Fortfall der Wiederholungsgefahr, wenn sie jede Wahrscheinlichkeit einer auch nur ähnlichen Verletzung ausschließen.122 Daher beseitigt der Wegfall der Störung als solcher die Wiederholungsgefahr nicht.123 Gleiches gilt für die Entlassung oder Abberufung des konkret Handelnden.124 Die bloße Aufgabe der Geschäftstätigkeit lässt die Wiederholungsgefahr gerade nicht entfallen.125 Mit der konkreten Geschäftsaufgabe geht nämlich nicht zwangsläufig auch eine Abstandnahme von sämtlichen ähnlichen Geschäften einher.126 Um von einer Widerlegung der Wiederholungsgefahr ausgehen zu können, muss zusätzlich zur Aufgabe des konkreten Geschäfts vielmehr auch die Aufgabe bzw. Nichtaufnahme aller ähnlichen Tätigkeiten sichergestellt sein.127 Nur auf diese Weise können eventuelle gleichartige künftige Verletzungen im Zusammenhang mit ähnlichen Tätigkeiten mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.128 Entsprechendes gilt, wenn die Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen wird, nachdem ein gestellter Insolvenzantrag abgelehnt wurde.129 Wenn und soweit die Gesellschaft noch nicht vollständig liquidiert ist, steht einer Entkräftung der Wiederholungsgefahr bereits der mögliche Besitz wettbewerbswidriger Produkte entgegen.130 Was für die Aufgabe der gesamten Geschäftstätigkeit gilt, muss a maiore ad minus für die bloße Einstellung einer Produktlinie131 oder die Änderung einer Werbung132 gelten: Wird das Unternehmen fortgeführt und nur eine Produktlinie oder deren Bewerbung eingestellt, so ist die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Verletzung wegen der unproblematischen Möglichkeit der Wiederaufnahme der entsprechenden Produktion bzw. Tätigkeit sogar noch höher als bei einer Geschäftsaufgabe. Dem Prozessverhalten kann für die Frage des Fortfalls der Wiederholungsgefahr allenfalls Indizwirkung zukommen.133 Insbesondere vermag ein im Verlaufe des Rechtsstreits abgegebenes schlichtes Versprechen künftiger Unterlassung die Wiederholungsgefahr nicht zu beseitigen.134 Hingegen schließt die

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122 BGH 19.12.1960 – I ZR 14/59 – GRUR 1961, 288, 290 – Zahnbürsten; BGH 2.7.1987 – I ZR 167/85 – GRUR 1988, 38, 39 – Leichenaufbewahrung. Vgl. weiterhin Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.40; Piper/Ohly/ Sosnitza § 8 Rn. 19. 123 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.39. 124 BGH 21.4.2005 – I ZR 201/02 – GRUR 2005, 1059, 1060 – Quersubventionierung von Laborgemeinschaften; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 92. 125 BGH 16.1.1992 – I ZR 84/90 – GRUR 1992, 318, 320 – Jubiläumsverkauf; BGH 5.2.1998 – I ZR 211/95 – GRUR 1998, 824, 828 – Testpreis-Angebot; BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98 – GRUR 2001, 453, 455 – TCMZentrum; BGH 3.6.1976 – X ZR 57/73 – GRUR 1976, 579, 583 – Tylosin; BGH 22.11.2007 – I ZR 77/05 – GRUR 2008, 625 Tz. 23 – Neuartigkeit eines Lebensmittels. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 92; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 29; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.39a; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 19. 126 Vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 92. 127 BGH 16.1.1992 – I ZR 84/90 – GRUR 1992, 318, 320 – Jubiläumsverkauf; BGH 5.2.1998 – I ZR 211/95 – GRUR 1998, 824, 828 – Testpreis-Angebot; BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98 – GRUR 2001, 453, 455 – TCMZentrum; BGH 3.6.1976 – X ZR 57/73 – GRUR 1976, 579, 583 – Tylosin. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 92; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.39a. 128 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 92. 129 BGH 22.11.2007 – I ZR 77/05 – GRUR 2008, 625 Tz. 10 – Neuartigkeit eines Lebensmittels. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.39a. 130 BGH 22.11.2007 – I ZR 77/05 – GRUR 2008, 625 Tz. 23 – Neuartigkeit eines Lebensmittels. 131 BGH 19.3.1998 – I ZR 264/95 – GRUR 1998, 1045, 1046 – Brennwertkessel. 132 BGH 28.9.1973 – I ZR 80/72 – GRUR 1974, 225, 227 – Lager-Hinweiswerbung. 133 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.44. 134 BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53 – BGHZ 14, 163, 167 f. = GRUR 1955, 97, 98 – Constanze II; BGH 16.11.1954 – I ZR 12/53 – GRUR 1955, 342, 345 – Holländische Obstbäume; BGH 5.3.1951 – I ZR 40/50 – BGHZ 1, 241, 248 = GRUR 1951, 324, 326 – Piek-fein.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

Verteidigung eines früheren Verhaltens als rechtmäßig den Fortfall der Wiederholungsgefahr für sich genommen nicht aus.135 3. Vorbeugender Unterlassungsanspruch (Absatz 1 Satz 2). Der vorbeugende Unterlassungsanspruch unterscheidet sich vom Verletzungsunterlassungsanspruch (siehe zum Verletzungsunterlassungsanspruch vorstehend Rn. 10 ff.), bei dem die Begehungsgefahr aus einem bereits erfolgten Wettbewerbsverstoß abgeleitet wird, dadurch, dass noch keine vollendete Zuwiderhandlung vorliegt, weshalb die (Erst-)Begehungsgefahr aus anderen Umständen abgeleitet werden muss. Beide Ansprüche unterscheiden sich in ihren Voraussetzungen und stehen selbständig nebeneinander, wobei sie sich aber ergänzen können. In Ansehung des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs muss bei einer drohenden Rechtsverletzung gerade nicht abgewartet werden, bis sich der Eingriff in ein Rechtsgut oder die Interessenverletzung durch einen Schaden manifestiert hat.136 Dieser vorbeugende Unterlassungsanspruch ist in Absatz 1 Satz 2 nunmehr ausdrücklich gesetzlich niedergelegt; allerdings war ein solcher Anspruch bereits zuvor gewohnheitsrechtlich anerkannt.137 Voraussetzung des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs ist das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr dahingehend, dass ein rechtswidriger Eingriff erstmals unmittelbar drohend bevorsteht. 35 Nach zutreffender Auffassung kann auch der vorbeugende Unterlassungsanspruch verjähren.138 Hierfür spricht zunächst bereits der Wortlaut des § 11 Abs. 1, der für die Verjährung auf – sämtliche – Ansprüche aus § 8 verweist. Überdies führt diese Auffassung zu sachgerecht(er)en Ergebnissen, ohne zu „Manipulationen bei der Einschätzung der Fortdauer der Erstbegehungsgefahr zu nötigen“.139 Beruht die Erstbegehungsgefahr auf einer Dauerhandlung, so beginnt die Verjährung während des Fortdauerns der Dauerhandlung täglich neu zu laufen.140

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a) Vorliegen der Erstbegehungsgefahr. Das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass ernsthafte und greifbare Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass unmittelbar oder in naher Zukunft eine wettbewerbswidrige Verletzungshandlung vorgenommen wird.141 Dabei müssen die die Erstbegehungsgefahr begründenden Umstände die drohende Verletzungshandlung bereits so konkret abzeichnen, dass sich für alle Tatbestandsmerkmale zuverlässig beurteilen lässt,

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135 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.44. A.A. dagegen BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53 – BGHZ 14, 163, 168 = GRUR 1955, 97, 98 – Constanze II. 136 Fritzsche S. 21 f.; Teplitzky Kap. 9 Rn. 1. 137 Vgl. etwa aus der st. Rspr. BGH 16.1.1992 – I ZR 84/90 – GRUR 1992, 318, 319 – Jubiläumsverkauf; BGH 19.3.1992 – I ZR 166/90 – GRUR 1993, 53, 55 –Ausländischer Inserent; BGH 15.4.1999 – I ZR 83/97 – GRUR 1999, 1097, 1099 – Preissturz ohne Ende. Weiterhin aus dem Schrifttum GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. 75 m.w.N. 138 GK-UWG/Messer § 21 Rn. 12; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 36; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Schulz § 11 Rn. 12 ff.; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.16; Piper/Ohly/ Sosnitza § 8 Rn. 26; Teplitzky Kap. 16 Rn. 5 m.w.N. A.A. – allerdings noch zur früheren Rechtslage – BGH 10.11.1965 – Ib ZR 101/63 – GRUR 1966, 623, 626 – Kupferberg m. Anm. Beier; BGH 29.9.1978 – I ZR 107/77 – GRUR 1979, 121, 122 – Verjährungsunterbrechung m. Anm. Horn. Weiterhin bis zur 8. Aufl. Teplitzky Kap. 16 Rn. 4 m.w.N. 139 Teplitzky Kap. 16 Rn. 5, in diesem Sinne ebenfalls Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann § 8 Rn. 36. 140 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.16; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 26; Teplitzky Kap. 16 Rn. 5. 141 BGH 14.7.1993 – I ZR 189/91 – GRUR 1994, 57, 58 – Geld-zurück-Garantie; BGH 26.4.1990 – I ZR 99/88 – GRUR 1990, 687, 689 – Anzeigenpreis II; BGH 19.3.1992 – I ZR 166/90 – GRUR 1993, 53, 55 – Ausländischer Inserent; BGH 15.4.1999 – I ZR 83/97 – GRUR 1999, 1097, 1099 – Preissturz ohne Ende.

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II. Unterlassungsansprüche

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

ob sie verwirklicht sind.142 Die bloß theoretisch-abstrakte Möglichkeit der Begehung einer Verletzungshandlung genügt insoweit gerade nicht.143 Weiterhin ist nicht ausreichend für die Annahme einer Erstbegehungsgefahr, dass die Übernahme einer förmlichen Unterlassungsverpflichtung abgelehnt worden ist, da es zur Ausräumung der Erstbegehungsgefahr regelmäßig keiner Unterlassungserklärung bedarf.144 Der Kläger muss die tatsächlichen Umstände, die die Erstbegehungsgefahr begrün- 37 den, im Einzelnen darlegen und beweisen.145 Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BGH streitet – anders als bei der Wiederholungsgefahr (siehe hierzu vorstehend Rn. 14 f.) – keine Vermutung für das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr.146 In diesem Sinne kann nach einer Gesetzesänderung nicht ohne weitere Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein erst durch die veränderte Rechtslage wettbewerbswidrig gewordenes Verhalten fortgesetzt werden wird.147 aa) Berühmung. Eine Erstbegehungsgefahr kann sich insbesondere daraus ergeben, 38 dass der Anspruchsgegner für sich in Anspruch nimmt, zu einer bestimmten (Verletzungs-) Handlung jederzeit und gegenüber jedermann oder zumindest dem Anspruchsinhaber gegenüber berechtigt zu sein (Berühmung).148 Eine solche Berühmung, aus der die unmittelbar oder in naher Zukunft ernsthaft drohende Erstbegehungsgefahr abzuleiten ist, kann unter Umständen auch in Erklärungen zu sehen sein, die im Rahmen der Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen Verfahren abgegeben werden.149 Eine etwaige Berühmung endet mit der Aufgabe dieser Berühmung, die jedenfalls in der uneingeschränkten und eindeutigen Erklärung zu sehen ist, dass die beanstandete Handlung in Zukunft nicht vorgenommen werde.150 Allerdings begründet nicht jede Art von Berühmung eine Erstbegehungsgefahr, 39 sondern es sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls entsprechend zu berücksichtigen.

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142 BGH 30.1.1970 – I ZR 48/68 – GRUR 1970, 305, 306 – Löscafé m. Anm. Heydt; BGH 13.3.2008 – I ZR 151/05 – GRUR 2008, 912 Tz. 17 – Metrosex. 143 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 97; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.17; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 79; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 27. 144 BGH 18.12.1969 – X ZR 52/67 – GRUR 1970, 358, 360 – Heißläuferdetektor m. Anm. Fischer; BGH 25.2.1992 – X ZR 41/90 – BGHZ 117, 264, 271 f. – Nicola; BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1176 – Berühmungsaufgabe. 145 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 99; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.17; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 82. 146 BGH 9.10.1986 – I ZR 158/84 – GRUR 1987, 125, 126 – Berühmung; BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1176 – Berühmungsaufgabe; BGH 13.3.2008 – I ZR 151/05 – GRUR 2008, 912 Tz. 30 – Metrosex. Siehe weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 99; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 39; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.17; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 27. 147 BGH 13.3.1997 – I ZR 34/95 – GRUR 1997, 665, 665 – Schwerpunktgebiete; BGH 30.10.1997 – I ZR 185/95 – GRUR 1998, 591, 592 – Monopräparate. 148 BGH 9.10.1986 – I ZR 158/84 – GRUR 1987, 125, 126 – Berühmung; BGH 26.4.1990 – I ZR 198/88 – GRUR 1990, 678, 679 – Herstellerkennzeichen auf Unfallwagen m. Anm. Heil, insoweit nicht in BGHZ 111, 182; BGH 16.1.1992 – I ZR 20/90 – GRUR 1992, 404, 405 – Systemunterschiede; BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1175 – Berühmungsaufgabe; BGH 26.1.2006 – I ZR 121/03 – GRUR 2006, 429 Tz. 18 – Schlank-Kapseln. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 103; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.18; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 89; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 29; Teplitzky Kap. 10 Rn. 9 ff. 149 BGH 19.3.1992 – I ZR 166/90 – GRUR 1993, 53, 55 – Ausländischer Inserent; BGH 15.10.1998 – I ZR 120/96 – GRUR 1999, 418, 420 – Möbelklassiker; BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1175 – Berühmungsaufgabe. 150 BGH 9.10.1986 – I ZR 158/84 – GRUR 1987, 125, 126 – Berühmung; BGH 23.2.1989 – I ZR 18/87 – GRUR 1989, 432, 432 – Kachelofenbauer I; BGH 11.7.1991 – I ZR 31/90 – GRUR 1992, 116, 117 – Topfgucker-Scheck; BGH 19.3.1992 – I ZR 166/90 – GRUR 1993, 53, 55 –Ausländischer Inserent.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

In diesem Sinne gilt für Äußerungen in einem Rechtstreit, dass der bloße Umstand der Verteidigung gegen eine Klage unter Einschluss der Äußerung der Auffassung, zu dem in Rede stehenden Verhalten berechtigt zu sein, für sich genommen regelmäßig noch nicht als eine Erstbegehungsgefahr begründende Berühmung zu werten ist.151 Ansonsten würde die Möglichkeit zu einer wirksamen Rechtsverteidigung, zu der auch das Recht, in einem gerichtlichen Verfahren die Rechtmäßigkeit bestimmter Verhaltensweisen klären zu lassen, und das Recht auf rechtliches Gehör (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG) unzulässig beschränkt.152 Eine Rechtsverteidigung kann demgegenüber jedenfalls dann eine Erstbegehungsgefahr begründen, wenn gerade nicht nur der eigene Rechtsstandpunkt vertreten wird, um sich die bloße Möglichkeit eines entsprechenden Verhaltens für die Zukunft offenzuhalten, sondern den Erklärungen auch die Bereitschaft entnommen werden kann, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten.153 An einer Erstbegehungsgefahr fehlt es in solchen Konstellation wiederum dann, wenn eindeutig klargestellt wird, dass es dem Anspruchsgegner nur um die Rechtsverteidigung geht und keine (weiteren) Rechtsverletzungen zu besorgen sind.154 40

bb) Vorbereitungshandlungen. Vorbereitungshandlungen zu Verletzungshandlungen können häufig eine Erstbegehungsgefahr begründen. So kann in diesem Sinne eine Erstbegehungsgefahr bereits vorliegen, wenn eine Zeichenanmeldung in der Absicht unlauteren Anhängens an den guten Ruf der älteren Marke erfolgt und deshalb mit dem Makel der Wettbewerbswidrigkeit behaftet ist.155 Weiterhin hat der BGH entschieden, dass die Anweisung des Unternehmers an einen für den Betrieb arbeitenden Handelsvertreter, eine lauterkeitswidrige Werbebehauptung zu verwenden, zwar einen internen Vorgang betrifft, aber Grundlage einer vorbeugenden Unterlassungsklage sein kann.156 Eine auf Vorbereitungshandlungen gestützte Erstbegehungsgefahr kann sich weiterhin etwa ergeben bei Ankündigung einer wettbewerbswidrigen Auskunft157 oder bei Ankündigung einer wettbewerbswidrigen Werbung.158 Erforderlich ist aber jedenfalls stets, dass ernsthafte und greifbare Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Wettbewerber werde sich in naher Zukunft der wettbewerbswidrigen Maßnahme bedienen.159

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151 BGH 31.5.1967 – Ib ZR 119/65 – GRUR 1968, 49, 50 – Zentralschlossanlagen; BGH 24.4.1986 – I ZR 56/84 – GRUR 1987, 45, 46 f. – Sommerpreiswerbung; BGH 24.1.1991 – I ZR 133/89 – GRUR 1991, 764, 765 f. – Telefonwerbung IV, insoweit nicht in BGHZ 113, 282; BGH 19.3.1992 – I ZR 122/90 – GRUR 1992, 627, 630 – Pajero; BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1175 – Berühmungsaufgabe. 152 BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1175 – Berühmungsaufgabe, unter Verweis auf Ullmann WRP 1996, 1007, 1010. 153 BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1175 – Berühmungsaufgabe; BGH 10.4.2003 – I ZR 291/00 – GRUR 2003, 890, 891 f. – Buchclub-Kopplungsangebot. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 103; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.19; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 90; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 30; Teplitzky Kap. 10 Rn. 10. 154 BGH 12.7.1990 – I ZR 278/88 – WM 1990, 1839, 184 – Kreishandwerkerschaft II; BGH 16.1.1992 – I ZR 20/90 – GRUR 1992, 404, 405 – Systemunterschiede; BGH 6.7.1995 – I ZR 110/93 – GRUR 1995, 595, 598 – Kinderarbeit; BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1175 – Berühmungsaufgabe. 155 BGH 29.11.1984 – I ZR 158/82 – GRUR 1985, 550, 553 – DIMPLE, insoweit nicht in BGHZ 93, 96; BGH 13.3.2008 – I ZR 151/05 – GRUR 2008, 912 Tz. 38 – Metrosex. 156 BGH 25.9.1970 – I ZR 47/69 – GRUR 1971, 119, 120 – Branchenverzeichnis m. Anm. Krieger. 157 BGH 11.7.1991 – I ZR 31/90 – GRUR 1992, 116, 117 – Topfgucker-Scheck. 158 BGH 23.2.1989 – I ZR 18/87 – GRUR 1989, 432, 434 – Kachelofenbauer I. 159 BGH 14.7.1993 – I ZR 189/91 – GRUR 1994, 57, 58 – Geld-zurück-Garantie; BGH 26.4.1990 – I ZR 99/88 – GRUR 1990, 687, 689 – Anzeigenpreis II; BGH 19.3.1992 – I ZR 166/90 – GRUR 1993, 53, 55 – Ausländischer Inserent; BGH 15.4.1999 – I ZR 83/97 – GRUR 1999, 1097, 1099 – Preissturz ohne Ende.

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II. Unterlassungsansprüche

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

cc) Verjährter Verletzungsunterlassungsanspruch. Keine Erstbegehungsgefahr 41 wird begründet durch bereits verjährte Verletzungsunterlassungsansprüche, da ansonsten der Schutzzweck der Verjährungsregeln (vgl. § 11) ausgehöhlt zu werden drohte.160 Allerdings kann insoweit in Ansehung des Eintretens neuer Umstände wiederum eine Erstbegehungsgefahr begründet sein.161 b) Wegfall der Erstbegehungsgefahr. An die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr 42 sind grundsätzlich weniger strenge Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungshandlung begründeten Gefahr der Wiederholung des Verhaltens in der Zukunft.162 Denn für den Fortbestand der Erstbegehungsgefahr besteht – anders als bei der durch eine Verletzungshandlung begründeten Wiederholungsgefahr – anerkanntermaßen gerade keine Vermutung.163 Deshalb genügt für die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr grundsätzlich ein actus contrarius, sprich ein der die Erstbegehungsgefahr begründenden Handlung entgegengesetztes Verhalten, das unmissverständlich und ernst gemeint sein muss.164 Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ist im Allgemeinen demgegenüber regelmäßig nicht erforderlich, um die Erstbegehungsgefahr zu beseitigen.165 Eine durch Berühmung geschaffene Erstbegehungsgefahr fällt weg mit der Aufga- 43 be der Berühmung.166 Hierfür genügt jedenfalls eine uneingeschränkte und eindeutige Erklärung, wonach die beanstandete Handlung in der Zukunft nicht (mehr) vorgenommen werde.167 Die durch eine Anmeldung eines Rechts zur Eintragung in ein Register (Markenan- 44 meldung) begründete Erstbegehungsgefahr entfällt nach der zutreffenden h.M. regelmäßig durch die Rücknahme der Anmeldung oder durch Verzicht auf die Eintragung der Marke;168 nach a.A. sollen Rücknahme bzw. Verzicht nicht genügen, sondern darüber

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160 BGH 5.11.1987 – I ZR 212/85 – GRUR 1988, 313, 313 – Auto F. GmbH; BGH 9.10.1986 – I ZR 158/84 – GRUR 1987, 125, 125 – Berühmung; BGH 14.7.1993 – I ZR 189/91 – GRUR 1994, 57, 58 – Geld-zurückGarantie. Weiterhin aus dem Schrifttum MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 96; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 32. 161 BGH 30.6.1972 – I ZR 1/71 – GRUR 1973, 203, 205 – Badische Rundschau; BGH 5.11.1987 – I ZR 212/85 – GRUR 1988, 313, 313 – Auto F. GmbH. 162 BGH 11.7.1991 – I ZR 31/90 – GRUR 1992, 116, 117 – Topfgucker-Scheck; BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1176 – Berühmungsaufgabe. 163 BGH 9.10.1986 – I ZR 158/84 – GRUR 1987, 125, 126 – Berühmung; BGH 23.2.1989 – I ZR 18/87 – GRUR 1989, 432, 434 – Kachelofenbauer I; BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1176 – Berühmungsaufgabe; BGH 13.3.2008 – I ZR 151/05 – GRUR 2008, 912 Tz. 30 – Metrosex. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 108; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 39, 46; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 33. 164 BGH 11.7.1991 – I ZR 31/90 – GRUR 1992, 116, 117 – Topfgucker-Scheck; BGH 16.1.1992 – I ZR 20/90 – GRUR 1992, 404, 405 – Systemunterschiede; BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1176 – Berühmungsaufgabe; BGH 13.3.2008 – I ZR 151/05 – GRUR 2008, 912 Tz. 30 – Metrosex; BGH 15.1.2009 – I ZR 57/07 – GRUR 2009, 841 Rn. 23 – Cybersky. 165 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 108; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 33. 166 BGH 9.10.1986 – I ZR 158/84 – GRUR 1987, 125, 126 – Berühmung; BGH 23.2.1989 – I ZR 18/87 – GRUR 1989, 432, 432 – Kachelofenbauer I; BGH 11.7.1991 – I ZR 31/90 – GRUR 1992, 116, 117 – Topfgucker-Scheck; BGH 19.3.1992 – I ZR 166/90 – GRUR 1993, 53, 55 –Ausländischer Inserent. 167 BGH 11.7.1991 – I ZR 31/90 – GRUR 1992, 116, 117 – Topfgucker-Scheck; BGH 19.3.1992 – I ZR 166/90 – GRUR 1993, 53, 55 – Ausländischer Inserent; BGH 6.10.1994 – I ZR 155/90 – GRUR Int. 1995, 503, 505 – Cliff Richard II; BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1176 – Berühmungsaufgabe. 168 BGH GRUR 2008, 912 Tz. 30 – Metrosex; BGH GRUR-RR 2009, 299 Tz. 12 – Underberg/Demuth; BGH GRUR 2010, 838 Tz. 27 – DDR-Logo. Weiterhin aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 46; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.27a; Lange Rn. 1840; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 32; Teplitzky Kap. 10 Rn. 21.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

hinaus eine strafbewehrte Unterlassungserklärung erforderlich sein.169 Die letztgenannte Ansicht unterstellt zu Unrecht, dass der Markenanmelder die angemeldete Marke um jeden Preis nutzen wolle, wobei unberücksichtigt bleibt, dass womöglich lediglich eine Sondierung der Lage vorgenommen werden soll; die Interessen des Abmahners werden richtigerweise bereits durch den Ersatz der Abmahnkosten regelmäßig hinreichend gewahrt.170 4. Umfang des Unterlassungsanspruchs 45

a) Sachlicher Umfang. In sachlicher Hinsicht bestimmt sich der Umfang des Unterlassungsanspruchs nach der – drohenden – lauterkeitsrechtlichen Zuwiderhandlung und der hiermit verbundenen Begehungsgefahr (Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr). In diesem Zusammenhang gilt es nach ständiger Rechtsprechung zu berücksichtigen, dass die Zuwiderhandlung nicht nur die Wiederholung der exakt identischen Verletzungsform vermuten lässt, sondern darüber hinaus auch eine Vermutung für die Begehung zwar leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen trägt.171 Insoweit bedarf es dann gerade keines Rekurses auf den vorbeugenden Unterlassungsanspruch.172 Diese sog. Kerntheorie173 betreffend den sachlichen Umfang des Unterlassungsanspruchs ist bei der Abfassung des Klageantrags zu berücksichtigen.174 Für den vorbeugenden Unterlassungsanspruch ist in Ansehung des sachlichen 46 Umfangs auf die die Erstbegehungsgefahr begründenden Umstände abzuheben, wobei sich die Verletzungshandlung so konkret abzeichnen muss, dass für alle Tatbestandsmerkmale zuverlässig beurteilt werden kann, ob diese Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind.175 47

b) Räumlicher Umfang. In räumlicher Hinsicht erstreckt sich der Unterlassungsanspruch grundsätzlich auf das gesamte Bundesgebiet als dem Geltungsbereich des UWG und kann überall im deutschen Hoheitsgebiet durchgesetzt werden. So ist nach der Rechtsprechung der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch grundsätzlich gerade nicht entsprechend des eigenen Tätigkeitsbereichs des Gläubigers räumlich beschränkt, sondern vielmehr für das gesamte Bundesgebiet gegeben und auch – selbst bei nur räumlich beschränkter Betroffenheit – bundesweit durchsetzbar, da der Anspruch dem Wettbewerber nicht nur zum Schutz seiner Individualinteressen, sondern auch und gerade im Inte-

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169 Ingerl/Rohnke Vor §§ 17–19d Rn. 172. 170 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.27a. 171 St. Rspr., vgl. etwa BGH 16.2.1989 – I ZR 76/87 – GRUR 1989, 445, 446 – Professorenbezeichnung in der Ärztewerbung II; BGH 25.4.1991 – I ZR 134/90 – GRUR 1991, 772, 774 – Anzeigenrubrik I; BGH 1.4.1993 – I ZR 85/91 – GRUR 1993, 579, 581 – Römer GmbH; BGH 10.12.1998 – I ZR 141/96 – GRUR 1999, 509, 511 – Filialleiterfehler; BGH 23. 2. 2006 – I ZR 27/03 – GRUR 2006, 504 Tz. 36 – Parfümtestkäufe; BGH 8.11.2007 – I ZR 60/05 – GRUR 2008, 530 Tz. 23 – Nachlass bei der Selbstbeteiligung. Für den vorliegenden Zusammenhang weiterhin aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann § 8 Rn. 48; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.52; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 103; Piper/Ohly/ Sosnitza § 8 Rn. 35. 172 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 48. 173 Vgl. zu dieser Begrifflichkeit Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.55a; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 103 m.w.N. 174 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.54; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 103; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 35. 175 BGH 30.1.1970 – I ZR 48/68 – GRUR 1970, 305, 306 – Löscafé; BGH 13.3.2008 – I ZR 151/05 – GRUR 2008, 912 Tz. 17 – Metrosex.

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II. Unterlassungsansprüche

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

resse der anderen Marktbeteiligten und der Allgemeinheit zuerkannt wird.176 Anders kann es sich dagegen verhalten, wenn wegen divergierenden landesrechtlichen Bestimmungen eine bundesweit einheitliche Beurteilung des Wettbewerbsgeschehens nicht in Betracht kommt, so etwa in Ansehung eines auf Landesrecht beruhenden Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregel (vgl. § 4 Nr. 11).177 Für vertraglich vereinbarte Unterlassungsansprüche wird die Auslegung regelmäßig ergeben, dass sich – wie beim gesetzlichen Unterlassungsanspruch – die räumliche Reichweite auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt; nach seinem Sinn und Zweck soll der vertragliche Unterlassungsanspruch gerade die vereinfachte und beschleunigte Durchsetzung ermöglichen.178 Darüber hinaus steht es dem Gläubiger frei, im Rahmen der Privatautonomie den Unterlassungsanspruch – nur – für einen räumlich begrenzten Bereich geltend zu machen.179 Ein von einem Mitbewerber mit räumlich begrenztem Tätigkeitsradius erstrittener Titel wird die Wiederholungsgefahr für das gesamte Bundesgebiet nicht ohne Weiteres entfallen lassen, da zum einen der Gläubiger weder willens noch in der Lage sein wird, die Einhaltung und Durchsetzung der Unterlassungsverpflichtung zu kontrollieren und zum anderen der korrespondierende ernsthafte Unterlassungswille des Schuldners180 jedenfalls zweifelhaft ist.181 c) Zeitlicher Umfang. Der Verletzungsunterlassungsanspruch (Absatz 1 Satz 1 48 Var. 2) entsteht in zeitlicher Hinsicht mit der Zuwiderhandlung, für den vorbeugenden Unterlassungsanspruch (Absatz 1 Satz 2) ist auf die die Erstbegehungsgefahr begründende Handlung abzustellen. Entfallen die tatbestandlichen Voraussetzungen des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs nachträglich, so erlischt der Unterlassungsanspruch; eine Klage ist insoweit als unbegründet abzuweisen, falls der Kläger nicht die Erledigung der Hauptsache erklärt.182 Für den vertraglichen Unterlassungsanspruch ist, soweit die Parteien nicht ausnahmsweise etwas anderes vereinbart haben, der Zeitpunkt des wirksamen Entstehens des Unterlassungsvertrags maßgeblich. Im Falle eines Prozesses ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt die letzte mündliche Tatsachenverhandlung.183 Eine zeitliche Beschränkung des Unterlassungsanspruchs kann sich ausnahmsweise bei Modeneuheiten ergeben: Zwar hat der BGH in der Entscheidung „Hemdblusenkleid“184 zum Ausdruck gebracht, dass der Schutz einer Modeneuheit je nach den Besonderheiten des jeweiligen Erzeugnisses auch über eine Saison (Frühjahr/Sommer oder Herbst/Winter) hinausreichen kann, jedenfalls zwei Jahre nach Markteinführung

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176 BGH 10.12.1998 – I ZR 141/96 – GRUR 1999, 509, 510 – Vorratslücken; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler; BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 155, 165, 178 f. = GRUR 2000, 1089, 1093 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 6.7.2000 – I ZR 243/97 – GRUR 2001, 85, 86 f. – Altunterwerfung IV. Weiterhin aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann § 8 Rn. 49; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.56; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 36. 177 BGH 14.2.2008 – I ZR 207/05 – GRUR 2008, 438 Tz. 28 – ODDSET. 178 BGH 6.7.2000 – I ZR 243/97 – GRUR 2001, 85, 86 – Altunterwerfung IV; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 112. 179 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.57; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 112; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 36. 180 BGH 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186, 186 – Wiederholte Unterwerfung I; BGH 12.7.1984 – I ZR 123/82 – GRUR 1985, 155, 156 – Vertragsstrafe bis zu …. I m. Anm. Ahrens; BGH 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290, 291 – Wiederholungsgefahr I. 181 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.57; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 57; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 36. 182 KG 11.5.2001 – 5 U 9292/00 – GRUR-RR 2002, 337, 339 – T-offline; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.79; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 158. 183 BGH 30.6.1972 – I ZR 1/71 – GRUR 1973, 203, 204 – Badische Rundschau m. Anm. Hoth; BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 615 – Gebäudefassade m. Anm. Fezer; BGH 10.12.1969 – I ZR 20/68 – GRUR 1970, 254, 257 – Remington m. Anm. Droste; KG 11.5.2001 – 5 U 9292/00 – GRUR-RR 2002, 337, 339 – T-offline; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.76; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 154. 184 BGH 10.11.1983 – I ZR 158/81 – GRUR 1984, 453, 454 – Hemdblusenkleid.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

kommt ein Modeneuheitenschutz aber nicht mehr in Betracht.185 Als eine zeitliche Begrenzung des Anspruchsumfangs kann auch die sog. Aufbrauchsfrist verstanden werden (siehe hierzu auch sogleich Rn. 50 ff.). 49

d) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Weiterhin wird der Umfang des Unterlassungsanspruchs inhaltlich durch den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (zur Bedeutung der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruchs siehe nachfolgend Rn. 76) begrenzt.186 Insoweit ist eine Einzelfallabwägung unter Einbeziehung insbesondere der schutzwürdigen Interessen des Gläubigers und des Schuldners sowie der Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes vorzunehmen. Insgesamt kann in Ansehung der Verhältnismäßigkeit sowohl auf Tatbestandsebene das Verhalten als nicht verboten anzusehen als auch eine Begrenzung auf der Rechtsfolgenebene veranlasst sein.187 Auf der Rechtsfolgenebene kommt als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der sog. Aufbrauchsfrist eine hervorgehobene Bedeutung zu (siehe hierzu auch sogleich Rn. 50 ff.).

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e) Aufbrauchsfrist. Die Einräumung einer Aufbrauchsfrist in Gestalt eines Reaktions- und Umsetzungszeitraums betreffend das maßgebliche Unterlassungsgebot stellt sich anerkanntermaßen dar als eine materiell-rechtliche Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.188 Denn es kann für den Schuldner des Unterlassungsanspruchs unter Abwägung der gegenseitigen Interessen eine unbillige Härte darstellen, wenn und soweit der Gläubiger den ihm zustehenden Unterlassungsanspruch unmittelbar durchsetzt. In diesem Zusammenhang ist darauf abzustellen, ob der unterlassungspflichtigen Partei für den Fall der sofortigen Durchführung des Unterlassungsanspruchs unverhältnismäßige Nachteile erwachsen würden und die befristete Fortsetzung des betreffenden Verhaltens für den Verletzten zugleich keine unzumutbaren Beeinträchtigungen mit sich bringt.189 Die Gewährung einer Aufbrauchsfrist lässt weder den Verletzungscharakter der Zuwiderhandlung noch deren Rechtswidrigkeit entfallen, sondern es wird lediglich auf der Rechtsfolgenseite die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs inhaltlich eingeschränkt; korrespondierende Auskunfts- und Schadensersatzansprüche bleiben deshalb bestehen.190

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185 BGH 19.1.1973 – I ZR 39/71 – GRUR 1973, 478, 480 – Modeneuheit; BGH 10.11.1983 – I ZR 158/81 – GRUR 1984, 453, 454 – Hemdblusenkleid; BGH 6.11.1997 – I ZR 102/95 – GRUR 1998, 477, 479 f. – Trachtenjanker m. Anm. Sambuc. 186 BGH 26.11.1998 – I ZR 179/96 – GRUR 1999, 504, 506 – Implantatbehandlungen; BGH 7.11.2002 – I ZR 276/99 – GRUR 2003, 628, 630 – Klosterbrauerei. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.55; MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 116. 187 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.55 unter Verweis auf Köhler GRUR 1996, 82. 188 Berlit WRP 1998, 250, 251; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 124; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 51; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.59; Köhler GRUR 1996, 82, 90; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 121; ders. Unterlassungsanspruch S. 241 f.; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 38; Teplitzky Kap. 19 Rn. 20. 189 BGH 16.11.1973 – I ZR 98/72 – GRUR 1974, 474, 476 – Großhandelshaus m. Anm. Bauer; BGH 18.12.1981 – I ZR 34/80 – GRUR 1982, 425, 431 – Brillen-Selbstabgabestellen; BGH 25.1.1990 – I ZR 19/87 – GRUR 1990, 522, 528 – HBV- Familien- und Wohnungsrechtsschutz; BGH 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079 Tz. 40 – Bundesdruckerei. 190 BGH 31.5.1960 – I ZR 16/59 – GRUR 1960, 563, 567 – Alterswerbung; BGH 10.5.1974 – I ZR 80/73 – GRUR 1974, 735, 737 – Pharmamedan; BGH 11.3.1982 – I ZR 58/80 – GRUR 1982, 420, 423 – BBC/DDC; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.60; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 121. A.A. GK-UWG/Jacobs Vor § 13 a.F. Rn. 185; Spätgens WRP 1994, 693, 695.

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II. Unterlassungsansprüche

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

aa) Rechtsgrundlage. Als Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Aufbrauchs- 51 frist ist nach heute ganz herrschender Auffassung zutreffend der Grundsatz von Treu und Glauben nach Maßgabe von § 242 BGB heranzuziehen.191 Die frühere Rechtsprechung des BGH, wonach es sich bei der Aufbrauchsfrist um eine prozessuale Maßnahme des Vollstreckungsschutzes handeln soll,192 wird dagegen nicht mehr vertreten.193 In Ansehung des durch die Schuldrechtsreform 2002 neu begründeten § 275 Abs. 2 BGB wird teilweise angenommen, diese Vorschrift erfasse den der Gewährung einer Aufbrauchsfrist zugrundeliegenden Rechtsgedanken präziser als § 242 BGB und sei deshalb vorzugswürdig heranzuziehen;194 in dogmatischer Hinsicht handelt es sich bei der Aufbrauchsfrist dann allerdings nicht mehr – wie nach der h.M. – um eine rechtsvernichtende Einwendung, sondern um eine Einrede, was insbesondere für die Verfahrensfragen (siehe zu den Verfahrensfragen sogleich Rn. 55 ff.) entsprechend zu berücksichtigen ist. bb) Voraussetzungen der Gewährung. Für die Gewährung einer Aufbrauchsfrist 52 ist maßgeblich abzustellen auf die Vornahme einer Interessenabwägung betreffend den Schuldner, den Gläubiger, die Verbraucher und die Allgemeinheit:195 Zum einen dürfen dem Schuldner des Unterlassungsanspruchs für den Fall der sofortigen Durchführung keine unverhältnismäßigen Nachteile erwachsen und zum anderen darf die befristete Fortsetzung des betreffenden Verhaltens für den Gläubiger keine unzumutbaren Beeinträchtigungen mit sich bringen.196 Insgesamt sind Aufbrauchsfristen nach alledem nur ausnahmsweise zu gewähren, weshalb hierfür das Gläubigerinteresse an der sofortigen Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs und das Schuldnerinteresse an der Zubilligung einer Aufbrauchsfrist in einem deutlichen Missverhältnis stehen müssen.197 In Ansehung der Schuldnerinteressen werden vor allem die durch den sofortigen 53 Vollzug drohenden Nachteile, die Kenntnis von einem bevorstehenden Verbot (zu der Frage der Möglichkeit der Gewährung einer Aufbrauchsfrist in der Rechtsmittelinstanz siehe Rn. 56) und der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen sein.198 Für die Gläubigerinteressen kommt vor allem der Art und Weise der Betroffenheit durch den Wettbewerbsverstoß hervorgehobene Bedeutung zu.199 So wird die Intensität der Beeinträchtigung bei einem gezielten Wettbewerbsverstoß und individueller Betroffenheit, etwa in

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191 BGH 16.11.1973 – I ZR 98/72 – GRUR 1974, 474, 476 – Großhandelshaus m. Anm. Bauer; BGH 18.12.1981 – I ZR 34/80 – GRUR 1982, 425, 431 – Brillen-Selbstabgabestellen; BGH 25.1.1990 – I ZR 19/87 – GRUR 1990, 522, 528 – HBV- Familien- und Wohnungsrechtsschutz; BGH 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079 Tz. 40. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 123; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 51; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.59; MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 121; Teplitzky Kap. 19 Rn. 20. 192 BGH 31.5.1960 – I ZR 16/59 – GRUR 1960, 563, 567 – Alterswerbung. 193 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 51; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.59; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 121; Teplitzky Kap. 19 Rn. 20. 194 Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 39. 195 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 52; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.61; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 122. 196 BGH 16.11.1973 – I ZR 98/72 – GRUR 1974, 474, 476 – Großhandelshaus m. Anm. Bauer; BGH 18.12.1981 – I ZR 34/80 – GRUR 1982, 425, 431 – Brillen-Selbstabgabestellen; BGH 25.1.1990 – I ZR 19/87 – GRUR 1990, 522, 528 – HBV- Familien- und Wohnungsrechtsschutz; BGH 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079 Tz. 40 – Bundesdruckerei. 197 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 123; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 43; Teplitzky Kap. 57 Rn. 21. 198 Siehe hierzu auch Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.62; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 126 f.; Piper/ Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 41. 199 Siehe hierzu auch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 52; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 1.63 f.; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 128 f.; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 42.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

Konstellationen von § 4 Nr. 7, Nr. 8, Nr. 9 und Nr. 10 regelmäßig besonders hoch sein. Interessen der Allgemeinheit und der Verbraucher können vor allem bei Wettbewerbsverstößen durch Irreführung (§§ 5, 5a) betroffen sein, wobei hier die Gewährung einer Aufbrauchsfrist im Rahmen der Interessenabwägung zumeist abzulehnen sein wird.200 54

cc) Dauer. Die Dauer der Aufbrauchsfrist richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles unter besonderer Berücksichtigung der Reaktionsmöglichkeiten.201 Im Schrifttum wird vielfach davon ausgegangen, dass üblicherweise eine Aufbrauchsfrist von drei bis sechs Monaten eingreift.202 In jedem Fall ist die Aufbrauchsfrist im Verhältnis zwischen dem Schuldner und mehreren Gläubigern jeweils individuell zu bestimmen.203

dd) Verfahrensfragen. Folgt man der h.M. und sieht die Rechtsgrundlage der Aufbrauchsfrist in § 242 BGB und nimmt eine Einwendung an, so handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung; über die Frage der Gewährung einer Aufbrauchsfrist ist vielmehr von Amts wegen zu entscheiden.204 Dabei bedarf es keines expliziten Antrags des Schuldners, sofern dem tatsächlichen Vortrag substantiiert ein erkennbares Interesse an der Gewährung einer Aufbrauchsfrist entnommen werden kann.205 Folgt man dagegen der von Ohly vertretenen Ansicht, wonach anstelle von § 242 BGB die Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB als Rechtsgrundlage heranzuziehen sein soll,206 so ist die Einrede im Prozess geltend zu machen; allerdings soll es sich bei Vorliegen der Voraussetzungen auch hiernach nicht um eine Ermessensentscheidung handeln, da die Bewilligung insofern nicht abgelehnt werden dürfe.207 Die Zubilligung einer Aufbrauchsfrist ist auch in den Rechtsmittelinstanzen mög56 lich; eine Zubilligung der Aufbrauchsfrist in der Revisionsinstanz kommt vor allem dann in Betracht, wenn die Tatumstände, welche die Grundlage für die erforderliche Abwägung der Interessen beider Parteien bilden, entweder unstreitig oder in den Tatsacheninstanzen festgestellt worden sind.208 Hierbei wird im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen sein, dass wer in der Vorinstanz verurteilt worden war, sich auf einen ungünstigen Ausgang auch des Revisionsverfahrens einstellen 55

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200 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 128 f.; Teplitzky Kap. 57 Rn. 21. 201 Siehe etwa BGH GRUR 1960, 563, 567 – Sektwerbung (vier Monate); BGH 18.12.1981 – I ZR 34/80 – GRUR 1982, 425 ,432 – Brillen-Selbstabgabestellen (sechs Monate); BGH 14.3.1985 – I ZR 66/83 – GRUR 1985, 930, 932 – JUS-Steuerberatungsgesellschaft (neun Monate); BGH 25.1.1990 – I ZR 19/87 – GRUR 1990, 522, 528 – HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz (rund ein Jahr). Weiterhin auch Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 53; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 133; Piper/Ohly/ Sosnitza § 8 Rn. 42; Teplitzky Kap. 57 Rn. 21. 202 So etwa MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 133; Teplitzky Kap. 57 Rn. 21. 203 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 47. 204 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.66; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 139. 205 BGH 20.1.1961 – I ZR 110/59 – GRUR 1961, 283, 284 – Mon Chéri II m. Anm. Heydt; BGH 11.3.1982 – I ZR 58/80 – GRUR 1982, 420, 423 – BBC/DDC; BGH 14.3.1985 – I ZR 66/83 – GRUR 1985, 930, 932 – JUSSteuerberatungsgesellschaft. 206 Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 39. 207 Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 45. 208 BGH 31.5.1960 – I ZR 16/59 – GRUR 1960, 563, 567 – Sektwerbung; BGH 15.4.1966 – Ib ZR 85/64 – GRUR 1966, 495, 498 – UNIPLAST m. Anm. Hoepffner; BGH 16.11.1973 – I ZR 98/72 – GRUR 1974, 474, 476 – Großhandelshaus m. Anm. Bauer; BGH 11.3.1982 – I ZR 58/80 – GRUR 1982, 420, 423 – BBC/DDC. Weiterhin aus dem Schrifftum Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 51; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 1.67; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 141; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 45; Teplitzky Kap. 19 Rn. 20.

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II. Unterlassungsansprüche

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

konnte und musste.209 Eine Aufbrauchsfrist wird deshalb vielfach gerade nicht mehr zu gewähren sein.210 Ferner ist die Gewährung einer Aufbrauchsfrist auch im Verfahren der einstweili- 57 gen Verfügung nach der zutreffenden h.M. grundsätzlich möglich, wenn und soweit die benannten Voraussetzungen vorliegen.211 Für die Gewährung einer Aufbrauchsfrist streitet insbesondere der Umstand, dass der Schuldner im Verfahren der einstweiligen Verfügung zumeist keine oder jedenfalls nur eine begrenzte Möglichkeit hatte, sich auf eine Unterlassungsverpflichtung und die entsprechenden Dispositionserfordernisse einzustellen.212 5. Vertraglicher Unterlassungsanspruch. Unterlassungsansprüche können nach 58 dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (vgl. §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB) auch durch den Abschluss von Unterlassungsverträgen begründet werden. Für das Lauterkeitsrecht von erheblicher Bedeutung sind vor allem die im Zusammenhang mit einer Abmahnung (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1) abgeschlossenen Unterlassungsverträge mit vertragsstrafebewehrter Unterlassungserklärung.213 Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe wird hierbei allerdings nicht bereits durch eine einseitige Erklärung des Schuldners begründet, sondern setzt vielmehr den Abschluss eines Vertrags zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner voraus (siehe zum Zustandekommen von Unterlassungsverträgen sogleich Rn. 60).214 Für das Verhältnis zwischen vertraglichem und gesetzlichem Unterlassungsanspruch gilt grundsätzlich Anspruchskonkurrenz;215 so kann einer auf den gesetzlichen Anspruch gestützten Unterlassungsklage nicht ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis entgegengehalten werden.216 a) Rechtsnatur des Unterlassungsvertrags. Vor dem Hintergrund der ganz unter- 59 schiedlichen Ausgestaltung von Unterlassungsverträgen ist für die Bestimmung der Rechtsnatur zunächst auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen. Bei den praktisch besonders häufig vorkommenden Unterlassungsverträgen mit strafbewehrter Unterlassungserklärung, durch welche die Wiederholungsgefahr gebannt werden soll, ist regelmäßig von einer Novation in Gestalt eines abstrakten Schuldanerkenntnisses (vgl. § 781 BGB) auszugehen.217 Denn es wird ein zuvor bestehendes gesetzliches Schuldverhältnis anerkannt und durch eine vertragliche Vereinbarung ersetzt. Diese neue selbständige Unterlassungsverpflichtung soll den gesetzlichen Unterlassungsanspruch er-

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209 BGH 16.11.1973 – I ZR 98/72 – GRUR 1974, 474, 476 – Großhandelshaus m. Anm. Bauer. 210 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.67; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 141. 211 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.68; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 143; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 46; Ulrich GRUR 1991, 26, 28. A.A. dagegen OLG Düsseldorf 10.10.1985 – 2 U 114/85 – GRUR 1986, 197, 198 – Rechtsmittel gegen Aufbrauchsfrist; OLG Frankfurt a.M. 1.10.1987 – 6 U 62/87 – GRUR 1988, 46, 49 – Flughafenpassage; OLG Koblenz 13.4.1995 – 6 U 130/95 – GRUR 1995, 499, 500 – Änderung der Wettbewerbslage. 212 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.68; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 142. 213 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 169; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 47a, unter Verweis auf Brüning § 12 Rn. 120 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 48. 214 BGH 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 14 – Vertragsstrafevereinbarung. 215 Vgl. Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 59. Siehe weiterhin auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 180 ff.; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.135 ff. 216 BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis. 217 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288, 293 = GRUR 1995, 678, 680 – Kurze Verjährungsfrist; BGH 5.3.1998 – I ZR 202/95 – GRUR 1998, 953, 954 – Altunterwerfung III. Weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 169; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.113; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 49.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

setzen.218 Dabei begründet, sofern nicht ausnahmsweise und ausdrücklich ein anderer Sinn vereinbart ist, ein wettbewerbsrechtlicher Unterwerfungsvertrag stets ein auf Unterlassung einer bestimmten Verletzungsform gerichtetes Dauerschuldverhältnis.219 b) Zustandekommen und Inhalt des Unterlassungsvertrags. Für das Zustandekommen von Unterlassungsverträgen greifen zunächst die allgemeinen zivilrechtlichen Vorgaben für Vertragsschlüsse, wonach vornehmlich auf die §§ 145 ff. BGB betreffend Angebot und Annahme zu rekurrieren ist. Für eine wirksame Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe genügt hierbei nicht bereits eine einseitige Erklärung des Schuldners, sondern es ist der Abschluss eines Vertrags zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner erforderlich.220 Durch Abgabe einer neu formulierten strafbewehrten Unterlassungserklärung gilt das Angebot zum Abschluss eines strafbewehrten Unterlassungsvertrags als abgelehnt und zugleich wird ein neues Angebot abgegeben (vgl. § 150 Abs. 2 BGB).221 Selbst wenn auf den Zugang der Annahmeerklärung gemäß § 151 BGB verzichtet wurde, ist jedenfalls ein nach außen hervortretendes Verhalten des Empfängers erforderlich, aus dem der Annahmewille unzweideutig hervorgeht.222 Für das vorerwähnte223 abstrakte Schuldversprechen ist zudem in Ansehung der Form für die Wirksamkeit der Erklärung des Versprechenden nach Maßgabe von § 781 Satz 1 BGB die Schriftform erforderlich, wenn nicht der Versprechende – wie häufig – ein Kaufmann ist und es sich um ein Handelsgeschäft (§§ 343, 344 HGB) handelt, vgl. § 350 HGB. Für den Inhalt von Unterlassungsverträgen sind die Parteien nach dem Grundsatz 61 der Vertragsfreiheit frei, sofern die Grenzen der gesetzlichen Verbote (vgl. insbesondere §§ 134, 138 BGB) nicht verletzt werden.224 So sind die Parteien insbesondere nicht an die konkrete Verletzungsform einer bestimmten Verletzungshandlung gebunden. 225 Die durch eine Vereinbarung festgeschriebene Unterlassungspflicht muss – jedenfalls im Wege der Auslegung – hinreichend bestimmbar sein.226 Da die Parteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages frei sind, richtet sich die Auslegung anerkanntermaßen nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen (vgl. §§ 133, 157 BGB).227

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c) Wirkungen des Unterlassungsvertrags. Bei einem Verstoß gegen die im Unterlassungsvertrag niedergelegten Pflichten kann der Gläubiger für die Zukunft vom Schuldner Unterlassung verlangen und entsprechend Klage auf Unterlassung erheben. Für das Verhältnis zwischen vertraglichem und gesetzlichem Unterlassungsan-

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218 BGH 5.3.1998 – I ZR 202/95 – GRUR 1998, 953, 954 – Altunterwerfung III; BGH 6.7.2000 – I ZR 243/97 – GRUR 2001, 85, 86 f. – Altunterwerfung IV. 219 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288, 292 f. = GRUR 1995, 678, 679 – Kurze Verjährungsfrist. 220 BGH 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 14 – Vertragsstrafevereinbarung. 221 BGH 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 15 – Vertragsstrafevereinbarung. 222 BGH 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 16 – Vertragsstrafevereinbarung. 223 Vgl. hierzu vorstehend Rn. 20. 224 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 172; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.121; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 51. 225 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61, 62 – Preisvergleichsliste. 226 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 172; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.121. 227 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61, 62 – Preisvergleichsliste; BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13, 16 – Fortsetzungszusammenhang; BGH 27.1.1994 – I ZR 1/92 – GRUR 1994, 387, 388 – BackFrites; BGH 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 18 – Vertragsstrafevereinbarung. Weiterhin aus dem Schrifftum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 174; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.121; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 52.

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III. Beseitigungsanspruch

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

spruch gilt dabei grundsätzlich Anspruchskonkurrenz.228 Mit einer Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot kann zudem eine vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt sein, wobei auch im Falle eines Unterlassungsversprechens ein schuldhaftes Handeln zu fordern ist.229 Bei Vorliegen einer Zuwiderhandlung wird das Verschulden dabei vermutet.230 d) Beendigung des Unterlassungsvertrags. Unterlassungsverträge können – wie 63 jede andere vertragliche Verpflichtung auch – durch eine einverständliche vertragliche Vereinbarung aufgehoben werden. Weiterhin kann der Eintritt einer auflösenden Bedingung (vgl. § 158 Abs. 2 BGB) oder einer Zeitbestimmung (vgl. § 163 BGB) zur Beendigung des Unterlassungsvertrags führen. Darüber hinaus besteht für den Unterlassungsvertrag als Dauerschuldverhältnis die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. 231 Besonders wichtige lauterkeitsrechtliche Fallgruppen, die eine Kündigung aus wichtigem Grund zu tragen vermögen, sind (1) die Änderung der tatsächlichen Umstände, (2) die Änderung der Gesetzeslage und (3) die Änderung der – höchstrichterlichen – Rechtsprechung.232 Die Kündigung muss innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen, wobei auf die Erlangung der Kenntnis vom Kündigungsgrund abzustellen ist (vgl. § 314 Abs. 3 BGB).233 III. Beseitigungsanspruch III. Beseitigungsanspruch (Absatz 1 Satz 1 Var. 1) 1. Allgemeines. Der Beseitigungsanspruch dient als objektiver, verschuldensun- 64 abhängiger Abwehranspruch der Beseitigung von als Folge einer Verletzungshandlung fortdauernden rechtswidrigen Störungszuständen.234 Dabei war der wettbewerbsrechtliche Beseitigungsanspruch bis zur UWG-Reform 2004 zwar nicht im Gesetz niedergelegt, seine Existenz war aber in Rechtsprechung und Schrifttum – als unmittelbarer Ausfluss der wettbewerbsrechtlichen Verbotsnormen – seit langem anerkannt.235 Somit bewirkte die nunmehrige Kodifizierung in Absatz 1 Satz 1 Var. 1 im Wesentlichen nur

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228 Vgl. Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 59. Siehe weiterhin auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 180 ff.; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.135 ff. 229 BGH 15.5.1985 – I ZR 25/83 – GRUR 1985, 1065, 1066 – Erfüllungsgehilfe; BGH 30.3.1988 – I ZR 40/86 – GRUR 1988, 561, 562 – Verlagsverschulden I; BGH 22.1.1998 – I ZR 18/96 – GRUR 1998, 963, 964 – Verlagsverschulden II. Weiterhin aus dem Schrifftum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 201; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.152; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 56. 230 BGH 29.6.1972 – II ZR 101/70 – NJW 1972, 1893, 1895 – K-Rabatt-Sparmarken; BGH 13.5.1982 – I ZR 205/80 – GRUR 1982, 688, 691 – Senioren-Pass; BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13, 20 – Fortsetzungszusammenhang. 231 BGH 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 316, 320 = GRUR 1997, 382, 384 f. – Altunterwerfung I; BGH 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331, 334 = GRUR 1997, 386, 388 – Altunterwerfung II; BGH 5.3.1998 – I ZR 202/95 – GRUR 1998, 953, 954 – Altunterwerfung III. 232 Vgl. hierzu Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 189 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 61. 233 Hierzu auch BGH 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331, 335 = GRUR 1997, 386, 390 – Altunterwerfung II. 234 BGH 23.2.1995 – I ZR 15/93 – GRUR 1995, 424, 426 – Abnehmerverwarnung; BGH 26.11.1997 – I ZR 109/95 – GRUR 1998, 415, 416 – Wirtschaftsregister. 235 Aus der st. Rspr. etwa BGH 25.1.2001 – I ZR 120/98 – GRUR 2001, 420, 422 – SPA; BGH 4.2.1993 – I ZR 42/91 – BGHZ 121, 242, 246 f. = GRUR 1993, 556, 558 – TRIANGLE. Aus dem Schrifttum zum alten Recht etwa GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. 125 m.w.N.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

eine Klarstellung und brachte gerade keine Änderung der rechtlichen Beurteilung;236 die bisherige Rechtsprechung zum wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch bleibt damit grundsätzlich auch weiterhin anwendbar.237 Der Widerrufsanspruch betreffend wettbewerbswidrige Tatsachenbehauptungen stellt sich als Sonderfall des Beseitigungsanspruchs dar, weshalb der Widerrufsanspruch seine rechtliche Grundlage ebenfalls in Absatz 1 Satz 1 Var. 1 findet (siehe zum Widerrufsanspruch sogleich Rn. 78 ff.). In der Zwangsvollstreckung greifen für den Beseitigungsanspruch entweder § 887 ZPO (Ersatzvornahme) oder § 888 ZPO (Zwang). In Ansehung der Verjährung der Beseitigungsansprüche ist auf § 11 zu rekurrieren. 65 Für das Verhältnis zum Unterlassungsanspruch gilt zunächst, dass sowohl der Beseitigungs- als auch der Unterlassungsanspruch verschuldensunabhängig sind. Darüber hinaus sind Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, trotz ihres gemeinsamen Charakters als Abwehransprüche, in ihrer Zielsetzung allerdings wesensverschieden:238 Während sich der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger rechtswidriger Störungen richtet, zielt der Beseitigungsanspruch auf bereits bestehende rechtswidrige Störungszustände.239 Gleichwohl kommt es vielfach zu Überschneidungen zwischen den Abwehransprüchen, wenn und soweit eine Nichtbeseitigung gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung ist.240 In solchen Fällen sind der Unterlassungsanspruch (gerichtet auf die unmittelbare Beseitigung der Störungsquelle) und der Beseitigungsanspruch (gerichtet auf die Beseitigung der von der Störungsquelle ausgehenden Wettbewerbsverstöße) nebeneinander zur Anwendung berufen.241 Bei dem Übergang von einem Schadensersatz- zu einem Unterlassungsanspruch bzw. von einem schadensrechtlich begründeten Widerrufs- zu einem Unterlassungsanspruch und umgekehrt ist eine Klageänderung anzunehmen.242 66 Für das Verhältnis zum Schadensersatzanspruch gilt, dass Beseitigungs- und Schadensersatzanspruch unterschiedliche Voraussetzungen und Zielsetzungen aufweisen: Während der Beseitigungsanspruch verschuldensunabhängig auf die Abwehr eines in die Zukunft weisenden rechtswidrigen Störungszustandes gerichtet ist, zielt der verschuldensabhängige Schadensersatzanspruch auf den Ausgleich von durch Verletzungshandlungen hervorgerufenen Schäden. Auch hier kann es zu einer Überschneidung der Ansprüche kommen, wenn und soweit sich der Störungszustand als ein im Wege der Naturalrestitution ersetzbarer Schaden darstellt.243 67

2. Voraussetzungen. Der Beseitigungsanspruch aus Absatz 1 Satz 1 Var. 1 setzt ganz grundsätzlich das Vorliegen einer Zuwiderhandlung i.S.v. § 3 oder § 7 voraus, durch die ein – im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung – fortdauernder, rechtswidriger Störungszustand hervorgerufen wird. Darüber hinaus muss die zur Besei-

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236 Vgl. BTDrucks. 15/1487 S. 22. BGH 19. 2. 2009 – I ZR 135/06 – GRUR 2009, 685 Tz. 39 – ahd.de. Siehe ferner Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.70; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 147. 237 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 153; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 67. 238 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.71; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 108; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 69. 239 Vgl. BGH 23.2.1995 – I ZR 15/93 – GRUR 1995, 424, 426 – Abnehmerverwarnung; BGH 26.11.1997 – I ZR 109/95 – GRUR 1998, 415, 416 – Wirtschaftsregister. 240 BGH 18.2.1972 – I ZR 82/70 – GRUR 1972, 558, 560 – Teerspritzmaschinen m. Anm. von Falck; BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 616 – Gebäudefassade m. Anm. Fezer; BGH 4.2.1993 – I ZR 42/91 – BGHZ 121, 242, 248 = GRUR 1993, 556, 558 – TRIANGLE. 241 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.72; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 69. 242 RG 24.2.1915 – VI 463/15 – RGZ 88, 129, 133; BGH 12.7.1994 – VI ZB 43/93 – NJW-RR 1994, 1404 Tz. 2. 243 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.73 unter Verweis auf BGH 1.12.1995 – V ZR 9/94 – NJW 1996, 845, 846; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 70.

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III. Beseitigungsanspruch

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

tigung erstrebte Maßnahme geboten erscheinen, da der Beseitigungsanspruch anerkanntermaßen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit steht.244 a) Zuwiderhandlung. Voraussetzung des Beseitigungsanspruchs ist grundsätzlich 68 die Vornahme einer nach § 3 oder § 7 unzulässigen geschäftlichen Handlung (vgl. hierzu die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 1). Damit werden unproblematisch zunächst jedenfalls solche lauterkeitsrechtlichen Zuwiderhandlungen in Bezug genommen, die bereits vollzogen worden sind. Umstritten ist im Schrifttum allerdings, ob unter bestimmten Voraussetzungen darüber hinaus auch ein vorbeugender Beseitigungsanspruch bestehen kann.245 Ein solcher vorbeugender Beseitigungsanspruch soll nach der Rechtsprechung mit Blick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise jedenfalls dann anzuerkennen sein, wenn bei einer Markenanmeldung der unzweifelhaft bestehende vorbeugende Unterlassungsanspruch gegen eine Markenbenutzung erst bei einer Verletzung eingreift. 246 Zugleich ist nach ständiger Rechtsprechung beim Leistungsschutz nicht jedoch das Leistungsergebnis als solches, sondern vielmehr nur die unlautere Art und Weise seiner Benutzung verboten, weshalb regelmäßig auch nur gegen die Art und Weise der Benutzung und nicht auch gegen die Herstellung vorgegangen werden kann (vgl. hierzu weiterhin § 4 Nr. 9 Rn. 1).247 In diesem Sinne wird es dann regelmäßig bereits an dem stets erforderlichen Störungszustand fehlen. Damit wird die rechtliche Prüfung richtigerweise vornehmlich darauf abzustellen sein, ob bereits von einem bestehenden Störungszustand ausgegangen werden kann.248 b) Fortdauernder Störungszustand. Kennzeichnendes Merkmal des Beseitigungs- 69 anspruchs ist ein fortdauernder wettbewerbswidriger Störungszustand, der auf die Zuwiderhandlung zurückzuführen ist.249 Ein solcher fortdauernder Störungszustand ist von der Rechtsprechung250 etwa angenommen worden bei der Entfernung von Kontrollnummern des Herstellers zur Verfolgung der Absatzwege,251 bei fortdauernden rufschä-

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244 St. Rspr., vgl. etwa BGH 15.10.1976 – I ZR 23/75 – GRUR 1977, 159, 161 – Ostfriesische Tee Gesellschaft; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – GRUR 1994, 630, 633 – Cartier-Amreif m. Anm. Jacobs; BGH 23.2.1995 – I ZR 15/93 – GRUR 1995, 424, 426 – Abnehmerverwarnung; BGH 26.11.1997 – I ZR 109/95 – GRUR 1998, 415, 416 – Wirtschaftsregister; BGH 21.2.2002 – I ZR 140/99 – GRUR 2002, 709, 711 – Entfernung der Herstellernummer III. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 16; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 170; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.88; MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 163 f.; Teplitzky Kap. 25 Rn. 5 und Kap. 26 Rn. 6. 245 Bejahend Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 16; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. 130; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 152 f.; Teplitzky Kap. 22 Rn. 14. Abweichend Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 180; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.77, wonach für die Erstreckung des Anspruchs auf die Arbeitsergebnisse von Vorbereitungshandlungen „keine praktische Notwendigkeit“ bestehen soll; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 71. 246 BGH 4.2.1993 – I ZR 42/91 – BGHZ 121, 242, 247 f. = GRUR 1993, 556, 558 – TRIANGLE. 247 BGH 14.4.1988 – I ZR 99/86 – GRUR 1988, 690, 693 – Kristallfiguren m. Anm. Schulze; BGH 14.12.1995 – I ZR 240/93 – GRUR 1996, 210, 212 – Vakuumpumpen; BGH 6.5.1999 – I ZR 199/96 – BGHZ 141, 329, 346 = GRUR 1999, 923, 927 f. – Tele-Info-CD; BGH 14.1.1999 – I ZR 203/96 – GRUR 1999, 751, 754 – Güllepumpen. 248 In diesem Sinne ebenfalls Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 11; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 152. 249 BGH 23.2.1995 – I ZR 15/93 – GRUR 1995, 424, 426 – Abnehmerverwarnung; BGH 26.11.1997 – I ZR 109/95 – GRUR 1998, 415, 416 – Wirtschaftsregister. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 11; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 177; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.76; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 154. 250 Siehe hierzu auch MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 156 m.w.N. 251 BGH 21.2.2002 – I ZR 140/99 – GRUR 2002, 709, 711 – Entfernung von Kontrolnummern III.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

digenden Äußerungen;252 bei dem Vorhandensein von Vorräten an wettbewerbswidrigen Druckschriften,253 bei Hausfassaden mit wettbewerbswidriger Gestaltung.254 Im Falle eines Prozesses muss der entsprechende Störungszustand noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung fortdauern (maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt).255 Tritt ein Wegfall des Störungszustands ein, so führt dies zum Erlöschen des Besei70 tigungsanspruchs.256 Kommt es während eines Prozesses zum Wegfall des Störungszustands, so wird die Klage grundsätzlich unbegründet; dem Kläger bleibt prozessual insoweit nur die Erledigterklärung der Hauptsache in Ansehung des Beseitigungsanspruchs.257 Dabei lässt die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung den Störungszustand nicht stets entfallen: Eine solche Erklärung beseitigt lediglich die Gefahr, dass die Beklagte künftig derartige Wettbewerbsverstöße begeht, nicht aber die Gefahr, dass etwa mögliche Lieferanten der Beklagten weiterhin mit Waren handeln, bei denen die Herstellungsnummer entfernt worden war. Der Anspruch auf Drittauskunft dient jedoch nicht der Unterbindung von Wettbewerbsverstößen des Auskunftspflichtigen selbst, sondern der Verhinderung von Wettbewerbsverstößen Dritter.258 Bei rufschädigenden oder sonstigen lauterkeitswidrigen Äußerungen kann in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls (hier insbesondere Gegenstand und Art der Äußerung, Verbreitungsart, Schwere des Verstoßes, Interesse der Allgemeinheit) unter Umständen bereits durch Zeitablauf die rechtliche Erheblichkeit so weit abnehmen, dass der Störungszustand wegfällt.259 71

c) Rechtswidrigkeit des Störungszustandes. Für den Beseitigungsanspruch erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Störungszustand rechtswidrig ist, wohingegen die zugrundeliegende Verletzungshandlung auch rechtmäßig gewesen sein kann.260 In diesem Sinne hat die Rechtsprechung den Beseitigungsanspruch auch dort zugelassen, wo eine ehrverletzende Äußerung tatsächlicher Art in Wahrnehmung berechtigter Interessen, mithin rechtmäßig, vorgenommen wurde, sich inzwischen aber als von vornherein unrichtig herausgestellt hat und eine fortwirkende Quelle gegenwärtiger

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252 BGH 1.12.1965 – Ib ZR 155/63 – GRUR 1966, 272, 274 – Arztschreiber; BGH 15.11.1994 – VI ZR 56/94 – GRUR 1995, 224, 227 – Erfundenes Exklusiv-Interview. 253 BGH 13.11.1953 – I ZR 79/52 – GRUR 1954, 163, 165 – Bierlieferungsverträge. 254 BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 616 – Gebäudefassade m. Anm. Fezer. 255 BGH 30.6.1972 – I ZR 1/71 – GRUR 1973, 203, 204 – Badische Rundschau m. Anm. Hoth; BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 615 – Gebäudefassade m. Anm. Fezer; BGH 10.12.1969 – I ZR 20/68 – GRUR 1970, 254, 257 – Remington m. Anm. Droste; KG 11.5.2001 – 5 U 9292/00 – GRUR-RR 2002, 337, 339 – T-offline. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.76; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 154. 256 BGH 4.2.1993 – I ZR 319/90 – WRP 1993, 396, 398 – Maschinenbeseitigung. 257 KG 11.5.2001 – 5 U 9292/00 – GRUR-RR 2002, 337, 339 – T-offline. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.79; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 158. 258 BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 31 = GRUR 2001, 841, 843 – Entfernung der Herstellernummer II. 259 BGH 22.12.1961 – I ZR 110/60 – GRUR 1962, 315, 318 – Deutsche Miederwoche m. Anm. Bußmann; BGH 20.5.1969 – VI ZR 256/67 – GRUR 1969, 555, 558 – Cellulitis m. Anm. Micheli; BGH 10.12.1969 – I ZR 20/68 – GRUR 1970, 254, 256 – Remington; BGH 12.3.1992 – I ZR 58/90 – GRUR 1992, 527, 529 – Plagiatsvorwurf II; BGH 15.11.1994 – VI ZR 56/94 – GRUR 1995, 224, 227 – Erfundenes Exklusiv-Interview. MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 159; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 75. 260 BGH 25.4.1958 – I ZR 97/57 – GRUR 1958, 448, 449 – Blanko-Verordnungen m. Anm. von Falck; BGH 12.1.1960 – I ZR 30/58 – GRUR 1960, 500, 502 – Plagiatsvorwurf I; BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 615 – Gebäudefassade. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 12; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 178; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.78; MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 162; Teplitzky Kap. 22 Rn. 14.

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III. Beseitigungsanspruch

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

Ehr- oder Rufschädigung bildet.261 Unerheblich ist insoweit, ob der Störungszustand schuldhaft herbeigeführt worden ist.262 Das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes lässt die Rechtswidrigkeit entfallen, wofür insbesondere eine Duldungspflicht aus besonderen Rechtsvorschriften oder aus einer Einwilligung in Betracht kommt.263 Zwar kann eine über einen längeren Zeitraum hinweg vorgenommene Duldung für sich genommen noch keine Einwilligung begründen, in Betracht kommt insoweit aber eine Verwirkung.264 Im Zusammenhang mit der Werbung kann zudem der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 GG eröffnet sein, was für die Interessenabwägung auf der Grundlage und am Maßstab des § 23 Abs. 2 KunstUrhG zu beachten ist.265 3. Inhalt. Der Inhalt des Beseitigungsanspruchs aus Absatz 1 Satz 1 Var. 1 wird maß- 72 geblich beeinflusst durch den Zweck der Beseitigung von fortdauernden rechtswidrigen Störungen, die durch Zuwiderhandlungen im Sinne von § 3 oder § 7 begründet worden sind. Damit kommt es für den Inhalt des auf Beseitigung gerichteten Abwehranspruchs stets vor allem an auf Art und Umfang der Beeinträchtigung.266 Inhalt des Beseitigungsanspruchs sind insoweit diejenigen Maßnahmen, die möglich, geeignet, erforderlich und zumutbar sind, um den in Rede stehenden Störungszustand zu beseitigen. Der Rechtsgedanke des Mitverschuldens (vgl. § 254 BGB) wird in Ansehung einer Kostenbeteiligung des Gläubigers – entsprechend – heranzuziehen sein.267 a) Art und Weise der Beseitigung. Da der Inhalt des Beseitigungsanspruchs vor- 73 nehmlich von der Schwere und dem Umfang des Wettbewerbsverstoßes sowie dem hieraus erwachsenden Störungszustand abhängt, liegt es in der Natur der Sache, dass die Art der Beseitigung nicht auf eine bestimmte Handlung gerichtet, sondern einzelfallabhängig zu bestimmen ist.268 Dabei kann der Störungszustand häufig auf ganz unterschiedliche Art und Weise beseitigt werden.269 Für die Auswahl unter mehreren Möglichkeiten der Beseitigung gilt zunächst der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (siehe dazu sogleich unter Rn. 76). Darüber hinaus wird es grundsätzlich dem Schuldner überlassen bleiben müssen, auf welche Art und Weise er den Störungszustand beseitigt.270 Etwas anderes gilt, falls ausnahmsweise nur eine Art der Störungsbeseitigung in Betracht kommt.271 Im Falle von mehreren in Betracht kommenden Arten der Störungsbeseitigung ist – auch und gerade in Ansehung des Bestimmtheitsgrundsatzes aus § 253 Abs. 2 Nr. 2

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261 BGH 25.4.1958 – I ZR 97/57 – GRUR 1958, 448, 449 – Blanko-Verordnungen m. Anm. von Falck; BGH 12.1.1960 – I ZR 30/58 – GRUR 1960, 500, 502 – Plagiatsvorwurf I m. Anm. Fischötter. 262 BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53 – BGHZ 163, 174 = GRUR 1955, 97, 99 f. – Constanze II. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 12; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 182; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.78; Teplitzky Kap. 22 Rn. 14. 263 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 12; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 178 f.; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 1.78; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 161; Teplitzky Kap. 22 Rn. 17. 264 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 13; Teplitzky Kap. 22 Rn. 17. 265 BGH 26.10.2006 – I ZR 182/04 – GRUR 2007, 139 Tz. 8 – Lafontaine m. Anm. Mann. 266 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.80; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 167; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 77. 267 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 16 unter Verweis auf BGH 21.10.1994 – V ZR 12/94 – NJW 1995, 395, 396. 268 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 16; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 193; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 1.80. 269 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.81; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 165. 270 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.81 unter Verweis auf BGH 21.9.1960 – V ZR 89/59 – NJW 1960, 2335, 2335; BGH 22.10.1976 – V ZR 36/75 – BGHZ 67, 252, 253; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 169; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 81. 271 So in BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 616 – Gebäudefassade m. Anm. Fezer.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

ZPO – eine alternierende Antragstellung und Verurteilung zu eröffnen.272 Die Besonderheiten des Beseitigungsanspruchs erfordern insoweit eine von dem grundsätzlichen Verbot der Verlagerung der Entscheidung des Rechtsstreits in das Vollstreckungsverfahren abweichende Beurteilung, da der Schuldner ansonsten übermäßig in seinen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden würde.273 Da Inhalt, Art und Weise der Beseitigung stets von den Umständen des Einzelfalls 74 abhängen und damit vielfältig sind, sind im Schrifttum unterschiedliche Kategorisierungen zum Zwecke der Strukturierung der auf die Beseitigungsansprüche bezogenen Kasuistik vorgeschlagen worden: Am häufigsten verwendet wird ein dem Grunde nach dreigeteiltes Modell, bei dem mit Bornkamm nach körperlichen, von Sachen ausgehenden Störungen, unkörperlichen Störungen und von Registereintragungen ausgehenden Störungen differenziert werden kann,274 wobei zudem bei allen drei Kategorien akute und latente Störungszustände voneinander abgegrenzt werden können.275 Mit akuten Störungszuständen wird dabei Bezug genommen auf Konstellationen, in denen es bereits zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen ist. Problematischer sind die latenten Störungszustände, bei denen ein Wettbewerbsverstoß allenfalls bevorsteht, weshalb insoweit von der Rechtsprechung auf Vernichtung gerichtete Beseitigungsansprüche abgelehnt werden.276 Zu der hiermit verknüpften Frage nach der Zulässigkeit eines vorbeugenden Beseitigungsanspruchs siehe vorstehend Rn. 34 ff. Körperliche, von Sachen ausgehende Störungen können insbesondere betreffen 75 den Vertrieb nachgeahmter Gegenstände, wettbewerbswidrige Werbematerialien und Gegenstände, bei denen bereits die Herstellung wettbewerbswidrig ist.277 Demgegenüber gehen unkörperliche Störungen von einem bestimmten Verhalten, etwa einer Äußerung, aus.278 Schließlich erwachsen von Registereintragungen ausgehende Störungen aus fehlerhaften bzw. wettbewerbswidrigen Registereintragungen.279 76

b) Verhältnismäßigkeit der Beseitigung. Anerkanntermaßen wird der wettbewerbsrechtliche Beseitigungsanspruch inhaltlich begrenzt durch den – für die gesamte Rechtsordnung geltenden – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.280 So hat sich die Abwehr einer Beeinträchtigung nach ständiger Rechtsprechung jeweils im Rahmen dessen zu halten, was notwendig und für den Schuldner zumutbar ist.281 Vorzunehmen ist in-

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272 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.81 ff. m.w.N.; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 169 ff. m.w.N.; Piper/ Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 81 m.w.N. 273 BGH 5.2.1993 – V ZR 62/91 – BGHZ 121, 248, 251 = BGH NJW 1993, 1656, 1656. 274 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.89 ff. In diesem Sinne bereits GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 135 ff. m.w.N. Darüber hinaus findet sich bei Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 194 ff. ein – nicht vollständiges – „ABC“ der möglichen Beseitigungskonstellationen. 275 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.89 ff. In diesem Sinne bereits GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 135 ff. m.w.N. 276 Vgl. BGH 6.5.1999 – I ZR 199/96 – BGHZ 141, 329, 346 = GRUR 1999, 923, 927 f. – Tele-Info-CD; BGH 21.2.2002 – I ZR 140/99 – GRUR 2002, 709, 711 – Entfernung der Herstellungsnummer III. 277 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.90. 278 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.93. 279 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.94. 280 Vgl. BTDrucks. 15/1487 S. 22; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 16; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Seitz § 8 Rn. 127; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.88. 280 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 12; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 186; Köhler GRUR 1996, 82, 85 ff.; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.88; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 161; Teplitzky Kap. 25 Rn. 5 und Kap. 26 Rn. 6. 281 BGH 15.1.1957 – I ZR 190/55 – GRUR 1957, 278, 279 – Evidur; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – GRUR 1994, 630, 633 – Cartier-Armreif m. Anm. Jacobs; BGH 26.11.1997 – I ZR 109/95 – GRUR 1998, 415, 416 –

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III. Beseitigungsanspruch

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

soweit eine Einzelfallabwägung unter Einbeziehung insbesondere der schutzwürdigen Interessen des Gläubigers und des Schuldners282 sowie der Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes bzw. der Beeinträchtigung.283 In diesem Sinne ist eine Maßnahme unverhältnismäßig, wenn und soweit der mit dem Beseitigungsanspruch verfolgte Zweck auf weniger einschneidende Weise erreicht werden kann.284 Vor diesem Hintergrund kann sich die sofortige Beseitigung eines Störungszustands als unverhältnismäßig darstellen, weshalb jedenfalls eine Aufbrauchs- oder Beseitigungsfrist einzuräumen ist.285 c) Möglichkeit der Beseitigung. Die Beseitigung eines wettbewerbswidrigen Zu- 77 stands kann vom Schuldner nur dann verlangt werden, wenn ihm die Beseitigung möglich ist.286 Es greift der allgemeine Grundsatz, wonach eine unmögliche Leistung nicht geschuldet wird.287 In diesem Sinne muss sich etwa das in Bezug genommene Werbematerial wenn schon nicht im Besitz, so doch jedenfalls noch in der Verfügungsgewalt des auf Beseitigung in Anspruch genommenen Störers befinden oder jedenfalls die Möglichkeit des Rückrufs bestehen.288 4. Sonderfall: Widerrufsanspruch a) Bedeutung und Funktion. Der Widerrufsanspruch ist eine Sonderform des all- 78 gemeinen Beseitigungsanspruchs.289 Ebenso wie der allgemeine Beseitigungsanspruch ist der Widerrufsanspruch darauf gerichtet, eine fortdauernde Störung zu beseitigen.290 Der Widerrufsanspruch, welcher auf eine bestimmte Art der Störungsbeseitigung abzielt, hat darüber hinaus seine eigenständige Notwendigkeit und Berechtigung, wo der allgemeine Beseitigungsanspruch bei Äußerungen an systemimmanente Grenzen stößt und die durch wettbewerbswidrige Tatsachenbehauptungen entstehenden negativen Verletzungsfolgen beseitigt werden sollen.291

_____ Wirtschaftsregister; BGH 21.2.2002 – I ZR 140/99 – GRUR 2002, 709, 711 – Entfernung der Herstellungsnummer III. 282 BGH 22.12.1961 – I ZR 110/60 – GRUR 1962, 315, 319 – Deutsche Miederwoche m. Anm. Bußmann; BGH 4.7.1975 – I ZR 115/73 – GRUR 1976, 367, 369 – Ausschreibungsunterlagen m. Anm. Fritze; BGH 10.12.1969 – I ZR 20/68 – GRUR 1970, 254, 256 – Remington; BGH 25.11.1986 – VI ZR 57/86 – BGHZ 99, 133, 138 = GRUR 1987, 189, 190 – Veröffentlichungsbefugnis beim Ehrenschutz; BGH 12.3.1992 – I ZR 58/90 – GRUR 1992, 527, 528 – Plagiatsvorwurf II. 283 BGH 13.2.1976 – I ZR 1/75 – GRUR 1978, 52, 53 – Fernschreibverzeichnisse m. Anm. zur Wiesche. 284 BGH 29.6.1956 – I ZR 129/54 – GRUR 1956, 553, 558 – Coswig; BGH 15.1.1957 – I ZR 190/55 – GRUR 1957, 278, 279 – Evidur; BGH 3.5.1963 – Ib ZR 93/61 – GRUR 1963, 539, 542 – echt skai; BGH 3.5.1974 – I ZR 52/73 – GRUR 1974, 666, 669 – Reparaturversicherung m. Anm. Pietzcker. Weiterhin aus dem Schrifttum MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 165 f.; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 79. 285 BGH 31.5.1960 – I ZR 16/59 – GRUR 1960, 563, 567 – Sektwerbung; BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 616 – Gebäudefassade m. Anm. Fezer. 286 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.87; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 164; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 79. 287 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 165 hält insoweit die Anwendung von § 275 BGB für möglich, da es sich um schuldrechtliche Ansprüche aus einem Sonderdeliktsrecht handelt. 288 BGH 12.3.1954 – I ZR 201/52 – GRUR 1954, 337, 342 – Radschutz; BGH 13.11.1953 – I ZR 79/52 – GRUR 1954, 163, 165 – Bierbezugsverträge; BGH 16.3.1956 – I ZR 162/54 – GRUR 1956, 284, 287 – Rheinmetall Borsig II; BGH 4.2.1958 – I ZR 48/57 – GRUR 1958, 402, 405 – Lili Marleen m. Anm. Kleine; BGH 29.6.1956 – I ZR 129/54 – GRUR 1956, 553, 558 – Coswig; BGH 3.5.1974 – I ZR 52/73 – GRUR 1974, 666, 669 – Reparaturauftrag m. Anm. Pietzcker. 289 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 25; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 199. 290 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.95; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 199. 291 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.95; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 199.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

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Der allgemeine wettbewerbliche Beseitigungsanspruch wird heute anerkanntermaßen nicht mehr auf § 1004 BGB gestützt.292 Vielmehr wird im Falle der Kodifikation auf eine spezialgesetzliche Regelung wie § 8 Absatz 1 Satz 1, ansonsten auf die einschlägige Verbotsnorm selbst zurückgegriffen.293 Gleiches gilt auch für den Widerrufsanspruch in Ansehung der Einordnung des Anspruchs als eines Unterfalls des allgemeinen Beseitigungsanspruchs.

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b) Voraussetzungen. Das Bestehen eines Widerrufsanspruchs gemäß Absatz 1 Satz 1 setzt eine spezifische Wettbewerbshandlung in Gestalt einer objektiv unrichtigen Tatsachenbehauptung voraus, wobei hierdurch ein noch andauernder Störungszustand herbeigeführt worden sein muss.294 In diesem Zusammenhang sind weder Verschulden oder Wiederholungsgefahr295 erforderlich; auf einen allfälligen guten Glauben des Verletzers kommt es nicht an.296

aa) Spezifischer Wettbewerbsverstoß (unrichtige Tatsachenbehauptung). Die den Anwendungsbereich des UWG eröffnende geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 muss im Falle des Widerrufsanspruchs eine unwahre Tatsachenbehauptung sein.297 Eine Tatsachenbehauptung in diesem Sinne ist ein Umstand, der dem Beweise zugänglich ist.298 Eine Auslegung von Absatz 1 Satz 1 im Lichte der in Art. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit führt dazu, dass ein schädigendes Werturteil zur Begründung eines Widerrufsanspruchs gerade nicht genügt, da niemand gegen seinen Willen zum Widerruf seiner Meinung verpflichtet werden kann.299 Die Unwahrheit der zu widerrufenden Behauptung muss feststehen.300 Nicht ausrei82 chend ist demgegenüber die Nichterweislichkeit der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung, da niemand durch eine Gerichtsentscheidung zum Widerruf einer Aussage, die möglicherweise wahr ist, verurteilt werden darf.301 Steht die Unwahrheit der getätigten Äußerung nur für einen bestimmten Teil der Aussage fest, so besteht deshalb lediglich ein Anspruch auf Richtigstellung, da ein kompletter Widerruf der Äußerung über die schutzwürdigen Belange des Verletzten hinausgehen würde.302 Kann die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung zwar nicht positiv festgestellt werden, erscheint die Unrichtigkeit aber nach objektiver Würdigung wahrscheinlich und fehlen Anhaltspunkte für 81

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292 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 199. 293 BGH 25.1.2001 – I ZR 120/98 – GRUR 2001, 420, 422. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1 .95. 294 BGH 10.12.1969 – I ZR 20/68 – GRUR 1970, 254, 255f. – Remington; BGH 11.5.2001 – 5 U 9292/00 – GRUR-RR 2002, 337, 338 – T-offline. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 25. 295 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 25. 296 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.95. 297 BGH 28.1.1969 – VI ZR 232/67 – GRUR 1969, 368, 370; BGH 18.10.1977 – VI ZR 171/76 – GRUR 1978, 258, 259 – Schriftsachverständiger. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 26. 298 BGH 22.6.1982 – VI ZR 251/80 – NJW 1982, 2246, 2246; BGH 22.10.1987 – I ZR 247/85 – GRUR 1988, 402, 403 – Mit Verlogenheit zum Geld. 299 BGH 13.10.1964 – VI ZR 167/63 – NJW 1965, 35, 36; BGH 17.2.1987 – VI ZR 77/86 – GRUR 1987, 397, 399 – Insiderwissen; BGH 3.5.1988 – VI ZR 276/87 – NJW 1989, 774, 774. MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 200. 300 BGH 5.6.1962 – VI ZR 236/61 – GRUR 1962, 652, 652 – Eheversprechen; BGH 22.4.2008 – VI ZR 83/07 – NJW 2008, 2262 Tz. 20; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.103. 301 BGH 5.6.1962 – VI ZR 236/61 – NJW 1962, 1438, 1438; BGH 22.4.2008 – VI ZR 83/07 – NJW 2008, 2262 Tz. 20; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 210. 302 BGH 22.12.1959 – VI ZR 175/58 – GRUR 1960, 449, 454 – Alte Herren; BGH 22.6.1982 – VI ZR 251/80 – GRUR 1982, 631, 633 – Klinikdirektoren. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 29.

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III. Beseitigungsanspruch

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

die Wahrheit der Tatsachenbehauptung, kann ein eingeschränkter Widerrufsanspruch bestehen.303 Dieser eingeschränkte Widerrufsanspruch ist auf die Erklärung des Verletzers ge- 83 richtet, der Verletzer dürfe die in Rede stehende Behauptung nach Abschluss der Beweisaufnahme nicht aufrecht erhalten.304 Können hingegen Anhaltspunkte für die Wahrheit der Tatsachenbehauptung beigebracht werden, besteht auch der eingeschränkte Widerrufsanspruch nicht.305 Um dem Kläger die Wahrung seiner Interessen dennoch zu ermöglichen, ist der Kläger im Falle einer lediglich nicht erweislich wahren Tatsachenbehauptung grundsätzlich auf den strafrechtlichen Schutz sowie auf den Unterlassungsanspruch zu verweisen. bb) Fortdauernder Störungszustand. Die durch die unrichtige Tatsachenbehaup- 84 tung hervorgerufene Störung muss darüber hinaus auch noch andauern.306 Primäres Ziel des Widerrufsanspruchs ist schließlich gerade nicht die Negation der ursprünglichen Verletzung, sondern vielmehr ausschließlich die Beseitigung der fortdauernden Störung.307 Das Andauern der Störung ist hierbei dahingehend zu verstehen, dass die unwahre Tatsachenbehauptung einen Eingang in die Wahrnehmung Dritter gefunden hat und dort unabhängig von einer Wiederholung oder sonstigem Verhalten des Verletzers präsent bleibt bzw. fortwirkt.308 Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist insoweit die letzte mündliche Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz.309 Ein Anspruch auf Widerruf kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn und soweit 85 die Wahrnehmung durch Dritte flüchtig ist, wie bei einer bloßen Werbeaussage, und somit nicht von einem fortwirkenden Eindruck der Verletzungshandlung auszugehen ist.310 Allerdings ist eine allgemeingültige Klassifizierung der Verletzungshandlungen hinsichtlich ihrer Flüchtigkeit nicht durchführbar, sodass die Flüchtigkeit für jeden Einzelfall gesondert festzustellen ist. Weiterhin kann durch Zeitablauf ein ursprünglich für eine gewisse Dauer fortdauernder Störungszustand nachträglich entfallen.311 Zudem kann es an dem Vorliegen der für die Tatbestandsverwirklichung notwendigen Fortwirkung fehlen, wo die unwahre Tatsachenäußerung schon zu Beginn nicht zu einer hinreichend gewichtigen Störung geführt hat;312 eine solche Konstellation liegt etwa vor bei fehlender Wahrnehmung der Äußerung durch den Adressatenkreis.313

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303 RG 31.8.1938 – II 43/38 – JW 1939, 234, 238; BGH 5.6.1962 – VI ZR 236/61 – GRUR 1962, 652, 652 – Eheversprechen. MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 210. 304 BGH 5.6.1962 – VI ZR 236/61 – GRUR 1962, 652, 652 – Eheversprechen. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 29. 305 BGH 14.6.1977 – VI ZR 111/75 – GRUR 1977, 745, 747 f. – Heimstättengemeinschaft. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.103. 306 BGH 13.10.1964 – VI ZR 167/63 – NJW 1965, 35, 35; BGH 10.12.1969 – I ZR 20/68 – GRUR 1970, 254, 256 – Remington; KG 11.5.2001 – 5 U 9292/00 – GRUR-RR 2002, 337, 337 – T-offline. 307 Vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.95. 308 BGH 12.1.1960 – I ZR 30/58 – GRUR 1960, 500, 502 – Plagiatsvorwurf. Weiterhin aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 270; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.98; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 203. 309 KG 11.5.2001 – 5 U 9292/00 – GRUR-RR 2002, 337, 339 – T-offline. Siehe auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 32; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 270. 310 OLG Hamburg 27.3.2002 – 5 U 206/01 – GRUR-RR 2002, 298, 300; KG 11.5.2001 – 5 U 9292/00 – GRUR-RR 2002, 337, 338f – T-offline. MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 203. 311 BGH 26.11.1997 – I ZR 109/95 – GRUR 1998, 415, 417 – Wirtschaftsregister; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 32. 312 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.98.; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 203. 313 OLG Hamburg 27.3.2002 – 5 U 206/01 – GRUR-RR 2002, 298, 300; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 203.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

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cc) Rechtswidrigkeit. Die Rechtswidrigkeit der durch die unwahre Tatsachenäußerung hervorgerufenen Störung ist Voraussetzung für das Bestehen eines Beseitigungsanspruchs.314 Für den Widerrufsanspruch als Unterfall des Beseitigungsanspruchs ist deshalb ebenfalls das Vorliegen einer rechtswidrigen Verletzungshandlung zu fordern. Zu differenzieren ist hierbei ganz grundsätzlich zwischen der Verletzungshandlung als solcher, mithin dem Verhalten des Verletzers sowie der durch die Verletzungshandlung hervorgerufenen Störung. 315 Während die Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung zwar keine Voraussetzung für das Bestehen eines Beseitigungsanspruchs ist,316 teilweise aber als für den Widerrufsanspruch zwingend angesehen wird,317 setzen Beseitigungs- und Widerrufsanspruch jedenfalls die Rechtswidrigkeit der fortdauernden Störung voraus. Unterschiede können sich in diesem Zusammenhang, je nachdem, welche Anforderungen gestellt werden, insoweit ergeben, als eine zunächst gerechtfertigte (hier ist insbesondere an § 193 StGB zu denken) und somit nicht rechtswidrige, unwahre Tatsachenbehauptung durch das Entfallen des Rechtfertigungsgrundes zu einem rechtswidrigen Störungszustand führt. Durch die Anknüpfung des Widerrufsanspruchs an die fortwirkende Störung und gerade nicht an die Verletzungshandlung,318 ist richtigerweise lediglich die Rechtswidrigkeit der Störung zu verlangen. Die Rechtswidrigkeit der Störung ergibt sich im Falle der erwiesenermaßen unwahren Tatsachenbehauptung hierbei bereits aus der fehlenden Schutzwürdigkeit des Interesses an der Aufrechterhaltung einer solchen.319

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dd) Verhältnismäßigkeit. Ebenso wie der allgemeine Beseitigungsanspruch muss auch der Widerrufsanspruch dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.320 Durch die gravierende, möglicherweise sogar demütigende Wirkung, die dem Zwang, sich entgegen einer früher getätigten Behauptung zu positionieren, zukommen kann,321 hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Widerrufsanspruchs eine besondere Bedeutung.322 Deshalb ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls eine umfassende Abwägung zwischen den Interessen des Geschädigten und denen des Schädigers vorzunehmen.323 Dabei muss sich der Widerruf als geeignet und erforderlich zur Störungsbeseitigung und als dem Schädiger zumutbar erweisen,324 wobei insbesondere ein allfälliges Vergeltungsinteresse des Geschädig-

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314 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 31; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.106. 315 BGH 19.12.1975 – V ZR 38/74 – NJW 1976, 416, 416; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.106. 316 BGH 12.1.1960 – I ZR 30/58 – GRUR 1960, 500, 502 – Plagiatsvorwurf; BGH 16.5.1961 – I ZR 175/58 GRUR 1962, 35, 35 – Torsana; BGH 19.12.1975 – V ZR 38/74 – NJW 1976, 416, 416. Vgl. auch MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 205. 317 BGH 12.1.1960 – I ZR 30/58 – GRUR 1960, 500, 503 – Plagiatsvorwurf; BGH 22.4.2008 – VI ZR 83/07 – NJW 2008, 2262 Tz. 35; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 31. 318 BGH 25.4.1958 – I ZR 97/57 – GRUR 1958, 448, 449 – Blankoverordnungen; BGH 10.7.1959 – VI ZR 149/58 – NJW 1959, 2011, 2012; BGH 30.11.1971 – VI ZR 115/70 – GRUR 1972, 666, 667 – Freispruch. Weiterhin auch Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.106; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 205. 319 BGH 18.6.1974 – VI ZR 16/73 – NJW 1974, 1762, 1762; BGH 3.6.1975 – VI ZR 123/74 – NJW 1975, 1882, 1883; BGH 14.6.1977 – VI ZR 111/75 – NJW 1977, 1681, 1681 f. 320 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.99. 321 BGH 15.1.1957 – I ZR 190/55 – GRUR 1957, 278, 279 – Evidur; BGH 12.3.1992 – I ZR 58/90 – GRUR 1992, 527, 529 – Plagiatsvorwurf II. 322 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 33. 323 BGH 25.11.1986 – VI ZR 57/86 – GRUR 1987, 189, 190 – Veröffentlichungsbefugnis beim Ehrenschutz; BGH 12.3.1992 – I ZR 58/90 – GRUR 1992, 527, 528 – Plagiatsvorwurf II; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 33; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.99. 324 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 33; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Seitz § 8 Rn. 272; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 207 ff.

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III. Beseitigungsanspruch

B. Wettbewerbsrechtl. Abwehransprüche

ten außer Betracht zu bleiben hat.325 Allerdings indiziert die positive Feststellung der Unwahrheit der in Frage stehenden Tatsachenäußerung grundsätzlich die Zumutbarkeit des Widerrufs für den Schädiger.326 Die Verhältnismäßigkeit kann im Einzelfall entfallen, wenn der Verletzer zur Unter- 88 lassung verurteilt und dem Kläger die Veröffentlichung des Urteils gestattet werden kann327 oder eine Verurteilung zur Richtigstellung ausreichend ist.328 Ein solches Vorgehen führt im Fall sich deckender Adressatenkreise der Veröffentlichung sowie eines etwaigen Widerrufs bereits zu einer ausreichenden Klarstellung.329 Vorgeschlagen wird ferner das Entfallen der Verhältnismäßigkeit im Falle anderweitig erfolgter Information der Adressaten von der wahren Sachlage.330 Richtigerweise wird man in einer solchen Konstellation jedoch bereits die erforderliche fortwirkende Störung verneinen müssen, sodass es auf eine etwaige Unverhältnismäßigkeit mangels bestehenden Anspruchs nicht mehr ankäme. Gleiches gilt für ein mögliches Entfallen der Verhältnismäßigkeit des Anspruchs auf Widerruf gegenüber dem Verletzten selbst.331 Die Verhältnismäßigkeit kann im Einzelfall gewahrt werden durch eine eingeschränkte Verurteilung oder durch die stets bestehende Möglichkeit, den Widerruf als Folge eines gerichtlichen Urteils darzustellen.332 c) Beweislast. Da die positiv feststellbare Unwahrheit der Tatsachenbehauptung 89 eine wesentliche Voraussetzung für die Verurteilung zu einem uneingeschränkten Widerruf darstellt, trägt grundsätzlich der Kläger die Beweislast für die Unrichtigkeit.333 Die Beweislastregeln des verletzten Tatbestands bleiben insoweit grundsätzlich unbeachtlich.334 Diese Vorgaben greifen insbesondere für die Regelung der Beweislast nach Maßgabe von § 186 StGB, welche nicht auf den wettbewerbsrechtlichen Widerrufsanspruch übertragen werden kann: Denn die Beweislastregelung des § 186 StGB widerspricht durch die Übertragung des Risikos der Nichterweislichkeit auf den Beklagten dem Grundsatz, dass niemand zum Widerruf einer nicht erweislich wahren Tatsache gezwungen werden darf.335 Demgegenüber erfolgt der Nachweis der Rechtswidrigkeit der getätigten unwahren Tatsachenbehauptung in Abhängigkeit von der Beweislastverteilung des verletzten Tatbestands.336 Siehe hierzu insgesamt auch die Kommentierung zu § 4 Nr. 8 Rn. 60 ff.337

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325 BGH 15.1.1957 – I ZR 190/55 – GRUR 1957, 278, 279 – Evidur; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Seitz § 8 Rn. 272; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.100. 326 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 209. 327 BGH 1.12.1965 – Ib ZR 155/63 – GRUR 1966, 272, 274 – Arztschreiber; BGH 12.3.1992 – I ZR 58/90 – GRUR 1992, 527, 529 – Plagiatsvorwurf II; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 34; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 208. 328 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 34; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 209. 329 BGH 12.3.1992 – I ZR 58/90 – GRUR 1992, 527, 529 – Plagiatsvorwurf II. 330 BGH 23.2.1995 – I ZR 15/93 – GRUR 1995, 424, 426 f. – Abnehmerverwarnung. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 34. 331 Siehe hierzu die Ausführungen in BGH 5.11.1987 – 10 U 25/87 – NJW 1988, 1391, 1392. 332 BGH 12.1.1960 – I ZR 30/58 – NJW 1960, 672, 672. MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 210. 333 BGH 5.6.1962 – VI ZR 236/61 – GRUR 1962, 652, 652 – Eheversprechen; BGH 22.4.2008 – VI ZR 83/07 – NJW 2008, 2262 Tz. 21. 334 BGH 5.6.1962 – VI ZR 236/61 – GRUR 1962, 652, 652 – Eheversprechen; BGH 22.4.2008 – VI ZR 83/07 – NJW 2008, 2262 Tz. 21. 335 BGH 22.4.2008 – VI ZR 83/07 – NJW 2008, 2262 Tz. 21; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 38. A.A. dagegen Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.107; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 211. 336 Vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 37. 337 Vgl. weiterhin § 824 BGB.

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§8

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Beseitigung und Unterlassung

d) Durchführung. Der Widerruf stellt eine nicht vertretbare Handlung dar, die nach § 888 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken ist.338 Das Urteil bestimmt insoweit sowohl die konkret zu widerrufende Tatsachenäußerung als auch die Durchführungsmodalitäten des betreffenden Widerrufs. Dem Beklagten steht es hierbei frei, dem Widerruf den Zusatz beizufügen, er sei durch ein rechtskräftiges Urteil zum Widerruf gezwungen.339 Allerdings darf der Verletzer durch einen entsprechenden Zusatz den Sinn und Zweck des Widerrufs durch das Anfügen von weiteren Erklärungen nicht vereiteln.340

C. Schuldner der Abwehransprüche C. Schuldner der Abwehransprüche 91

Wer Schuldner wettbewerbsrechtlicher Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche sein kann, ist – nach heute nahezu einhelliger Auffassung abschließend (zu der mittlerweile aufgegebenen Figur der Störerhaftung siehe nachfolgend unter Rn. 100 ff.) – in den ersten beiden Absätzen der Vorschrift über „Beseitigung und Unterlassung“ normiert. Auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung kann danach in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt (Absatz 1 Satz 1), sog. Verletzungsunterlassungsanspruch (siehe zu den Voraussetzungen des Verletzungsunterlassungsanspruchs vorstehend unter Rn. 10 ff.). Auf Unterlassung kann nach Maßgabe von Absatz 1 Satz 2 zudem in Anspruch genommen werden, wer eine Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 vorzunehmen droht (sog. vorbeugender Unterlassungsanspruch – siehe zu den Voraussetzungen des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs vorstehend Rn. 34 ff.). Als Schuldner in Betracht kommt nach Maßgabe von Absatz 2 schließlich der Inhaber eines Unternehmens, dessen Mitarbeiter oder Beauftragte in dem Unternehmen Zuwiderhandlungen begehen. I. Haftung für eigenes Verhalten I. Haftung für eigenes Verhalten

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Die Vornahme einer nach § 3 oder § 7 unzulässigen Handlung kann nach allgemeiner Ansicht im Wege der Täterschaft oder der Teilnahme erfolgen.341 Da das Lauterkeitsrecht ein Sonderdeliktsrecht (siehe hierzu auch § 9 Rn. 7 ff., 48 ff.) darstellt, ist insoweit – jedenfalls im Grundsatz – entsprechend auf die zu § 830 BGB entwickelte Dogmatik zurückzugreifen.342

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338 BVerfG 28.1.1970 – 1 BvR 719/68 – NJW 1970, 651, 652; BGH 5.6.1962 – VI ZR 236/61 – GRUR 1962, 652, 652 – Eheversprechen; OLG Frankfurt 15.3.1993 – 6 W 11/93 – GRUR 1993, 697, 698; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.109; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 213. 339 BVerfG 28.1.1970 – 1 BvR 719/68 – NJW 1970, 651, 652; BGH 3.5.1977 – VI ZR 36/74 – GRUR 1977, 674, 678 – Abgeordnetenbestechung. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.109; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 UWG Rn. 212. 340 BGH 3.5.1977 – VI ZR 36/74 – GRUR 1977, 674, 678 – Abgeordnetenbestechung. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.109; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 212. 341 BGH 18.10.2001 – I ZR 22/99 – GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor I. Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 118; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 63; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 2.3a; ders. WRP 1997, 897, 899 f.; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 229; Teplitzky Kap. 14 Rn. 2 f. 342 Zum Charakter von § 3 und § 7 als speziell geregelte Fälle einer unerlaubten Handlung Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 2.3. Vgl. auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 119; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 65.

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I. Haftung für eigenes Verhalten

C. Schuldner der Abwehransprüche

1. Täterschaft a) Allgemeines. Täter einer nach § 3 oder § 7 unzulässigen Wettbewerbshandlung 93 ist, wer durch sein Verhalten – sei es ein aktives Tun oder ein pflichtwidriges Unterlassen343 – den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung im Sinne der genannten Bestimmungen adäquat kausal verwirklicht bzw. zu verwirklichen droht.344 aa) Aktives Tun und Unterlassen. Die gegebenenfalls erforderliche Abgrenzung 94 zwischen aktivem Tun und Unterlassen erfolgt nach dem Kriterium des Schwerpunkts der Vorwerfbarkeit.345 Ein aktives Tun ist etwa im Falle des Betreibers einer Internetplattform anzunehmen, der bei einem Suchmaschinenbetreiber eine wettbewerbswidrige Adword-Anzeige eines Dritten in Auftrag gibt.346 Die Pflichtwidrigkeit eines Unterlassens ergibt sich vor allem, wenn den Täter eine Erfolgsabwendungspflicht trifft.347 Eine solche Erfolgsabwendungspflicht kann sich vor allem aus Gesetz oder aus vorangegangenem gefährdendem Verhalten (sog. Ingerenz) ergeben.348 Die zur Verhinderung des Erfolgs erforderliche Handlung muss von dem Verpflichteten darüber hinaus auch rechtlich gefordert werden können, d.h. sie muss dem Verpflichteten sowohl möglich als auch zumutbar sein.349 bb) Geschäftliche Handlung. Voraussetzung für die Bejahung der Tätereigenschaft 95 ist ferner, dass der Betreffende eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 vornimmt.350 Wer selbst keine geschäftliche Handlung vornimmt, kann demnach allenfalls als Teilnehmer in Anspruch genommen werden.351 Soweit manche Vorschriften – wie etwa Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 – nur an einen bestimmten Personenkreis adressiert sind, kann täterschaftlich Zuwiderhandelnder nur sein, wer zu diesem bestimmten Personenkreis zählt.352 Nicht ausgeschlossen ist im Falle der Nichterfüllung einer besonderen Täterqualifikation jedoch wiederum eine Haftung als Teilnehmer.353 Die noch zu erläuternde Haftung wegen der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten (siehe hierzu nachfolgend Rn. 99 ff.) setzt ihrerseits nicht voraus, dass

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343 BGH 14.4.1994 – I ZR 12/92 – WRP 1994, 859, 861 – GmbH-Werbung für ambulante ärztliche Leistungen; BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I. 344 BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09 – GRUR 2011, 340 Tz. 27 – Irische Butter; BGH 8.11.2007 – I ZR 60/05 – GRUR 2008, 530 Tz. 21 – Nachlass bei der Selbstbeteiligung; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 120; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.4; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 234; Teplitzky Kap. 14 Rn. 2. 345 BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 34 – Kinderhochstühle im Internet. 346 BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 53 – Kinderhochstühle im Internet. 347 BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 54 – Kinderhochstühle im Internet; BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I. 348 BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I; BGH 28.6.2007 – I ZR 153/04 – GRUR 2008, 186 Tz. 21 – Telefonaktion. 349 BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 34 – Kinderhochstühle im Internet. 350 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 121; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 67; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.5; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 234. 351 BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09 – GRUR 2011, 340 Tz. 27 – Irische Butter; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.3a. 352 BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – GRUR 2008, 810 Tz. 14 – Kommunalversicherer; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 121; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 67; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.5; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 237. 353 BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – GRUR 2008, 810 Tz. 14 – Kommunalversicherer; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.5.

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Paal

§8

Beseitigung und Unterlassung

der Betreffende die für die ermöglichten Zuwiderhandlungen der Dritten vorausgesetzte Täterqualifikation in eigener Person erfüllt.354 cc) Allein-, Mit-, mittelbare und Nebentäterschaft. Die adäquat kausale Verursachung eines Wettbewerbsverstoßes erfordert nicht zwingend, dass der Handelnde den Tatbestand eigenhändig und allein erfüllt (unmittelbare Alleintäterschaft). In Anlehnung an die strafrechtlichen Kategorien (§ 25 StGB) ist Täter vielmehr auch, wer die Zuwiderhandlung durch einen anderen begeht (mittelbare Täterschaft) oder wer die Zuwiderhandlung mit einem anderen gemeinsam begeht (Mittäterschaft).355 Täter ist schließlich den allgemeinen Grundsätzen entsprechend auch, wer den Tatbestand unabhängig vom täterschaftlichen Handeln eines Dritten verwirklicht (Nebentäterschaft).356 „Durch einen anderen“ begeht die Zuwiderhandlung, wer vorsätzlich einen 97 schuld- oder jedenfalls vorsatzlos handelnden Dritten den objektiven Verletzungstatbestand als Werkzeug begehen lässt.357 Eine solche mittelbare Täterschaft hat die Rechtsprechung etwa im Falle eines Lieferanten einer wettbewerbswidrigen Zeitschrift angenommen: Zwar verteile der Lieferant die Zeitschrift nicht selbst, der Lieferant vertreibe die Zeitschrift aber an Einzelhändler zum Zwecke der Abgabe an Kunden.358 Der Lieferant gehe bei dem Vertrieb somit zumindest von der Vorstellung aus, dass die Zeitschrift für Kunden bestimmt sei.359 Als mittelbarer Täter wurde ferner identifiziert, wer seinen Angestellten zu einer wettbewerbswidrigen Handlung anweist, sofern sich der Angestellte der ihm erteilten Weisung ohne Weiteres unterwirft.360 Mittelbarer Täter soll außerdem sein, wer als Informant eine adäquate Ursache für eine wettbewerbswidrige Pressedarstellung setzt361 sowie wer sich zum Zwecke der Spam-Versendung vermeintlich unverdächtiger Dritter als „Strohmänner“ bedient.362 Mittäterschaft setzt eine gemeinschaftliche Begehungsweise voraus, d.h. ein 98 bewusstes und gewolltes Zusammenwirken,363 wobei eine psychische oder intellektuelle Mitwirkung hierfür ausreichend ist.364 Mittäter sind nach der Rechtsprechung in diesem 96

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354 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 194 f. = GRUR 2007, 890 Tz. 36 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 67; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 2.5a unter zutreffendem Verweis darauf, dass „[n]icht zuletzt auf Grund dieser Ausweitung der täterschaftlichen Verantwortung […] das Bedürfnis für die sog Störerhaftung im Lauterkeitsrecht entfallen“ ist. 355 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 120 ff.; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.4; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 235 f. 356 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.4. 357 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 236; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann § 8 Rn. 66. Vgl. weiterhin BGH 15.12.1953 – I ZR 146/52 – BGHZ 11, 286, 297 = GRUR 1954, 167, 170 – Kundenzeitschrift; BGH 19.6.1963 – Ib ZR 15/62 – GRUR 1964, 88, 89 – Verona-Gerät. 358 BGH 15.12.1953 – I ZR 146/52 – BGHZ 11, 286, 297 = GRUR 1954, 167, 170 – Kundenzeitschrift. 359 BGH 15.12.1953 – I ZR 146/52 – BGHZ 11, 286, 297 = GRUR 1954, 167, 170 – Kundenzeitschrift. Die Annahme einer mittelbaren Täterschaft scheint bei der beschriebenen Sachlage insoweit problematisch, als dass die Einzelhändler von der Wettbewerbswidrigkeit der Zeitschrift wussten, mithin gerade nicht als Werkzeuge des Lieferanten in Erscheinung traten. Insoweit zu Recht kritisch MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 235. 360 BGH 19.6.1963 – Ib ZR 15/62 – GRUR 1964, 88, 89 – Verona-Gerät. 361 OLG Rostock 19.4.1995 – 2 U 79/94 – WRP 1995, 657, 658 – Titan-Brille. 362 OLG Hamburg 2.10.2003 – 5 U 25/03 – CR 2004, 376, 377. 363 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 137 = GRUR 2009, 597 Tz. 9 – Halzband; BGH 18.3.2010 – I ZR 158/07 – GRUR 2010, 536 Tz. 65 – Modulgerüst II; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 30 – Kinderhochstühle im Internet; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.4. 364 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.4.

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I. Haftung für eigenes Verhalten

C. Schuldner der Abwehransprüche

Sinne etwa der Unternehmer und der von dem Unternehmer zu wettbewerbswidrigem Verhalten angewiesene Angestellte, sofern sich der Angestellte der ihm erteilten Weisung nicht ohne Weiteres unterwirft,365 sich also zumindest gewisse Gedanken über die mögliche Wettbewerbswidrigkeit macht.366 Ebenfalls als Mittäter angesehen wurden der Versender und der Auftraggeber unerwünschter Werbung:367 Wer im Auftrag Dritter unerbetene Telefaxwerbung versendet, sei nicht nur Mitstörer der fremden wettbewerbswidrigen Handlung, sondern leiste einen eigenen unmittelbaren Tatbeitrag.368 b) Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten. Ei- 99 nen Sonderfall der täterschaftlichen Haftung stellt die Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten dar. Durch das Konzept der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten werden diejenigen Konstellationen erfasst, die vormals über das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der (wettbewerbsrechtlichen) Störerhaftung gelöst wurden. aa) Institut der Störerhaftung. Der Begriff des „Störers“ wurde von der Rechtspre- 100 chung weit ausgelegt, um einen möglichst weitreichenden Schutz vor wettbewerbswidrigem Handeln zu erreichen.369 Konkret bezweckt war die Inanspruchnahme solcher Personen, die – mangels Wettbewerbsförderungsabsicht oder mangels Täterqualifikation – an sich nicht den Tatbestand eines Wettbewerbsverstoßes erfüllten, jedoch an dem Wettbewerbsverstoß eines Dritten mitwirkten.370 Nach der Grundformel der Rechtsprechung sollte als Störer haften, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechts beigetragen hatte.371 Dabei wurde als adäquat kausaler Beitrag zur Rechtsverletzung bereits die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten für ausreichend erachtet, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte.372 Die dogmatischen Grundlagen der Störerhaftung erblickte die Rechtsprechung 101 nicht im Deliktsrecht, sondern vielmehr in den allgemein-zivilrechtlichen Vorschriften über die Besitz- und die Eigentumsstörung (§§ 862, 1004 BGB).373 Entsprechend der Herleitung der Störerhaftung aus sachenrechtlichen Abwehransprüchen hielt die Rechtsprechung ein Verschulden des potentiellen Störers nicht für erforderlich.374 Zugleich

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365 BGH 19.6.1963 – Ib ZR 15/62 – GRUR 1964, 88, 89 f. – Verona-Gerät. 366 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 235. 367 LG Frankfurt 27.11.2002 – 2/6 O 401/02 – MMR 2003, 423, 424. 368 LG Frankfurt 27.11.2002 – 2/6 O 401/02 – MMR 2003, 423, 424. 369 BGH 21.9.1989 – I ZR 27/88 – GRUR 1990, 463, 464 – Firmenrufnummer. 370 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.2. 371 Vgl. nur BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53 – BGHZ 14, 163, 174 = GRUR 1955, 97, 99 f. – Constanze II; BGH 15.1.1957 – I ZR 56/55 – GRUR 1957, 352, 353 – Taeschner/Pertussin II; BGH 5.12.1975 – I ZR 122/74 – GRUR 1976, 257, 257 – Rechenscheibe; BGH 17.5.2001 – I ZR 251/99 – BGHZ 148, 13, 17 = GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de; BGH 11.3.2004 – I ZR 304/01 – BGHZ 158, 236, 251 = GRUR 2004, 860, 864 – Internetversteigerung I; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 45 – Kinderhochstühle im Internet; BGH 17.8.2011 – I ZR 57/09 – GRUR 2011, 1038 Tz. 20 – Stiftparfüm. 372 BGH 12.10.1989 – I ZR 29/88 – GRUR 1990, 373, 374 – Schönheits-Chirurgie; BGH 10.10.1996 – I ZR 129/94 – GRUR 1997, 313, 315 – Architektenwettbewerb; BGH 17.5.2001 – I ZR 251/99 – BGHZ 148, 13, 17 = GRUR 2001, 1038 Tz. 20 – ambiente.de; BGH 9.12.2003 – VI ZR 373/02 – GRUR 2004, 438, 442 – Feriendomizil I. 373 BGH 18.10.2001 – I ZR 22/99 – GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor I. 374 BGH 5.12.1975 – I ZR 122/74 – GRUR 1976, 257, 258 – Rechenscheibe; BGH 7.7.1988 – I ZR 36/87 – GRUR 1988, 829, 830 – Verkaufsfahrten II; BGH 14.4.1994 – I ZR 12/92 – GRUR 1996, 905, 907 – GmbH-

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§8

Beseitigung und Unterlassung

wurde aus der dogmatischen Anknüpfung an §§ 862, 1004 BGB gefolgert, dass die Störerhaftung lediglich Abwehr-, nicht aber Schadensersatzansprüche begründen könne.375 Als weitere Haftungsvoraussetzung wurde zudem stets die tatsächliche Wettbewerbswidrigkeit der Handlungen des Dritten gefordert.376 Um die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, machte die Recht102 sprechung – nicht zuletzt auch unter dem Eindruck der Kritik im Schrifttum – das Eingreifen der Störerhaftung in der Folge auch von der Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten abhängig.377 Die Zumutbarkeit solcher Prüfungspflichten sollte sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und der Aufgabenstellung des Betreffenden bestimmen.378 Berücksichtigt wurde hierbei insbesondere die jeweilige Eigenverantwortung des die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar Vornehmenden.379 So wurde in Bezug auf die Zumutbarkeit von Prüfungspflichten unter anderem danach unterschieden, ob der in Anspruch genommene Störer ohne Gewinnerzielungsabsicht im öffentlichen Interesse handelte380 oder aber vielmehr eigene erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolgte.381 Maßgeblich abgestellt wurde ferner auf den Umstand, ob die geförderte Rechtsverletzung eines Dritten erst nach eingehender rechtlicher382 oder tatsächlicher383 Prüfung festgestellt werden konnte oder aber für den potentiellen Störer offenkundig bzw. unschwer zu erkennen war.384 103 Das Institut der Störerhaftung wurde im Schrifttum schon seit langem überwiegend kritisch betrachtet.385 Für bedenklich gehalten wurde insbesondere die dogmatische Herleitung der Störerhaftung; diesbezüglich wurde verschiedentlich argumentiert, dass es für die analoge Anwendung der §§ 862, 1004 BGB bereits an einer planwidrigen Re-

_____ Werbung für ambulante ärztliche Leistung; BGH 17.5.2001 – I ZR 251/99 – BGHZ 148, 13, 17 = GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de. 375 BGH 18.10.2001 – I ZR 22/99 – GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor I 376 BGH 10.10.1996 – I ZR 129/94 – GRUR 1997, 313, 315 – Architektenwettbewerb; BGH 10.11.1999 – I ZR 121/97 – GRUR 2000, 613, 615 f. – Klinik Sanssouci. 377 BGH 17.5.2001 – I ZR 251/99 – BGHZ 148, 13, 17 = GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de; BGH 11.3.2004 – I ZR 304/01 – BGHZ 158, 236, 251 = GRUR 2004, 860, 864 – Internetversteigerung I; BGH 1.4.2004 – I ZR 317/01 – BGHZ 158, 343, 359 = GRUR 2004, 693, 695 – Schöner Wetten; BGH 19.4.2007 – I ZR 35/04 – BGHZ 172, 119, 131 = GRUR 2007, 708 Tz. 32 – Internet-Versteigerung II; BGH 12.7.2012 – I ZR 18/11 – BGHZ 194, 339, 345 = GRUR 2013, 370 Tz. 19 – Alone in the Dark; BGH 15.12.2012 – I ZR 74/12 – GRUR 2013, 511 Tz. 41 – Morpheus; BGH 15.8.2013 – I ZR 80/12 – GRUR 2013, 1030 Tz. 31 – File-Hosting-Dienst. 378 BGH 17.5.2001 – I ZR 251/99 – BGHZ 148, 13, 18 = GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de; BGH 15.5.2003 – I ZR 292/00 – GRUR 2003, 969, 970 f. – Ausschreibung von Vermessungsleistungen; BGH 1.4.2004 – I ZR 317/01 – BGHZ 158, 343, 350 = GRUR 2004, 693, 695 – Schöner Wetten; BGH 12.5.2010 – I ZR 121/08 – BGHZ 185, 330, 335 = GRUR 2010, 633 Tz. 19 – Sommer unseres Lebens; BGH 15.11.2012 – I ZR 74/12 – GRUR 2013, 511 Tz. 41 – Morpheus; BGH 17.8.2011 – I ZR 57/09 – GRUR 2011, 1038 Tz. 20 – Stiftparfüm. 379 BGH 17.5.2001 – I ZR 251/99 – BGHZ 148, 13, 18 = GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de; BGH 15.5.2003 – I ZR 292/00 – GRUR 2003, 969, 970 f. – Ausschreibung von Vermessungsleistungen; BGH 1.4.2004 – I ZR 317/01 – BGHZ 158, 343, 350 = GRUR 2004, 693, 695 – Schöner Wetten; BGH 17.8.2011 – I ZR 57/09 – GRUR 2011, 1038 Tz. 20 – Stiftparfüm. 380 BGH 17.5.2001 – I ZR 251/99 – BGHZ 148, 13, 19 f. = GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de; BGH 19.2.2004 – I ZR 82/01 – GRUR 2004, 619, 620 – kurt-biedenkopf.de. 381 BGH 11.3.2004 – I ZR 304/01 – BGHZ 158, 236, 252 = GRUR 2004, 860, 864 – Internetversteigerung I; BGH 12.5.2010 – I ZR 121/08 – BGHZ 185, 330, 336 = GRUR 2010, 633 Tz. 23 – Sommer unseres Lebens; BGH 17.8.2011 – I ZR 57/09 – GRUR 2011, 1038 Tz. 20 – Stiftparfüm. 382 BGH 10.10.1996 – I ZR 129/94 – GRUR 1997, 313, 316 – Architektenwettbewerb; BGH 1.4.2004 – I ZR 317/01 – BGHZ 158, 343, 353 = GRUR 2004, 693, 695 – Schöner Wetten. 383 BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152, 155 – Kinderhochstühle im Internet. 384 BGH 17.5.2001 – I ZR 251/99 – BGHZ 148, 13, 18 = GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de; BGH 11.3.2004 – I ZR 304/01 – BGHZ 158, 236, 252 = GRUR 2004, 860, 864 – Internetversteigerung I. 385 Vgl. etwa die zusammenfassende Darstellung bei A. Schneider S. 62 ff.

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I. Haftung für eigenes Verhalten

C. Schuldner der Abwehransprüche

gelungslücke,386 zumindest aber an einer vergleichbaren Interessenlage387 fehle. Da das Wettbewerbsrecht ausschließlich Verhaltenspflichten begründe, könne Adressat der wettbewerbsrechtlichen Verhaltensgebote nur sein, wer selbst eine geschäftliche Handlung vornimmt und sonstige Anforderungen der Tatbestände des UWG in eigener Person erfüllt.388 Die an der Störerhaftung geäußerte Kritik bewog die Rechtsprechung schließlich 104 dazu, das Institut der Störerhaftung für den Bereich des Wettbewerbsrechts aufzugeben389 und nunmehr über die Annahme wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten gegebenenfalls eine täterschaftliche Haftung des Betreffenden zu begründen.390 Für den Bereich der Immaterialgüterrechte, die als absolute Rechte auch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB Schutz genießen, wurde die Störerhaftung auch in der jüngeren Rechtsprechung hingegen ausdrücklich beibehalten.391 bb) Konzept der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten. Grundlegende Aus- 105 führungen zum Konzept der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten ergingen vor allem in der Entscheidung „Jugendgefährdende Medien bei eBay“, in der die Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten als täterschaftlicher Verstoß gegen die Generalklausel des § 3 UWG qualifiziert wurde: „Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist auf Grund einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Wer in dieser Weise gegen eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verstößt, ist Täter einer unlauteren Wettbewerbshandlung.“392 Charakteristisch ist somit auch nach dem Konzept der wettbewerblichen Verkehrspflichten das rechtswidrige Verhalten eines Dritten. Handelt der Täter demgegenüber unmittelbar selbst, indem etwa eine nicht gekennzeichnete Ware in den Verkehr gebracht wird, bildet bereits die eigene Zuwiderhandlung den maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Haftung.393 (1) Normativer Anknüpfungspunkt im UWG 2004. Die vom BGH vorgenommene 106 Einordnung der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten als Verstoß ge-

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386 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.3b; Glockshuber S. 133 f.; Schünemann WRP 1998, 120, 121 ff. 387 Hartmann S. 52 f.; Schapiro S. 89; Döring WRP 2007, 1131, 1133 f.; Köhler WRP 1997, 897, 899; Glockshuber S. 134; Wiegand S. 107 ff. 388 Schapiro S. 89; Hartmann S. 53; Döring WRP 2007, 1131, 1135; Köhler WRP 1997, 897, 899. 389 BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 48 – Kinderhochstühle im Internet; BGH 12.7.2012 – I ZR 54/11 – GRUR 2013, 301 Tz. 49 – Solarinitiative. 390 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 200 = GRUR 2007, 890 Tz. 36 f. – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 391 BGH 11.3.2004 – I ZR 304/01 – BGHZ 158, 236, 251 = GRUR 2004, 860, 864 – Internetversteigerung I; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 48 – Kinderhochstühle im Internet. BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05 – GRUR 2008, 702 Tz. 49 – Internetversteigerung III; BGH 12.5.2010 – I ZR 121/08 – BGHZ 185, 330, 345 = GRUR 2010, 633 – Tz. 19 – Sommer unseres Lebens. Zur Frage einer täterschaftlichen Haftung von Eltern für illegales Filesharing ihrer Kinder vgl. BGH 15.11.2012 – I ZR 74/12 – GRUR 2013, 511 Tz. 41 – Morpheus. Zur Haftung für illegales Filesharing bei volljährigen Familienmitgliedern vgl. BGH 8.1.2014 – I ZR 169/12 – Bear Share. Für eine Aufgabe der Störerhaftung auch im Hinblick auf Immaterialgüterrechte hingegen etwa OLG Hamburg 24.7.2008 – 3 U 216/06 – MarkenR 2008, 532, 534 f.; Köhler GRUR 2008, 1, 6 f.; Leistner GRUR-Beil. 2010, 1, 29 ff.; Schapiro S. 105 ff. m.w.N. 392 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 200 = GRUR 2007, 890 Tz. 36 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH 12.7.2012 – I ZR 54/11 – GRUR 2013, 301 Tz. 51 – Solarinitiative. 393 LG Aachen 5.6.2012 – 41 O 8/12 – MMR 2013, 44, 45.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

gen die Generalklausel des § 3 UWG wurde von der Literatur überwiegend begrüßt.394 Nach a.A. soll der Rückgriff auf die Generalklausel hingegen entbehrlich sein, weil die gegebenenfalls verletzte Verkehrspflicht auf den jeweiligen durch den Dritten erfüllten Unlauterkeitstatbestand bezogen sei.395 Für die Auffassung des BGH spricht, dass die dogmatische Anknüpfung der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten allein an § 3 UWG die Selbstständigkeit des Konzepts der Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten unterstreicht. 107

(2) Normativer Anknüpfungspunkt im UWG 2008. Da die Ausführungen des BGH unter der Geltung des UWG 2004 ergingen, wird in der Literatur des Weiteren zu Recht die Frage aufgeworfen, wie sich die Rechtsprechung zu den Verkehrspflichten mit der gewandelten Terminologie des UWG 2008 vereinbaren lässt.396 Dabei wird zunächst davon ausgegangen, dass im Verhältnis zu Verbrauchern weder § 3 Abs. 3 noch § 3 Abs. 1 als Anknüpfungspunkte für eine Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten in Betracht kommen:397 Wer durch eine geschäftliche Handlung die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, erfülle nämlich weder den Tatbestand einer irreführenden noch den einer aggressiven Geschäftspraktik i.S.d. Art. 5 Abs. 4 i.V.m. Art. 6–9 UGP-Richtlinie oder i.S.d. Art. 5 Abs. 5 i.V.m. Anh. I. Die Unzulässigkeit entsprechender Handlungen könne sich daher nur aus einer Verletzung der beruflichen Sorgfaltspflicht i.S.d. Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie, also der fachlichen Sorgfaltspflicht i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 ergeben. Dabei sei die vom BGH angenommene „wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht“ dem Begriff der „fachlichen Sorgfalt“ gleichzusetzen. Soweit das Angebot des Dritten gegen eine nicht in den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie fallende Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 verstoße, beanspruche die UGP-Richtlinie zwar an sich keinen Vorrang. Letztgenannter Umstand hindere jedoch nicht die Anwendung des § 3 Abs. 2 Satz 1, sofern Verbraucher betroffen sind. Eines Rückgriffs auf § 3 Abs. 1 bedürfe es somit nur, wenn sonstige Marktteilnehmer betroffen sind. Im Interesse einer einheitlichen Terminologie solle allerdings auch im Falle des § 3 Abs. 1 die Unlauterkeit mittels des Begriffs der „fachlichen Sorgfalt“ und nicht mehr des Begriffs der „wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht“ konkretisiert werden.

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(3) Stellungnahme. Der Vorschlag, allfällige die Wettbewerbsverstöße Dritter ermöglichende Verhaltensweisen einheitlich dem Begriff der Verletzung fachlicher Sorgfalt zu subsumieren, überzeugt. Durch die vorgeschlagene Terminologie wird den gewandelten Begrifflichkeiten des UWG 2008 angemessen Rechnung getragen, ohne dass die in der Sache überzeugende Rechtsprechung zu den wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten aufgegeben werden müsste. Inwieweit sich eine entsprechende Terminologie durchsetzen wird, bleibt jedoch abzuwarten.

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cc) Inhalt und Umfang wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten. Inhalt und Umfang wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten können nicht generell-abstrakt be-

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394 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 123; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.6; Leistner GRUR-Beil 2010, 1, 3; Teplitzky Kap. 14 Rn. 10. 395 Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 122; tendenziell auch Döring WRP 2007, 1131, 1137. Auf die einzelnen Unlauterkeitstatbestände abstellend etwa auch KG Berlin 15.7.2011 − 5 U 193/10 – NJW-RR 2011, 1543, 1544; OLG Hamburg 8.9.2011 − 16 U 43/11 – WRP 2012, 485, 489. 396 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.6 ff. 397 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.8.

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I. Haftung für eigenes Verhalten

C. Schuldner der Abwehransprüche

stimmt werden. Im Ausgangspunkt kann jedoch auf die zur Störerhaftung entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden.398 Maßgeblich sind insoweit vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls.399 Grundsätzlich in Betracht kommen als solche Umstände vor allem auch allfällige Prüfungs-, Überwachungs- und Eingreifpflichten.400 Im Einzelnen zu berücksichtigen sind zudem neben der Möglichkeit und Zumutbarkeit einer bestimmten Maßnahme401 etwa die Intensität der vom Dritten ausgehenden Verletzungsgefahr,402 das Gewicht der verletzten Interessen,403 das wirtschaftliche Eigeninteresse des Verpflichteten404 und der für die Gefahrenabwehr erforderliche Aufwand.405 Von Bedeutung ist ferner die Schutzbedürftigkeit des Verletzten;406 so ist der Verletzte etwa nicht schutzwürdig, wenn ihm ein unmittelbares Vorgehen gegen den Verletzer möglich und zumutbar ist.407 Ein erhöhtes Pflichtenprogramm kann im Einzelfall anzunehmen sein, wenn aufgrund des angebotenen Dienstes eine besondere Gefahrgeneigtheit besteht, etwa weil das betreffende Geschäftsmodell auf von Nutzern begangene Rechtsverletzungen angelegt ist oder der Diensteanbieter durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung fördert.408 dd) Verkehrspflichten von Internetauktionshäusern. Umfangreiche Rechtspre- 110 chung existiert zu den wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten von Internetauktionshäusern.409 Angeknüpft wurde dabei in weiten Teilen an die Rechtsprechung zur Störerhaftung von Internetauktionshäusern für fremde Markenrechtsverletzungen.410 (1) Rechtsprechung des BGH. So geht der BGH davon aus, dass sich die wettbe- 111 werbsrechtliche Verkehrspflicht eines Internetauktionshauses hinsichtlich rechtsverletzender fremder Inhalte als Prüfungspflicht konkretisiere.411 Voraussetzung einer Haf-

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398 OLG Köln 19.2.2014 – 6 U 49/13 – GRUR-RR 2014, 260, 262; OLG Köln 3.2.2014 – 6 U 76/11 – NJOZ 2012, 971, 972. 399 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 202 = GRUR 2007, 890 Tz. 38 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 400 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.10. 401 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 202 = GRUR 2007, 890 Tz. 43 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.10; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 128. 402 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 202 = GRUR 2007, 890 Tz. 37 f. – Jugendgefährdende Medien bei eBay; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.10; Loschelder/Dörre WRP 2010, 822, 824. 403 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 202 = GRUR 2007, 890 Tz. 38 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.10; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 128; Ahrens WRP 2007, 1281, 1289; Loschelder/Dörre WRP 2010, 822, 824. 404 BGH 12.5.2010 – I ZR 121/08 – BGHZ 185, 330, 337 = GRUR 2010, 633 Tz. 13 – Sommer unseres Lebens; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.10; Loschelder/Dörre WRP 2010, 822, 824. 405 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.10; Loschelder/Dörre WRP 2010, 822, 824. 406 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 202 = GRUR 2007, 890 Tz. 40 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.11; Loschelder/Dörre WRP 2010, 822, 824; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 128. 407 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.11; Loschelder/Dörre WRP 2010, 822, 824; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 128. 408 So für die Anwendung der Störerhaftung im Urheberrecht BGH 15.8.2013 – I ZR 80/12 – GRUR 2013, 1030 Tz. 31 – File-Hosting-Dienst; BGH 12.7.2012 – I ZR 18/11 – BGHZ 194, 333, 346 = GRUR 2013, 370 Tz. 22 – Alone in the Dark. 409 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 201 ff. = GRUR 2007, 890 Tz. 43 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 36 ff. – Kinderhochstühle im Internet. 410 BGH 11.3.2004 – I ZR 304/01 – BGHZ 158, 236 = GRUR 2004, 860 – Internetversteigerung I; BGH 19.4.2007 – I ZR 35/04 – BGHZ 172, 119 = GRUR 2007, 708 – Internet-Versteigerung II; BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05 – GRUR 2008, 702 – Internet-Versteigerung III. 411 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 201 = GRUR 2007, 890 Tz. 38 – Jugendgefährdende Medien bei eBay.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

tung des Internetauktionshauses sei daher eine Verletzung von Prüfungspflichten.412 Bestehen und Umfang solcher Prüfungspflichten richte sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen.413 Überspannte Anforderungen dürften im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Betreiben von Internetauktionshäusern um eine erlaubte Teilnahme am geschäftlichen Verkehr handelt, gerade nicht gestellt werden.414 Entsprechend den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen komme es vielmehr entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist.415 Insbesondere dürften dem Internetauktionshaus keine Anforderungen auferlegt werden, die ein von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell gefährden oder eine entsprechende Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren.416 In diesem Zusammenhang sei die Art. 15 Abs. 1 RL 2000/31/EG umsetzende Vorschrift des § 7 Abs. 2 TMG zu beachten, wonach Telediensteanbieter nicht verpflichtet sind, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten.417 Demnach könne allein die Bereitstellung einer Internet-Auktionsplattform (noch) keine Prüfungspflichten des Internetauktionshauses begründen, wenn und soweit das Internetauktionshaus die Angebote vor der Veröffentlichung nicht zur Kenntnis nimmt.418 Das Internetauktionshaus sei insbesondere auch nicht dazu verpflichtet, komplizierte Beurteilungen im Einzelfall durchzuführen, ob ein als rechtsverletzend beanstandetes Angebot ein Schutzrecht tatsächlich verletzt oder sich als wettbewerbswidrig erweist.419 Eine Handlungspflicht des Internetauktionshauses entstehe aber, sobald es selbst oder über Dritte Kenntnis von konkreten rechtsverletzenden Angeboten erlangt hat.420 Das Internetauktionshaus sei dann nicht nur verpflichtet, das konkrete rechtsverletzende Angebot unverzüglich zu sperren.421 Vielmehr müsse auch Vorsorge dafür getroffen werden, dass es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt.422 Solche gleichartigen Rechtsverletzungen

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412 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 201 = GRUR 2007, 890 Tz. 38 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 413 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 201 = GRUR 2007, 890 Tz. 38 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 414 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 201 = GRUR 2007, 890 Tz. 38 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 415 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 201 f. = GRUR 2007, 890 Tz. 38 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 416 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 202 = GRUR 2007, 890 Tz. 39 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 38 – Kinderhochstühle im Internet. 417 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 202 = GRUR 2007, 890 Tz. 39 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 418 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 202 f. = GRUR 2007, 890 Tz. 41 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 419 BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 48 – Kinderhochstühle im Internet. Entsprechend für die Haftung betreffend den Inhalt eines fremden Internetauftritts wegen eines Weiterleitungslinks OLG Köln 19.2.2014 – 6 U 49/13 – GRUR-RR 2014, 260, 262. 420 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 203 = GRUR 2007, 890 Tz. 42 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 48 – Kinderhochstühle im Internet. 421 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 203 = GRUR 2007, 890 Tz. 43 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. Vgl. auch OLG Köln 13.2.2014 – 6 U 49/13 – GRUR-RR 2014, 260, 262. 422 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 203 = GRUR 2007, 890 Tz. 43 – Jugendgefährdende Medien bei eBay unter Verweis auf BGH 11.3.2004 – I ZR 304/01 – BGHZ 158, 236, 252 = GRUR 2004, 860, 864 – Internetversteigerung I; BGH 19.4.2007 – I ZR 35/04 – BGHZ 172, 119, 134 = GRUR 2007, 708, Tz. 45 – Internet-Versteigerung II; BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05 – GRUR 2008, 702 Tz. 53 – InternetVersteigerung III.

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I. Haftung für eigenes Verhalten

C. Schuldner der Abwehransprüche

seien nicht nur Angebote, die mit den bekannt gewordenen Fällen identisch sind.423 Vielmehr habe das Internetauktionshaus auch zu verhindern, dass die ihm konkret benannten rechtsverletzenden Angebote durch andere Bieter erneut über seine Plattform offeriert werden.424 Zum Absuchen der Plattform auf gleichartige Angebote sei dem Internetauktionshaus grundsätzlich auch der Einsatz einer entsprechenden Filtersoftware zumutbar.425 (2) Rechtsprechung des EuGH. Die Rechtsprechung des BGH zu den wettbewerbs- 112 rechtlichen Verkehrspflichten von Internetauktionshäusern ist angesichts der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zu Art. 14 Richtlinie 2000/31/EG426 teilweise zu revidieren: Nach Ansicht des EuGH sollen Internetauktionshäuser nämlich nur dann dem Haftungsprivileg des Art. 14 RL 2000/31/EG unterfallen, wenn sie sich auf die Rolle eines neutralen Vermittlers beschränken.427 Letzteres soll gerade nicht (mehr) der Fall sein, wenn das Internetauktionshaus eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kenntnis der eingestellten Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte.428 Eine solche aktive Rolle sieht der EuGH als gegeben an, wenn das Internetauktionshaus eine Hilfestellung bei der Optimierung der Präsentation oder dem Bewerben der betreffenden Verkaufsangebote leistet.429 Bezogen auf das deutsche Recht folgt aus der Rechtsprechung des EuGH, dass Internetauktionshäuser nicht wie bisher stets als Anbieter fremder Informationen im Sinne von § 10 Satz 1 TMG qualifiziert und damit einer privilegierten Haftung unterstellt werden können. Als Konsequenz findet die Vorschrift des § 7 Abs. 2 TMG, wonach Telediensteanbieter nicht verpflichtet sind, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten, nicht in allen Konstellationen Anwendung. Demnach sind proaktive Prüfungspflichten von Internetauktionshäusern nicht mehr von vornherein ausgeschlossen. Es ist vielmehr – wenngleich die Entscheidung des EuGH zu einer markenrechtlichen Konstellation erging – davon auszugehen, dass Internetauktionshäuser solche Angebote, in Ansehung derer sie eine aktive Rolle im Sinne der obigen Ausführungen eingenommen haben, in gewissem Umfang bereits vor der Veröffentlichung auf ihre wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit prüfen müssen. Um die hieraus erwachsenden Anforderungen an Internetauktionshäuser nicht zu überspannen, bietet sich insoweit eine entsprechende Übertragung der Rechtsprechung zu den wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten der Presse bei der Veröffentlichung von Anzeigen an, wobei allerdings der besonderen Bedeutung der Presse auf der Grundlage und Maßstab des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend Rechnung zu tragen sein wird (siehe hierzu nachfolgend

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423 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 203 = GRUR 2007, 890 Tz. 43 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 424 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 203 = GRUR 2007, 890 Tz. 43 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 425 BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 204 = GRUR 2007, 890 Tz. 43 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 38 – Kinderhochstühle im Internet. 426 EuGH 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 – L‘Oréal/eBay. Vgl. dazu Brömmekamp WRP 2011, 306; Dembowski jurisPR-WettbR 10/2011 Anm. 1; Hacker GRUR-Prax 2011, 391; Hirsch K&R 2011, 572; Hoeren MMR 2011, 596; Paal/Wilkat MarkenR 2012, 1, 4 ff.; Nordemann GRUR 2011, 977; Spindler MMR 2011, 703; Volkmann CR 2011, 607. 427 EuGH 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 113 – L’Oréal/eBay. 428 EuGH 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 113 – L’Oréal/eBay. 429 EuGH 12.7.2011 – C-324/09 – GRUR 2011, 1025 Tz. 116 – L’Oréal/eBay. Zur Haftung eines Domainverwalters, der selbst nicht Betreiber der Website ist, für fehlende Pflichtangaben vgl. OLG Hamm 17.12.2013 – 4 U 100/13 – MMR 2014, 175, 177f. Zur Haftung eines Hostproviders im Falle einer Missachtung der Impressumspflicht vgl. OLG Düsseldorf 18.6.2013 – I-20 U 145/12 – GRUR 2013, 433, 435 f.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

Rn. 115 ff.). Danach beschränken sich die entsprechenden Vorabprüfungspflichten auf grob gesetzwidrige und unschwer erkennbare Verstöße. 113

ee) Verkehrspflichten sonstiger Internetdiensteanbieter. Der Betreiber eines Kleinanzeigen-Portals hat nach überzeugender Rechtsprechung des OLG Frankfurt auf Grund einer ihn treffenden wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht entsprechende Vorkehrungen dafür zu treffen, dass gewerbliche Anbieter ihrer Impressumspflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG nachkommen.430 An die insoweit erforderlichen Maßnahmen sind jedoch keine allzu hohen Anforderungen zu stellen.431 Es kann in diesem Zusammenhang deshalb bereits ausreichen, dass die Anzeigenkunden vor Abgabe ihres Anzeigenauftrags in geeigneter Form über die Impressumspflicht belehrt, zur Preisgabe der Verderblichkeit ihres Angebots bei der Anmeldung nachdrücklich angehalten und in diesem Fall zur Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift gezwungen werden.432 Unterlässt der Betreiber in einem solchen Fall – sei es bei Annahme eines Anzeigenauftrags, sei es im Rahmen der Kontrolle erschienener Anzeigen – jegliche Vorkehrungen zur Eindämmung von Impressumsverstößen, kann sich der Unterlassungstitel nur auf das Verbot des bisherigen Verhaltens beschränken.433 Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass der Betreiber verschiedene Möglichkeiten hat, den sich aus der Verkehrspflicht ergebenden Anforderungen gerecht zu werden.434 Der Betreiber eines Hotelbewertungsportals soll nach der Rechtsprechung des KG 114 Berlin nicht dazu verpflichtet sein, die eingesandten Hotelbewertungen im Hinblick auf die Richtigkeit der in ihnen enthaltenen Tatsachenbehauptungen inhaltlich zu überprüfen, bevor die Bewertungen online gestellt werden.435 Der Entscheidung des KG Berlin, die zur Begründung im Wesentlichen auf das Urteil des BGH in der Rechtssache „Jugendgefährdende Medien bei eBay“ (siehe hierzu vorstehend unter Rn. 111) verweist, liegt offensichtlich die Prämisse zugrunde, dass Bewertungsportalbetreiber stets als Anbieter fremder Informationen i.S.v. § 10 Satz 1 TMG einzuordnen sind. Die pauschale Qualifizierung von Bewertungsportalbetreibern als Anbieter fremder Informationen kann vor dem Hintergrund der oben referierten Rechtsprechung des EuGH zu Art. 14 RL 2000/31/EG (siehe hierzu vorstehend unter Rn. 112) jedoch nicht überzeugen. Insoweit ist auf die im Zusammenhang mit Internetauktionshäusern vorgenommenen Ausführungen und Erwägungen zu verweisen. Betreiber von sozialen Netzwerken haben nach der Rechtsprechung des EuGH 115 nicht die Pflicht, ein System der Filterung einzurichten, mit dem sich Dateien ermitteln lassen, die musikalische, filmische oder audiovisuelle Werke enthalten, an denen der Antragsteller Rechte des geistigen Eigentums zu haben behauptet, um zu verhindern, dass die genannten Werke unter Verstoß gegen das Urheberrecht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.436 Der Gerichtshof nimmt an, dass die Anordnung einer generellen Filter- und Sperrpflicht nicht nur gegen die Richtlinie 2000/31/EG, sondern darüber hinaus auch gegen die Grundrechte-Charta verstößt: Zwar sei der Schutz des geis-

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430 OLG Frankfurt 23.10.2008 – 6 U 139/08 – GRUR-RR 2009, 315, 315 – Impressumspflicht. 431 OLG Frankfurt 23.10.2008 – 6 U 139/08 – GRUR-RR 2009, 315, 315 – Impressumspflicht. 432 OLG Frankfurt 23.10.2008 – 6 U 139/08 – GRUR-RR 2009, 315, 315 – Impressumspflicht. 433 OLG Frankfurt 23.10.2008 – 6 U 139/08 – GRUR-RR 2009, 315, 315 f. – Impressumspflicht. 434 OLG Frankfurt 23.10.2008 – 6 U 139/08 – GRUR-RR 2009, 315, 315 f. – Impressumspflicht. 435 KG 15.7.2011 − 5 U 193/10 – NJW-RR 2011, 1543, 1544 – Hotelbewertungen. 436 EuGH 16.2.2012 – C-360/10 – GRUR 2012, 382 – SABAM/Netlog m. Anm. Metzger. In unmittelbarem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang steht die Entscheidung des EuGH betreffend die Überwachungspflichten eines Access-Providers, EuGH 24.11.2011 – C-70/10 – GRUR 2012, 265 – Scarlet/ SABAM.

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I. Haftung für eigenes Verhalten

C. Schuldner der Abwehransprüche

tigen Eigentums in Art. 17 Abs. 2 Grundrechte-Charta verankert. Die Eigentumsgarantie sei aber gegen andere Grundrechte abzuwägen; hier seien insbesondere das Grundrecht der unternehmerischen Freiheit aus Art. 16 der Grundrechte-Charta sowie die durch Art. 8, 11 der Grundrechte-Charta geschützten Rechte auf den Schutz personenbezogener Daten und auf den freien Zugang zu Informationen einzubeziehen. Ferner gibt der EuGH zu bedenken, dass Filtersysteme nicht hinreichend zwischen unzulässigen und zulässigen Inhalten zu unterscheiden vermögen, weshalb eine überschießende Sperrung von zulässigen Inhalten eintreten könnte – und im Rahmen der Abwägung deshalb der Schutz des geistigen Eigentums zurückzutreten habe. ff) Verkehrspflichten der Presse. Im Falle der Verbreitung wettbewerbswidriger 116 Äußerungen in der Presse haftet neben dem Urheber jeder an der Weitergabe und der Verbreitung Beteiligte, soweit sein Verhalten eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 darstellt.437 Die Pflicht der für ein Presseerzeugnis Verantwortlichen auf Überprüfung einer Anzeige auf deren eventuelle Wettbewerbswidrigkeit beschränkt sich auf grob gesetzwidrige und unschwer erkennbare Verstöße.438 Weitergehende Anforderungen sind auch dann nicht zu stellen, falls der betreffende Anzeigenkunde seinen Sitz im Ausland hat.439 Die Frage nach dem Charakter eines Verstoßes als grob gesetzwidrig und nach dessen Erkennbarkeit betrifft nicht nur die Offensichtlichkeit des Verstoßes im Sinne einer leicht(er)en Subsumierbarkeit des Sachverhalts unter eine Verbotsnorm,440 sondern darüber hinaus auch die Kenntnis von der Vorschrift und von deren Inhalt überhaupt.441 Eine solche Kenntnis kann zwar für die wettbewerbsrechtlichen Grundnormen, nicht aber für inhaltlich im Einzelnen weniger bekannte Detailregelungen ohne Weiteres vorausgesetzt werden.442 Die wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit eines Unternehmens für redaktionell 117 getarnte Werbung über ein Unternehmenserzeugnis besteht nicht schon allein deshalb, weil der Pressebeitrag auf – sachlich zutreffenden – Informationen des Unternehmens beruht.443 Das Unternehmen ist grundsätzlich nicht gehalten, an die Presse gegebene Informationen mit Sperrauflagen bzw. mit dem Vorbehalt der Überprüfung etwaiger Berichte vor der Veröffentlichung zu versehen. 444 Sperrauflagen und Kontrollpflichten kommen vielmehr (erst) in Betracht, wenn konkrete Umstände die Annahme nahe legen,

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437 BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09 – GRUR 2011, 340 Tz. 27 – Irische Butter; BGH 3.2.1994 – I ZR 321/91 – GRUR 1994, 441, 443 – Kosmetikstudio. 438 BGH 30.6.1972 – I ZR 1/71 – GRUR 1973, 203, 204 – Badische Rundschau; BGH 26.4.1990 – I ZR 127/88 – GRUR 1990, 1012, 1014 – Pressehaftung I; BGH 7.5.1992 – I ZR 119/90 – GRUR 1992, 618, 619 – Pressehaftung II; BGH 10.2.1994 – I ZR 316/91 – GRUR 1994, 454, 455 – Schlankheitswerbung; BGH 10.11.1994 – I ZR 147/92 – GRUR 1995, 751, 752 – Schlussverkaufswerbung; BGH 19.3.1992 – I ZR 166/90 – GRUR 1993, 53, 55 – Ausländischer Inserent. 439 BGH 19.3.1992 – I ZR 166/90 – GRUR 1993, 53, 55 – Ausländischer Inserent. 440 BGH 7.5.1992 – I ZR 119/90 – GRUR 1992, 618, 619 – Pressehaftung II; BGH 19.3.1992 – I ZR 166/90 – GRUR 1993, 53, 55 – Ausländischer Inserent. 441 BGH 30.6.1972 – I ZR 1/71 – GRUR 1973, 203, 204 – Badische Rundschau. 442 BGH 10.11.1994 – I ZR 147/92 – GRUR 1995, 751, 752 – Schlussverkaufswerbung in Bezug auf § 7 Abs. 3 Nr. 1 UWG. 443 BGH 18.2.1993 – I ZR 14/91 – GRUR 1993, 561, 562 – Produktinformation I; BGH 10.3.1994 – I ZR 51/92 – GRUR 1994, 445, 446 – Beipackzettel; BGH 30.6.1994 – I ZR 167/92 – GRUR 1994, 819, 821 – Produktinformation II; BGH 18.10.1995 – I ZR 227/93 – GRUR 1996, 71, 72 f. – Produktinformation III. 444 BGH 30.6.1994 – I ZR 167/92 – GRUR 1994, 819, 821 – Produktinformation II; BGH 18.10.1995 – I ZR 227/93 – GRUR 1996, 71, 72 f. – Produktinformation III.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

dass über das Produkt in wettbewerbsrechtlich unzulässiger Weise berichtet werden wird.445 gg) Verkehrspflichten sonstiger Akteure. Für eine irreführende Reisewerbung haftet neben dem Reiseveranstalter auch der Busunternehmer, der in der Anzeige als Ansprechpartner für Information und Buchung genannt wird.446 Wirkt ein Busunternehmer bei der Planung und Durchführung einer Verkaufsfahrt mit dem Verkaufsveranstalter zusammen und überlässt er dabei letzterem die Werbung, so haftet auch der Busunternehmer für eine Irreführung über den Charakter der Verkaufsfahrt.447 Neben dem Verkaufsveranstalter und dem Busunternehmer haftet zudem auch der Produzent der auf den Verkaufsfahrten angebotenen Erzeugnisse, wenn der Produzent sich nach Ablauf der Verkaufsfahrt unter eigenem Namen an die Käufer seiner Erzeugnisse zwecks Abwicklung des Kaufvertrags wendet.448 Der Vermieter haftet für einen Wettbewerbsverstoß des Mieters, sofern er bei der 119 Vermietung mit dem Ziel der Absatzförderung handelt.449 Ein solches Handeln mit dem Ziel der Absatzförderung ist zu bejahen, wenn der Vermieter den Wettbewerbsverstoß des Mieters aktiv fördert, ihn vertraglich gestattet oder davon profitiert.450 Allein die Kenntnis des Vermieters von wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen des Mieters vermag hingegen (noch) keine Verkehrspflichten zu begründen:451 Die Vermietung als solche begründet noch keine spezifische Gefahr für Wettbewerbsverstöße durch den Mieter.452 Zudem kann der Verletzte in aller Regel unproblematisch gegen den Mieter selbst vorgehen.453 Werbeagenturen haften für allfällige von ihnen bei der Gestaltung und Durchfüh120 rung der Werbung verursachte Wettbewerbsverstöße unabhängig von ihrem Auftraggeber.454 Der Umstand, dass aus einem gegen den Auftraggeber ergangenen Verbot auch wegen Verletzungshandlungen der Werbeagentur vollstreckt werden kann, lässt das Rechtsschutzinteresse an einer Anspruchsdurchsetzung gegen die Werbeagentur als unmittelbar Handelnde nicht entfallen.455 Der Hersteller eines Produkts kann für ein wettbewerbswidriges Verhalten der das 121 Produkt vertreibenden Einzelhändler in Anspruch genommen werden, wenn und soweit der Hersteller die betreffenden Wettbewerbsverstöße durch sein eigenes Verhalten gefördert oder zumindest bedingt vorsätzlich ermöglicht hat.456 118

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445 BGH 18.2.1993 – I ZR 14/91 – GRUR 1993, 561, 562 – Produktinformation I; BGH 30.6.1994 – I ZR 167/92 – GRUR 1994, 819, 821 – Produktinformation II; BGH 18.10.1995 – I ZR 227/93 – GRUR 1996, 71, 72 f. – Produktinformation III. 446 OLG Stuttgart 13.10.1997 – 2 U 114/97 – NJWE-WettbR 1998, 101, 102. 447 BGH 7.7.1988 – I ZR 36/87 – GRUR 1988, 829, 830 – Verkaufsfahrten II. 448 OLG Frankfurt 4.7.1991 – 6 U 128/90 – GRUR 1992, 711. 449 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.13b. 450 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.13b. 451 So aber BGH 23.3.1995 – I ZR 92/93 – GRUR 1995, 601, 602 f. – Bahnhofs-Verkaufsstellen. 452 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.13b. 453 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.13b. 454 BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.13b. A.A. OLG Frankfurt 8.3.2001 – 6 U 71/00 – WRP 2001, 713, 715: Eine Werbeagentur sei zwar unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung gehalten, die von ihr konzipierte Werbung in rechtlicher Hinsicht auf mögliche Wettbewerbsverstöße zu überprüfen. Hinsichtlich der der rechtlichen Überprüfung zugrunde zu legenden Tatsachen dürfe sich die Werbeagentur aber grundsätzlich auf die Angaben des Auftraggebers verlassen. Sich den Ausführungen des OLG Frankfurt anschließend Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 133. 455 BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin. 456 BGH 12.7.1957 – I ZR 52/55 – GRUR 1958, 86, 88 – Ei-fein (Annahme einer Beihilfehandlung); BGH 27.6.1961 – I ZR 13/60 – GRUR 1961, 545, 547 – Plastic-Folien; BGH 24.5.1962 – KZR 4/61 – GRUR 1962, 537,

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I. Haftung für eigenes Verhalten

C. Schuldner der Abwehransprüche

c) Haftung wegen unzureichender Sicherung von Zugangsdaten. Einen weiteren 122 Sonderfall der täterschaftlichen Haftung stellt die in der Halzband-Entscheidung457 durch den BGH entwickelte Haftung wegen unzureichender Sicherung von Zugangsdaten dar. Danach muss sich der Inhaber eines eBay-Mitgliedskontos für den Fall, dass ein Dritter sein Konto benutzt, nachdem er an die Zugangsdaten dieses Kontos gelangt ist, weil der Inhaber des Kontos die Daten nicht hinreichend vor dem Zugriff Dritter gesichert hat, so behandeln lassen, wie wenn er (der Kontoinhaber) selbst gehandelt hätte.458 Eine insoweit bei der Verwahrung der Zugangsdaten für das Mitgliedskonto gegebene Pflichtverletzung soll einen eigenen, gegenüber den eingeführten Grundsätzen der Störerhaftung und der Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten selbstständigen Zurechnungsgrund darstellen.459 aa) Begründung des BGH. Zur Begründung führte der BGH aus, dass die Kontroll- 123 daten und das Passwort eines Mitgliedskontos bei eBay als besonderes Identifikationsmittel ein Handeln unter einem bestimmten Namen nach außen hin ermöglichten.460 Die Identifikationsfunktion der Zugangsdaten gehe dabei weit über die Verwendung etwa eines Briefpapiers, eines Namens oder einer Adresse hinaus, bei denen der Verkehr wisse, dass diese gegebenenfalls von jedermann nachgemacht oder unberechtigterweise verwendet werden können.461 Im Hinblick darauf bestehe eine generelle Verantwortung und Verpflichtung des Inhabers eines Mitgliedskontos bei eBay, seine Kontaktdaten so unter Verschluss zu halten, dass von diesen Daten niemand Kenntnis erlangt.462 Diese Pflicht bestehe allerdings nicht deshalb, weil sonst die Gefahr von Rechtsverletzungen wie etwa Urheberrechts- und Markenrechtsverletzungen erhöht wäre.463 Solche Rechtsverletzungen könnten vielmehr von Dritten auch begangen werden, nachdem sie ein eigenes Mitgliedskonto bei eBay eröffnet haben, was ihnen ohne Weiteres möglich sei, da die Anmeldung als Mitglied bei eBay kostenlos ist.464 Der Grund für die Haftung desjenigen, der entsprechende Kontaktdaten nicht unter Verschluss gehalten hat, bestehe vielmehr in der von ihm geschaffenen Gefahr, dass für den Verkehr Unklarheiten darüber entstehen können, welche Person unter dem betreffenden Mitgliedskonto bei eBay gehandelt hat, und dadurch die Möglichkeiten, den Handelnden zu identifizieren und gegebenenfalls (rechtsgeschäftlich oder deliktisch) in Anspruch zu nehmen, erheblich beeinträchtigt würden.465 Die Haftung des Kontoinhabers auf Unterlassung setze – anders als die Störerhaftung – keinen Verstoß gegen weitere Prüfungspflichten voraus.466 Insbesondere sei die Haftung nicht davon abhängig, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Pflicht des Kontoinhabers bestanden hat, das Verhalten des Dritten auf mögliche Verletzungen der Rechte Dritter zu überprüfen, und ob er diese Prüfungspflicht verletzt hat.467

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543 – Radkappe; BGH 19.6.1963 – Ib ZR 15/62 – GRUR 1964, 88, 89 – Verona-Gerät; BGH 19.2.1965 – Ib ZR 45/63 – GRUR 1965, 485, 488 – Versehrten-Betrieb; BGH 8.11.1972 – I ZR 25/71 – GRUR 1973, 370, 371 – Tabac; BGH 30.1.2003 – I ZR 142/00 – GRUR 2003, 624, 626 – Kleidersack. 457 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134 = GRUR 2009, 597 – Halzband. 458 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 139 = GRUR 2009, 597 Tz. 16 – Halzband. 459 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 139 = GRUR 2009, 597 Tz. 16 – Halzband. 460 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 139 = GRUR 2009, 597 Tz. 18 – Halzband. 461 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 139 = GRUR 2009, 597 Tz. 18 – Halzband. 462 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 140 = GRUR 2009, 597 Tz. 18 – Halzband. 463 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 140 = GRUR 2009, 597 Tz. 18 – Halzband. 464 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 140 = GRUR 2009, 597 Tz. 18 – Halzband. 465 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 140 = GRUR 2009, 597 Tz. 18 – Halzband. 466 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 141 = GRUR 2009, 597 Tz. 20 – Halzband. 467 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 141 = GRUR 2009, 597 Tz. 20 – Halzband.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

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Anders als die Haftung des Betreibers einer Internetplattform, auf der Waren zum Verkauf angeboten und in diesem Zusammenhang Rechtsverstöße begangen werden können, greife die Haftung des Kontoinhabers auch nicht erst dann ein, wenn der Kontoinhaber die unzureichende Sicherung der Kontaktdaten andauern lässt, nachdem er davon Kenntnis erlangt hat, dass ein Dritter sie unberechtigterweise benutzt hat.468 Dem Kontoinhaber werde vielmehr bereits die erste auf der unzureichenden Sicherung der Kontaktdaten beruhende Rechtsverletzung des Dritten als eigenes täterschaftliches Handeln zugerechnet.469 Das für den Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden werde allerdings im Regelfall nur zu bejahen sein, wenn der Kontoinhaber zumindest damit rechnen musste, dass der Dritte die Kontaktdaten zu dem rechtsverletzenden Handeln verwendet.470 Zum Erfordernis des Vorliegens einer geschäftlichen Handlung führte der BGH aus, dass eine geschäftliche Handlung des Kontoinhabers anzunehmen sei, wenn und soweit sich die Verkaufstätigkeit des Dritten als ein Handeln im geschäftlichen Verkehr darstelle.471 Da dem Kontoinhaber das Handeln des Dritten nach den oben dargestellten Grundsätzen als eigenes zugerechnet werde, könne er sich nicht darauf berufen, dass die betreffende Verhaltensweise des Dritten in seiner Person ein Handeln im privaten Bereich dargestellt hätte.472 Eine geschäftliche Handlung des Kontoinhabers liege auch dann vor, wenn der Dritte zwar für sich gesehen privat gehandelt hat, sich sein Verhalten dem Verkehr aber als nicht unterscheidbarer Teil eines geschäftlichen Handelns des Kontoinhabers darstellte.473

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bb) Bewertung im Schrifttum. Die Halzband-Entscheidung wird im Schrifttum unterschiedlich bewertet.474 Teilweise wird sie eher für eine Einzelfallentscheidung gehalten, durch die einer sich aus der unvorsichtigen Verwahrung von Internet-AccountDaten ergebenden besonderen Gefährdungssituation Rechnung getragen werden soll.475 Andere sehen in der Entscheidung dagegen die Begründung einer verallgemeinerungsfähigen akzessorischen Haftung für unmittelbare Verletzungshandlungen Dritter wegen Verkehrspflichtverletzung.476 Die täterschaftliche Haftung wegen unzureichender Sicherung eigener Account-Daten unterscheide sich von den wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten maßgeblich dadurch, dass sie „nicht im Sinne einer von unmittelbaren Verletzungshandlungen Dritter unabhängigen, selbstständigen Verpflichtung zur regelrechten Gefährdungshaftung verdichtet ist“.477 Die Haftung des Account-Inhabers sei vielmehr streng akzessorisch.478 Die Verkehrspflicht sei gerade keine selbstständige Verpflichtung, sondern diene nur der Zurechnung der Verletzungshandlung des Dritten im Rahmen des Unrechtstatbestands.479

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468 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 141 f. = GRUR 2009, 597 Tz. 20 – Halzband. 469 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 142 = GRUR 2009, 597 Tz. 20 – Halzband. 470 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 142 = GRUR 2009, 597 Tz. 20 – Halzband. 471 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 143 = GRUR 2009, 597 Tz. 22 – Halzband. 472 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 143 = GRUR 2009, 597 Tz. 22 – Halzband. 473 BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 143 = GRUR 2009, 597 Tz. 22 – Halzband. 474 Vgl. nur Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.14b; Haedicke JZ 2010, 150, 151; Leistner GRUR-Beil. 2010, 1, 6 ff.; Peifer jurisPR-WettbR 5/2009 Anm. 1; Rössel CR 2009, 453; von Ungern-Sternberg GRUR 2010, 386, 391 f. 475 Haedicke JZ 2010, 150, 151. 476 Leistner GRUR-Beil. 2010, 1, 6 ff. 477 Leistner GRUR-Beil. 2010, 1, 7. 478 Leistner GRUR-Beil. 2010, 1, 7. 479 Leistner GRUR-Beil. 2010, 1, 7.

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I. Haftung für eigenes Verhalten

C. Schuldner der Abwehransprüche

Andere halten die Konstruktion einer Zurechnung des Verhaltens Dritter für proble- 126 matisch.480 Wenn nicht einmal der Geschäftsinhaber dafür einzustehen habe, dass ein Mitarbeiter innerhalb seines Geschäftsbetriebs für eigene Zwecke handelt, so müsse erst recht nicht der Inhaber eines Mitgliedskontos für den Missbrauch des Kontos durch einen Dritten einstehen.481 Erforderlich sei vielmehr ein eigener Wettbewerbsverstoß des Kontoinhabers.482 Da das Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen weder eine irreführende noch eine aggressive Geschäftspraxis darstellt, könne der Kontoinhaber für dieses Verhalten nur unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 bzw. des § 3 Abs. 1 im Verhältnis zu sonstigen Marktteilnehmern haftbar gemacht werden.483 cc) Stellungnahme. Der vorgeschlagene Erst-Recht-Schluss überzeugt, denn die 127 Haftung für das Verhalten eines Außenstehenden kann nicht weiter reichen als die Haftung für einen Mitarbeiter oder Beauftragten. Anknüpfungspunkt für die Haftung des Kontoinhabers ist nicht das Verhalten des Dritten, sondern vielmehr die mangelnde Sicherung der Zugangsdaten durch den Kontoinhaber selbst, also eine eigene Handlung des Kontoinhabers. Nur folgerichtig ist daher die in der Literatur vertretene Ansicht, wonach das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung allein nach der Person des Kontoinhabers zu bestimmen ist.484 Unabhängig von der Qualifizierung des Handelns des Dritten muss die Annahme einer geschäftlichen Handlung demnach von vornherein ausscheiden, wenn der Kontoinhaber das Konto allein für private Zwecke nutzt.485 2. Teilnahme. Entsprechend der allgemeinen deliktsrechtlichen Dogmatik ist im Be- 128 reich der Teilnahme zwischen Anstiftung und Beihilfe zu unterscheiden.486 a) Anstiftung. Anstifter ist, wer einen anderen – zumindest bedingt – vorsätzlich zu 129 einem Wettbewerbsverstoß bestimmt.487 Ein Bestimmen erfordert eine Aufforderung zu einem bestimmten Verhalten.488 Das Zusenden von Informationsschreiben, die keine Aufforderung zu einem bestimmten Handeln und insbesondere weder das Versprechen noch das Inaussichtstellen irgendwelcher Vorteile enthalten, reicht insoweit regelmäßig nicht aus.489 Eine Anstiftungshandlung liegt jedoch etwa in dem Angebot zum Abschluss einer dem Haupttäter standesrechtlich untersagten Vereinbarung.490 Anstiftung, zumindest aber psychische Beihilfe, ist nach der Rechtsprechung auch zu sehen in der unzu-

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480 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.14b. 481 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.14b. 482 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.14b. Die wettbewerbsrechtliche Inanspruchnahme von Personen ohne Täterqualifikation tendenziell zumindest für problematisch haltend auch Peifer jurisPR-WettbR 5/2009 Anm. 1. Peifer weist zudem überzeugend darauf hin, dass die Pflicht zur Geheimhaltung des Passwortes vor allem aus den AGB des Plattformbetreibers resultiert. Über die Annahme einer Verkehrspflicht werde diese Vertragspflicht zur „Jedermannpflicht“ mit der Konsequenz, dass der Plattformbetreiber die Generierung von Verkehrspflichten potentiell in der Hand habe. 483 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.14b. 484 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.14b. 485 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.14b. 486 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 125; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann § 8 Rn. 68; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.15; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 243; Teplitzky Kap. 14 Rn. 3. 487 Vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 126; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann § 8 Rn. 68; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.15; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 243; Teplitzky Kap. 14 Rn. 3. 488 BGH 28.9.2000 – I ZR 141/98 – GRUR 2001, 255, 256 – Augenarztanschreiben. 489 BGH 28.9.2000 – I ZR 141/98 – GRUR 2001, 255, 256 – Augenarztanschreiben; vgl. auch OLG Frankfurt 14.4.2005 – 6 U 111/04 – GRUR-RR 2005, 230, 231 – Verkauf in Praxisräumen. 490 OLG Celle 29.4.2010 – 13 U 151/09 – WRP 2010, 1565, 1566.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

treffenden Behauptung eines Versicherungsvereins, eine bestimmte Beschaffungspraxis sei wettbewerbsrechtlich zulässig.491 Anders als im Strafrecht (vgl. § 26 StGB) muss der Haupttäter nicht vorsätzlich han130 deln.492 Hingegen ist am Vorsatzerfordernis auf Seiten des Anstifters nach der überzeugenden Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil der Literatur festzuhalten.493 Für die Beibehaltung des Vorsatzerfordernisses auf Seiten des Anstifters spricht, dass der Teilnehmer – anders als der Mittäter – auch dann haftet, wenn er keine geschäftliche Handlung vornimmt oder besondere Täterqualifikationen nicht erfüllt.494 Zum Teilnehmervorsatz gehört nicht nur die Kenntnis der objektiven Tatbestandsmerkmale, sondern auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat.495 Das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit setzt grundsätzlich voraus, dass der Anstifter im Zeitpunkt der Teilnahmehandlung mit einem Wettbewerbsverstoß rechnete und diesen billigend in Kauf nahm.496 Für die Annahme einer Billigung genügt es, dass sich der Anstifter um anderer Ziele willen mit einem Wettbewerbsverstoß durch den Haupttäter abfindet, auch wenn ihm ein solcher Verstoß an sich gleichgültig oder unerwünscht war.497 Ausreichend ist insoweit auch, dass sich der Teilnehmer einer Kenntnisnahme von der Unlauterkeit des von ihm veranlassten oder geförderten Verhaltens bewusst entzieht.498 Das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit kann schließlich auch durch eine – plausibel begründete – Abmahnung herbeigeführt werden.499 131

b) Beihilfe. Gehilfe ist, wer einem anderen – zumindest bedingt – vorsätzlich zu dessen Wettbewerbsverstoß Hilfe leistet.500 Als Teilnahmehandlung kommt sowohl ein

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491 BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – GRUR 2008, 810 Tz. 37 – Kommunalversicherer. 492 OLG Brandenburg 13.6.2006 – 6 U 144/05 – GRUR-RR 2007, 18, 19 – Indiziertes Bildmaterial. Kein Vorsatzerfordernis auf Seiten des Haupttäters annehmend wohl auch BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – GRUR 2008, 810 Tz. 15 – Kommunalversicherer: Als Teilnehmer haftet auf Unterlassung, wer – zumindest bedingt – vorsätzlich den Wettbewerbsverstoß eines Anderen fördert. Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 126; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 70; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.15; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 243. 493 BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – GRUR 2008, 810 Tz. 15 – Kommunalversicherer; BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 137 = GRUR 2009, 597 Tz. 14 – Halzband; BGH 18.3.2010 – I ZR 158/07 – GRUR 2010, 536 Tz. 65 – Modulgerüst II; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 30 – Kinderhochstühle im Internet (zur Beihilfe); Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 126; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.15; Teplitzky Kap. 14 Rn. 3. Die Beibehaltung des Vorsatzerfordernisses auf Seiten des Teilnehmers für überdenkenswert haltend dagegen Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 70: Wie die Haftung von Mittätern habe die Teilnehmerhaftung ihren sachlichen Grund darin, dass der Teilnehmer einen eigenen Tatbeitrag zur Verwirklichung des Wettbewerbsverstoßes leistet. Der Teilnehmer hafte (auch nur) für seinen Tatbeitrag auf Unterlassung. Dementsprechend könne von dem Anstifter nur Unterlassung seiner Anstifterhandlung, vom Gehilfen nur Unterlassung seiner Gehilfentätigkeit verlangt werden. Ebenso wenig wie es beim Mittäter für den Unterlassungsanspruch darauf ankomme, ob er seinen Tatbeitrag vorsätzlich geleistet hat, sei die Haftung des Teilnehmers auf Unterlassung von einem vorsätzlichen Handeln abhängig zu machen. Ähnliche Erwägungen anstellend MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 243. 494 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.15. 495 BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – GRUR 2008, 810 Tz. 15 – Kommunalversicherer; BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 137 f. = GRUR 2009, 597 Tz. 14 – Halzband; BGH 18.3.2010 – I ZR 158/07 – GRUR 2010, 536 Tz. 65 – Modulgerüst II; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 30 – Kinderhochstühle im Internet (zur Beihilfe). 496 BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – GRUR 2008, 810 Tz. 45 – Kommunalversicherer. 497 BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – GRUR 2008, 810 Tz. 45 – Kommunalversicherer. 498 BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – GRUR 2008, 810 Tz. 45 – Kommunalversicherer. 499 BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – GRUR 2008, 810 Tz. 47 – Kommunalversicherer. 500 Vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 125; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 68; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.15; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 245; Teplitzky Kap. 14 Rn. 3.

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II. Haftung für fremdes Verhalten

C. Schuldner der Abwehransprüche

positives Tun als auch ein pflichtwidriges Unterlassen in Betracht.501 Eine Beihilfe durch Unterlassen erfordert zusätzlich zu der objektiven Unterstützung der Rechtsverletzung das Vorliegen einer Erfolgsabwendungspflicht des Gehilfen.502 Die zur Verhinderung des Erfolgs erforderliche Handlung muss von dem Verpflichteten zudem auch rechtlich gefordert werden können, d.h. sie muss ihm möglich und zumutbar sein.503 Zur Frage nach dem Vorsatzerfordernis auf Seiten des Haupttäters bzw. des Gehilfen gelten die obigen Ausführungen zur Anstiftung entsprechend (siehe hierzu vorstehend Rn. 130). Der Gehilfe muss demnach mit zumindest bedingtem Vorsatz in Bezug auf die Haupttat handeln, wobei der Vorsatz das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit mit einschließt. In Ansehung des Haupttäters ist hingegen kein vorsätzliches Handeln erforderlich. Beihilfe nahm die Rechtsprechung etwa in einem Fall an, in dem ein Anbieter von 132 Fertigarzneimitteln der Dentalmedizin gegenüber Großhändlern Anregungen zu wettbewerbswidriger Werbung gegenüber den Endkunden gegeben hatte.504 (Zumindest) Gehilfe soll auch sein, wer als Versicherungsverein gegenüber seinen Mitgliedern unzutreffend behauptet, eine bestimmte Beschaffungspraxis sei wettbewerbsrechtlich zulässig.505 Gleiches gilt für ein Unternehmen, das mit seinem zukünftigen Angestellten vereinbart, dass dieser vor seinem Ausscheiden bei seinem bisherigen Arbeitgeber unter Verwendung des Adressenmaterials seines alten Arbeitgebers ein Verabschiedungsschreiben an die bislang von ihm betreuten Kunden richtet und dabei direkt oder indirekt auf seine zukünftige Tätigkeit für den neuen Arbeitgeber hinweist.506 Allenfalls als Gehilfen haften auch Personen, die zwar rein tatsächlich an einer Ver- 133 letzung mitwirken, aber – wie bspw. Plakatkleber oder Prospektverteiler – nicht entscheidungsbefugt und in völlig untergeordneter Stellung ohne eigenen Entscheidungsspielraum tätig sind.507 Eine solche bloß untergeordnete Stellung soll jedoch nicht im Falle eines Konzernunternehmens bestehen, das nach außen als das allein für eine bestimmte Werbung zuständige Unternehmen auftritt.508 Im Falle der Bejahung einer völlig untergeordneten Stellung ist zudem stets zu prüfen, ob bei dem Betreffenden überhaupt ein entsprechender Teilnahmevorsatz vorlag.509 Ferner ist zu fragen, ob dem Betreffenden die Unterlassung oder Beseitigung des Wettbewerbsverstoßes tatsächlich möglich (vgl. § 275 Abs. 1 BGB) bzw. zumutbar (vgl. § 275 Abs. 3 BGB) ist.510 II. Haftung für fremdes Verhalten

II. Haftung für fremdes Verhalten Mit Blick auf die Haftung für fremdes Verhalten von Bedeutung sind die Grundsätze 134 der Organ- und Repräsentantenhaftung, die Haftung für Gesellschaftsschulden und die Haftung für Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen. Die Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte erfährt demgegenüber eine gesonderte Darstellung (siehe hierzu nachfolgend Rn. 142 ff.).

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501 BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – GRUR 2008, 810 Tz. 48 – Kommunalversicherer. 502 BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 34 – Kinderhochstühle im Internet. 503 BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 34 – Kinderhochstühle im Internet. 504 BGH 30.1.2003 – I ZR 142/00 – GRUR 2003, 624, 626 – Kleidersack. 505 BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – GRUR 2008, 810 Tz. 37 – Kommunalversicherer. 506 BGH 22.4.2004 – I ZR 303/01 – WRP 2004, 1021, 1023 – Verabschiedungsschreiben. 507 BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09 – GRUR 2011, 340 Tz. 27 – Irische Butter. 508 BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09 – GRUR 2011, 340 Tz. 28 – Irische Butter. 509 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 128. 510 Vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.15b mit der überzeugenden Schlussfolgerung, dass Personen in völlig untergeordneter Stellung in der Regel wettbewerbsrechtlich nicht in Anspruch genommen werden können. In diesem Sinne auch OLG Nürnberg 29.4.1980 – 3 U 33/80 – WRP 1981, 166.

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Beseitigung und Unterlassung

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1. Organ- und Repräsentantenhaftung. Gemäß § 31 BGB ist der Verein für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Über § 89 BGB findet die Vorschrift des § 31 BGB auf den Fiskus sowie auf die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts entsprechende Anwendung. Ausgehend von den §§ 31, 89 BGB entwickelte die Rechtsprechung die sog. Organ- und Repräsentantenhaftung. Danach haften nach dem Vorbild des eingetragenen Vereins sämtliche Gesellschaften und Personenvereinigungen ohne Entlastungsmöglichkeit für das Handeln ihrer Organe und Repräsentanten.511 Über den Wortlaut der §§ 31, 89 BGB hinaus findet die Organ- und Repräsentantenhaftung auch auf den verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch Anwendung.512 Nach der Lehre vom Organisationsmangel dürfen überdies wichtige Aufgaben(gebiete) nicht auf solche weisungsabhängigen Verrichtungsgehilfen übertragen werden, für die eine Exkulpation auf der Grundlage und am Maßstab von § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht kommt. Demnach haben die betroffenen Organisationen den Gesamtbereich ihrer Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgabengebiete, welche die Organe nicht selbst wahrnehmen können, ein verfassungsmäßig berufener Vertreter zuständig ist, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Wenn und soweit die betriebliche Organisation diesen Anforderungen nicht genügt, muss sich die Gesellschaft so behandeln lassen, als wäre der tatsächlich eingesetzte Verrichtungsgehilfe ein verfassungsmäßig berufener Vertreter.513

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a) Verfassungsmäßig berufene Vertreter. Verfassungsmäßig berufene Vertreter i.S.d. § 31 BGB sind nicht nur Personen, deren Tätigkeit in der Satzung der juristischen Person vorgesehen ist; auch brauchen die entsprechenden Personen nicht mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht ausgestattet zu sein.514 Vielmehr genügt es, dass dem Vertreter durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, dass er also die juristische Person auf diese Weise repräsentiert.515 Durch diese Rechtsprechung ist nicht zuletzt der Anwendungsbereich des § 831 BGB mitsamt der Möglichkeit einer Exkulpation durch Entlastungsbeweis zurückgedrängt worden. Die Rechtsprechung hat als solche verfassungsmäßig berufenen Vertreter etwa Filialleiter516 und die Sozien einer Anwaltskanzlei517 anerkannt. Keine Repräsen-

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511 Vgl. für die AG etwa BGH 9.5.2005 – II ZR 287/02 – NJW 2005, 2450, 2451 f.; für die KGaA etwa RG 19.2.1904 – III 343/03 – RGZ 57, 93, 94 f.; RG 18.10.1917 – VI 143/17 – RGZ 91, 72, 75; RG 27.1.1940 – II 151/39 – RGZ 163, 21; für die eingetragene Genossenschaft etwa BGH 8.7.1986 – VI ZR 47/85 – BGHZ 98, 148, 150 = NJW 1986, 2941; RG 13.2.1911 – VI 652/09 – RGZ 76, 35, 48; RG 30.1.1925 – VI 301/24 – RGZ 110, 145, 147; für die Vor-GmbH etwa OLG Stuttgart 2.11.1988 – 2 W 5/88 – NJW-RR 1989, 638; für die OHG etwa BGH 8.2.1952 – I ZR 92/51 – NJW 1952, 537, 538; für die KG etwa BGH 3.12.1973 – II ZR 144/72 – WM 1974, 153; für die GmbH & Co. KG etwa BGH 10.12.2009 – VII ZR 42/08 – BGHZ 183, 323, 337 = NJW 2010, 1808 Tz. 54; für die GbR etwa BGH 3.5.2007 – IX ZR 218/05 – BGHZ 172, 169, 172 = NJW 2007, 2490 Tz. 9; BGH 24.2.2003 – II ZR 385/99 – BGHZ 154, 88, 93 ff. = NJW 2003, 1445, 1446; BGH 24.6.2003 – VI ZR 434/01 – BGHZ 155, 205 = NJW 2003, 2984, 2985. 512 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.19. 513 BGH 10.5.1957 – I ZR 234/55 – BGHZ 24, 200, 213 = NJW 1957, 785, 786 f.; BGH 8.7.1980 – VI ZR 158/78 – GRUR 1980, 1099, 1104 – Medizinsyndikat II; RG 9.3.1938 – VI 212/37 – RGZ 157, 235. 514 BGH 30.10.1967 – VII ZR 82/65 – BGHZ 49, 19, 21 = NJW 1968, 391, 391. 515 BGH 30.10.1967 – VII ZR 82/65 – BGHZ 49, 19, 21 = NJW 1968, 391, 392 m.w.N. 516 BGH 5.3.1998 – III ZR 183-96 – NJW 1998, 1854, 1856 m.w.N. 517 BGH 3.5.2007 – IX ZR 218/05 – BGHZ 172, 169 = NJW 2007, 2490 Tz. 17.

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II. Haftung für fremdes Verhalten

C. Schuldner der Abwehransprüche

tantin in diesem Sinne ist demgegenüber bspw. eine juristisch selbstständige, nicht weisungsgebundene Schwestergesellschaft.518 Ebenso wenig kann der Franchisegeber als Repräsentant des Franchisenehmers angesehen werden.519 Ist der Handelnde Organ mehrerer juristischer Personen, so ist für die Zuordnung seines Handelns die Sicht eines objektiven Betrachters maßgeblich.520 b) In Ausführung der zustehenden Verrichtungen. In Ausführung der zustehen- 137 den Verrichtungen geschieht eine Handlung, die noch in den Kreis der Maßnahmen fällt, welche die Ausführung der dem Vertreter zustehenden Verrichtungen darstellen.521 Es muss ein enger, objektiver Zusammenhang mit diesen Maßnahmen bestehen.522 Eine Überschreitung des Auftrags oder ein Missbrauch der Vollmacht schließen die Haftung hierbei nicht aus.523 Auch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung kann noch in engem, objektiven Zusammenhang mit den zugewiesenen Verrichtungen stehen; dies gilt insbesondere dann, wenn durch die Handlung gerade die übertragenen besonderen Pflichten verletzt werden.524 c) Haftung des Repräsentanten. Die Organ- oder Repräsentantenhaftung schließt 138 die Haftung des Repräsentanten nicht aus, wenn der Repräsentant persönlich den deliktsrechtlichen Tatbestand verwirklicht hat.525 Der persönlichen Inanspruchnahme des Repräsentanten wegen einer von diesem begangenen wettbewerbswidrigen Handlung steht auch nicht entgegen, dass das Unternehmen wegen eben dieser Wettbewerbshandlung bereits erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen worden ist.526 Der Repräsentant haftet persönlich, wenn er entweder selbst die Rechtsverletzung begangen oder veranlasst hat oder die eines anderen gekannt und pflichtwidrig nicht verhindert hat.527 Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche und wegen der begangenen Rechtsverletzung zu vermutende Wiederholungsgefahr entfällt nicht dadurch, dass der Repräsentant seine Tätigkeit für das Unternehmen aufgibt.528 Denn es ist nicht auszuschließen, dass der Repräsentant das Geschäftsmodell so oder in kerngleichem Charakter als Einzelkaufmann oder als Verantwortlicher eines anderen Unternehmens weiter

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518 OLG München 6.2.1985 – 6 W 2980/84 – WRP 1985, 238, 238 f. 519 BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I. 520 OLG Frankfurt 9.8.1984 – 6 U 66/84 – WRP 1985, 33, 34. Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 150; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.19. 521 BGH 30.10.1967 – VII ZR 82/65 – BGHZ 49, 19, 21 = NJW 1968, 391, 392. 522 BGH 30.10.1967 – VII ZR 82/65 – BGHZ 49, 19, 21 = NJW 1968, 391, 392. 523 BGH 30.10.1967 – VII ZR 82/65 – BGHZ 49, 19, 21 = NJW 1968, 391, 392. 524 BGH 5.12.1958 – VI ZR 114/57 – NJW 1959, 379, 379 f.; BGH 30.10.1967 – VII ZR 82/65 – BGHZ 49, 19, 21 = NJW 1968, 391, 392. Vgl. auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 150; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.19; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 251. 525 BGH 12.4.1957 – I ZR 28/56 – GRUR 1959, 428, 429 – Michaelismesse; BGH 12.3.1996 – VI ZR 90/95 – NJW 1996, 1535, 1536; OLG Düsseldorf 21.1.1997 – 20 U 230/95 – NJWE-WettbR 1997, 245 – Künstliche Prozessverdoppelung; OLG Bremen 22.6.2006 – 2 U 19/06 – AfP 2007, 219, 220; OLG Köln 28.2.2011 – 6 W 35/11 – GRUR-RR 2011, 370, 370 f. – Gesellschafter-Unternehmer. Vgl. auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 152; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 113; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.20. 526 OLG Bremen 22.6.2006 – 2 U 19/06 – AfP 2007, 219, 220. 527 BGH 26.9.1985 – I ZR 86/83 – GRUR 1986, 248, 251 – Sporthosen; BGH 22.4.2009 – I ZR 216 /06 – WRP 2009, 1001, 1005 – Internet-Video-Recorder; BGH 12.11.2009 – I ZR 166/07 – GRUR 2010, 616 Tz. 34 – marions-kochbuch.de; Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 152; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.20. 528 BGH 3.6.1976 – X ZR 57/73 – GRUR 1976, 579, 582 f. – Tylosin; BGH 22.4.2009 – I ZR 216 /06 – WRP 2009, 1001, 1006 f. – Internet-Video-Recorder (zum Patentrecht).

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§8

Beseitigung und Unterlassung

betreibt oder wieder aufnimmt.529 Ein alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer, der auf Grund einer internen Geschäftsverteilung den Bereich der werbenden Tätigkeit der GmbH einem zweiten alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer überlässt, kann gleichwohl für einen ohne seine Kenntnis von der GmbH begangenen Wettbewerbsverstoß verantwortlich sein.530 139

d) Lehre vom Organisationsmangel. Nach der Lehre vom Organisationsmangel dürfen zudem wichtige Aufgaben nicht auf weisungsabhängige Verrichtungsgehilfen i.S.v. § 831 Abs. 1 BGB übertragen werden.531 Einem mit wichtigen Aufgaben beauftragten Dritten muss vielmehr eine Organstellung bzw. die Stellung eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters verschafft werden, so dass die Gesellschaft für sein Verschulden ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen hat.532 Zieht die Gesellschaft insoweit gleichwohl eigene Mitarbeiter ohne entsprechende Stellung heran, so kann die Gesellschaft sich haftungsrechtlich von deren Verschulden nicht freizeichnen.533 Die Gesellschaft muss sich vielmehr so behandeln lassen, als habe sie den Beauftragten eine entsprechende Stellung eingeräumt.534 Eine Entlastungsmöglichkeit kommt auch dann nicht in Betracht, wenn zwar ein Organ bestellt ist, die betreffende Person aber etwa wegen Überlastung faktisch nicht in der Lage ist, mögliche Wettbewerbsverstöße zu erkennen und zu verhindern.535 Die Lehre vom Organisationsmangel findet darüber hinaus auch auf Einzelunternehmer Anwendung.536

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2. Haftung für Gesellschaftsschulden. Die persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft können nicht schon allein auf Grund ihrer Gesellschafterstellung wegen eines gegen die Gesellschaft bestehenden Unterlassungsanspruchs in Anspruch genommen werden.537 Der Unterlassungsanspruch stellt keine Verbindlichkeit der Gesellschaft i.S.v. §§ 128, 129 HGB dar.538 Auf Unterlassung haftet vielmehr nur derjenige Gesellschafter, der den Wettbewerbsverstoß selbst begangen hat.539 Der

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529 BGH 3.6.1976 – X ZR 57/73 – GRUR 1976, 579, 583 – Tylosin; BGH 22.4.2009 – I ZR 216 /06 – WRP 2009, 1001, 1006 f. – Internet-Video-Recorder (zum Patentrecht). 530 OLG Frankfurt 11.5.2000 – 6 U 32/00 – GRUR-RR 2001, 198, 199 – Haftung des zweiten Geschäftsführers. A.A. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.20. 531 BGH 8.7.1980 – VI ZR 158/78 – GRUR 1980, 1099, 1104 – Medizinsyndikat II. Vgl. weiterhin BGH 10.5.1957 – I ZR 234/55 – BGHZ 24, 200, 213 = NJW 1957, 785, 786 f.; RG 9.3.1938 – VI 212/37 – RGZ 157, 235. Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 151; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.22 f.; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 251. 532 BGH 8.7.1980 – VI ZR 158/78 – GRUR 1980, 1099, 1104 – Medizinsyndikat II. Vgl. weiterhin BGH 10.5.1957 – I ZR 234/55 – BGHZ 24, 200, 213 = NJW 1957, 785, 786 f.; RG 9.3.1938 – VI 212/37 – RGZ 157, 235. 533 BGH 8.7.1980 – VI ZR 158/78 – GRUR 1980, 1099, 1104 – Medizinsyndikat II. Vgl. weiterhin BGH 10.5.1957 – I ZR 234/55 – BGHZ 24, 200, 213 = NJW 1957, 785, 786 f.; RG 9.3.1938 – VI 212/37 – RGZ 157, 235. 534 BGH 8.7.1980 – VI ZR 158/78 – GRUR 1980, 1099, 1104 – Medizinsyndikat II. Vgl. weiterhin BGH 10.5.1957 – I ZR 234/55 – BGHZ 24, 200, 213 = NJW 1957, 785, 786 f.; RG 9.3.1938 – VI 212/37 – RGZ 157, 235. 535 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.22. 536 BGH 12.7.1968 – I ZR 70/66 – GRUR 1969, 51, 52 – Glassteine. Vgl. auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 151; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.22. 537 BGH 3.11.2005 – I ZR 311/02 – WRP 2006, 765, 767 – Michel-Nummern; OLG Nürnberg 22.8.1995 – 3 U 1981/95 – GRUR 1996, 206, 208; OLG Karlsruhe 25.2.1998 – 6 U 148/97 – WRP 1998, 898, 899; OLG Naumburg 17.2.2011 – 1 U 91/10 – WRP 2011, 1327, 1329. 538 BGH 3.11.2005 – I ZR 311/02 – WRP 2006, 765, 767 – Michel-Nummern; OLG Nürnberg 22.8.1995 – 3 U 1981/95 – GRUR 1996, 206, 208; OLG Karlsruhe 25.2.1998 – 6 U 148/97 – WRP 1998, 898, 899. Vgl. weiterhin Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.21; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 255. 539 BGH 3.11.2005 – I ZR 311/02 – WRP 2006, 765, 767 – Michel-Nummern; OLG Nürnberg 22.8.1995 – 3 U 1981/95 – GRUR 1996, 206, 208; OLG Karlsruhe 25.2.1998 – 6 U 148/97 – WRP 1998, 898, 899. Vgl. weiterhin

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III. Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte

C. Schuldner der Abwehransprüche

Begehung des Verstoßes stehen gleich die pflichtwidrige Nichtverhinderung des Erfolgseintritts sowie die Teilnahme am Verstoß.540 Dem handelnden Gesellschafter ist das beanstandete Verhalten unabhängig davon zu untersagen, ob sein Verhalten der Gesellschaft zugerechnet werden kann oder nicht.541 Ferner wird das rechtliche Schicksal des Anspruchs gegen den handelnden Gesellschafter durch die Rechtskraft einer gegen die Gesellschaft ergangenen Entscheidung nicht berührt.542 Diese Grundsätze gelten erst recht auch in Ansehung der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft.543 3. Haftung für Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen. Die Zurechnungsnorm des 141 § 278 BGB findet nur innerhalb bestehender gesetzlicher oder vertraglicher Schuldverhältnisse Anwendung. Das Wettbewerbsverhältnis selbst bildet nach zutreffender Auffassung allerdings gerade kein bereits bestehendes Schuldverhältnis.544 Die Voraussetzungen für eine Zurechnung nach § 278 BGB liegen jedoch vor, wenn die Unterlassungsverpflichtung des Verletzers auf einem Unterlassungsvertrag beruht.545 Eine für die Anwendung des § 278 BGB ausreichende wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung eigener Art kann ferner aufgrund einer Verletzungshandlung und einer nachfolgenden Abmahnung entstehen.546 Der Unterlassungsschuldner muss sich weiterhin über § 278 BGB Zuwiderhandlungen seiner Erfüllungsgehilfen unabhängig davon zurechnen lassen, ob diese Erfüllungsgehilfen von der Unterlassungsverpflichtung Kenntnis haben.547 Der Haftung für Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB kommt im Wettbewerbsrecht aufgrund der Sonderregelung des § 8 Absatz 2 demgegenüber praktisch keine Bedeutung zu.548 Dabei steht der Anwendung von § 831 BGB die in § 8 Absatz 2 enthaltene Regelung nicht entgegen.549 III. Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte III. Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte (Absatz 2) Nach Absatz 2 „sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch 142 auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet“, wenn „die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen“ werden. Eine entsprechende Regelung befand sich bereits in der Vorgängernorm des § 13 Abs. 4

_____ Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 153; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 129; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.21. 540 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.21; sich anschließend OLG Naumburg 17.2.2011 – 1 U 91/10 – WRP 2011, 1327, 1329. 541 BGH 3.11.2005 – I ZR 311/02 – WRP 2006, 765, 767 – Michel-Nummern. 542 BGH 3.11.2005 – I ZR 311/02 – WRP 2006, 765, 767 – Michel-Nummern. 543 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.21; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 129. 544 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.23. 545 BGH 7.12.1989 – I ZR 237/87 – GRUR 1990, 534, 534 – Abruf-Coupon. Vgl. ferner Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 154; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 127; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.23; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 247. 546 BGH 19.6.1986 – I ZR 65/84 – GRUR 1987, 54, 55 – Aufklärungspflicht des Abgemahnten; BGH 5.5.1988 – I ZR 151/86 – GRUR 1988, 716, 717 – Aufklärungspflicht gegenüber Verbänden; BGH 19.10.1989 – I ZR 63/88 – GRUR 1990, 381, 381 – Antwortpflicht des Abgemahnten. 547 BGH 21.4.1954 – VI ZR 55/53 – BGHZ 13, 111, 113 = NJW 1954, 1193, 1193; BGH 30.3.1988 – I ZR 40/86 – GRUR 1988, 561, 562 – Verlagsverschulden I; BGH 22.1.1998 – I ZR 18/96 – GRUR 1998, 963, 965 – Verlagsverschulden II. Vgl. auch MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 247. 548 Ebenso Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 155; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.23; Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 128; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 249. 549 BGH 25.4.2012 – I ZR 105/10 – GRUR 2012, 1279 Tz. 43 – DAS GROSSE RÄTSELHEFT.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

a.F., wobei der seinerzeitige Normtext für die nunmehrige Fassung bis auf kleine sprachliche Änderungen übernommen wurde.550 1. Rechtsnatur und Normzweck. Da nach dem Wortlaut ein selbständiger materieller Anspruch gegen den Unternehmensinhaber begründet werden soll, ist die Vorschrift richtigerweise als eigene Anspruchsgrundlage anzusehen.551 Die Vorschrift hat somit nicht nur klarstellende Bedeutung dahingehend, dass neben dem Unternehmensinhaber auch die Mitarbeiter oder Beauftragten haften, d.h. die Haftung des Inhabers auf diese Personen ausgedehnt wird.552 Den maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die (eigenständige) Haftung des Inhabers bildet nicht dessen eigenes Verhalten, sondern vielmehr die geschäftliche Handlung (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1) des Dritten, weshalb die Regelung in Absatz 2 trotz ihrer Rechtsnatur als Anspruchsgrundlage auch als eine Art von Zurechnungsnorm im weiteren Sinne bezeichnet werden kann.553 In diesem Sinne haftet der Unternehmensinhaber nicht für sein eigenes, sondern für ein fremdes Verhalten.554 Mit Blick auf die Rechtsfolge ist die Vorschrift jedoch von reinen Zurechnungsvorschriften – so insbesondere von § 278 BGB – abzugrenzen, da diese reinen Zurechnungsvorschriften gerade keinen zusätzlichen selbstständigen Anspruch begründen, sondern ihrerseits vielmehr eine eigenständige Anspruchsgrundlage voraussetzen. Absatz 2 ähnelt demgegenüber rechtsdogmatisch der deliktischen Haftung für Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB.555 Maßgeblicher Normzweck des Absatz 2 ist die Ermöglichung der wettbewerbsrecht144 lichen Inanspruchnahme desjenigen, dem die Zuwiderhandlung aus wirtschaftlicher Sicht letztlich zugute kommt. Diese wirtschaftlich profitierende Person soll sich nicht hinter den von ihr abhängigen Dritten gleichsam „verstecken“ können.556 Denn durch die Einbindung der Mitarbeiter in die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens kann ein Unternehmensinhaber seine Tätigkeit erheblich ausweiten und damit seine Einnahmenerzielung- und Gewinnpotenziale substanziell ausbauen. Soweit jedoch nur die unmittelbar handelnden Dritten nach Absatz 1 in Anspruch genommen werden können und damit letztlich das haftungsrechtliche Risiko für Wettbewerbsverstöße tragen, können sowohl im Hinblick auf die Haftungsrisiken der Mitarbeiter und Beauftragten als auch im Hinblick auf die Interessen der Anspruchsgegner unbillige Ergebnisse entstehen. Schließlich kann der Unternehmensinhaber die von den Dritten geschaffenen 143

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550 Vgl. RegE BTDrucks. 15/1487 S. 22 sowie die Ausführungen unter Rn. 156 zu dem Begriff des „Mitarbeiters“ und unter Rn. 167 zum Begriff des „Unternehmensinhabers“. Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Absatz 2 die Ausführungen von Teplitzky Kap. 14 Rn. 17 m.w.N. 551 BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin; BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 608 – Franchise-Nehmer; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.32; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 293; Teplitzky Kap. 14 Rn. 19. 552 So wohl noch zur Vorgängernorm § 13 Abs.4 a.F.; Schünemann WRP 1998, 120, 124. 553 Vgl. BGH 3.2.1994 – I ZR 321/91 – GRUR 1994, 441, 443 – Kosmetikstudio; MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 293. Vgl. auch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 302, die Abgrenzung zwischen Zurechnungsnorm und Anspruchsgrundlage für entbehrlich haltend. 554 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 300; Schünemann WRP 1998, 120, 124. 555 So auch Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.32. 556 Vgl. RG 22.5.1936 – II 285/35 – RGZ 151, 287, 292 – Alpina; BGH 6.8.1958 – I ZR 33/57 – BGHZ 28, 1, 10 = GRUR 1959, 38, 44 – Buchgemeinschaft II; BGH 5.10.1979 – I ZR 140/77 – GRUR 1980, 116, 117 – Textildruck; BGH 31.5.1990 – I ZR 228/88 – GRUR 1990, 1039, 1040 – Anzeigenauftrag; BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer; BGH 26.4.2007 – I ZR 34/05 – BGHZ 172, 165 = GRUR 2007, 995 – Schuldnachfolge; BGH 28.6.2007 – I ZR 153/04 – GRUR 2008, 186, 188 Tz. 22 – Telefonaktion; BGH 7.10. 2009 – I ZR 109/06 – GRUR 2009, 1167, 1170 – Partnerprogramme; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.33 m.w.N.; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 307.

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III. Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte

C. Schuldner der Abwehransprüche

Risiken i.d.R. ohne Weiteres entscheidend beeinflussen und steuern sowie den Einwirkungsbereich seines geschäftlichen Handelns kontrollieren. 557 Soweit der Unternehmensinhaber von dieser arbeitsteiligen Organisation profitiert, muss er aber konsequenterweise auch die damit verbundenen haftungsrechtlichen Risiken tragen; dies gilt jedenfalls wenn und soweit diese haftungsrechtlichen Risiken für ihn überschaubar sind.558 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die direkten Ansprüche gegen den unmittelbar Handelnden in wirtschaftlicher Hinsicht für den Anspruchsgegner oftmals nahezu wertlos sind.559 Der Tatbestand des Absatzes 2 begründet nach alledem eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung des Unternehmensinhabers ohne Exkulpationsmöglichkeit – etwa bei fehlendem Auswahl- oder Überwachungsverschulden – oder weitere Einschränkungen.560 Die Vorschrift schließt damit in verfassungskonformer Weise561 die ansonsten im allgemeinen Deliktsrecht bestehende Haftungslücke bei der Anwendung der §§ 831, 1004 BGB.562 2. Anwendungsbereich und Bedeutung. Ausdrücklich begründet Absatz 2 nur Be- 145 seitigungs- und Unterlassungsansprüche gegen den Unternehmensinhaber. Jedoch sind nach Sinn und Zweck der Norm anerkanntermaßen auch solche Auskunftsansprüche erfasst, welche für die Durchsetzung der Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche erforderlich sind.563 Nach der Gesetzesbegründung und der Systematik gelten für die entsprechenden lauterkeitsrechtlichen Ansprüche (siehe hierzu etwa nachstehend § 9 Rn. 41 ff.) dagegen nur die allgemeinen Bestimmungen, d.h. insbesondere die §§ 31, 831 BGB.564 Entsprechendes gilt für die mit diesen lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen in Zusammenhang stehenden Auskunftsansprüche.565 Die Systematik der §§ 8 ff. unterscheidet sich damit insbesondere von der markenrechtlichen Haftung des Betriebsinhabers für Verletzungshandlungen Dritter nach Maßgabe von §§ 14 Abs. 7, 15 Abs. 6, 128 Abs. 3 MarkenG sowie von der allgemeinen zivilrechtlichen Zurechnungsregelung566 für Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB, da eine „Zurechnung“ von Schadensersatzansprüchen nicht erfolgt.567

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557 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 215; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 294. 558 Vgl. BGH 19.4. 2007 – I ZR 92/04 – GRUR 2007, 994 Tz. 19 – Gefälligkeit; BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – GRUR 2009, 597 Tz. 15 – Halzband; BGH 7.10.2009 – I ZR 109/06 – GRUR 2009, 1167, 1170 Tz. 21 – Partnerprogramm; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.33; Teplitzky Kap. 14 Rn. 17. 559 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 169 f.; Köhler GRUR 1991, 344, 345; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 294. 560 BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler; BGH 28.10.2010 – I ZR 174/08 – GRUR 2011, 543 f. Tz. 13 – Änderung der Voreinstellung III; vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 216; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 297 f., 301; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 294; vgl. zu den Rechtsfolgen nachfolgend Rn. 174 ff. 561 Vgl. für den verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch bei Urheberrechtsverstößen BVerfG NJW 1996, 2567. 562 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.33. 563 BGH 23.2.1995 – I ZR 75/93 – GRUR 1995, 427, 428 – Schwarze Liste; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 172; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.35; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 296; Teplitzky Kap. 14 Rn. 16. 564 Für das Verhältnis der verschiedenen Absätze der inhaltsgleichen Vorgängernorm zueinander vgl. BGH 12.6.1997 – I ZR 36/95 – GRUR 1998, 167, 168 f. – Restaurantführer; BGH 9.2.2006 – I ZR 73/02 – GRUR 2006, 426 Tz. 24 – Direktansprache am Arbeitsplatz II; zu § 9 vgl. BGH 18.12.1986 – I ZR 67/85 – GRUR 1987, 524, 525 – Chanel No. 5 II; BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I. 565 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 295. 566 Die Zurechnung nach § 278 BGB ist in dogmatischer Hinsicht jedoch klar von der „Zurechnungsnorm“ des § 8 Abs. 2 zu trennen, da diese gerade keinen eigenen Anspruch begründet. 567 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 295; Teplitzky Kap. 31 Rn. 13.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

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Die Haftung des Unternehmensinhabers setzt eine Zuwiderhandlung i.S.d. § 3 voraus (siehe dazu allgemein nachstehend unter Rn. 150 f.). Verstößt der Mitarbeiter oder Beauftragte gegen eine Straf- oder Bußgeldvorschrift der §§ 16 ff. ist die Zurechnungsnorm nur dann anwendbar, soweit dies zugleich eine Zuwiderhandlung i.S.d. § 4 Nr. 11 i.V.m. § 3 darstellt.568 Der Dritte muss daher einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandeln, die „auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.“569 Nicht ausreichend ist dagegen ein sonstiger Verstoß, der demnach allenfalls zu einer Anwendbarkeit des § 823 Abs. 2 BGB führt.570 Ebenfalls nicht anwendbar ist Absatz 2 im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO571 und bei Unterlassungsverträgen.572 Davon unberührt bleibt jedoch eine Zurechnung nach § 278 BGB, soweit der Dritte im konkreten Einzelfall als Erfüllungsgehilfe handelt.573 Entsprechendes gilt für eine Haftung des Inhabers auf der Grundlage und am Maßstab von § 9 Satz 1 auf Schadensersatz, wenn es der Unternehmensinhaber entgegen seiner aus Absatz 2 resultierenden Pflicht schuldhaft unterlässt, weitere Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter oder Beauftragten zu unterbinden.574 147 Umstritten ist, ob eine Anwendung des Absatz 2 auch dann möglich ist, wenn der Unternehmensinhaber daneben noch aus anderen Gründen haftet. Für den Fall der Haftung des Inhabers für Organe und gleichgestellte Repräsentanten nach §§ 31, 89 BGB kann dies offen gelassen werden, da diese regelmäßig keine Mitarbeiter oder Beauftragten sind575 und sich die beiden „Zurechnungsnormen“ daher bereits tatbestandlich ausschließen.576 Anders verhält es sich dagegen bei einer etwaigen Haftung des Inhabers als Mittäter, mittelbarer Täter oder Beteiligter. In diesen Fällen wird teilweise eine Anwendbarkeit des Absatzes 2 mit Verweis auf die subsidiäre Stellung der Vorschriften abgelehnt.577 Diese Argumentation überzeugt jedoch nicht zuletzt auch deshalb nicht, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des Absatzes 2 unter Umständen leichter zu beweisen sind.578 In Abgrenzung zur Haftung als Mittäter ist im Rahmen des Absatzes 2 etwa ausreichend, dass ein Mitarbeiter oder Beauftragter des Unternehmensinhabers die Zuwiderhandlung nachweislich begangen hat. Nicht erforderlich ist insofern der Nachweis, dass der Inhaber bewusst mit dem Dritten gemeinschaftlich zusammengewirkt hat.579 Soweit jedoch auch die Voraussetzungen der (mit-) täterschaftlichen Begehung nachweislich vorliegen, ist ein Rückgriff auf den im Hinblick auf die Rechtsfolge engeren Absatz 2 nicht notwendig.580

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568 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 299; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.36. 569 So der Wortlaut von § 4 Nr. 11. 570 Vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 296. 571 BVerfG 25.10.1966 – 2 BvR 506/63 – BVerfGE 20, 323 = GRUR 1967, 213; OLG Schleswig 18.2.2005 – 6 W 7/05 – MMR 2005, 854, 855; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 296; Teplitzky Kap. 14 Rn. 22. 572 BGH 22.1.1998 – I ZR 18/96 – GRUR 1998, 963, 965 – Verlagsverschulden II. 573 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 296. 574 Vgl. LG Köln 29. 5. 2008 – 31 O 845/07 – GRUR-RR 2009, 154, 155 – Haftung für Virals. 575 Vgl. dazu ausführlich nachstehend Rn. 155 ff. 576 So auch MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 296. 577 Offen gelassen etwa in BGH 3.2.1994 – I ZR 321/91 – GRUR 1994, 441, 443 – Kosmetikstudio. 578 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.32; daneben auch MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 297. 579 Vgl. zur Mittäterschaft allgemein unter Rn. 98. 580 Vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.32 unter Verweis auf BGH 3.2.1994 – I ZR 321/91 – GRUR 1994, 441, 443 – Kosmetikstudio; BGH 11.3.2010 – I ZR 123/08 – GRUR 2010, 936, 938 Tz. 20 – Espressomaschine; BGH 18.3.2010 – I ZR 16/08 – GRUR 2010, 1110, 1112 Tz. 33 – Versandkosten bei Froogle II; OLG München 11.9.2008 – 29 U 3629/08 – WRP 2008, 1471, 1473.

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III. Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte

C. Schuldner der Abwehransprüche

Neben den markenrechtlichen Normen (§§ 14 Abs. 7, 15 Abs. 6, 128 Abs. 3 MarkenG) 148 finden sich mit § 8 Absatz 2 vergleichbare Regelungen auch in §§ 44 GeschmMG, § 99 UrhG und § 2 Abs. 1 Satz 2 UKlaG. 3. Voraussetzungen. Eine Haftung des Unternehmensinhabers auf Unterlassung 149 und Beseitigung nach Absatz 2 setzt die Begehung von „Zuwiderhandlungen“ von „einem Mitarbeiter oder Beauftragten“ „in einem Unternehmen“ voraus. Nicht erfasst von der Regelung ist dagegen die Haftung des Inhabers für eine eigene unzulässige geschäftliche Handlung oder eine Handlung in Zusammenwirkung mit einem Mitarbeiter oder Beauftragten. Insofern richtet sich die Haftung des Inhabers unmittelbar nach Absatz 1, weshalb es eines Rückgriffs auf Absatz 2 gerade nicht bedarf.581 Da der Gesetzestelos von Absatz 2 darauf gerichtet ist, dass sich der Unternehmensinhaber nicht hinter Dritten gleichsam „verstecken“ können soll, sind die enthaltenen Tatbestandsmerkmale unter Berücksichtigung dieser Zielrichtung grundsätzlich eher weit auszulegen.582 a) Zuwiderhandlung. Der Mitarbeiter oder Beauftragte muss eine Zuwiderhandlung 150 begangen haben. Anknüpfungspunkt der Zuwiderhandlung ist nach der systematischen Stellung der Bestimmung die in Absatz 1 Satz 1 genannte unzulässige geschäftliche Handlung nach § 3 oder § 7. Aus dem Wortlaut des Gesetzes („auch gegen den Inhaber“) ist abzuleiten, dass der Mitarbeiter oder Beauftragte grundsätzlich selbst dem Anspruch aus Absatz 1 ausgesetzt sein muss, d.h. den jeweiligen Tatbestand selbst verwirklicht haben muss.583 Im Umkehrschluss scheidet damit eine Haftung des Unternehmensinhabers aus, wenn und soweit ein Anspruch aus Absatz 1 gegen den Mitarbeiter oder Beauftragten nicht entstanden ist.584 Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der Mitarbeiter oder Beauftragte im jeweiligen Einzelfall ohne Wettbewerbsabsicht handelt oder ein zulässiger Abwehreinwand durchgreift.585 Entgegen seines Wortlauts und der systematischen Stellung des Absatzes 1 Satz 2 umfasst Absatz 2 auch den Fall der drohenden Zuwiderhandlung.586 Eine ansonsten bestehende Ungleichbehandlung von Verletzungsunterlassungsanspruch (Absatz 1 Satz 1 Var. 2) und vorbeugendem Unterlassungsanspruch (Absatz 1 Satz 2) lässt sich mit Hinblick auf den Normzweck nicht begründen. Voraussetzung des Anspruchs gegen den Unternehmensinhaber ist, dass der Ab- 151 wehranspruch gegen den Mitarbeiter oder Beauftragten überhaupt entstanden ist. Die Frage des Erlöschens und der Durchsetzbarkeit des Anspruchs gegen den Unternehmensinhaber ist allerdings getrennt zu behandeln von dem weiteren Schicksal des Anspruchs gegen den Mitarbeiter oder Beauftragten nach Absatz 1.587 So hat insbesondere das Erlöschen des Anspruchs gegen den Dritten, der die geschäftliche Handlung nach § 3 oder § 7 begangen hat, etwa wegen des Wegfalls der Begehungsgefahr, keine Auswir-

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581 Etwas anderes kann sich jedoch mit Blick auf die Beweislage ergeben, vgl. dazu etwa Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 220; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 293. 582 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.34; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 298. 583 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 220. 584 BGH 12.7.1968 – I ZR 70/66 – GRUR 1969, 51, 52 – Glassteine; BGH 7.3.1996 – I ZR 33/94 – GRUR 1996, 798, 800 – Lohnentwesungen. 585 BGH 7.3.1996 – I ZR 33/94 – GRUR 1996, 798, 800 – Lohnentwesungen; vgl. auch MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 306. 586 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 220; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 316. 587 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 220.

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kung(en) auf den Anspruch gegen den Unternehmensinhaber.588 Entsprechendes gilt, soweit der Anspruch nicht (mehr) durchsetzbar ist, etwa weil der Dritte den Störungszustand nicht ohne Mitwirkung des Unternehmensinhabers beseitigen kann589 oder der Anspruch mittlerweile verjährt ist.590 Allerdings können in diesen Fällen auch stets die Voraussetzungen des Anspruchs gegen den Unternehmensinhaber selbst berührt sein, etwa wenn auch dieser Anspruch verjährt oder im Rahmen des Beseitigungsanspruchs der Störungszustand weggefallen ist.591 b) In einem Unternehmen. Die in Rede stehende Zuwiderhandlung muss „in einem Unternehmen“ begangen worden sein. Abweichend vom natürlichen Wortlaut ist das Merkmal nicht räumlich, sondern funktional zu verstehen.592 Maßgeblich ist somit ein innerer Bezug zwischen der unzulässigen geschäftlichen Handlung des Mitarbeiters oder des Beauftragten und dem Unternehmen in der Form, dass die Handlung auf die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens zurückzuführen ist.593 Unter Berücksichtigung des Normzwecks muss die Handlung in den (tatsächlichen) Geschäftsbereich des Unternehmens fallen und diesem Unternehmen (zumindest auch) zugutekommen sollen.594 Einzufordern ist insoweit, dass der Mitarbeiter oder Beauftragte den Rahmen der gewerblichen Tätigkeit des Unternehmens nicht überschreitet und der bestimmende Einfluss der Unternehmensleitung auf die Handlungen des Dritten auf vertraglichen oder anderen Beziehungen beruht, „die eine gewisse, wenngleich in weitem Sinne zu verstehende, Zugehörigkeit des Dritten zu dem betrieblichen Organismus begründe[t].“595 Unerheblich ist demgegenüber, ob der Mitarbeiter oder Beauftragte ohne Wissen des Unternehmensinhabers handelt oder sich sogar über dessen Weisungen hinwegsetzt.596 Der innere Bezug der geschäftlichen Handlung zu dem Unternehmen besteht folg153 lich nicht, wenn der Mitarbeiter oder Beauftragte rein private Zwecke verfolgt597 oder die (geschäftliche) Handlung ohne Wissen des Inhabers erfolgt und dem Inhaber auch nicht zugutekommen soll.598 Dies gilt auch dann, wenn der Mitarbeiter oder Beauftragte in räumlicher Hinsicht die geschäftlichen Einrichtungen benutzt.599 Ohne Belang ist inso-

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588 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 220. 589 Köhler GRUR 1991, 344, 345. 590 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 306. 591 Vgl. BGH 4.2.1993 – I ZR 319/90 – WRP 1993, 396, 398 – Maschinenbeseitigung; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 317. 592 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.47; ders. GRUR 1991, 344, 352; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 307; Teplitzky Kap. 14 Rn. 18. 593 BGH 19.12.2002 – I ZR 119/00 – GRUR 2003, 453, 454 – Verwertung von Kundenlisten; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 226. 594 Vgl. BGH 24.4.1963 – Ib ZR 109/61 – GRUR 1963, 434, 435 – Reiseverkäufer; BGH 22.3.1963 – Ib ZR 161/61 – GRUR 1963, 438, 439 – Fotorabatt; BGH 31.5.1990 – I ZR 228/88 – GRUR 1990, 1039, 1040 – Anzeigenauftrag; BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 608 – Franchise-Nehmer; BGH 19.4. 2007 – I ZR 92/04 – GRUR 2007, 994 Tz. 19 – Gefälligkeit; BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – GRUR 2009, 597 Tz. 15 – Halzband. 595 BGH 31.5.1990 – I ZR 228/88 – GRUR 1990, 1039, 1040 – Anzeigenauftrag mit Verweis auf RG 22.5.1936 – II 285/35 – RGZ 151, 278, 292 f., 295 – Alpina sowie BGH 6.8.1958 – I ZR 33/57 – BGHZ 28, 1, 11 f. = GRUR 1959, 38, 44 – Buchgemeinschaft II. 596 BGH 28.6.2007 – I ZR 153/04 – GRUR 2008, 186 Tz. 23 – Telefonaktion; BGH 7.10. 2009 – I ZR 109/06 – GRUR 2009, 1167 Tz. 21 – Partnerprogramm; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 320. 597 BGH 22.3.1963 – Ib ZR 161/61 – GRUR 1963, 438, 439 – Fotorabatt; BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93–GRUR 1995, 605, 608 – Franchise-Nehmer; BGH 19.4.2007 – I ZR 92/04 – GRUR 2007, 994 Tz. 19 – Gefälligkeit. Weiterhin aus dem Schrifttum etwa GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 150; Köhler, GRUR 1991, 344, 352. 598 GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 150; Köhler GRUR 1991, 344, 352. 599 BGH 22.3.1963 – Ib ZR 161/61 – GRUR 1963, 438, 439 – Fotorabatt.

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C. Schuldner der Abwehransprüche

weit, ob der Anspruchsinhaber von einer Unternehmensbezogenheit ausgeht, denn der bloße Anschein des inneren Bezugs wird von Absatz 2 gerade nicht geschützt.600 Der innere Bezug ist ferner auch dann abzulehnen, wenn der Mitarbeiter oder Beauftragte sich unbefugt i.S.d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse bei einer früheren Tätigkeit verschafft hat. Denn insofern liegt der Verstoß in der Person des Mitarbeiters als Geheimnisträger im Verhältnis zu seinem vorherigen Unternehmensinhaber begründet und lässt sich nicht wegen einer arbeitsteiligen Organisation im Verhältnis zu dem neuen Unternehmensinhaber auf diesen „zurechnen“.601 Davon unberührt bleibt jedoch eine Haftung des Unternehmensinhabers als Störer oder als Tatbeteiligter in Bezug auf § 17 Abs. 2.602 Handelt der Mitarbeiter oder Beauftragte zugleich für einen dritten Unternehmer 154 oder leitet er selbst (nebenher) ein eigenes Unternehmen, kommt eine Unternehmensbezogenheit im Hinblick auf das in Frage stehende Unternehmen nur dann in Betracht, wenn die konkrete Handlung der Geschäftsorganisation des Unternehmers zurechenbar ist.603 Denn die Haftung des Unternehmensinhabers für das Verhalten seiner Mitarbeiter oder Beauftragte lässt sich mit der arbeitsteiligen Organisation des Unternehmens nur begründen, sofern und soweit der Umfang des Haftungsrisikos für den Unternehmensinhaber noch beherrschbar ist.604 Eine Zurechnung setzt daher voraus, dass die konkrete Handlung im Zusammenhang mit dem Geschäftsbereich vorgenommen wird, die dem Auftragsverhältnis zugrunde liegt.605 Etwas anderes gilt allenfalls soweit der Geschäftsbereich des Mitarbeiters oder Beauftragten nicht auf einen bestimmten Geschäftsbereich beschränkt ist oder der Unternehmer damit rechnen muss, dass der Mitarbeiter oder Beauftragte darüber hinaus für ihn tätig wird.606 c) Mitarbeiter oder Beauftragter. Die Zuwiderhandlung muss von einem Mitarbei- 155 ter oder Beauftragten begangen worden sein. Auch für die Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale ist der Normzweck ausschlaggebend und daher eine weite Auslegung geboten.607 Teilweise wird in der Literatur eine (genaue) Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen mit Blick auf die Auslösung derselben Rechtsfolge für entbehrlich gehalten.608 Überwiegend wird dagegen zutreffend nach „der Stärke der Einflussmöglichkeit des Unternehmensinhabers“ und nach dem Grad der Einbindung in die Unternehmensorganisation differenziert.609

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600 Vgl. BGH 22.3.1963 – Ib ZR 161/61 – GRUR 1963, 438, 440 – Fotorabatt. 601 BGH 19.12.2002 – I ZR 119/00 – GRUR 2003, 453, 454 – Verwertung von Kundenlisten. 602 BGH 19.12.2002 – I ZR 119/00 – GRUR 2003, 453, 454 – Verwertung von Kundenlisten. 603 Vgl. zu § 14 VII MarkenG: BGH 7.10. 2009 – I ZR 109/06 – GRUR 2009, 1167, 1168 Tz. 27 – Partnerprogramm; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.47. 604 Vgl. zu § 14 VII MarkenG: BGH 7.10. 2009 – I ZR 109/06 – GRUR 2009, 1167, 1168 Tz. 27 – Partnerprogramm. 605 Vgl. zu § 14 VII MarkenG: BGH 7.10. 2009 – I ZR 109/06 – GRUR 2009, 1167, 1168 Tz. 27 – Partnerprogramm. 606 Vgl. zu § 14 VII MarkenG: BGH 7.10. 2009 – I ZR 109/06 – GRUR 2009, 1167, 1168 Tz. 27 – Partnerprogramm. 607 Vgl. zu § 13 a.F.: BGH 6.8.1958 – I ZR 33/57 – BGHZ 28, 1 = GRUR 1959, 38 – Buchgemeinschaft II; BGH 22.3.1963 – Ib ZR 161/61 – GRUR 1963, 438, 439 – Fotorabatt; BGH 8.11.1963 – Ib ZR 25/62 – GRUR 1964, 263, 266 – Unterkunde; BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer; Köhler GRUR 1991, 344, 346; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 298. 608 So etwa Köhler GRUR 1991, 344, 346 ff. 609 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 310; ähnlich auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 221 ff.; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 298 ff.; Teplitzky Kap. 14 Rn. 24 ff.

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aa) Mitarbeiter. Der Begriff des „Angestellten“ in § 13 Abs. 4 a.F. ist durch den Begriff des „Mitarbeiters“ in Absatz 2 ersetzt worden.610 Da der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung trotz der Begriffsersetzung von einem inhaltlichen Gleichlauf der Vorschriften ausgeht,611 ist von einer rein redaktionellen Änderung auszugehen.612 „Mitarbeiter“ ist unter Zugrundelegung der oben dargestellten Differenzierung daher unabhängig von der genauen Rechtsnatur und der Wirksamkeit des Beschäftigungsverhältnisses jeder Angehörige des Unternehmens, der zur Leistung weisungsabhängiger Dienste verpflichtet ist.613 In diesem Sinne muss es sich handeln um einen Angehörigen des Unternehmens, der aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ein „Glied der Unternehmensorganisation“ ist.614 Maßgeblich ist nach dem Normzweck nicht die zivilrechtliche Wirksamkeit des zugrundeliegenden Schuldverhältnisses oder die Entgeltlichkeit, sondern vielmehr die faktische Einbindung in die arbeitsteilige Organisation, von welcher der Unternehmer profitiert. Eine solche Verpflichtung zur Leistung weisungsabhängiger Dienste besteht jeden157 falls bei einem Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrages615 sowie darüber hinaus etwa auch bei Volontären,616 Auszubildenden, Praktikanten, Beamten oder „arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeitern“ mit vergleichbaren Verträgen.617 Diese Verpflichtung kann sich auch unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, so etwa bei der Mitarbeit von Ehepartnern nach Maßgabe § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB oder Kindern nach § 1619 BGB.618 Nicht weisungsgebunden sind dagegen selbstständige Gewerbetreibende619 oder auch solche Mitarbeiter, die in ihrer Funktion als Betriebsrat auftreten und handeln.620 Ebenfalls nicht ausreichend ist in diesem Sinne ein rein privates Tätigwerden,621 wobei es insofern schon an einer Zuwiderhandlung „in einem Unternehmen“ i.S.d. Absatz 2 mangeln wird (siehe hierzu Rn. 152 f.).

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bb) Beauftragter. Der Begriff des „Beauftragten“ wird weit(er) ausgelegt, wobei über die genaue Ausgestaltung allerdings keine Einigkeit besteht. In Abgrenzung zu dem Begriff des „Mitarbeiters“ ist jedenfalls weder eine feste Einbindung in die Unternehmensorganisation noch eine Weisungsgebundenheit notwendig.622 Nach Köhler soll es darauf ankommen, dass der Beauftragte – ohne Mitarbeiter zu sein – für das Unternehmen aufgrund „eines vertraglichen oder anderen Rechtsverhältnisses tätig“ wird.623 Nach Teplitzky genügt ein Tätigwerden aufgrund einer Absprache für das Unternehmen, so-

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610 RegE BTDrucks. 15/1487 S. 22. 611 RegE BTDrucks. 15/1487 S. 22. 612 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 221. A.A. wohl Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann § 8 Rn. 310 ff., die in der Neufassung eine Abkehr von dem Merkmal der „Weisungsgebundenheit“ sehen, jedoch gleichzeitig dazu tendieren, eine genaue Abgrenzung der Merkmale „Mitarbeiter“ und „Beauftragter“ zu unterlassen. 613 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 221; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 299. 614 Die Unternehmensorganisation umfasst nach BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer auch den Vertrieb. Vgl. auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 221. 615 BGH 4.11.1964 – Ib ZR 3/63 – GRUR 1965, 155 – Werbefahrer. 616 RG 14.4.1936 – II 260/35 – GRUR 1936, 989. 617 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.40; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 299. 618 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 299. 619 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 299. 620 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.40; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 299. 621 BGH 19.4. 2007 – I ZR 92/04 – GRUR 2007, 994 f. Tz. 18 f. – Gefälligkeit; Teplitzky Kap. 14 Rn. 24. 622 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 311. 623 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.41. Ähnlich auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 222 unter Verweis auf BGH 22.3.1963 – Ib ZR 161/61 – GRUR 1963, 438, 439 f. – Fotorabatt und BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer.

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III. Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte

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weit Funktionen wahrgenommen werden, „die nach Zielsetzung, Struktur und Aufgabenbereich des Unternehmens im weitesten Sinne zu dessen Tätigkeitsbereich gehören.“624 Ähnlich argumentieren Bergmann/Goldmann, wonach die Wettbewerbsverstöße aus der „Risikosphäre“ des Unternehmensinhabers stammen bzw. dieser „das Risiko weiterer Rechtsverstöße verringern“ können muss.625 Einigkeit besteht insofern, dass weniger die Frage der Wirksamkeit oder der Rechtsnatur626 des jeweiligen Rechtsverhältnisses maßgeblich ist, d.h. insbesondere ob eine vertragliche oder sonstige Pflicht zum Handeln überhaupt besteht,627 sondern vielmehr der Umstand, dass der Beauftragte faktisch für den Unternehmer tätig wird.628 So kann das (faktische) Tätigwerden auf eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung, aber auch auf eine ständige Übung im Rahmen einer längeren Geschäftsbeziehung zurückgehen.629 Ferner können sonstige Rechtsverhältnisse, etwa Vereins- und Genossenschaftssatzungen, die Grundlage für das Tätigwerden sein, soweit diese Rechtsverhältnisse im Wesentlichen funktionsgleich sind.630 Unter Berücksichtigung des Normtelos ist daneben darauf abzustellen, ob die 159 Folgen der geschäftlichen Handlung zumindest auch dem Unternehmensinhaber zugutekommen und er eine bestimmende und durchsetzbare Einflussnahme auf die in Frage stehende Tätigkeit hat oder haben sollte.631 Damit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Unternehmensinhaber diese Einflussnahme auch tatsächlich ausübt, sondern ob er sich eine solche Einflussnahme „sichern konnte und musste“ und damit das Risiko jedenfalls verringern konnte.632 Denn unter Berücksichtigung des Normzwecks ist eine Zurechnung der geschäftlichen Handlung nur dann billig und angemessen, wenn diese Handlung aus der Risikosphäre des Unternehmensinhabers stammt.633 Zugleich muss für den Inhaber das Haftungsrisiko aber auch überschaubar bleiben, weshalb ihm (geschäftliche) Handlungen dann nicht (mehr) zurechenbar sind, wenn eine Einflussnahme von vorneherein nicht möglich ist. Keine Beauftragten sind daher solche Personen, die eine „selbstständige Kontrollstellung gegenüber dem Unternehmen“ innehaben;634 dies gilt

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624 Teplitzky Kap. 14 Rn. 25 unter Verweis auf BGH 31.5.1990 – I ZR 228/88 – GRUR 1990, 1039, 1040 – Anzeigenauftrag; BGH 7.10.2009 – I ZR 109/06 – GRUR 2009, 1167 – Partnerprogramm. 625 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 311 unter Verweis auf BGH 8.11.1963 – Ib ZR 25/62 –GRUR 1964, 263, 267 – Unterkunde; BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer; BGH 7.4.2005 – I ZR 221/02 – GRUR 2005, 864, 865 – Meißner Dekor II. 626 Dies kann nach Köhler etwa sein ein Auftrag, Geschäftsbesorgungs-, Werk-, Lizenz- oder Treuhandvertrag, vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.44. Siehe weiterhin auch MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 301. 627 So auch BGH 31.5.1990 – I ZR 228/88 – GRUR 1990, 1039, 1040 – Anzeigenauftrag; BGH 7.10. 2009 – I ZR 109/06 – GRUR 2009, 1167 – Partnerprogramm. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.44; MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 301; Teplitzky Kap. 14 Rn. 25. 628 Teplitzky Kap. 14 Rn. 25. 629 BGH 22.3.1963 – Ib ZR 161/61 – GRUR 1963, 438, 440 – Fotorabatt; Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 312. 630 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.44. 631 Vgl. BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer; BGH 7.4.2005 – I ZR 221/02 – GRUR 2005, 864, 865 – Meißner Dekor II; BGH 28.10.2010 – I ZR 174/08 – GRUR 2011, 543, 544 Tz. 11, 13 – Änderung der Voreinstellung III; BGH 18.11.2010 – I ZR 155/09 – GRUR 2011, 617, 621 Tz. 54 – Sedo; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 222; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.41; Teplitzky Kap. 14 Rn. 25. 632 Vgl. BGH 6.8.1958 – I ZR 33/57 – BGHZ 28, 1, 12 = GRUR 1959, 38, 44 – Buchgemeinschaft II; BGH 8.11.1963 – Ib ZR 25/62 – GRUR 1964, 263, 267 – Unterkunde; BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer; BGH 7.4.2005 – I ZR 221/02 – GRUR 2005, 864, 865 – Meißner Dekor II; BGH 7.10. 2009 – I ZR 109/06 – GRUR 2009, 1167, 1170 Tz. 21 – Partnerprogramm; BGH 28.10.2010 – I ZR 174/08 – GRUR 2011, 543, 544 Tz. 11 – Änderung der Voreinstellung III; OLG Köln 25.11.2005 – 6 U 129/05 – GRUR-RR 2006, 205, 206. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 222; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.41. 633 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 311. 634 Vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 221.

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Beseitigung und Unterlassung

etwa für den Aufsichtsrat oder einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer. Entsprechendes gilt für die Eigenschaft als Mitarbeiter i.S.d. § 8 II, vgl. dazu bereits vorstehend Rn. 154, 157. 160 Nicht erforderlich ist, dass es sich bei dem Beauftragten um eine natürliche Person handelt. 635 So kann der Beauftragte etwa auch ein selbstständiges Unternehmen sein,636 unabhängig davon, ob er die Tätigkeit dauerhaft oder nur bei Gelegenheit ausübt, und ob er noch für andere Unternehmen geschäftliche Handlungen vornimmt.637 In diesem Fall ist Absatz 2 gegebenenfalls auf verschiedenen Ebenen anwendbar: Es kann sich der selbstständige Unternehmer selbst wiederum Beauftragter bedienen, deren geschäftliche Handlungen er sich unter Voraussetzung des Absatz 2 zurechnen lassen muss. Der selbstständige Unternehmer kann daher – in Abhängigkeit von der jeweiligen Perspektive – zugleich Beauftragter und Unternehmensinhaber sein.638 Der „Hauptunternehmer“ muss sich – soweit die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind – sowohl die geschäftlichen Handlungen seiner eigenen Beauftragten als auch die Handlungen von deren Mitarbeiter und Beauftragten zurechnen lassen.639 Insofern wird zutreffend auch von einer „Schuldnerkette“ ausgegangen.640 Davon unberührt bleibt eine Haftung des Unternehmensinhabers als unmittelbarer (Mit-)Täter, soweit die strengeren Voraussetzungen der (Mit-)Täterschaft vorliegen.641 161 Die vorstehend herausgearbeiteten Merkmale müssen objektiv vorliegen,642 denn der bloße Anschein – in diesem Fall betreffend das Bestehen eines Beauftragtenverhältnisses zum Unternehmensinhaber – begründet noch keine tragfähige Grundlage für einen Schutz (siehe zum Anschein der Unternehmensbezogenheit bereits vorstehend Rn. 153). 643 Angenommen wurde ein Beauftragtenverhältnis beispielsweise zwischen einem Franchisegeber und einem Franchisenehmer.644 Diese Annahme erscheint jedenfalls dann überzeugend, wenn der Franchisenehmer derart in die Unternehmensorganisation eingebunden ist, dass (noch) von einer hinreichenden Einflussnahmemöglichkeit des Unternehmensinhabers gesprochen werden kann.645 Entsprechendes gilt für eine Tochtergesellschaft im Verhältnis zu einer Holding-Gesellschaft: Die Tochtergesellschaft ist als Beauftragter des Mutterunternehmens anzusehen, soweit letztere einen bestim-

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635 Teplitzky Kap. 14 Rn. 25. 636 Etwa eine Werbeagentur in BGH 31.5.1990 – I ZR 228/88 – GRUR 1990, 1039, 1040 – Anzeigenauftrag; BGH 25.4.1991 – I ZR 134/90 – GRUR 1991, 772, 774 – Anzeigenrubrik I; BGH 25.11.1993 – I ZR 259/91 – BGHZ 124, 230 = GRUR 1994, 219 – Warnhinweis. Für das Beispiel Franchise-Nehmer vgl. BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer, für das Beispiel Versandunternehmen vgl. BGH 7.4.2005 – I ZR 221/02 – GRUR 2005, 864, 865 – Meißner-Dekor II. Vgl. daneben die Ausführungen unter Rn. 167 ff. 637 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.43. 638 Vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 225; Teplitzky Kap. 14 Rn. 26. 639 Vgl. BGH 6.8.1958 – I ZR 33/57 – BGHZ 28, 1, 12 f. = GRUR 1959, 38, 44 f. – Buchgemeinschaft II; BGH 9.2.2006 – I ZR 73/02 – GRUR 2006, 426, 427 Tz. 17 – Direktanspruch am Arbeitsplatz II; OLG Stuttgart 22.8.1997 – 2 U 121/97 – WM 1998, 2054; LG Frankfurt 30.10.2007 – 2/18 O 26/07 – MMR 2008, 352; Fezer/ Büscher UWG § 8 Rn. 225. 640 Vgl. Teplitzky Kap. 14 Rn. 26; ähnlich Büscher in Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 225, der dies als „mehrgliedrige Haftungskette“ bezeichnet. 641 BGH 19.6.1963 – Ib ZR 15/62 – GRUR 1964, 88 – Verona-Geräte. 642 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 312. 643 Vgl. zu § 12 Abs. 2 RabG a.F. BGH 22.3.1963 – Ib ZR 161/61 – GRUR 1963, 438, 440 – Fotorabatt, wobei auf § 13 Abs. 3 a.F. Bezug genommen wird; daneben OLG Frankfurt 28.11.1983 – 6 W 124/83 – WRP 1984, 330, 331; OLG München 18.4.1989 – 3 U 2642/88 – WRP 1989, 757, 757. Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 312; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.44. 644 Vgl. BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605 – Franchise-Nehmer. 645 So auch Teplitzky Kap. 14 Rn. 25.

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III. Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte

C. Schuldner der Abwehransprüche

menden Einfluss ausübt oder ausüben konnte,646 was regelmäßig nur dann der Fall sein wird, soweit das Mutterunternehmen über die übliche Funktion als Holding-Gesellschaft hinaus tätig wird.647 Umgekehrt ist die Muttergesellschaft regelmäßig kein Beauftragter der (weisungsabhängigen) Tochtergesellschaft.648 Des Weiteren wurde ein Beauftragtenverhältnis angenommen zwischen einem Großhändler und einem für diesen werbenden Einzelhändler, der Werbung an Unterkunden verteilt,649 zwischen einem Unternehmen und dem Betreiber einer Preissuchmaschine, der Produkte des Unternehmens über die Suchmaschine verbreitet, 650 sowie zwischen einem Telekommunikationsunternehmen und einem Telekommunikationsnetzbetreiber, welcher Endkunden Telefondienstleistungen des Netzbetreibers anbietet.651 Beauftragter kann zudem sein652 ein unabhängiger Handelsvertreter,653 ein Verstei- 162 gerer,654 eine Werbeagentur,655 ein in ein mehrstufiges Vertriebssystem eingegliederter Berater,656 eine Werbegemeinschaft,657 eine Händlergemeinschaft,658 ein Headhunter,659 eine Presseagentur,660 ein Subunternehmer,661 ein Vertriebspartner662 oder ein Vertragshändler.663 Dagegen sind selbstständige Händler im Verhältnis zum Hersteller664 oder zum 163 Großhändler665 in der Regel keine Beauftragten. Bei einem „Anzeigenvertreter“, der als selbstständiger Handelsvertreter Werbeanzeigenaufträge für verschiedene von ihm vertretene Zeitungen entgegennimmt und veröffentlicht, ist im Verhältnis zum Anzeigekunden danach zu differenzieren, ob der Vertreter einen Auftrag mit konkreten Vorgaben erhält, welcher ihm keinen oder nur einen sehr geringen Gestaltungsspielraum

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646 OLG Hamburg 20.12.2001 – 3 U 212/01 – AfP 2002, 238; BGH 7.4.2005 – I ZR 221/02 – GRUR 2005, 864, 865 – Meißner Dekor II; OLG Frankfurt 17.5.2001 – 6 U 23/01 – WRP 2001, 1111, 1113. Vgl. auch Fezer/ Büscher UWG § 8 Rn. 222. 647 Teplitzky Kap. 14 Rn. 25. 648 Vgl. unter Hinweis auf § 13 IV a.F. BGH 7.4.2005 – I ZR 221/02 – GRUR 2005, 864 – Meißner Dekor II; vgl. zu § 8 II n.F. OLG Hamburg 12.1.2006 – 3 U 93/05 – GRUR-RR 2007, 296, 297. Dies gilt nach dem OLG selbst für den Fall, dass die Tochter Produkte vertreibt und man von der Internetseite der Tochtergesellschaft über Links auf die Internetseite der Muttergesellschaft gelangt. Vgl. zudem OLG Hamburg 29.9.2006 – 8 W 164/06 – MDR 2007, 369, 370. 649 BGH 8.11.1963 – Ib ZR 25/62 – GRUR 1964, 263, 266 – Unterkunde. 650 OLG Stuttgart 17.1.2008 – 2 U 12/07 – MMR 2008, 754. 651 LG Frankfurt 18.8.2007 – 3/11 O 227/06 – WRP 2007, 1513. 652 Vgl. für weitere Beispiele Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 223; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 314; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.45; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 302; Teplitzky Kap. 14 Rn. 25. 653 BGH 25.9.1970 – I ZR 47/69 – GRUR 1971, 119, 120 – Branchenverzeichnis. 654 KG 10.11.1972 – U 1837/72 – WRP 1973, 642. 655 BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin; BGH 25.4.1991 – I ZR 134/90 – GRUR 1991, 772, 774 – Anzeigenrubrik I; BGH 25.11.1993 – I ZR 259/91 – BGHZ 124, 230, 236 = GRUR 1994, 219, 220 – Warnhinweis; BGH 28.6.2007 – I ZR 153/04 – GRUR 2008, 186 – Telefonaktion. 656 BGH 28.5.1998 – I ZR 275 / 95 – GRUR 1999, 183, 186 – Ha-Ra/HARIVA. 657 OLG Hamburg 21.8.2003 – 3 U 16/03 – GRUR-RR 2004, 87. 658 OLG Celle 9.12.2004 – 13 U 218/04 – OLGR 2005, 796. 659 BGH 9.2.2006 – I ZR 73/02 – GRUR 2006, 426 – Direktanspruch am Arbeitsplatz II. 660 BGH 28.6.2007 – I ZR 153/04 – GRUR 2008, 186 – Telefonaktion. 661 LG Heidelberg 11.12.2007 – 2 O 173/07 – MMR 2008, 258. 662 LG Frankfurt 30.10.2007 – 2/18 O 26/07 – MMR 2008, 352. 663 BGH 28.10.2010 – I ZR 174/08 – GRUR 2011, 543, 544 Tz. 15 – Änderung der Voreinstellung III. 664 OLG Köln 25.11.2005 – 6 U 129/05 – GRUR-RR 2006, 205, 206. Teplitzky Kap. 14 Rn. 25; vgl. auch OLG Frankfurt 19.2.1987 – 6 U 60/86 – WRP 1987, 738, 739, wobei das OLG einen Händler, der die Erzeugnisse eines Herstellers von Bratpfannen auf Jahrmärkten selbstständig anpreist und vertreibt, nicht als Beauftragten ansieht. 665 BGH 28.10.2010 – I ZR 174/08 – GRUR 2011, 543, 544 Tz. 13 – Änderung der Voreinstellung III.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

überlässt, oder ob der Auftrag so allgemein gehalten ist, dass der Vertreter mehr oder weniger „freie Hand“ hat.666 Diese Überlegungen gelten sinngemäß auch für das Verhältnis zwischen einem Verlagsunternehmen und einem normalen Anzeigekunden, welcher einen Anzeigenauftrag erteilt.667 Zwar wird der Unternehmensinhaber in beiden Fällen entscheidenden Einfluss auf „Inhalt und Gestaltung der Anzeige“ nehmen können,668 weshalb das Beauftragtenverhältnis teilweise auch angenommen wird.669 Dies überzeugt unter Berücksichtigung des Normzwecks aber jedenfalls bei einem konkreten Anzeigenauftrag in beiden Fällen dann nicht, wenn der Vertreter oder das Verlagsunternehmen „nur solche ausführende Verrichtungen vornimmt, die – wie die Ausführung eines bestimmten Anzeigenauftrags – nicht in den betrieblichen Tätigkeitsbereich des Verkaufsunternehmens fallen.“670 Denn in diesem Fall kann eine Einflussnahme des Unternehmensinhabers gerade nicht erwartet werden.671 Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn zu der regelmäßigen Tätigkeit des Vertriebsunternehmens auch die Auftragsvergabe für Werbemaßnahmen gehört und etwa eine Werbeagentur diese Tätigkeit für das Unternehmen übernimmt;672 ähnlich gelagert ist der Fall, dass dem Verleger vor Veröffentlichung die Anzeige mit Bitte um Berichtigung zugeleitet wird.673 Nicht als Beauftragter anzusehen ist eine Aktiengesellschaft,674 wenn nicht zusätz164 lich ein besonderes Rechtsverhältnis − etwa in Form eines Auftrages − ein Weisungsrecht der Aktionäre begründet, sowie ein Dienstleister, der seinen Kunden ein sog. „Domain-Parking-Programm“ anbietet, in das der Kunde unter seinem Domainnamen eine Internetseite einstellen kann.675 165

cc) Abgrenzung. Umstritten ist die rechtliche Einordnung von gesetzlichen Vertretern, deren (geschäftliche) Handlungen dem Unternehmensinhaber nicht bereits auf der Grundlage und am Maßstab von §§ 31, 89 BGB (direkt) zurechenbar sind. Dies sind etwa die Eltern (§ 1629 BGB),676 der Vormund (§ 1793 BGB), der Betreuer (§ 1902 BGB), der Pfle-

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666 Teplitzky Kap. 14 Rn. 25. 667 BGH 31.5.1990 – I ZR 228/88 – GRUR 1990, 1039, 1041 – Anzeigenauftrag; OLG Stuttgart 15.12.1981 – 2 W 48/81 – WRP 1982, 432, 433; OLG Frankfurt 23.7.1987 – 6 W 152/87 – GRUR 1987, 732, 733; OLG Oldenburg 9.12.1971 – 1 U 121/71 – WRP 1972, 153, 154; OLG Oldenburg 31.1.1985 – 1 U 238/84 – GRUR 1985, 388 f. Teplitzky Kap. 14 Rn. 25. 668 BGH 31.5.1990 – I ZR 228/88 – GRUR 1990, 1039, 1041 – Anzeigenauftrag. 669 OLG München 3.2.1979 – 6 W 2628/78 – AfP 1980, 212; KG 20.5.1980 – 5 U 1323/80 – AfP 1980, 222; OLG Stuttgart 15.12.1981 – 2 W 48/81 – WRP 1982, 432, 433; vgl. insbes. OLG Oldenburg 19.4.1990 – 1 U 245/89 – GRUR 1991, 780 – Anzeigenredaktion, das im Hinblick auf den Insertionsvertrag von einer einfachen Durchsetzbarkeit der Einflussnahme ausgeht. 670 BGH 31.5.1990 – I ZR 228/88 – GRUR 1990, 1039, 1040 – Anzeigenauftrag. 671 Daneben erscheint auch eine Einbindung im weiteren Sinne in den betrieblichen Organismus des Unternehmens fraglich, vgl. dazu BGH 31.5.1990 – I ZR 228/88 – GRUR 1990, 1039, 1040 – Anzeigenauftrag. 672 Vgl. BGH 31.5.1990 – I ZR 228/88 – GRUR 1990, 1039, 1040 – Anzeigenauftrag, unter Verweis auf BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin. Entsprechendes gilt für ein mit diesen regelmäßigen Tätigkeiten befassten Handelsvertreter, vgl. BGH 25.9.1970 – I ZR 47/69 – GRUR 1971, 119, 120 oder einen zugleich für einen Großhändler werbenden Einzelhändler, vgl. BGH 8.11.1963 – Ib ZR 25/62 – GRUR 1964, 263 – Unterkunde. 673 Vgl. OLG Karlsruhe 16.12.1998 – 6 U 136/98 – MD VSW 1999, 564, 565 sowie Teplitzky Kap. 14 Rn. 25, der sich dieser Ansicht anschließt. 674 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.46. A.A. dagegen OLG Hamburg 21.8.2003 – 3 U 16/03 – GRUR-RR 2004, 87. 675 BGH 18.11.2010 – I ZR 155/09 – GRUR 2011, 617 – Sedo. 676 Nicht gemeint ist die Mitarbeit im Unternehmen von Ehepartner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung gem. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB oder von Kindern gem. § 1619 BGB. Vgl. insofern bereits die vorstehenden Ausführungen unter Rn. 157 zu dem Begriff des „Mitarbeiters“.

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III. Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte

C. Schuldner der Abwehransprüche

ger (§§ 1915 Abs. 1, 1793 BGB), der Testamentsvollstrecker (§ 2205 BGB) oder der Insolvenzverwalter (§ 22 InsO).677 Um Haftungslücken zu vermeiden – insbesondere da diese Person auch nicht selbst Unternehmensinhaber sind – wird teilweise eine weite Auslegung des Beauftragtenbegriffs befürwortet und die vorbenannten gesetzlichen Vertreter werden als Beauftragte i.S.d. Absatz 2 angesehen. Auf das Kriterium der Möglichkeit der Einflussnahme durch den Unternehmensinhaber wird insofern (teilweise) verzichtet.678 Hierbei wird darauf verwiesen, dass etwa auf den Insolvenzverwalter gem. § 80 Abs. 1 InsO das Verwaltungs- und Verfügungsrecht im Hinblick auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen übergeht, so dass dem Insolvenzschuldner gerade keine Weisungsbefugnis über das Unternehmen verbleibt.679 Ausreichend sein soll, dass die geschäftliche Handlung dem Unternehmensinhaber wirtschaftlich zugutekommen kann. Auch im Verhältnis von nicht Geschäftsfähigen zu ihren Eltern entstehe bei dieser Lesart kein unbilliges Ergebnis, da erstere über § 1629a BGB hinreichend geschützt werden.680 Überzeugender erscheint demgegenüber allerdings eine analoge Anwendung der 166 §§ 31, 89 BGB.681 Denn sowohl eine am natürlichen Wortlaut orientierte als auch eine teleologische Auslegung des Begriffs „Beauftragter“ sprechen dafür, neben dem Tätigwerden aufgrund einer irgendwie gearteten Absprache mit dem Unternehmensinhaber zumindest eine Möglichkeit der Einflussnahme von diesem zu fordern, um zugleich dessen Haftungsrisiko zu begrenzen.682 Statt den Wortlaut des Absatzes 2 zu überdehnen, ist daher auf eine analoge Anwendung der §§ 31, 89 BGB zurückzugreifen. Eine solche analoge Anwendung der Vorschriften setzt jedenfalls eine mit den oben herausgearbeiteten Umständen vergleichbare Interessenlage voraus, die jeweils im Einzelfall konkret festzustellen ist. d) Unternehmensinhaber. Der Begriff „Inhaber des Betriebs“ in § 13 Abs. 4 a.F. 167 wurde nunmehr durch den Begriff „Inhaber des Unternehmens“ in Absatz 2 ersetzt. Insofern handelt es sich – ebenfalls – um eine rein redaktionelle Änderung.683 Unternehmensinhaber ist derjenige, unter dessen Namen das Unternehmen geführt wird und der daher nach außen im Geschäftsverkehr die Verantwortung übernommen hat.684 Inhaber des Unternehmens ist bei einer natürlichen Person – etwa einem Einzelkaufmann, der ein Handelsgewerbe betreibt – diese selbst.685 Bei einer Personengesellschaft – etwa einer GbR, OHG oder KG – ist der Inhaber die Gesellschaft, nicht aber die einzelnen Ge-

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677 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.42. 678 Vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.42 (28. Aufl.), nach dem „Beauftragter“ jeder ist, der, ohne Mitarbeiter zu sein, mit Wissen und Wollen des Unternehmensinhabers als sein Gehilfe oder als sein gesetzlicher Vertreter für das Unternehmen tätig ist. Vgl. auch Köhler GRUR 1991, 344, 352; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 304. 679 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 304. Vgl. auch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 307, die die Problematik bei dem Begriff des „Unternehmensinhabers“ verorten. 680 Vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.42 (28. Aufl.). 681 Vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.42 in Bezug auf § 31 – seit der 29. Auflage; Renner/Schmidt GRUR 2009, 908, 909. 682 So im Ergebnis auch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 307 mit Verweis auf BVerfG 28.5.1996 – 1 BvR 927/91 – NJW 1996, 2567. 683 Vgl. RegE BT-Drs 15/1487, S. 22. Vgl. zum Merkmal des „Mitarbeiters“ bereits die Ausführungen unter Rn. 156. 684 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 227; GK-UWG/Erdmann UWG § 13 Rn. 151; Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 305; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.48; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 311; Teplitzky Kap. 14 Rn. 23. 685 Teplitzky Kap. 14 Rn. 23.

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Beseitigung und Unterlassung

sellschafter oder deren Gesamtheit.686 Dies ergibt sich für die OHG mittelbar aus § 124 Abs. 1 HGB, für die KG aus §§ 161 Abs. 2, 124 Abs. 1 HGB687 und für die (Außen-)GbR aus der durch die Rechtsprechung entwickelten Anerkennung der (Teil-)Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft.688 Ebenso verhält es sich bei einer juristischen Person – etwa einer GmbH, AG oder Genossenschaft: Unternehmensinhaber ist die juristische Person, nicht aber die einzelnen Organe.689 168 Davon unberührt bleibt die Haftung der Gesellschafter oder der Organe für eigene geschäftliche Handlungen unmittelbar nach Absatz 1 sowie darüber hinaus als Störer.690 Wird ein Unternehmen verpachtet oder wurde ein Nießbrauch bestellt, sind der Pächter oder Nießbraucher, nicht dagegen der Eigentümer als Inhaber des Unternehmens anzusehen.691 Die Frage, ob ein Unternehmensinhaber auch dann noch als solcher haftet, wenn er in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt ist – etwa nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder im Rahmen der Testamentsvollstreckung – betrifft die Auslegung des Begriffs des „Beauftragten“.692 Siehe zum Begriff des „Beauftragten“ bereits vorstehend unter Rn. 158 ff., zu der Problematik des gesetzlichen Vertreters eines beschränkt Geschäftsfähigen siehe nachstehend unter Rn. 171. Umstritten ist, ob zum Zwecke des Verkehrsschutzes die allgemeinen Rechtsschein169 grundsätze auf solche Personen anwendbar sind, die sich nur nach außen als Unternehmensträger gerieren. Abzugrenzen ist diese Konstellation von der Frage, ob bei der Bestimmung der „Unternehmensbezogenheit“ (vgl. dazu bereits vorstehend Rn. 153 f.) sowie des „Beauftragten“ (vgl. dazu bereits vorstehend Rn. 161) der bloße Anschein des jeweiligen Merkmals genügt. Während letztere Auffassung in der Literatur einhellig abgelehnt wird,693 soll der Anschein bzgl. der Inhaberschaft des Unternehmens nach teilweise vertretener Ansicht ausreichen.694 Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht: Zum einen begründen die allgemeinen Rechtsscheingrundsätze allenfalls eine rechtsgeschäftliche Haftung in der Form, dass (quasi-)vertragliche Ansprüche gegen den Handelnden bestehen;695 bei dem Anspruch aus Absatz 2 handelt es sich dagegen um eine Regelung aus dem Lauterkeitsrecht, welches als Sonderdeliktsrecht696 im weiteren Sinne anzusehen ist. Zum anderen ist fraglich, welchen Inhalt dieser Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch gegen den vermeintlichen Unternehmensinhaber genau haben soll. Denn dieser Unternehmensinhaber wird regelmäßig keine tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Mitarbeiter und Beauftragten des Unternehmens haben, so dass eine Vollstreckung

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686 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 227; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.50; Teplitzky Kap. 14 Rn. 23. 687 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.49. 688 BGH 29.1.2001 – II ZR 331/00 – BGHZ 146, 341, 341 = NJW 2001, 1056, 1056. 689 BGH 19.6.1963 – Ib ZR 15/62 – GRUR 1964, 88, 89 – Verona-Gerät; OLG Karlsruhe 15.1.1986 – 6 U 93/84 – WRP 1986, 296, 297. Weiterhin aus dem Schrifttum Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.50; Maier WRP 1986, 71, 74; Teplitzky Kap. 14 Rn. 23; Werner GRUR 2009, 820 ff. 690 Vgl. etwa BGH 19.6.1963 – Ib ZR 15/62 – GRUR 1964, 88, 89 – Verona-Gerät; OLG Karlsruhe 25.2.1989 – 6 U 148/97 – WRP 1998, 898, 899; OLG Jena 25. 6. 2008 – 2 U 68/08 – GRUR-RR 2009, 104, 105 – Prolac. Ahrens/Jestaedt Kap. 21 Rn. 18; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 311; Teplitzky Kap. 14 Rn. 23 m.w.N. 691 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 227; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 311. 692 Ebenso MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 311. 693 BGH 22.3.1963 – Ib ZR 161/61 – GRUR 1963, 438, 440 – Fotorabatt; OLG Frankfurt 28.11.1983 – 6 W 124/83 – WRP 1984, 330, 331; OLG München 9.2.1989 – 6 U 5029/88 – WRP 1989, 756, 757. HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 308; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.44, 2.49. 694 Vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 227. 695 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.49. 696 Kritisch zu dieser Bezeichnung Schünemann WRP 1998, 120, 123 m.w.N.

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III. Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte

C. Schuldner der Abwehransprüche

von vorneherein nicht möglich wäre.697 Davon unberührt bleibt eine Haftung des vermeintlichen Unternehmensinhabers als Mittäter oder Gehilfe.698 Wechselt der Mitarbeiter oder Beauftragte, der die geschäftliche Handlung auf 170 der Grundlage und am Maßstab des Absatz 1 selbst begangen hat, zu einem anderen Unternehmen, führt dies nicht zu einer Haftung des Unternehmensinhabers des neuen Unternehmens nach Maßgabe von Absatz 2.699 Zugleich bleibt der bereits entstandene Anspruch gegen den bisherigen Unternehmensinhaber, in dem die Mitarbeiter oder Beauftragten die Zuwiderhandlung begangen haben, von dem Wechsel unberührt.700 Dies ergibt sich bereits daraus, dass im Hinblick auf den neuen Unternehmensinhaber der Tatbestand des Absatzes 2 nicht erfüllt ist. Zudem steht der Gesetzeszweck einer „Mitnahme“ der Zuwiderhandlung in das neue Unternehmen entgegen.701 Denn im Verhältnis zu dem neuen Arbeitgeber kann nicht rückwirkend von einer arbeitsteiligen Organisation gesprochen werden.702 Davon unberührt bleibt jedoch eine eigene Haftung des neuen Arbeitgebers sowie eine Strafbarkeit gem. § 17 Abs. 2, wenn und soweit sich der neue Arbeitgeber allfällige Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse unbefugt verschafft.703 Zudem kommt eine Haftung gemäß Absatz 2 in Frage, wenn der wechselnde Mitarbeiter oder Beauftragte auch in dem anderen Unternehmen seine geschäftlichen Handlungen nach Maßgabe von Absatz 1 fortsetzt.704 Davon zu trennen ist die Frage der Haftung des Unternehmensinhabers, soweit dieser selbst das Unternehmen wechselt.705 Nicht als Unternehmensinhaber anzusehen ist die Erbengemeinschaft.706 Trotz 171 Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der GbR durch die Rechtsprechung707 können die Grundsätze hierüber nicht auf die Erbengemeinschaft übertragen werden, denn die Erbengemeinschaft entsteht kraft Gesetzes und ist nach der Wertung des § 2032 Abs. 2 BGB auf Auseinandersetzung gerichtet.708 Insofern fehlt es auch an eigenen Organen sowie an Regelungen über die Vertretung oder Geschäftsführung.709 Unternehmensinhaber sind daher allenfalls die Erben in gesamthänderischen Bindung,710 die jedoch nicht parteifähig i.S.d. § 50 Abs. 1 ZPO sind.711 Ebenfalls kein Unternehmensinhaber ist der Treugeber, der die volle Rechtsmacht über das Unternehmen an einen Treuhänder übertragen hat.712 Auch die gesetzlichen Vertreter, die eine natürliche Person vertreten, unter deren Namen das Unternehmen geführt wird, sind nicht Unternehmensinhaber.713 Denn insoweit fehlt es jeweils an der erforderlichen faktischen Ein-

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697 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 308; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.49. 698 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.50. 699 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 313; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.54. 700 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.54. 701 So im Ergebnis auch MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 313. 702 BGH 19.12.2002 – I ZR 119/00 – GRUR 2003, 453, 454 – Verwertung von Kundenlisten. 703 BGH 19.12.2002 – I ZR 119/00 – GRUR 2003, 453, 454 – Verwertung von Kundenlisten. 704 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 313. 705 Vgl. dazu nachstehend unter Rn. 178 ff. 706 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.50. 707 BGH 29.1.2001 – II ZR 331/00 – BGHZ 146, 341, 341 = NJW 2001, 1056, 1056. 708 Vgl. BGH 21.12.1988 – VIII ZR 277/87 – NJW 1989, 2133, 2134; BGH 11.9.2002 – XII ZR 187/00 – NJW 2002, 3389, 3390; Palandt/Edenhofer Vor § 2032 Rn. 1. 709 BGH 11.9.2002 – XII ZR 187/00 – NJW 2002, 3389, 3390. 710 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.49; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 311. 711 BGH 21.12.1988 – VIII ZR 277/87 – NJW 1989, 2133, 2134; BGH 17.10.2006 – VIII ZB 94/05 – NJW 2006, 3715. 712 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.49; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 311. 713 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.50.

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wirkungsmöglichkeit auf das Verhalten dieser Personen.714 Nicht überzeugend ist daher eine in der Literatur teilweise vertretene Ansicht, die bei beschränkt Geschäftsfähigen danach differenzieren will, ob es sich um einen selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts i.S.d. § 112 BGB handelt. Demnach soll der beschränkt Geschäftsfähige nur i.R.d. § 112 BGB selbst als Unternehmensinhaber haften, ansonsten hafte der gesetzliche Vertreter; dies solle sinngemäß auch für den Betreuer gem. § 1903 Abs. 1 Satz 2 BGB gelten.715 Überzeugender erscheint (auch) insofern allerdings eine analoge Anwendung des § 31 BGB.716 Keine Unternehmensinhaber sind zudem angestellte Manager, tatsächliche Geschäftsführer oder Organe sowie Organmitglieder einer juristischen Person.717 Hier kommt jedoch eine unmittelbare Haftung als (Mit-)Täter, Teilnehmer oder Störer in Frage.718 4. Beweislast. Die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf die Voraussetzungen des Absatz 2 trägt grundsätzlich derjenige, der den Anspruch geltend macht.719 Wenn etwa eine Gesellschaft auf eigene Rechnung und im eigenen Namen die Waren eines Produktherstellers im Rahmen einer Verkaufsveranstaltung bewirbt, muss der Anspruchsteller die rechtliche bzw. tatsächliche Beziehung zwischen der Gesellschaft und dem Produkthersteller beweisen. Nur wenn und soweit dieser Beweis gelingt, kann die Gesellschaft als Beauftragter des Herstellers angesehen und eine Haftung nach Absatz 2 begründet werden.720 Dabei greifen in diesem Zusammenhang die Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast.721 Wenn etwa der Hersteller dem werbenden Unternehmen genaue Vorgaben bezüglich der Formulierung eines Werbetextes für einen Artikel macht, kann ein Beauftragtenverhältnis auch dann angenommen werden, wenn sich zwar das genaue Rechtsverhältnis nicht qualifizieren bzw. nachweisen lässt, aber auch keine nachvollziehbaren Gründe vorgebracht werden, weshalb derartige Vorgaben außerhalb eines Beauftragtenverhältnisses i.S.d. Absatz 2 gemacht wurden.722 Die vorbenannten Grundsätze gelten auch für den Beweis der „Zuwiderhandlung“ 173 des Mitarbeiters oder des Beauftragten.723 Trägt der Unternehmensinhaber etwa vor, der Mitarbeiter habe die Handlung außerhalb seiner Tätigkeit im Betrieb und ohne seine Kenntnis begangen,724 trifft den Inhaber diesbezüglich eine sekundäre Darlegungslast.725 Der Inhaber muss also nachvollziehbar begründen, dass der Mitarbeiter ihm tatsächlich aus privaten Gründen einen Gefallen erbringen wollte und damit „außerhalb der Grenzen seiner rechtlichen Befugnisse“ handelte.726 172

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714 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.50. 715 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 307. 716 So auch Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.50. Vgl. dazu bereits ausführlich unter dem Begriff des „Beauftragten“ unter Rn. 166. 717 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 312. 718 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 312. 719 BGH 24.4.1963 – Ib ZR 109/61 – GRUR 1963, 434, 436 – Reiseverkäufer; BGH 19.4. 2007 – I ZR 92/04 – GRUR 2007, 994 Tz. 20 – Gefälligkeit. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 228; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.51; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 309; Teplitzky Kap. 14 Rn. 19. 720 OLG Köln 25.11.2005 – 6 U 129/05 – GRUR-RR 2006, 205, 206 – Bluerate Tarif-Wunder. 721 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 228; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.51. 722 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 309 unter Verweis auf OLG Frankfurt 27.10.2005 – 6 U 198/04 – juris, Gründe Rn. 38 ff. (nicht aufgeführt in OLG Frankfurt 27.10.2005 – 6 U 198/04 – GRUR 2006, 247 – 40 Jahre Garantie). 723 Vgl. allgemein dazu BGH 13.7.1962 – I ZR 43/61 – GRUR 1963, 270 – Bärenfang. 724 BGH 19.4. 2007 – I ZR 92/04 – GRUR 2007, 994 Tz. 18 – Gefälligkeit. 725 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 228; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.51. 726 BGH 19.4. 2007 – I ZR 92/04 – GRUR 2007, 994 – Gefälligkeit.

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C. Schuldner der Abwehransprüche

5. Rechtsfolgen. Der Tatbestand des Absatz 2 begründet eine verschuldensunab- 174 hängige Haftung des Unternehmensinhabers auf Unterlassung und Beseitigung. Eine § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB vergleichbare Exkulpationsmöglichkeit (etwa wegen Unkenntnis oder Schuldlosigkeit des Inhabers) oder sonstige Einschränkungen (etwa die enge Verrichtungsgehilfeneigenschaft des handelnden Dritten) bestehen in Ansehung von Absatz 2 nicht.727 Somit handelt es sich um den Fall einer echten Erfolgshaftung.728 Der Unternehmensinhaber wird auf der Grundlage und am Maßstab der Vorschrift so behandelt, als hätte er die geschäftliche Handlung selbst begangen.729 Einer gesonderten Feststellung der Wiederholungsgefahr beim Unternehmensinhaber bedarf es dagegen gerade nicht.730 a) Zusätzlicher Anspruch gegen den Unternehmensinhaber. Nach dem Wortlaut 175 des Absatz 2 besteht der Anspruch „auch gegen den Inhaber des Unternehmens.“ Der Anspruch zielt daher nicht bloß auf ein Einwirken des Inhabers auf seine Mitarbeiter oder Beauftragten ab,731 sondern entspricht inhaltlich dem direkten Anspruch gegen den Mitarbeiter oder Beauftragten nach Maßgabe von Absatz 1. 732 Der Anspruchsinhaber kann somit nach seiner Wahl sowohl gegen den Unternehmensinhaber als auch gegen den Mitarbeiter oder Beauftragten vorgehen.733 Es bestehen zwei selbstständige Ansprüche, die der Anspruchsinhaber unabhängig voneinander geltend machen kann und deren weiteres rechtliches Schicksal nach Anspruchsentstehung getrennt voneinander zu beurteilen ist.734 So kann etwa die Wiederholungsgefahr in Bezug auf den Mitarbeiter entfallen, soweit dieser eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt.735 Auf den Anspruch gegen den Unternehmensinhaber hat dies jedoch keine Auswirkung.736 Der Unternehmensinhaber müsste vielmehr selbst eine Unterwerfungserklärung abgeben.737 Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang die Veränderung solcher tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, bei denen „der frühere Zustand, der zu den Rechtsverletzungen geführt hat, ohne erheblichen Aufwand wieder hergestellt werden kann.“738 Wenn etwa der Unternehmer den handelnden Mitarbeiter zwar entlässt, gleichzeitig die in Rede stehende Zuwiderhandlung des Mitarbeiters aber selbst bestreitet, legt der Unternehmer durch dieses Verhalten die Folgerung nahe, dass er die Entlassung selbst nicht als endgültig ansieht.739 Ansonsten könnte mit der Entlassung bereits die Wiederholungsgefahr für den Inhaber beseitigt werden und anschließend – unabhängig davon,

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727 OLG Schleswig 21.3.1995 – 6 U 55/94 – NJWE-WettbR 1996, 26, 28; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler. Ahrens GRUR 1996, 518, 519; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 294, 308; Teplitzky Kap. 14 Rn. 19. 728 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.52; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 310. 729 Teplitzky Kap. 14 Rn. 19. 730 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.52; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 310. 731 Vgl. dazu Köhler GRUR 1991, 344, 353. 732 BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 608 – Franchise-Nehmer. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 229; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.52; ders. GRUR 1991, 344, 353; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 308; Teplitzky Kap. 14 Rn. 21. 733 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 229; GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 142; Teplitzky Kap. 14 Rn. 19. 734 BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin; BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 608 – Franchise-Nehmer; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907 – Filialleiterfehler; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.52. 735 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.52. 736 BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 608 – Franchise-Nehmer; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 317; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.52. 737 BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 210 – Neues aus der Medizin. 738 BGH 4.11.1964 – Ib ZR 3/63 – GRUR 1965, 155, 156 – Werbefahrer m. Anm. von Falck. 739 BGH 4.11.1964 – Ib ZR 3/63 – GRUR 1965, 155, 156 – Werbefahrer m. Anm. von Falck.

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ob diese Entlassung freiwillig oder in Folge einer arbeitsgerichtlichen Klage erfolgte – eben diese Entlassung wieder aufgehoben werden oder eine entsprechende Neueinstellung erfolgen.740 Die Verjährung nach § 11 ist für beide Ansprüche getrennt voneinander zu beurteilen.741 Der Anspruchsinhaber ist grundsätzlich frei in Bezug auf die Reihen- und Rang176 folge der Geltendmachung der beiden Ansprüche. Denn die Inhaberhaftung nach Absatz 2 tritt neben die Haftung des Handelnden nach Absatz 1.742 Fraglich ist jedoch, ob (ausnahmsweise) nur der Unternehmensinhaber in Anspruch genommen werden kann, wenn und soweit die Handlung des Mitarbeiters oder Beauftragten eine ganz untergeordnete Rolle einnimmt.743 Insofern könnten die zur Störerhaftung (siehe dazu Rn. 100 ff.) entwickelten Begrenzungsgrundsätze herangezogen werden. 744 Dies erscheint jedoch nicht zuletzt mit Blick auf den Wortlaut („auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet“) nicht überzeugend. Denn soweit eine Haftung des Mitarbeiters oder des Beauftragten bei unwesentlichen Tatbeiträgen nicht angenommen wird, würde es auch an einem tatbestandsmäßigen Verhalten i.S.d. Absatz 1 fehlen. Ein solches Verhalten ist jedoch gerade Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs gegen den Unternehmensinhaber nach Absatz 2.745 Der Anspruch gegen den Unternehmensinhaber ist räumlich grundsätzlich nicht 177 auf die Filiale begrenzt, in der der Mitarbeiter oder Beauftragte die geschäftliche Handlung vorgenommen hat.746 Die Erfolgshaftung des Inhabers wird nicht durch eine tatsächliche Begehungsgefahr durch diesen selbst, sondern durch die Wiederholungsgefahr im Hinblick auf den Mitarbeiter oder Beauftragten begründet. 747 Eben diese Wiederholungsgefahr wird dem Unternehmensinhaber i.R.d. Absatz 2 zugerechnet, so dass in räumlicher Hinsicht der gesamte Unternehmensbereich von der Haftung umfasst ist.748 Etwas anderes kann dann gelten, wenn die örtlichen Gegebenheiten charakteristisch für die geschäftliche Handlung sind und daher die Wiederholungsgefahr nur für bestimmte Filialen besteht.749 Hierfür genügt jedoch nicht bereits, dass die geschäftliche Handlung von der örtlichen Filiale selbstständig organisiert wurde.750 178

b) Haftung bei Unternehmensübergang. Hat ein Mitarbeiter oder ein Beauftragter eine Zuwiderhandlung i.S.d. Absatz 1 begangen und wechselt anschließend der Inhaber des Unternehmens – etwa in Folge eines Unternehmensverkaufs oder eines Erbfalls – ist umstritten, welche rechtlichen Wirkungen dies für die Erfolgshaftung des alten und des neuen Inhabers nach Absatz 2 hat. Hierbei ist sowohl im Hinblick auf die haftenden Personen als auch in Ansehung der verschiedenen Anspruchsziele eine differenzierte Betrachtung vorzunehmen. Hiervon zu trennen ist die Frage der Zurechnung von Verlet-

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740 BGH 4.11.1964 – Ib ZR 3/63 – GRUR 1965, 155, 156 – Werbefahrer m. Anm. von Falck. 741 Vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 315. 742 Teplitzky Kap. 14 Rn. 12 f., 19. 743 Teplitzky Kap. 14 Rn. 20. 744 BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09 – GRUR 2011, 340 Tz. 27 – Irische Butter. 745 Teplitzky Kap. 14 Rn. 20. 746 BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 910 – Filialleiterfehler. Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 321; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 314. 747 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 321. 748 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.52. 749 Vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 321. 750 Vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 321 unter Verweis auf BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 910 – Filialleiterfehler sowie BGH 22.1.1987 – I ZR 211/84 – GRUR 1987, 371, 373 – Kabinettwein.

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III. Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte

C. Schuldner der Abwehransprüche

zungshandlungen, welche der vorherige Unternehmensinhaber selbst i.S.d. Absatz 1 begangen hat, auf den neuen Inhaber (vgl. dazu bereits vorstehend Rn. 175 f.). aa) Meinungsstreit. Im Falle eines Wechsels des Unternehmensträgers soll der ur- 179 sprüngliche Unternehmensinhaber nach einer Ansicht weiterhin Schuldner des gegen ihn begründeten Unterlassungsanspruchs i.S.d. Absatz 2 sein, soweit nicht im Einzelfall jede Wahrscheinlichkeit einer vergleichbaren geschäftlichen Handlung nach dem Inhaberwechsel beseitigt ist und somit keine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr mehr besteht.751 Dies gelte jedenfalls für den Unterlassungsanspruch. Der Beseitigungsanspruch dagegen sei an die rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit des Inhabers auf das Unternehmen gebunden und entfalle damit, soweit der Inhaber das Unternehmen verlässt.752 Unter anderem Foerste vertritt dagegen die Ansicht, dass die Schuldnerschaft betreffend den Unterlassungsanspruch mit Wechsel des Inhabers auf den neuen Inhaber übergeht.753 Begründet wird diese Ansicht damit, dass Absatz 2 gerade die geschäftliche Handlung des Mitarbeiters oder des Beauftragten in Bezug nehme. Für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr sei daher entsprechend auf diese Personen abzustellen; der Wechsel des Inhabers habe darauf unmittelbar aber keinen Einfluss. Zudem sei auch für den Unterlassungsanspruch eine Einwirkungsmöglichkeit des Inhabers zu fordern, statt diesen Umstand erst im Rahmen des Verschuldens nach § 890 ZPO zu berücksichtigen.754 Da der Unterlassungsanspruch nach dem Inhaberwechsel aber nicht sowohl gegen den ursprünglichen als auch gegen den neuen Inhaber bestehen kann, soll die Unterlassungspflicht des Vorinhabers mit der Geschäftsaufgabe entfallen.755 Diese Ansicht, wonach die Schuldnerschaft betreffend den Unterlassungsanspruch 180 mit Wechsel des Inhabers auf den neuen Inhaber übergehen soll, hat der BGH in zwei Leitentscheidungen abgelehnt.756 Im Schrifttum wird in diesem Sinne angeführt, dass ein Übergang der Erfolgshaftung auf den neuen Inhaber der höchstpersönlichen Natur des Unterlassungsanspruchs sowie den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsnachfolge bei Abwehransprüchen widerspräche.757 Der Wechsel des Inhabers sei zwar ein Indiz für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr, lasse diese Wiederholungsgefahr für den ursprünglichen Inhaber aber nicht automatisch entfallen. Weiterhin müsse sich der neue Unternehmensinhaber auch nicht die Verletzungshandlung der Mitarbeiter oder Beauftragten seines Rechtsvorgängers zurechnen lassen.758 Denn dies widerspräche bereits dem Sinn und Zweck der Zurechnungsvorschrift. Die Erstbegehungsgefahr könne ferner

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751 Vgl. BGH 16.3.1989 – I ZR 56/87 – GRUR 1989, 673, 674 – Zahnpasta; BGH 16.1.1992 – I ZR 84/90 – GRUR 1992, 318, 319 f. – Jubiläumsverkauf; BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98 – GRUR 2001, 453, 455 – TCMZentrum. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 309; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.53; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 313. 752 Köhler GRUR 1991, 344, 353. 753 Vgl. Foerste GRUR 1998, 450, 453. Ebenfalls bejahend Ahrens GRUR 1996, 518, 519. 754 Foerste GRUR 1998, 450, 453. 755 Foerste GRUR 1998, 450, 453. Vgl. zudem auch Ahrens GRUR 1996, 518, 519. 756 BGH 26.4.2007 – I ZR 34/05 – BGHZ 172, 165, 168 = GRUR 2007, 995 Tz.12 – Schuldnachfolge; BGH 3.4.2008 – I ZR 49/05 – GRUR 2008, 1002, 1005 Tz. 39 – Schuhpark. 757 BGH 26.4.2007 – I ZR 34/05 – BGHZ 172, 165, 167 = GRUR 2007, 995 Tz. 10 – Schuldnachfolge. HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 309; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.53, ohne Bezugnahme auf die Höchstpersönlichkeit; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 313. 758 Vgl. BGH 26.4.2007 – I ZR 34/05 – BGHZ 172, 165, 168 = GRUR 2007, 995 Tz.12 – Schuldnachfolge; BGH 3. 4. 2008 – I ZR 49/05 – GRUR 2008, 1002, 1005 Tz. 39 – Schuhpark.

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Beseitigung und Unterlassung

nicht ohne weitere Anhaltspunkte in Ansehung des neuen Unternehmensinhabers angenommen werden.759 bb) Stellungnahme. Dass der ursprüngliche Unternehmensinhaber in solchen Konstellationen weiterhin zur Haftung herangezogen werden kann, überzeugt im Ergebnis nicht:760 Sinn und Zweck des Absatz 2 ist gerade die Ermöglichung der wettbewerbsrechtlichen Inanspruchnahme desjenigen, dem die Zuwiderhandlungen aus wirtschaftlicher Sicht letztendlich zugutekommt; dieser wirtschaftliche Nutznießer soll sich nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten gleichsam „verstecken“ können (siehe dazu oben Rn. 144 sowie Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 158). Es besteht deshalb weder eine Exkulpationsmöglichkeit noch ein Verschuldenserfordernis, denn Anknüpfungspunkt der Haftung ist gerade nicht das persönliche Verhalten des Inhabers.761 Soweit der Inhaber des Unternehmens wechselt, könnte man gegen eine Überleitung der Haftung zwar argumentieren, dass sich der neue Inhaber insofern nicht hinter seinen Mitarbeitern oder Beauftragten, sondern hinter seinem Vorgänger versteckt. Dieser Fall ist nach dem Wortlaut des Absatz 2 nicht erfasst. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt des Absatz 2 ist jedoch die geschäftliche Handlung der Mitarbeiter und Beauftragten i.S.d. Absatz 1, also nicht die geschäftliche Handlung des Vorgängers. In zeitlicher Hinsicht ist diese Zuwiderhandlung der Mitarbeiter oder Beauftragten zwar erfolgt, als der neue Inhaber noch keine Einflussmöglichkeit auf diese hatte. Aus wirtschaftlicher Sicht kommen ihm die Zuwiderhandlungen aber ebenfalls zugute. Auch im Hinblick auf die ansonsten nach der Rechtsprechung bestehenden hohen Anforderungen an die Beseitigung der Wiederholungsgefahr ohne Unterwerfungserklärung erscheinen die vorbenannten Entscheidungen des BGH inkonsequent, denn üblicherweise genügt für eine solche Beseitigung der Wiederholungsgefahr weder die Aufgabe des Geschäfts noch die Aufgabe der Betätigung in der jeweiligen Position.762 Zudem bestehen auch in Ansehung der Vorgaben des Europarechts erhebliche Zwei182 fel:763 Denn der EuGH hat zu Art. 81 ff. EGV (nunmehr Art. 101 ff. AEUV) für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen Wettbewerbsregeln von einer Einrichtung, die einer öffentlichen Stelle untersteht und dann von einer anderen, derselben öffentlichen Stelle unterstehenden Einrichtung fortgeführt wird, eine Haftung des Rechtsnachfolgers angenommen, ohne auf eine persönliche Verantwortlichkeit des Nachfolgers abzustellen.764 Zwar bestand in dem entschiedenen Fall die Besonderheit, dass beide Einrichtungen der Aufsicht derselben Stelle unterstanden.765 Dennoch ist die Haftungsnachfolge i.R.d. Absatz 2 mit dem vom EuGH entschiedenen Fall vergleichbar, da auch bei einem Wechsel des Unternehmensträgers der neue Inhaber das haftende Unternehmen übernimmt und insofern eine Verschmelzung anzunehmen ist.766 181

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759 Vgl. BGH 26.4.2007 – I ZR 34/05 – BGHZ 172, 165, 167 = GRUR 2007, 995 Tz.12 – Schuldnachfolge; BGH 3.4.2008 – I ZR 49/05 – GRUR 2008, 1002, 1005 Tz. 39 – Schuhpark. 760 So im Ergebnis auch Ahrens GRUR 1996, 518, 519; Dembowski jurisPR-WettbR 11/2007 Anm. 4; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 158; Mels/Franzen GRUR 2008, 968, 973; differenzierend MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 291; ablehnend dagegen Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 309; Köhler WRP 2000, 921, 928. 761 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 158. 762 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 156. 763 Dazu Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 158; Ullmann jurisPK-WettbR 5/2008 Anm. 1. 764 EuGH 11.12.2007 – C-280/06 – EuZW 2008, 93, 96 – Autorita Garante/ETI SpA. 765 EuGH 11.12.2007 – C-280/06 – EuZW 2008, 93, 96 – Autorita Garante/ETI SpA. 766 Vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 158; Ullmann jurisPK-WettbR 5/2008 Anm. 1.

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IV. Haftung mehrerer

C. Schuldner der Abwehransprüche

Soweit man einen Übergang der Wiederholungsgefahr mit der Begründung ablehnt, 183 dass sich der Anspruch durch den Wechsel nicht gleichsam verdoppeln kann, erscheint es nach alledem angemessen, eine Erstbegehungsgefahr im Hinblick auf den Rechtsnachfolger anzunehmen.767 Diese Gefahr muss dann der Rechtsnachfolger durch entsprechende Maßnahmen beseitigen, etwa indem er entsprechende Weisungen ausspricht und diese anschließend kontrolliert.768 Davon unberührt bleibt die Haftung des neuen Inhabers, wenn und soweit eine 184 erneute Zuwiderhandlung der Mitarbeiter oder Beauftragten nach dem Inhaberwechsel erfolgt. Insofern begründet dieses Verhalten jedenfalls einen neuen Unterlassungsbzw. Beseitigungsanspruch gegen den jetzigen Inhaber.769 Dieser neue Unterlassungsbzw. Beseitigungsanspruch kann sich etwa daraus ergeben, dass der jetzige Inhaber den vom früheren Inhaber geschaffenen rechtswidrigen Zustand aufrecht erhält oder es unterlässt, organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, welche die Gefahr zukünftiger vergleichbarer geschäftlicher Handlungen vermeiden, obwohl ihm eine Einwirkung nun möglich wäre.770 Auf die Haftung des früheren Inhabers hat dies keinen Einfluss.771 c) Verfahrensfragen. Da der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach dem 185 Wortlaut des Absatzes 2 „auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet“ wird, d.h. der Unternehmensinhaber sich die Zuwiderhandlung wie eine eigene zurechnen lassen muss, kann die Abfassung der Verbotsformel wie bei einem eigenen unmittelbaren Zuwiderhandeln des Unternehmensinhabers lauten.772 Jedoch erfolgt die Zurechnung insoweit bereits kraft Gesetzes und somit ohne Erwähnung in der Urteilsformel, weshalb dieser Zurechnungsgrundsatz zur Verdeutlichung in der Verbotsformel aufgeführt werden kann.773 Insofern handelt es sich nicht um ein „Mehr“ an Verurteilung, sondern bloß um einen rein deklaratorischen Verweis auf die gesetzlichen Folgen des Unterlassungsurteils.774 Möglich ist etwa die Formulierung „wird untersagt, unmittelbar oder mittelbar durch …“.775 Eine Vollstreckung des Titels gegen den Inhaber des Unternehmens wegen weiterer 186 Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter oder Beauftragten kann nach § 890 ZPO aber nur dann erfolgen, wenn dem Inhaber ein eigenes Verschulden bzgl. der geschäftlichen Handlungen gegen den Titel vorzuwerfen ist.776 IV. Haftung mehrerer IV. Haftung mehrerer Begehen mehrere nebeneinander einen Wettbewerbsverstoß, so steht es im Belie- 187 ben des Gläubigers, ob er alle oder nur einzelne Verletzer in Anspruch nimmt sowie in

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767 So auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 158. 768 Vgl. auch Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.53a, der jedoch den bloßen Unternehmensübergang für die Annahme einer Erstbegehungsgefahr nicht ausreichen lässt und auf den Einzelfall abstellt. 769 Vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 159. 770 BGH 26.4.2007 – I ZR 34/05 – BGHZ 172, 165, 169 = GRUR 2007, 995, 996 Tz. 14 f. – Schuldnachfolge. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 309. 771 So im Ergebnis auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 156. 772 BGH 19.12.1960 – I ZR 14/59 – GRUR 1961, 288, 290 – Zahnbürste; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 316. 773 BGH 19.12.1960 – I ZR 14/59 – GRUR 1961, 288, 290 – Zahnbürste. 774 BGH 19.12.1960 – I ZR 14/59 – GRUR 1961, 288, 290 – Zahnbürste. 775 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.55. 776 Vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.56 und MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 316 unter Verweis auf BVerfG 28.5.1996 – 1 BvR 927/91 – NJW 1996, 2567; BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

welcher Reihenfolge hierbei vorgegangen wird.777 Die Wahlmöglichkeiten des Gläubigers werden insoweit lediglich durch den Missbrauchstatbestand des Absatz 4 begrenzt.778 Die Vorschriften über die Gesamtschuld finden bei Unterlassungsansprüchen dagegen grundsätzlich keine Anwendung.779 Insoweit fehlt es bereits an der Voraussetzung, dass der Gläubiger „die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt“ ist,780 denn die Unterlassung des einen Mittäters ist nicht gleichbedeutend mit der Unterlassung des anderen Mittäters.781 Vielmehr kann jeder Schuldner die Unterlassungspflicht primär nur für sich allein beachten und damit nicht zugleich die Unterlassungsverpflichtung des anderen Schuldners erfüllen.782 Etwas anderes folgt auch nicht aus §§ 830, 840 BGB,783 da diese Vorschriften sich nicht auf den Unterlassungsanspruch, sondern allein auf die Verantwortlichkeit für den in der Vergangenheit entstandenen Schaden beziehen.784 Auf Beseitigungsansprüche sind die Vorschriften über die Gesamtschuld nur ein188 geschränkt anwendbar.785 In diesem Zusammenhang ist entscheidend, ob tatsächlich eine einheitliche Schuld anzunehmen ist.786 Von einer einheitlichen Schuld wird man regelmäßig im Falle der Inanspruchnahme von Gesellschaften und ihren Organen ausgehen können.787 Keine einheitliche Schuld wird hingegen vorliegen, wenn ein Täter und ein Gehilfe Beseitigung schulden, der Gehilfe tatsächlich aber nur seinen eigenen Tatbeitrag beseitigen kann.788 V. Haftung bei Rechtsnachfolge V. Haftung bei Rechtsnachfolge 189

Bezüglich der Haftung auf Unterlassung bei Rechtsnachfolge ist zwischen gesetzlichen und vertraglichen Unterlassungsansprüchen zu unterscheiden. Zu der umstrittenen Frage nach einer Haftung des Rechtsnachfolgers gemäß § 8 Abs. 2 siehe vorstehend Rn. 178 ff. Gesetzliche Unterlassungsansprüche gehen grundsätzlich nicht auf den Rechtsnachfolger des Schuldners über.789 Die Wiederholungsgefahr ist ein tatsächlicher Umstand, der allein nach den Verhältnissen in der Person des Zuwiderhandelnden zu

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777 BGH 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 Tz. 36 – Kinderwärmekissen; BGH 15.4.2008 – X ZB 12/06 – WRP 2008, 952, 953; OLG Düsseldorf 21.1.1997 – 20 U 230/95 – NJWE-WettbR 1997, 245, 245 – Künstliche Prozessverdoppelung. Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 151; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 140; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.30; MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 287 f. 778 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.30; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 287. 779 BGH 15.4.2008 – X ZB 12/06 – WRP 2008, 952, 953. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.30 ; Teplitzky Kap. 14 Rn. 29. 780 BGH 15.4.2008 – X ZB 12/06 – WRP 2008, 952, 953. Teplitzky Kap. 14 Rn. 29. 781 Teplitzky Kap. 14 Rn. 29. 782 BGH 15.4.2008 – X ZB 12/06 – GRUR-RR 2008, 460 Tz. 11. 783 Teplitzky Kap. 14 Rn. 29. 784 Teplitzky Kap. 14 Rn. 29. A.A. dagegen Tilmann GRUR 1986, 691, 694; Klaka GRUR 1988, 729, 732: Entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld, wenn die Unterlassungsschuldner für das Unterlassen der Mithaftenden in einer Mitverantwortungsgemeinschaft einzustehen haben. 785 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 288; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.30. 786 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 288. 787 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 288. 788 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 288. Vgl. auch BGH 15.1.1957 – I ZR 56/55 – GRUR 1957, 352, 354 – Taeschner/Pertussin II; BGH 3.2.1976 – VI ZR 23/72 – GRUR 1977, 114, 115 f. – VUS; Tilmann GRUR 1986, 691, 692 f. 789 BGH 16.3.2006 – I ZR 92/03 – GRUR 2006, 879 Tz. 17 – Flüssiggastank; BGH 26.4.2007 – I ZR 34/05 – GRUR 2007, 995 Tz. 11 – Schuldnachfolge; BGH 3.4.2008 – I ZR 49/05 – GRUR 2008, 1002 Tz. 39 – Schuhpark; vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 156; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 141; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.31; Köhler WRP 2000, 921 ff.; Köhler WRP 2010, 475 ff.; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 291; Teplitzky Kap. 15 Rn. 12.

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I. Allgemeines

D. Gläubiger der Abwehransprüche

beurteilen ist und daher der Rechtsnachfolge nicht unterliegt.790 Für die Annahme einer Erstbegehungsgefahr reicht weder die bloße Unternehmensnachfolge noch eine Verteidigung des Verhaltens des Rechtsvorgängers aus.791 Bei einer Unternehmensveräußerung bleibt vielmehr der Veräußerer verpflichtet; bei einem Übergang des Unternehmens auf einen anderen Rechtsträger, etwa durch Erbfolge oder Verschmelzung, erlischt der Anspruch.792 Eine Rechtskrafterstreckung nach § 325 ZPO oder die Erteilung einer Vollstreckungsklausel nach § 727 ZPO kommen nicht in Betracht.793 Die vorgenannten Grundsätze greifen auch im Falle einer Insolvenz des Schuldners für die Verantwortlichkeit eines Insolvenzverwalters wegen eines Wettbewerbsverstoßes des Schuldners.794 Beim vertraglichen Unterlassungsanspruch ist ein Übergang auf den Rechtsnach- 190 folger des Schuldners hingegen möglich, sofern nicht die Auslegung des Unterlassungsvertrags ergibt, dass eine rein persönliche Schuld des Verpflichteten begründet werden sollte.795 Gleiches gilt für ein den Unterlassungsanspruch sicherndes Vertragsstrafeversprechen.796 Ein gegen den Veräußerer eines Unternehmens bestehender Beseitigungsanspruch 191 erlischt nur dann, wenn dem Veräußerer die Beseitigung infolge der Veräußerung unmöglich wird.797 Entsprechendes gilt im Falle eines aus einem Unternehmen ausscheidenden Mitarbeiters.798 Der Erwerber eines Unternehmens haftet originär auf Beseitigung, wenn er den Störungszustand aufrechterhält, obwohl er zur Beseitigung in der Lage wäre.799

D. Gläubiger der Abwehransprüche D. Gläubiger der Abwehransprüche I. Allgemeines I. Allgemeines 1. Normzweck. Für die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts hat der Gesetzgeber – 192 auch – im Zuge der UWG-Novelle 2004 bewusst das „bewährte System der Durchsetzung des Lauterkeitsrechts mit Hilfe von zivilrechtlichen Ansprüchen“ fortgeschrieben;800 für

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790 BGH 16.3.2006 – I ZR 92/03 – GRUR 2006, 879 Tz. 17 – Flüssiggastank; BGH 26.4.2007 – I ZR 34/05 – GRUR 2007, 995 Tz. 11 – Schuldnachfolge; BGH 3.4.2008 – I ZR 49/05 – GRUR 2008, 1002 Tz. 39 – Schuhpark. Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 156; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 141; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.31; Köhler WRP 2000, 921 ff.; Köhler WRP 2010, 475 ff.; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 291; Teplitzky Kap. 15 Rn. 12. 791 BGH 26.4.2007 – I ZR 34/05 – GRUR 2007, 995 Tz. 13 – Schuldnachfolge; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.31; Teplitzky Kap. 15 Rn. 12. A.A. dagegen Mels/Franzen GRUR 2008, 968 ff. 792 BGH 26.4.2007 – I ZR 34/05 – GRUR 2007, 995 Tz. 10 – Schuldnachfolge; BGH 3.4.2008 – I ZR 49/05 – GRUR 2008, 1002 Tz. 39 – Schuhpark. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.31. 793 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 156; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 291. 794 BGH 18.3.2010 – I ZR 158/07 – GRUR 2010, 536 Tz. 40 – Modulgerüst II; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.31. 795 BGH 25.4.1996 – I ZR 58/94 – GRUR 1996, 995, 996 – Übergang des Vertragsstrafeversprechens. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 160; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 141; Teplitzky Kap. 15 Rn. 13. 796 BGH 25.4.1996 – I ZR 58/94 – GRUR 1996, 995, 996 – Übergang des Vertragsstrafeversprechens; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 160; Teplitzky Kap. 15 Rn. 13. 797 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.31; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 290. 798 BGH 3.5.1974 – I ZR 52/73 – GRUR 1974, 666, 669 – Reparaturversicherung. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.31; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 290. 799 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 159; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.31; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 291. 800 Anders in anderen Mitgliedstaaten (wie etwa Italien) oder den USA, wo die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts – auch – einer Behörde übertragen ist. Siehe hierzu auch Busch in: Schmidt-Kessel/ Schubmehl (Hrsg.) S. 63 ff.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

die Übertragung der Durchsetzung auf Behörden wurde kein Bedarf gesehen.801 Als Gläubiger der wettbewerbsrechtlichen Ansprüche aus Absatz 1 kommen nunmehr in Betracht jeder Mitbewerber (siehe hierzu sogleich sub II.), Verbände (siehe hierzu sogleich sub III.), qualifizierte Einrichtungen zum Schutz von Verbraucherinteressen nach dem UKlaG oder der RL 98/27/EG (siehe hierzu sogleich sub IV.) und Kammern (siehe hierzu sogleich sub V.). 193 Die Anspruchsberechtigung ist in Absatz 3 abschließend geregelt. Vor diesem Hintergrund eröffnet das UWG gerade keine Popularklage, da insbesondere den Verbrauchern weder eine Prozessführungsbefugnis noch eine Anspruchsberechtigung eingeräumt wird. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich dafür entschieden, keine individuellen Ansprüche von Verbrauchern zuzulassen: „Das Lauterkeitsrecht enthält, auch wenn durch diese Reform eine Liberalisierung – insbesondere im Bereich der Sonderveranstaltungen – erfolgt, sehr hohe Anforderungen an das Verhalten der Unternehmer im Wettbewerb. Die Anerkennung von individuellen Rechten des Verbrauchers bei Verstößen gegen das UWG würde dieses hohe Schutzniveau, welches gerade auch im Interesse des Verbrauchers besteht, im Ergebnis in Frage stellen. Der Unternehmer müsste bei Beibehaltung des materiellen Schutzniveaus jederzeit mit einer Vielzahl von Klagen von Verbrauchern wegen eines (angeblichen) Verstoßes gegen das UWG rechnen. Dies würde zu sehr hohen Belastungen für die Wirtschaft führen und hätte einen erheblichen Standortnachteil zur Folge. Diese Belastungen ließen sich nur dadurch auf ein für die Wirtschaft akzeptables Maß verringern, dass man das Schutzniveau absenkt und dadurch das Prozessrisiko für die Unternehmen verringert.“802 Eine hiervon abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der – nunmehrigen – ausdrücklichen Benennung der Verbraucher und Verbraucherinnen in der Schutzzweckbestimmung des UWG (§ 1 Satz 1).803 Für den Individualschutz von Verbrauchern ist auf die Regelungen des Bürgerlichen Rechts zu rekurrieren, wohingegen das UWG für den Kollektivschutz von Verbrauchern in Absatz 3 Nr. 2–4 weitergehende Regelungen vorhält. Das Ziel einer umfassenden Verwirklichung der Schutzzwecke aus § 1 (Schutz der 194 Mitbewerber, Verbraucher und der sonstigen Marktteilnehmer sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb) gebietet eine umfassende, zügige und effektive Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen. Nach der Gesetzessystematik ist es deshalb möglich und bezweckt, dass mehrere Gläubiger nebeneinander berechtigt sind, lauterkeitsrechtliche Ansprüche aus Absatz 1 geltend zu machen (Gläubigermehrheit).804 Die entsprechenden Ansprüche der Verletzten stehen selbständig nebeneinander, woraus sich eine Anspruchsmehrheit ergibt. 805 Die Mehrfachverfolgung eines Wettbewerbsverstoßes durch verschiedene Gläubiger begründet grundsätzlich gerade nicht den Einwand eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses.806 Allenfalls ausnahmsweise kann die Einrede der missbräuchlichen Geltendmachung auf der Grundlage und am Maßstab von Absatz 4 zur Anwendung berufen sein.807

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801 BTDrucks. 15/1487 S. 22. 802 BTDrucks. 15/1487 S. 22. 803 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 230; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 324; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.4; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 319. 804 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.3. 805 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 332; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.3. 806 BGH 5.1.1960 – I ZR 100/58 – GRUR 1960, 379, 380 f. – Zentrale; BGH 16.12.1993 – I ZR 277/91 – GRUR 1994, 307, 308 – Mozzarella I. 807 Vgl. hierzu nachfolgend Rn. 249 ff.

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I. Allgemeines

D. Gläubiger der Abwehransprüche

2. Rechtsnatur und prozessuale Folgen. In Ansehung der Rechtsnatur ist umstrit- 195 ten, ob Absatz 3 die materiell-rechtliche Anspruchsberechtigung (= Aktivlegitimation), die prozessuale Klagebefugnis (= Prozessführungsbefugnis) oder beides regelt. Unter Geltung des alten Rechts entsprach es der ganz überwiegenden Auffassung, dass in § 13 Abs. 2 a.F. [„kann der Anspruch … geltend gemacht werden“] sowohl die Aktivlegitimation als auch die Prozessführungsbefugnis normiert sein sollte (Lehre von der Doppelnatur).808 Nunmehr regelt Absatz 3, wem die Ansprüche „zustehen“, woraus teilweise eine ausschließlich materiell-rechtliche Betrachtung abgeleitet wird. 809 Die Gesetzesbegründung zu Absatz 3 verwendet im hier maßgeblichen Zusammenhang des § 8 sowohl die Bezeichnung „Anspruchsberechtigung“ als auch die Bezeichnung „Klagebefugnis“. 810 Hieraus lässt sich demnach kein abschließendes Argument gewinnen; 811 vielmehr spiegelt sich wider, dass bei der Geltendmachung eigener Ansprüche regelmäßig Aktivlegitimation und Klagebefugnis zusammenfallen.812 Für die Mitbewerber (Absatz 3 Nr. 1) kann festgehalten werden, dass sich die Prozessführungsbefugnis aus den allgemeinen Vorschriften ableitet (vgl. § 51 ZPO).813 Nach der vorzugswürdigen h.M. gilt die Lehre von der Doppelnatur für die Be- 196 handlung der Verbände (Absatz 3 Nr. 2) und der qualifizierten Einrichtungen zum Schutz von Verbraucherinteressen (Absatz 3 Nr. 3) weiterhin fort.814 Aus der Annahme, dass die statuierten Voraussetzung des Absatz 3 Nr. 2 und Nr. 3 neben der Anspruchsberechtigung auch die Prozessführungsbefugnis betreffen, leiten sich mehrere prozessuale Folgen ab: Die Prozessführungsbefugnis ist in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen.815 Die Voraussetzungen der Prozessführungsbefugnis sind im Freibeweisverfahren zu prüfen.816 Dabei ist grundsätzlich zu verlangen, dass die Tatsachen, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen ableitet, spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz vorgelegen haben müssen.817 Fehlen die Voraussetzungen, so ist die Klage als

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808 Siehe aus der stRspr etwa BGH 11.4.1991 – I ZR 82/89 – GRUR 1991, 684, 684 – Verbandsausstattung I; BGH 14.5.1992 – I ZR 204/90 – GRUR 1992, 622, 623 – Verdeckte Laienwerbung; BGH 9.12.1993 – I ZR 276/91 – GRUR 1994, 304, 304 – Zigarettenwerbung in Jugendzeitschriften; BGH 11.7.1996 – I ZR 79/94 – GRUR 1996, 804, 805 – Preisrätselgewinnnauslobung III; BGH 13.2.2003 – I ZR 41/00 – GRUR 2003, 803, 803 – Foto-Aktion. Weiterhin aus dem Schrifttum GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 15 m.w.N. 809 Fritzsche, Unterlassungsanspruch S. 599 ff.; Goldbeck S. 67; Greger NJW 2000, 2457, 2462; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 3.10 (bis zur 29. Aufl.); MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 322; E. Schmidt NJW 2002, 25, 28. 810 BTDrucks. 15/1487 S. 22 f. 811 MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 322 nimmt deshalb an, es werde deutlich, „dass der Gesetzgeber die dogmatische Streitfrage nicht entscheiden wollte“. 812 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.8. 813 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.8a; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 86; Teplitzky Kap. 13 Rn. 13. 814 BGH 27.1.2005 – I ZR 146/02 – GRUR 2005, 689, 690 – Sammelmitgliedschaft III; BGH 23.2.2006 – I ZR 164/03 – GRUR 2006, 517 Tz. 14 – Blutdruckmessungen; BGH 16.11.2006 – I ZR 218/03 – GRUR 2007, 610 Tz. 14 – Sammelmitgliedschaft V; BGH 1.3.2007 – I ZR 51/04 – GRUR 2007, 809 Tz. 13 – Krankenhauswerbung. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 245; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.9 ff.; Teplitzky Kap. 13 Rn. 25 f. A.A. dagegen MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 322. 815 BGH 18. 5. 2006 – I ZR 116/03 – GRUR 2006, 873 Tz. 14 – Brillenwerbung; BGH 16.11.2006 – I ZR 218/03 – GRUR 2007, 610 Tz. 14 – Sammelmitgliedschaft V; BGH 1.3.2007 – I ZR 51/04 – GRUR 2007, 809 Tz. 12 – Krankenhauswerbung. 816 BGH 11.7.1996 – I ZR 79/94 – GRUR 1996, 804, 805 – Preisrätselgewinnauslobung III; BGH 26.6.1997 – I ZR 53/95 – GRUR 1998, 498, 499 – Fachliche Empfehlung III; BGH 14.12.2000 – I ZR 181/99 – GRUR 2001, 846, 847 – Metro V. 817 BGH 16.11.2006 – I ZR 218/03 – GRUR 2007, 610 Tz. 14 – Sammelmitgliedschaft V.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

unzulässig abzuweisen.818 Dabei kann aus Gründen der Verfahrensökonomie ausnahmsweise von einer grundsätzlich (prozessual) vorrangigen Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen abgesehen werden, wenn die Prozessführungsbefugnis zweifelhaft ist und die Klage sogleich als materiell unbegründet entschieden werden kann.819 3. Anwendungsbereich. Absatz 3 findet Anwendung auf Beseitigung- und Unterlassungsansprüche aus Absatz 1. Hiervon umfasst sind sämtliche Beseitigungsansprüche unter Einschluss insbesondere von Ansprüchen auf Kostenerstattung, Löschung, Vernichtung und Widerruf.820 Weiterhin erstreckt sich die Anspruchsberechtigung bei Vorliegen eines entsprechenden Sachzusammenhangs mit der Durchsetzung von Ansprüchen aus Absatz 1 auch auf Auskunftsansprüche.821 Darüber hinaus umfasst die Anspruchsberechtigung für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch die Berechtigung zur Abmahnung sowie zur nachfolgenden Geltendmachung eines Anspruchs auf Aufwendungsersatz aus § 12 Abs. 1 Satz 2.822 Insgesamt ist die Anspruchsberechtigung nicht auf den jeweiligen räumlichen Tätigkeitsbereich des Verletzten beschränkt, sondern kann sich auf das gesamte Bundesgebiet erstrecken und ist bundesweit durchsetzbar; zur Begründung wird insbesondere darauf verwiesen, dass der Anspruch dem Wettbewerber nicht nur zum Schutz seiner Individualinteressen, sondern auch und gerade im Interesse der anderen Marktbeteiligten und der Allgemeinheit zuerkannt wird.823 Dagegen findet Absatz 3 keine Anwendung auf den in § 9 geregelten Schadenser198 satzanspruch sowie die mit diesem in Zusammenhang stehenden (Hilfs-)Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung.824 Ausgeschlossen ist die (direkte oder entsprechende) Anwendung der Anspruchsberechtigung aus Absatz 3 ferner auch für Ansprüche außerhalb des UWG, sofern keine ausdrückliche Bezugnahme vorhanden ist;825 in diesem Sinne fehlt es etwa an einer Anwendbarkeit für Ansprüche aus dem BGB und dem HGB.826 Ob und inwieweit einem Verletzten ein auf Normen außerhalb des UWG gestützter Anspruch zusteht, beurteilt sich vielmehr grundsätzlich nur auf der Grundlage und am Maßstab der einschlägigen Norm. So stehen etwaige außerwettbewerbsrechtliche Ansprüche nur dem Verletzten zu, weshalb ein Verband, eine Körperschaft oder eine quali197

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818 BGH 11.5.1995 – I ZR 107/93 – GRUR 1995, 604, 605 – Vergoldete Visitenkarte; BGH 18.10.1995 – I ZR 126/93 – GRUR 1996, 217, 218 – Anonymisierte Mitgliederliste. 819 BGH 11.7.1996 – I ZR 79/94 – GRUR 1996, 804, 805 – Preisrätselgewinnauslobung III; BGH 11.7.1996 – I ZR 79/94 – GRUR 1996, 1119, 1120 – RUMMS!; BGH 22.5.2003 – I ZR 185/00 – GRUR 2003, 804, 804 – Fotoaktion. 820 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 234; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.13; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 325. 821 BGH 18.2.1972 – I ZR 82/70 – GRUR 1972, 558, 560 – Teerspritzmaschinen m. Anm. von Falck. Weiterhin aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 330; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.14; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 326. 822 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.15; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 327. 823 BGH 10.12.1998 – I ZR 141 / 96 – GRUR 1999, 509, 510 – Vorratslücken. Weiterhin aus dem Schrifttum Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.13; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 325. A.A. dagegen Ulrich WRP 1998, 826, 827. 824 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 235; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 330; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.16; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 328. 825 Eine solche ausdrückliche Bezugnahme findet sich etwa in §§ 55 Abs. 2 Nr. 3, 128 Abs. 1 Satz 1, 135 Abs. 1 Satz 1 MarkenG. 826 So bereits zum alten Recht (§ 13 Abs. 2 UWG 1909) BGH 24.4.1964 – Ib ZR 73/63 – BGHZ 41, 314, 318 = GRUR 1964, 567, 568 – Lavamat I m. Anm. Reimer; BGH 26.4.1967 – Ib ZR 22/65 – GRUR 1968, 95, 97 – Büchereinachlaß m. Anm. Schwartz; BGH 16.1.1997 – I ZR 225/94 – GRUR 1997, 669, 671 – Euromint. Weiterhin aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 330; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.16; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 328.

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I. Allgemeines

D. Gläubiger der Abwehransprüche

fizierte Einrichtung regelmäßig eine hinreichende Verletzung in eigenen Interessen oder Rechten darlegen und beweisen muss.827 4. Übertragung der Anspruchsberechtigung a) Abtretung. Anders als im UKlaG (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 UKlaG) findet sich im UWG 199 keine ausdrückliche Regelung zur Abtretung von Ansprüchen. Eine analoge Anwendung der Regelung aus dem UKlaG ist richtigerweise abzulehnen, da für die Annahme einer solchen Analogie hier bereits keine sachliche Notwendigkeit besteht.828 Die Frage nach der Zulässigkeit einer Abtretung von Ansprüchen aus Absatz 1829 ist vielmehr in Ansehung von Sinn und Zweck der einschlägigen Bestimmung des Absatz 3 (Individualklage nach Maßgabe von Absatz 3 Nr. 1 oder Verbandsklage nach Absatz 3 Nr. 2–4) zu beantworten.830 Nach ständiger Rechtsprechung ist die isolierte Abtretung von Abwehransprüchen grundsätzlich ausgeschlossen.831 Bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen kommt eine Abtretung zudem regelmäßig deshalb nicht in Betracht, weil dies zu einer zu der gesetzlichen Regelung des Absatz 3 in Widerspruch stehenden Vermehrung der Verfolgungsberechtigten führen würde.832 Ferner wird es sich wegen des geschlossenen Kreises der Anspruchsberechtigten regelmäßig um höchstpersönliche Ansprüche handeln, die bereits wegen § 399 Var. 1 BGB nicht abgetreten werden können.833 Somit kommt grundsätzlich weder eine Abtretung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche von Mitbewerbern noch von Verbänden in Betracht. Etwas anderes kann gelten für die Fälle der Unternehmensveräußerung, wenn die Ansprüche gemeinsam mit dem Unternehmen als Bestandteil des Betriebsvermögens übertragen werden; hier kommt es gerade nicht zu einer Abspaltung des Anspruchs von der Mitbewerberstellung.834 Im Falle einer unwirksamen Abtretung kommt eine Umdeutung in eine gewillkürte Prozessstandschaft dem Grunde nach in Betracht, wenn und soweit deren Voraussetzungen gegeben sind.835 b) Gesetzlicher Forderungsübergang. In den Konstellationen einer Gesamt- 200 rechtsnachfolge können – auch – die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche kraft Gesetzes auf den Rechtsnachfolger übergehen. Erforderlich ist allerdings jedenfalls, dass die betreffenden Ansprüche übertragungsfähig sind und in der Person des Rechtsnachfolgers die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs vorliegen.836 So kann durch die gesetzliche Rechtsnachfolge etwa die Wiederho-

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827 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.16; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 328. 828 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.17; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 333. 829 Die Abtretbarkeit des vertraglichen Unterlassungsanspruchs wird teilweise bejaht, vgl. Köhler AcP 190 (1990) 496, 528; Fritzsche, Unterlassungsanspruch S. 452. 830 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.17; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 333. 831 BGH 8.7.1993 – I ZR 174/91 – BGHZ 119, 237, 241 = GRUR 1993, 918, 920 – Universitätsemblem; BGH 22.2.2001 – I ZR 194/98 – GRUR 2001, 1158, 1160 – Dorf MÜNSTERLAND I; BGH 5.7.2001 – I ZR 311/98 – BGHZ 148, 221, 225 = GRUR 2002, 248, 250 – SPIEGEL-CD-ROM; BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05 – GRUR 2007, 978 Tz. 33 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer. 832 BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05 – GRUR 2007, 978 Tz. 33 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer. 833 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.21 m.w.N. 834 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.20; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 336. 835 BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05 – GRUR 2007, 978 Tz. 34 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer. 836 BGH 25.3.1999 – I ZR 77/97 – GRUR 1999, 1100, 1100 – Generika; BGH 6.7.1995 – I ZR 4/93 – GRUR 1995, 817, 818 – Legehennenhaltung; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.24; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 338.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

lungsgefahr entfallen, wenn die wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche gegen den früheren Verletzten persönlich gerichtet waren.837 c) Prozessstandschaft. Dem Grunde nach können wettbewerbsrechtliche Ansprüche, für die über Absatz 3 eine Anspruchsberechtigung vermittelt wird, sowohl in gewillkürter Prozessstandschaft838 als auch in gesetzlicher Prozessstandschaft839 geltend gemacht werden. Allerdings wird für die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs durch einen Dritten in Prozessstandschaft nur ausnahmsweise ein praktisches Bedürfnis bestehen.840 Für eine gewillkürte Prozessstandschaft kommt vor allem dem Vorhandensein eines eigenen schutzwürdigen Interesses des zur Prozessstandschaft Ermächtigten eine hervorgehobene Bedeutung zu: Neben den allgemeinen prozessrechtlichen Voraussetzungen ist in Ansehung einer 202 gewillkürten Prozessstandschaft von Mitbewerbern zu fordern, dass eine Ermächtigung und ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an der Rechtsverfolgung aufgrund der besonderen Beziehungen zum Rechtsinhaber gegeben sind.841 Ein solches eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten kann sich insbesondere aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ergeben;842 hierfür ausreichend ist etwa auch eine gesellschaftsrechtliche Verbindung und eine bestimmte Aufgabenverteilung im Sinne eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens im Konzern.843 Bei einem Gesellschafter ist das eigene schutzwürdige Interesse grundsätzlich dann zu bejahen, wenn an der Gesellschaft eine Beteiligung in einem Maße besteht, dass sich die wirtschaftlichen Interessen des Gesellschafters im Wesentlichen mit denen der Gesellschaft decken.844 Schließlich gilt, dass sich die Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft in einem Sachverhalt mit Auslandsberührung grundsätzlich nach deutschem Prozessrecht als der lex fori richtet;845 ebenfalls nach deutschem Recht bestimmt sich insofern grundsätzlich auch die Frage nach der Wirksamkeit der Prozessführungsermächtigung.846 Eine gewillkürte Prozessstandschaft für Verbände ist nach zutreffender Auffassung 203 nicht anzuerkennen, da es insoweit jedenfalls bereits an einem schutzwürdigen Inte201

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837 OLG Koblenz 24.9.1987 – 6 U 1189/87; 6 U 1024/87 – GRUR 1988, 43, 46 – Weingut. 838 Hierzu etwa Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 333; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 3.22; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 329 ff. 839 Hierzu etwa MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 332. 840 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 333. 841 BGH 8.7.1993 – I ZR 174/91 – GRUR 1993, 151, 152 – Universitätsemblem; BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 178 = GRUR 2000, 1089, 1093 – Missbräuchliche Mehfachverfolgung; BGH 3.11.2005 – I ZR 29/03 – GRUR 2006, 329 Tz. 21 – Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem; BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05 – GRUR 2007, 978 Tz. 34 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer; BGH 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 Tz. 17 f. – Kinderwärmekissen. 842 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 178 = GRUR 2000, 1089, 1093 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 13.10.1994 – I ZR 99/92 – GRUR 1995, 54, 57 – Nicoline; BGH 19.1.1989 – I ZR 217/86 – GRUR 1990, 361, 362 – KRONENTHALER; BGH 3.11.2005 – I ZR 29/03 – GRUR 2006, 329 Tz. 21 – Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem. 843 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 178 = GRUR 2000, 1089, 1093 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 3.11.2005 – I ZR 29/03 – GRUR 2006, 329 Tz. 21 – Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem. 844 BGH 13.10.1994 – I ZR 99/92 – GRUR 1995, 54, 57 – Nicoline; BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – GRUR 2000, 1089, 1093 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung. 845 BGH 24.2.1994 – VII ZR 34/93 – BGHZ 125, 196, 199 = NJW 1994, 2549, 2549 – Gewillkürte Prozeßstandschaft eines ausländischen Konkursverwalters; BGH 28.10.2004 – I ZR 326/01 – GRUR 2005, 168, 171 – Puppenausstattungen. Weiterhin auch Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.22. 846 BGH 24.2.1994 – VII ZR 34/93 – BGHZ 125, 196, 199 = NJW 1994, 2549, 2549 f. – Gewillkürte Prozeßstandschaft eines ausländischen Konkursverwalters; BGH 28.10.2004 – I ZR 326/01 – GRUR 2005, 168, 171 – Puppenausstattungen. Weiterhin auch Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.22.

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II. Mitbewerber (Absatz 3 Nr. 1)

D. Gläubiger der Abwehransprüche

resse fehlt.847 Zudem können Verbände auch nicht in gewillkürter Prozessstandschaft für Mitbewerber klagen, da die Verbände über einen eigenen Anspruch verfügen – und insoweit wiederum kein eigenes schutzwürdiges Interesse für die Geltendmachung von Ansprüchen Dritter im eigenen Namen aufweisen.848 Zudem hat der Gesetzgeber den Verbänden mit der Neufassung des UWG den eigenen Verfolgungsanspruch bewusst entzogen und deutlich gemacht, dass die Verbände nur noch zur kollektiven Wahrnehmung von – für den einschlägigen Markt repräsentativen – Mitgliederinteressen befugt sind; diese gezielte Beschränkung der Klagebefugnis der Verbände drohte unterlaufen zu werden, würde nunmehr ein schutzwürdiges eigenes Interesse der Verbände an der Verfolgung von Ansprüchen Betroffener anerkannt.849 II. Mitbewerber (Absatz 3 Nr. 1) II. Mitbewerber (Absatz 3 Nr. 1) 1. Allgemeines und Entstehungsgeschichte. In Absatz 3 Nr. 1 hat der Gesetzge- 204 ber die Anspruchsberechtigung von Mitbewerbern im Sinne der vorherigen Rechtsprechung zum unmittelbar Verletzten ausdrücklich geregelt.850 Die Neuregelung kennt – anders als das frühere Recht, das nach Maßgabe von § 13 Abs. 2 Nr. 1 a.F. auch für (bloß) abstrakt betroffene Gewerbetreibende eine Anspruchsberechtigung eröffnete – nur noch den Mitbewerber als Anspruchsberechtigten. Nach der in § 2 Abs. 1 Nr. 3 enthaltenen Legaldefinition muss es sich bei dem Mitbewerber um einen Unternehmer handeln, der zu einem oder mehreren anderen Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Somit wird zutreffend darauf verwiesen, dass im Ergebnis grundsätzlich nur der unmittelbar verletzte Mitbewerber auf der Grundlage und am Maßstab von Absatz 3 Nr. 1 anspruchsberechtigt sein wird.851 In diesem Sinne wird die Anspruchsberechtigung eines Mitbewerbers anerkanntermaßen zu verneinen sein, falls es an einer Verletzung der eigenen Interessen fehlt, weil etwa ausschließlich die Interessen eines bestimmten Mitbewerbers berührt sind.852 In einem solchen Fall muss es vielmehr diesem Mitbewerber überlassen bleiben, ob er die Beeinträchtigung seiner Interessen hinnimmt oder nicht.853 Umstritten ist in Ansehung der europarechtlichen Vorgaben, ob Mitbewerbern (und Verbänden) eine Anspruchsberechtigung bei Zuwiderhandlungen gegen § 7 Absatz 2 Nr. 2–4 zukommt.854 2. Mitbewerbereigenschaft. Eine Legaldefinition des (nach Absatz 3 Nr. 1 an- 205 spruchsberechtigten) Mitbewerbers findet sich in § 2 Abs. 1 Nr. 3: Danach ist „Mitbewerber jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmen als Anbieter oder

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847 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.22; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 331. 848 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.22; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 331. 849 BGH 9.10.1997 – I ZR 122/95 – GRUR 1998, 417, 418 – Verbandsklage in Prozeßstandschaft. 850 BTDrucks. 15/1487 S. 22. Aus der Rechtsprechung etwa BGH 5.3.1998 – I ZR 229/95 – GRUR 1998, 1039, 1040 – Fotovergrößerungen; BGH 24.5.2000 – I ZR 222/97 – GRUR 2001, 78, 78 – Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 260 – Vielfachabmahner. 851 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.27. 852 BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex; BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05 – GRUR 2007, 978 Tz. 34 – Rechtsberatung durch den Haftpflichtversicherer; BGH 2.10.2008 – I ZR 48/06 – GRUR 2009, 416 Tz. 25 – Küchentiefstpreis-Garantie. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 240; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.28; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 348. 853 BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex; BGH 2.10.2008 – I ZR 48/06 – GRUR 2009, 416 Tz. 22 – Küchentiefstpreis-Garantie; BGH 28.10.2010 – I ZR 174/08 – GRUR 2011, 543 Tz. 8 – Änderung der Voreinstellung III. 854 Bej. durch BGH 20.3.2013 – I ZR 209/11 – GRUR 2013, 1170 Tz. 10 ff. – Telefonwerbung für DSLProdukte. A.A. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.56 m.w.N.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht“. Für die einzelnen Tatbestandsmerkmale kann zunächst auf die ausführliche Kommentierung zu diesem lauterkeitsrechtlichen Zentralbegriff aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 verwiesen werden; nachfolgend sind neben zentralen Kernpunkten deshalb vornehmlich die wettbewerbsverfahrensrechtlichen Besonderheiten hervorzuheben. Es muss sich zunächst um einen Unternehmer handeln, worunter nach der Legal206 definition in § 2 Abs. 1 Nr. 6 jede natürliche oder juristische Person zu verstehen ist, „die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt“. Dieser Unternehmerbegriff ist anerkanntermaßen weit auszulegen (vgl. die Kommentierung zu § 2), wobei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist, die auf die tatsächliche Stellung im Wettbewerb abhebt.855 In diesem Sinne ausreichend ist eine selbständige und planmäßige auf eine gewisse Dauer angelegte wirtschaftliche Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt zu vertreiben (vgl. weiterhin die Kommentierung zu § 2).856 Hiernach kann es sich etwa auch bei Angehörigen freier Berufe857 und bei Idealvereinen858 um Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6 handeln.859 Unerheblich ist, ob das Unternehmen in rechtlich zulässiger Weise betrieben wird.860 Unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung einer Gesellschaft sind die Gesellschafter oder Geschäftsführer nicht Unternehmer;861 eine Anspruchsverfolgung von Ansprüchen aus Absatz 3 Nr. 1 im eigenen Namen kommt daher für diese Personen allenfalls im Wege der Prozessstandschaft in Betracht.862 Weiterhin muss ein konkretes Wettbewerbsverhältnis vorliegen. An das Bestehen 207 eines solchen konkreten Wettbewerbsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 sind im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. weiterhin die Kommentierung zu § 2).863 Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis wird – jedenfalls – dann gegeben sein, wenn die betroffenen Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören kann.864 Dabei

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855 So bereits BGH 23.1.1976 – I ZR 95/75 – GRUR 1976, 370, 371 – Lohnsteuerhilfeverein m. Anm. Pietzcker. 856 BGH 12.7.1995 – I ZR 85/93 – GRUR 1995, 697, 699 – FUNNY PAPER; BGH 4.12.2008 – I ZR 3/06 – GRUR 2009, 871 Tz. 33 – Ohrclips. 857 BGH 13.2.1981 – I ZR 63/79 – GRUR 1981, 529 – Rechtsberatungsschein; BGH 21.1.1993 – I ZR 43/91 – GRUR 1993, 675 – Kooperationspartner. 858 BGH 3.12.1971 – I ZR 137/69 – GRUR 1972, 709, 709 – Patentmark; BGH 23.1.1976 – I ZR 95/75 – GRUR 1976, 370, 371 – Lohnsteuerhilfeverein m. Anm. Pietzcker. 859 Siehe hierzu auch – jeweils m.w.N. – Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.27; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 342 ff. 860 BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex. 861 OLG Hamburg 12.8.2004 – 3 U 55/04 – GRUR-RR 2005, 167, 167; OLG Köln 28.2.2011 – 6 W 35/11, I-6 W 35/11 – GRUR-RR 2011, 370, 370. Weiterhin aus dem Schrifttum Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.27; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 347; Teplitzky Kap. 13 Rn. 4. 862 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.27; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 347. 863 Vgl. etwa aus der Rechtsprechung BGH 29.11.1984 – I ZR 158/82 – BGHZ 93, 96, 97 = GRUR 1985, 553 – DIMPLE m. Anm. Tilmann; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 260 – Vielfachabmahner; BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877, 878 – Werbeblocker; BGH 13.7.2006 – I ZR 241/03 – GRUR 2006, 1042 Tz. 16 – Kontaktanzeigen. 864 BGH 5.10.2000 – I ZR 210/98 – GRUR 2001, 258, 258 – Immobilienpreisangaben; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 260 – Vielfachabmahner; BGH 6.12.2001 – I ZR 214/99 – GRUR 2002, 985, 986 – WISO; BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05 – GRUR 2007, 978 Tz. 16 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer.

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III. Verbände (Absatz 3 Nr. 2)

D. Gläubiger der Abwehransprüche

kann ein solches Wettbewerbsverhältnis auch erst durch die konkrete Wettbewerbshandlung begründet werden865 oder ein bloß mittelbares sein.866 In zeitlicher Hinsicht ist erforderlich, dass der Anspruchsteller nicht nur im Zeitpunkt der zu beanstandenden Verletzungshandlung, sondern auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch aufgrund seiner unternehmerischen Tätigkeit Wettbewerber ist.867 III. Verbände (Absatz 3 Nr. 2) III. Verbände (Absatz 3 Nr. 2) 1. Allgemeines. Der Verband muss seinen satzungsgemäßen Hauptzweck, die Inte- 208 ressen seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern, auch durch eigene Aktivitäten tatsächlich selbst verfolgen.868 Die Legitimation der Anspruchsberechtigung von Verbänden nach Maßgabe von Absatz 3 Nr. 2 beruht nicht zuletzt darauf, dass Mitbewerber mitunter aus verschiedenen Motivlagen heraus selbst keine Wettbewerbsprozesse führen (wollen)869 und die Verbände ihrer Natur nach der kollektiven Wahrnehmung von Mitgliederinteressen dienen.870 Für die Prozessführungsbefugnis der Verbände gilt nach ganz überwiegender Auffassung die Lehre von der Doppelnatur,871 wonach sich in der Klageberechtigung sowohl ein materiell-rechtlicher Anspruch als auch die Prozessvoraussetzung der Prozessführungsbefugnis manifestiert (vgl. hierzu ausführlich vorstehend unter Rn. 195 f.).

D. Gläubiger der Abwehransprüche Paal § 8 Beseitigung und Unterlassung 2. Voraussetzungen a) Rechtsfähigkeit des Verbandes. Die Anspruchsberechtigung von Verbänden 209 setzt deren Rechtsfähigkeit voraus. Nach Maßgabe von § 50 Abs. 1, Abs. 2 ZPO sind nur rechtsfähige Verbände aktiv parteifähig. Die Voraussetzung der Rechtsfähigkeit muss bereits im Zeitpunkt der Verletzungshandlung vorliegen und bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung fortbestehen.872 Dagegen ist – anders als bei den qualifizierten Einrichtungen aus Absatz 3 Nr. 3 – keine Eintragung in eine bestimmte Liste erforderlich; der Gesetzgeber hat von der Übernahme eines mit Blick auf die Verbraucherverbände praktizierten Listensystems vielmehr bewusst abgesehen.873 Zu den mit Rechtsfähigkeit im vorbenannten Sinne versehenen Verbänden gehören 210 als juristische Personen des Privatrechts der rechtsfähige Verein (vgl. §§ 21 ff. BGB), die Stiftung (vgl. §§ 80 ff. BGB), die Genossenschaft (vgl. §§ 10 ff. GenG), die AG (vgl.

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865 BTDrucks. 15/1487 S. 16 unter Verweis auf BGH 12.1.1972 – I ZR 60/70 – GRUR 1972, 553 – Statt Blumen ONKO-Kaffee m. Anm. Schramm. 866 BTDrucks. 15/1487 S. 16. BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877, 878 – Werbeblocker; BGH 22.4.2009 – I ZR 216/06 – GRUR 2009, 845 Tz. 40 – Internet-Videorecorder m. Anm. Becker. 867 BGH 12.7.1995 – I ZR 85/93 – GRUR 1995, 697, 699 – FUNNY-PAPER. 868 BGH 5.10.1989 – I ZR 56/89 – GRUR 1990, 282, 284 – Wettbewerbsverein IV; BGH 26.5.1994 – I ZR 85/92 – BGHZ 126, 145, 146 = GRUR 1994, 831 – Verbandsausstattung II. 869 MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 351. 870 BGH 11.5.1995 – I ZR 107/93 – GRUR 1995, 604, 605 – Vergoldete Visitenkarten; BGH 27.2.1997 – I ZR 5/95 – GRUR 1997, 933, 934 – EP; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.30. 871 BGH 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – GRUR 2007, 610 Tz. 14 – Sammelmitgliedschaft V; BGH 1.3.2007 – I ZR 51/04 – GRUR 2007, 809 Tz. 12 – Krankenhauswerbung. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 245; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.10; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 350; Teplitzky Kap. 13 Rn. 26. 872 Ebenso Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.50; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 366; a.A. dagegen Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 335, 337, wonach – erst – im Zeitpunkt der Klageerhebung die Rechtsfähigkeit erforderlich sein soll. 873 BTDrucks. 15/1487 S. 22.

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§§ 23 ff. AktG) und die GmbH (vgl. §§ 7 ff. GmbHG) sowie als juristische Personen des öffentlichen Rechts insbesondere die Handwerksinnungen (vgl. § 53 HwO)874 und die Kammern der freien Berufe, so die Rechtsanwaltskammern (vgl. §§ 61 Absatz 1, 176 Absatz 1 BRAO), die Steuerberaterkammern (vgl. §§ 73 Abs. 2, 85 Abs. 2 StBerG)875 und die Ärzte-876 sowie Zahnärztekammern.877, 878 211

b) Satzungsweck des Verbandes. Es muss sich weiterhin um einen Verband zur „Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen“ handeln. Diese Verbandszwecke müssen sich aus der Satzung (ggf. im Wege der Auslegung)879 und aus der tatsächlichen Betätigung des Verbandes ermitteln lassen, wobei eine ausdrückliche Regelung in der Satzung nicht erforderlich ist.880 Das Ziel der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ist für sich genommen als Satzungszweck insoweit ausreichend.881 Allerdings darf die satzungsgemäße Wahrnehmung des gewerblichen Interesses an der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen nicht lediglich als Vorwand dafür benutzt werden, um durch diese Verfolgungsmaßnahmen entsprechende Gebühren und Vertragsstrafen einziehen zu können;882 in einem solchen Fall ist der Einwand der rechtmissbräuchlichen Geltendmachung aus Absatz 4 eröffnet. Schließlich ist nicht erforderlich, dass die unmittelbaren Mitglieder den Verband jeweils noch ausdrücklich zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen ermächtigt haben.883

c) Verbandsangehörige. Für die Anspruchsberechtigung von Verbänden verlangt das Gesetz zudem, dass „ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf dem demselben Markt vertreiben“. Waren sind alle wirtschaftlichen Güter, die auf einen anderen übertragen oder diesem zur Verfügung gestellt werden können; erfasst sind nicht nur bewegliche Sachen, sondern auch bspw. Grundstücke, Immaterialgüterrechte, Nutzungsrechte (vgl. ausführlich zum Begriff der „Waren“ die Ausführungen zu § 2 I Nr. 1). Dienstleistungen sind alle geldwerten, unkörperlichen Leistungen, die für einen anderen erbracht werden und diesem zugutekommen sollen, so bspw. rechtliche oder sonstige Beratungsleistungen, ärztliche Behandlungen, Kapitalanlagen, Reparatur- und Montageleistungen (vgl. ausführlich zum Begriff der „Dienstleistungen“ die Ausführungen zu § 2 I Nr. 1). Unter „Vertrieb“ ist zunächst der Absatz von Waren oder Dienstleistungen auf dem 213 Markt zu verstehen.884 Unterschiedlich wird beurteilt, ob die Norm über den Absatz von Waren und Dienstleistungen hinaus auch die Nachfrage erfasst: Zwar ist die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen im Gesetzeswortlaut nicht aufgeführt, eine erweitern-

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874 Hierzu BGH 27.9.1995 – I ZR 156/93 – GRUR 1996, 70, 71 – Sozialversicherungsfreigrenze. 875 Hierzu BGH 9.11.2000 – I ZR 185/98 – GRUR 2001, 348, 348 – Beratungsstelle im Nahbereich. 876 Hierzu BGH 20.5.1999 – I ZR 40/97 – GRUR 1999, 1009, 1009 – Notfalldienst für Privatpatienten. 877 Hierzu BGH 8.6.2000 – I ZR 269/97 – GRUR 2001, 181, 182 – dentalästhetika. 878 Vgl. insgesamt auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 248 ff.; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.31 ff.; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 367 ff. 879 BGH 19.2.1965 – Ib ZR 45/63 – GRUR 1965, 485, 486 – Versehrten-Betrieb m. Anm. Schramm. 880 BGH 16.1.2003 – I ZR 51/02 – GRUR 2003, 454, 455 – Sammelmitgliedschaft I; BGH 27.1.2005 – I ZR 146/02 – GRUR 2005, 689, 690 – Sammelmitgliedschaft III. 881 BGH 10.3.1971 – I ZR 109/69 – GRUR 1971, 585, 586 – Spezialklinik m. Anm. Bauer; BGH 5.10.1989 – I ZR 56/89 – GRUR 1990, 282, 284 – Wettbewerbsverein IV; BGH 16.1.2003 – I ZR 51/02 – GRUR 1993, 454, 455 – Sammelmitgliedschaft I. 882 BGH 5.10.1989 – I ZR 56/89 – GRUR 1990, 282, 284 – Wettbewerbsverein IV. 883 BGH 27.1.2005 – I ZR 146/02 – GRUR 2005, 689, 690 – Sammelmitgliedschaft III. 884 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 354; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.37; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 382.

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III. Verbände (Absatz 3 Nr. 2)

D. Gläubiger der Abwehransprüche

de Anwendung im Wege der Analogie ist aber rechtspolitisch geboten; so erstrecken die „zentralen Begriffe der geschäftlichen Handlung (§ 2 I Nr. 1), der Marktteilnehmer (§ 2 I Nr. 2) und des Mitbewerbers (§ 2 I Nr. 3) sich ausdrücklich auch auf die Nachfrage“.885 In Ermangelung des Marktbezugs liegt allerdings gerade kein Vertreiben vor, wenn es sich um eine bloß konzerninterne Belieferung handelt;886 etwas anderes gilt wiederum, wenn das Konzernunternehmen bei der Belieferung mit anderen – konzernfremden – Unternehmen im Wettbewerb steht.887 Der Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art muss nicht die Geschäftstätigkeit ausschließlich ausmachen, darf aber auch nicht nur von völlig untergeordneter Bedeutung sein.888 aa) Tätigkeit auf demselben sachlich relevanten Markt. Da es sich bei den ver- 214 triebenen Waren oder Dienstleistungen um solche gleicher oder verwandter Art handeln muss, ist der sachlich relevante Markt zu bestimmen. Die betreffenden Begriffe zur Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes sind anerkanntermaßen weit auszulegen.889 Erforderlich ist, dass die betroffenen Waren oder Dienstleistungen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Vertrieb der einen durch ein wettbewerbswidriges Handeln des Mitbewerbers beeinträchtigt werden kann.890 Ausreichend hierfür ist nach ständiger Rechtsprechung, dass eine nicht gänzlich unbedeutende potenzielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, sei es auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht kommt. 891 Damit wird nach ganz überwiegender Auffassung das Vorliegen eines – zumindest – abstrakten Wettbewerbsverhältnisses vorausgesetzt.892 Insgesamt reicht

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885 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.37. Dem sich anschließend MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 382. A.A. dagegen Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 354: Die Ausgrenzung des reinen Nachfragewettbewerbs solle hinnehmbar sein, da ein „Bedürfnis für eine Klagebefugnis von Verbänden neben derjenigen des unmittelbar verletzten Mitbewerbers, der auch Nachfrager sein kann (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) nicht bestehen dürfte“. 886 BGH 16.4.1969 – I ZR 59-60/67 – GRUR 1969, 479, 480 – Colle de Cologne m. Anm. Bußmann. 887 BGH 31.1.1958 – I ZR 178/56 – GRUR 1958, 544, 544 f. – Colonia m. Anm. Hefermehl. 888 BGH 9.10.1997 – I ZR 122/95 – GRUR 1998, 417, 418 – Verbandsklage in Prozeßstandschaft. 889 BGH 14.11.1996 – I ZR 162/94 – GRUR 1997, 479, 480 – Münzangebot; BGH 5.6.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 489, 490 f. – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH 24.11.1999 – I ZR 189/97 – GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; BGH 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – GRUR 2007, 610 Tz. 17 – Sammelmitgliedschaft V. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 254; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 356; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.38; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 385. 890 BGH 5.6.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH 24.11.1999 – I ZR 189/97 – GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner. 891 BGH 25.4.1996 – I ZR 82/94 – WRP 1996, 1102, 1103 – Großimporteur; BGH 11.7.1996 – I ZR 79/94 – GRUR 1997, 145, 146 – Preisrätselgewinnauslobung III; BGH 5.6.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH 26.6.1997 – I ZR 53/95 – GRUR 1998, 498, 500 – Fachliche Empfehlung III; BGH 24.11.1999 – I ZR 189/97 – GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH 25.1.2001 – I ZR 120/98 – GRUR 2001, 420, 421 – SPA; BGH 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – GRUR 2007, 610 Tz. 17 – Sammelmitgliedschaft V. 892 So aus der Rechtsprechung etwa BGH 25.4.1996 – I ZR 82/94 – WRP 1996, 1102, 1103 – Großimporteur; BGH 11.7.1996 – I ZR 183/93 – GRUR 1997, 145, 146 – Preisrätselgewinnauslobung IV; BGH 14.11.1996 – I ZR 162/94 – GRUR 1997, 479, 480 – Münzangebot; BGH 26.6.1997 – I ZR 53/95 – GRUR 1998, 498, 500 – Fachliche Empfehlung III; BGH 24.11.1999 – I ZR 189/97 – GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH 25.1.2001 – I ZR 120/98 – GRUR 2001, 420, 421 – SPA. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 254; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 356; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 386. A.A. dagegen Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 3.35 (unter Verweis auf BGH GRUR 2007, 809, 810 Tz. 13–15; OLG Koblenz, GRUR-RR 2010, 15); Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 99: An dem Begriff des „abstrakten Wettbewerbsverhältnisses“ sei

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die lauterkeitsrechtliche Marktabgrenzung damit weiter als im Kartellrecht, wo sich für die Feststellung des relevanten Marktes sowohl auf nationaler als auch auf europäischer893 Ebene das Bedarfsmarktkonzept durchgesetzt hat.894 Für die Betroffenheit desselben räumlich relevanten Marktes müssen die Beteiligten 215 nicht derselben Wirtschafts- oder Handelsstufe angehören.895 Ausreichend ist überdies bereits die Behinderung eines potenziellen oder künftigen Wettbewerbs.896 In diesem Sinne soll bereits die falsche Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise betreffend eine Austauschbarkeit der angebotenen Leistungen ein entsprechendes Wettbewerbsverhältnis begründen.897 Die Beteiligten müssen weder derselben oder einer verwandten Branche898 angehören noch denselben Kundenkreis899 oder dasselbe Sortiment900 haben. So kann das Wettbewerbsverhältnis auch – erst – durch die konkrete Wettbewerbsmaßnahme hergestellt werden.901 Auf der Grundlage und am Maßstab der vorbenannten Kriterien wurden in der Rechtsprechung etwa als demselben sachlich relevanten Markt zugehörig angesehen: Arzneimittel und Kosmetika;902 Arzneimittel und Medizinprodukte;903 Fußbodenbeläge und Teppichböden;904 Gebrauchtwagen und Neuwagen;905 Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel;906 Schmuckwaren und Silberwaren.907 216

bb) Tätigkeit auf demselben räumlich relevanten Markt. Durch das Erfordernis des Vertriebs auf „demselben Markt“ wird zudem der räumlich relevante Markt in Bezug genommen. Bei der Abgrenzung und Festlegung des im Einzelfall maßgeblichen räumlich relevanten Marktes ist dabei vornehmlich auf die Geschäftstätigkeit des werbenden Unternehmens abzustellen.908 Damit eine Tätigkeit auf demselben räumlich rele-

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nicht mehr festzuhalten, da die Parteien entweder auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt tätig seien, womit sie zugleich Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 seien, oder eben gerade nicht, womit es sich dann auch nicht um Mitgliedsunternehmer im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 handeln könne. 893 EG-Kommission, Bekanntmachung zur Definition des relevanten Marktes, ABl. EG 1997, Nr. C 372/5. 894 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.38. 895 BGH 11.7.1996 – I ZR 183/93 – GRUR 1997, 145, 146 – Preisrätselgewinnauslobung IV; BGH 23.1.1997 – I ZR 238/93 – GRUR 1997, 541, 543 – Produkt-Interview; BGH 5.6.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III. 896 BGH 11.5.1954 – I ZR 178/52 – BGHZ 244, 249 = GRUR 1955, 37, 39 – Cupresa-Kunstseide; BGH 23.1.1997 – I ZR 29/94 – GRUR 1997, 681, 682 – Produktwerbung. 897 BGH 13.2.1981 – I ZR 63/79 – GRUR 1981, 529, 530 – Rechtsberatungsanschein. 898 BGH 12.1.1972 – I ZR 60/70 – GRUR 1972, 553, 553 – Statt Blumen ONKO-Kaffee m. Anm. Schramm; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner. Allerdings ist die Zugehörigkeit zu derselben Branche ein für die Herstellung des erforderlichen Bezugs hinreichendes Kritererium, siehe etwa BGH 16.3.2006 – I ZR 103/03 – GRUR 2006, 778 Tz. 19 – Sammelmitgliedschaft IV; BGH 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – GRUR 2007, 610 Tz. 17 – Sammelmitgliedschaft V. 899 BGH 16.3.1989 – I ZR 56/87 – GRUR 1989, 673, 673 – Zahnpasta m. Anm. Schroeder; BGH 26.11.1992 – I ZR 108/91 – GRUR 1993, 563, 564 – Neu nach Umbau. 900 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.38a; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 387. 901 BGH 12.1.1972 – I ZR 60/70 – GRUR 1972, 553, 553 – Statt Blumen ONKO-Kaffee m. Anm. Schramm. 902 BGH 23.1.1997 – I ZR 29/94 – GRUR 1997, 681, 682 – Produktwerbung. 903 BGH 2.10.1997 – I ZR 94/95 – GRUR 1998, 961, 962 – Lebertran I. 904 BGH 25.4.1996 – I ZR 82/94 – WRP 1996, 1102, 1103 – Großimporteur; BGH 9.10.1997 – I ZR 122/95 – GRUR 1998, 417, 418 – Verbandsklage in Prozeßstandschaft; BGH 20.10.1999 – I ZR 167/97 – GRUR 2000, 619, 620 – Orient-Teppichmuster. 905 OLG Stuttgart 28.4.1997 – 2 U 215/96 – WRP 1997, 873, 876 – Werkstatt für VOLVO. 906 BGH 23.1.1997 – I ZR 238/93 – GRUR 1997, 541, 542 – Produkt-Interview. 907 BGH 14.11.1996 – I ZR 162/94 – GRUR 1997, 479, 480 – Münzangebot. 908 BGH 5.6.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH 20.10.1999 – I ZR 167/97 – GRUR 2000, 619, 620 – Orient-Teppichmuster; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; BGH 13.11.2003 – I ZR 141/02 – GRUR 2004, 251, 252 –

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vanten Markt angenommen werden kann, müssen sich die Beteiligten – wie beim sachlich relevanten Markt (vgl. hierzu vorstehend Rn. 214 f.) – als Mitbewerber gegenüberstehen, die um Kunden konkurrieren.909 Dabei genügt – auch hier – das Vorliegen einer gewissen, sei es auch nur geringen Wahrscheinlichkeit einer nicht gänzlich unbedeutenden potenziellen Beeinträchtigung.910 In diesem Zusammenhang ist für die Bestimmung der Grenzen des räumlich relevanten Marktes insgesamt vor allem auch auf die Kriterien der Marktstellung des werbenden Unternehmens, der Attraktivität seines Angebots und der Reichweite seiner Werbung abzustellen.911 Der im Einzelfall maßgebliche räumlich relevante Markt kann räumlich oder regional begrenzt sein,912 aber auch das gesamte Bundesgebiet913 umschließen.914 cc) Erhebliche Zahl von Unternehmern. Es muss sich ferner um eine „erhebliche 217 Zahl“ von Unternehmern handeln, die dem betreffenden Verband angehören und auf dem betreffenden sachlich sowie räumlich maßgeblichen Markt tätig sind. Die durch dieses Tatbestandsmerkmal eingeforderte Mitgliederstärke soll ein missbräuchliches Vorgehen von Verbänden verhindern, die vornehmlich aus Gebührenerzielungsinteressen heraus tätig werden, indem nach Anzahl, Größe, Marktbedeutung bzw. wirtschaftlichem Gewicht das Erfordernis einer repräsentativen Vertretung auf dem jeweiligen Markt postuliert wird.915 Zwar ist dieses Ziel im Wesentlichen erreicht worden, allerdings aber um den „Preis eines erheblichen Prüfungsaufwands“, der sich mitunter zu einer „Erbsenzählerei“ auszuwachsen vermag.916 Dabei trifft den Verband hinsichtlich der Mitgliederzahl die Darlegungslast.917 Zugleich wird dem Zweck des Gesetzes bereits dann hinreichend Rechnung getragen, wenn im Wege des Freibeweises festgestellt werden kann, dass es dem Verband bei der betreffenden Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht.918

_____ Hamburger Auktionatoren; BGH 23.10.2008 – I ZR 197/06 – GRUR 2009, 692 Tz. 8 – Sammelmitgliedschaft VI. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 253; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 360; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.40; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 391. 909 BGH 11.7.1996 – I ZR 183/93 – GRUR 1997, 145, 146 – Preisrätselgewinnauslobung IV; BGH 26.6.1997 – I ZR 53/95 – GRUR 1998, 498, 500 – Fachliche Empfehlung III. 910 BGH 25.4.1996 – I ZR 82/94 – WRP 1996, 1102, 1103 – Großimporteur; BGH 11.7.1996 – I ZR 183/93 – GRUR 1997, 145, 146 – Preisrätselgewinnauslobung IV; BGH 5.6.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 498, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH GRUR 26.6.1997 – I ZR 53/95 – 1998, 498, 500 – Fachliche Empfehlung III; BGH 24.11.1999 – I ZR 189/97 – GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH 25.1.2001 – I ZR 120/98 – GRUR 2001, 420, 421 – SPA. 911 BGH 14.11.1996 – I ZR 162/94 – GRUR 1997, 379, 380 – Münzangebot; BGH 19.6.1997 – I ZR 72/95 – GRUR 1998, 170, 170 – Händlervereinigung. 912 BGH 19.6.1997 – I ZR 72/95 – GRUR 1998, 170, 170 – Händlervereinigung. 913 BGH 11.7.1996 – I ZR 79/94 – GRUR 1996, 804, 805 – Preisrätselgewinnauslobung III; BGH 14.11.1996 – I ZR 162/94 – GRUR 1997, 479, 479 f. – Münzangebot; BGH 24.11.1999 – I ZR 189/97 – GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge. 914 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 360; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.40; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 390. 915 BGH 9.10.1997 – I ZR 122/95 – GRUR 1998, 417, 418 – Verbandsklage in Prozeßstandschaft; BGH 13.11.2003 – I ZR 141/02 – GRUR 2004, 251, 252 – Hamburger Auktionatoren; BGH 1.3.2007 – I ZR 51/04 – GRUR 2007, 809 Tz. 15 – Krankenhauswerbung. 916 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.42 unter Verweis auf BGH GRUR 1997, 934, 936 – 50% Sonder-AfA; dem sich anschließend etwa MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 408. 917 BGH 11.5.1995 – I ZR 107/93 – GRUR 1995, 604, 604 f. – Vergoldete Visitenkarten. 918 BGH 11.7.1996 – I ZR 79/94 – GRUR 1996, 804, 805 – Preisrätselgewinnauslobung III; BGH 23.10.2008 – I ZR 197/06 – GRUR 2009, 692 Tz. 12 – Sammelmitgliedschaft VI.

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Beseitigung und Unterlassung

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Anerkanntermaßen ist weder eine bestimmte Mindestanzahl von Unternehmern noch eine Mehrheit der Mitbewerber erforderlich.919 Dabei ist der Begriff der „erheblichen Zahl“ bereits ausweislich der Gesetzesbegründung nicht wörtlich zu verstehen; es soll vielmehr darauf ankommen, dass dem Verband Unternehmer angehören, „die auf dem in Rede stehenden sachlichen und räumlichen Markt nach Anzahl und Gewicht ein gemeinsames Interesse der Angehörigen der betroffenen Branche repräsentieren“.920 In diesem Sinne muss ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden können, was auch schon bei einer geringen Zahl921 von auf dem betreffenden Markt tätigen Mitgliedern anzunehmen sein kann.922 Es kommt gerade nicht darauf an, ob die betreffenden Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichem Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmern repräsentativ sind.923 Die teilweise vorgeschlagene reine Quoten- oder Prozentbeurteilung924 wird dem gerade nicht gerecht.925 Die erhebliche Zahl von Unternehmern kann sich im Übrigen auch im Wege einer 219 mittelbaren Verbandszugehörigkeit ergeben; so können auch solche Unternehmer berücksichtigt werden, die Mitglied in einem Verband sind, der seinerseits Mitglied des klagenden Verbands ist.926 Unerheblich ist, ob der die Mitgliedschaft vermittelnde Verband selbst nach Absatz 3 Nr. 2 klagebefugt ist.927 Weiterhin ist auch nicht erforderlich, dass sich der vermittelnde Verband von seinen Mitgliedern ausdrücklich hat ermächtigen lassen, Kompetenz zum Verfolgen von Wettbewerbsverstößen zu übertragen. 928 Vielmehr soll es genügen, dass der Verband mit der Wahrnehmung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder beauftragt worden ist und seinerseits durch seinen Beitritt den die Anspruchsberechtigung geltend machenden Verband mit der Wahrnehmung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder beauftragen durfte.929 Hierbei ist nicht erfor-

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919 BGH 5.6.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III. Dem sich anschließend Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 257; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 350; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.42a; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 398. 920 BTDrucks. 15/1487 S. 22 f. unter Verweis auf BGH WRP 2000, 389 ff. (= BGH 24.11.1999 – I ZR 189/97 – GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge). Weiterhin aus der stRspr BGH 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – GRUR 2007, 610 Tz. 18 – Sammelmitgliedschaft V; BGH 1.3.2007 – I ZR 51/04 – GRUR 2007, 809 Tz. 15 – Krankenhauswerbung. 921 Nach OLG Nürnberg GRUR 1995, 279, 280 soll sogar ein einzelnes oder jedenfalls zwei Unternehmen ausreichend sein können. 922 BGH 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – GRUR 2007, 610 Tz. 18 – Sammelmitgliedschaft V; BGH 1.3.2007 – I ZR 51/04 – GRUR 2007, 809 Tz. 15 – Krankenhauswerbung. 923 BGH 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – GRUR 2007, 610 Tz. 18 – Sammelmitgliedschaft V; BGH 1.3.2007 – I ZR 51/04 – GRUR 2007, 809 Tz. 15 – Krankenhauswerbung. 924 Vgl. Derleder/Zänker GRUR 2002, 490, 491; Gröning WRP 1994, 775, 777 f. 925 So auch Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.42a; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 399; Welzel GRUR 2003, 762, 763. 926 BGH 16.3.2006 – I ZR 103/03 – GRUR 2006, 778 Tz. 17 – Sammelmitgliedschaft IV; BGH 18.5.2006 – I ZR 116/03 – GRUR 2006, 873 Tz. 15 – Brillenwerbung; BGH 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – GRUR 2007, 610 Tz. 21 – Sammelmitgliedschaft V. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 258; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 3.43; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 401 ff. 927 BGH 20.5.1999 – I ZR 66/97 – GRUR 1999, 1116, 1118 – Wir dürfen nicht feiern; BGH 16.1.2003 – I ZR 51/02 – GRUR 2003, 454, 455 – Sammelmitgliedschaft I; BGH 27.1.2005 – I ZR 146/02 – GRUR 2005, 689, 690 – Sammelmitgliedschaft III; BGH 18.5.2006 – I ZR 116/03 – GRUR 2006, 873 Tz. 17 – Brillenwerbung. 928 BGH 20.5.1999 – I ZR 66/97 – GRUR 1999, 1116, 1118 – Wir dürfen nicht feiern; BGH 16.1.2003 – I ZR 51/02 – GRUR 2003, 454, 455 – Sammelmitgliedschaft I; BGH 27.1.2005 – I ZR 146/02 – GRUR 2005, 689, 690 – Sammelmitgliedschaft III; BGH 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – GRUR 2007, 610 Tz. 21 – Sammelmitgliedschaft V. 929 BGH 20.5.1999 – I ZR 66/97 – GRUR 1999, 1116, 1118 – Wir dürfen nicht feiern; BGH 16.1.2003 – I ZR 51/02 – GRUR 2003, 454, 455 – Sammelmitgliedschaft I; BGH 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – GRUR 2007, 610 Tz. 21 – Sammelmitgliedschaft V.

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III. Verbände (Absatz 3 Nr. 2)

D. Gläubiger der Abwehransprüche

derlich, dass die unmittelbaren Mitglieder den klagenden Verband jeweils noch ausdrücklich zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen ermächtigt haben.930 Etwas anderes kann wiederum gelten, wenn keine anerkennenswerten Motive für den Beitritt des anderen Verbandes zu dem klagenden Verband vorgelegen haben, so insbesondere, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass künstlich die Voraussetzungen für die Verbandsklagebefugnis geschaffen werden sollen.931 Eine grundsätzliche Anspruchsberechtigung erwächst nach alledem stets für Verbände, denen die nach Absatz 3 Nr. 4 selbst anspruchsberechtigten Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern angehören.932 dd) Verbandszugehörigkeit von Verbrauchern. Die Anspruchsberechtigung von 220 Verbänden setzt nicht voraus, dass sich in der Mitgliederstruktur ausschließlich Unternehmer wiederfinden; vielmehr ist insoweit die Mitgliedschaft von Verbrauchern grundsätzlich gerade unschädlich.933 Ausreichend ist in diesem Sinne, dass die Unternehmer den wesentlichen Teil des Mitgliederbestands repräsentieren.934 Zudem müssen die Gefahr von allfälligen Interessenkollisionen und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Verbandes hinreichend ausgeschlossen sein.935 d) Ausstattung des Verbandes. Die Anspruchsberechtigung von Verbänden nach 221 Maßgabe von Absatz 3 Nr. 2 erfordert überdies, dass eine entsprechende personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung vorhanden ist,936 damit die satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrgenommen werden können. Somit ist über die satzungsmäßige Verankerung hinaus ein tatsächliches Imstandesein zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich.937 aa) Personelle Ausstattung. In personeller Hinsicht müssen die Mitglieder, der 222 Vorstand oder die Mitarbeiter eine entsprechende fachliche, d.h. insbesondere wettbewerbsrechtliche Qualifikation aufweisen.938 Bei juristischen Laien ist nicht ausgeschlossen, dass diese sich die erforderlichen Kenntnisse im Verlaufe ihrer Berufspraxis angeeignet haben, um zumindest ihr spezielles Fachgebiet berührende, durchschnittlich schwierige Wettbewerbsverstöße zu erkennen und gegebenenfalls selbst zu verfolgen;

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930 BGH 16.1.2003 – I ZR 51/02 – GRUR 2003, 454, 455 – Sammelmitgliedschaft I; BGH 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – GRUR 2007, 610 Tz. 21 – Sammelmitgliedschaft V. 931 BGH 16.1.2003 – I ZR 51/02 – GRUR 2003, 454, 455 – Sammelmitgliedschaft I; BGH 27.1.2005 – I ZR 146/02 – GRUR 2005, 689, 690 – Sammelmitgliedschaft III; BGH 18.5.2006 – I ZR 116/03 – GRUR 2006, 873 Tz. 20 – Brillenwerbung; BGH 22.2.2006 – VIII ZR 40/04 – GRUR 2007, 610 Tz. 21 – Sammelmitgliedschaft V. 932 Vgl. BegrRegE UWG 1994 BTDrucks. 12/7345 S. 12; BGH 29.9.1994 – I ZR 138/92 – GRUR 1995, 122, 123 – Laienwerbung für Augenoptiker; BGH 6.2.1997 – I ZR 234/94 – GRUR 1997, 758, 759 – Selbst ernannter Sachverständiger. 933 Vgl. BGH 2.11.1973 – I ZR 111/72 – GRUR 1974, 729, 730 – Sweepstake m. Anm. Hoth. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 259; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann § 8 Rn. 350; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.44; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 408. 934 BGH 12.7.1984 – I ZR 37/82 – GRUR 1985, 58, 59 – Mischverband II. Weiterhin aus dem Schrifttum Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.44; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 408. 935 BGH 14.10.1982 – I ZR 81/81 – GRUR 1983, 129, 130 – Mischverband I. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 259; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.44; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 408. 936 Vgl. auch BGH 5.6.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III. 937 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.45 (darf „nicht bloß auf dem Papier stehen“); MünchKommUWG/ Ottofülling § 8 Rn. 408. 938 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 261; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.46; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 409.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

(gerade) bei einem Fachverband dürfen insoweit keine allzu hohen Anforderungen aufgestellt werden.939 Ein Verband, dessen Satzungszweck (auch) auf die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gerichtet ist, muss das Wettbewerbsgeschehen in der Weise beobachten und bewerten können, dass – jedenfalls – typische Wettbewerbsverstöße mit durchschnittlichem rechtlichen Durchsetzungs- bzw. Schwierigkeitsgrad selbst, d.h. ohne anwaltlichen Rat, erkannt und abgemahnt werden können.940 223 Unter bestimmten Voraussetzungen können ausnahmsweise auch Dritte mit der Wahrnehmung der satzungsmäßigen Aufgaben des Verbandes betraut sein, sofern dies im Einzelfall zweckmäßig erscheint.941 Bei einem Fachverband soll ausreichend sein, dass nachdem von den Mitgliedern allfällige Informationen über Wettbewerbsverstöße eingegangen waren, ein Anwalt mit der weiteren Prüfung und Rechtsverfolgung beauftragt wurde.942 Demgegenüber wird es an der Anspruchsberechtigung des Verbandes fehlen, wenn eine vollständige Aufgabenverlagerung an Anwälte vorliegt, bei der diese in eigener Regie und nach eigenem Ermessen frei entscheiden können, und gleichzeitig verbandsintern keine eigenen personellen Kompetenzen für die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen mehr bestehen.943 Schließlich werden eine eigene Geschäftsführung und Geschäftsstelle regelmäßig unerlässlich sein.944 224

bb) Sachliche Ausstattung. Auch in Ansehung der sachlichen Ausstattung wird zunächst eine eigene Geschäftsstelle regelmäßig einzufordern sein.945 Weitere zur Wahrnehmung der Satzungszwecke erforderliche Sachmittel betreffen Büroräume mit entsprechender Ausstattung, insbesondere im Bezug auf die Kommunikationsmittel (Email, Telefax, Telefon).946

225

cc) Finanzielle Ausstattung. Die finanzielle Ausstattung zur Erfüllung der Verbandszwecke setzt zunächst voraus, dass der Verband in der Lage ist, seine aus der Verfolgung des Satzungszweckes erwachsenden Fixkosten zu tragen, sprich zum einen die Kosten für Grundausstattung und -betätigung947 sowie zum anderen etwaige gegnerische Kostenerstattungsansprüche.948 In diesem Sinne wird weiterhin gefordert, dass der Verband in der Lage ist, allfällige Prozesskosten in Verfahren bis hin zur Revisions-

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939 BGH 27.4.2000 – I ZR 287/97 – GRUR 2000, 1093, 1095 – Fachverband. 940 BGH 12.4.1984 – I ZR 45/82 – GRUR 1984, 691, 692 – Anwaltsabmahnung m. Anm. Jacobs; BGH 6.3.1986 – I ZR 14/84 – GRUR 1986, 676, 677 – Bekleidungswerk m. Anm. Bauer; BGH 11.4.1991 – I ZR 82/89 – GRUR 1991, 684, 684 f. – Verbandsausstattung I; BGH 20.5.1999 – I ZR 66/97 – GRUR 1999, 1116, 1118 – Wir dürfen nicht feiern; BGH 27.4.2000 – I ZR 287/97 – GRUR 2000, 1093, 1095 – Fachverband. Weiterhin aus dem Schrifttum Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.46; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 409; Teplitzky Kap. 13 Rn. 28. 941 BGH 7.11.1985 – I ZR 105/83 – GRUR 1986, 320, 321 – Anwaltsverein m. Anm. Bauer; BGH 6.3.1986 – I ZR 14/84 – GRUR 1986, 676, 677 – Bekleidungswerk m. Anm. Bauer. 942 BGH 27.4.2000 – I ZR 287/97 – GRUR 2000, 1093, 1095 f. – Fachverband. 943 BGH 11.4.1991 – I ZR 82/89 – GRUR 1991, 684, 684 f. – Verbandsausstattung I; BGH 26.5.1994 – I ZR 85/92 – BGHZ 126, 145, 150 = GRUR 1994, 831, 832 – Verbandsausstattung II. 944 BGH BGH 26.5.1994 – I ZR 85/92 – BGHZ 126, 145, 149 = GRUR 1994, 831, 832 – Verbandsausstattung II. 945 BGH BGH 26.5.1994 – I ZR 85/92 – BGHZ 126, 145, 149 = GRUR 1994, 831, 832 – Verbandsausstattung II. 946 KG Berlin 2.8.1999 – 25 U 6168/97 – WRP 1999, 1302, 1306. Siehe weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 261; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.47; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 412. 947 BGH 5.10.1989 – I ZR 56/89 – GRUR 1990, 282, 285 – Wettbewerbsverein IV. 948 KG Berlin 16.7.1982 – 5 U 1985/82 – WRP 1982, 650, 651.

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III. Verbände (Absatz 3 Nr. 2)

D. Gläubiger der Abwehransprüche

instanz ohne Streitwertherabsetzung zu tragen.949 Allerdings ist nicht zu verleugnen, dass ein Verband jederzeit liquide Mittel in Höhe des maximalen theoretischen Gesamtkostenrisikos sämtlicher laufender Gerichtsverfahren vorhalten muss; ansonsten würde die Möglichkeit zur Prozessführung, insbesondere für kleinere Verbände in sachlich nicht (mehr) gerechtfertigter Weise eingeschränkt.950 Die Aufbringung der erforderlichen Finanzmittel wird regelmäßig erfolgen durch 226 Mitgliedsbeiträge und Spenden. Darüber hinaus ist es zulässig und nicht ohne weiteres bedenklich, die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen – statt durch kostendeckende Mitgliedsbeiträge – in erheblichem Ausmaße durch Abmahngebühren, Prozesskostenübernahmezusagen und Vertragsstrafen zu finanzieren.951 In diesem Sinne kann die Heranziehung der Einnahmen aus Vertragsstrafen zur Finanzierung der Fixkosten jedenfalls dann unbedenklich sein, wenn sie dem Verband in einer Höhe und Regelmäßigkeit zufließen, die eine hinreichend sichere Teilbilanzierung auf der Habenseite auch in den Voranschlägen erlauben;952 entsprechendes soll für Abmahngebühren gelten.953 Dabei dürfen die Abmahnpauschalen nicht deutlich überhöht sein oder in einem krassen Missverhältnis zu den sonstigen Einnahmen stehen.954 Ein solches „krasses Missverhältnis“ wurde bei einem Anteil der Einnahmen aus Abmahnungen von rund 47% betreffend die Gesamteinnahmen – noch – verneint.955 e) Verbandsbezogene Interessenberührung. Die Anspruchsberechtigung von Ver- 227 bänden nach Maßgabe von Absatz 3 Nr. 2 setzt zuletzt das Vorliegen einer verbandsbezogenen Interessenberührung voraus, indem „die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt“. Eine solche Interessenberührung wird jedenfalls vorliegen, wenn den Mitgliedern selbst eine Anspruchsberechtigung aus Absatz 3 Nr. 1 zukommt; auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs der Mitglieder im Einzelfall kommt es dabei gerade nicht an.956 Ausreichend ist weiterhin, wenn zwar nicht die Interessen aller Mitglieder, aber doch derjenigen berührt sind, die auf demselben räumlichen und sachlichen Markt wie der Zuwiderhandelnde tätig sind.957 Ausnahmsweise kann es an einem hinreichenden Zusammenhang der Zuwiderhandlung mit den Mitgliederinteressen fehlen, wenn ausschließlich die Interessen eines bestimmten Mitbewerbers berührt sind.958, 959 Es ist in Ansehung der europarechtlichen Vorgaben umstritten, ob Verbänden eine Anspruchsberechtigung bei Zuwiderhandlungen gegen § 7 Absatz 2 Nr. 2–4 zukommt.960

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949 BGH 27.1.1994 – I ZR 276/91 – GRUR 1994, 385, 385 – Streitwertherabsetzung; BGH 5.3.1998 – I ZR 185/95 – GRUR 1998, 958, 958 – Verbandsinteresse. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 262; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.48; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 413. 950 BGH 17.8.2011 – I ZR 148/10 – GRUR 2012, 411 Tz. 14 – Glücksspielverband. 951 BGH 27.1.2005 – I ZR 146/02 – GRUR 2005, 689, 680 – Sammelmitgliedschaft III. 952 BGH 27.1.2005 – I ZR 146/02 – GRUR 2005, 689, 680 – Sammelmitgliedschaft III. 953 BGH 20.5.1999 – I ZR 66/97 – GRUR 1999, 1116, 1118 – Wir dürfen nicht feiern. 954 BGH 5.10.1989 – I ZR 56/89 – GRUR 1990, 282, 285 – Wettbewerbsverein IV; BGH 11.4.1991 – I ZR 82/89 – GRUR 1991, 684, 685 – Verbandsausstattung; BGH 5.6.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 489, 490 f. – Unbestimmter Unterlassungsantrag III. 955 BGH 5.6.1997 – I ZR 69/95 – GRUR 1998, 489, 490 f. – Unbestimmter Unterlassungsantrag III. 956 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.51; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 415. A.A. Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 366. 957 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.51; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 413. 958 BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex; BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05 – GRUR 2007, 978 Tz. 26 – Rechtsberatung durch den Haftpflichtversicherer; BGH 2.10.2008 – I ZR 48/06 – GRUR 2009, 416 Tz. 22 – Küchentiefstpreis-Garantie. 959 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 265; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 416. 960 Bejahend BGH 20.3.2013 – I ZR 209/11 – GRUR 2013, 1170 Tz. 10 ff. – Telefonwerbung für DSLProdukte. A.A. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.56 m.w.N.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

IV. Qualifizierte Einrichtungen zum Schutz von Verbraucherinteressen (Absatz 3 Nr. 3)IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint. 228

1. Allgemeines und Entstehungsgeschichte. In Absatz 3 Nr. 3 geregelt ist die Anspruchsberechtigung von Verbraucherverbänden als qualifizierte Einrichtungen. Dabei kann in Umsetzung von Art. 4 der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen961 nicht (mehr)962 nur eine Anspruchsberechtigung von inländischen qualifizierten Einrichtungen (hierzu sogleich sub 2.), sondern darüber hinaus auch von ausländischen qualifizierten Einrichtungen (hierzu sub 3.) bestehen. Die nunmehrige Regelung in Absatz 3 Nr. 3 setzt – anders als noch die Vorgänger229 vorschrift des § 13 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 UWG a.F. – nicht voraus, dass durch die Zuwiderhandlung „wesentliche Interessen der Verbraucher berührt werden“.963 Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist allerdings zu fordern, dass durch die in Rede stehende Zuwiderhandlung Verbraucherinteressen beeinträchtigt werden; ansonsten besteht von vornherein bereits kein Interesse an der Klage964 und die Klage wäre überdies nicht vom Satzungszweck des Verbandes gedeckt.965 Etwaigen Missbräuchen kann durch Rekurs auf den Missbrauchseinwand aus Absatz 4 begegnet werden.966 2. Voraussetzungen nach UKlaG (inländische qualifizierte Einrichtungen). Anspruchsberechtigt sind nach Absatz 3 Nr. 3 zunächst die inländischen qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen sind.967 Der Nachweis der Eintragung in die Liste erfolgt durch Vorlage einer von dem Bundesamt für Justiz den Verbänden auf Antrag erteilten Bescheinigung(vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 UKlaG). Die Eintragung erfolgt gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG auf Antrag der Einrichtung durch Verwaltungsakt, wobei der Bescheid über die Eintragung dem Antragsteller zuzustellen ist (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 UKlaG). Die insoweit maßgebliche Vorschrift aus dem UKlaG lautet: 231

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„§ 4 Qualifizierte Einrichtungen (1) Das Bundesamt für Justiz führt eine Liste qualifizierter Einrichtungen. Diese Liste wird mit dem Stand zum 1. Januar eines jeden Jahres im Bundesanzeiger bekannt gemacht und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften unter Hinweis auf Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. EG Nr. L 166 S. 51) zugeleitet. (2) In die Liste werden auf Antrag rechtsfähige Verbände eingetragen, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend wahrzunehmen, wenn sie in diesem Aufgabenbereich tätige Verbände oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder haben, seit mindestens einem Jahr

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961 ABl. EG Nr. L 166 S. 51. 962 Zu der Entstehungsgeschichte der Vorschrift vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 268 ff.; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 3.52; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 418 ff.; Teplitzky Kap. 13 Rn. 31. Weiterhin auch – zum alten Recht – GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 83. 963 Siehe zu diesem Tatbestandsmerkmal etwa BGH 15.1.2004 – I ZR 180/01 – GRUR 2004, 435, 436 – FrühlingsgeFlüge, sowie aus dem Schrifttum GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 102 m.w.N. 964 BTDrucks. 15/1487 S. 23. 965 Vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 270; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.52; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 420 f. 966 BTDrucks. 15/1487 S. 23. Hierauf verweisend Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 270; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.52; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 421. 967 Zu beachten ist darüber hinaus die Übergangsregelung in § 16 Abs. 4 UKlaG.

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IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.

D. Gläubiger der Abwehransprüche

bestehen und auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten. Es wird unwiderleglich vermutet, dass Verbraucherzentralen und andere Verbraucherverbände, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, diese Voraussetzungen erfüllen. Die Eintragung in die Liste erfolgt unter Angabe von Namen, Anschrift, Registergericht, Registernummer und satzungsmäßigem Zweck. Sie ist mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn 1. der Verband dies beantragt oder 2. die Voraussetzungen für die Eintragung nicht vorlagen oder weggefallen sind. Ist auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte damit zu rechnen, dass die Eintragung nach Satz 4 zurückzunehmen oder zu widerrufen ist, so soll das Bundesamt für Justiz das Ruhen der Eintragung für einen bestimmten Zeitraum von längstens drei Monaten anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage haben im Fall des Satzes 5 keine aufschiebende Wirkung. (3) Entscheidungen über Eintragungen erfolgen durch einen Bescheid, der dem Antragsteller zuzustellen ist. Das Bundesamt für Justiz erteilt den Verbänden auf Antrag eine Bescheinigung über ihre Eintragung in die Liste. Es bescheinigt auf Antrag Dritten, die daran ein rechtliches Interesse haben, dass die Eintragung eines Verbands in die Liste aufgehoben worden ist. (4) Ergeben sich in einem Rechtsstreit begründete Zweifel an dem Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 2 bei einer eingetragenen Einrichtung, so kann das Gericht das Bundesamt für Justiz zur Überprüfung der Eintragung auffordern und die Verhandlung bis zu dessen Entscheidung aussetzen. (5) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, die Einzelheiten des Eintragungsverfahrens, insbesondere die zur Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen erforderlichen Ermittlungen, sowie die Einzelheiten der Führung der Liste zu regeln.“

a) Eintragungsvoraussetzungen. Die Eintragungsvoraussetzungen bestimmen 232 sich nach § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG: Es muss sich um einen rechtsfähigen Verband (hierzu sogleich sub aa) handeln, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben (hierzu sogleich sub bb) es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend wahrzunehmen, wobei der Verband in diesem Aufgabenbereich tätige Verbände oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder haben muss (hierzu sogleich sub cc), seit mindestens einem Jahr bestehen und auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten muss. aa) Rechtsfähigkeit. Die Eintragung in die Liste der qualifizierten Einrichtungen 233 setzt nach § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG voraus, dass es sich um „rechtsfähige Verbände“ handelt. Damit kommen als eintragungsfähig im Sinne der Vorschrift regelmäßig nur in das Vereinsregister eingetragene Idealvereine (vgl. § 21 BGB) in Betracht.968 bb) Satzungszweck und satzungsmäßige Tätigkeit. Zu den satzungsmäßigen 234 Aufgaben des Verbandes muss es nach Maßgabe von § 4 Absatz 2 Satz 1 UKlaG gehören, „die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend wahrzunehmen“. Nach dem eindeutigen Wortlaut muss der Satzungszweck kumulativ auf Aufklärung und Beratung gerichtet sein, ohne dass allerdings eine abschließende Gewichtung vorgegeben wäre. Die satzungsmäßigen Aufgaben müssen darüber hinaus auch tatsächlich durch Aufklärung und Beratung wahrgenommen werden, weshalb etwa die bloße Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs durch Abmahnungen in Ansehung der satzungsmäßigen Tätigkeit nach der Rechtsprechung nicht ausreicht.969 Umgekehrt genügt die bloße Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs als

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Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.55; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 425. OVG Münster 13.10.2003 – 4 B 970/03 – GRUR 2004, 347, 348.

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Satzungszweck nicht, um die Vorgaben des § 4 Absatz 2 Satz 1 UKlaG zu erfüllen.970 Erforderlich ist weiterhin, dass die Klage im konkreten Einzelfall von dem Satzungszweck gedeckt ist.971 Ferner ist es anerkanntermaßen ausreichend, wenn sich der Satzung ein den vorste235 hend ausgeführten Vorgaben genügender Zweck hinreichend deutlich entnehmen lässt.972 Weiterhin muss der Satzungszweck darauf gerichtet sein, nicht nur die eigenen Mitglieder, sondern darüber hinaus auch Verbraucher im Allgemeinen aufzuklären und zu beraten;973 in diesem Sinne muss es sich um die Wahrnehmung von „kollektiven Verbraucherinteressen“ handeln.974 Der insoweit zentrale Begriff der „Verbraucherinteressen“ ist deshalb mit einem Marktbezug auszulegen, indem dem regelmäßig im Verhältnis zur Marktgegenseite bestehenden Informationsnachteil der Verbraucher entgegengewirkt und die Verbraucher durch Aufklärung und Beratung vor Übervorteilung und vor Irreführungen bewahrt wird.975 In diesem Sinne enthält ein – nur – dem gesundheitlichen Interesse der Verbraucher dienender „Beitrag zur Vorbeugung und Bekämpfung der Gesundheitsschäden durch das Rauchen“ nach der Rechtsprechung keinen hinreichenden Marktbezug; es soll insoweit an der Information und Beratung fehlen, „die geeignet wäre, die Marktübersicht oder Produktkenntnis der Verbraucher zum Zweck besserer Kaufentscheidung zu fördern“.976 Dass über die entsprechend gelagerten Verbraucherinteressen hinaus auch andere – gewerbliche – Interessen verfolgt werden, ist unschädlich, wenn und soweit vorrangig Mitgliederinteressen vertreten werden und die Kollision mit gewerblichen Interessen ausgeschlossen ist.977 Ferner muss der Verband seit mindestens einem Jahr bestehen und auf Grund der 236 bisherigen Tätigkeit Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten (vgl. § 4 Absatz 2 Satz 1 UKlaG). Die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung ist anerkanntermaßen gegeben, wenn der Verband über eine hinreichende finanzielle, personelle und sachliche Ausstattung verfügt.978 237

cc) Mitgliederstruktur. Nach § 4 Absatz 2 Satz 1 UKlaG kommen als Mitglieder der qualifizierten Einrichtungen zum einen in dem benannten Aufgabenbereich (Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung) tätige Verbände und zum anderen natürliche Personen in einer Zahl von mindestens 75 in Betracht. Nach der Rechtsprechung ist Mischverbänden, die gleichrangig sowohl der Förderung gewerblicher Interessen als auch der Wahrnehmung von Verbraucherinteressen dienen,

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970 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.56; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 427; Teplitzky Kap. 13 Rn. 31. 971 BGH 22.9.2011 – I ZR 229/10 – GRUR 2012, 415 Tz. 14 – Überregionale Klagebefugnis. 972 BGH 19.2.1965 – Ib ZR 45/63 – GRUR 1965, 485, 486 – Versehrtenbetrieb m. Anm. Schramm; BGH 11.11.1982 – I ZR 126/80 – GRUR 1983, 130, 131 – Lohnsteuerhilfe-Bundesverband. Weiterhin aus dem Schrifttum Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.56; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 426. 973 BGH 30.6.1972 – I ZR 16/71 – GRUR 1973, 78, 79 – Verbraucherverband m. Anm. Utescher. 974 Vgl. MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 427. 975 BGH 9.6.1983 – I ZR 73/81 – GRUR 1983, 775, 776 – Ärztlicher Arbeitskreis m. Anm. Schulze zur Wiesche (noch zum alten Recht) unter Verweis auf BGH 30.6.1972 – I ZR 16/71 – GRUR 1973, 78, 79 – Verbraucherverband m. Anm. Utescher; BGH 14.10.1982 – I ZR 81/81 – GRUR 1983, 129, 130 – Mischverband I. Dem sich anschließend aus dem Schrifttum Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.56; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 427; Teplitzky Kap. 13 Rn. 31. 976 BGH 9.6.1983 – I ZR 73/81 – GRUR 1983, 775, 776 – Ärztlicher Arbeitskreis m. Anm. Schulze zur Wiesche. 977 Vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.56; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 427. 978 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.57; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 430.

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die Klagebefugnis abzusprechen.979 Somit muss in Ansehung der Mitgliederstruktur gewährleistet sein, dass der betreffende Verband vorrangig Mitgliederinteressen vertritt und eine Kollision mit gewerblichen Interessen ausgeschlossen ist.980 Im Zuge der vorzunehmenden Beurteilung ist gerade nicht allein auf das satzungsgemäße Verhältnis der Verfolgung von Gewerbe- und Verbraucherinteressen abzustellen, sondern vielmehr insbesondere auch auf die tatsächlichen Gegebenheiten.981 dd) Unwiderlegliche Vermutung. Für Verbraucherzentralen und andere Verbrau- 238 cherverbände, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, wird gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 UKlaG unwiderleglich vermutet, dass diese die Eintragungsvoraussetzungen erfüllen. b) Aufhebung der Eintragung. Nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 Satz 4 UKlaG ist die 239 Eintragung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn (1) der Verband dies beantragt oder (2) die Voraussetzungen für die Eintragung nicht vorlagen oder weggefallen sind. Wenn auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte damit zu rechnen ist, dass die Eintragung in Ansehung von § 4 Abs. 2 Satz 4 UKlaG zurückzunehmen oder zu widerrufen ist, so soll das Bundesamt für Justiz das Ruhen der Eintragung für einen bestimmten Zeitraum von längstens drei Monaten anordnen (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 5 UKlaG); Widerspruch und Anfechtungsklage haben in diesem Fall keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 6 UKlaG). Das Verfahren zur Aufhebung der Eintragung eines Verbands in die Liste qualifizier- 240 ter Einrichtungen stellt sich dar als ein im Verhältnis zum Eintragungsverfahren selbstständiges Verwaltungsverfahren. Für dieses selbständige Verwaltungsverfahren gelten, da – bislang982 – keine speziellen Regelungen eingreifen, die allgemeinen Vorschriften des VwVfG; insofern findet auch der Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 24 VwVfG) Anwendung.983 c) Keine gerichtliche Überprüfung der Eintragungsvoraussetzungen. Das über 241 die Unterlassungsklage zur Entscheidung berufene Gericht kann das Vorliegen bzw. das Weiterbestehen der sachlichen Eintragungsvoraussetzungen nicht prüfen.984 Vielmehr hat das Gericht gemäß § 4 Abs. 4 UKlaG die Möglichkeit, bei begründeten Zweifeln an dem Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen das Bundesamt für Justiz zur Überprüfung der Eintragung aufzufordern und die Verhandlung bis zur Entscheidung hierüber auszusetzen. d) Liste der qualifizierten Einrichtungen. Die Anspruchsberechtigung nach Ab- 242 satz 3 Nr. 3 setzt den Nachweis der Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen

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979 BGH 14.10.1982 – I ZR 81/81 – GRUR 1983, 129, 130 – Mischverband I; BGH 12.7.1984 – I ZR 37/82 – GRUR 1985, 58, 59 – Mischverband II; BGH 19.5.1988 – I ZR 170/86 – GRUR 1988, 832, 833 – Benzinwerbung. 980 Vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.56; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 427. 981 BGH 14.10.1982 – I ZR 81/81 – GRUR 1983, 129, 130 – Mischverband I; BGH 12.7.1984 – I ZR 37/82 – GRUR 1985, 58, 59 – Mischverband II; BGH 19.5.1988 – I ZR 170/86 – GRUR 1988, 832, 833 – Benzinwerbung. 982 Das Bundesministerium der Justiz hat bislang noch nicht von der durch § 4 Abs. 6 UKlaG eröffneten Kompetenz Gebrauch gemacht, durch Rechtsverordnung die Einzelheiten des Eintragungsverfahrens zu regeln. 983 OVG Münster 29.1.2004 – I ZR 132/01 – GRUR 2004, 437, 438. Dem sich anschließend Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 3.60; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 432. 984 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 275; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 370; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.61; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 432; Teplitzky Kap. 13 Rn. 31.

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nach § 4 UKlaG voraus. Nach Maßgabe von § 4 Absatz 1 Satz 2 UKlaG führt das Bundesamt für Justiz diese Liste, welche wiederum mit dem Stand zum 1. Januar eines jeden Jahres im Bundesanzeiger bekannt gemacht und der Europäischen Kommission zugeleitet wird. Die – im Internet abrufbare985 – Liste enthält Angaben über die Bezeichnung der aufgeführten Einrichtungen, Kontaktdaten, Satzungszweck, Registergericht und Registernummer (vgl. § 4 Absatz 2 Satz 3 UKlaG). So waren zum 1.1.2013 die folgenden Einrichtungen auf der Liste eingetragen: – Aktion Bildungsinformation e.V. (ABI), Lange Straße 51, 70147 Stuttgart, AG Stuttgart – Bad Cannstatt VR 2041, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) – Allgemeiner Deutscher Automobil – Club e.V. (ADAC), Am Westpark 8, 81373 München, AG München VR 304, Satzungszweck: Wahrnehmung und Förderung der Interessen des Kraftfahrwesens; Schutz der Verkehrsteilnehmer insbesondere Verbraucherschutz; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) – Bauherren-Schutzbund e.V., Kleine Alexanderstraße 9/10, 10178 Berlin, AG BerlinCharlottenburg VR 15743 B, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) – Berliner Mieterverein e.V., Behrenstraße 1c, 10117 Berlin, AG Berlin-Charlottenburg VR 531 Nz, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Berlin durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) – Bund der Energieverbraucher e.V., Frankfurter Straße 1, 53572 Unkel, AG Bonn 20 VR 5439, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Energieverbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Energieverbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) – Bund der Versicherten e.V., Tiedenkamp 2, 24547 Hestedt-Ulzburg, AG Hamburg VR 9733, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 Satz 1 der Satzung) – Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V., Altkrautheimer Straße 20, 74238 Krautheim, AG Künzelsau VR 154, Satzungszweck: Aufklärung und Beratung der Mitglieder des Vereins und sonstiger Betroffener und ihrer Familien auf allen relevanten Gebieten, und zwar aus dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes, einschließlich verbraucherschutzrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vor Diskriminierung, wenn und soweit dies gesetzlich zulässig ist; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse des o.g. Personenkreises berechtigt (vgl. § 2 Nr. 3 Buchstabe p der Satzung) – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin, AG Berlin-Charlottenburg VR 21148 B, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VZBV), Markgrafenstraße 66, 10969 Berlin, AG Berlin-Charlottenburg VR 20423 Nz, Satzungszweck: Wahrnehmung der Inte-

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985 Auf den Seiten des Bundesamtes für Justiz unter „Bürgerdienste – Verbraucherschutz“, vgl. http://www.bundesjustizamt.de/cln_349/nn_2036892/DE/Themen/Buergerdienste/Verbraucherschutz/ Verbraucherschutz__node.html?__nnn=true (Stand: 1.1.2013).

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ressen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V., Erich-Steinfurth-Straße 6, 10243 Berlin, AG München VR 8719, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung, insbesondere auf den Gebieten erneuerbare Energien und rationelle Energieverwendung unter besonderer Berücksichtigung der Sonnenenergie; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutsche Schutzvereinigung Auslandsimmobilien e.V., Zähringer Straße 373, 79108 Freiburg, AG Freiburg im Breisgau VR 2882, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von privaten Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümern mit Grundbesitz im Ausland und sonstigen an Auslandsimmobilien interessierten Personen durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse des o.g. Personenkreises berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutsche Umwelthilfe e.V., Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell, AG Frankfurt am Main VR 6771, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 1 der Satzung) Deutscher Konsumentenbund e.V., Karthäuserstraße 7–9, 34117 Kassel, AG Kassel VR 4455, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 Abschnitt I Absatz 1, 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Mieterverein Hamm und Umgebung e.V., Chattanoogaplatz 2–4, 59065 Hamm, AG Hamm VR 451, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Hamm und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Mieterverein Iserlohn und Umgebung e.V., Vinckestraße 8, 58636 Iserlohn, AG Iserlohn VR 465, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Iserlohn und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) DMB Mieterbund Nordhessen e.V., Königsplatz 59 (Eingang Poststraße 1), 34117 Kassel, AG Kassel VR 687, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Nordhessen durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. §§ 2 und 3 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Mieterbund Schwerin und Umgebung e.V., Dr.-KülzStraße 18, 19053 Schwerin, AG Schwerin VR 43, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Schwerin und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund Siegerland und Umgebung e.V., Koblenzer Straße 5, 57072 Siegen, AG Siegen VR 859, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern im Siegerland und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e.V., GerhartHauptmann-Straße 19, 18055 Rostock, AG Rostock VR 0600, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher in Mecklenburg-Vorpommern auf dem Gebiet des Mietrechts durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Landesverband Schleswig-Holstein e.V., Eggerstedtstraße 1, 24103 Kiel, AG Kiel VR 1870, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der VerPaal

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braucher in Schleswig-Holstein auf dem Gebiet des Mietrechts durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Kieler Mietverein e.V., Eggerstedtstraße 1, 24103 Kiel, AG Kiel VR 2241, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher in Kiel auf dem Gebiet des Mietrechts durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 1 Absatz 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Mieterverein Velbert und Umgebung e.V., Friedrich-EbertStraße 62–64, 42549 Velbert, AG Wuppertal VR 15403, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Velbert und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund e.V., Littenstraße 10, 10179 Berlin, AG Berlin-Charlottenburg VR 21456 Nz, Satzungszweck: Einheitliche Wahrnehmung, Förderung und Vertretung der Interessen der Mieter; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterbund Wiesbaden und Umgebung e.V., Adelheidstraße 70, 65185 Wiesbaden, AG Wiesbaden VR 1105, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Wiesbaden und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterbund Rhein-Ruhr e.V., Rathausstraße 18–20, 47166 Duisburg, AG Duisburg VR 1256, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Duisburg durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Landesverband Hessen e.V., Adelheidstraße 70, 65185 Wiesbaden, AG Wiesbaden 21 VR 1290, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Hessen durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. §§ 2 und 5 der Satzung) DMB Mieterschutzverein Frankfurt am Main e.V., Eckenheimer Landstraße 339, 60320 Frankfurt am Main, AG Frankfurt am Main VR 6855, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Wohnungsmietern in Frankfurt am Main durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Mieterverein Leverkusen e.V. für Leverkusen und Umgebung, Kölner Straße 39–41, 51379 Leverkusen, AG Leverkusen VR 605, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Wohnungsmietern in Leverkusen durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen befugt (vgl. § 2 der Satzung) DMB – Mieterverein Stuttgart und Umgebung e.V., Moserstraße 5, 70182 Stuttgart, AG Stuttgart VR 2227, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Stuttgart und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 1 Absatz 2 der Satzung) Deutscher Verbraucherschutzverein e.V., Zum Jagenstein 3, 14478 Potsdam, AG Potsdam VR 6952 P, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 3 der Satzung) Fachverband Glücksspielsucht e.V., Arndtstraße 10, 32052 Herford, Amtsgericht Herford VR 1696, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung im Bereich Glücksspielsucht; zur Führung von 116

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Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 Absatz 1 der Satzung) Foodwatch e.V., Brunnenstraße 181, 10119 Berlin, AG Berlin-Charlottenburg VR 21908 NZ, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Miet- und Pachtverein e.V. Bad Kreuznach, Gustav-Pfarrius-Straße 1–3, 55543 Bad Kreuznach, AG Bad-Kreuznach VR 260, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern im Bereich des Landgerichtsbezirks Bad Kreuznach und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieter helfen Mietern, Hamburger Mieterverein e.V., Bartelsstraße 30, 20357, AG Hamburg 69 VR 9639, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Wohnungsmietern in Hamburg durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieter helfen Mietern, Münchner Mieterverein e.V., Weißenburger Straße 25, 81667 München, AG München VR 10648, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Wohnungsmietern in München durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieter und Pächter e.V. -Mieterschutzverein-, Prinzenstraße 7, 44135 Dortmund, AG Dortmund VR 1479, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Wohnungsmietern und Pächtern in Dortmund durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterschutz-Verein Oberlausitz/Niederschlesien e.V., Löbauer Straße 40, 02826 Görlitz, AG Görlitz VR 214, Satzungszweck: Wahrnehmung der Rechte und Interessen von Mietern im Raum Oberlausitz/Niederschlesien durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Mieterverein Baden-Baden und Umgebung e.V., Rheinstraße 78, 76532 Baden-Baden, AG Baden-Baden VR 27, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Wohnungsmietern in Baden-Baden und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 1 Nummer 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend e.V., Brückstraße 58, 44787 Bochum, AG Bochum VR 1022, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Bochum, Hattingen und Umgegend durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Mieterverein Bremen e.V., An der Weide 23, 28195 Bremen, AG Bremen VR 2749, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Wohnungsmietern in Bremen und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterverein Düsseldorf e.V., Oststraße 47, 40211 Düsseldorf, AG Düsseldorf VR 3094, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Düsseldorf und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterverein Flensburg e.V., Rote Straße 14, 24937 Flensburg, AG Flensburg VR 656, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Wohnungsmietern in Flensburg durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 1 Absatz 3 der Satzung) Paal

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Mieterverein Ingolstadt und Umgebung e.V., Mauthstraße 2, 85049 Ingolstadt, AG Ingolstadt VR 62, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Ingolstadt und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterverein für den Regierungsbezirk Trier e.V., Walramsneustraße 8, 54290 Trier, AG Trier VR 1083, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern im Regierungsbezirk Trier durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund Mark – Mieterverein für Lüdenscheid und Umgegend e.V., Lösenbacher Straße 3, 58507 Lüdenscheid, AG Iserlohn VR 20448, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Lüdenscheid und Umgegend durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterverein Gelsenkirchen e.V. im Deutschen Mieterbund, Gabelsbergerstraße 9, 45879 Gelsenkirchen, AG Gelsenkirchen VR 628, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern und Pächtern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund Hannover e.V., Herrenstraße 14, 30159 Hannover, AG Hannover VR 2903, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern und Pächtern in Hannover und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterverein Heidelberg und Umgebung e.V., Poststraße 46, 76137 Heidelberg, AG Heidelberg VR 460, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Wohnungsmietern in Heidelberg und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterverein Karlsruhe e.V., Ritterstraße 24, 76137 Karlsruhe, AG Karlsruhe VR 364, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen in Miet-, Pacht- und Wohnungsangelegenheiten in Karlsruhe Stadt und Landkreis durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterverein Köln e.V., Mühlenbach 49, 50676 Köln, AG Köln VR 4605, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Wohnungsmietern in Köln durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterverein München e.V., Sonnenstraße 10, 80331 München, AG München VR 2167, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Wohnungsmietern in München durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterverein VIADRINA Frankfurt (Oder) und Umgebung e.V., Halbe Stadt 21, 15230 Frankfurt/Oder, AG Frankfurt (Oder) VR 178 FF, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Wohnungsmietern in Frankfurt (Oder) und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Mieterverein zu Hamburg von 1890 r.V., Beim Strohhause 20, 20097 Hamburg, Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg 900.50–8, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Groß-Hamburg und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern e.V., Strandstraße 98, 18055 Rostock, AG Rostock VR 2066, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbrau118

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cher in Mecklenburg-Vorpommern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) PRO BAHN Oberbayern – Gemeinnütziger Fahrgastverband, Agnes-Bernauer-Platz 8, 80687 München, AG München VR 14560, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung in Angelegenheiten öffentliche Verkehrsmittel betreffend; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V., Hohenrainweg 3e, 91174 Spalt, AG Nürnberg VR 200634, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung in Finanzdienstangelegenheiten; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. §§ 3 und 4 der Satzung) Verband Privater Bauherren e.V., Chausseestraße 8, 10115 Berlin, AG Berlin-Charlottenburg VR 24307 B, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung im Bereich privaten Bauens; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 Absatz 1 der Satzung) Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V., Am Kripp 10, 82291 Mammendorf, AG München VR 120825, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 Absatz 1 der Satzung) VerbraucherService Bayern im Katholischen Frauenbund e.V., Dachauer Straße 5/ IV, 80335 München, AG München VR 5737, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 1 Nummer 2 und § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V., Paulinenstraße 47, 70178 Stuttgart, AG Stuttgart VR 1259, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Brandenburg e.V., Templiner Straße 21, 14473 Potsdam, AG Potsdam VR 15, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Hamburg e.V., Kirchenallee 22, 20099 Hamburg, AG Hamburg VR 5930, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Hessen e.V., Große Friedberger Straße 13–17, 60313 Frankfurt am Main, AG Frankfurt am Main VR 6492, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Niedersachsen e.V., Herrenstraße 14, 30159 Hannover, AG Hannover VR 3345, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V., Seppel-Glückert-Passage 10, 55116 Mainz, AG Mainz 14 VR 1088, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Paal

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Beseitigung und Unterlassung

Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt e.V., Steinbockgasse 1, 06108 Halle, AG Stendal VR 20009, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Thüringen e.V., Eugen-Richter-Straße 45, 99085 Erfurt, AG Erfurt VR 5, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Bayern e.V., Mozartstraße 9, 80336 München, AG München VR 6188, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Bremen e.V., Altenweg 4, 28195 Bremen, AG Bremen VR 2117, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 3 Absatz 2 der Satzung) Verbraucherzentrale des Saarlandes e.V., Trierer Straße 22, 66111 Saarbrücken, AG Saarbrücken VR 2734, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein e.V., Andreas-Gayk-Straße 15, 24103 Kiel, AG Kiel VR 1700 Kl, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Berlin e.V., Hardenbergplatz 2, 10787 Berlin, AG Berlin-Charlottenburg 95 VR 2788 Nz, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., Mintropstraße 27, 40215 Düsseldorf, AG Düsseldorf VR 4130, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. Ziffern 2.1 und 2.2 der Satzung) Verbraucherzentrale Sachsen e.V., Brühl 34–38, 04109 Leipzig, AG Leipzig VR 56, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Vereinigte Schutzgemeinschaft Auslandsimmobilien e.V., Tassilostraße 5–7, 82398 Polling, AG München VR 80637, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (vgl. § 2 der Satzung) Vereinigung kritischer Verbraucher e.V., Sellostraße 29, 14471 Potsdam, AG Potsdam VR 2163, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen berechtigt (vgl. § 2 der Satzung)

3. Voraussetzungen nach RL 98/27/EG (ausländische qualifizierte Einrichtungen). Weiterhin sind nach Absatz 3 Nr. 3 qualifizierte Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten anspruchsberechtigt, sofern sie nachweisen, „in dem Verzeichnis der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel 4 der Richtlinie 98/27/EG des Paal

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Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. EG Nr. L 166 S. 51)“ eingetragen zu sein. Die insoweit maßgeblichen Vorschriften lauten: 244 Artikel 3 Klagebefugte Einrichtungen Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „qualifizierte Einrichtung“ jede Stelle oder Organisation, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats ordnungsgemäß errichtet wurde und ein berechtigtes Interesse daran hat, die Einhaltung der in Artikel 1 genannten Bestimmungen sicherzustellen; er bezeichnet insbesondere a) in Mitgliedstaaten, in denen solche Stellen bestehen, eine oder mehrere unabhängige öffentliche Stellen, die speziell für den Schutz der in Artikel 1 genannten Interessen zuständig sind, und/oder b) Organisationen, deren Zweck im Schutz der in Artikel 1 genannten Interessen besteht, entsprechend den im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Kriterien. Artikel 4 Grenzüberschreitende Verstöße innerhalb der Gemeinschaft (1) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, damit im Fall eines Verstoßes, dessen Ursprung in seinem Hoheitsgebiet liegt, jede qualifizierte Einrichtung eines anderen Mitgliedstaats, in dem die von dieser qualifizierten Einrichtung geschützten Interessen durch den Verstoß beeinträchtigt werden, nach Vorlage des in Absatz 3 vorgesehenen Verzeichnisses das nach Artikel 2 zuständige Gericht oder die nach Artikel 2 zuständige Verwaltungsbehörde anrufen kann. Die Gerichte oder Verwaltungsbehörden akzeptieren dieses Verzeichnis als Nachweis der Berechtigung der qualifizierten Einrichtung zur Klageerhebung unbeschadet ihres Rechts zu prüfen, ob der Zweck der qualifizierten Einrichtung deren Klageerhebung in einem speziellen Fall rechtfertigt. (2) Im Hinblick auf grenzüberschreitende Verstöße innerhalb der Gemeinschaft und unbeschadet der Rechte, die anderen Stellen gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zustehen, teilen die Mitgliedstaaten auf Antrag ihrer qualifizierten Einrichtungen der Kommission mit, daß diese Einrichtungen berechtigt sind, eine in Artikel 2 vorgesehene Klage zu erheben. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission Namen und Zweck dieser qualifizierten Einrichtungen mit. (3) Die Kommission erstellt ein Verzeichnis der in Absatz 2 bezeichneten qualifizierten Einrichtungen und gibt darin deren Zweck an. Dieses Verzeichnis wird im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht; Änderungen an diesem Verzeichnis werden unverzüglich veröffentlicht; die aktualisierte Liste wird alle sechs Monate veröffentlicht.

a) Anforderungen nach RL 98/27/EG. Gemäß Art. 4 Abs. 2 und 3 RL 98/27/EG ob- 245 liegt es den Mitgliedstaaten, der Kommission die qualifizierten Einrichtungen mitzuteilen. Die zur Entscheidung berufenen Gerichte haben nach Maßgabe von Art. 4 Absatz 1 Satz 2 RL 98/27/EG den Nachweis der Eintragung in das von der Kommission erstellte Verzeichnis als Nachweis der Anspruchs- und Klageberechtigung zu akzeptieren. Somit können deutsche Gerichte nicht überprüfen, ob und inwieweit die Voraussetzungen für die Eintragung einer qualifizierten Einrichtung vorliegen.986 In Ansehung des Zusatzes in Art. 4 Absatz 1 Satz 2 RL 98/27/EG („[…] unbeschadet ihres Rechts zu prüfen, ob der Zweck der qualifizierten Einrichtung deren Klageerhebung in einem speziellen Fall rechtfertigt“) wird in richtlinienkonformer Auslegung von Absatz 3 Nr. 3 mit der ganz überwiegenden Auffassung im Schrifttum davon auszugehen sein, dass das deutsche Gericht im konkreten Einzelfall prüfen kann, ob der Zweck der ausländischen qualifizierten Einrichtung deren Klageerhebung rechtfertigt.987 In diesem Sinne muss das befasste

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986 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 277; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 371; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.63; Mankowski WRP 2010, 186, 187; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 436; Teplitzky Kap. 13 Rn. 32. 987 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 277; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.63; Mankowski WRP 2010, 186, 187; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 436; Teplitzky Kap. 13 Rn. 32.

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Beseitigung und Unterlassung

Gericht prüfen, ob die konkrete Prozessführung von dem Satzungszweck des klagenden Verbandes gedeckt ist.988 Die Berücksichtigung eines entsprechenden Einwands der fehlenden Rechtfertigung durch den Zweck der Einrichtung989 wird jedenfalls über den Missbrauchseinwand auf der Grundlage und am Maßstab des Absatzes 4 zu erfolgen haben.990 246

b) Liste der qualifizierten Einrichtungen. Die maßgebliche Liste wird im Amtsblatt991 veröffentlicht und ist über das Internet abrufbar.992 So waren zum 1.1.2013 die folgenden Einrichtungen auf der Liste eingetragen:







Belgien Association belge des consommateurs Tests-Achats/Belgische Verbruikersunie TestAankoop, Rue de Hollande/Hollandstraat, 13 B-1060 Bruxelles, Satzungszweck: Förderung, Wahrnehmung und Vertretung von Verbraucherinteressen (Initiativen, Aktivitäten, Studien, Untersuchungen, Veröffentlichungen zu Verbraucherthemen, Beistand und individuelle Leistungen für Mitglieder usw.); Förderung und Unterstützung bei der Errichtung juristischer Personen, deren Hauptzweck die Wahrnehmung und Verteidigung von Verbraucherinteressen ist Organisation des consommateurs a.s.b.l./Consumentenorganisatie v.z.w/Verbraucherschutzzentrale V.o.E., Neustraße, 119 B-4700 Eupen, Satzungszweck: Information und Beratung von Privatpersonen bei Verbraucherfragen; Kontakte zu Behörden und Maßnahmen zum Schutz von Verbrauchern; Vertretung individueller und kollektiver Verbraucherrechte; Grenzüberschreitende Verbraucherfragen; Vorbeugende Maßnahmen und Hilfe für überschuldete Privatpersonen Bulgarien Комисия за защита на потребителите/The Consumer Protection Commission (KZP), Slaveikov Sq. 4A BG-1000 Sofia, Satzungszweck: Zentrale Regierungsstelle mit Zuständigkeit für die Anwendung des Verbraucherschutzrechts: Überwachung der allgemeinen Produktsicherheit, Schutz wirtschaftlicher Interessen, außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten und Schutz kollektiver Verbraucherinteressen. Verbraucherinformation und -beratung. Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten; Verwaltung der Arbeiten der Vermittlungsausschüsse, einschließlich der Arbeiten des Vermittlungsausschusses für Zahlungsstreitigkeiten; Prüfung von Verbraucherbeschwerden. RAPEX-Kontaktstelle für den schnellen Austausch von Informationen über gefährliche Produkte. Koordinierung aller anderen Stellen, die die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden („Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz“) überwachen. Überwachung der Durchführung der zwölf Richtlinien, die unter die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 fallen

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988 BGH 22.9.2011 – I ZR 229/10 – GRUR 2012, 415 Tz. 11 ff. – Überregionale Klagebefugnis. 989 Bspw. durch Beschränkung einer Rechtsverfolgung im Herkunftsland, vgl. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.63. 990 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 367; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.63; Mankowski WRP 2010, 186, 187. 991 Vgl. ABl. EU 2012/C 97/01. 992 Vgl. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2012:097:0001:01:DE:HTML (Stand: 1.1.2013).

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Българска национална асоциация „активни потребители“ Bulgarian National Association for active consumers (BNA AP), Sofia 1504, ul. Vrabcha 26, Satzungszweck: Information der Verbraucher über Produkte und Dienstleistungen auf dem Markt. Information der Verbraucher über die mit Produkten und Dienstleistungen verbundenen Risiken und über Möglichkeiten der Risikovermeidung. Information der Verbraucher über die Auswirkungen von Produkten und Dienstleistungen auf die Umwelt. Information der Verbraucher über die verschiedenen Möglichkeiten des Schutzes ihrer wirtschaftlichen Interessen. Information der Verbraucher über die bulgarischen Rechtsvorschriften in den Bereichen Verbraucherschutz und Umwelt. Analyse des internationalen Know-hows in den Bereichen Verbraucherschutz und Umwelt. Vorlage von Vorschlägen für rechtliche, wirtschaftliche und politische Maßnahmen zum Schutz von Verbrauchern und Umwelt in Bulgarien Потребителски център за информация и изследвания/Centre for Consumer Information and Research (PtsII), Knyaz Aleksandr Battenberg Boulevard 27 BG-4000 Plovdiv, Satzungszweck: Unabhängige Überprüfung verbraucherrelevanter Fragestellungen. Information der Verbraucher über die Situation des Waren- und Dienstleistungsmarkts, Fragen zu Qualität und Sicherheit, Angebot und Nachfrage, Preisen und Vergleichsmerkmalen von Produkten und Dienstleistungen. Unterrichtung von Verbrauchern und spezialisierten Einrichtungen über Verstöße gegen staatliche Normen und andere Rechtsinstrumente zur Regelung des Waren- und Dienstleistungssektors. Sensibilisierung der Verbraucher für ihre Rechte und Pflichten Съюз на застрахованите в България/Bulgarian Insurance Policy Holders’ Union (ZSB), Residential Complex 'Lazur', Block 7, Entry A, BG-8001 Burgas, Satzungszweck: Schutz der Interessen der bulgarischen Versicherten. Information der Verbraucher über das Versicherungswesen und Sensibilisierung für Versicherungsfragen Регионален съюз на потребителите-98, гр. Видин/Vidin Regional Consumers’ Union 98 (RSP-98 VIDIN), Blintsi Square 2, 11th floor, room 10, BG-3700 Vidin, Satzungszweck: Verbraucherschutz Национална лига – потребители на услуги/National League of Clients of Service Providers, Burgas 8005 ZhK Slaveykov, bl. 63, vh. 8, Satzungszweck: Information der Verbraucher über ihre Rechte. Vorgehen gegen Unregelmäßigkeiten auf dem Dienstleistungsmarkt und entsprechende Unterrichtung der zuständigen Verbraucherstellen. Unterstützung der Verbraucher bei Problemen Асоциация „Помощ за потребителя“/Consumer Assistance Association, Residential Complex ‚Lyulin‘, Block 901, Entrance D, flat 98, BG-1324 Sofia, Satzungszweck: Organisation und Durchführung von Seminaren und Schulungen zu Verbraucherfragen. Einrichtung von Verbraucherinformations- und Beratungszentren. Einleitung von Sammelklagen zur Verteidigung von Verbraucherinteressen. Förderung der Weiterentwicklung verbraucherrelevanter Rechtsvorschriften. Beteiligung an der Arbeit staatlicher Beratungsstellen im Bereich Verbraucherschutz. Vermittlungstätigkeiten und Beteiligung an der Arbeit in den Vermittlungsausschüssen. Durchführung von Warentests und Beteiligung an amtlichen Kontrollen Федерация на потребителите в България/Bulgarian Consumers’ Federation, Stefan Stambolov St 35A, BG-1000 Sofia, Satzungszweck: Aktivitäten in Forschung und Entwicklung. Erstellung von Expertengutachten. Beratungsleistungen und andere Aktivitäten im Bereich Verbraucherschutz. Einrichtung und Nutzung unabhängiger Labors zu Forschungszwecken. Bewertung und Prüfung von Konsumgütern durch Experten. Einrichtung von Beratungszentren zu Rechtsfragen. Bearbeitung von Beschwerden und Vorschlägen von Verbrauchern. Herstellung von Print-, Video- und Audiomaterial mit Verbraucherinformationen Paal

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Tschechische Republik Sdružení českých spotřebitelů, o.s. (Tschechischer Verbraucherverband), Budějovická 73, CZ-14000 Praha 4, Satzungszweck: Breites Spektrum von Aktivitäten auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes, darunter Information und Beratung bei Streitfällen SOS – Sdružení obrany spotřebitelů, o.s. (Verbraucherschutzorganisation), Novákových 8, CZ-18000 Praha 8, Satzungszweck: Wahrnehmung von Verbraucherinteressen dort, wo die Möglichkeiten des Einzelnen erschöpft sind Občanské sdruženi spotřebitelů (Bürger-Verbraucherverband) TEST, Nuselská 297/5, CZ-14000 Praha 4, Satzungszweck: Veröffentlichung des Magazins TEST, objektive und unabhängige Produktprüfungen, Bearbeitung sämtlicher Verbraucherschutzfragen Spotřebitel.cz, Šárecká 15, CZ-16000 Praha 6, Satzungszweck:Bearbeitung sämtlicher Verbraucherschutzfragen Dänemark Forbrugerombudsmanden, Amagerfælledvej 56, DK-2300 København S, Satzungszweck: Der Verbraucherombudsmann ist gemäß dem Marketinggesetz in erster Linie für die Einhaltung der Vorschriften, vor allem im Bereich der Verbraucherrechte, zuständig. Er ist befugt, im Sinne folgender Richtlinien Klage zu erheben: Richtlinie 84/450/ EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung; Richtlinie 85/577/ EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen; Richtlinie 87/102/ EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, zuletzt geändert durch die Richtlinie 98/7/EG; Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, geändert durch die Richtlinie 97/36/EG; Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen; Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen; Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien; Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz; Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter; Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) Lægemiddelstyrelsen, Frederikssundsvej 378, DK-2730 Brønshøj, Satzungszweck: Zulassung von nachweislich wirksamen und sicheren Medikamenten. Beitrag zur Gewährleistung eines angemessenen Verhältnisses zwischen den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für medizinische Leistungen und den angestrebten medizinischen Ergebnissen. Kontrolle der Pharma- und der Pharmageräteindustrie. Das Arzneimittelamt ist befugt, bei Verstößen gegen die Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel Klage zu erheben. 124

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Deutschland Aktion Bildungsinformation e.V. (ABI), Lange Str. 51, D-70147 Stuttgart, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Allgemeiner Deutscher Automobil-Club (ADAC) e.V., Am Westpark 8, D-81373 München, Satzungszweck: Wahrnehmung und Förderung der Interessen des Kraftfahrwesens, Schutz der Verkehrsteilnehmer, insbesondere Verbraucherschutz; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Bauherren-Schutzbund e.V., Kleine Alexanderstr. 9/10, D-10178 Berlin, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Berliner Mieterverein e.V., Behrenstr. 1c, D-10117 Berlin, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Berlin durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Bund der Energieverbraucher e.V., Frankfurter Str. 1, D-53572 Unkel, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Energieverbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Energieverbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Bund der Versicherten e.V., Tiedenkamp 2, D-24547 Henstedt-Ulzburg, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 Satz 1 der Satzung) Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V., Altkrautheimer Straße 20, 74238 Krautheim, Satzungszweck: Information und Beratung von Mitgliedern, anderen Interessierten und ihren Angehörigen in allen relevanten Bereichen im Hinblick auf den Verbraucherschutz, einschließlich verbraucherschutzrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vor Diskriminierung, soweit rechtlich zulässig; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse des o.g. Personenkreises berechtigt (Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe p der Satzung) Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Am Köllnischen Park 1, D-10179 Berlin, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VZBV), Markgrafenstr. 66, D-10969 Berlin, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V., Erich-Steinfurth-Straße 6, D-10243 Berlin, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung, insbesondere auf den Gebieten erneuerbare Energien und rationelle Energienutzung unter besonderer Berücksichtigung der Sonnenenergie; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutsche Schutzvereinigung Auslandsimmobilien e.V., Zähringer Str. 373, D-79108 Freiburg, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von privaten Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümern mit Grundbesitz im Ausland und sonstigen an Auslandsimmobilien interessierten Personen durch Aufklärung und Beratung; zur FühPaal

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rung von Verbandsklagen im Interesse des o.g. Personenkreises berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutsche Umwelthilfe e.V., Fritz-Reichle-Ring 4, D-78315 Radolfzell, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 1 der Satzung) Deutscher Mieterbund Mieterverein Hamm und Umgebung e.V., Chattanoogaplatz 2–4, D-59065 Hamm, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Hamm und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund Mieterverein Iserlohn und Umgebung e.V., Vinckestr. 4, D-58636 Iserlohn, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Iserlohn und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) DMB Mieterbund Nordhessen e.V., Königsplatz 59, Eingang Poststraße 1, D-34117 Kassel, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Nordhessen durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 und 3 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Mieterverein Schwerin und Umgebung e.V., Dr.-KülzStr. 18, D-19053 Schwerin, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Schwerin und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund Siegerland und Umgebung e.V., Koblenzer Str. 5, D-57072 Siegen, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern im Siegerland und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e.V., G.-Hauptmann-Str. 19, D-18055 Rostock, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher in Mecklenburg- Vorpommern auf dem Gebiet des Mietrechts durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Landesverband Schleswig-Holstein e.V., Eggerstedtstr. 1, D-24103 Kiel, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher in Schleswig-Holstein auf dem Gebiet des Mietrechts durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Kieler Mieterverein e.V., Eggerstedtstr. 1 D-24103 Kiel, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher in Kiel auf dem Gebiet des Mietrechts durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 1 Absatz 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Mieterverein Velbert und Umgebung e.V., FriedrichEbert-Str. 62–64, D-42549 Velbert, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Velbert und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund e.V., Littenstraße 10, D-10179 Berlin, Satzungszweck: Wahrnehmung, Förderung und Vertretung der Interessen aller Mieter; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieterbund Wiesbaden und Umgebung e.V., Adelheidstr. 70, D-65185 Wiesbaden, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Wiesbaden und Um126

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gebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieterbund Rhein-Ruhr e.V., Rathausstr. 18–20, D-47166 Duisburg, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Duisburg durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Landesverband Hessen e.V., Adelheidstr. 70, D-65185 Wiesbaden, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Hessen durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 und 5 der Satzung) DMB – Mieterschutzverein Frankfurt am Main e.V., Eckenheimer Landstraße 339, D-60320 Frankfurt, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Frankfurt am Main durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund Mieterverein Leverkusen e.V. für Leverkusen und Umgebung, Kölner Str. 35–41, D-51379 Leverkusen, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Leverkusen durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) DMB – Mieterverein Stuttgart und Umgebung e.V., Moserstr. 5, D-70182 Stuttgart, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Stuttgart und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 1 Absatz 2 der Satzung) Deutscher Verbraucherschutzverein e.V., Zum Jagenstein 3, D-14478 Potsdam, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 3 der Satzung) Fachverband Glücksspielsucht e.V., Arndtstraße 10, D-32052 Herford, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung bezüglich der Spielsucht; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 Absatz 1 der Satzung) Foodwatch e.V., Brunnenstr. 181, D-10119 Berlin, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Miet-und Pachtverein e.V. Bad Kreuznach, Gustav-Pharrius-Str. 1–3, D-55543 Bad Kreuznach, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Bad Kreuznach und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieter helfen Mietern – Hamburger Mieterverein e.V., Bartelsstraße 30, D-20357 Hamburg, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Hamburg durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieter helfen Mietern, Münchner Mieterverein e.V., Weißenburger Str. 25, D-81667 München, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in München durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieter und Pächter e.V. – Mieterschutzverein –, Prinzenstr. 7, D-44135 Dortmund, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern und Pächtern in Dortmund durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Paal

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Paal

Beseitigung und Unterlassung

Mieterschutz-Verein Oberlausitz/Niederschlesien e.V., Löbauer Str. 40, D-02826 Görlitz, Satzungszweck: Wahrnehmung der Rechte und Interessen von Mietern im Raum Oberlausitz/Niederschlesien durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund, Mieterverein Baden-Baden und Umgebung e.V., Rheinstraße 78 D-76532, Baden-Baden, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Baden-Baden und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 1 Absatz 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend e.V., Brückstr. 58, D-44787 Bochum, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Bochum, Hattingen und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund – Mieterverein Bremen e.V., An der Weide 23, D-28195 Bremen, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Bremen und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieterverein Düsseldorf e.V., Oststraße 47, D-40211 Düsseldorf, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Düsseldorf und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieterverein Flensburg e.V., Rote Straße 14, D-24937 Flensburg, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Flensburg durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 1 Absatz 3 der Satzung) Mieterverein Ingolstadt und Umgebung e.V., Mauthstraße 2, D-85049 Ingolstadt, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Ingolstadt und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieterverein für den Regierungsbezirk Trier e.V., Walramsneustr. 8, D-54290 Trier, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Trier und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund Mark – Mieterverein für Lüdenscheid und Umgegend e.V., Lösenbacher Str. 3, D-58507 Lüdenscheid, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Lüdenscheid und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieterverein Gelsenkirchen e.V. im Deutschen Mieterbund, Gabelsbergerstraße 9, D-45879 Gelsenkirchen, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern und Pächtern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Deutscher Mieterbund Hannover e.V., Herrenstraße 14, D-30159 Hannover, Wahrnehmung der Interessen von Mietern und Pächtern in Hannover und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieterverein Heidelberg und Umgebung e.V., Poststraße 46, D-69115 Heidelberg, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Heidelberg und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) 128

IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.



























129

D. Gläubiger der Abwehransprüche

Mieterverein Karlsruhe e.V., Ritterstr. 24, D-76137 Karlsruhe, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Miet-, Pacht- und Wohnungsangelegenheiten in Karlsruhe (Stadt und Landkreis) durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieterverein Köln e.V., Mühlenbach 49, D-50676 Köln, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Köln durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieterverein München e.V., Sonnenstr. 10, D-80331 München, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in München durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieterverein VIADRINA Frankfurt (Oder) und Umgebung e.V., Halbe Stadt 21 D-15230 Frankfurt/O., Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Frankfurt (Oder) und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Mieterverein zu Hamburg von 1890 r.V., Beim Strohhause 20, D-20097 Hamburg, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen von Mietern in Groß-Hamburg und Umgebung durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Neue Verbraucherzentrale in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Strandstraße 98, D-18055 Rostock, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher in Mecklenburg und Vorpommern durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Mieter berechtigt (Artikel 2 der Satzung) PRO BAHN Oberbayern – Gemeinnütziger Fahrgastverband, Agnes-BernauerPlatz 8, D-80687 München, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher im Bereich öffentliche Verkehrsmittel durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Schutzgemeinschaft für Bank- und Sparkassenkunden e.V., Ludwigstr. 97, D-95632 Wunsiedel, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher in Bankangelegenheiten durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V., Hohenrainweg 3e, D-91174 Spalt, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher in Finanzdienstangelegenheiten durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 3 und 4 der Satzung) Verband Privater Bauherren e.V., Chausseestr. 8, D-10115 Berlin, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung im Bereich privaten Bauens; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 Absatz 1 der Satzung) Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V., Am Kripp 10, D-82291 Mammendorf, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 Absatz 1 der Satzung) VerbraucherService Bayern im Katholischen Deutschen Frauenbund e.V., Dachauer Straße 5/IV, D-80335 München, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 1 Absatz 2 und Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V., Paulinenstr. 47, D-70178 Stuttgart, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung Paal

§8

























Paal

Beseitigung und Unterlassung

und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Brandenburg e.V., Templiner Str. 21, D-14473 Potsdam, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Hamburg e.V., Kirchenallee 22, D-20099 Hamburg, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Hessen e.V., Große Friedberger Str. 13–17, D-60313 Frankfurt/M., Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Niedersachsen e.V., Herrenstr. 14, D-30159 Hannover, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Rheinland- Pfalz e.V., Seppel-Glückert-Passage 10, D-55116 Mainz, Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Sachsen- Anhalt e.V., Steinbockgasse 1, D-06108 Halle, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Thüringen e.V., Eugen-Richter-Str. 45, D-99085 Erfurt, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Bayern e.V., Mozartstr. 9, D-80336 München, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Bremen e.V., Altenweg 4, D-28195 Bremen, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 3 Absatz 2 der Satzung) Verbraucherzentrale des Saarlandes e.V., Trierer Str. 22, D-66111 Saarbrücken, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Schleswig- Holstein e.V., Andreas-Gayk-Straße 15, D-24103 Kiel, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Verbraucherzentrale Berlin e.V., Hardenbergplatz 2, D-10787 Berlin, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) 130

IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.



























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D. Gläubiger der Abwehransprüche

Verbraucherzentrale Nordrhein- Westfalen e.V., Mintropstr. 27, D-40215 Düsseldorf, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Ziffern 2.1 und 2.2 der Satzung) Verbraucherzentrale Sachsen e.V., Brühl 34–38, D-04109 Leipzig, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Vereinigte Schutzgemeinschaft Auslandsimmobilien e.V., Tassilostraße 5–7, D-82398 Polling, Satzunsgzweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Vereinigung kritischer Verbraucher e.V., Sellostr. 29, D-14471 Potsdam, Satzungszweck: Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt (Artikel 2 der Satzung) Estland Tarbijakaitseamet, Kiriku 4, EE-15071 Tallinn, Satzungszweck: Verbraucherschutzangelegenheiten im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren und der Erbringung von Dienstleistungen sowie mit Pauschalreiseverträgen Ravimiamet, Ravila 19, EE-50411 Tartu, Satzungszweck: Kontrolle der Vermarktung und Bewerbung von Arzneimitteln Irland National Consumer Agency, 4 Harcourt Road, Dublin 2, Satzungszweck: Unabhängige, gesetzlich vorgeschriebene Stelle zur Beratung und Aufklärung von Verbrauchern, zur Regulierung des Kreditvermittlergewerbes, zur Zulassung von Pfandleihern und zur Durchsetzung zahlreicher Verbraucherschutzvorschriften Griechenland Νέο Ινστιτούτο Καταναλωτών (NEO INKA) Consumers’ association — New consumers’ institute (NEO INKA), Καλυψούς 105/Kalipsous 105 GR-176 71 Καλλιθέα/Kallithea, Satzungszweck: Schutz von Verbraucherrechten und Verbraucherinteressen Κέντρο Προστασίας Καταναλωτών (ΚΕΠΚΑ) Consumers’ protection centre of Thessaloniki (KEPKA), Τσιμισκή/Tsimiski 54, GR-546 23 Θεσσαλονίκη/Thessaloniki, Satzungszweck: Schutz von Verbraucherrechten und -interessen Ένωση Καταναλωτών – Ποιότητα Ζωής (ΕΚΠΟΙΖΩ) Consumers’ association ‘the quality of life’ (EKPIZO), Βαλτετσίου/Valtetsiou 43–45, GR-106 81 Αθήνα/Athens, Satzungszweck: Schutz von Verbraucherrechten und -interessen Ελληνική Καταναλωτική Οργάνωση (EKATO) Greek consumers’ organisation (EKATO), Δημοκρίτου/Dimokritou 10, GR-54 352, Θεσσαλονίκη/Thessaloniki, Satzungszweck: Schutz von Verbraucherrechten und -interessen Ινστιτούτο καταναλωτών (INKA) Ιωαννίνων Consumers’ institute (INKA) of Ioannina, Θ.Πασχίδη/Th. Paskidi 52, GR-45 445 Ιωάννινα/Ιoannina, Satzungszweck: Schutz von Verbraucherrechten und -interessen Ένωση για τα δικαιώματα των πολιτών Citizens’ rights organisation, Λυκαβηττού/ Likavipou 18, GR-106 73 Αθήνα/Athens, Satzungszweck: Schutz von Verbraucherrechten und -interessen Paal

§8











– –











Paal

Beseitigung und Unterlassung

Ινστιτούτο Καταναλωτών (INKA) Μακεδονίας Consumers’ institute (INKA) of Macedonia, Μοναστηρίου/Μonastiriou 17, GR-54627 Θεσσαλονίκη/Thessaloniki, Satzungszweck: Schutz von Verbraucherrechten und -interessen Ινστιτούτο Καταναλωτών (INKA) Κέρκυρας Consumers’ institute (INKA) of Corfu, Ακαδημίας/Akadimias 3, GR-49 100 Κέρκυρα/Kerkira, Satzungszweck: Schutz von Verbraucherrechten und –interessen Ένωση Καταναλωτών Αιτωλοακαρνανίας Consumer Association of Aitoloakarnania, Σ.Τσικνιά/S. Tsiknia 48 (πρώην Τσαλδάρη/formerly Tsaldari), GR-30100 Αγρίνιο/ Agrinio, Satzungszweck: Schutz von Verbraucherrechten und -interessen Ένωση Καταναλωτών Βόλου και Θεσσαλίας Consumer Association of Volos & Thessaly, Αγίου Νικολάου/Agiou Nikolaou 104, GR-38221, Βόλος Volos, Satzungszweck: Schutz von Verbraucherrechten und –interessen Ένωση Καταναλωτών Ελλάδας Consumer Association of Greece, Γούναρη/Gounari 4–6, GR-185 31, Πειραιάς/Peiraias, Satzungszweck: Schutz von Verbraucherrechten und –interessen Ένωση Πολιτών Citizens’ association, Αλκυόνης/Alkionis 9, GR-175 61 Π. Φάληρο/ P. Faliro, Satzungszweck: Schutz von Verbraucherrechten und -interessen Εμπορικό και Βιομηχανικό Επιμελητήριο Αθηνών Athens Chamber Of Commerce And Industry, Ακαδημίας/Akademias str 7, GR-10671 Αθήνα/Athens, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Βιοτεχνικό Επιμελητήριο της Αθήνας Athens Chamber Of Handicrafts, Ακαδημίας/ Akademias 18, GR-10671 Αθήνα/Athens 10671, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επαγγελματικό Επιμελητήριο Αθηνών Athens Chamber Of Tradesmen, Πανεπισ τημίου/Panepistsimiou 44, GR-10679 Αθήνα/Athens, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Εμπορικό και Βιομηχανικό Επιμελητήριο Θεσσαλονίκης Thessaloniki Chamber Of Commerce And Industry, Τσιμισκή/Tsimiski 29, GR-54624 Θεσσαλονίκη/Thessaloniki, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Βιοτεχνικό Επιμελητήριο Θεσσαλονίκης Thessaloniki Chamber Of Handicrafts, Αριστοτέλους/Aristotelous 27, GR-54624 Θεσσαλονίκη/Thessaloniki, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επαγγελματικό Επιμελητήριο Θεσσαλονίκης Thessaloniki Chamber Of Tradesmen, Αριστοτέλους/Aristotelous 27, GR-54624 Θεσσαλονίκη/Thessaloniki, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der 132

IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.

















133

D. Gläubiger der Abwehransprüche

Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Εμπορικό και Βιομηχανικό Επιμελητήριο Πειραιά Piraeus Chamber Of Commerce And Industry, Λουδοβίκου/Loudovikou 1, Πλ. Οδησσού/Odissos Square, GR-18531 Πειραιάς/Piraeus, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Βιοτεχνικό Επιμελητήριο Πειραιά Piraeus Chamber Of Handicrafts, Καραΐσκου/Karaiskou 111, GR-18532 Πειραιάς/Piraeus, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επαγγελματικό Επιμελητήριο Πειραιά Piraeus Chamber Of Tradesmen, Αγίου Κωνσταντίνου/Agiou Konstantinou 3, GR-18531 Πειραιάς/Piraeus, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Εμπορικό και Βιομηχανικό Επιμελητήριο Ροδόπης Chamber Of Industry And Commerce Of Rodopi Prefecture, Βασ. Γεωργίου/Vassileios Georgiou 2β, GR-69100 Κομοτηνή/Komotini, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επαγγελματικό και Βιοτεχνικό Επιμελητήριο Ροδόπης Chamber Of Tradesmen And Handicrafts Of Rodopi Prefecture, Καβείρων/Kaveiron 12, GR-69100 Κομοτηνή/ Komotini, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Αιτωλοακαρνανίας Chamber Of Aitoloakarnania Prefecture, Παπαστ ράτου/Papastratou 53 και Σμύρνης/& Smirnis, GR-30100 Αγρίνιο/Agrinio, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Αργολίδας Chamber Of Argolida Prefecture, Κορίνθου/Korinthou 23, GR-21200 Άργος/Argos, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Αρκαδίας Chamber Of Arcadia Prefecture, 25ης Μαρτίου και Πανός/ Panos & Martiou 21, 22100 Τρίπολη/Tripoli, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Paal

§8

















Paal

Beseitigung und Unterlassung

Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Άρτας Chamber Of Arta Prefecture, Μ. Γραικού και Φλέμινγκ/Graikou & Flemig, GR-47100 Άρτα/Arta, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Αχαΐας Chamber Of Ahaia Prefecture, Μιχαλακοπούλου/Mihalakopoulou 58, GR-26221 Πάτρα/Patra, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handelsund Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Βοιωτίας Chamber Of Viotia Prefecture, Λ.Κουτσοπετάλου/L.Koutsopetalou 1, GR-32100 Λειβαδιά/Livadia, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Γρεβενών Chamber Of Grevena Prefecture, Εμμανουήλ Παππά/Emmanouil Papa 7, GR- 51100 Γρεβενά/Grevena, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Δράμας Chamber Of Drama Prefecture, Λαμπριανίδου/Labrianidiou 40, GR-66100 Δράμα/Drama, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Δωδεκανήσων Chamber Of Dodekanissa Prefecture, Γρηγορίου Λαμπράκη/Grigoriou Labraki 8, GR-85100 Ρόδος/Rodos Island, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Έβρου Chamber Of Evros Prefecture, Οδός Εμπορίου/Eboriou, 1ος όροφος/1st floor, GR- 68100 Αλεξανδρούπολη/Alexandroupoli, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Εύβοιας Chamber Of Evia Prefecture, Ελ.Βενιζέλου/El. Venizelou 12, GR-34100 Χαλκίδα/Chalkida, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt 134

IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.



















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D. Gläubiger der Abwehransprüche

Επιμελητήριο Ευρυτανίας Chamber Of Evritania Prefecture, Νικολάου Τσιαμπούλα/ Nikolaou Tsiaboula 5, GR-36100 Καρπενήσι/Karpenissi, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Ζακύνθου Chamber Of Zakynthos Prefecture, Λομβάρδου/Lombardou 20, GR-29100 Ζάκυνθος/Zakynthos, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt. Επιμελητήριο Ηλείας Chamber Of Ilia Prefecture, 28ης Οκτωβρίου και Πλ./ Ηρώων28th of October str & Iroon Square, GR-27100 Πύργος/Pyrgos, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Ημαθίας Chamber Of Imathia Prefecture, Κεντρικής/Kentrikis 3, GR59100 Βέροια/Veria, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Ηρακλείου Chamber Of Irakleion Prefecture, Κορωναίου/Koroneou 9, GR-71202 Ηράκλειο/Irakleio, Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Θεσπρωτίας Chamber Of Thesprotia Prefecture, Κυρα Βασιλικής/Kyra Vassilikis 13, (1ος όροφος/1st floor), GR-46100 Ηγουμενίτσα/Igoumenitsa, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Ιωαννίνων Chamber Of Ioannina Prefecture, Τρικούπη και Οπλαρχηγού Πουτέτση/Trikoupi & Oplarhigou Poutesi 14, GR-45332 Ιωάννινα/Ioannina, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Καβάλας Chamber Of Kavala Prefecture, Ομονοίας/Omonias 50Α, GR65302 Καβάλα/Kavala, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Καρδίτσας Chamber Of Karditsa Prefecture, Ηρώων Πολυτεχνείου/ Iroon Polytehneiou 3, GR-43100 Καρδίτσα/Karditsa, Satzungszweck: Schutz und Paal

§8

















Paal

Beseitigung und Unterlassung

Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Καστοριάς Chamber Of Kastoria Prefecture, Μητροπόλεως/Mitropoleos 60, GR-52100 Καστοριά/Kastoria, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Κέρκυρας Chamber Of Corfu Prefecture, Αριστοτέλους/Aristotelous 2 Τ.Θ./PO Box 426, GR-49100 Κέρκυρα/Corfu, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik Gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Κεφαλονιάς και Ιθάκης Chamber Of Kefalinia & Ithaki Islands, Λ.Βεργωτή/L. Vergoti 131, GR-28100 Αργοστόλι/Argostoli, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/ 94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Κιλκίς Chamber Of Kilkis Prefecture, Γ.Καπετά/G.Kapeta 11, Τ.Θ./PO Box 40, GR-61100 Κιλκίς/Kilkis, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Κοζάνης Chamber Of Kozani Prefecture, Ι.Φαρμάκη/I.Farmaki 2, GR-50100 Κοζάνη/Kozani, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Κορίνθου Chamber Of Korinth Prefecture, Ερμού/Ermou 2, GR-20100 Κόρινθος/Korinth, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Κυκλάδων Chamber Of Cyclades Islands, Αγ.Νικολάου 6/Ag.Nikolaou, GR-84100 Ερμούπολη – Σύρος/Ermoupolis-Syros, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik Gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Λακωνίας Chamber Of Lakonia Prefecture, Ξανθάκη/Xanthaki 3, GR-23200 Γύθειο/Gythio, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und 136

IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.

















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D. Gläubiger der Abwehransprüche

Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Λάρισας Chamber Of Larissa Prefecture, Παπακυριαζή/Papakyriazi 44, GR-41222 Λάρισσα/Larissa, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Λασηθίου Chamber Of Lassithi Prefecture, Ι. Κουμουνδούρου/I. Koumoundourou 17, GR-72100 Άγιος Νικόλαος – Κρήτη/Agios Nikolaos Creta, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Λέσβου Chamber Of Lesvos Island Prefecture, Πλ.Κουντουριώτη/ Kountourioti 71, GR-81100 Μυτιλήνη/Mytilini, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Λευκάδας Chamber Of Lefkada Island Prefecture, Δ.Μακρή/D.Makri 5, GR-31100 Λευκάδα/Lefkada, Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Μαγνησίας Chamber Of Magnesia Prefecture, Δημητριάδος/Dimitriados 176, GR-38221 Βόλος/Volos, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Μεσσηνίας Chamber Of Messinia Prefecture, Πλ. 23ης Μαρτίου/23rd Martiou Square, GR-24100 Καλαμάτα/Kalamata, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Ξάνθης Chamber Of Xanthi Prefecture, Βασ.Κωνσταντίνου/Vass. Konstantinou 1, GR-67100 Ξάνθη/Xanthi, Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Πέλλας Chamber Of Pella Prefecture, 25ης Μαρτίου/25th Martiou 13, GR-58200 Έδεσσα/Edessa, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Paal

§8



















Paal

Beseitigung und Unterlassung

Επιμελητήριο Πιερίας Chamber Of Pieria Prefecture, 28ης Οκτωβρίου/28th of October 9, GR-60100 Κατερίνη/Katerini, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Πρέβεζας Chamber Of Preveza Prefecture, Δοδώνης/Dodonis 47, GR- 48100 Πρέβεζα/Preveza, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Ρεθύμνου Chamber Of Rethymnon Prefecture, Εμ.Πορτάλιου/Em. Portaliou 23, GR-74100 Ρέθυμνο/Rethymnon, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Σάμου Chamber Of Samos Island Prefecture, Κουντουριώτη/Kountourioti 19, GR-83100 Σάμος/Samos, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Σερρών Chamber Of Serres Prefecture, Π.Κωστοπούλου/Kostopoulou 2, GR-62122 Σέρρες/Serres, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Τρικάλων Chamber Of Trikala Prefecture, Βενιζέλου/Venizelou 1, GR42100 Τρίκαλα/Trikala, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Φθιώτιδας Chamber Of Fthiotida Prefecture, Όθωνος/Othonos 3, GR35100 Λαμία/Lamia, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Φλώρινας Chamber Of Florina Prefecture, Μεγαρόβου/Megarovou 15, GR-53100 Φλώρινα/Florina, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Φωκίδας Chamber Of Fokida Prefecture, Γιδογιάννου/Gidogiannou 7, GR-33100 Άμφισσα/Amfissa, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Ab138

IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.























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D. Gläubiger der Abwehransprüche

sätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Χαλκιδικής Chamber Of Chalkidiki Prefecture, Πολυτεχνείου/ Polytehniou 58, GR-63100 Πολύγυρος/Polygyros, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Χανίων Chamber Of Chania Prefecture, Ελ.Βενιζέλου/Elef.Venizelou 4, GR-73110 Χανιά-Κρήτη/Chania-Creta, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Επιμελητήριο Χίου Chamber Of Chios Island Prefecture, Φιλίππου Αργέντη/Filipou Argenti 8, GR-82100 Χίος/Chios, Satzungszweck: Schutz und Förderung von Handel, Industrie und Handwerk; Mitgestaltung der Wirtschaftspolitik; gemäß Artikel 10 Absätze 9 und 15 des griechischen Gesetzes Nr. 2251/94 sind Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt Spanien Instituto Nacional del Consumo, C/Príncipe de Vergara, 54 E-28006 Madrid, Satzungszweck: Stelle der Zentralregierung, die gemäß Artikel 51 der Verfassung und gemäß der konsolidierten Fassung des Allgemeinen Gesetzes über den Schutz von Verbrauchern deren Rechte schützt und fördert Dirección General de Consumo de la Junta de Andalucía, Plaza Nueva, 4 E-41071 Sevilla, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Dirección General de Consumo del Gobierno de Aragón, Via Universitas, 36, 6 ͤ Planta E-50071 Zaragoza, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Agencia de Sanidad Ambiental y Consumo del Principado de Asturias; Ciriaco Miguel Vigil, 9 Edificio Buenavista E-33006 Oviedo, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Dirección General de Consumo/Direcció General de Consum – Govern de les Illes Balears, Paseo del Borne, 17-1° E-07012 Palma de Mallorca, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Dirección General de Consumo del Gobierno de Canarias, León y Castillo, 200 Ed. Servicios Múltiples III, planta 1 E-35071 Las Palmas de Gran Canaria, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Dirección General de Comercio y Consumo del Gobierno de Cantabria, Hernán Cortes, 9 E-39003 Santander, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Instituto de Consumo de la Junta de Comunidades de Castilla-La Mancha, Berna, 1-1° planta Edificio Iberdrola E-45071 Toledo, Satzungszweck: Für die MarktüberwaPaal

§8



























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Beseitigung und Unterlassung

chung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Agencia de Protección Civil y Consumo de la Junta de Castilla y León, Garcia Morato, 24 E-47007 Valladolid, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Agencia Catalana del Consumo/Agència Catalana del Consum – Generalitat de Catalunya, Carrer Pamplona 113 08018 Barcelona, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Dirección General de Consumo de la Junta de Extremadura, C/Atarazanas, 8 E 06800 Mérida (Badajoz), Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Instituto Gallego de Consumo/Instituto Galego de Consumo – Xunta de Galicia, Gonzalo Torrente Balllester 1-3-5-bajo E-15707 Santiago de Compostela (A Coruña), Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Dirección General de Consumo de la Comunidad de Madrid, C/Ventura Rodríguez, 7-4° planta E-28008 Madrid, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Dirección General de Atención al Ciudadano, Drogodepencias y Consumo de la Región de Murcia, Ronda de Levante, 11-4° Planta E-30071 Murcia, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Dirección General de Familia, Infancia y Consumo del Gobierno de Navarra, C/ González Tablas s/n E-31002 Pamplona, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Dirección General de Salud Pública y Consumo del Gobierno de la Rioja, C/Gran Vía, 18 E-26071 Logroño, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Dirección General de Comercio y Consumo/Direcció General de Comerç i Consum de la Generalitat Valenciana, C/Colón, 32 E-46004 Valencia, Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle Dirección de Consumo y Seguridad Industrial – Gobierno Vasco/Kontsumo eta Industria Segurtasuneko Zuzendaritza – Eusko Jaurlaritza, C/Donostia San Sebastián, 1 E-01010 Vitoria (Gasteiz), Satzungszweck: Für die Marktüberwachung sowie für den Schutz der Rechte von Verbrauchern zuständige Regierungsstelle AUC Asociacíon de Usuarios de la Comunicación, Cavanilles, 29, 2° D E 28007 Madrid, Satzungszweck: Verbraucherorganisation mit Schwerpunkt „kommerzielle Kommunikation“. Bietet außerdem Informationen und Schulungen für Verbraucher und vertritt diese in den verschiedenen Gremien mit Verbraucherbeteiligung ASGECO Asociación General de Consumidores, Plaza Navafría, 3-Bajos E 28027 Madrid, Satzungszweck: Allgemeine Verbraucherorganisation. Bietet Informationen und Schulungen für Verbraucher und vertritt diese in den verschiedenen Gremien mit Verbraucherbeteiligung CEACCU Confederación Española de Organizaciones de Amas de Casa, Consumidores y Usuarios, C/San Bernardo, 97–99 Edif. Colomina, Oficina F E-28015 Madrid, Satzungszweck: Allgemeine Verbraucherorganisation. Bietet Informationen und Schulungen für Verbraucher und vertritt diese in den verschiedenen Gremien mit Verbraucherbeteiligung 140

IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.























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D. Gläubiger der Abwehransprüche

CECU Confederación de Consumidores y Usuarios/Mayor, 45 2° Planta E 2813 Madrid, Satzungszweck: Allgemeine Verbraucherorganisation. Bietet Informationen und Schulungen für Verbraucher und vertritt diese in den verschiedenen Gremien mit Verbraucherbeteiligung FUCI Federación de Usuarios-Consumidores Independientes, C/Joaquín Costa, 61 Bajo Drcha. E-28002 Madrid, Satzungszweck: Allgemeine Verbraucherorganisation. Bietet Informationen und Schulungen für Verbraucher und vertritt diese in den verschiedenen Gremien mit Verbraucherbeteiligung HISPACOOP Confederación Española de Cooperativas de Consumidores y Usuarios, C/Vallehermosa, 15, 1° E-28015 Madrid, Satzungszweck: Allgemeine Verbraucherorganisation. Bietet Informationen und Schulungen für Verbraucher und vertritt diese in den verschiedenen Gremien mit Verbraucherbeteiligung OCU Organización de Consumidores y Usuarios, C/Albarracín, 21 E-28037 Madrid, Satzungszweck: Allgemeine Verbraucherorganisation. Bietet Informationen und Schulungen für Verbraucher und vertritt diese in den verschiedenen Gremien mit Verbraucherbeteiligung UNAE Federación Unión Nacional de Consumidores y Amas de Hogar de España, C/Villanueva, 8–3° E-28001 Madrid, Satzungszweck: Allgemeine Verbraucherorganisation. Bietet Informationen und Schulungen für Verbraucher und vertritt diese in den verschiedenen Gremien mit Verbraucherbeteiligung ADICAE Asociación de Usuarios de Bancos, Cajas y Seguros, C/Gavín, 12 local E-50001 Zaragoza, Satzungszweck: Verbraucherorganisation mit Schwerpunkt „Finanzdienstleistungen“. Bietet Informationen und Schulungen für Verbraucher und vertritt diese in den verschiedenen Gremien mit Verbraucherbeteiligung U.C.E. Unión de Consumidores de España,/O'donnel 32, 5°d E-28009 Madrid, Satzungszweck: Allgemeine Verbraucherorganisation. Bietet Informationen und Schulungen für Verbraucher und vertritt diese in den verschiedenen Gremien mit Verbraucherbeteiligung Frankreich Association de défense, d’éducation et d’information du consommateur (ADEIC), 3, rue de la Rochefoucauld F-75009 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Association Force – Ouvrière Consommateur (AFOC), 141, avenue du Maine F-75014 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Association Léo Lagrange pour la défense des consommateurs (ALLDC), 153, avenue Jean-Lolive F-93315 Pantin-Le-Pré-Saint-Gervais Cedex, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Association Etudes et Consommation (ASSECO-CFDT), 4, boulevard de la Villette F-75955 Paris Cedex 19, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Confédération Générale du Logement (CGL), 6/8, Villa Gagliardini F-75020 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Confédération de la Consommation du Logement et du cadre de vie (CLCV), 17 rue Monsieur F-75007 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Conseil national des Associations Familiales Laïques (CNAFAL), 108, avenue LedruRollin F-75011 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Paal

§8



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Beseitigung und Unterlassung

Confédération Nationale des Associations Familiales Catholiques (CNAFC), 28, place Saint-Georges F-75009 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Confédération Nationale du Logement (CNL), 8, rue Mériel F-93104 Montreuil Cedex, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Confédération Syndicale des Familles (CSF), 53, rue Riquet F-75019 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Familles de France (FF), 28, place Saint-Georges F-75009 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Familles Rurales (FR), 7, cité d'Antin F-75009 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Fédération nationale des Associations d’Usagers des transports (FNAUT), 32, rue Raymond-Losserand F-75014 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Association pour l’Information et la Défense des Consommateurs Salariés de la CGT (INDECOSA-CGT), 263, rue de Paris F-93516 Montreuil Cedex, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Organisation Générale des Consommateurs (ORGECO), 16, avenue du Château F-94300 Vincennes, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Union fédérale des Consommateurs- Que Choisir (UFC-QUE CHOISIR), 11, rue Guénot F-75011 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Union Féminine Civique et Sociale (UFCS), 6, rue Béranger F-75003 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Union Nationale des Associations Familiales (UNAF), 28, place Saint-Georges F-75009 Paris, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher Direction générale de la concurrence, de la consommation et de la répression des fraudes (D.G.C.C.R.F.), 59, boulevard Vincent Auriol F-75703 Paris cedex 13, Satzungszweck: Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher; Anfragen; Unterlassungsklagen Italien A.C.U. ASSOCIAZIONE CONSUMATORI UTENTI, Via Padre Luigi Monti, 20/C I-20162 Milano (MI), Satzungszweck: Ausschließlich Förderung der gesellschaftlichen Solidarität durch Schutz der Rechte von Verbrauchern; für bestimmte Aktivitäten nicht zugelassen; Hauptzweck: Sicherung von Leistungen für Verbraucher, die aus körperlichen, geistigen, wirtschaftlichen, sozialen oder familiären Gründen benachteiligt sind (Artikel 3 der Satzung) ADICONSUM ASSOCIAZIONE DIFESA CONSUMATORI E AMBIENTE, Via G.M. Lancisi, 25 I-00161 Roma, Satzungszweck: Ausschließlich Schutz der Rechte und Interessen von Verbrauchern, u.a. Rechte im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Unbedenklichkeit, der Sicherheit und der Qualität von Produkten und Dienstleistungen; sachliche Information und lautere Werbung; Fairness, Transparenz und Gleichbehandlung in Waren- und Dienstleistungsverträgen; Erbringung öffentlicher Dienstleistungen nach Qualitäts- und Leistungsstandards; Aufklärung über verantwortungsbewussten, kritischen, angemessenen und umweltfreundlichen Konsum sowie vernünftigen Energieverbrauch; Informationen über den Umgang mit Geld zur Vermeidung von Überschuldung und Wucher; Unterstützung für die Opfer von Wuchergeschäften und andere Hilfsbedürftige (Artikel 1 der Satzung) 142

IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.





















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D. Gläubiger der Abwehransprüche

ADOC – ASSOCIAZIONE DIFESA ORIENTAMENTO CONSUMATORI, Via Lucullo, 6 I-00187 Roma, Satzungszweck: Schutz von Verbrauchern durch Maßnahmen zur Wahrung ihrer Rechte und zur Herbeiführung eines höheren Lebensstandards (Artikel 2 der Satzung) ADUSBEF – ASSOCIAZIONE PER LA DIFESA DEGLI UTENTI DIE SERVIZI BANCARI, FINANZIARI, POSTALI, ED ASSICURATIVI, Via Farini, 62 I-00185 Roma, Satzungszweck: In Italien: Unterstützung, Schutz, Vertretung und Verteidigung der Nutzer von Bank- und Finanzdienstleistungen und von Verbrauchern, die in Investmentfonds oder sonstige Aktivitäten involviert sind, welche direkt oder indirekt mit Kreditdiensten in Verbindung stehen (Artikel 1 der Satzung) ALTROCONSUMO – ASSOCIAZIONE INDIPENDENTE DI CONSUMATORI, Via Valassina, 22 20159 Milano (MI), Satzungszweck: Förderung und Verteidigung der Interessen von Verbrauchern sowie Durchführung von Initiativen zur Gewährleistung individueller und kollektiver Interessen (Artikel 2 der Satzung) ASSOUTENTI – ASSOCIAZIONE NAZIONALE DEGLI UTENTI DIE SERVIZI PUBBLICI, Via Celimontana, 38 I-00184 Roma (RM), Ausschließlich Schutz von Verbrauchern durch solidaritätsfördernde Maßnahmen und den Schutz bürgerlicher Rechte (Artikel 2 der Satzung) C.T.C.U. – CENTRO TUTELA CONSUMATORI UTENTI – VERBRAUCHERZENTRALE SÜDTIROL, Via Dodiciville, 2 I-39100 Bolzano (BZ), Satzungszweck: Ausschließlich Verbraucherschutz. Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern mit Hilfe eigener und anderer Gremien sowie unabhängiger, von den übrigen Aktivitäten getrennter Abteilungen (Artikel 1 der Satzung) CITTADINANZATTIVA, Via Flaminia, 53 I-00196 Roma, Satzungszweck: Bürgerbewegung zum Schutz der sozialen und politischen Bürgerrechte auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Kampf gegen Verschwendung und Korruption und, in enger Zusammenarbeit mit der großen Verbraucherbewegung, Sicherung der Verbraucherrechte und Schutz von Umwelt, Boden, Gesundheit sowie individueller und kollektiver Sicherheit (Artikel 1 der Satzung) CODACONS – COORDINAMENTO DELLE ASSOCIAZIONI PER LA TUTELA DELL’ AMBIENTE E LA DIFESA DEI DIRITTI DI UTENTI E CONSUMATORI, Viale Mazzini, 73 I-00195 Roma, Satzungszweck: Ausschließlich Vertretung der Rechte und Interessen von Verbrauchern sowie von Zuwanderern und Flüchtlingen gegenüber öffentlichen Einrichtungen und privaten Herstellern und Anbietern von Waren und Dienstleistungen mit Hilfe rechtlicher Mittel, um von der Kommission für Marktmissbrauch festgestellte und sonstige auf Vergehen gegen die öffentliche Verwaltung beruhende Marktverzerrungen zu beseitigen (Artikel 2 der Satzung) CODICI – CENTRO PER I DIRITTI DEL CITTADINO, Viale Guglielmo Marconi, 94 I-00146 Roma, Satzungszweck: Durchführung unabhängiger und demokratischer gesellschaftspolitischer Bildungsmaßnahmen ohne Erwerbszweck. Ausschließlich kulturelle, soziale, politische und juristische Maßnahmen zur Förderung, Verteidigung und Wahrung der Rechte und Interessen von Verbrauchern, insbesondere wenn diese benachteiligt sind (Artikel 3 der Satzung) CONFCONSUMATORI – CONFEDERAZIONE GENERALE DIE CONSUMATORI, Via G. Mazzini, 43 I-43100 Parma (PR), Satzungszweck: Ausschließlich Schutz von Verbrauchern ohne Erwerbszweck; Hauptziel ist die Herbeiführung gesellschaftlicher Solidarität (Artikel 2 der Satzung) FEDERCONSUMATORI – FEDERAZIONE NAZIONALE DI CONSUMATORI E UTENTI, Via Palestro, 11 I-00185 Roma, Satzungszweck: Unterstützung, Schulung, AufkläPaal

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Beseitigung und Unterlassung

rung und Schutz der Verbraucher, insbesondere wenn diese wirtschaftlich und sozial benachteiligt sind (Artikel 2 der Satzung) LA CASA DEL CONSUMATORE, Via Bobbio, 6 I-20125 Milano (MI), Satzungszweck: Auf lokaler, regionaler, nationaler Ebene und auf EU-Ebene: Aufklärung sowie Förderung, Unterstützung, Wahrung, Vertretung und Schutz der individuellen und kollektiven Rechte und Interessen der Verbraucher (Waren und Dienstleistungen) sowie der Anliegen von Verbrauchern ganz allgemein (Artikel 1 der Satzung) LEGA CONSUMATORI, Via delle Orchidee, 4/A I-20147 Milano (MI), Satzungszweck: Förderung eines möglichst effektiven Einsatzes der individuellen und kollektiven Ressourcen der Partner hinsichtlich Schulung, Information usw.; Unterstützung und Koordinierung der Errichtung wirtschaftlicher Unternehmungen, die auf der Grundlage von Eigenmanagement und Mitbestimmung arbeiten, um die Kaufkraft zu erhalten und ein bewusstes Konsumverhalten zu fördern; Suche nach einem neuen Entwicklungsmodell, bei dem neue Verbraucherstrategien berücksichtigt werden, um kapitalistische Produktions-, Verarbeitungs- und Vermarktungsformen zu ermitteln und zu verändern; Schutz der körperlichen und geistigen Gesundheit der Bevölkerung vor Produktions- undv Dienstleistungsunternehmen, auch mit Hilfe juristischer Mittel; Beitrag zur Weiterentwicklung und Stärkung der Ideale und Werte der Arbeiter- und Landpächterbewegungen, u.a. durch Formen der Zusammenarbeit, bei der Erfahrungen geteilt und ausgetauscht werden (Artikel 2 der Satzung) MOVIMENTO CONSUMATORI, Via Piemonte, 39/A I-00187 Roma, Satzungszweck: Schutz der Rechte und Interessen von Verbrauchern im Allgemeinen (gemäß Artikel 2 des Gesetzes Nr. 281 vom 30. Juli 1998) sowie von Sparern; Verbesserung der Lebensqualität dieses Personenkreises; Förderung einer Verbraucherkultur und eines nachhaltigen, umweltverträglichen Konsumverhaltens durch Aufklärung und Schulungen (Artikel 2 der Satzung) MOVIMENTO DIFESA DEL CITTADINO – onlus, Via Piemonte 39/A I 00187 Roma, Satzungszweck: Eigenständige, nicht erwerbsorientierte Vereinigung in Italien zur Herbeiführung gesellschaftlicher Solidarität, zur Förderung sozialer Rechte und zum Schutz der Rechte von Bürgern und Verbrauchern (Artikel 1 der Satzung) UNIONE NAZIONALE CONSUMATORI, Via Duilio, 13 I-00192 Roma, Satzungszweck: Vertretung und Wahrung der Interessen sämtlicher Verbraucher, einschließlich der Nutzer öffentlicher und privater Dienstleistungen, und insbesondere solcher Verbraucher, die aufgrund ihrer schwachen Verhandlungsposition und des Informationsmangels gegenüber den professionellen Anbietern benachteiligt sind; bei Bedarf Vertretung der rechtmäßigen Ansprüche vor Gericht und in internationalen Gremien; Beistand gegenüber öffentlichen und privaten Anbietern von Waren und Dienstleistungen (Artikel 2 der Satzung) Zypern Competition and Consumer Protection Service of the Ministry of Commerce, Industry and Tourism, Satzungszweck: Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher. Annahme von EU Richtlinien und Anwendung der harmonisierten Rechtsvorschriften Cypriot Consumers Association, Satzungszweck: Verteidigung der von UNO und EU festgelegten Verbraucherrechte und Aufklärung der Verbraucher über ihre Rechte und Pflichten Cyprus Consumers and Quality of Life, Satzungszweck: Vertretung und Förderung der Rechte aller Verbraucher und Wahrung ihres Rechts auf ein komfortables und gesundes Leben in einer nachhaltigen und entwickelten Umwelt 144

IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.

















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D. Gläubiger der Abwehransprüche

Lettland Patērētāju tiesību aizardzības centrs, Satzungszweck: Schutz der Rechte und Interessen der Verbraucher Litauen Nacionalinė vartotojų teisių apsaugos taryba prie Teisingumo ministerijos, Vilniaus g. 25, LT-01119, Vilnius, Litauen, Satzungszweck: Staatliche Einrichtung, zuständig für die Durchführung der Verbraucherschutzpolitik sowie für die Koordinierung der Produktsicherheitskontrollen und der Vertretung von Verbraucherrechten Luxemburg Union luxembourgeoise des consommateurs nouvelle asbl, 55, rue des Bruyères L-1274 Howald, Satzungszweck: Information, Aufklärung, Verbraucherschutz, juristische Dienstleistungen, Beratung durch Experten, Rechtsbeistand, Vertretung gegenüber Behörden Automobile Club du Grand-Duché de Luxembourg asbl, 54, route de Longwy L-8007 Bertrange, Satzungszweck: Schutz und Förderung der Verbraucherinteressen von Kraftfahrzeugführern Ungarn Fogyaszóvédelmi Egyesületek Országas Szövetsége, Logodi u. 22–24 H-1012 Budapest, Satzungszweck: Vertretung und Schutz der Interessen der ungarischen Verbraucher; Mitgestaltung der nationalen Verbraucherschutzpolitik und -gesetzgebung; Pflege von Kontakten zu in- und ausländischen Verbraucherschutzorganisationen Országos Fogyasztóvédelmi Egyesület (OFE), Balaton u. 27 H-1055 Budapest, Satzungszweck: Vertretung und Schutz von Verbraucherinteressen im Allgemeinen und Durchsetzung von Verbraucherrechten. Mitgestaltung der Verbraucherschutzpolitik und -gesetzgebung sowie Mitwirkung an der Festsetzung offizieller Preise; Unterstützung bei der Suche nach Rechtsbehelfen Magyar Energiafogyasztók Szövetségenek (MESZ), Fö u. 68 H-1027 Budapest, Satzungszweck: Vertretung, Schutz und Durchsetzung der Interessen der ungarischen Energieverbraucher. Mitwirkung bei der Regelung des Energiemanagements für Klein- und Großverbraucher sowie Rechtsberatung Csepeli Fogyasztóvédelmi Egyesület, Petz Ferenc u. 8 H-1211 Budapest, Satzungszweck: Vertretung und Schutz von Verbraucherinteressen im Allgemeinen und Durchsetzung von Verbraucherrechten Magyar Autóklub Egyesület (MAK), Rómer Flóris u. 4/a H-1024 Budapest, Satzungszweck: Schutz der Mitgliederinteressen im Bereich des Kraftfahrwesens Csalán Környezet és Természetvédö Egyesület, Kossuth L. u. 1, II/2 H-8200 Veszprém, Satzungszweck: Vertretung und Schutz der Interessen der ungarischen Verbraucher. Mitgestaltung der nationalen Verbraucherschutzpolitik und -gesetzgebung; Pflege von Kontakten zu in- und ausländischen Verbraucherschutzorganisationen Fogyasztói Jogérvényesítő Szervezet (FJSZ), Thaly Kálmán utca 22–24.1./4. 1096 Budapest, Satzungszweck: Stärkung der Verbraucherrechte; Offenlegung von Verbraucherrechtsverletzungen; Schutz von Verbraucherrechten und Sensibilisierung für diese Rechte; Unterstützung von Verbraucherschutzaktivitäten staatlicher Behörden und sonstiger Einrichtungen; Erweiterung des Verbraucherschutzes und Durchführung von Maßnahmen zu seiner effektiveren Gestaltung Pénzügyi Ismeretterjesztő és Érdek-képviseleti Egyesület (PITEE), Mátyás tér 17. 3. 9. 1084 Budapest, Satzungszweck: Sensibilisierung des Verbraucherbewusstseins; Paal

§8

Beseitigung und Unterlassung

Kenntnis und Schutz der lokalen und nationalen Verbraucherinteressen; Stärkung des Verbraucherbewusstseins auf nationaler Ebene; Untersuchung, Präsentation und Erforschung des Verbraucherverhaltens; Bereitstellung von Dienstleistungen im Rahmen des Verbraucherschutzes; Information und Interessenvertretung der Verbraucher; effektivere Gestaltung des Verbraucherschutzes; Unterstützung von Verbrauchern bei Rechtsstreitigkeiten mit Versorgungsunternehmen, Telekommunikationsunternehmen, Finanzinstituten, Finanzdienstleistern, Versicherungsunternehmen, Versicherungsmaklern, Reiseagenturen, Immobilienmaklern und allen anderen Wirtschaftsunternehmen









Paal

Malta Consumer and Competition Division, Mireille Vella Director General Consumer and Competition Division Canon Road Santa Venera Malta, Satzungszweck: Durchsetzung der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung folgender Richtlinien: Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, einschließlich nachfolgender Änderungen; Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz; Richtlinie 2005/29/EG vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 84/ 450/EWG, 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/ 2004 (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken); Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, einschließlich nachfolgender Änderungen; Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen; Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen Malta Tourism Authority, Frank Farrugia Director – Quality Assurance Directorate Malta Tourism Authority Auberge d’Italie Triq il-Merkanti Valletta Malta, Satzungszweck: Durchsetzung der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung folgender Richtlinien: Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien; Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen. Beide Richtlinien wurden durch den „Malta Travel and Tourism Services Act“ (Kapitel 409) umgesetzt Broadcasting Authority, 7, Mile End Road Ħamrun Malta, Satzungszweck: Durchsetzung der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (einschließlich nachfolgender Änderungen) Medicines Authority, John-Joseph Borg Director – Post-Licensing Directorate Medicines Authority 198, Rue D’Argens, Gzira Malta, Satzungszweck: Durchsetzung der einschlägigen nationalen Rechtsvorschrift zur Umsetzung der Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel

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IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.

















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D. Gläubiger der Abwehransprüche

Niederlande Consumentenbond, Enthovenplein 1 Postbus 1000 NL-2500 BA Den Haag Niederlande, Satzungszweck: Aufklärung der Verbraucher, um sie in die Lage zu versetzen, ökologisch wie gesellschaftlich nachhaltige Konsumentscheidungen zu treffen Österreich Wirtschaftskammer Österreich, Wiedner Hauptstraße 63 A-1045 Wien, Satzungszweck: Vertretung und Förderung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder sowie der gewerblichen Wirtschaft und einzelner ihrer Mitglieder (§ 1 Wirtschaftskammergesetz). Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher gemäß §§ 28(1), 28a(1) und 29(1) KSchG sowie §§ 1, 2(1) und 14(1) UWG Bundesarbeitskammer, Prinz-Eugen-Straße 20–22 A-1040 Wien, Satzungszweck: Vertretung und Förderung der sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen; Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Arbeitnehmer und ihrer Familien, Durchführung von Maßnahmen in Angelegenheiten der Bildung, der Kultur, des Umweltschutzes, des Konsumentenschutzes, der Freizeitgestaltung, des Schutzes und der Förderung der Gesundheit und der Wohnverhältnisse, Förderung der Vollbeschäftigung; Mitwirkung an der Festsetzung von Preisen und an Wettbewerbsregelungen; Beratung und Rechtsschutzgewährung in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten einschließlich Vertretung. Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher gemäß §§ 1, 2(1) und 14(1) UWG Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, Löwenstraße 12 A-1010 Wien, Satzungszweck: Förderung der gesamtwirtschaftlichen Aufgaben der Land- und Forstwirtschaft und Vertretung von deren gemeinsamen Interessen. Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher gemäß §§ 1, 2(1) und 14(1) UWG Österreichischer Gewerkschaftsbund, Hohenstaufengasse 10–12 A-1010 Wien, Satzungszweck: Vertretung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen aller unselbständig Erwerbstätigen (Arbeiter, Angestellte, öffentliche Bedienstete, einschließlich der in einem Lehr- oder ähnlichen Verhältnis stehenden Personen), Arbeitslosen, auch wenn sie noch keiner unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen konnten, Schüler und Studenten, welche die Absicht haben, unselbständig erwerbstätig zu werden, und sonstigen Berufsgruppen (wie z. B. der freischaffend oder freiberuflich Tätigen), soweit sie von ihrer Tätigkeit her mit den unselbständig Erwerbstätigen vergleichbar sind. Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher gemäß §§ 1, 2(1) und 14(1) UWG Verein für Konsumenteninformation, Mariahilferstraße 81 A-1010 Wien, Satzungszweck: Beratung, Information und Schutz der Verbraucher vor irreführenden und unfairen Werbe- und Verkaufsmethoden sowie bei rechtlichen Fragen der Güterbeschaffung und der Nutzung von Dienstleistungen. Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher gemäß §§ 1, 2(1) und 14(1) UWG Österreichischer Landarbeiterkammertag, Marco d'Aviano-Gasse 1 A-1015 Wien, Satzungszweck: Förderung der Zusammenarbeit der Landarbeiterkammern und Beratung und Durchführung gemeinsamer Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Landarbeiterkammern (Dienstnehmersektionen) fallen. Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher gemäß §§ 28(1), 28a(1) und 29(1) KSchG Österreichischer Seniorenrat (Bundesaltenrat Österreichs), Sperrgasse 8–10/III A-1150 Wien, Satzungszweck: Zugänglichmachung aller wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Einrichtungen für die ältere Generation entsprechend ihren Bedürfnissen; Mitwirkung bei der Lösung von sozial-, alten- und gesundheitspolitischen Paal

§8











Paal

Beseitigung und Unterlassung

Problemen, Unterstützung der Beratung, Information und Betreuung von Senioren. Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher gemäß §§ 28(1), 28a(1) und 29(1) KSchG Schutzverband gegen den unlauteren Wettbewerb, Schwarzenbergplatz 14 A-1040 Wien, Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, insbesondere Kampf gegen geschäftsschädigende Praktiken im Wirtschaftsleben. Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher gemäß §§ 1, 2(1) und 14(1) UWG Polen Rzecznik Praw Obywatelskich, Al. Solidarności 77 PL-00-090 Warszawa, Satzungszweck: Kommissar für Bürgerrechte: Nach Art. 208 der polnischen Verfassung zuständig für die Wahrung der in Verfassung und Gesetzgebung garantierten Rechte der Bürger; Genaue Beschreibung seiner Aufgaben im Gesetz vom 15.7.1987 (konsolidierte Fassung im Gesetzblatt 2001, Nr. 14, S. 147); Wird tätig, wenn ihm Verletzungen von Menschen- oder Bürgerrechten gemeldet werden Rzecznik Ubezpieczonych, Aleje Jerozolimskie 44 PL-00-024 Warszawa, Satzungszweck: Versicherungs-Ombudsmann: Rechtsgrundlage für seine Tätigkeit ist das Gesetz vom 22. Mai 2003, nach dem der Ombudsmann bei Versicherungsunternehmen, beim Büro der polnischen Kraftfahrzeugversicherer und beim Versicherungsgarantie-Fonds Auskünfte anfordern kann zu: individuellen Fällen (auf Wunsch eines Versicherten); allgemeinen Versicherungsbestimmungen oder internen Regelungen, die nach Auffassung des Ombudsmannes nachteilig für die Versicherten sind; nicht vorschriftsmäßigen Leistungen von Versicherern; Außerdem kann der Ombudsmann Probleme bezüglich der Pflichtversicherung an das Finanzministerium weiterleiten oder Änderungen der entsprechenden Bestimmungen vorschlagen Rzecznik Konsumentów, Ul. Górskiego 7 PL-00-033 Warszawa, Satzungszweck: Gemäß dem Gesetz vom 15. Dezember 2000 über Wettbewerb und Verbraucherschutz in seiner geänderten Fassung (Gesetzblatt 2003, Nr. 86, S. 804) vertreten die regionalen und kommunalen Verbraucher-Ombudsleute die lokalen Behörden in Fragen des Verbraucherschutzes. Ihre Hauptaufgaben: kostenlose (Rechts-)Beratung und Informationsweitergabe im Bereich des Verbraucherschutzes; Vorlage von Vorschlägen für neue lokale Verbraucherschutzvorschriften oder zur Änderung bestehender lokaler Verbraucherschutzvorschriften; Klagen gegen Unternehmen zum Schutz der Rechte und Interessen von Verbrauchern; Zusammenarbeit mit der zuständigen lokalen Sektion des Amtes für Verbraucherschutz, mit der Handelsaufsichtsbehörde und mit Verbraucherorganisationen; Wahrnehmung sonstiger im Gesetz oder in anderen Bestimmungen vorgesehener Aufgaben. Insbesondere kann der Ombudsmann im Namen von Verbrauchern vor Gericht gehen oder – mit Zustimmung der Verbraucher – in laufende Gerichtsverfahren eingreifen. Organizacje Konsumenckie, 1) Federacja Konsumentów Rady Krajowej Federacji Konsumentów: Plac Powstańców 1 PL-00-030 Warszawa, 2) Stowarzyszenie Konsumentów Polskich ul. Nowowiejska 25, PL-00-665 Warszawa, Satzungszweck: Gemäß Art. 39 des Gesetzes vom 15. Dezember 2000 über Wettbewerb und Verbraucherschutz in seiner geänderten Fassung (Gesetzblatt 2003, Nr. 86, S. 804) sind die Verbraucherorganisationen befugt, die Interessen der Verbraucher in Rechtsstreitigkeiten gegenüber Behörden zu vertreten und die nationale Verbraucherpolitik mitzugestalten. Die in Abschnitt 1 genannten Organisationen sind befugt: 1) ihre Meinung zu Gesetzentwürfen und anderen Papieren zu äußern, die die Rechte und Interessen von Verbrauchern berühren; 2) Programme zur Verbraucheraufklärung aufzulegen; 3) Waren und 148

IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.

D. Gläubiger der Abwehransprüche

Dienstleistungen zu testen und die Testergebnisse zu veröffentlichen; 4) Studien, Zeitschriften und sonstiges Informationsmaterial zu veröffentlichen; 5) eine kostenlose Verbraucherberatung anzubieten und Verbrauchern bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche zu helfen, außer wenn derartige Dienste gemäß der Geschäftsordnung der Organisation gebührenpflichtig sind; 6) an der Erarbeitung von Normen mitzuwirken; 7) auf nationaler Ebene im Auftrag nationaler oder lokaler Regierungsstellen Aufgaben im Bereich des Verbraucherschutzes wahrzunehmen; 8) öffentliche Gelder für die Durchführung der unter Punkt 7 genannten Aufgaben zu beantragen.





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Portugal Associação de Consumidores da Região Autónoma dos Açores, Satzungszweck: Öffentliche Maßnahmen zur Information, Aufklärung und Sensibilisierung von Verbrauchern, um diese zu ermutigen und zu befähigen, ihre Interessen zu verteidigen; Durchführung von Untersuchungen und Abgabe von Stellungnahmen sowie (bei Bedarf) deren Veröffentlichung; Schaffung einer Rechtsberatung für Verbraucher entsprechend den Vorgaben des Generalsekretärs; Durchführung oder Veranlassung von Produktuntersuchungen und -tests; Organisation von Gesprächen über verbraucherrelevante Themen Associação de Consumidores de Portugal, Satzungszweck: Schutz von Verbrauchern (Mitgliedern und Nichtmitgliedern); Förderung und Bekanntmachung der in Verfassung und Gesetzgebung garantierten Verbraucherrechte sowie Kontrolle ihrer Anwendung und Einhaltung; Behandlung aller verbraucherrelevanten Fragen und Suche nach entsprechenden Antworten Associação de Consumidores de Setúbal, Satzungszweck: Allgemeine Vertretung der Verbraucher DECO – Associação Portuguesa para a Defesa dos Consumidores, Rua Artilharia Um, n. o 79-4 o 1269-160 Lisboa, Satzungszweck: Wahrnehmung der Rechte und legitimen Interessen der Verbraucher Rumänien Asociatia pentru Protectia Consumatorilor din România (APC – România), Bd. N. Băalcescu nr. 32–34, et. 4, Cam. 16, sector 1, RO-010055, Bucuresti, Satzungszweck: Vertretung der Verbraucher und Förderung ihrer Interessen; Information und Aufklärung der Verbraucher Slowenien Društvo za varstvo potrošnikov Maribor, Trubarjeva 3 SLO – 2000 Maribor, Satzungszweck: Nichtstaatliche Verbraucherorganisation; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Mednarodni inštitut za potrošniške raziskave, Frankopanska 5 SLO – 1000 Ljubljana, Satzungszweck: Nichtstaatliche Verbraucherorganisation; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Obalno združenje potrošnikov Koper, Dolga reber 5, SLO – 6000 Koper, Satzungszweck: Nichtstaatliche Verbraucherorganisation; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und HandwerkskamPaal

§8





















Paal

Beseitigung und Unterlassung

mern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Varstvo potrošnikov Celje, Gledališka ul. 2 p.p. 297 SLO – 3000 Celje, Satzungszweck: Nichtstaatliche Verbraucherorganisation; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Zavod za varstvo potrošnikov, Koprska 94 SLO – 1000 Koper, Satzungszweck: Nichtstaatliche Verbraucherorganisation; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Združenje potrošnikov Gorenjske Kranj, Bertoncljeva 23 SLO – 4000 Kranj, Satzungszweck: Nichtstaatliche Verbraucherorganisation; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Združenje potrošnikov Posavja, Cesta Krških žrtev 23 SLO – 8270 Krško, Satzungszweck: Nichtstaatliche Verbraucherorganisation; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Združenje potrošnikov Pomurja, Trg zmage 4 SLO – 9000 Murska Sobota, Satzungszweck: Nichtstaatliche Verbraucherorganisation; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt. Združenje potrošnikov Primorske, Ur. Gradnikove brigade 33 SLO – 5000 Nova Gorica, Satzungszweck: Nichtstaatliche Verbraucherorganisation; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Združenje potrošnikov Zasavja, Cesta zmage 33 SLO – 1410 Zagorje ob Savi, Satzungszweck: Nichtstaatliche Verbraucherorganisation; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Zveza potrošnikov Slovenije – društvo, Frankopanska 5 SLO – 1000 Ljubljana, Satzungszweck: Nichtstaatliche Verbraucherorganisation. Gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Zveza potrošniških združenj Slovenije, Trg zmage 4 SLO – 9000 Murska sobota, Satzungszweck: Nichtstaatliche Verbraucherorganisation; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Gospodarska zbornica Slovenije, Dimičeva 13 SLO – 1000 Ljubljana, Satzungszweck: Slowenische Handelskammer; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur 150

IV. Qual. Einr. z. Schutz v. Verbraucherint.





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D. Gläubiger der Abwehransprüche

Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Obrtna zbornica Slovenije, Celovška 71 SLO – 1000 Ljubljana, Satzungszweck: Slowenische Handwerkskammer; gemäß den Artikeln 74, 75 und 76 des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes sind Handels- und Handwerkskammern zur Einreichung von Verbandsklagen zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen berechtigt Slowakei Združenie slovenských spotrebiteľov, Palisády 22, Bratislava, Satzungszweck: Vertretung von Verbrauchern vor Gericht. Erstellung von Gutachten. Vermittlung bei Streitigkeiten zwischen Käufern und Verkäufern Ochrana spotrebiteľa Oravy, Obrancov mieru 2, Dolný Kubín, Satzungszweck: Vermittlung bei Streitigkeiten zwischen Käufern und Verkäufern Asociácia užívateľov služieb, Skuteckého 30, Banská Bystrica, Satzungszweck: Vertretung von Verbraucherinteressen vor Gericht Infospot, informačné a spotrebiteľské centrum, Žabotova 2, Bratislava, Satzungszweck: Außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten, Vertretung vor Gericht und bei Behörden Spotrebiteľská informačná agentúra, Horný val 24, Žilina, Satzungszweck: Außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten, Vertretung von Verbrauchern vor Gericht Združenie na ochranu práv spotrebiteľov v Poprade, Šrobárova 2676/30, Poprad, Satzungszweck: Wahrnehmung der Rechte von Verbrauchern vor Ort, Vertretung von Verbrauchern vor Gericht Združenie bratislavských spotrebiteľov, Stavbárska 60, Bratislava, Satzungszweck: Vertretung von Verbrauchern vor Gericht und Ausarbeitung von Schriftsätzen für Gerichtsverfahren Združenie občianskej sebaobrany, Mraziarenská 3, Bratislava, Satzungszweck: Vertretung von Verbrauchern bei Streitigkeiten, insbesondere im Zusammenhang mit Versorgungsunternehmen, die eine Monopolstellung besitzen Asociácia spotrebiteľských subjektov Slovenska, Ul. 17. Novembra 14, Stará Ľubovňa, Satzungszweck: Beratungsleistungen, Unterstützung von Verbrauchern vor Gericht Regionálne združenie spotrebiteľov Regionspot, Kapisztoryho 1, Nové Zámky, Satzungszweck: Beratungsleistungen, Unterstützung von Verbrauchern vor Gericht Združenie na ochranu práv spotrebiteľov vlastníkov a nájomcov bytov, Ipeľská 5 Bratislava 821 07, Satzungszweck: Wahrnehmung der Verbraucherrechte von Wohnungseigentümern und Mietern Finnland Kuluttaja-asiamies, Satzungszweck: Überwachung des auf die Verbraucher abzielenden Marketings und der Bedingungen in Verbraucherverträgen; außerdem Kontrolle der Einhaltung der ethischen Grundsätze und der Bestimmungen zum Schutz von Minderjährigen in der Radio- und Fernsehwerbung Kuluttajat – Konsumenterna ry, Satzungszweck: Überwachung der Wirksamkeit des Verbraucherschutzes und der erreichten Fortschritte Suomen Kuluttajaliitto, Satzungszweck: Wahrnehmung der Verbraucherinteressen, ggf. durch Anstrengung von Zivilprozessen Kuluttajavirasto, Satzungszweck: Überwachung des Pauschalreisemarktes und zugehöriger Sicherheitsaspekte Paal

§8



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Paal

Beseitigung und Unterlassung

Rahoitustarkastus, Satzungszweck: Überwachung des Marketings bei Verbraucherkrediten und der Vertragsbedingungen, gemeinsam mit dem Bürgerbeauftragten für Verbraucherfragen Lääkelaitos, Satzungszweck: Überwachung der Arzneimittelwerbung Sosiaali- ja terveydenhuollon tuotevalvontakeskus, Satzungszweck: Überwachung der Alkohol- und Tabakwerbung Viestintävirasto, Satzungszweck: Überwachung der Radio- und Fernsehwerbung unter besonderer Berücksichtigung; der für die (Fernseh) Werbung geltenden ethischen Grundsätze und der Bestimmungen zum Schutz von Minderjährigen; der Alkohol- und Tabakwerbung Vakuutusvalvontavirasto, Satzungszweck: Überwachung des Versicherungsmarketings und der Anwendung der Versicherungsbedingungen Schweden Konsumentverket/Konsumentombudsmannen, Satzungszweck: Nationale Verwaltungsstelle für Verbraucherangelegenheiten, zuständig für die Wahrung der Interessen von Verbrauchern Vereinigtes Königreich Office of Fair Trading (OFT), Fleetbank House 2–6 Salisbury Square London EC4Y 8JX Vereinigtes Königreich, Satzungszweck: Maximierung des Wohls der Verbraucher; Gewährleistung eines ungestörten Wettbewerbs zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Märkte und des Nutzens für die Verbraucher The Information Commissioner’s office (ehemals „The Information Commissioner“), Wycliffe House Water Lane Wilmslow Cheshire SK9 5AF Vereinigtes Königreich, Satzungszweck: Rechtsgrundlage für die Arbeit des „Information Commissioner’s Office“ sind das Datenschutz- und das Informationsfreiheitsgesetz The Civil Aviation Authority, CAA House 45–59 Kingsway London WC2B 6TE Vereinigtes Königreich, Satzungszweck: Vertretung begründeter Anliegen von Luftverkehrsnutzern und Schutz bei Zahlungsunfähigkeit seitens der Anbieter von Luftverkehrsleistungen The Office of Gas and Electricity Markets (ehemals „The Gas and Electricity Markets Authority“), Ofgem 9 Millbank London SW1P 3GE Vereinigtes Königreich, Satzungszweck: Regulierung der Gas- und Strommärkte in Großbritannien und Schutz der Interessen der Gas- und Stromkunden The Office for the Regulation of Electricity and Gas (Northern Ireland) (ehemals „The Director – General of Electricity Supply for Northern Ireland“), Brookmount Buildings 42 Fountain Street Belfast BT1 5EE, Satzungszweck: Regulierung der Gas- und Strommärkte in Nordirland und Schutz der Interessen der Gas- und Stromkunden The Office of Communications, Riverside House 2a Southwark Bridge Road London SE1 9HA Vereinigtes Königreich, Satzungszweck: Regulierung des Kommunikationssektors im Vereinigten Königreich sowie der Fernseh-, Radio-, Telekommunikationsund Mobilfunkdienste The Office of Water Services (ehemals „The Director-General of Water Services“), Centre City Tower 7 Hill Street Birmingham B5 4UA Vereinigtes Königreich, Satzungszweck: Regulierung der privatisierten Wasserindustrie in England und Wales. Schutz der Verbraucherinteressen bezüglich Tarifen und Servicestandards. Beilegung von Streitigkeiten The Office of Rail Regulation (ehemals „The Rail Regulator“), 1 Waterhouse Square 138–142 Holborn London EC1N 2TQ Vereinigtes Königreich, Satzungszweck: Regulie152

V. Kammern







D. Gläubiger der Abwehransprüche

rung des Eisenbahnsektors in Großbritannien. Schutz der Interessen der Eisenbahnnutzer Every weights and measures authority in Great Britain, The Office of Fair Trading Fleetbank House 2–6 Salisbury Square London EC4Y 8JX Vereinigtes Königreich, Satzungszweck: Teil der Kommunalverwaltung in Großbritannien. Durchsetzung von Gesetzen und Vorschriften, die das Angebot und den Verkauf von Waren und Dienstleistungen regeln. Beratung von Verbrauchern und Unternehmen The Department of Enterprise, Trade and Investment in Northern Ireland, Netherleigh Massey Avenue Belfast BT4 2JP Vereinigtes Königreich, Satzungszweck: Durchsetzung von Gesetzen und Vorschriften, die das Angebot und den Verkauf von Waren und Dienstleistungen in Nordirland regeln. Beratung von Verbrauchern und Unternehmen The Financial Services Authority, 25 The North Colonnade, Canary Wharf, London E14 5HS Vereinigtes Königreich, Unabhängige Einrichtung zur Regulierung des Finanzdienstleistungssektors im Vereinigten Königreich, Satzungszweck: Erhaltung des Vertrauens in das britische Finanzsystem. Förderung des öffentlichen Verständnisses und Wahrung des Verbraucherschutzes V. Kammern V. Kammern (Absatz 3 Nr. 4)

Anspruchsberechtigt sind weiterhin gemäß Absatz 3 Nr. 4 auch Industrie- und 247 Handelskammern sowie Handwerkskammern. Nachdem diese Kammern bereits unter Geltung des vormaligen Rechts zu den klage- und anspruchsbefugten Interessenverbänden gezählt worden waren,993 hat die UWG-Novelle 1986994 insoweit lediglich eine Klarstellung gebracht.995 Die Benennung der anspruchsberechtigten Kammern ist abschließend, weshalb eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Kammern anderer Berufszweige nicht eröffnet ist; sonstige öffentlich-rechtlich verfasste Berufskammern sind von der Klagebefugnis nach Absatz 3 Nr. 4 ausgeschlossen und insoweit auf Absatz 3 Nr. 2996 verwiesen.997 Im Übrigen setzt die Klagebefugnis der benannten Kammern voraus, dass der durch 248 die Verletzungshandlung ausgelöste Wettbewerbsverstoß deren Aufgabenbereich berührt; hierbei ist ein weiter Maßstab anzulegen.998 Der jeweilige Aufgabenbereich ergibt sich für die Industrie- und Handelskammern aus § 1 des IHK-Gesetzes v. 18.12.1956999 und für die Handwerkskammern aus § 91 Handwerksordnung. In diesem Sinne wird eine – unmittelbare – Betroffenheit von Mitgliederinteressen gerade nicht zu fordern sein.1000

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993 Aus dem Schrifttum GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 108 m.w.N. 994 BGBl. 8.6.1993 Teil I S. 1169. 995 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 280; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.64; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 439; Teplitzky Kap. 13 Rn. 32. 996 BGH 9.10.1997 – I ZR 92/95 – GRUR 1998, 487, 487 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung III. 997 BTDrucks. 15/1487 S. 23. Zum alten Recht (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 a.F.) BGH 12.2.1987 – I ZR 54/85 – GRUR 1987, 444, 445 – Laufende Buchführung. Vgl. weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 280; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 374; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.64; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 444 m.w.N. zu anderslautenden Vorschlägen; Teplitzky Kap. 13 Rn. 32. 998 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 280; GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 108; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.64; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 442; Teplitzky Kap. 13 Rn. 32. 999 BGBl. I S. 920. 1000 Ebenso Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 280. A.A. dagegen wohl GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 108.

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Paal

§8

Beseitigung und Unterlassung

E. Missbräuchliche Geltendmachung von Abwehransprüchen (Absatz 4) I. Entstehungsg. u. Normz. I. Entstehungsgeschichte und Normzweck

E. Missbr. Geltendmachung v. Abwehransprüchen Nachdem die höchstrichterliche Rechtsprechung im Jahre 1969 in der „Fotowettbewerb“-Entscheidung einen Anspruch auf Ersatz von außergerichtlichen Abmahnkosten auf der Grundlage von Störungsbeseitigung durch Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677, 670 BGB) anerkannt hatte,1001 kam es in der Folge insbesondere zu einer steten Zunahme der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen mit dem vorrangigen Ziel der Einnahmeerzielung („Abmahnunwesen“)1002 sowie zu einem Vielfachabmahnen durch Mitbewerber.1003 Die Gerichte reagierten auf diese (Fehl-)Entwicklungen, indem die für die Anspruchsberechtigung nach § 13 Abs. 1 (später Absatz 2) a.F. erforderliche Klagebefugnis1004 oder die Erforderlichkeit von Aufwendungen in der Gestalt von Abmahnkosten1005 verneint wurde.1006 Der Gesetzgeber reagierte zur Bekämpfung des Abmahnunwesens durch die Schaf250 fung eines zum 1.1.1987 in Kraft getretenen Missbrauchstatbestandes in § 13 Abs. 5 a.F., der die Vorgängervorschrift zu Absatz 4 Satz 1 bildet.1007 Ausweislich der amtlichen Begründung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages bezweckte die Regelung die Förderung der Tendenz der Rechtsprechung, „Missbräuchen bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen durch Verbände und Mitbewerber dadurch zu begegnen, daß die Klagebefugnis und damit auch die Abmahnbefugnis in bestimmten Fällen verneint wird“.1008 Im Zuge der UWG-Novelle 2004 wurde der Missbrauchstatbestand aus § 13 Abs. 5 a.F. in Absatz 4 Satz 1 überführt, wobei der Anwendungsbereich ausweislich des Wortlauts von Unterlassungs- auf Beseitigungsansprüche ausgeweitet wurde (nunmehr: „… der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche…“); weiterhin wurde der Wortlaut der (seinerzeitigen – siehe zu dem gegenwärtigen Streitstand sogleich Rn. 252) h.M. in Rechtsprechung1009 und Schrifttum1010 angepasst, wonach die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Ansprüche die Klage „unzulässig“ macht (vormals lautete § 13 Abs. 5 a.F.: „… kann nicht geltend gemacht werden …“). In diesem Sinne ist der Normzweck von Absatz 4 Satz 1 darauf gerichtet, Betroffene 251 und Gerichte vor einer Belastung durch missbräuchlich geltend gemachte Beseitigungsund Unterlassungsansprüche zu schützen.1011 Die Bestimmung hat eine Korrektivfunk-

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1001 BGH 15.10.1969 – I ZR 3/68 – BGHZ 52, 393, 399 = GRUR 1970, 189, 190 – Fotowettbewerb m. Anm. Klaka. 1002 Vgl. hierzu etwa GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 109 ff. m.w.N. 1003 Vgl. hierzu etwa GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 112 m.w.N. 1004 BGH 14.10.1977 – I ZR 160/75 – GRUR 1978, 182, 183 – Kinder-Freifahrt m. Anm. Gloy; BGH 7.11.1985 – I ZR 105/83 – GRUR 1986, 320, 321 – Wettbewerbsverein I m. Anm. Bauer. 1005 BGH 12.4.1984 – I ZR 45/82 – GRUR 1984, 691, 692 – Anwaltsabmahnung, unter Verweis auf RG 13.11.1935 – V 99/45 – RGZ 149, 205, 209 und Wahrung ausschließlich eigener Belange durch die Aufwendungen. 1006 GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 115 ff. m.w.N.; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.1; MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 446. 1007 Gesetz zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften v. 25.7.1986, BGBl. I S. 1169. 1008 BTDrucks. 10/5771 S. 22. 1009 BGH 10.3.1971 – I ZR 73/69 – GRUR 1971, 516, 516 – Brockhaus-Enzyklopädie; BGH 14.10.1977 – I ZR 160/75 – GRUR 1978, 182, 183 – Kinder-Freifahrt m. Anm. Gloy; BGH 12.7.1984 – I ZR 37/82 – GRUR 1985, 58, 59 – Mischverband II; BGH 24.1.1985 – I ZR 173/81 – GRUR 1985, 450, 451 – Benzinverbrauch. 1010 GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 124 ff. m.w.N. A.A. dagegen etwa Köhler FS Schricker S. 725, 733 ff.; von Ungern-Sternberg FS Klaka S. 72, 95 ff. 1011 BGH 10.12.1998 – I ZR 141 / 96 – GRUR 1999, 509, 510 – Vorratslücken.

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I. Entstehungsg. u. Normz.

E. Missbr. Geltendmachung v. Abwehransprüchen

tion gegenüber der weitgefassten Anspruchsberechtigung, welche die gleichzeitige Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes durch eine Vielzahl von Gläubigern eröffnet.1012 So dient die Vorschrift nicht allein dem Schuldnerschutz, sondern trägt darüber hinaus vor allem auch der Erwägung entsprechend Rechnung, „dass die extensive Mehrfachverfolgung das an sich bewährte System des deutschen Wettbewerbsrechts zu sprengen droht, wonach die auch im Allgemeininteresse liegende Durchsetzung der wettbewerbsrechtlichen Normen einer Vielzahl von Anspruchsberechtigten anvertraut ist, die im Eigeninteresse solche Verstöße verfolgen und damit eine Verwaltungsbehörde, die – wie in anderen Ländern – die Einhaltung wettbewerbsrechtlicher Gebote und Verbote überwacht, überflüssig machen“.1013 Eine wesentliche Beeinträchtigung des Interesses der Allgemeinheit an einer wirksamen Verfolgung von Wettbewerbsverstößen ist dabei nicht zu befürchten, da der Unterlassungsanspruch auch von anderen Anspruchstellern geltend gemacht werden kann.1014 Absatz 4 ist durch Art. 6 des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 251a 1.10.2013 um die Sätze 2 und 3 ergänzt worden, um durch einen Anspruch auf Erstattung der Rechtsverteidigungskosten die Wirksamkeit der Regelungen gegen missbräuchliche Abmahnungen insgesamt zu erhöhen.1015 Die neu eingefügten Sätze 2 und 3 gewähren dem Abgemahnten im Falle der Missbräuchlichkeit der Abmahnung zunächst einen Erstattungsanspruch gegen den Abmahnenden; darüber hinaus wird das Unberührtbleiben weiter gehender Ersatzansprüche (in Betracht kommen hierbei insbesondere §§ 823 ff., 678 BGB sowie § 3 Abs. 1, 4 Nr. 10)1016 des Abgemahnten statuiert. Die Stellung des Abgemahnten als Abmahnungsgegner verbessert sich hierbei nicht zuletzt dadurch, dass der Anspruch verschuldensunabhängig ausgestaltet ist. Mit der Gesetzesnovelle sollte das Kostenrisiko des Abgemahnten gesenkt werden, so dass dieser ggf. auch anwaltliche Hilfe in Anspruch nimmt.1017 Eine einheitliche Umsetzung wäre im Hinblick auf die Parallelnorm des § 2 Absatz 3 UKlaG jedenfalls wünschenswert gewesen; diese Vorschrift blieb allerdings unverändert.1018 Durch das Gesetz gegen unseriöse Praktiken sucht der Gesetzgeber, eine „Waffen- 251b gleichheit“ zwischen dem Abmahnenden und dem Abgemahnten herzustellen; die vielfach beobachtbare Praxis der missbräuchlichen Abmahnungen soll zurückgedrängt werden.1019 Die bisherige Regelung des Absatz 4 (nunmehr Abs. 4 Satz 1) wurde insoweit zu Recht als nicht ausreichend angesehen, denn die betroffenen Abmahnungsschuldner fürchteten vielfach das hohe Prozessrisiko und die im Verhältnis zur Abmahnung hohen Anwaltsgebühren – weshalb die angemahnten Kosten häufig beglichen wurden.1020 Während der Abmahnende die im Zusammenhang mit einer berechtigten Abmahnung entstandenen außergerichtlichen Kosten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 von dem Abgemahnten

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1012 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 169 = GRUR 2000, 1089, 1090 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; BGH 15.12.2011 – I ZR 174/10 – GRUR 2012, 730 Tz. 14 – Bauleitgerät. 1013 BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – GRUR 2002, 357, 358 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung. 1014 BGH 31.5.2012 – I ZR 106/10 GRUR 2013, 178 Tz. 17 – Ferienwohnung. 1015 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.6; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 481c; Niclas/von Blumenthal ITRB 2013, 173, 173; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 163a. 1016 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.6; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 481 f.; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 163a. 1017 BTDrucks. 17/13057 S. 14. 1018 Köhler NJW 2013, 3473, 3474. 1019 BTDrucks. 17/13057 S. 12. Vgl. weiterhin Buchmann WRP 2013, 1392, 1394; MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 481a. 1020 BTDrucks. 17/13057 S. 12; Alexander BB 2013, Die erste Seite Nr. 43; Buchmann WRP 2012, 1345, 1353.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

ersetzt verlangen konnte, gab es für den Abgemahnten im Falle der Missbräuchlichkeit keine entsprechende Anspruchsgrundlage, sodass allfällige Rechtsverteidigungskosten grundsätzlich selbst getragen werden mussten.1021 Konkret war der Abgemahnte insoweit verwiesen auf Schadensersatz nach (einfachem) Deliktsrecht bzw. den Nachweis eines Wettbewerbsverstoßes durch die Abmahnung mit den entsprechenden Schwierigkeiten in der Beweisführung.1022 Selbst in der Konstellation einer gerichtlichen Klärung war vor diesem Hintergrund ein erhebliches Prozessrisiko für den Abgemahnten gegeben. Zur Erreichung der angestrebten „Waffengleichheit“ galt es daher, das Risiko des Abgemahnten bei der Geltendmachung der ihm entstandenen Kosten abzusenken. Zu diesem Zweck wurde mit Absatz 4 Sätze 2 und 3 nun ein – jedenfalls dem Grunde nach (s. auch nachfolgend Rn. 273c) – leichter durchzusetzender Kostenerstattungsanspruch etabliert.1023 II. Rechtsnatur u. -folgen II. Rechtsnatur und Rechtsfolgen 252

Die Rechtsnatur des Missbrauchseinwands ist umstritten: Die h.M. geht zutreffend von einem Ausschluss der Klage- oder Prozessführungsbefugnis aus, wonach als Rechtsfolge eine Klage als unzulässig abzuweisen und ein Verfügungsantrag als unzulässig zurückzuweisen ist.1024 Für diese Lesart sprechen sowohl die Gesetzesbegründung (Intention der häufigeren Verneinung der „Klagebefugnis“), der Wortlaut („unzulässig“) und der generelle Telos der Vorschrift, wonach eine effektive Begrenzung von Missbrauchsverhalten erreicht und damit bereits die Inanspruchnahme der Gerichte verhindert werden soll.1025 Demgegenüber handelt es sich nach a.A. um einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung, woraus sich dann konsequenterweise eine materiell-rechtliche Einwendung ableitet.1026 III. Anwendungsbereich III. Anwendungsbereich

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Ausweislich des Wortlauts („… der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche …“) ist der Anwendungsbereich von Absatz 4 Satz 1 auf gesetzliche Unterlassungsansprüche wegen einer Zuwiderhandlung betreffend § 3 oder § 9 beschränkt. Somit ist die Vorschrift für vertragliche Ansprüche nicht – auch nicht analog – zur Anwendung berufen.1027 Al-

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1021 Köhler NJW 2013, 3473, 3474. 1022 BTDrucks. 17/13057 S. 12. Vgl. weiterhin etwa Hullen jurisPR-ITR 9/2012, Anm. 2; Schmitz/Eckardt CR 2013, 818, 819. 1023 Buchmann WRP 2012, 1345, 1353. 1024 BGH 10.12.1998 – I ZR 141/96 – GRUR 1999, 509, 510 – Vorratslücken; BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165 = GRUR 2000, 1089, 1093 – Missbräuchliche Mehrfachverwertung; BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82 – Neu in Bielefeld I; BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – GRUR 2002, 357, 359 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 717 – ScannerWerbung; BGH 17.11.2005 – I ZR 300/02 – GRUR 2006, 243 Tz. 16 – MEGA SALE; BGH 15.12.2011 – I ZR 174/10 – GRUR 2012, 730 Tz. 47 – Bauleitgerät; BGH 31.5.2012 – I ZR 106/10 – GRUR 2013, 176 Tz. 16 – Ferienluxuswohnung. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 298; GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 126 f. zur Vorgängervorschrift des § 13 Abs. 5 a.F.; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann/Seitz § 8 Rn. 380; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 475 ff.; Teplitzky Kap. 13 Rn. 50. 1025 Siehe zu diesen Argumenten Teplitzky Kap. 13 Rn. 50 m.w.N. 1026 So – nunmehr wieder – Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.4, wobei in Missbrauchsfällen die Klage wegen Verneinung der Prozessführungsbefugnis im Ergebnis doch als unzulässig abgewiesen werden können soll. Weiterhin Borck GRUR 1990, 249, 255; Köhler FS Schricker S. 725, 726 ff.; von Ungern-Sternberg FS Klaka S. 72, 96 f. 1027 BGH 1.6.2006 – I ZR 167/03 – GRUR 2007, 164 Tz. 11 – Telefax-Werbung II. Weiterhin aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 377; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 4.8; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 448.

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III. Anwendungsbereich

E. Missbr. Geltendmachung v. Abwehransprüchen

lerdings kann sich eine Unzulässigkeit der Geltendmachung von vertraglichen Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüchen nach den allgemeinen Grundsätzen über rechtsmissbräuchliches Verhalten ergeben (vgl. § 242 BGB).1028 In Ansehung der gesetzlichen Unterlassungsansprüche erfasst die Vorschrift sowohl die gerichtliche als auch die außergerichtliche Geltendmachung.1029 Für die außergerichtliche Geltendmachung wird die Abmahnung den Hauptanwendungsfall darstellen. Maßgeblich ist jedenfalls stets, dass sich der Missbrauch in der Geltendmachung manifestiert, weshalb etwa Verwirkung (siehe dazu nachstehend unter Rn. 285 ff.) und sonstiger Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) von Absatz 4 Satz 1 nicht erfasst werden.1030 Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift im Urheberrecht kommt nicht in Betracht, weil insoweit jedenfalls keine planwidrige Regelungslücke besteht.1031 Zwar stand entstehungsgeschichtlich (vgl. hierzu vorstehend Rn. 249 ff.) die Be- 254 kämpfung der Missbräuche sogenannter Abmahnvereine im Vordergrund. Nach Wortlaut, systematischer Stellung und Telos der Vorschrift findet Absatz 4 Satz 1 aber anerkanntermaßen für alle Fälle der Anspruchsberechtigung nach Absatz 3 Anwendung; dies gilt insbesondere auch für Konstellationen, bei denen Mitbewerber unmittelbar gegen den Schuldner vorgehen können, vgl. Absatz 3 Nr. 1.1032 So wird bei Mitbewerbern im Sinne des Absatz 3 Nr. 1 zwar regelmäßig ein berechtigtes Interesse an der Anspruchsgeltendmachung bestehen, aber auch bei den Mitbewerbern kann – etwa in Ansehung eines vorwiegenden Gebühreninteresses1033 – ein Missbrauch gegeben sein.1034 Die Abgrenzung zwischen dem Fehlen der Anspruchsberechtigung bzw. Prozess- 255 führungsbefugnis nach Maßgabe von Absatz 3 einerseits und dem Fehlen der Anspruchsberechtigung bzw. Klagebefugnis wegen Missbrauchs nach Maßgabe von Absatz 4 Satz 1 fällt nicht leicht. So wird in Ansehung der zur vormaligen Rechtslage (vor der Schaffung des § 13 Abs. 5 a.F.) ergangenen Rechtsprechung,1035 welche den Gedanken des Rechtsmissbrauchs bereits zur Verneinung der Klagebefugnis heranzog, mit guten Gründen von einem fließenden Übergang ausgegangen.1036 Die Abgrenzung sollte grundsätzlich danach vorgenommen werden, ob die formal bestehende Rechtsposition generell, dann

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1028 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 377; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.8; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 448. 1029 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 377; MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 451. 1030 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 282; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 384; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 448; Teplitzky Kap. 13 Rn. 47. A.A. zur Vorgängervorschrift des § 13 Abs. 5 a.F. dagegen Borck GRUR 1990, 249, 250 ff.; Fritzsche, Unterlassungsanspruch S. 598. 1031 BGH 31.5.2012 – I ZR 106/10 – GRUR 2013, 176 Tz. 14 – Ferienluxuswohnung. 1032 Zum alten Recht BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 170 f. = GRUR 2000, 1089, 1090 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 82 f. – Neu in Bielefeld I; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner. Weiterhin aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 378; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.24; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 449. 1033 Vgl. etwa KG 21.5.2004 – 5 U 285/03 – GRUR-RR 2004, 335, 335 f. – Finanzierungsaufwand; OLG Hamm 22.6.2004 – 4 U 12/04 – NJW-RR 2005, 141, 142 – Sortenreinheit. 1034 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.24; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 449. 1035 BGH 19.5.1988 – I ZR 52/86 – GRUR 1988, 918, 918 f. – Wettbewerbsverein III; BGH 5.10.1989 – I ZR 56/89 – GRUR 1990, 282, 285 – Wettbewerbsverein IV; BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13, 13 – Fortsetzungszusammenhang. 1036 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.9; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 450.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

Absatz 3, oder – nur – konkret missbräuchlich geltend gemacht wird.1037 Im Ergebnis wird die Klage in beiden Fällen jedenfalls als unzulässig abzuweisen sein.1038 IV. Tatbestandsvorauss. IV. Tatbestandsvoraussetzungen 256

1. Geltendmachung. Tatbestandlich erfasst Absatz 4 Satz 1 die gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung der in Absatz 1 benannten Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung. Somit muss sich das in Rede stehende Missbrauchsverhalten gerade auf die Art und Weise der Inanspruchnahme oder auf deren Begleitumstände beziehen.1039 Sonstige Umstände, die der Durchsetzung des Anspruchs unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen mögen, können hier keine Berücksichtigung finden (siehe dazu auch vorstehend unter Rn 253).1040

2. Missbrauch. Das zentrale Tatbestandsmerkmal des Missbrauchs ist nach allgemeiner Auffassung verwirklicht, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen bzw. Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrensleitung erscheinen.1041 Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten wettbewerbsrechtlicher Absichten hinter den vom Gesetzgeber missbilligten Zielen ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, sofern jedenfalls die sachfremden Ziele überwiegen.1042 Als typisierten Beispielsfall eines dergestaltigen Missbrauchsverhaltens nennt das Gesetz die Geltendmachung eines Anspruchs, die „vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen“. 258 In jedem Fall ist für die Prüfung des Vorliegens eines Missbrauchs im Sinne von Absatz 3 ausweislich des Gesetzeswortlauts stets eine „Berücksichtigung der gesamten Umstände“ vorzunehmen. Die insofern zu berücksichtigenden Umstände umfassen insbesondere die Art und Schwere des gerügten Wettbewerbsverstoßes, das Verhalten des Verletzers nach dem Verstoß, das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung dieses und anderer Verstöße sowie das Verhalten sonstiger Klagebefugter.1043 Weiterhin können 257

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1037 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.9. Dem sich anschließend MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 450, wobei betont wird, dass sich ein genereller Ausschluss bei Mitbewerbern in Ansehung von § 8 Abs. 3 Nr. 1 kaum konstruieren lasse. 1038 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.9. 1039 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 448. 1040 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 282; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 384; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 448; Teplitzky Kap. 13 Rn. 47. 1041 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 170 = GRUR 2000, 1089, 1090 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; BGH 17.11.2005 – I ZR 300/02 – GRUR 2006, 243 Tz. 16 – MEGA SALE; BGH 22.4.2009 – I ZR 14/07 – GRUR 2009, 1180 Tz. 20 – 0,00 Grundgebühr. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 284; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 385; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 454. 1042 BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 92 – Neu in Bielefeld I; BGH 17.11.2005 – I ZR 300/02 – GRUR 2006, 243 Tz. 16 – MEGA SALE. Weiterhin auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 284; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 385; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 454. 1043 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 170 = GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung. In diesem Sinne auch die einschlägige Literatur, vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 284; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 386; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.11; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 455.

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IV. Tatbestandsvorauss.

E. Missbr. Geltendmachung v. Abwehransprüchen

auch die Interessen der Allgemeinheit in die anzustellende Gesamtabwägung mit einzubeziehen sein.1044 3. Einzelfälle und Konkretisierung. Nach Absatz 4 Satz 1 ist die Geltendmachung 259 von Ansprüchen aus Absatz 1 insbesondere dann missbräuchlich, „wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.“ Damit hat der Gesetzgeber als Beispielsfälle die Erzielung von Einnahmen und die Entstehung von Kosten niedergelegt; daneben können selbstverständlich weitere Konstellationen treten. a) Einnahmeerzielungsinteresse. Die missbräuchliche Geltendmachung von An- 260 sprüchen zur Erzielung von Einnahmen stellt einen Beispielsfall aus Absatz 4 Satz 1 und darüber hinaus einen Hauptanwendungsfall der Vorschrift dar.1045 Zu fragen ist, ob die Geltendmachung von Ansprüchen aus Absatz 1 im konkreten Fall vorwiegend dazu dient, einen Anspruch auf Aufwendungsersatz, regelmäßig betreffend die Erstattung von Abmahnkosten im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2, zum Entstehen zu bringen. Ob ein solches Überwiegen von sachfremden, für sich gesehen nicht schutzwürdigen Interessen bzw. Zielen, die als eigentliche Triebfeder und beherrschende Motive der Verfahrensleitung erscheinen,1046 vorliegt, ist in Ansehung der objektiven, äußeren Umstände zu ermitteln; die subjektive Zielsetzung und Motivationslage des Anspruchsberechtigten ist letztlich nur bedingt erheblich.1047 Demnach ist darauf abzustellen, ob die Geltendmachung der Ansprüche aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers aus wirtschaftlichen, wettbewerbspolitischen oder sonstigen beachtlichen Erwägungen heraus notwendig oder jedenfalls zweckmäßig erscheint.1048 Auch die Anspruchsgeltendmachung durch Verbände kann grundsätzlich unter Absatz 4 Satz 1 fallen.1049 Es sind – auch hier (vgl. bereits vorstehend Rn. 258) – zu berücksichtigen die „ge- 261 samten Umstände“ unter Einschluss insbesondere von Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes, des Verhalten des Verletzers nach dem Verstoß, des Verhaltens des Gläubigers bei der Verfolgung dieses und anderer Verstöße sowie des Verhaltens sonstiger Klagebefugter1050 sowie der Interessen der Allgemeinheit.1051 Dabei ist eine umfängli-

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1044 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.11; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 455. 1045 Siehe hierzu unlängst zu verschiedenen Einzelumständen BGH 15.12.2001 – I ZR 174/10 – GRUR 2012, 730 – Bauheizgerät. 1046 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 170 = GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; BGH 17.11.2005 – I ZR 300/02 – GRUR 2006, 243 Tz. 16 – MEGA SALE; BGH 22.4.2009 – I ZR 14/07 – GRUR 2009, 1180 Tz. 20 – 0,00 Grundgebühr. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 284; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 385; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 454. 1047 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.12; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 456. 1048 BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner. Weiterhin auch HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 387; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.12; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 456. 1049 BGH 5.10.1989 – I ZR 56/89 – GRUR 1990, 282, 285 – Wettbewerbsverein IV. Weiterhin auch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 389 f. mit differenzierender Betrachtung; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.52; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 457; Teplitzky Kap. 13 Rn. 57. 1050 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 170 = GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung. In diesem Sinne auch die einschlägige Literatur, vgl. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 284; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 386; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.11; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 455. 1051 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.11; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 455.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

che Abmahn- oder Klagetätigkeit für sich genommen noch kein hinreichendes Indiz, um einen Missbrauch im Sinne des Absatzes 3 tragen zu können.1052 Allerdings wird von einem Missbrauchsverhalten auszugehen sein, wenn eine Verselbstständigung der Abmahn- und Rechtsverfolgungstätigkeit von der eigentlichen Tätigkeit als Wettbewerber eintritt, so dass bei objektiver Betrachtung kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse, sondern vielmehr vornehmlich ein Gebührenerzielungsinteresse (in casu als Rechtsanwalt) gegeben ist.1053 Für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs kann weiterhin etwa sprechen, wenn systematisch überhöhte Abmahngebühren bzw. Vertragsstrafen oder ein Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs verlangt werden,1054 wenn trotz umfangreicher Abmahntätigkeit in keinem Fall versucht wird, den Anspruch gerichtlich durchzusetzen,1055 wenn ein Anwalt die Abmahnungen völlig selbständig erledigt, insbesondere die Wettbewerbsverstöße selbständig ermittelt,1056 wenn der Auftraggeber vom Kostenrisiko ganz oder teilweise freigestellt wird1057 oder wenn das Abmahnverfahren (nur) dazu dienen soll, sich die anschließende Klage gegen Geldzahlung gleichsam abkaufen zu lassen.1058, 1059 262

b) Kostenbelastungsinteresse. Das Regelbeispiel aus Absatz 4 Satz 1 umschließt überdies die missbräuchliche Geltendmachung zu dem vornehmlichen Zwecke, den zuwiderhandelnden Verletzer mit Kosten und Risiken zu belasten. Im Vordergrund steht insoweit für den Verletzten gerade nicht die eigene Einnahmeerzielung, sondern vielmehr die Belastung des Verletzers, um somit personelle und wirtschaftliche Ressourcen zu binden.1060 Ein solches missbräuchliches Verhalten kann sich vor allem darin manifestieren, dass ein einheitlicher Wettbewerbsverstoß ohne hinreichenden sachlichen Grund aufgeteilt und in verschiedenen Verfahren verfolgt wird (Mehrfachverfolgung).1061 Grundsätzlich gilt, dass in jedem Einzelfall die den Gegner und die Gerichte schonendste Vorgehensweise zu wählen ist, sofern und soweit dies dem Anspruchsteller möglich und zumutbar ist.1062 Unerheblich ist hierbei, ob die entstehende Kostenbelastung den Anspruchsgegner im Wettbewerb tatsächlich behindert, denn allein die Größe und finanzielle Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners dürfen den Gläubiger nicht bereits von einem etwaigen Missbrauchsvorwurf entlasten.1063

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1052 BGH 30.9.2004 – I ZR 261/02 – GRUR 2005, 433, 434 – Telekanzlei; OLG Köln 15.1.1993 – 6 U 147/92 – GRUR 1993, 571, 571 – Missbrauch der Antragsbefugnis. Dem sich anschließend Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 386; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 457. 1053 BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner. 1054 BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 12, 13, 19 f. = NJW 1993, 721 – Fortsetzungszusammenhang. 1055 BGH 20.5.1999 – I ZR 66/97 – GRUR 1999, 1116, 1118 – Wir dürfen nicht feiern. 1056 OLG Köln 15.1.1993 – 6 U 147/92 – GRUR 1993, 571, 571 – Missbrauch der Antragsbefugnis; OLG München 24.10.1991 – 6 U 2337/91 – WRP 1992, 270, 270. 1057 OLG Frankfurt a.M. 14.12.2006 – 6 U 129/06 – GRUR-RR 2007, 56, 57; OLG Jena 6. 10. 2010 – 2 U 386/10 – GRUR-RR 2011, 327, 328 – Umfang des Geschäftsbetriebs. 1058 OLG Hamm 22.6.2004 – 4 U 12/04 – GRUR-RR 2005, 141, 142 – Sortenreinheit. 1059 Vgl. weiterhin auch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 387 f.; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.12 ff.; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 456 f. 1060 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 171 = GRUR 2000, 1089, 1090 f. – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 24.5.2000 – I ZR 222/97 – GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I. 1061 BGH 22.4.2009 – I ZR 14/07 – GRUR 2009, 1180 Tz.18 – 0,00 Grundgebühr; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 288. 1062 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.13; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 458. 1063 BGH 17.11.2005 – I ZR 300/02 – GRUR 2006, 243, Tz. 19 – MEGA SALE.

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IV. Tatbestandsvorauss.

E. Missbr. Geltendmachung v. Abwehransprüchen

aa) Mehrfachklagen. Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen bei Mehrfach- 263 klagen durch verschiedene Gläubiger ist für sich genommen nicht rechtsmissbräuchlich, sondern in Ansehung der mehrfachen Anspruchsberechtigung aus Absatz 3 vielmehr systemimmanent.1064 So kann ein mehrfaches Vorgehen den prozessual sichersten Weg darstellen und bereits deshalb nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sein.1065 Ein mehrfaches gerichtliches Vorgehen stellt sich nach der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung1066 und Literatur1067 allerdings dann als rechtsmissbräuchlich dar, wenn ein abgestimmtes oder zentral koordiniertes Verhalten der Gläubiger gegeben ist und hieraus eine Vervielfachung der Kostenrisiken bzw. sonstigen Belastungen für den Schuldner resultiert, ohne dass für die Mehrfachverfolgung ein vernünftiger Grund eingreift. Einen Anhaltspunkt für ein missbräuchliches Verhalten kann es darstellen, wenn ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl eine Inanspruchnahme in nur einem Verfahren für ihn mit keinerlei Nachteilen verbunden ist.1068 Diese auf einen einheitlichen Wettbewerbsverstoß bezogenen Grundsätze greifen überdies nach der Rechtsprechung auch bei der Mehrfachverfolgung gleichartiger oder ähnlich gelagerter Wettbewerbsverstöße.1069 Weiterhin liegt die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nahe, wenn 264 konzernmäßig verbundene, von demselben Rechtsanwalt vertretene Unternehmen die nahe liegende Möglichkeit eines streitgenössischen Vorgehens nicht nutzen, sondern ohne vernünftigen Grund getrennte Verfahren anstrengen oder wenn mehrere verantwortliche Personen bzw. Gesellschaften jeweils gesondert in Anspruch genommen werden mit der Folge, dass sich die von der unterliegenden Partei zu tragenden Kosten nahezu verdoppeln.1070 Zwar ist nicht bereits die Übertragung der Vertretung von mehreren Konzernunternehmen betreffend die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auf denselben Rechtsanwalt unzulässig. Die aus der zentralen Koordinierung der Rechtsverfolgungsmaßnahmen erwachsenden Möglichkeiten müssen aber insoweit für ein den Gegner schonend(er)es Vorgehen fruchtbar gemacht werden.1071 So sind Konzernunternehmen, die in verschiedenen Städten ansässig sind, grundsätzlich gehalten, unnötige Parallelprozesse zu verhindern, indem sie sich darauf verständigen, nur durch ein Konzernunternehmen vorzugehen, die Muttergesellschaft zur Klage im Wege der Prozessstand-

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1064 BGH 16.12.1993 – I ZR 277/91 – GRUR 1994, 307, 308 – Mozzarella I; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.15a; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 462. 1065 BGH 19.7.2012 – I ZR 199/10 – GRUR 2013, 307 Tz. 20 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung. 1066 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 170 = GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; OLG Hamburg 19.2.1981 – 3 U 173/80 – WRP 1981, 401, 401; OLG Düsseldorf 9.12.1982 – 2 U 126/82 – WRP 1983, 159, 160; OLG Hamm 3.5.2011 – 4 U 9/11 – GRUR-RR 2011, 329, 330. 1067 GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 137; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 391 ff.; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.16; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 463. 1068 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 170 = GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 17.11.2005 – I ZR 300/02 – GRUR 2006, 243 Tz. 16 – MEGA SALE; BGH 22.10.2009 – I ZR 58/07 – GRUR 2010, 454 Tz.19 – Klassenlotterie. 1069 BGH 22.4.2009 – I ZR 14/07 – GRUR 2009,1180 Tz. 20 – 0,00 Grundgebühr; BGH 22.10.2009 – I ZR 58/07 – GRUR 2010, 454 Tz. 19 – Klassenlotterie. 1070 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 171 = GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I; BGH 6.4.2000 – I ZR 114/98 – GRUR 2001, 84, 84 – Neu in Bielefeld II; BGH 24.5.2000 – I ZR 222/97 – GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 717 – ScannerWerbung. 1071 BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 717 – Scanner-Werbung.

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Beseitigung und Unterlassung

schaft zu ermächtigen oder jedenfalls gemeinsam am Sitz des Schuldners zu klagen.1072 Weiterhin hat ein Rechtsanwalt, der den Auftrag zur Klageerhebung von einem der Konzernunternehmen erst nach der Einleitung von Prozesshandlungen für ein anderes Konzernunternehmen erhält, zu prüfen, ob es überhaupt eines weiteren Titels zugunsten des zweiten Unternehmens bedarf oder ob etwa eine Klageerweiterung die kostengünstigere Vorgehensweise ist.1073 265 Die Anforderungen an das Vorliegen eines vernünftigen Grundes für die Mehrfachverfolgung – auch und gerade bei konzernbezogenen Sachverhalten – dürfen allerdings nicht zu hoch geschraubt werden, da eine entsprechende Beschränkung oder Koordination grundsätzlich weder nach der Verfahrensordnung noch aufgrund des materiellen Rechts vorgegeben ist.1074 So vermag ein berechtigter Grund für ein getrenntes Vorgehen darin liegen, dass sich die einschlägigen Wettbewerbsverstöße nicht einheitlich feststellen lassen, weil etwa ein und dieselbe überregional verbreitete Werbeaussage hinsichtlich bestimmter Filialen zutreffend und hinsichtlich anderer irreführend sein kann.1075 Ferner kann ein getrenntes Vorgehen von konzernangehörigen Unternehmen gerechtfertigt sein, wenn sich dieses Vorgehen als widerklagende Reaktion auf getrennt voneinander erhobene negative Feststellungsklagen des Anspruchsgegners erweist. 1076 Ferner liegt ein berechtigter Grund vor, wenn das mehrfache Vorgehen unter den gegebenen Umständen das prozessual sicherste Mittel darstellt.1077 Ob ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen mit der Rechtsfolge der Unwirksamkeit auf 266 der Grundlage und am Maßstab von Absatz 4 Satz 1 vorliegt, ist für jede Klage gesondert zu überprüfen.1078 Insbesondere bei gleichzeitig erhobenen Klagen kann dies dazu führen, dass alle Klagen unzulässig sind.1079 Liegt zwischen der Erhebung der einzelnen Klagen eine gewisse Zeitspanne, so ist aus der Erhebung der späteren Klage nicht zwingend abzuleiten, dass auch bereits die frühere Klage als unzulässig anzusehen ist; vielmehr müssten insoweit bereits zum Zeitpunkt der Erhebung der früheren Klage die den Rechtsmissbrauch begründenden Umstände vorgelegen haben.1080 Zutreffend wird angenommen, dass bei rechtsmissbräuchlich erhobenen Mehrfachklagen die Gläubiger einer Abweisung sämtlicher Klagen nicht dadurch entgehen können, dass das Vorgehen nachträglich auf eine Klage beschränkt wird; denn ansonsten würde der Schutz vor rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung im Sinne von Absatz 4 Satz 1 übermäßig beschränkt werden.1081 267

bb) Mehrfachabmahnungen. Eine Mehrfachabmahnung durch unterschiedliche Anspruchsteller ist im Gesetz angelegt (Absatz 3) und grundsätzlich unproblematisch. So ist auch eine gemeinsame Abmahnung zuzulassen. Hierdurch werden deutlich gerin-

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1072 BGH 20.12.2001 – I ZR 15/98 – GRUR 2002, 713, 714 – Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung. Kritisch hierzu Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 393; Stickelbrock WRP 2001, 648, 657 f. 1073 BGH 20.12.2001 – I ZR 15/98 – GRUR 2002, 713, 715 – Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung. 1074 Vgl. etwa Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 291; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann § 8 Rn. 393; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 464. 1075 BGH 20.12.2001 – I ZR 15/98 – GRUR 2002, 713, 714 – Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung. 1076 BGH 13.6.2002 – I ZR 71/01 – GRUR 2002, 979, 980 – Kopplungsangebot II. 1077 BGH 19.7.2012 – I ZR 199/10 – GRUR 2013, 307 Tz. 20 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung. 1078 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 291; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.18. 1079 KG Berlin 13.4.2010 – 5 W 65/10 – WRP 2010, 1273, 1274. 1080 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – GRUR 2000, 1089, 1093 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 20.12.2001 – I ZR 15/98 – GRUR 2002, 713, 714 – Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung. Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 395; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 465. 1081 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.18. Dem sich anschließend MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 465.

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IV. Tatbestandsvorauss.

E. Missbr. Geltendmachung v. Abwehransprüchen

gere Kosten verursacht, weil sich die Anwaltskosten bei einer gemeinsamen Geltendmachung nicht verdoppeln, sondern nur in verhältnismäßig geringem Umfang erhöhen.1082 Dagegen stellen sich Mehrfachabmahnungen als rechtsmissbräuchlich dar, wenn bereits durch eine einzige Abmahnung die Interessen aller anspruchsberechtigten Abmahner hätten gewahrt werden können.1083 Hiervon wird wiederum insbesondere dann auszugehen sein, wenn ein abgestimmtes und koordiniertes Verhalten der Anspruchsteller vorliegt, kein sachlicher Grund für das koordinierte Vorgehen vorliegt und die Vervielfachung der Kosten und Risiken beim Verletzer unangemessen erscheint.1084 Dies ist von der Rechtsprechung zu Recht in einer Sachverhaltskonstellation bejaht worden, in der mehrere durch denselben Rechtsanwalt vertretene Konzernunternehmen denselben Wettbewerbsverstoß getrennt abmahnten, obwohl ein aufeinander abgestimmtes Vorgehen durch ein alternatives oder gemeinsames Vorgehen unter Wahrung der betroffenen Interessen möglich gewesen wäre.1085 Dagegen soll eine zeitgleiche Abmahnung von zwei konzernverbundenen Unternehmen wegen desselben Wettbewerbsverstoßes durch einund denselben Rechtsanwalt keine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung darstellen, „wenn beide Unternehmen in der beanstandeten Werbung unter namentlicher Nennung angegriffen worden sind und der zwischen ihnen bestehende Konzernverbund für die angesprochenen Verkehrskreise nicht ohne weiteres erkennbar ist“.1086 Falls sich Mehrfachabmahnungen als rechtsmissbräuchlich darstellen, sind alle einzelnen Abmahnungen unzulässig.1087 Falls bereits die außergerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs rechtsmissbräuchlich ist, kann überdies der betreffende Anspruch durch die rechtsmissbräuchlich handelnden Gläubiger auch gerichtlich nicht mehr geltend gemacht werden.1088 cc) Nebeneinander von Verfügungs- und Hauptsacheverfahren. Weiterhin kann 268 es als rechtsmissbräuchliche Mehrfachverfolgung angesehen werden, wenn neben einem einstweiligen Verfügungsverfahren oder vor Ablauf einer angemessenen Frist nach Beendigung des Verfügungsverfahrens von dem Gläubiger ein Hauptsacheverfahren eingeleitet wird.1089 Hier wird zu fordern sein, dass der Anspruchsberechtigte „ohne Not

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1082 BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 249, 371, 379 = GRUR 2002, 357, 359 – Missbräuchliche Mehrfachabmahung. 1083 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 395; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.19. 1084 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 171, 180 f. = GRUR 2000, 1089, 1091, 1093 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 249, 371, 379 = GRUR 2002, 357, 359 – Missbräuchliche Mehrfachabmahung. 1085 BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371, 379 = GRUR 2002, 357, 359 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung. Weiterhin aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann § 8 Rn. 395; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.19; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 460. 1086 OLG Hamburg 2.10.2002 – 5 U 82/02 – GRUR-RR 2003, 53 (LS 2). 1087 KG 21.10.1997 – 5 W 5125/97 – NJWE-WettbR 1998, 160, 161. 1088 BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371, 379 f. = GRUR 2002, 357, 359 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 717 – Scanner-Werbung. Kritisch hierzu Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 382, wonach nur „die Geltendmachung“ als rechtsmissbräuchlich zu erklären und eine darüber hinausgehende Sanktionswirkung nicht veranlasst sei; dem sich anschließend MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 461. 1089 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 171, 180 f. = GRUR 2000, 1089, 1091, 1093 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 24.5.2000 – I ZR 222/97 – GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I; BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung. Weiterhin aus dem Schrifttum HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 397; Ulrich WRP 1998, 826, 829. Kritisch hierzu MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 466; Stickelbrock WRP 2001, 648, 657 f., 660.

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Beseitigung und Unterlassung

neben dem Verfahren der einstweiligen Verfügung gleichzeitig ein Hauptsacheverfahren anstrengt, ohne abzuwarten, ob die beantragte Verfügung erlassen und vom Gegner als endgültige Regelung akzeptiert wird“.1090 c) Sonstige Konstellationen. Eine Missbräuchlichkeit der Anspruchsgeltendmachung kann sich über die Regelbeispiele hinaus auch in sonstigen Konstellationen ergeben, wobei vielfach Überschneidungen und Berührungspunkte mit den bereits behandelten Regelbeispielen auftreten; 1091 so etwa im Falle der Geltendmachung eines Anspruchs, den der Anspruchsberechtigte sich zuvor „abkaufen“ lassen wollte (vgl. hierzu bereits vorstehend Rn. 261).1092 So ist die Geltendmachung des Anspruchs missbräuchlich, wenn vornehmlich eine 270 Behinderung oder Schädigung des Wettbewerbers erreicht werden soll, vgl. § 4 Nr. 10 UWG.1093 Dies ist etwa der Fall, wenn der Gläubiger bei mehrfachen, in einer Wettbewerbshandlung zusammenfallenden Zuwiderhandlungen die einzelnen Verstöße ohne sachlich tragfähige Rechtfertigung nacheinander separat angreift, so dass der Verletzer zu einer häufigen Abänderung gezwungen wird („Salami-Taktik“).1094 Ein missbräuchliches Verhalten kann sich unter bestimmten Voraussetzungen auch 271 aus einer diskriminierenden bzw. sachfremden Auswahl des Schuldners bei der Anspruchsgeltendmachung ergeben.1095 Grundsätzlich steht es dem Verletzten nach der ständigen Rechtsprechung frei, ob und gegen welchen Verletzer vorgegangen wird.1096 Dies soll selbst dann gelten, wenn ein Verband zunächst – bis zu einer höchstrichterlichen Klärung – gegen Dritte, nicht allerdings gegen die eigenen Mitglieder vorgeht.1097 Weiterhin wird es sich regelmäßig nicht als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn der Verletzte nur gegen Händler, nicht aber gegen den Hersteller vorgeht, obwohl dies möglich wäre.1098 Dagegen kann sich eine Missbräuchlichkeit der Anspruchsgeltendmachung anerkanntermaßen ausnahmsweise aus den besonderen Umständen, insbesondere aus sachfremden Erwägungen1099 ableiten lassen. In diesem Sinne kann es sich als rechts-

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1090 BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung. 1091 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 469. 1092 OLG Hamm 22.6.2004 – 4 U 12/04 – GRUR-RR 2005, 141, 142 – Sortenreinheit. 1093 KG Berlin 30.3.2009 – 24 U 145/08 – GRUR-RR 2010, 22, 23 – JACKPOT!; OLG Saarbrücken 23.6.2010 – 1 U 365/09 – GRUR-RR 2011, 20, 20 – Behinderungsabsicht. Aus dem Schrifttum weiterhin Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 4.20; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 471. 1094 OLG Hamburg 5.7.1984 – 3 U 46/84 – GRUR 1984, 826, 826 f. – Gewinnzahlen II; OLG München 18.12.1997 – 29 U 3017/97 – NJW-WettbR 1998, 211, 212. 1095 Vgl. aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 292; GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 136; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.21; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 472; Teplitzky Kap. 13 Rn. 59, die „großzügige Rechtsprechung“ des BGH bedauernd. 1096 BGH 12.7.1984 – I ZR 37/82 – GRUR 1985, 58, 59 – Mischverband II; BGH 12.12.1996 – I ZR 7/94 – GRUR 1997, 537, 538 – Lifting-Creme; BGH 17.9.1989 – I ZR 117/96 – GRUR 1999, 515, 516 – Bonusmeilen; BGH 6.4.2000 – I ZR 294/97 – GRUR 2001, 178, 178 – Impfstoffversand an Ärzte; BGH 17.8.2011 – I ZR 148/10 – GRUR 2012, 411 Tz. 19 – Glücksspielverband. 1097 BGH 12.12.1996 – I ZR 7/94 – GRUR 1997, 537, 538 – Lifting-Creme; BGH 23.1.1997 – I ZR 29/94 – GRUR 1997, 681, 683 – Produktwerbung; BGH 17.9.1989 – I ZR 117/96 – GRUR 1999, 515, 516 – Bonusmeilen; BGH 10.11.1999 – I ZR 212/97 – GRUR 2000, 546, 547 – Johanniskraut-Präparat; BGH 6.5.2004 – I ZR 275/01 – GRUR 2004, 793, 795 – Sportlernahrung II; BGH 17.8.2011 – I ZR 148/10 – GRUR 2012, 411 Tz. 22 – Glücksspielverband. 1098 Im Ergebnis offengelassen von OLG Köln NJWE-WettbR 1999, 252, 253. Wie hier Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.21. A.A. MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 472. 1099 Vgl. etwa BGH 23.1.1997 – I ZR 29/94 – GRUR 1997, 681, 683 – Produktwerbung. Weiterhin auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 292; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.21; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 472; Teplitzky Kap. 13 Rn. 59.

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V. Beweislast

E. Missbr. Geltendmachung v. Abwehransprüchen

missbräuchlich darstellen, wenn ein Verband das unlautere Verhalten seiner Mitglieder „planmäßig duldet“.1100 Eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung kann sich weiterhin aus der Einwir- 272 kung eines Dritten ergeben, wenn der Anspruchsberechtigte vornehmlich als fremdbestimmtes Werkzeug (Handlanger) eines Dritten handelt.1101 Allerdings ist es grundsätzlich gerade nicht zu beanstanden, wenn ein Verband von einem Dritten – auch unter Übernahme des Kostenrisikos – zur Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes veranlasst wird; vielmehr müssen zur Begründung einer missbräuchlichen Rechtsausübung weitere Umstände hinzukommen, die für eine Rechtsverfolgung im Fremdinteresse streiten.1102 Ein solcher Umstand kann etwa darin begründet liegen, dass der Anspruchsberechtigte ohne eigenes Verfolgungsinteresse für einen Dritten tätig wird, welcher seinerseits die eigene Anspruchsberechtigung gerade verloren bzw. verwirkt hat.1103 Ebensolches kann gelten, wenn zur Reduktion von Prozesskosten von einem Dritten ein zu Prozesskostenhilfe oder einer Vergünstigung nach § 12 Abs. 4 Fall 2 berechtigter Anspruchsteller gleichsam vorgeschoben wird.1104 V. Beweislast V. Beweislast Folgt man der zutreffenden h.M., so handelt es sich bei der rechtsmissbräuchli- 273 chen Geltendmachung um eine Frage der Prozessführungsbefugnis, womit eine Prozessvoraussetzung betroffen ist (siehe hierzu vorstehend Rn. 252).1105 Diese Prozessvoraussetzung muss zu jedem Verfahrenszeitpunkt, auch in der Revisionsinstanz, durch das Gericht von Amts wegen geprüft werden.1106 Die Feststellung erfolgt mit den Mitteln des Freibeweises.1107 Ein non-liquet geht stets zu Lasten des Beklagten bzw. Anspruchsgegners, da grundsätzlich von der Zulässigkeit der Geltendmachung des Anspruchs auszugehen ist.1108 Hat der Beklagte bzw. Anspruchsgegner allerdings seinerseits durch entsprechenden Tatsachenvortrag die Vermutung zugunsten der zulässigen Anspruchsgeltendmachung erschüttert, obliegt es dem Kläger bzw. Anspruchsinhaber, die-

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1100 BGH 23.1.1997 – I ZR 29/94 – GRUR 1997, 681, 683 – Produktwerbung. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 292; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 399; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.21; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 472; Teplitzky Kap. 13 Rn. 59, unter Verweis auf ein „methodisches Vorgehen“. 1101 BGH 6.4.2000 – I ZR 294/97 – GRUR 2001, 178, 178 – Impfstoffversand an Ärzte. Aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 293; GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 138 f.; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 400; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.22; MünchKommUWG/ Fritzsche § 8 Rn. 470; Teplitzky Kap. 13 Rn. 60. 1102 BGH 6.4.2000 – I ZR 294/97 – GRUR 2001, 178, 178 – Impfstoffversand an Ärzte. 1103 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.22; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 470; Teplitzky Kap. 13 Rn. 60. 1104 Strenger Teplitzky Kap. 13 Rn. 60: „muss gelten“. 1105 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 297; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 474. A.A. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.25, die h.M. allerdings zutreffend anführend. 1106 BGH 10.12.1998 – I ZR 141/96 – GRUR 1999, 509, 510 – Vorratslücken; BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung. 1107 Hierzu BGH 16.5.1991 – IX ZB 81/90 – NJW 1992, 627, 628 – Nachweis der Vertretungsbefugnis; BGH 14.12.2000 – I ZR 181/99 – GRUR 2001, 846, 847 – Metro V; OLG München 24.10.1991 – 6 U 2337/91 – WRP 1992, 270, 273; OLG Jena 6.10.2010 – 2 U 386/10 – GRUR-RR 2011, 327, 327. Aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 297; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 476; Teplitzky Kap. 13 Rn. 51. 1108 KG 25.1.2008 – 5 W 371/07 – WRP 2008, 511, 511; KG 30.3.2009 – 24 U 145/08 – WRP 2010, 129, 131. Weiterhin Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 297; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 474; Teplitzky Kap. 13 Rn. 54; a.A. OLG Köln 4.12.1998 – 6 U 81/98 – WRP 1999, 357, 361.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

jenigen Umstände darzutun, die gegen eine missbräuchliche Geltendmachung sprechen.1109 VI. Absatz 4 Satz 2 VI. Absatz 4 Satz 2 273a

1. Tatbestandsvoraussetzungen. Der nunmehr auf der Grundlage und am Maßstab von Absatz 4 Satz 2 eröffnete Anspruch auf Ersatz der Rechtsverteidigungskosten ist verschuldensunabhängig ausgestaltet.1110 Es müssen somit lediglich die Voraussetzungen des Absatz 4 Satz 1 vorliegen, sprich erforderlich ist eine missbräuchliche Abmahnung. Die insofern gering(er)en Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs stellen vor dem Hintergrund der angestrebten „Waffengleichheit“ zwischen Abmahnendem und Abgemahntem gleichsam die Kehrseite der gering(er)en Anforderungen an die Kostenerstattung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG im Fall der Abmahnung dar.1111 Die Gesamtkonstruktion soll dazu dienen, das im Grundsatz bewährte und ausbalancierte System der privaten Rechtsverfolgung, welches im deutschen UWG fest verankert ist, effizient zu erhalten.1112

273b

2. Rechtsfolgen. Absatz 4 Satz 2 gewährt einen verschuldensunabhängigen Anspruch des Abmahnungsschuldners gegenüber dem Abmahnungsgläubiger auf Ersatz der Kosten, die für die Rechtsverteidigung erforderlich waren.1113 Umfasst hiervon sind die erforderlichen, tatsächlich aufgewandten Kosten.1114 Der Begriff der Erforderlichkeit ist dabei identisch zu seiner Reichweite in § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu bestimmen, sodass die entstehenden Ansprüche spiegelbildlich sind.1115 Da der Aufwendungsersatzanspruch aus Satz 2 dem des berechtigt Abmahnenden aus § 12 Abs. 1 Satz 2 entsprechen soll,1116 kann auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden (s. § 12 B Rn. 61 ff.). Die Parallelität in der Auslegung der Erforderlichkeit ist ein wichtiger Baustein im Kontext der angestrebten „Waffengleichheit“.

273c

3. Bewertung. Insgesamt ist eine Novellierung des UWG in Ansehung des grassierenden „Abmahnunwesens“ wünschenswert (gewesen).1117 Die Wirksamkeit der nun geschaffenen Neuregelung ist allerdings jedenfalls zweifelhaft.1118 So stand dem Abgemahnten bereits vor Einführung des neuen Kostenerstattungsanspruchs im Falle der missbräuchlichen Abmahnung ein Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB gegen den Abmahner zu.1119 Es dürfte zudem nicht zu erwarten sein, dass der Abmahner sich auf den bloßen Hinweis der Missbräuchlichkeit seiner Abmahnung hin zur Zahlung der

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1109 BGH 6.4.2000 – I ZR 294/97 – GRUR 2001, 178, 178 – Impfstoffversand an Ärzte; BGH 17.11.2005 – I ZR 300/02 – GRUR 2006, 243 Tz. 21 – MEGA SALE. Aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 297; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 474; Teplitzky Kap. 13 Rn. 54. 1110 Piper/Ohly/Sosnitza UWG § 8 Rn. 163a. 1111 Buchmann WRP 2012, 1345, 1347; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 163a. 1112 Buchmann WRP 2012, 1345, 1347. 1113 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 4.6; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 163a. 1114 Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 163a. 1115 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 4.6; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 481e. 1116 BT-Drs 17/13057 S. 20. 1117 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 481c m.w.N. verweist insoweit auf Beschwerden aus der Praxis sowie die Gesetzesbegründung (BT-Drs 17/13057). 1118 Alexander, BB 2013, Die erste Seite Nr. 43; Buchmann WRP 2013, 1392, 1394; Maaßen GRUR-PRax 2012, 252, 253. Von einer effektiven Neuregelung ausgehend Klute NJW 2014, 359, 360. 1119 Buchmann WRP 2012, 1345, 1353.

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VII. Absatz 4 Satz 3

E. Missbr. Geltendmachung v. Abwehransprüchen

Rechtsanwaltsgebühren des Abgemahnten bereit erklären wird.1120 Der Streit über die Missbräuchlichkeit wird deshalb auch künftig vor Gericht ausgetragen werden müssen, sodass die Beweisschwierigkeiten bezüglich der Missbräuchlichkeit, die sich bisher in § 826 BGB ergeben haben, auch in Absatz 4 Satz 2 zum Tragen kommen werden.1121 Dies gilt unabhängig davon, dass der neue Anspruch verschuldensunabhängig ist. Die insoweit maßgebliche Problematik des Nachweises des Rechtsmissbrauchs wurde von der Neuregelung (leider) nicht adressiert.1122 Die Unsicherheit hinsichtlich der Missbräuchlichkeit und damit der Erstattungsfähigkeit der eigenen Anwaltskosten dürfte gerade im Bereich geringer Abmahngebühren dazu führen, dass die betroffenen Unternehmen auch weiterhin die geforderte Summe zahlen werden, anstatt das Risiko einer Verteidigung gegen die Abmahnung einzugehen.1123 Sollte der Missbrauch aber offensichtlich sein, bestand auch nach der vorherigen Rechtslage kein Bedürfnis, einen Anwalt einzuschalten, sodass insgesamt eine relevante Verbesserung nur bei ohnehin anwaltlich beratenen Abmahnschuldnern zu erwarten ist.1124 Kritisiert wird zudem, dass die Schaffung eines Kostenerstattungsanspruchs schon 273d der falsche Ansatz zur Bekämpfung missbräuchlicher Abmahnungen sei. Vielmehr sei eine Reduktion der abmahnfähigen Vorschriften indiziert gewesen, da eine Vielzahl der abgemahnten Bagatellen tatsächlich Verstöße darstellten, deren Abmahnung jedenfalls nicht per se missbräuchlich sei.1125 Insgesamt ist die Neuregelung zu loben als zutreffende Identifikation und Benennung eines Problems, wenngleich auf die hieraus erwachsenden Herausforderungen leider mit allenfalls bedingt erfolgversprechenden Mitteln reagiert wurde. VII. Absatz 4 Satz 3 VII. Absatz 4 Satz 3 Über den Kostenerstattungsanspruch des Absatz 4 Satz 2 hinausgehende Ansprüche 273e bleiben gemäß Satz 3 unberührt. Als weitergehende Ansprüche im Sinne des Absatz 4 Satz 3 sind insoweit insbesondere wettbewerbsrechtlich verankerte Schadensersatzansprüche gemäß §§ 3 Absatz 1, 4 Nr. 10 i.V.m. § 9 UWG denkbar, die sich aus einer unzulässigen Abmahnung als einem Wettbewerbsverstoß ableiten.1126 Ferner kommen Ansprüche gemäß den §§ 823 ff., 678 BGB in Betracht, deren Voraussetzungen im Regelfall aber allenfalls schwerlich nachweisbar sein werden.1127 Denkbar ist schließlich die Annahme eines Schuldverhältnisses, das durch den der Abmahnung zugrunde liegenden Sachverhalt begründet wurde und das Ansprüche des Abgemahnten gegen Abmahnenden gemäß § 280 Absatz 1 BGB ermöglicht.1128

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1120 Buchmann WRP 2012, 1345, 1353. 1121 Buchmann K&R 2013, 535, 537; Köhler NJW 2013, 3473, 3474; Niclas/von Blumenthal ITRB 2013, 173, 173. 1122 Buchmann WRP 2012, 1345, 1353. Auch Klute NJW 2014, 359, 360 verweist insoweit auf die Darlegungs- und Beweislast des Abgemahnten. 1123 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 481c. 1124 MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 481c. 1125 Alexander BB 2013, Die erste Seite Nr. 43; Maaßen GRUR-Prax 2012, 252, 253. Zweifelnd auch MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 481c. 1126 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 4.6; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 481 f.; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 163a. 1127 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 4.6; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 481g, h. 1128 So mit erheblichem Argumentations- und Begründungsaufwand MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 481i f.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

F. Spezieller Auskunftsanspruch (Absatz 5) I. Allgemeines F. Spezieller Auskunftsanspruch I. Allgemeines 274

Durch die Verweisung in Absatz 5, die an die Stelle des vormaligen § 13 Abs. 7 a.F. getreten ist, wird der in § 13 UKlaG geregelte Auskunftsanspruch in das UWG überführt. Hintergrund für die Schaffung von § 13 UKlaG war, dass Klagerechte häufig leerzulaufen drohten, da die betreffenden Unternehmen „nur eine Postfach-Adresse bekannt geben oder nur mit einer Internet-Adresse oder gar nur mit einer Service-Telefonnummer auftreten, unter denen sie nicht verklagt werden können“.1129 In diesem Sinne eröffnet Absatz 5 – auf etwas komplizierte Art und Weise1130 – als Fall der gesetzlich geregelten Drittauskunft einen speziellen Auskunftsanspruch bestimmter Einrichtungen zur Vorbereitung und erleichterten Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen. Richtigerweise ist die Vorschrift nach ihrem Telos über den Wortlaut hinaus neben den Unterlassungsansprüchen auch auf Beseitigungsansprüche,1131 nicht dagegen auf sonstige (etwa Schadensersatz-) Ansprüche zur Anwendung zu bringen. Zum allgemeinen – selbständigen und unselbständigen – Auskunftsanspruch vgl. § 9 Rn. 106 ff. II. Auskunftsberechtigte II. Auskunftsberechtigte

275

Zu den nach Absatz 5 Auskunftsberechtigten zählen aufgrund der durch die Verweisung in Bezug genommenen Norm des § 13 Abs. 1 UKlaG nur qualifizierte Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in die Liste gemäß § 4 oder in das Verzeichnis der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 4 der Richtlinie 98/27/EG eingetragen sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG), rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG) und Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 UKlaG). Demgegenüber besteht keine Anspruchsberechtigung für Mitbewerber i.S.d. Absatz 3 Nr. 1 sowie für sonstige Verbände oder Kammern. Wegen der Beschränkung der Anspruchsberechtigung ist der Auskunftsanspruch nicht abtretbar.1132 III. Auskunftsverpflichtete III. Auskunftsverpflichtete

276

Zur Auskunft verpflichtet ist nach Maßgabe von § 13 Abs. 1 UKlaG jeder, der geschäftsmäßig Postdienste (vgl. § 4 Nr. 4 PostG), Telekommunikationsdienste (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 6 TKG) oder Telemediendienste (vgl. § 2 Abs. 1 TMG) erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt. Durch diese umfassende Regelung wird sichergestellt, dass medienübergreifend allfällige Ermittlungsprobleme erfasst werden. In Ansehung von häufig arbeitsteiligen Strukturen sind auch die an der Diensterbringung Mitwirkenden auskunftsverpflichtet, wobei sich diese Verpflichtung aber nur auf die

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1129 BegrRegE SMG BTDrucks. 14/6857 S. 39 f.; BGH 11.4.2002 – I ZR 306/99 – GRUR 2002, 720, 722 – Postfachanschrift. 1130 Hierzu Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 5.1; Teplitzky Kap. 13 Rn. 35c: „‚Spitzenleistung‘ moderner deutscher Gesetzgebungsarbeit“. 1131 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 5.1; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 482; Teplitzky Kap. 13 Rn. 35d. A.A. dagegen Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 307; Piper/Ohly § 8 Rn. 230 – jeweils eine Ausdehnung auf Beseitigungsansprüche ablehnend. 1132 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 304; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 405; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 5.2.

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VI. Kosten der Auskunftserteilung

F. Spezieller Auskunftsanspruch

beteiligten Unternehmer, nicht dagegen auf deren Arbeitnehmer oder Angestellte erstreckt.1133 IV. Voraussetzungen der Auskunftserteilung Voraussetzung der Auskunftserteilung ist gemäß § 13 Abs. 1 UKlaG zunächst, dass 277 die Anspruchsberechtigten schriftlich (vgl. §§ 126, 126a BGB) versichern, dass sie die Angaben zur Durchsetzung ihrer Unterlassungsansprüche benötigen und nicht anderweitig beschaffen können. Darüber hinaus besteht der Anspruch nur, „soweit die Auskunft ausschließlich anhand der bei dem Auskunftspflichtigen vorhandenen Bestandsdaten erteilt werden kann“ (§ 13 Abs. 2 Satz 1 UKlaG). Dabei darf gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 UKlaG die Auskunftserteilung „nicht deshalb verweigert werden, weil der Beteiligte, dessen Angaben mitgeteilt werden sollen, in die Übermittlung nicht einwilligt“. Nach dem Gesetzeswortlaut ist das Bestehen des Auskunftsanspruchs insoweit ein- 278 zig von der (schriftlich vorzunehmenden) Versicherung des Bestehens eines Unterlassungsanspruchs abhängig; eine Nachprüfung der inhaltlichen Richtigkeit dieser Versicherung ist hiernach weder dem Auskunftsverpflichteten noch dem Prozessgericht eröffnet.1134 In der Literatur wird zum Zwecke der Beschränkung dieser weitgehenden Regelung vorgeschlagen, der Unterlassungsanspruch müsse in gleicher Weise präzisiert werden wie bei einer Abmahnung.1135 Dem ist entgegenzuhalten, dass eine solche Anforderung nicht nur den Wortlaut überstiege, sondern darüber hinaus auch nur bedingt praktikabel wäre.1136 Vielmehr wird dem Auskunftsanspruch in Fällen der offenkundigen Unrichtigkeit der Angaben aus der schriftlichen Versicherung der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegenstehen.1137 V. Gegenstand der Auskunftserteilung Gegenstand der Auskunftserteilung sind der Name und die zustellungsfähige An- 279 schrift von am Post-, Telekommunikations- oder Telemediendienstverkehr Beteiligten. Anzugeben sind somit neben der zustellungsfähigen Anschrift der Vor- und Zuname bzw. die Firma sowie bei juristischen Personen oder rechtsfähigen Personengesellschaften auch die Vertretungsberechtigten mit Vor- und Zunamen.1138 VI. Kosten der Auskunftserteilung VI. Kosten der Auskunftserteilung Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 UKlaG kann der Auskunftspflichtige von dem Anspruchsbe- 280 rechtigten einen angemessenen Ausgleich für die Erteilung der Auskunft verlangen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll hierdurch zum einen dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Erteilung dieser Auskünfte dem öffentlichen Interesse an der effektiven Durchsetzung des Verbraucherrechts und damit auch dem Interesse der Ge-

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1133 BegrRegE SMG BTDrucks. 14/6857 S. 71. 1134 LG München 2.9.2003 – 33 O 20922/02 – WRP 2005, 1430, 1431.Aus dem Schrifttum etwa Fezer/ Büscher UWG § 8 Rn. 302; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 408; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 5.4; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 491. 1135 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 5.4. Dem sich anschließend Teplitzky Kap. 13 Rn. 35d. 1136 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 408; MünchKommUWG/ Ottofülling § 8 Rn. 492, mit ausführlicher Argumentation zu dem Gesichtspunkt der „Praktikabilität“. 1137 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 302; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 408; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 492. 1138 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 302; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 495.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

meinschaft aller Unternehmen an der Einhaltung gleicher Wettbewerbsbedingungen dient; zum anderen soll berücksichtigt werden, dass der Ermittlungsaufwand je nach Lage des Falles erheblich sein kann.1139 Somit begrenzt der konkrete Ermittlungsaufwand die Höhe des Ausgleichs, muss diese in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls jedoch nicht erreichen;1140 die tatsächlichen Kosten werden gerade nicht in jedem Fall ausgeglichen.1141 281 Die Auskunftsberechtigten sollen die Kosten für die Auskunftserteilung nicht endgültig zu tragen haben, da diese Kosten gerade eine Folge des rechtswidrigen Verhaltens der betroffenen Unternehmen ist. Deshalb ist der Beteiligte, wenn und soweit der gegen ihn geltend gemachte Unterlassungsanspruch begründet ist, nach Maßgabe von § 13 Abs. 3 Satz 2 UKlaG verpflichtet, dem Auskunftsberechtigten den von diesem gezahlten Ausgleichsbetrag zu erstatten. Von der Begründetheit des Unterlassungsanspruchs ist grundsätzlich auszugehen bei einer erfolgreichen gerichtlichen oder außergerichtlichen Geltendmachung; so jedenfalls bei einer rechtskräftigen Verurteilung, einem rechtskräftigen Versäumnisurteil oder einer durch Abschlusserklärung unangreifbar gewordenen einstweiligen Verfügung.1142 Falls der Erstattungsschuldner die Begründetheit bestreitet, etwa im Falle einer freiwilligen Zahlung, ist das Bestehen des Unterlassungsanspruchs im Prozess zu prüfen.1143 VII. Durchsetzung der Auskunftserteilung VII. Durchsetzung der Auskunftserteilung 282

Falls der Diensteerbringer die geschuldete Auskunft unberechtigt verweigert, kann der Auskunftsanspruch mit einer Leistungsklage durchgesetzt werden. 1144 Der Auskunftsanspruch kann auch im Wege einer einstweiligen Verfügung verfolgt werden, wenn die betreffende Auskunft zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung benötigt wird;1145 anderenfalls wäre der Auskunftsanspruch wertlos.1146 VIII. Unanwendbarkeit des UKlaG i.Ü. VIII. Unanwendbarkeit des UKlaG im Übrigen (Absatz 5 Satz 2)

283

Absatz 5 Satz 2 ordnet an, dass das UKlaG im Übrigen keine Anwendung findet, womit die Regelungen zu den zivilrechtlichen Rechtsfolgen sowohl hinsichtlich der Klagebefugnis als auch hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen abschließend sind; Wettbewerbsverstöße können auf dem Wege über das UKlaG deshalb nicht geltend gemacht werden.1147 Diese Abgrenzung wird in Ansehung der nunmehr in Kraft befindlichen Richtlinie über Unterlassungsklagen zum Schutze von Verbraucherinteressen 2009/22/ EG (Unterlassungsklagenrichtlinie) zu Recht kritisch hinterfragt.1148 So gilt eine Ausnahme für den Fall des § 4a UKlaG, weshalb in Ansehung von Unterlassungsansprüchen bei

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1139 BegrRegE SMG BTDrucks. 14/6857 S. 71. 1140 MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 497; Palandt/Bassenge § 13 UKlaG Rn. 7. 1141 A.A. wohl Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 5.5. 1142 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 5.5; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 499. 1143 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 5.5; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 499. 1144 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 304; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 5.6; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 500. 1145 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 5.6; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 500 m.w.N. 1146 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 304; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 5.6; MünchKommUWG/Ottofülling § 8 Rn. 500. 1147 BTDrucks. 15/1487 S. 23. 1148 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 5.1; Köhler/Bornkamm § 2 UKlaG Rn. 11 a, b.

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I. Allgemeines

G. Verwirkung

innergemeinschaftlichen Verstößen gegen Verbraucherschutzgesetze der Anwendungsbereich des UKlaG erweitert wird. IX. Normtext des § 13 UKlaG § 13 UKlaG – Auskunftsanspruch der anspruchsberechtigten Stellen (1) Wer geschäftsmäßig Post-, Telekommunikations- oder Telemediendienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt, hat 1. qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in die Liste gemäß § 4 oder in das Verzeichnis der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 4 der Richtlinie 98/27/EG eingetragen sind, 2. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen und 3. Industrie- und Handelskammern oder den Handwerkskammern auf deren Verlangen den Namen und die zustellungsfähige Anschrift eines Beteiligten an Post-, Telekommunikations- oder Telemediendiensten mitzuteilen, wenn diese Stellen schriftlich versichern, dass sie die Angaben zur Durchsetzung ihrer Ansprüche gemäß § 1 oder § 2 benötigen und nicht anderweitig beschaffen können. (2) Der Anspruch besteht nur, soweit die Auskunft ausschließlich anhand der bei dem Auskunftspflichtigen vorhandenen Bestandsdaten erteilt werden kann. Die Auskunft darf nicht deshalb verweigert werden, weil der Beteiligte, dessen Angaben mitgeteilt werden sollen, in die Übermittlung nicht einwilligt. (3) Der Auskunftspflichtige kann von dem Anspruchsberechtigten einen angemessenen Ausgleich für die Erteilung der Auskunft verlangen. Der Beteiligte hat, wenn der gegen ihn geltend gemachte Anspruch nach § 1 oder § 2 begründet ist, dem Anspruchsberechtigten den gezahlten Ausgleich zu erstatten.

284

G. Verwirkung G. Verwirkung I. Allgemeines I. Allgemeines Das Rechtsinstitut der Verwirkung beschreibt einen Spezialfall der unzulässigen 285 Rechtsausübung in der Gestalt eines widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium).1149 Ein widersprüchliches Verhalten kann nach den – in § 242 BGB niedergelegten und auf die gesamte Rechtordnung ausstrahlenden – Geboten von Treu und Glauben unzulässig sein, wenn und soweit es einem berechtigten Vertrauenstatbestand zuwiderläuft.1150 Maßgeblicher Geltungsgrund der Verwirkung sind unmittelbar die Gebote von Treu und Glauben und nicht etwa ein konkludentes Rechtsgeschäft in der Gestalt eines Verzichts bzw. Erlasses, § 397 BGB.1151 Die Widersprüchlichkeit des Verhaltens manifestiert sich im Rahmen der Verwirkung aus der Geltendmachung von formal bestehenden Ansprüchen entgegen eines durch den Anspruchsgläubiger gesetzten Vertrauenstatbestands, wobei dieser Vertrauenstatbestand insbesondere auf einem zeitlichen Moment aufbaut und durch dieses zeitliche Moment entscheidend geprägt wird.1152 Der BGH formuliert insoweit, „der Verstoß gegen Treu und Glauben [liege] in der Illoyalität

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1149 BGH 19.12.2000 – X ZR 150/98 – GRUR 2001, 323, 323 – Temperaturwächter. Aus dem Schrifttum Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 357; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 32; Huber in: Staudinger/Eckpfeiler (2011) D. Rn. 69; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.13; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 292; Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 Rn. 302; Teplitzky Kap. 17 Rn. 2. 1150 Palandt/Grüneberg § 242 Rn. 55. 1151 Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 Rn. 287. 1152 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.13; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 292.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

der verspäteten Rechtsausübung“.1153 Insbesondere der bloßen Untätigkeit lässt sich allerdings regelmäßig kein entsprechender Bedeutungsgehalt entnehmen.1154 In diesem Sinne trifft etwa § 21 MarkenG keine abschließende Regelung und lässt somit Raum für eine Verwirkung nach allgemeinen Grundsätzen.1155 286

1. Dogmatische Verortung und Abgrenzung. Normativer Anknüpfungspunkt der Verwirkung ist auch in Ansehung der hiesigen lauterkeitsrechtlichen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche das allgemeine Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und nicht Absatz 4, welcher unter bestimmten Voraussetzungen die Anspruchsgeltendmachung wegen Rechtsmissbräuchlichkeit unzulässig werden lässt (siehe hierzu vorstehend Rn. 254).

287

a) Intention des Gesetzgebers. Die Intention des Gesetzgebers bei Einführung des Absatz 4 war die Bekämpfung des „Abmahnunwesens“ (vgl. dazu bereits vorstehend Rn. 249 m.w.N.) und gerade nicht die umfassende spezialgesetzliche Regelung der Voraussetzungen und Folgen einer unzulässigen Rechtsausübung. Der Gesetzgeber hat dieser Intention nicht zuletzt durch die Aufnahme eines Regelbeispiels in Absatz 4 deutlichen Ausdruck verliehen. Zwar sind Regelbeispiele keine abschließenden Aufzählungen, gleichwohl können sie aber als Indiz für den vom Gesetzgeber intendierten Regelungsschwerpunkt der Norm herangezogen werden. Anknüpfungspunkt des Absatzes 4 ist mithin vornehmlich die treuwidrige Motivation zur Anspruchsdurchsetzung. Im Rahmen der Verwirkung liegt der Fokus hingegen nicht auf der (treuwidrigen) Motivation des Verhaltens, sondern darauf, dass das Handeln entgegen eines möglicherweise sogar unbewusst gesetzten Vertrauenstatbestands erfolgt. Nichts anderes lässt sich daraus ableiten, dass auch die Anspruchsdurchsetzung mit dem Ziel, „gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen“ unter bestimmten Voraussetzungen (siehe hierzu bereits vorstehend unter Rn. 260 f., 262 ff.) als widersprüchlich gegenüber dem geltend gemachten Interesse an der Beseitigung bzw. Unterlassung eingestuft werden kann. Maßgeblich ist der insoweit abweichende Anknüpfungspunkt der Widersprüchlichkeit.

288

b) Gesetzessystematik. Ferner ist zu beachten, dass in § 9 keine ausdrückliche Anordnung der Unzulässigkeit missbräuchlichen Verhaltens aufgenommen wurde. Würde man in Absatz 4 die normative Anbindung der Verwirkung sehen (wollen), so wäre das Fehlen einer entsprechenden Regelung in § 9 nur schwerlich zu erklären. In diesem Zusammenhang würde sogar der offensichtlich fehlgehende Umkehrschluss1156 naheliegen, einem Anspruch auf Schadensersatz könne der Einwand der Verwirkung nicht entgegengehalten werden. Entsprechende zwangsläufig drohende systematische Brüche werden vermieden, wenn und soweit die allgemeine Unzulässigkeit missbräuchlichen Verhaltens und insbesondere die Verwirkung nicht in Absatz 4, sondern in § 242 BGB verortet wird. Bei Schadensersatzansprüchen ist die in Absatz 4 als Regelbeispiel beschriebene Motivationslage zudem kaum denkbar: Die Durchsetzung eines Schadenser-

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1153 BGH 18.1.2012 – I ZR 17/11 – GRUR 2012, 928 Tz. 22 – Honda-Grauimport. 1154 Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 Rn. 287. 1155 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 293; Teplitzky Kap. 17 Rn. 1. Differenzierend Lange Rn. 5291 ff., der zwischen den zwingenden Grundsätzen der Marken-RL einerseits und den dortigen optionalen Regelungen der Marken-RL sowie dem nationalen Recht andererseits unterscheidet. 1156 Gerade Ansprüchen auf Schadensersatz kann der Einwand der Verwirkung entgegengehalten werden, vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 294, 307.

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I. Allgemeines

G. Verwirkung

satzanspruchs dient naturgemäß nicht vorwiegend zur Begründung eines Anspruchs auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung. Bei nur geringen Schadensersatzbeträgen entstehen regelmäßig keine eventuell motivationsleitenden Gebühren bzw. Kosten. Nach alledem ist das Rechtsinstitut der Verwirkung in Ansehung des Lauterkeitsrechts aus den Grundsätzen von Treu und Glauben, wie sie in § 242 BGB normiert sind, abzuleiten.1157 2. Rechtsnatur. Die lauterkeitsrechtliche Verwirkung hindert – ebenso wie im Bür- 289 gerlichen Recht1158 – lediglich die Durchsetzung des konkret betroffenen1159 subjektiven Rechts bzw. Anspruchs, indem die Verwirkung dieses Recht bzw. diesen Anspruch inhaltlich begrenzt.1160 Obwohl die Durchsetzungssperre insbesondere unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einem Untergang des Anspruchs gleichkommen kann,1161 konstituiert die Verwirkung insoweit dogmatisch nur eine dauerhaft rechtshemmende Einwendung für künftige Beseitigungs-, Unterlassungs- bzw. Schadensersatzansprüche, die in einem eventuellen gerichtlichen Verfahren von Amts wegen zu beachten ist.1162 Der jeweilige Anspruch als solcher bleibt bestehen und geht nicht unter.1163 3. Verwirkungsobjekt. Eine Verwirkung kommt grundsätzlich in Ansehung sämtli- 290 cher subjektiver Rechtspositionen in Betracht.1164 Spezialgesetzliche Regelungen oder der spezifische Rechtscharakter der jeweiligen Rechtsposition können die Möglichkeit einer Verwirkung allerdings ausschließen.1165 Zumindest im Zivilprozess unterliegt die Möglichkeit der prozessualen Durchsetzung materiell-rechtlicher Ansprüche anders als einzelne prozessuale Gestaltungsmöglichkeiten oder Rechte nicht der Verwirkung.1166 Keine weiteren Schwierigkeiten bei der Konkretisierung des Verwirkungsobjekts ergeben sich, wenn und soweit das beeinträchtigte subjektive Recht nur aus einem Anspruch im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB besteht und über diesen Anspruch als solchen nicht hinausreicht. In diesem Fall kann nur der Anspruch als solcher ein taugliches Verwirkungsobjekt sein. Im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche kommen jedoch grundsätzlich diese Ansprüche selbst, das jeweils beeinträchtigte absolute Recht und die entsprechende gegenüber dem jeweiligen Störer durch den Beseitigungsoder Unterlassungsanspruch konkretisierte Rechtsposition nebeneinander als taugliche Verwirkungsobjekte in Betracht.1167

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1157 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 292; Teplitzky Kap. 17 Rn. 2. 1158 Zu der Frage der inhaltlichen Begrenzung eines Anspruchs durch Verwirkung im Bürgerlichen Recht Jauernig/Mansel § 242 Rn. 63. 1159 Vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295, der darauf hinweist, dass „dies nur für den einzelnen Gläubiger im Verhältnis zum konkreten Schuldner gilt“. 1160 Teplitzky Kap. 17 Rn. 3; zur – eventuell abweichenden – Situation im Markenrecht vgl. ebd. Fn. 7. 1161 Jauernig/Mansel § 242 Rn. 63. 1162 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.13; Lange Rn. 5307; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295, 364; Teplitzky Kap. 17 Rn. 3. A.A. dagegen Huber in: Staudinger/Eckpfeiler (2011) D. Rn. 70. 1163 Teplitzky Kap. 17 Rn. 3. A.A. dagegen Huber in: Staudinger/Eckpfeiler (2011) D. Rn. 70. 1164 Fritzsche Unterlassungsanspruch S. 516; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 33; jurisPK-BGB/Pfeiffer § 242 Rn. 98; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 294; Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 Rn. 304. 1165 Jauernig/Mansel § 242 Rn. 56. 1166 BGH 21.2.1990 – VIII ZR 216/89 – NJW-RR 1990, 886. Weiterhin aus dem Schrifttum auch jurisPKBGB/Pfeiffer § 242 Rn. 97; MünchKommBGB/Roth/Schubert § 242 Rn. 335; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 296. 1167 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295, der für Letzteres plädiert.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

291

a) Beeinträchtigtes Recht als solches. Auszuscheiden als taugliches Verwirkungsobjekt ist dabei zumindest kontextual zunächst das beeinträchtigte Recht als solches. Ein eventuell begründeter Vertrauenstatbestand kann der Ausübung eines existenten Rechts lediglich im Rahmen der nämlichen konkreten Vertrauensbeziehung entgegenstehen, nicht aber abstrakt von dieser konkreten Vertrauensbeziehung.1168 In Ermangelung eines institutionalisierten Vertrauensträgers – etwa in Gestalt eines Registers – kommt eine in diesem Zusammenhang maßgebliche Vertrauensbildung allein aufgrund eines konkreten Rechtsscheins in Betracht. Mithin bleibt das betroffene subjektive Recht stets zumindest insoweit vollumfänglich erhalten, als es nicht im Widerspruch zum schutzwürdigen Vertrauen Dritter steht;1169 ein schutzwürdiges Vertrauen gegenüber der Allgemeinheit ist hingegen nicht möglich.

292

b) Konkretisierte Rechtsposition vs. unmittelbarer Anspruch. Verwirkungsobjekt ist ferner nicht der durch den Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch gegenüber einem Dritten konkretisierte Ausschnitt der jeweiligen absoluten Rechtsposition, sondern nur die aus der absoluten Rechtsposition erwachsenen Ansprüche selbst.1170 Dagegen wird angeführt, dass dann eine Verwirkung hinsichtlich Beseitigungs- und „Unterlassungsansprüche[n] aus erst kurz zurückliegenden bzw. bis in die Gegenwart andauernden (Dauer-)Zuwiderhandlungen“ nicht in Betracht käme,1171 weil durch die anspruchsbegründende Begehungsgefahr fortlaufend neue Ansprüche entstünden, die dann jeweils separat zu bewerten seien.1172 Jedenfalls mit Blick auf die zuletzt begründeten Ansprüche würde es insoweit an dem für eine Verwirkung erforderlichen Zeitmoment fehlen.1173 Gegen eine derartige Folgerung spricht aber bereits, dass die Argumentation wegen eines Zirkelschlusses fehlgeht: Das Verwirkungsobjekt ist nicht im Angesicht der jeweiligen Rechtsfolge zu definieren, um dann die Verwirkung im Einzelfall feststellen zu können. Darüber hinaus ist eine derartige Konstruktion aber auch und gerade mit Blick auf die Rechtsfolgen weder erforderlich noch wünschenswert. Mit Blick auf die Verwirkung ist vielmehr zwischen gleichartigen bzw. wiederholten Verletzungshandlungen einerseits und Dauerverletzungshandlungen andererseits zu unterscheiden.

293

aa) Gleichartige bzw. wiederholte Verletzungshandlungen. Wenn und soweit gleichartige bzw. wiederholte Verletzungshandlungen betroffen sind, würde eine Verwirkung der „Ausschließungsbefugnis gegenüber einem bestimmten Dritten“ 1174 die Rechtsposition des Störers mit Rücksicht auf dessen berechtigtes Vertrauen nicht nur bewahren, sondern für alle Zukunft erweitern.1175 Sowohl der materiellen Gerechtigkeit als auch der normativen Logik zuwiderlaufend, würde etwa ein Störer im Sinne des Markenrechts besser gestellt als der rechtmäßige Lizenznehmer.1176 Ein gedachter, entsprechender Lizenzvertrag könnte grundsätzlich ordentlich gekündigt werden, während dem durch das Rechtsinstitut der Verwirkung geschützten Störer „auf Dauer faktisch eine kostenlose Lizenz“ zugebilligt würde.1177 Diese Argumentation des BGH auf dem Ge-

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1168 1169 1170 1171 1172 1173 1174 1175 1176 1177

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Fritzsche Unterlassungsanspruch S. 522. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295. A.A. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295. BGH 18.1.2012 – I ZR 17/11 – GRUR 2012, 928 Tz. 23, 25 – Honda-Grauimport. BGH 18.1.2012 – I ZR 17/11 – GRUR 2012, 928 Tz. 25 – Honda-Grauimport. BGH 18.1.2012 – I ZR 17/11 – GRUR 2012, 928 Tz. 25 – Honda-Grauimport.

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I. Allgemeines

G. Verwirkung

biet des Markenrechts lässt sich unter Wertungsgesichtspunkten entsprechend auf das Lauterkeitsrecht übertragen. Darüber hinaus begründet ein im Übrigen insbesondere hinsichtlich des Zeitmoments verwirkungsgeeignetes Verhalten gerade kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend, dass der Verletzte auch gegen weitere Beeinträchtigungen nicht vorgehen werde.1178 Mit guten Gründen stellt der BGH in Ansehung der Reichweite der Verwirkung fest: „Ein Freibrief für künftige Rechtsverletzungen ist damit nicht verbunden.“1179 bb) Dauerhandlungen. Bei bis in die Gegenwart fortwirkenden Dauerhandlungen 294 bleibt eine umfassende Verwirkung demgegenüber dem Grunde nach möglich.1180 Ausschlaggebend ist insoweit der Zeitpunkt der Anspruchsentstehung, mithin die erstmalige Begehungsgefahr bzw. die Schadensentstehung.1181 Vorgreiflich ist damit in diesem Zusammenhang die Abgrenzung der Dauerhandlung von der Wiederholung gleichartiger Verstöße. Eine Dauerhandlung kann wohl nur insoweit angenommen werden, wie in der Vergangenheit ein bestimmter Zustand geschaffen wurde, der seither fortbesteht. Beispielhaft zu nennen ist das Anbringen eines wettbewerbswidrigen Firmenschilds; hier wirkt der geschaffene Zustand in die Gegenwart fort. Es entsteht diesbezüglich nur ein Unterlassungsanspruch, der dann auch verwirkt werden kann.1182 Das bloße Fortdauern der Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr begründet nicht kontinuierlich neue Unterlassungs- bzw. Beseitigungsansprüche.1183 Der Einwand, ein wegen Verwirkung rechtskräftig abgewiesener Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch würde dann ohne die Möglichkeit des Einwands der Verwirkung erneut entstehen,1184 geht fehl: Weil derselbe Streitgegenstand betroffen ist, steht einem entsprechenden Anspruch für die Zukunft bereits die rechtskräftig festgestellte Verwirkung des Anspruchs entgegen. Anders stellt sich die Lage demgegenüber etwa dar bei einem wettbewerbswidrigen Briefkopf, der immer wieder verwendet wird. In einer solchen Konstellation ist nicht auf die einmalige Erstellung des Briefkopfs, sondern vielmehr auf die jeweilige Wiederverwendung abzustellen. Durch jede einzelne Verwendung wird ein neuer Unterlassungsanspruch begründet, der selbständig auf eine Verwirkung hin zu untersuchen ist. cc) Zusammenfassende Stellungnahme. Gerade durch das Abstellen auf die Be- 295 seitigungs- oder Unterlassungsansprüche selbst werden angemessene Ergebnisse erzielt. Verwirkungsobjekte sind nach alledem die entstandenen Ansprüche und nicht die zugrundeliegende(n) Rechtsposition(en) gegenüber einem bestimmten Dritten. Dabei ist vorgreiflich zwischen wiederholten Verstößen und Dauerhandlungen zu unterscheiden. Wiederholte Verstöße sind separat zu würdigen und müssen daher jeweils sämtliche Voraussetzungen der Verwirkung erfüllen. Der Anspruchsgegner eines Beseitigungsoder Unterlassungsbegehrens kann daher mit dem Einwand der Verwirkung nur dann

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1178 BGH 18.1.2012 – I ZR 17/11 – GRUR 2012, 928 Tz. 23 – Honda-Grauimport. A.A. wohl HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 37. 1179 BGH 18.1.2012 – I ZR 17/11 – GRUR 2012, 928 Tz. 23 – Honda-Grauimport. A.A. dagegen wohl HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 37. 1180 BGH 21.10.2005 – V ZR 169/04 – NJW-RR 2006, 235 Tz. 11 lässt dies ausdrücklich offen; für eine entsprechende Möglichkeit der Verwirkung; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.14; Teplitzky Kap. 17 Rn. 4 in Fn. 12. 1181 Teplitzky Kap. 17 Rn. 4 in Fn. 12. 1182 A.A. Fritzsche Unterlassungsanspruch S. 521; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295. 1183 A.A. Fritzsche Unterlassungsanspruch S. 521; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295. 1184 So aber Fritzsche Unterlassungsanspruch S. 521; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

umfassend durchdringen, wenn und soweit alle geltend gemachten Ansprüche verwirkt sind.1185 296

c) Einzelne Ansprüche. Praktisch relevant ist die Verwirkung wegen der hier regelmäßig nicht beeinträchtigten Interessen der Allgemeinheit1186 vor allem im Bereich der Schadensersatzansprüche.1187 Mit Blick auf eventuelle Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche und deren oftmals zumindest auch wettbewerbsschützenden Charakter kommt der Verwirkungseinwand tatsächlich vornehmlich bei folgenden wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen in Betracht:1188 § 3 i.V.m. § 4 Nr. 7 – Herabsetzung;1189 § 3 i.V.m. § 4 Nr. 8 – Anschwärzung;1190 § 3 i.V.m. § 4 Nr. 9 – Leistungsschutz;1191 § 3 i.V.m. § 4 Nr. 10 – Behinderung von Mitbewerbern;1192 § 3 i.V.m. § 4 Nr. 11, §§ 17, 18 – Geheimnisschutz.1193

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4. Zeitfenster der Verwirkung. Der Eintritt der Verwirkung ist grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt zwischen der Entstehung und dem Untergang der betroffenen Rechtsposition möglich. Bei Ansprüchen ist insoweit insbesondere an einen Untergang durch Erfüllung zu denken.1194 Der Ablauf der eventuell einschlägigen Verjährungsfristen ist weder notwendige noch hinreichende Bedingung für den Eintritt der Verwirkung.1195 Die Verjährungsregeln sind allerdings Indizien für die Einschätzungen des Gesetzgebers zur zeitlichen Dimension einer Vertrauensbildung.1196 Insoweit können die Verjährungsfristen in § 11 für die Verwirkung im Lauterkeitsrecht fruchtbar gemacht werden. Im Gegensatz zur Verjährung ist das Wesen der Verwirkung gerade jedoch durch eine konkrete Vertrauensposition im Einzelfall geprägt, deren individuelles Gepräge richtigerweise jede schematische Lösung verbietet.1197 Begrenzt wird der zeitliche Anwendungsbereich der Verwirkung durch eine eventuelle Widerlegung der Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr im Rahmen von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen durch Zeitablauf ohne erneuten Verstoß. Kann die Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr widerlegt werden, so besteht bereits kein Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch mehr, dessen Durchsetzbarkeit durch eine Verwirkung entfallen könnte.

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5. Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten. Die eingetretene Verwirkung ruft zumindest bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise gleichartige Rechtfolgen hervor wie die ausgeübte Einrede der Verjährung, der Verzicht, bzw. Erlass und der Ablauf von materiellen oder prozessualen Ausschlussfristen. Gleichwohl unterscheiden sich die genannten Rechtsinstitute in ihren Voraussetzungen und ihrer dogmatischen Wirkung

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1185 BGH 18.1.2012 – I ZR 17/11 – GRUR 2012, 928 Tz. 20 ff. – Honda-Grauimport. Teplitzky Kap. 17 Rn. 4 in Fn. 12. A.A. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 35. 1186 Zu den Folgen der Beeinträchtigung der Interessen der Allgemeinheit vgl. nachstehend Rn. 330 ff. 1187 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 307. 1188 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 308. 1189 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 308, 346. 1190 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 308, 346. 1191 BGH 14.12.1995 – I ZR 240/93 – GRUR 1996, 210, 213 – Vakuumpumpen; BGH 12.7.2001 – I ZR 40/99 – GRUR 2002, 86, 91 – Laubhefter; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.14; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 308, 346. 1192 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 308. 1193 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.14; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 308, 346. 1194 BGH 26.9.1984 – IVa ZR 162/82 – BGHZ 92, 187. Jauernig/Mansel § 242 Rn. 56. 1195 Fritzsche Unterlassungsanspruch S. 516. 1196 MünchKommBGB/Roth/Schubert § 242 Rn. 337; Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 Rn. 314. 1197 Vgl. Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.29.

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I. Allgemeines

G. Verwirkung

erheblich. Die Verwirkung steht dabei grundsätzlich in freier Konkurrenz zu sämtlichen der genannten verwirkungsähnlichen Rechtsinstitute. a) Verjährung. Während die Verwirkung eine Einwendung begründet, führt die 299 Verjährung nur zu einer dauerhaften Einrede, die als solche im Prozess erhoben werden muss.1198 Die Verjährung (vgl. § 214 BGB) basiert anders als die Verwirkung auf dem rein objektiven Ablauf der vereinbarten oder normativ festgelegten Zeitspanne.1199 Ein Umstandsmoment in der Gestalt eines – wie auch immer gearteten – berechtigten Vertrauens ist für den Eintritt der Verjährung dagegen nicht erforderlich. Der Verjährung unterliegen nach § 194 Abs. 1 BGB nur Ansprüche, wohingegen der Anwendungsbereich der Verwirkung weiter und umfassender ist.1200 b) Ausschlussfristen, Verzicht, Erlass. Wie die Verjährung gründen auch materiel- 300 le und prozessuale Ausschlussfristen einzig auf dem Zeitablauf. Vom Verzicht lässt sich die Verwirkung insbesondere durch die für einen Verzicht als Rechtsgeschäft erforderliche mindestens konkludente Willensäußerung des Verzichtenden abgrenzen;1201 vom Erlass unterscheidet sich die Verwirkung vor allem durch den für diesen erforderlichen Erlassvertrag (vgl. § 397 BGB).1202 c) Ersitzung. In ihrer rechtlichen Wirkung spiegelbildlich zur Verwirkung ist die Er- 301 sitzung (für unbewegliche Sachen vgl. § 900 BGB, für bewegliche Sachen vgl. §§ 937–945 BGB). 1203 Die Ersitzung bezeichnet Erwerb an dinglichen Rechten, der dem Verlust derselben dinglichen Rechte auf anderer Seite gegenübersteht.1204 Die gesetzlich eröffnete Möglichkeit der Ersitzung steht der Möglichkeit einer Verwirkung der eventuellen entsprechenden, abgeleiteten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nicht entgegen.1205 Vorbehalte gegen die Verwirkung abgeleiteter Ansprüche sind allenfalls begründet, wenn und soweit die verwirkten Ansprüche den Kerngehalt des dinglichen Rechts betreffen und dieses faktisch entwerten.1206 Selbst dann ist die Verwirkung aber nicht gänzlich ausgeschlossen.1207 Diese Annahme steht im Einklang mit der Wertung des Gesetzgebers, wonach die entsprechenden Ansprüche, soweit sie nicht dem Anwendungsbereich von § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unterfallen, der Verjährung zu unterwerfen sind – weshalb eine dauerhafte Trennung der Inhaberschaft des Rechts von seinen wesensprägenden Ausübungsbefugnissen hinzunehmen ist.1208

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1198 Fritzsche Unterlassungsanspruch S. 516; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 299. 1199 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 299; Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 Rn. 313. Vgl. weiterhin jurisPK-BGB/Pfeiffer § 242 Rn. 91, der darauf hinweist, dass „der bloße Zeitablauf“ für die Verwirkung gerade nicht ausreichen soll. 1200 Vgl. Fritzsche Unterlassungsanspruch S. 516; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 33; jurisPK-BGB/Pfeiffer § 242 Rn. 98; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 294; Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 Rn. 304. 1201 jurisPK-BGB/Pfeiffer § 242 Rn. 106; Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 Rn. 305. 1202 Fritzsche Unterlassungsanspruch S. 516; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 300. 1203 Zum Verhältnis der Ersitzung zur Verwirkung, vgl. MünchKommBGB/Roth/Schubert § 242 Rn. 334. 1204 MünchKommBGB/Roth/Schubert § 242 Rn. 334. 1205 BGH 21.10.2005 – V ZR 169/04 – NJW-RR 2006, 235 Tz. 10. 1206 MünchKommBGB/Roth/Schubert § 242 Rn. 334. 1207 Vgl. MünchKommBGB/Baldus § 985 Rn. 40 ff. 1208 Vgl. MünchKommBGB/Baldus § 985 Rn. 40 ff.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

II. Tatbestandsvoraussetzungen II. Tatbestandsvoraussetzungen 302

Die Voraussetzungen der Verwirkung lauterkeitsrechtlicher Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche sind gesetzlich nicht geregelt. Dies gilt auch dann, wenn und soweit die normative Verankerung der Verwirkung in Abweichung zu der hier vertretenen Ansicht (siehe hierzu bereits vorstehend Rn. 285 ff.) nicht in § 242 BGB, sondern in Absatz 4 gesehen wird. Auch insoweit enthielte das Gesetz gerade nur den unbestimmten und damit ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff der Missbräuchlichkeit unter Berücksichtigung der gesamten Umstände. Sowohl die Gebote von Treu und Glauben als auch die Missbräuchlichkeit i.S.d. Absatz 4 sind demnach durch Rechtsprechung und Schrifttum auszulegen und auszufüllen.1209 Dabei werden die Tatbestandsvoraussetzungen zumeist kategorial in ein Zeit- und ein Umstandsmoment unterteilt.1210 Zeit- und Umstandsmoment befinden sich dabei in einer Wechselbeziehung1211 und bedürfen somit einer übergreifenden Gesamtwürdigung.1212 Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Verwirkung ausschließlich dem Vertrauensschutz dient. Ausschlaggebend ist daher stets die Perspektive des objektivierten Anspruchsschuldners in der konkreten Situation. Das Zeitmoment verliert dadurch zwar seine intrinsische Bedeutung, bleibt aber notwendige Voraussetzung des Einwands der Verwirkung und ist Ausdruck der Berechtigung bzw. Schutzwürdigkeit des Vertrauens. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Verwirkung sind daher im Folgenden unterteilt in das tatsächliche Vertrauen (sub 1.), die Berechtigung des Vertrauens (sub 2.) und den im Rahmen von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen erforderlichen wertvollen Besitzstand (sub 3.).

303

1. Tatsächliches Vertrauen. Grundvoraussetzung des Verwirkungseinwands ist zunächst stets ein tatsächliches Vertrauen des Anspruchsschuldners dahingehend, dass der Anspruchsgläubiger seinen Anspruch nicht mehr durchsetzen wird. Nur ein real existentes Vertrauen kann kausal zu entsprechenden Dispositionen führen, welche eine Inanspruchnahme unzumutbar machen.1213 Bei der Frage nach dem tatsächlichen Vertrauen handelt es sich um eine subjektive Tatsache, die im Prozess anhand objektiver Kriterien darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen ist. Die entsprechende Beweisführung dürfte insbesondere nach längerem Zeitablauf keine besonderen Probleme bereiten. Im Übrigen sind insoweit keine allzu hohen Anforderungen zu stellen.

304

2. Berechtigung des Vertrauens. Das Vertrauen des Anspruchsschuldners ist nur schutzwürdig, wenn und soweit es berechtigt ist. Die Berechtigung des Vertrauens bestimmt sich nach dem Verhalten von Anspruchsgläubiger sowie Anspruchsschuldner und ist normativ zu bestimmen.1214

305

a) Zeitmoment. Voraussetzung der Verwirkung ist, dass der Anspruchsgläubiger über einen längeren Zeitraum hinweg nicht gegen den jeweiligen Wettbewerbsverstoß

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1209 Vgl. Palandt/Grüneberg § 242 Rn. 2 m.w.N. 1210 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 32; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.13. 1211 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 32; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.18; Lange Rn. 5316. 1212 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 44; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 328, 333 ff. 1213 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 344. 1214 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 319 ff.; Teplitzky Kap. 17 Rn. 4 ff.

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II. Tatbestandsvoraussetzungen

G. Verwirkung

vorgegangen ist, obwohl ihm ein solches Vorgehen faktisch möglich und normativ zumutbar gewesen ist.1215 Im Fokus steht insoweit folglich – anders als bei dem kumulativ erforderlichen Umstandsmoment – der Anspruchsgläubiger.1216 Mit Blick auf den Sinn und Zweck des Rechtsinstituts der Verwirkung, nämlich berechtigtes Vertrauen gegen widersprüchliches Verhalten zu schützen, ist das Zeitmoment nur ein – wenngleich notwendiges – Indiz für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens.1217 In diesem Sinne ist auch die generelle Kritik1218 an der Äußerung des BGH, wonach selbst nach 150 Jahren nicht ohne weiteres die Kenntnis von irreführenden Bezeichnungen unterstellt werden könne,1219 unberechtigt. Der Zeitfaktor wird dabei nicht „schlechthin ad absurdum geführt“,1220 sondern gerade auf seinen Charakter als notwendige aber nicht hinreichende Voraussetzung beschränkt. Allerdings steigt der Begründungsaufwand bzw. die Darlegungslast, wenn und soweit trotz eines erheblichen Zeitablaufs das Rechtsinstitut der Verwirkung nicht zum Tragen kommen soll. Zeiträume, während derer dem Anspruchsgläubiger die Durchsetzung seiner Interessen unmöglich oder unzumutbar war, sind bei der Berechnung des maßgeblichen Duldungszeitraums nicht zu berücksichtigen.1221 aa) Möglichkeit. Die Möglichkeit der Wahrnehmung der eigenen Interessen ist zu- 306 nächst auf der Grundlage und am Maßstab der Kriterien des § 275 Abs. 1 BGB zu beurteilen. Rechtliche und tatsächliche Hindernisse können dabei einer Anspruchsdurchsetzung entgegenstehen.1222 Beispielhaft kann insbesondere auf einige der in §§ 206 ff. BGB betreffend die Hemmung der Verjährung beschriebenen Umstände verwiesen werden.1223 Dabei ist allerdings zu beachten, dass die §§ 206 ff. BGB sich nicht auf die faktische oder rechtliche Unmöglichkeit beschränken, sondern auch Elemente der Unzumutbarkeit der Anspruchsdurchsetzung enthalten. Die bloße Unkenntnis des Wettbewerbsverstoßes führt indes nur dann – unmittelbar – zu einer Unmöglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs, wenn und soweit auch die Kenntniserlangung unmöglich war. Im Übrigen stellt die aus der bloßen Unkenntnis resultierende Untätigkeit vielmehr ein Problem der Zumutbarkeit des Einschreitens in der Gestalt der Verschaffung der entsprechenden Kenntnisse dar.1224 bb) Zumutbarkeit. Trotz ihrer tatsächlichen Möglichkeit, kann die Anspruchsdurch- 307 setzung für den Verletzten unzumutbar sein. Im Ausgangspunkt ist die Anspruchsdurchsetzung bei Kenntnis der Sachlage grundsätzlich stets zumutbar.1225 Die Zumutbarkeit ist dann gerade indiziert. Auch bei Unkenntnis der konkreten anspruchsbegründenden Umstände ist die Anspruchsdurchsetzung allerdings als zumutbar anzusehen, wenn und

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1215 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.19; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 322. 1216 Vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 322, 324. 1217 Teplitzky Kap. 17 Rn. 5. 1218 Zur Kritik an der Entscheidung vgl. Teplitzky Kap. 17 Rn. 6 in Fn. 18. 1219 BGH 7.11.2002 – I ZR 276/99 – GRUR 2003, 628 – Klosterbrauerei. 1220 Teplitzky Kap. 17 Rn. 5 in Fn. 18. 1221 BGH 25.6.1969 – I ZR 26/68 – GRUR 1969, 615, 616 – Champi-Krone. Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 39; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.19; MünchKommUWG/ Fritzsche § 11 Rn. 322. 1222 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 39; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 323. 1223 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 323, mit konkreten Beispielen und w.N. 1224 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.19. 1225 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 325.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

soweit der Anspruchsgläubiger um seine Berechtigung hätte wissen müssen.1226 Insoweit können zur Unterlegung die Kriterien des § 122 Abs. 2 BGB herangezogen werden.1227 Den Anspruchsgläubiger trifft ferner grundsätzlich eine Marktbeobachtungsobliegenheit.1228 Diese Marktbeobachtungsobliegenheit umfasst das gesamte Marktumfeld, auf dem der Anspruchsgläubiger tätig wird und seine Interessen wahren möchte.1229 Der Umfang des diesbezüglich Zumutbaren wird von der Rechtsprechung zutreffend weit interpretiert.1230 In diesem Sinne beschränkt sich das Ausmaß des relevanten Marktumfelds nicht auf eine objektive Marktabgrenzung etwa im kartellrechtlichen Sinne, sondern resultiert aus dem jeweils beanspruchten Schutzumfang.1231 Ferner umfasst die Marktbeobachtungsobliegenheit die Einbeziehung verschiedener geeigneter Erkenntnisquellen.1232 308

cc) Zeitumfang. Ein Mindestzeitraum für die Annahme der Verwirkung lässt sich ebenso wenig bestimmen, wie sich ein hinreichender Zeitablauf generell ableiten lässt.1233 Der für eine Verwirkung erforderliche Zeitablauf bestimmt sich vielmehr nach den Gesamtumständen des Einzelfalls.1234 Einen belastbaren Anhalts- und Ausgangspunkt bieten insoweit die Verjährungsfristen. Aus den kurzen Verjährungsfristen des Lauterkeitsrechts (vgl. § 11 UWG) kann indes nicht ohne Weiteres gefolgert werden, dass eine Verwirkung bereits nach sechs Monaten akut wird.1235 Insbesondere zur rechtlichen Würdigung der identifizierten Ansprüche ist zugunsten des Anspruchsgläubigers eine ausreichende Frist einzustellen.1236 Regelmäßig werden für eine solche ausreichende Frist mehrere Jahre erforderlich sein.1237

309

b) Umstandsmoment. Das Umstandsmoment bezeichnet den von dem Verhalten des Anspruchsgläubigers ausgehenden Duldungsschein.1238 In diesem Duldungsschein manifestiert sich das Zeitmoment in Gestalt der berechtigterweise aus der Perspektive eines objektivierten Anspruchsschuldners in der konkreten Situation abgeleiteten Schlüsse.1239 Darüber hinaus umfasst das Umstandsmoment das Verhalten sowie die Rechtswir-

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1226 BGH 12.7.1984 – I ZR 49/82 – GRUR 1985, 72, 73 – Consilia; BGH 26.5.1988 – I ZR 227/86 – GRUR 1988, 776, 778 – PPC; BGH 2.2.1989 – I ZR 183/86 – GRUR 1989, 449, 452 – Maritim; MünchKommUWG/ Fritzsche § 11 Rn. 325. 1227 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 325. 1228 BGH 2.2.1989 – I ZR 183/86 – GRUR 1989, 449, 452 – Maritim; BGH 23.9.1992 – I ZR 251/90 – GRUR 1993, 151, 153 – Universitätsemblem. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 40; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.19; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 325; Teplitzky Kap. 17 Rn. 6. 1229 BGH 2.2.1989 – I ZR 183/86 – GRUR 1989, 449, 452 – Maritim; Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 40; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.19; Teplitzky Kap. 17 Rn. 5. 1230 Teplitzky Kap. 17 Rn. 6. 1231 Teplitzky Kap. 17 Rn. 6. 1232 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 325; Teplitzky Kap. 17 Rn. 6. 1233 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 328. 1234 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 328. 1235 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 328 f. 1236 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.19; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 328. 1237 Vgl. BGH 30.11.1989 – I ZR 191/87 – GRUR 1992, 329, 333 – AjS-Schriftenreihe; BGH 19.2.1998 – I ZR 138/95 – GRUR 1998, 1034, 1037 – Makalu. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 328, 331 m.w.N. und einer Vielzahl von Einzelfällen. 1238 BGH 10.11.1965 – Ib ZR 101/63 – GRUR 1966, 623, 626 – Kupferberg; BGH 19.12.2000 – X ZR 150/98 – GRUR 2001, 323 – Temperaturwächter. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 332. 1239 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.20.

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II. Tatbestandsvoraussetzungen

G. Verwirkung

kungen des Verhaltens des Anspruchsschuldners, womit eine umfassende Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls einhergeht.1240 aa) Vertrauensbegründung. Der Vertrauenstatbestand kann durch aktives Tun 310 oder durch die bloße passive Erduldung der Verletzungshandlung entstehen.1241 In diesem Zusammenhang muss das Verhalten des Verletzten eine Duldung nahelegen.1242 Der Anspruchsschuldner muss mithin begründeten Anlass haben, von der Kenntnis des Anspruchsgläubigers um die Verletzungshandlung ausgehen zu dürfen.1243 Für die vorzunehmende Beurteilung ist die Marktbeobachtungsobliegenheit1244 des Verletzten maßgeblich in die Betrachtung mit einzustellen. Die Grenzen der Marktbeobachtungsobliegenheit beschränken zudem die Vertrauensbegründung im Rahmen des Umstandsmoments.1245 Darüber hinaus kann sich der Verletzer in Ansehung des Grundsatzes von Treu und Glauben auch dann nicht auf die grundsätzlich bestehende Marktbeobachtungsobliegenheit des Anspruchsgläubigers berufen, wenn und soweit sein Verhalten gerade auf eine Verdeckung des Wettbewerbsverstoßes abzielte.1246 bb) Tatsächliche Unkenntnis des Verletzten. Die tatsächliche Unkenntnis des 311 Verletzten von dem jeweiligen Wettbewerbsverstoß steht der Begründung des Verwirkungseinwands – wie schon mit Blick auf das Zeitmoment1247 – auch im Rahmen des Umstandsmoments nicht zwingend entgegen.1248 Vielmehr ist die fehlende tatsächliche Kenntnis von dem fraglichen Wettbewerbsverstoß in die Gesamtwürdigung einzustellen und durch höhere Anforderungen an die Vertrauensbegründung zu berücksichtigen; so besteht etwa eine geringere Schutzwürdigkeit des Anspruchsgläubigers im Falle seiner Untätigkeit trotz Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß. cc) Bösgläubigkeit des Verletzers. Die Frage der eigenen Redlichkeit i.S.e. fehlen- 312 den Bösgläubigkeit des Verletzers ist elementarer Bestandteil eines Rechtsinstituts, das auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) gründet. Die Verwirkung setzt grundsätzlich die Redlichkeit des Verletzers über eine längere Zeitspanne voraus.1249 Dabei ist allerdings zwischen dem Zeitpunkt der Verletzungshandlung und der darauf folgenden Zeitspanne zu unterscheiden. (1) Zeitpunkt der Verletzungshandlung. Mittelbar über eine Bewertung der 313 Schutzwürdigkeit der betroffenen Interessen ist die Redlichkeit bzw. Bösgläubigkeit des

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1240 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 333 ff. 1241 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.20. 1242 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 332. 1243 BGH 15.9.1999 – I ZR 57/97 – GRUR 2000, 144, 146 – Comic Übersetzungen II; BGH 7.11.2002 – I ZR 276/99 – GRUR 2003, 628, 630 – Klosterbrauerei. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 40; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 333. 1244 Zur Marktbeobachtungsobliegenheit vgl. oben Rn. 307. 1245 Vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 333. 1246 BGH 27.6.1957 – II ZR 15/56 – BGHZ 25, 47, 53 = NJW 1957, 1358; BGH 3.4.1963 – Ib ZR 162/61 –GRUR 1963, 430, 433 – Erdener Treppchen; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 40; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 342 m.w.N. 1247 Zur Berücksichtigung von Zeitintervallen trotz Unkenntnis des Verletzten, vgl. Rn. 306. 1248 BGH 24.6.1993 – I ZR 187/91 – GRUR 1993, 913, 914 f. – KOWOG. Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 40; Lange Rn. 5335. 1249 BGH 30.11.1989 – I ZR 191/87 – GRUR 1992, 329, 333 – AjS-Schriftenreihe. Lange Rn. 5349; Teplitzky Kap. 17 Rn. 14.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

Verletzers im Zeitpunkt des Verstoßes zu berücksichtigen.1250 Die anfängliche Bösgläubigkeit verlängert den für die Entstehung eines hinreichenden Vertrauenstatbestands erforderlichen Zeitablauf. Zudem erhöhen sich die Anforderungen an die sonstigen vertrauensbildenden Verhaltensweisen. 1251 Zwar entfällt die Redlichkeit in Übereinstimmung mit den allgemeinen Regeln bereits bei grob fahrlässiger Unkenntnis von der Wettbewerbswidrigkeit des eigenen Verhaltens.1252 Allein aus der Berühmtheit eines Zeichens kann aber insbesondere dann noch nicht auf die (grobe) Fahrlässigkeit des Verletzers geschlossen werden, wenn und soweit die Zeichen eine nur geringe, für den Verletzer nicht ohne weiteres erkennbare Ähnlichkeit aufweisen. 1253 Die Redlichkeit oder Bösgläubigkeit bilden zudem keine starre Grenze hinsichtlich der dann erhöhten Anforderungen an die Entstehung berechtigten Vertrauens.1254 Vielmehr steigen nur die entsprechenden Hürden mit der Nähe zum Vorsatz und sodann innerhalb der Kategorie des Vorsatzes mit der Nähe zur Absicht.1255 Ein genereller Ausschluss der Verwirkung ist in keinem Fall anfänglicher Bösgläubigkeit anzunehmen.1256 314

(2) Rechtsprechung des BGH. Die Entscheidungen des BGH zum Verhältnis von Redlichkeit und Verwirkung in den Rechtssachen „Mac Dog“,1257 „KOWOG“,1258 „Maritim“1259 und „Bleiarbeiter“1260 zeichnen indes keine klare Linie und sind nicht sämtlich mit den

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1250 BGH 4.6.1969 – I ZR 115/67 – GRUR 1969, 694, 696 – Billant; BGH 2.2.1989 – I ZR 183/86 – GRUR 1989, 449, 453 – Maritim; BGH 24.6.1993 – I ZR 187/91 – GRUR 1993, 913, 914 – KOWOG. Weiterhin aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 44; Köhler/ Bornkamm § 11 Rn. 2.21; Teplitzky Kap. 17 Rn. 15. 1251 BGH 2.2.1989 – I ZR 183/86 – GRUR 1989, 449, 452 – Maritim; BGH 24.6.1993 – I ZR 187/91 – GRUR 1993, 913, 914 – KOWOG; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 342; Lange Rn. 5326; Teplitzky Kap. 17 Rn. 15. 1252 Teplitzky Kap. 17 Rn. 15. 1253 BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – GRUR 1963, 478, 481 – Bleiarbeiter. 1254 BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – GRUR 1963, 478, 481 – Bleiarbeiter. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 343; Teplitzky Kap. 17 Rn. 17. 1255 BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – GRUR 1963, 478, 481 – Bleiarbeiter. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 343. 1256 BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – GRUR 1963, 478, 481 – Bleiarbeiter; Ingerl/Rohnke § 21 Rn. 32. A.A. dagegen BGH 30.4.1998 – I ZR 268 / 95 – GRUR 1999, 161, 164 – MAC Dog; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.21; Lange Rn. 5326, 5336; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 343. 1257 BGH 30.4.1998 – I ZR 268/95 – GRUR 1999, 161, 164 – MAC Dog: „Sollte das BerG wiederum zu der Annahme gelangen, daß der Bekl. mit den Bezeichnungen „MAC Dog“ und „MAC Cat“ bewusst auf die bekannten Marken der Kl. Bezug genommen hat, kommt eine Verwirkung schon deshalb nicht in Betracht, weil es dann auf seiten des Bekl. an einer redlichen Benutzung fehlen würde […].“ 1258 BGH 24.6.1993 – I ZR 187/91 – GRUR 1993, 913, 914 – KOWOG: „Das BerG ist zutreffend davon ausgegangen, daß ein Erfolg des Verwirkungseinwands nach der Rechtsprechung des BGH voraussetzt, dass durch eine länger dauernde redliche und ungestörte Benutzung einer Kennzeichnung ein Zustand geschaffen worden ist, der für den Benutzer einen beachtlichen Wert hat, ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben muss und den ihm auch der Verletzer nicht streitig machen kann, wenn er durch sein Verhalten diesen Zustand erst ermöglicht hat […]“. 1259 BGH 2.2.1989 – I ZR 183/86 – GRUR 1989, 449, 453 – Maritim: „Bei einer abschließenden Prüfung […] wird das BerG auch zu beachten haben, daß der Verwirkungseinwand grundsätzlich weder die anfängliche Gutgläubigkeit […] noch einen im späteren Verlauf gewonnenen Glauben des Verletzers an die eigene Berechtigung voraussetzt […]“. 1260 BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – GRUR 1963, 478, 481 – Bleiarbeiter: „Das BerG ist zur Verneinung der Verwirkung entscheidend deshalb gelangt, weil es die Bekl. als „bösgläubige“ Benutzerin des Zeichens angesehen hat mit der Folge, dass ein längerer Zeitraum verstrichen sein müsse, um den Verwirkungseinwand zu begründen. Der BGH hat eine solche Verschärfung des Maßstabs für den Fall eines „bewußt rechtswidrigen Besitzstands gefordert […].“ Und weiter: „Aus der Natur des Verwirkungseinwands folgt aber, daß in Bezug auf die Schuldform des Verletzers keine starren Regeln aufgestellt werden dürfen; es läßt sich nur allgemein sagen, daß die Anforderungen an die Verwirkung um so strenger sein müssen, je weniger der Benutzer redlich gehandelt hat […].“.

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II. Tatbestandsvoraussetzungen

G. Verwirkung

Grundsätzen von Treu und Glauben zu vereinbaren:1261 Die Entscheidungen „KOWOG“, „Maritim“ und „Bleiarbeiter“ stehen dabei nur in scheinbarem Widerspruch zueinander: Die Redlichkeit mit Blick auf die bloße Duldung ist nämlich von dem Glauben an eine zwischenzeitliche Entstehung einer Berechtigung oder gar an eine vorherige Fehleinschätzung zu unterscheiden.1262 Erforderlich ist nur die (spätere) Redlichkeit bezogen auf eine Duldung durch den Anspruchsgläubiger.1263 Selbst ein anfänglich bösgläubiger Verletzer kann also redlich werden, indem er inzwischen von einer Duldung seines Verhaltens ausgeht.1264 Nicht zu vereinbaren sind diese Grundsätze jedoch mit der Entscheidung „MAC Dog“. Hier schließt der BGH für den Fall der vorsätzlichen Verletzung einer bekannten Marke eine Verwirkung mangels redlicher Benutzung kategorisch aus.1265 Eine vorsätzliche Verletzungshandlung, also eine anfängliche Bösgläubigkeit, schließt aber ein zwischenzeitliches, berechtigtes Vertrauen auf eine entsprechende Duldung gerade nicht generell aus.1266 Lediglich dieses Vertrauen auf eine Duldung der Verletzung ist unabdingbare Voraussetzung der Verwirkung.1267 Entgegen der Entscheidung „MAC Dog“ ist daher auch bei vorsätzlichen Verletzungshandlungen eine Verwirkung denkbar.1268 Die Anforderungen an die Vertrauensbildung sind folglich entsprechend anzupassen.1269 (3) Nachträgliche Bösgläubigkeit. Ein ursprünglich gutgläubiger Verletzer – Besei- 315 tigungs- oder Unterlassungsansprüche entstehen unabhängig von Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Verletzers – kann auch nach der Anspruchsentstehung bösgläubig werden.1270 Die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der fehlenden Duldung läuft auch insoweit der Bildung bzw. dem Fortbestehen eines berechtigten Vertrauens zuwider.1271 Nach Ansicht der Rechtsprechung dürfen die Zeiträume vor Beseitigung der Redlichkeit, zumindest wenn und soweit die nachträgliche Bösgläubigkeit aus eingeleiteten Rechtsverfolgungsmaßnahmen resultiert, gleichwohl nicht vollständig außer Acht bleiben.1272 In den übrigen Fällen erscheint aber eine Berücksichtigung des Zeitablaufs vor einer entsprechenden Zensurwirkung unter rein objektiven Kausalitätsgesichtspunkten nicht unproblematisch, da der bislang entstandene Duldungsschein schließlich gerade umfassend widerlegt wurde. Diese Widerlegung hat grundsätzlich zur Folge, dass in Bezug auf das Zeitmoment eine neue Zeitrechnung beginnt. In diese neue Zeitrechnung ist nun-

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1261 Ingerl/Rohnke § 21 Rn. 31 f. 1262 BGH 27.10.1959 – I ZR 76/58 – GRUR 1960, 183, 186 – Kosaken-Kaffee. Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 44. A.A. wohl Lange Rn. 5349, der den guten Glauben an die Berechtigung und die Duldung synonym verwendet. 1263 Teplitzky Kap. 17 Rn. 15. 1264 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 44; Teplitzky Kap. 17 Rn. 15. 1265 BGH 30.4.1998 – I ZR 268/95 – GRUR 1999, 161, 164 – MAC Dog. Ebenso Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.21; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 343. Mit guten Gründen kritisch allerdings Ingerl/Rohnke § 21 Rn. 32. 1266 BGH 24.6.1993 – I ZR 187/91 – GRUR 1993, 913, 914 – KOWOG. Ingerl/Rohnke § 21 Rn. 32. 1267 BGH 24.6.1993 – I ZR 187/91 – GRUR 1993, 913, 914 – KOWOG. 1268 BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – GRUR 1963, 478, 481 – Bleiarbeiter. Ingerl/Rohnke § 21 Rn. 32. 1269 BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – GRUR 1963, 478, 481 – Bleiarbeiter. Teplitzky Kap. 17 Rn. 17. 1270 Teplitzky Kap. 17 Rn. 16. 1271 BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – 1963, 478, 480 – Bleiarbeiter; BGH 26.5.1988 – I ZR 227/86 – GRUR 1988, 776, 778 f. – PPC. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 337. 1272 Unter Bezugnahme auf den Wegfall des guten Glaubens durch die Einleitung von Rechtsverfolgungsmaßnahmen BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – GRUR 1963, 478, 481 – Bleiarbeiter. Ebenso Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.23.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

mehr grundsätzlich der Umstand der Bösgläubigkeit bei der Bewertung der Verwirkungskriterien entsprechend vertrauensmindernd einzustellen. 316

(4) Rechtsverfolgungsmaßnahmen. Rechtsverfolgungsmaßnahmen des Verletzten, insbesondere außerprozessuale Verwarnungen oder Abmahnungen, erschüttern im Regelfall einen etwaig bestehenden guten Glauben des Verletzers an die Duldung seiner Verhaltensweisen1273 und stehen einem unmittelbaren weiteren Vertrauensaufbau durch bloßen Zeitablauf zunächst entgegen.1274 Die Zeitspanne zwischen Verwarnung und alsbald folgendem Prozess – im entschiedenen Fall immerhin rund 16 Monate – ist dann nicht als vertrauensbildend zu berücksichtigen.1275 Resultiert die Bösgläubigkeit aus dem Beginn von gerichtlichen oder außergerichtlichen Durchsetzungsmaßnahmen durch den Verletzten, kann aber gerade daraus wiederum eine berechtigte Erwartung der alsbaldigen Fortsetzung der Rechtsdurchsetzung resultieren.1276 Bleibt eine solche unmittelbare Inanspruchnahme aus, wirkt die berechtigte Erwartung vertrauensbildend hinsichtlich einer Duldung der Verletzungshandlung.1277 Gleiches ergibt sich aus normativen Erwägungen, denn nach längerer Duldung kann von einem Verletzten als Resultat einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen nach Treu und Glauben berechtigterweise erwartet werden, den Anspruch schneller durchzusetzen als ohne eine entsprechende vorherige Duldung. Allerdings dürfen allfällige Zeiträume vor und nach Erlöschen des guten Glaubens durch Rechtsverfolgungsmaßnahmen nicht unbesehen mathematisch addiert werden. Die entsprechenden Zeiträume und das daraus resultierende berechtigte Vertrauen sind vielmehr wertend in die Gesamtabwägung einzustellen.1278

317

(5) Vollständige Erfüllung des Vertrauenstatbestands. Andere Auswirkungen ergeben sich, wenn und soweit das für eine Verwirkung erforderliche Vertrauen des Anspruchsschuldners im Zeitpunkt des Eintritts der Bösgläubigkeit schon vollumfänglich besteht. Der einmal verwirkte Anspruch kann durch die Begründung der Bösgläubigkeit des Verletzers grundsätzlich gerade nicht wieder aufleben. Das Rechtsinstitut der Verwirkung würde ansonsten in seiner Wirkung regelmäßig leerlaufen, da spätestens durch die substantiierte Geltendmachung des Anspruchs der gute Glaube des Verletzers an die Duldung der Verletzungshandlung oder die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens entfällt.

318

(6) Wiederholte gleichartige Verletzungen. Anders verhält es sich bei wiederholten gleichartigen Verletzungshandlungen nach dem Eintritt der Bösgläubigkeit (zu wiederholten, gleichartigen Verletzungshandlungen vgl. vorstehend Rn. 293 ff.). Diese Verletzungshandlungen begründen jeweils neue, selbständige Ansprüche, die getrennt voneinander nach den allgemeinen Grundsätzen zu bewerten sind (vgl. hierzu vorstehend Rn. 294). Es handelt sich insoweit um eigenständige Verletzungshandlungen mit anfänglicher Bösgläubigkeit des Verletzers.

319

dd) Unmittelbare Geschäftsbeziehungen. Von einem unmittelbaren Geschäftspartner kann der Verletzer „eher und schneller“ eine Beanstandung seines Wettbewerbs-

_____ 1273 1274 1275 1276 1277 1278

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Teplitzky Kap. 17 Rn. 16. BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – GRUR 1963, 478, 480 – Bleiarbeiter. BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – GRUR 1963, 478, 480 – Bleiarbeiter. Teplitzky Kap. 17 Rn. 7. Teplitzky Kap. 17 Rn. 7. BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – GRUR 1963, 478, 481 – Bleiarbeiter.

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II. Tatbestandsvoraussetzungen

G. Verwirkung

verstoßes erwarten als von einem Dritten.1279 Im Rahmen einer Geschäftsbeziehung darf der Verletzer grundsätzlich davon ausgehen, dass sein Verhalten dem Anspruchsgläubiger bekannt ist.1280 Aus nur gelegentlichen geschäftlichen Kontakten kann indes kein berechtigter Schluss auf eine Kenntnis des Verletzten gezogen werden.1281 Reicht das Verhältnis der Beteiligten jedoch über eine einfache Geschäftsbeziehung hinaus, etwa bei einer arbeitsteiligen Zusammenarbeit (z.B. einem gemeinsamen Vertrieb der Produkte), so kommt ein Wettbewerbsverstoß unter Umständen beiden Beteiligten zugute.1282 Für das formal in seinen Rechten verletzte Unternehmen besteht womöglich gar kein Anlass gegen die Verletzungshandlung vorzugehen.1283 In diesem Sinne ergeben sich für den Verletzer dann keine belastbaren Rückschlüsse auf eine Duldung der Verletzungshandlung über den Zeitraum der Zusammenarbeit hinaus.1284 Entsprechende Erwägungen greifen betreffend die Frage nach der Zumutbarkeit eines Einschreitens des Verletzten;1285 den Verletzten trifft keine Obliegenheit zum eigenen Nachteil eine bestehende enge Zusammenarbeit durch die Geltendmachung seiner Ansprüche in ihrem Bestand zu gefährden.1286 Das Bestehen von Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien kann mithin in Abhängigkeit ihrer Intensität einer Verwirkung entgegenstehen oder deren Eintritt befördern.1287 Jedenfalls nach Beendigung der jeweiligen Geschäftsbeziehung ist dann aber demnächst mit einer Anspruchsdurchsetzung zu rechnen.1288 ee) Sonstige Umstände des Einzelfalls. Sämtliche sonstigen Umstände des Einzel- 320 falls können die Vertrauensbildung beeinflussen.1289 Sind die Beteiligten etwa am selben Ort tätig, so liegt eine Kenntnis der Verletzungshandlung und mithin eine tatsächliche Duldung jedenfalls nahe.1290 Eine umfangreiche Werbeaktion lässt für sich genommen dagegen noch keine zeitnahe Inanspruchnahme erwarten.1291 3. Wertvoller Besitzstand a) Anwendungsbereich. Die Existenz eines wertvollen Besitzstandes ist keine ge- 321 nerelle Voraussetzung der Verwirkung von Ansprüchen.1292 Vielmehr bedarf es dieses

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1279 BGH 13.2.1970 – I ZR 51/68 – GRUR 1970, 308, 310 – Duraflex; BGH 26.5.1988 – I ZR 227/86 – GRUR 1988, 776, 778 – PPC; BGH 21.4.1994 – I ZR 22/92 – GRUR 1994, 652, 654 – Virion; BGH 14.10.1999 – I ZR 90/97 – GRUR 2000, 605, 607 – comtes/Com Tel. Weiterhin aus dem Schrifttum Lange Rn. 5322; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 338; Teplitzky Kap. 17 Rn. 7. 1280 Ingerl/Rohnke § 21 Rn. 36. 1281 BGH 26.5.1988 – I ZR 227/86 – GRUR 1988, 776, 778 – PPC; BGH 14.10.1999 – I ZR 90/97 – GRUR 2000, 605, 607 – comtes/Com Tel. Ingerl/Rohnke § 21 Rn. 36; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 338. 1282 BGH 22.11.1984 – I ZR 101/82 – GRUR 1985, 389, 390 – Familienname. Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 41; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 339. 1283 BGH 22.11.1984 – I ZR 101/82 – GRUR 1985, 389, 390 – Familienname. Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 41; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 338. 1284 BGH 22.11.1984 – I ZR 101/82 – GRUR 1985, 389, 390 – Familienname. A.A. Teplitzky Kap. 17 Rn. 6. 1285 A.A. Teplitzky Kap. 17 Rn. 6. 1286 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 339. Zur Zumutbarkeit der Geltendmachung eigener Ansprüche vgl. oben Rn. 307. 1287 Vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 338 f. 1288 BGH 22.11.1984 – I ZR 101/82 – GRUR 1985, 389, 390 – Familienname. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 339; Teplitzky Kap. 17 Rn. 6. 1289 Vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 336, der auf eine Vielzahl von Einzelfällen verweist. 1290 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 336; Teplitzky Kap. 17 Rn. 7. 1291 BGH 8.7.1964 – I b ZR 177/62 – GRUR 1967, 490, 495 – Pudelzeichen. Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.22; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 336. 1292 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 319 f.; Teplitzky Kap. 17 Rn. 9.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

zusätzlichen Tatbestandsmerkmals nur dann, wenn und insoweit der Schutz des Vertrauens auf eine Duldung der Verletzungshandlung anderenfalls nicht geeignet ist, eine entsprechende Durchsetzungssperre zu rechtfertigen.1293 322

aa) Schadensersatz. Der Einwand der Verwirkung gegenüber eventuellen Schadensersatzansprüchen setzt, anders als gegenüber Beseitigungs- oder Unterlassungsbegehren, die Begründung eines wertvollen Besitzstandes nicht voraus.1294 Im Falle der Verwirkung von Schadensersatzansprüchen wird dem Verletzer für die Zukunft schließlich gerade keine Fortsetzung seines Verhaltens ermöglicht.1295 Erforderlich, aber auch ausreichend ist daher, dass der Verletzer berechtigterweise darauf vertraut hat, keinen finanziellen Belastungen durch die Realisierung von Schadensersatzansprüchen mehr ausgesetzt zu sein.1296 Eine anderweitige Bewertung ist allerdings geboten, wenn und soweit die Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB zu einer Beseitigungs- oder Unterlassungsverpflichtung führen würde.1297 Gleichwohl resultiert aus dem Verzicht auf das Besitzstandserfordernis keine automatische Absenkung der Hürden einer Verwirkung im Vergleich zum Unterlassungsanspruch.1298 Vielmehr können im Gegenzug mit Blick auf die Zumutbarkeit einer Inanspruchnahme für den Schadensersatz(-anspruch) gesteigerte Anforderungen an das Vertrauensmoment zu stellen sein.1299 Im Ergebnis ist es durchaus möglich, dass ein Unterlassungsanspruch in Ansehung eines wertvollen Besitzstandes verwirkt ist, der entsprechende Schadensersatzanspruch aber durchsetzbar bleibt. 1300 Darüber hinaus ist die Aufrechterhaltung eines Bereicherungsanspruchs denkbar,1301 der ein eventuelles Vertrauen noch weniger intensiv tangiert. Die Verwirkung eines Bereicherungsanspruchs setzt – ebenso wie die eines die Rechtsdurchsetzung vorbereitenden Auskunftsanspruchs – nicht die Existenz eines wertvollen Besitzstands voraus.1302

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bb) Beseitigung und Unterlassung. Die Existenz eines wertvollen Besitzstandes ist nur im Rahmen der Verwirkung von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen erforderlich.1303 Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche sind im Gegensatz zu Ansprüchen

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1293 Lange Rn. 5309 f. 1294 BGH 26.5.1988 – I ZR 227/86 – GRUR 1988, 776, 778 – PPC; BGH 19.12.2000 – X ZR 150/98 – GRUR 2001, 323, 325 – Temperaturwächter. Weiterhin aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 35; Lange Rn. 5309 f.; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 319, 345; Teplitzky Kap. 17 Rn. 9. 1295 BGH 19.12.2000 – X ZR 150/98 – GRUR 2001, 323, 325 – Temperaturwächter. Lange Rn. 5310. 1296 BGH 19.12.2000 – X ZR 150/98 – GRUR 2001, 323, 325 – Temperaturwächter. HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann Vorb. zu § 8 Rn. 32. 1297 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 345. 1298 BGH 19.12.2000 – X ZR 150/98 – GRUR 2001, 323, 325 – Temperaturwächter. Lange Rn. 5310. A.A. dagegen wohl MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 346, der wegen der Voraussetzung eines wertvollen Besitzstandes die Hürden einer Verwirkung bei Unterlassungsansprüchen generell als strenger ansieht. 1299 BGH 19.12.2000 – X ZR 150/98 – GRUR 2001, 323, 325 – Temperaturwächter. HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 35. 1300 BGH 19.12.2000 – X ZR 150/98 – GRUR 2001, 323, 325 – Temperaturwächter. HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 35. 1301 BGH 19.12.2000 – X ZR 150/98 – GRUR 2001, 323, 325 – Temperaturwächter. 1302 Lange Rn. 5311 f. 1303 BGH 12.7.1984 – I ZR 49/82 – GRUR 1985, 72, 73 – Consilia; BGH 2.2.1989 – I ZR 183/86 – GRUR 1989, 449, 452 – Maritim; BGH 24.6.1993 – I ZR 187/91 – GRUR 1993, 913, 914 – KOWOG; BGH 19.12.2000 – X ZR 150/98 – GRUR 2001, 323, 325 – Temperaturwächter; Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 362; MünchKommUWG/ Fritzsche § 11 Rn. 345; Teplitzky Kap. 17 Rn. 9.

Paal

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II. Tatbestandsvoraussetzungen

G. Verwirkung

auf Schadensersatz zukunftsgerichtet.1304 Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kann eine Untersagung künftigen wettbewerbswidrigen Verhaltens nur dann unverhältnismäßig sein, wenn gerade dadurch in die Vermögenssubstanz des Anspruchsschuldners eingegriffen wird. Die bloße Einschränkung bzw. Beseitigung künftiger zusätzlicher Erwerbschancen genügt demgegenüber insoweit nicht. b) Besitzstand. Unter Besitzstand versteht man die Ertragsgrundlage eines Unter- 324 nehmens oder Teile hiervon, sprich die „sachlich-wirtschaftliche […] Basis für die künftige wirtschaftliche Betätigung des Verletzers“.1305 Hierbei muss es sich um materielle oder immaterielle Werte handeln, die durch eine gedachte Beseitigungs- oder Unterlassungspflicht ansonsten gefährdet würden. Jeder Gegenstand wirtschaftlichen Werts kommt hierfür grundsätzlich in Betracht;1306 so kann auch eine bloße Werbeaussage grundsätzlich einen solchen Besitzstand beinhalten bzw. darstellen.1307 In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass im Falle wettbewerbswidriger Werbung mit dem Wert des Besitzstandes auch die Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses in der Gestalt eines Schutzes vor Irreführung steigt und eine Verwirkung dann dadurch eventuell ausgeschlossen wird.1308 Eine Übertragbarkeit des geschützten Besitzstandes ist wegen der nur relativen Wirkung des Vertrauens1309 zumindest im Rahmen der Einzelrechtsnachfolge grundsätzlich abzulehnen.1310 Im Kontext der Gesamtrechtsnachfolge erscheint ein Einrücken in die Vertrauensposition hingegen als grundsätzlich möglich.1311 c) Entstehungszeitpunkt. Der nunmehr wertvolle Besitzstand muss vor der Zer- 325 störung des Vertrauenstatbestands durch eventuelle Rechtsverfolgungsmaßnahmen entstanden sein.1312 Anderenfalls fehlt es bereits an der Kausalität des Duldungsscheins für die Begründung des wertvollen Besitzstandes, denn nach der Zerstörung des Vertrauenstatbestands kann der Anspruchsschuldner nicht mehr im Vertrauen auf eine Duldung schutzwürdige Dispositionen getroffen haben. Auf die dann ebenfalls fehlende Schutzwürdigkeit im normativen Sinne kommt es deshalb nicht mehr an.1313 d) Werthaltigkeit. Schutzwürdig ist nur ein wertvoller Besitzstand.1314 Unverhält- 326 nismäßig wird ein Eingriff in die Vermögenssubstanz erst mit dem nicht unerheblichen Umfang der dadurch zerstörten Vermögenswerte; anderenfalls überwiegt das Interesse an der Unterbindung des unlauteren Verhaltens.

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1304 Lange Rn. 5309. 1305 BGH 19.12.2000 – X ZR 150/98 – GRUR 2001, 323, 325 – Temperaturwächter; MünchKommUWG/ Fritzsche § 11 Rn. 347; Teplitzky Kap. 17 Rn. 10. 1306 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 347. 1307 BGH 17.10.1984 – I ZR 187/82 – GRUR 1985, 140, 141 – Größtes Teppichhaus der Welt; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 349; Teplitzky Kap. 17 Rn. 11. 1308 BGH 17.10.1984 – I ZR 187/82 – GRUR 1985, 140, 141 f. – Größtes Teppichhaus der Welt; Teplitzky Kap. 17 Rn. 11. 1309 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 298. 1310 Teplitzky Kap. 17 Rn. 10. A.A. dagegen wohl MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 363. 1311 Vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 363, der die Möglichkeit einer Rechtsnachfolge generell als möglich ansieht; Teplitzky Kap. 17 Rn. 7, der die Übertragbarkeit „eher“ ablehnt. 1312 BGH 28.1.1966 – Ib ZR 29/64 – GRUR 1966, 427, 430 – Prince Albert; BGH 6.5.2004 – I ZR 223/01 – GRUR 2004, 783, 785 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRFLEX. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 44; Lange Rn. 5307, der sich insoweit auf Schadensersatzansprüche bezieht; Teplitzky Kap. 17 Rn. 12. 1313 Vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 44; Teplitzky Kap. 17 Rn. 12 – beide jeweils auf die fehlende Schutzwürdigkeit abstellend. 1314 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 348; Teplitzky Kap. 17 Rn. 13; Teplitzky Kap. 17 Rn. 10.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

327

aa) Bewertungskriterien. Die Werthaltigkeit des Besitzstands ist relativ mit Blick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit des konkreten Verletzers zu bestimmen.1315 So soll die Werthaltigkeit gerade die Unzumutbarkeit einer Anspruchsdurchsetzung begründen. Die Frage der Unzumutbarkeit einer entsprechenden Belastung hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere betreffend den konkreten Verletzer, ab.1316 Für den konkreten Verletzer muss sich die Vernichtung des Besitzstandes als empfindliches Übel darstellen; eine absolute Bestimmung der Übelhaftigkeit würde Großunternehmen unangemessen begünstigen.1317 Daher muss auch bei der Bewertung von Bezeichnungen auf den relevanten Kundenkreis abgestellt werden.1318 Wertbestimmend wirkt insoweit neben dem Umfang auch die spezifische Zusammensetzung des Kundenkreises:1319 Je kleiner, spezieller und professioneller die Zielgruppe der potentiellen Abnehmer des Anspruchsschuldners ist, desto eher ist ihm eine Aufgabe seiner Bekanntheitsstellung zuzumuten.1320 Je stärker der Verletzer demgegenüber vom Endkundengeschäft abhängig ist, desto werthaltiger und damit schützenswerter ist seine Position.1321 Bei Beurteilung der Werthaltigkeit maßgeblich ist gleichwohl nicht die eventuell unvernünftige subjektive Perspektive des Verletzers, sondern vielmehr eine objektivierte Perspektive. Daher muss der Besitzstand auch objektiv für den konkreten Verletzer wirtschaftlich besonders bedeutend sein.1322 Außer Betracht bleiben demgegenüber die finanziellen Verhältnisse bzw. der Geschäftsumfang des Anspruchsgläubigers.1323 Der Besitzstand und dessen Werthaltigkeit dürfen nicht nur vorübergehender Natur sein.1324

328

bb) Mindestwert. Zur quantitativen Bestimmung des Mindestwerts des Besitzstandes bedarf es wiederum einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.1325 Dabei kann die Vermögenseinbuße durch die Beseitigungs- oder Unterlassungsverpflichtung in Relation zu Umsatz1326 und Gewinn1327 des Anspruchsschuldners gesetzt werden. Im Falle einer Kennzeichnung ist der Bekanntheitsgrad der Kennzeichnung durch die Benutzung in die Betrachtung mit einzustellen.1328 Zur Berechnung des Wertes des

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1315 Lange Rn. 5346; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 349; Teplitzky Kap. 17 Rn. 13. 1316 Lange Rn. 5346. 1317 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 349; Teplitzky Kap. 17 Rn. 13. 1318 Teplitzky Kap. 17 Rn. 13. 1319 Lange Rn. 5344; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 349. 1320 BGH 10.11.1965 – Ib ZR 101/63 – GRUR 1966, 623, 626 – Kupferberg; BGH 26.9.1980 – I ZR 69/78 – GRUR 1981, 60, 62 – Sitex; BGH 14.3.1985 – I ZR 66/83 – GRUR 1985, 930, 931 – JUS Steuerberatungsgesellschaft; BGH 2.2.1989 – I ZR 183/86 – GRUR 1989, 449, 451 – Maritim; Lange Rn. 5344, 5346; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 349. 1321 BGH 2.2.1989 – I ZR 183/86 – GRUR 1989, 449, 451 – Maritim; Lange Rn. 5344, 5346. 1322 BGH 26.5.1988 – I ZR 227/86 – GRUR 1988, 776, 778 – PPC; BGH 2.2.1989 – I ZR 183/86 – GRUR 1989, 449, 451 – Maritim; BGH 7.6.1990 – I ZR 298/88 – GRUR 1990, 1042, 1046 – Datacolor. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 348. 1323 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 349. 1324 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 349; Teplitzky Kap. 17 Rn. 13. 1325 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 43 f. 1326 BGH 2.2.1989 – I ZR 183/86 – GRUR 1989, 449, 451 – Maritim; BGH 7.6.1990 – I ZR 298/88 – GRUR 1990, 1042, 1046 – Datacolor; BGH 8.7.1993 – I ZR 174/91 – GRUR 1993, 151, 154 – Universitätsemblem, insoweit nicht enthalten in: BGHZ 119, 237; BGH 24.6.1993 – I ZR 187/91 – GRUR 1993, 913, 915 – KOWOG. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 43 f.; Lange Rn. 5342. 1327 BGH 30.11.1989 – I ZR 191/87 – GRUR 1992, 329, 333 – AjS-Schriftenreihe. Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 43 f.; Lange Rn. 5342. 1328 BGH 30.11.1989 – I ZR 191/87 – GRUR 1992, 329, 333 – AjS-Schriftenreihe. Lange Rn. 5341; Teplitzky Kap. 17 Rn. 11.

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II. Tatbestandsvoraussetzungen

G. Verwirkung

Besitzstandes kann außerdem auf „Art und Umfang der unter der Verwendung der fraglichen Kennzeichnung betriebenen Werbung, die Rückschlüsse auf den Bekanntheitsgrad der Bezeichnung und den Umfang des erworbenen Besitzstandes zulässt“ abgestellt werden.1329 Nach der Rechtsprechung des BGH wesentlich sind insoweit aber nicht unmittelbar die getätigten Investitionen in Gestalt des Werbeaufwands, sondern die gezogenen Rückschlüsse.1330 Investitionen können allenfalls ein Indiz für den momentanen Wert darstellen und die Unzumutbarkeit kann nur aus dem momentanen Wert resultieren. 4. Kausalität. Die Kausalität muss in doppelter Hinsicht bestehen.1331 Zunächst 329 muss das tatsächliche Vertrauen auf den als berechtigterweise vertrauensbegründend identifizierten Umständen beruhen.1332 Des Weiteren muss der im Rahmen von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen erforderliche wertvolle Besitzstand gerade mit Blick auf den begründeten Vertrauenstatbestand geschaffen worden sein.1333 5. Interessen der Allgemeinheit als tatbestandliche Grenzen a) Ausgangspunkt. In ständiger Rechtsprechung geht der BGH davon aus, dass An- 330 sprüche aus § 3 (bzw. § 3 i.V.m. § 5) der Verwirkung grundsätzlich nicht zugänglich sind.1334 Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die Annahme, dass die Beeinträchtigung von Interessen der Allgemeinheit die Verwirkung grundsätzlich ausschließt.1335 So ergibt eine Abwägung der betroffenen Interessen regelmäßig einen Vorrang der Interessen der Allgemeinheit vor den jeweiligen Individualinteressen des Verletzers an der Bewahrung des wettbewerbswidrig geschaffenen Besitzstandes.1336 Obwohl der Einwand der Verwirkung richtigerweise nicht durch einen konkludenten Verzicht oder Erlass zu erklären ist,1337 greift das Rechtsinstitut der Verwirkung grundsätzlich nur, soweit ausschließlich Individualinteressen des Anspruchsgläubigers betroffen sind. 1338 Der Anspruchsschuldner kann nämlich kein berechtigtes Vertrauen auf eine Duldung entwi-

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1329 BGH 30.11.1989 – I ZR 191/87 – GRUR 1992, 329, 333 – AjS-Schriftenreihe. Lange Rn. 5343; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 351. 1330 BGH 30.11.1989 – I ZR 191/87 – GRUR 1992, 329, 333 – AjS-Schriftenreihe. Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 43 f.; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 352. 1331 Vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 356. 1332 Vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 356. 1333 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.28; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 356. 1334 BGH 29.9.1982 – I ZR 25/80 – GRUR 1983, 32, 34 – Stangenglas; BGH 14.3.1985 – I ZR 66/83 – GRUR 1985, 930, 931 – JUS Steuerberatungsgesellschaft; BGH 26.6.1986 – I ZR 103/84 – GRUR 1986, 903, 904 – Küchen-Center; BGH 23.6.1994 – I ZR 15/92 – GRUR 1994, 844, 846 – Rotes Kreuz; BGH 12.12.1996 – I ZR 7/94 – GRUR 1997, 537, 539 – Lifting-Creme; BGH 27.2.2003 – I ZR 25/01 – GRUR 2003, 448, 450 – Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft; BGH 7.11.2002 – I ZR 276/99 – GRUR 2003, 628, 630 – Klosterbrauerei. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 311; Teplitzky Kap. 17 Rn. 18. 1335 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.33; Lange Rn. 5317; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 306, 311; Teplitzky Kap. 17 Rn. 18. 1336 BGH 29.9.1982 – I ZR 25/80 – GRUR 1983, 32, 34 – Stangenglas; BGH 14. 3.1985 – I ZR 66/83 – GRUR 1985, 930, 931 – JUS Steuerberatungsgesellschaft; BGH 26.6.1986 – I ZR 103/84 – GRUR 1986, 903, 904 – Küchen-Center; BGH 23.6.1994 – I ZR 15/92 – GRUR 1994, 844, 846 – Rotes Kreuz; BGH 12.12.1996 – I ZR 7/94 – GRUR 1997, 537, 539 – Lifting-Creme; BGH 27.2.2003 – I ZR 25/01 – GRUR 2003, 448, 450 – Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft; BGH 7.11.2002 – I ZR 276/99 – GRUR 2003, 628, 630 – Klosterbrauerei. Die Rechtsprechung bezieht sich insoweit meist auf das Interesse der Allgemeinheit am Schutz vor Irreführung. In diesem Sinne ebenfalls Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.33. 1337 Vgl. dazu bereits oben Rn. 286 f. 1338 Fritzsche Unterlassungsanspruch S. 525.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

ckeln, wenn Interessen der Allgemeinheit – regelmäßig gerichtet auf die Aufrechterhaltung oder die Wiederherstellung der Lauterkeit des Wettbewerbs – betroffen sind, weil dieser Teil der Wettbewerbsordnung nicht zur Disposition des Verletzten steht, was wiederum der Verletzer weiß oder zumindest wissen muss.1339 Besonders deutlich können sich die Interessen der Allgemeinheit bei international anerkannten Schutzzeichen zeigen und in diesem Sinne ein eventuell entgegenstehendes Vertrauen des Verletzers letztlich überlagern.1340 Die Annahme einer entsprechenden allgemeinen Anerkennung wird durch eine normative Verankerung, wie etwa internationale Abkommen, erleichtert,1341 setzt diese normative Verankerung aber nicht voraus. 331

b) Sonstige Ansprüche. Eine dem § 3 UWG vergleichbare Stoßrichtung besitzt das Firmenrecht des HGB, hier insbesondere § 37 Abs. 2 HGB.1342 Insoweit soll nämlich zumindest auch der Rechtsverkehr und damit die Allgemeinheit vor unklaren Bezeichnungen geschützt werden, was eine Verwirkung im Regelfall ausschließt.1343 Gleiches gilt regelmäßig für folgende eventuell konkurrierenden Ansprüche aus § 49 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG,1344 § 14 GWB1345 und Art. 101 AEUV.1346 Eine Abwägung im Einzelfall kann durch eine Kategorisierung der Ansprüche aber nicht ersetzt werden.1347

332

c) Ausnahmen und Rückausnahmen. Die Durchsetzung der Interessen der Allgemeinheit unterliegt auch im Wettbewerbsrecht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.1348 Im Falle ihrer nur unwesentlichen Beeinträchtigung haben die öffentlichen Interessen hinter den im Einzelfall potentiell gewichtigeren Individualinteressen zurückzustehen.1349 In der Folge sind Ausnahmen von dem Grundsatz der Unvereinbarkeit von Verwirkung und Betroffenheit öffentlicher Interessen zuzulassen.1350 Mit der Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit als einer Schranke des Verbots der Irreführung liegt der BGH auf einer Linie mit der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH.1351 Eine solche Ausnahme liegt etwa nahe bei Werbeaussagen, die objektiv zwar richtig sind, vom Verkehr unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts aber anderweitig verstanden werden und nur deshalb zur Irreführung geeignet sind.1352 Rückausnahmen sind insbeson-

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1339 Aus § 1 Abs. 2 UWG lässt sich indes nicht ableiten, dass eine Verwirkung schlechterdings ausgeschlossen ist, vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 306. 1340 BGH 23.6.1994 – I ZR 15/92 – GRUR 1994, 844, 846 – Rotes Kreuz. Lange Rn. 5317. 1341 BGH 23.6.1994 – I ZR 15/92 – GRUR 1994, 844, 846 – Rotes Kreuz. 1342 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.33; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 303; Teplitzky Kap. 17 Rn. 18. 1343 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.33; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 303, 312 m.w.N. A.A. RG 9.6.1941 – II 114/40 –RGZ 167, 184, 190. Offen gelassen durch BGH 4.3.1993 – I ZR 65/91 – GRUR 1993, 576, 578 – Datatel. 1344 BGH 31.5.1960 – I ZR 16/59 – GRUR 1960, 563 – Sektwerbung; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.33; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 311; Teplitzky Kap. 17 Rn. 18. 1345 BGH 31.5.1972 – KZR 43/71 – GRUR 1973, 97, 99 – Eiskonfekt (zu § 15 GWB a.F.); Teplitzky Kap. 17 Rn. 18. 1346 Teplitzky Kap. 17 Rn. 18. 1347 Teplitzky Kap. 17 Rn. 20, 22. 1348 BGH 7.11.2002 – I ZR 276/99 – GRUR 2003, 628, 630 – Klosterbrauerei; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 315. 1349 BGH 7.11.2002 – I ZR 276/99 – GRUR 2003, 628, 630 – Klosterbrauerei; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 313; Teplitzky Kap. 17 Rn. 20. 1350 BGH 7.11.2002 – I ZR 276/99 – GRUR 2003, 628, 630 – Klosterbrauerei; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 313. 1351 BGH 7.11.2002 – I ZR 276/99 – GRUR 2003, 628, 630 – Klosterbrauerei. 1352 BGH 15.2.1996 – I ZR 9/94 – GRUR 1996, 910, 912 – Der meistverkaufte Europas; BGH 23.5.1996 – I ZR 76/94 – GRUR 1996, 985, 986 – PVC-frei; BGH 22.4.1999 – I ZR 108/97 – GRUR 2000, 73, 75 – Tierheilpraktiker; BGH 7.11.2002 – I ZR 276/99 – GRUR 2003, 628, 630 – Klosterbrauerei.

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III. Rechtsfolgen

G. Verwirkung

dere dann denkbar, wenn und soweit zwar die Gefahr einer Irreführung gering ist, die von der Irreführung betroffenen Belange aber besonders gewichtig sind.1353 So kann es sich etwa auf dem Gebiet der Gesundheits- und Lebensmittelwerbung verhalten.1354 6. Gesamtwürdigung. Zusätzlich zu den Abwägungen innerhalb der einzelnen Tat- 333 bestandsvoraussetzungen bedarf es einer abschließenden Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls.1355 Dabei sind die widerstreitenden Interessen der Parteien angemessen zu berücksichtigen;1356 dem Gesamtverhalten der Beteiligten ist umfassend Rechnung zu tragen. Hierbei ist auch das öffentliche Interesse an der Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs in die Betrachtung mit einzustellen.1357 III. Rechtsfolgen III. Rechtsfolgen Der Einwand der Verwirkung führt zu einer Durchsetzungssperre bezogen auf den 334 konkret betroffenen Anspruch,1358 indem er eine rechtshemmende Einwendung begründet.1359 Der Verwirkungseinwand wirkt nur relativ innerhalb des jeweiligen Vertrauensverhältnisses.1360 1. Erweiterungen des Besitzstands. Das Rechtsinstitut der Verwirkung dient nur 335 der Bewahrung des bereits geschaffenen Besitzstandes.1361 Jede Erweiterung des Besitzstandes etwa durch eine qualitative Änderung des Auftretens am Markt ist eine neue Verletzung und begründet neue Beseitigungs-, Unterlassungs- bzw. Schadensersatzansprüche, welche gesondert auf ihre etwaige Verwirkung hin zu untersuchen sind.1362 Weiterhin stellt eine formale Sicherung des durch die Verwirkung bewahrten Besitzstandes eine unzulässige Erweiterung dar.1363 Etwas anderes kann gelten bei Verhaltensweisen, die nicht „nennenswert über den bis dahin gegebenen Rahmen der Benutzung hinausgehe[n]“.1364 So können „geringfügige Erweiterungen“1365 als vom Einwand der Verwirkung umfasst angesehen werden.1366 Eine solche Relativierung der Begrenzung der Verwirkung birgt die Gefahr einer 336 schleichenden Ausweitung von Wettbewerbsverstößen, gegen die der Verletzte nicht vorgehen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach einer gewissen Zeitdauer, der

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1353 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 313. 1354 BGH 27.2.1980 – I ZR 8/78 – GRUR 1980, 797, 799 – Topfit Boonekamp; BGH 14.4.1983 – I ZR 173/80 – GRUR 1983, 595, 597 – Grippewerbung III; BGH 7.3.1991 – I ZR 127/89 – GRUR 1991, 848, 850 – Rheumalind II; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.34; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 313. 1355 BGH 24.6.1993 – I ZR 187/91 – GRUR 1993, 913, 915 – KOWOG; BGH 19.12.2000 – X ZR 150/98 – GRUR 2001, 323 – Temperaturwächter; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.18, 2.29 ff.; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 358. 1356 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.29 ff. 1357 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 358, 361. 1358 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.35; Teplitzky Kap. 17 Rn. 3, 25. 1359 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 364; Teplitzky Kap. 17 Rn. 3. 1360 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.36; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 298, 363. 1361 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.35; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 371; Teplitzky Kap. 17 Rn. 23. 1362 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.35 mit einer Vielzahl von Einzelbeispielen. 1363 BGH 4.6.1969 – I ZR 115/67 – GRUR 1969, 694, 697 – Brillant; BGH 26.9.1991 – I ZR 177/89 – GRUR 1992, 45, 47 – Cranpool; BGH 4.3.1993 – I ZR 65/91 – GRUR 1993, 576, 578 – Datatel; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.35; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 343. 1364 BGH 30.1.1963 – Ib ZR 118/61 – GRUR 1963, 478, 481 – Bleiarbeiter. 1365 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 2.35; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 371. 1366 Kritisch auch zumindest hinsichtlich des Umfangs der durch den BGH zugebilligten Erweiterungen siehe Teplitzky Kap. 17 Rn. 23.

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§8

Beseitigung und Unterlassung

nun geringfügig erweiterte Besitzstand wiederum originären Rechtsschutz durch das Rechtsinstitut der Verwirkung erhalten würde. Der überschießende Teil des Besitzstandes kann schon unter zeitlichen Aspekten nicht mehr auf dem verwirkungsbegründenden, berechtigten Vertrauen basieren und ist daher nicht kausaladäquate Folge des Duldungsscheins. Daher ist der Schutz durch das Rechtsinstitut der Verwirkung zunächst zwingend strikt auf seinen ursprünglichen Umfang zu begrenzen. 337

2. Vertragliche Gestattung als Vergleichsgegenstand. Darüber hinaus sind die Rechtsfolgen der Verwirkung mit den Bindungswirkungen einer gedachten vertraglichen Vereinbarung zur Gestattung eines entsprechenden Verhaltens abzustimmen. Schwierigkeiten ergeben sich insoweit grundsätzlich nur in Ansehung der zukunftsgerichteten Verwirkung von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen, nicht dagegen bei Schadensersatzansprüchen. Damit einher geht eine weitere Beschränkung der Reichweite einer Verwirkung: Für das Markenrecht hat der BGH unlängst zutreffend auf einen „nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch“ hingewiesen, wenn einem Verletzer kraft Verwirkung erlaubt würde, sein rechtswidriges Verhalten auf ewig fortzusetzen, einem vertraglichen Lizenznehmer aber nach Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung ein entsprechendes Verhalten verboten werden könnte bzw. Schadensersatzpflichten begründet würden.1367 Das Rechtsinstitut der Verwirkung darf mithin keine faktisch unkündbare Gratislizenz begründen.1368 Im entschiedenen Fall stellte der BGH dies sicher durch die separate Betrachtung gleichartiger, wiederholter Verletzungen (zur Verwirkung von Ansprüchen aus gleichartigen, wiederholten Verletzungen vgl. bereits vorstehend Rn 293 ff.).1369 Der vom BGH erkannte, drohende Widerspruch mit Blick auf die Dauer der Bindung zwischen lizenziertem Verhalten einerseits und geduldetem andererseits kann allerdings auch bei Dauerhandlungen eine Rolle spielen. Über eine separate Betrachtung einzelner Ansprüche können insoweit keine adäquaten Ergebnisse erzielt werden. Die dahinterstehende Wertung, eine Bevorzugung des Verletzers über einen fiktiven Lizenznehmer bzw. Vertragspartner zu vermeiden, muss auch in die Bewertung von Dauerhandlungen einfließen. Ein Vertrauen auf eine künftige kostenfreie Nutzung von bisherigen Angeboten ist demgegenüber grundsätzlich nicht schützenswert.1370 Parallel zum ordentlichen Kündigungsrecht betreffend entsprechende Gestattungen muss der durch das Rechtsinstitut der Verwirkung geschützte Zustand beendet werden können.1371 IV. Prozessuales IV. Prozessuales

338

Der Verletzer muss die Voraussetzungen der Verwirkung darlegen und gegebenenfalls beweisen.1372 Dies gilt auch und gerade für den Besitzstand bzw. dessen Werthaltigkeit.1373 Zur Schlüssigkeit der Entstehung eines wertvollen Kennzeichens bedarf es der

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1367 BGH 18.1.2012 – I ZR 17/11 – GRUR 2012, 928, 930 – Honda-Grauimport. 1368 BGH 18.1.2012 – I ZR 17/11 – GRUR 2012, 928, 930 – Honda-Grauimport. 1369 BGH 18.1.2012 – I ZR 17/11 – GRUR 2012, 928, 930 – Honda-Grauimport. 1370 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 368. 1371 Zu einem grundlegend anderen Ergebnis kommt, wer den „Teilaspekt absoluter Rechte gegenüber einem einzelnen Dritten“ als Verwirkungsobjekt ansieht, vgl. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 295, 366 ff. Dann kann kein Vergleich mit einer fiktiven Gestattung des Verhaltens erfolgen, weil sich der Anspruchsgläubiger gerade auch der Gestattungsbefugnis in der Gestalt des Teilaspekts des absoluten Rechts begeben hat. 1372 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 369. 1373 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 348, 369; Teplitzky Kap. 17 Rn. 14.

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Schadensersatz

§9

Behauptung einer nicht unerheblichen Benutzungsdauer.1374 Je größer das Zeitmoment dabei ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Verletzers.1375 Ein Vortrag des Schuldners zum Bestehen eines wertvollen Besitzstandes löst eine Hinweispflicht des Gerichts nach § 139 ZPO aus.1376 Wegen der Rechtsnatur als Einwendung genügt die Benennung der tatsächlichen Grundlagen der Verwirkung.1377 Die Voraussetzungen der Verwirkung sind durch die Tatsacheninstanz festzustellen und zu bewerten.1378 Die Überprüfungskompetenz des Revisionsgerichts beschränkt sich hierbei auf die Vollständigkeit der in die Entscheidung eingestellten Umstände des Einzelfalls.1379

§9 Schadensersatz § 9 Schadensersatz § 9 Schadensersatz Paal Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, ist den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Gegen verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften kann der Anspruch auf Schadensersatz nur bei einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung geltend gemacht werden. Schrifttum Schrifttum Abel Der Gegenstand des Auskunftsanspruches im deutschen gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, FS Pagenberg (2006) 221; Ahrens Zum Ersatz der Verteidigungsaufwendungen bei unberechtigter Abmahnung, NJW 1982, 2477; ders. Beteiligung der Presse an Wettbewerbsverstößen von Anzeigenkunden, FS Traub (1994) 11; Alexander Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht (2010); Amschewitz Die Durchsetzungsrichtlinie und ihre Umsetzung im deutschen Recht (2008); Ann/Loschelder/ Grosch Praxishandbuch Know-how-Schutz (2010); Arnold/Slopek Die Herausgabe des Verletzergewinns nach der Tripp-Trapp-Entscheidung des BGH, NJW 2009, 3694; Asendorf Auskunftsansprüche nach dem Produktpirateriegesetz und ihre analoge Anwendung auf Wettbewerbsverstöße, FS Traub (1994) 21; Assmann Schadensersatz in mehrfacher Höhe des Schadens, BB 1985, 15; Augenhofer Individualrechtliche Ansprüche des Verbrauchers bei unlauterem Wettbewerbsverhalten des Unternehmers, WRP 2006, 169; Banzhaf Der Auskunftsanspruch (1989); Barth Anmerkung zu BGH GRUR 1980, 841 – Tolbutamid, GRUR 1980, 844; Beuthien/Wasmann Zur Herausgabe des Verletzergewinns bei Verstößen gegen das Markengesetz, GRUR 1997, 255; Beyerlein Gaby ./. Nicola – Keine zeitliche Begrenzung von Schadensersatz und Auskunftsanspruch durch die vom Gläubiger nachgewiesene erste Verletzungshandlung, WRP 2007, 1310; Bodewig/Wandtke Doppelte Lizenzgebühr als Berechnungsmethode im Lichte der Durchsetzungsrichtlinie, GRUR 2008, 220; Borck Zum Anspruch auf Schadensersatz aus unlauterem Wettbewerb, WRP 1986, 1; Bork Effiziente Beweissicherung für den Urheberrechtsverletzungsprozess – dargestellt am Beispiel raubkopierter Computerprogramme, NJW 1997, 1665; Bornkamm Das Wettbewerbsverhältnis und die Sachbefugnis des Mitbewerbers, GRUR 1996, 527; Brändel Die Problematik eines Anspruchs auf ergänzende Rechnungslegung bei Schutzrechtsverletzungen, GRUR 1985, 616; Brandi-Dohrn Wer hat die eidesstattliche Versicherung auf die Richtigkeit einer Auskunft zu leisten? GRUR 1999, 131; E. Brandner Die Herausgabe von Verletzervorteilen im Patentrecht und im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, GRUR 1980, 359;

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1374 BGH 26.9.1991 – I ZR 177/89 – GRUR 1992, 45, 48 – Cranpool; BGH 8.7.1993 – I ZR 174/91 – GRUR 1993, 151, 154 – Universitätsemblem, insoweit nicht enthalten in BGHZ 119, 237; BGH 24.6.1993 – I ZR 187/91 – GRUR 1993, 912, 915 – KOWOG. Teplitzky Kap. 17 Rn. 14. 1375 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 370. 1376 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 370. 1377 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 364, 370. 1378 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 369. 1379 BGH 1.2.2005 – X ZR 214/02 – GRUR 2005, 567, 569; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 369.

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Paal

§9

Schadensersatz

Bruchhausen Bereicherungsausgleich bei schuldloser Patentverletzung, FS Wilde (1970) 23; Büsching Der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht (1992); R. Damm Der Gegendarstellungsanspruch in der Entwicklung der neueren Rechtsprechung, FS Löffler (1980) 25; ders./Kuner Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 1991; ders./Rehbock Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. (2001); Däubler Anspruch auf Lizenzgebühr und Herausgabe des Verletzergewinns – atypische Formen des Schadensersatzes, JuS 1969, 49; Delahaye Die Bereicherungshaftung bei Schutzrechtsverletzungen, GRUR 1985, 856; ders. Kernprobleme der Schadensberechnungsarten bei Schutzrechtsverletzungen, GRUR 1986, 217; Deutsch Gedanken zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung, WRP 1999, 25; Dieselhorst Der „unmittelbar Verletzte“ im Wettbewerbsrecht nach der UWG-Novelle, WRP 1995, 1; Dilly „Nicola“ siegt über „Gaby“ – zum Umfang des akzessorischen Auskunftanspruchs nach § 242 BGB, WRP 2007, 1313; Doki Rechtsvergleichende Überlegungen zur unberechtigten Abnehmerverwarnung, GRUR Int. 1985, 641; Donle Schadensberechnung und Gewinnabschöpfung, MarkenR 2007, 237; Dreier Kompensation und Prävention (2002); Droste Anmerkung zu BGH GRUR 1964, 392 – Weizenkeimöl, GRUR 1964, 396; Eichmann Die Durchsetzung des Anspruchs auf Drittauskunft, GRUR 1990, 575; Engels/Salomon Vom Lauterkeitsrecht zum Verbraucherschutz, GRUR Int. 1997, 96; dies. Vom Lauterkeitsrecht zum Verbraucherschutz: UWG-Reform 2003, WRP 2004, 32; Enzinger Die Eingriffskondiktion als Rechtsbehelf im gewerblichen Rechtsschutz, GRUR Int. 1997, 96; M. Eppe Verbraucherschutz im UWG und BGB, WRP 2005, 808; M. Falk Zu Art und Umfang des Bereicherungsanspruchs bei Verletzung eines fremden Patents, GRUR 1983, 488; Fezer Teilhabe und Verantwortung (1986); ders. Schadensersatz und subjektives Recht im Wettbewerbsrecht, WRP 1993, 565; ders. Das wettbewerbsrechtliche Vertragsauflösungsrecht in der UWG-Reform, WRP 2003, 127; ders. Normenkonkurrenz zwischen Kennzeichenrecht und Lauterkeitsrecht, WRP 2008, 1; Fournier Bereicherungsausgleich bei Verstößen gegen das UWG (1999); Friedlaender Anmerkung zu RG 1926, 1562 – IG Farben, JW 1926, 1542; Fritze Schadensersatz für rechtswidrige Anbringung einer Marke im Inland und anschließendem Export durch fiktive Lizenzgebühr? FS Erdmann (2002) 291; A. Fuchs Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung redaktioneller Werbung in Presseerzeugnissen unter besonderer Berücksichtigung der Kopplung von entgeltlicher Anzeige und redaktioneller Berichterstattung, GRUR 1988, 736; Gedert Der angemessene Schadensersatz bei der Verletzung Geistigen Eigentums (2008); W. Götz Schaden und Bereicherung in der Verletzerkette, GRUR 2001, 295; Goldbeck Der „umgekehrte“ Wettbewerbsprozess – Eine Untersuchung zur unberechtigten Abmahnung im Lauterkeitsrecht (2008); Goldmann Die Berechnung des Schadensersatzanspruchs vor und nach Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie, WRP 2011, 950; Gottwald Schadenszurechnung und Schadensschätzung (1979); M. Groß Aktuelle Lizenzgebühren in Patentlizenz-, Know-How- und Computerlizenzverträgen 2000/2001, WRP 2003, 1199; Grosch/Schilling Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung für die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung, FS Eisenführ (2003) 131; Grüger „Catwalk“ – Synonym für eine höhere Schadensliquidation, GRUR 2006, 536; Haedicke Die Gewinnhaftung des Patentverletzers, GRUR 2005, 529; Haines Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb (1970); P. Heermann Schadensersatz und Bereicherungsausgleich bei Patentrechtsverletzungen, GRUR 1999, 625; Heil/Roos Zur dreifachen Schadensberechnung bei Übernahme sonderrechtlich nicht geschützter Leistungen, GRUR 1994, 26; Henning-Bodewig Das „Presseprivileg“ in § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG, GRUR 1985, 258; Hopt Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung (1968); W. Horn Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur unberechtigten Verwarnung, GRUR 1971, 442; B. Jestaedt Bereicherungsausgleich bei unwirksamen Lizenzverträgen, WRP 2000, 899; ders. Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch bei Sortenschutzverletzung, GRUR 1993, 219; Joerges Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht (1977); H. Kaiser Die Eingriffskondiktion bei Immaterialgüterrechten, insbesondere Warenzeichenrechten, GRUR 1988, 501; Kämper Der Schadensersatzanspruch bei Verletzung von Immaterialgüterrechten. Neue Entwicklungen seit der Enforcement-Richtlinie, GRUR Int. 2008, 539; Keßler UWG und Verbraucherschutz – Wege und Umwege zum Recht der Marktkommunikation, WRP 2005, 264; Kicker Problematik des Beschäftigungsverbots als Nachlese zum „López-Szenario“, FS Piper (1996) 273; Kitz Rechtsdurchsetzung im geistigen Eigentum – die neuen Regeln, NJW 2008, 2374; Knauth Zur Bedeutung des Unrechtsbewusstsein für den Vorsatz im Zivilrecht (1977); Knieper Mit Belegen gegen Produktpiraten, WRP 1999, 1116; KnobbeKeuk Möglichkeiten und Grenzen abstrakter Schadensberechnung, VersR 1976, 401; H. Köhler Der Schadensersatz-, Bereicherungs- und Auskunftsanspruch im Wettbewerbsrecht, NJW 1992, 1477; ders. Die Begrenzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, GRUR 1996, 82; ders. Zur Verjährung des vertraglichen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruchs, GRUR 1996, 231; ders. Zur Bereicherungshaftung bei Wettbewerbsverstößen, 2. FS Lorenz (2001) 167; ders. UWG-Reform und

Paal

194

Schrifttum

§9

Verbraucherschutz, GRUR 2003, 265; ders. Das neue UWG, NJW 2004, 2121; ders. Zur Abwerbung von Mitarbeitern, FS Buchner (2009) 452; Körner Die Aufwertung der Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie bei der Verletzung gewerblicher Schutzrechte durch die Rechtsprechung zum „Verletzervorteil“ und zu den „aufgelaufenen Zinsen“, GRUR 1983, 611; ders. Schadensausgleich bei Verletzung gewerblicher Schutzrechte und bei ergänzendem Leistungsschutz, FS Steindorff (1990) 877; Kochendörfer Verletzerzuschlag auf der Grundlage der Enforcement-Richtlinie? ZUM 2009, 389; Kraßer Schadensersatz für Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten nach deutschem Recht, GRUR Int. 1980, 259; Krieger Zum Anspruch auf Auskunftserteilung wegen Warenzeichenverletzung, GRUR 1989, 802; Lachmann Werbung im Bildschirmtext, WRP 1983, 591; M. Lehmann Juristisch-ökonomische Kriterien zur Berechnung des Verletzergewinns bzw. des entgangenen Gewinns, BB 1988, 1680; Leisse Die Fiktion im Schadensersatzrecht, GRUR 1988, 88; ders./Traub Schadensschätzung im unlauteren Wettbewerb, GRUR 1980, 1; Lettl Gemeinschaftsrecht und neues UWG, WRP 2004, 1079; Lindacher Zur wettbewerbsrechtlichen Unterlassungshaftung der Presse im Anzeigengeschäft, WRP 1987, 585; ders. Der „Gegenschlag“ des Abgemahnten, FS von Gamm (1990) 83; Lobe Der unlautere Wettbewerb als Rechtsverletzung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und den Nebengesetzen, Band I (1907); Loewenheim Möglichkeiten der dreifachen Berechnung des Schadens im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, ZHR 135 (1971) 97; ders. Bereicherungsansprüche im Wettbewerbsrecht, WRP 1997, 913; S. Lorenz Auskunftsansprüche im Bürgerlichen Recht, JuS 1995, 569; Loschelder Rechtsfortbildung der Schadensberechnungsmethode „Herausgabe des Verletzergewinns“, NJW 2007, 1503; Lüke Der Informationsanspruch im Zivilrecht, JuS 1986, 2; Malzer Zum Schadensersatzanspruch aus § 16 Abs. 2 UWG, GRUR 1974, 697; Mansel Das neue Verjährungsrecht (2001); ders. Die Neuregelung des Verjährungsrechts, NJW 2002, 89; Mayer-Maly Rechtsirrtum und Rechtsunkenntnis als Probleme des Privatrechts, AcP 170 (1970), 133; Meier-Beck Herausgabe des Verletzergewinns – Strafschadensersatz nach deutschem Recht? GRUR 2005, 617; ders. Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung als Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb, WRP 2006, 790; ders. Schadenskompensation bei Verletzung gewerblicher Schutzrechte im Lichte der Durchsetzungsrichtlinie, FS Loschelder (2010) 221; Melullis Zur Schadensberechnung im Wege der Lizenzanalogie bei zusammengesetzten Vorrichtungen, FS Traub (1994) 287; ders. Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl. (2000); ders. Zur Ermittlung und zum Ausgleich des Schadens bei Patentverletzungen, GRUR Int. 2007, 679; Menninger/Nägele Die Bewertung von Gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten für Zwecke der Schadensberechnung im Verletzungsfall, WRP 2007, 912; Messer Wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Presseäußerungen, FS von Gamm (1990) 95; ders. Der Anspruch auf Geldersatz bei Kreditgefährdung, § 824 BGB und Anschwärzung, § 14 UWG, FS Steffen (1995) 347; ders. Neue Rechtsfragen zur Verjährung des wettbewerblichen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruchs, FS Helm (2002) 111; Neu Die neuere Rechtsprechung zur Verwirkung im Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht (1984); ders. Die Verjährung der gesetzlichen Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche des Wettbewerbs- und Warenzeichenrechts, GRUR 1985, 335; Nieder Zur Bekanntgabe von Abnehmern, Abnahmemengen, Lieferdaten und -preisen im Kennzeichenrecht, GRUR 1999, 654; Ohly Schadensersatzansprüche wegen Rufschädigung und Verwässerung im Marken- und Lauterkeitsrecht, GRUR 2008, 926; Oppermann Der Auskunftsanspruch im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (1997); ders./S. Müller Wie verbraucherfreundlich muss das neue UWG sein? GRUR 2005, 280; Osterloh-Konrad Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch (2007); Peetz Die materiellrechtliche Einordnung der Rechtsfolge und die materielle Rechtskraft der Sachentscheidung im Zivilprozess (1976); Peifer Die dreifache Schadensberechnung im Lichte zivilrechtlicher Dogmatik, WRP 2008, 48; Petry/Schilling Der Schadensersatzanspruch des Lizenznehmers im Markenrecht, WRP 2009, 1197; Pietzcker Schadensersatz durch Lizenzberechnung, GRUR 1975, 55; ders. Richtlinien für die Bemessung von Schadensersatz bei der Verletzung von Patenten, GRUR Int. 1979, 353; Pietzner Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz bei wettbewerbswidrigen Eingriffen in fremde Firmenrechte, GRUR 1972, 151; Piper Zur Wettbewerbswidrigkeit des Einbrechens in fremde Vertragsbeziehungen durch Abwerben von Kunden und Mitarbeitern, GRUR 1990, 643; ders. Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Werbeanzeigen, FS Vieregge (1995) 715; Pokrant Zum Verhältnis von Gewinnabschöpfung gemäß § 10 und Schadensersatz nach § 9 UWG, FS Ullmann (2006) 813; Preu Richtlinien für die Bemessung von Schadensersatz bei Verletzung von Patenten, GRUR 1979, 253; Pross Verletzergewinn und Gemeinkosten, FS Tilmann (2003) 881; Quiring Zur Haftung wegen unbegründeter Verwarnungen, WRP 1983, 317; Redant Bereicherungsansprüche und Schadensersatz bei Ausbeutung guten Rufs (2000); Reichel Anmerkung zu RG JW 1930, 3479, JW 1931, 525; Reimer Verschulden als Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 1 UWG, MuW XXIX, 208; Rinnert/Küppers/Tilmann Schadensberechnung ohne Gemeinkosten, FS Helm (2002) 337; Ritt-

195

Paal

§9

Schadensersatz

ner Rechtswissen und Rechtsirrtum im Zivilrecht, FS Hippel (1976) 391; Rogge Schadensersatz nach Lizenzanalogie bei Verletzung bei Patenten, Urheberrechten und anderen Schutzrechten, FS Nirk (1992) 927; Rohnke Anmerkung zu BGH GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex II, GRUR 1992, 60; Rojahn Praktische Probleme bei der Abwicklung der Rechtsfolgen einer Patentverletzung, GRUR 2005, 623; Rosenthal Wettbewerbsgesetz, 7. Aufl. (1928); Rössel/Kruse Schadensersatzhaftung bei Verletzung von Filterpflichten – Verkehrssicherungspflichten der Telemediendienstanbieter, CR 2008, 35; Runkel Der Abzug von Kosten nach der „Gemeinkostenanteil“-Entscheidung des BGH, WRP 2005, 968; R. Sack Deliktsrechtlicher Verbraucherschutz gegen unlauteren Wettbewerb, NJW 1975, 1303; ders. Schadensersatzansprüche wettbewerbsgeschädigter Verbraucher nach deutschem und österreichischem Wettbewerbs- und Deliktsrecht, in: Kramer/ Mayrhofer (Hrsg.), Konsumentenschutz im Privat- und Wirtschaftsrecht (1977) 99; ders. Die Lizenzanalogie im System des Immaterialgüterrechts, FS Hubmann (1985) 373; ders. Vergleichende Werbung nach der UWG-Novelle, WRP 2001, 327; ders. Regierungsentwurf einer UWG-Novelle – ausgewählte Probleme, BB 2003, 1073; ders. Folgeverträge unlauteren Wettbewerbs, GRUR 2004, 625; ders. Unbegründete Schutzrechtsverwarnungen (2006); ders. Unbegründete Schutzrechtsverwarnungen – lückenloser Unternehmensschutz durch UWG seit 2004, NJW 2009, 1642; ders. Das Verhältnis des UWG zum allgemeinen Deliktsrecht, FS Ullmann (2006) 825; Säcker Das UWG zwischen den Mühlsteinen europäischer Harmonisierung und grundrechtsgebotener Liberalisierung, WRP 2004, 1199; Schaffert Die Ansprüche auf Drittauskunft und Schadensersatz im Fall der Beeinträchtigung schutzwürdiger Kontrollnummernsysteme durch Entfernen oder Unkenntlichmachen der Kontrollnummern, FS Erdmann (2002) 719; ders. Der durch § 4 Nr. 11 UWG bewirkte Schutz der Mitbewerber, FS Ullmann (2006) 845; R. Schaub Schadensersatz und Gewinnabschöpfung im Lauterkeits- und Immaterialgüterrecht, GRUR 2005, 918; ders. Der durch § 4 Nr. 11 UWG bewirkte Schutz der Mitbewerber, FS Ullmann (2006) 845; I. Scherer Zur Frage der Schutzgesetzqualität von §§ 1, 3 UWG für Verbraucher, WRP 1992, 918; Schindler Die Klagebefugnis im Wettbewerbsprozess nach der UWGReform, WRP 2004, 835; G. Schmidt/Seitz Aktuelle Probleme des Gegendarstellungsrechts, NJW 1991, 1009; P. Scholz Der Gegendarstellungsanspruch in der Presse, Jura 1986, 19; C. Schramm Der Marktverwirrungsschaden, GRUR 1974, 617; Schricker Schadensersatzansprüche der Abnehmer wegen täuschender Werbung? GRUR 1975, 111; ders. Berichtigende Werbung – Rechtsvergleichende Überlegungen zur Fortbildung des deutschen Wettbewerbsrechts, GRUR Int. 1975, 191; Schultz-Süchting Der Einfluss des Rechtsanwalts auf das Verschulden seines Mandanten im gewerblichen Rechtsschutz, GRUR 1974, 432; A. Schulz Von Umsätzen, Angebotsempfängern, Abnehmeradressen, Gestehungskosten & Lieferantennamen, FS Klaka (1987) 27; G. Schulze Zum Verschulden im Urheberrecht beim Abdruck von Werbeanzeigen, GRUR 1993, 702; Schulze zur Wiesche Anmerkung zu BGH 1981, 685 – Preisvergleich, GRUR 1981, 661; Seichter Die Umsetzung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, WRP 2006, 391; Sosnitza Das Koordinatensystem des Rechts des unlauteren Wettbewerbs im Spannungsfeld zwischen Europa und Deutschland, GRUR 2003, 739; Stauder Umfang und Grenzen der Auskunftspflicht im Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR Int. 1982, 226; Steinbeck „Windsor Estate“ – Eine Anmerkung, GRUR 2008, 110; C. Steiner Was ist erlaubt in Werbung und Wettbewerb? (1968); Stieper Dreifache Schadensberechnung nach der Durchsetzungsrichtlinie 2004/48/EG im Immaterialgüter- und im Wettbewerbsrecht, WRP 2010, 624; Stjerna Wahl und Wechsel der Schadensberechnungsmethode im Immaterialgüterrecht, MarkenR 2006, 104; Stoll Kausalzusammenhang und Normzweck im Deliktsrecht (1968); Stürner Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976); ders. Strafrechtliche Selbstbelastung und verfahrensförmige Wahrheitsermittlung, NJW 1981, 1757; Teplitzky Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs im Wettbewerbsrecht, GRUR 1987, 215; ders. Grenzen des Verbots der Verquickung unterschiedlicher Schadensberechnungsmethoden, FS Traub (1994) 401; ders. Streitgegenstand und materielle Rechtskraft im Unterlassungsprozess, GRUR 1998, 320; ders. Zur Frage der Rechtmäßigkeit unbegründeter Schutzrechtsverwarnungen – zugleich eine Besprechung von BGH GRUR 2004, 958 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht, GRUR 2005, 9; ders. Die jüngste Rechtsprechung des BGH zum wettbewerbsrechtlichen Anspruchsund Verfahrensrecht, GRUR 2003, 272; ders. Neue Entwicklungen beim wettbewerbs- und markenrechtlichen Auskunftsanspruch, FS Tilmann (2003) 913; ders. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl. (2011); ders. Zur Unterbrechung und Hemmung der Verjährung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche, GRUR 1984, 307; Tetzner Der Verletzerzuschlag bei der Lizenzanalogie, GRUR 2009, 6; Tilmann Zur Rechtsstellung des Verbrauchers bei Wettbewerbsdelikten, ZHR 141 (1977), 32; ders. Kostenhaftung und Gebührenberechnung bei Unterlassungsklagen gegen Streitgenossen im gewerblichen Rechtsschutz, GRUR 1986, 691; ders. Der Auskunftsanspruch, GRUR 1987, 251; ders. Aktuelle Fragen des Auskunftsanspruchs, MA 1989, 35; ders. Zum Anspruch auf Auskunftserteilung wegen Warenzeichenverletzung II,

Paal

196

Systematische Übersicht

§9

GRUR 1990, 160; ders. Gewinnherausgabe im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR 2003, 647; ders. Konstruktionsfragen zum Schadensersatz nach der Durchsetzungsrichtlinie, FS Schilling (2007) 367; ders. Die neueste BGH-Rechtsprechung zum Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB, GRUR 2002, 1015; ders. Gewinnherausgabe im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR 2003, 647; ders. Konstruktionsfragen zum Schadensersatz nach der Durchsetzungs-Richtlinie, FS Schilling (2007) 367; ders./Schreibauer Beweissicherung vor und im Patentverletzungsprozess, FS Erdmann (2002) 901; Traub Durchführungsverbot und Folgeverträge, GRUR 1980, 673; ders. Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung durch wettbewerbsrechtliche Schlichtung, FS Vieregge (1995) 869; Ullmann Die Verschuldenshaftung und die Bereicherungshaftung des Verletzers im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR 1978, 615; ders. Die Verwarnung aus Schutzrechten – mehr als nur eine Meinungsäußerung? GRUR 2001, 1027; ders. Eine unberechtigte Abmahnung – Entgegnung, WRP 2006, 1070; Ulrich Die Geltendmachung von Ansprüchen auf Erteilung einer Auskunft im Verfahren der einstweiligen Verfügung, WRP 1997, 135; ders. Die analoge Anwendung des § 21 UWG, WRP 1996, 379; ders. BGH-Rechtsprechung aktuell: Der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz, NJW 1994, 1201; Vollrath Zur Berücksichtigung der Entwicklungs- und Schutzrechtskosten bei der Bemessung der Schadensersatz-Lizenzgebühr für Patentverletzung, GRUR 1983, 52; von Falkenstein Verbraucherverbandsklage, Schädigungen der Konsumenten und UWG-Novelle, WRP 1987, 502; von Gamm Zur sog. Drittauskunft bei Wettbewerbsverletzungen, FS Vieregge (1995) 261; von Ohlenhusen/Crone Der Anspruch auf Auskunft gegenüber Internet-Providern bei Rechtsverletzungen nach Urheber- bzw. Wettbewerbsrecht, WRP 2002, 164; von der Osten Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns im Patentrecht, GRUR 1998, 284; von Ungern-Sternberg Auskunftsanspruch bei Verwendbarkeit der Auskunft zur Begründung von Vertragsstrafeansprüchen oder Anträgen auf Verhängung von Ordnungsmitteln? WRP 1984, 55; ders. Wettbewerbsbezogene Anwendung des § 1 UWG und normzweckgerechte Auslegung der Sittenwidrigkeit, FS Erdmann (2002) 741; ders. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Urheberrecht und zu den verwandten Schutzrechten in den Jahren 2006 und 2007, Teil II, GRUR 2008, 291; ders. Einwirkung der Durchsetzungsrichtlinie auf das deutsche Schadensersatzrecht, GRUR 2009, 460; ders. Schadensersatz in Höhe des sog. Verletzergewinns nach Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie, FS Loewenheim (2009) 351; Wedermeyer Beschäftigungsverbote trotz Beschäftigungspflicht? FS Traub (1994) 437; F. Weiler Ein lauterkeitsrechtliches Vertragslösungsrecht des Verbrauchers? WRP 2003, 423; Weitnauer § 823 II BGB und die Schuldtheorie, JZ 1963, 631; Wendehorst Anspruch und Ausgleich (1999); Wiethölter § 823 II BGB und die Schuldtheorie, JZ 1963, 631; Wild Anmerkung zu BGH GRUR 1979, 421 – Exdirektor, GRUR 1979, 425; Wimmer-Leonhardt UWG-Reform und Gewinnabschöpfungsanspruch oder „Die Wiederkehr der Drachen“, GRUR 2004, 12; Winkler von Mohrenfels Abgeleitete Informationspflichten im deutschen Zivilrecht (1986); Wolf Die Lehre von der Handlung, AcP 170 (1970) 181; Wronka Gegendarstellung und Gegenäußerung, WRP 1974, 527; Zahn Die Herausgabe des Verletzergewinns (2005); Zeuner Zur Rechtskraftwirkung des Unterlassungsurteils für den nachfolgenden Schadensersatzprozess, JuS 1966, 147.

Systematische Übersicht A.

B.

197

Systematische Übersicht Einführung | 1 I. Entstehungsgeschichte | 1 II. Bedeutung und Funktionen | 4 III. Rechtsnatur und systematische Verortung | 7 IV. Konkurrenzen | 8 Schadensersatzanspruch (Satz 1) | 12 I. Tatbestandsvoraussetzungen | 12 1. Unzulässige geschäftliche Handlung | 13 2. Schaden und Kausalität | 15 a) Lehre von der Adäquanz | 17 b) Schutzzweck der Norm | 19 3. Rechtswidrigkeit | 21

II.

4. Verschulden | 23 a) Vorsatz | 24 b) Fahrlässigkeit | 25 c) Kasuistik | 26 aa) Irrtum über Tatsachen oder die Rechtslage | 27 bb) Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen | 30 cc) Nachträgliche Kenntniserlangung oder Klärung | 32 5. Verantwortlichkeit nach §§ 7–10 TMG | 33 Gläubiger und Schuldner | 34 1. Gläubiger | 34

Paal

§9

Schadensersatz

Mitbewerber | 36 Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer | 37 c) Verbände | 40 2. Schuldner | 41 a) Haftung als Täter oder Teilnehmer | 42 b) Haftung für Organhandeln | 43 c) Haftung für Verrichtungsgehilfen | 46 d) Haftung für Dritte | 48 e) Störerhaftung | 50 f) Mehrheit von Verletzern | 51 III. Inhalt und Umfang | 52 1. Grundsätzliches | 52 2. Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) | 53 3. Geldentschädigung (§ 251 BGB) | 54 4. Entgangener Gewinn (§ 252 BGB) | 55 5. Einzelne Vermögensschäden | 56 a) Rechtsverfolgungskosten | 56 b) Marktverwirrung und Marktverwirrungsschaden | 57 IV. Dreifache Schadensberechnung | 60 1. Anwendungsbereich | 61 2. Wahlrecht und Vermengungsverbot | 63 3. Lizenzanalogie | 65 a) Berechnung | 66 b) Abschläge und Zuschläge | 68 4. Herausgabe des Verletzergewinns | 69 a) Ermittlung des Verletzergewinns | 70 b) Abzugsfähigkeit von Kosten | 71 V. Mitverschulden | 72 1. Mitverschulden bei der Schadensverursachung (§ 254 Abs. 1 BGB) | 74 2. Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) | 75 Presseprivileg (Satz 2) | 76 I. Normzweck und Rechtsentwicklung | 77 II. Anwendungsbereich und Reichweite | 79 a) b)

C.

Paal

D.

E. F.

1. Privilegierte Medien | 80 2. Privilegierter Personenkreis | 82 3. Zuwiderhandlungen gegen § 3 oder § 7 | 83 III. Darlegungs- und Beweislast | 85 Bereicherungsanspruch | 86– I. Anwendungsbereich und Grundsätzliches | 86 II. Voraussetzungen | 88 1. Etwas erlangt | 89 2. Auf Kosten eines anderen | 90 3. In sonstiger Weise | 93 4. Ohne Rechtsgrund | 94 III. Inhalt und Umfang | 95 1. Das Erlangte (§§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 1 BGB) | 96 2. Wertersatzpflicht (§ 818 Abs. 2 BGB) | 97 3. Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) | 98 4. Darlegungs- und Beweislast | 100 IV. Haftung mehrerer und Mitverchulden | 101 V. Verjährung und Konkurrenzen | 103 Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag | 105 Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Besichtigung | 106 I. Grundsätzliches | 106 II. Arten und Rechtsgrundlagen der Auskunftsansprüche | 107 1. Selbständiger Auskunftsanspruch | 108 2. Unselbständiger Auskunftsanspruch | 111 3. Allgemeine Rechtsgrundlagen | 112 III. Rechnungslegungsanspruch | 113 1. Rechtsgrundlagen | 114 2. Inhalt | 115 IV. Voraussetzungen der Auskunftsund Rechnungslegungsansprüche | 116 1. Bestehen eines Rechtsverhältnisses | 116 2. Unverschuldete Unwissenheit des Gläubigers | 117 3. Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der eigenen Informationserlangung | 118

198

Alphabetische Übersicht

V.

4. Möglichkeit zur Informationsverschaffung durch den Schuldner | 119 Umfang und Grenzen der Auskunftsund Rechnungslegungsansprüche | 120 1. Geeignetheit und Erforderlichkeit | 122 2. Zumutbarkeit und Interessenabwägung | 124 a) Art und Schwere der Rechtsverletzung | 125 b) Aufwand des Auskunftspflichtigen | 126

§9

c)

Aufklärungsinteresse des Verletzten und Geheimhaltungsinteresse des Verletzers | 127 d) Selbst- und Drittbezichtigung durch den Verletzer | 130 3. Auskunftszeitraum | 132 VI. Erfüllung und Durchsetzung | 133 1. Erfüllung | 133 2. Durchsetzung | 135 VII. Verjährung | 137 VIII. Anspruch auf Besichtigung (§ 809 BGB) | 138

Alphabetische Übersicht Alphabetische Übersicht Abmahnkosten 56 Abmahnung 32, 40, 49, 56 Abnehmer 30, 74, 127 Adäquanztheorie 16 ff., 50 Äquivalenztheorie 16 ff. Aufklärungsinteresse 127 f., 139 Alternativverhalten 20 Anwaltskosten 56 Aufbewahrungsfrist(en) 126 Ausgleichsfunktion 6 Bagatellschäden 4 Betriebsgeheimnis 70, 113, 140 Beweislast 20, 71, 85, 100, 120 Drittauskunft 109, 135 Druckschriften 2, 25, 76, 80 ff., Durchsetzungsgesetz 61 Durchsetzungsrichtlinie 3, 61 f., 64, 69 Eingriffskondiktion 88, 92 ff. Entlastungsbeweis 44, 46 Entreicherung 98 f. Erfüllungsgehilfe 73 Erlassvertrag 7 Exkulpation 44 f., 47 Fiktion 69 Geheimhaltungsinteresse 119, 121, 127 f., 139 Gemeinkosten 71 Gesamtschuld 51, 101, 134 Geschäftsherr 46 Geschäftsunterlage(n) 126, 133 Gewinnabschöpfung 4 Herausforderung 17 Herausgeber 47, 82 Hersteller 30, 36, 64, 74, 133 f. Horizontalverhältnis 34, 37 Immaterialgüterrecht 3, 10, 52, 60, 62, 68 f., 83, 86, 90, 114, 130 Interessenabwägung 21, 106, 124 ff., 139

199

Interessenkonflikt 106, 129 Kartellrecht 11 Kausalität 12, 15 ff., 73 Kompensation 54, 69 Leistungsklage 135 Leistungskondiktion 88, 93 Leistungsschutz 36, 62, 110 Lizenzgebühr 59 f., 65 ff., 97, 99 Lizenzvertrag 65 ff., 88 Mitbewerber 6, 14, 34, 36, 40, 56 f., 92 Nachahmung 113, 140 Obliegenheit 56, 72, 75, 118 Organisationsmangel 45 Organisationspflicht(en) 47 Parallelwertung 24 Präventionsfunktion 4 ff., 20, 60 Presseprivileg 2, 23, 25, 76 ff. Prognose 55 Prüfungsfrist 32 Rahmenrechte 9 Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 9, 34 Rechtfertigungsgründe 22 Rechnungslegung 106, 113 ff., 135 f. Rechtsirrtum 28 Rechtsrat 29 Rechtsverfolgungskosten 56 ff. Repräsentantenhaftung 44 Sanktionsfunktion 3 ff., 60, 77 Schutzgesetz(e) 9, 39 Schutzlücke 38 Schutzrechtsverwarnung 30, 75 Schutzzweck der Norm 16, 19 ff., 34, 36 f., 39, 83 Sonderdeliktsrecht 7, 9, 48, 50 Sorgfaltsmaßstab 25 Strafvorschriften 14 Streitgegenstand 63

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§9

Schadensersatz

Streuschäden 4 Treu und Glauben 76, 102, 108 f., 111 f., 114, 121, 124 Überlegungsfrist 32 Verantwortlichkeit 33 Verbände 34, 40 Verleger 47, 82 Verletzergewinn 51, 60, 64, 69 ff., 97, 113 Verletzerzuschlag 68 Verbraucher 6, 9, 34, 36 ff. Vermögensschaden 54, 56, 59 Verrichtungsgehilfe 45 f. Verschulden 1 ff., 23 ff., 30, 32, 47, 53, 72 ff., 85, 88, 101 f., 104, 126

Vertragsstrafe 8, 54 Vertrauensbruch 125 Verwarnung 30, 74 f. Verwertungsverbot 130 Vollstreckung 135 Vorrangthese 10 Vorwerfbarkeit 23 Wahlschuldverhältnis 63 Werbemaßnahmen 28 Wettbewerbsverhältnis 35 f., 49 Wettbewerbssicherungsfunktion 6 Wirtschaftsprüfervorbehalt 129 Zurechnung 16, 49, 73 Zuweisungsgehalt 87 f., 90 ff.

A. Einführung A. Einführung* I. Entstehungsgeschichte I. Entstehungsgeschichte Nach der früheren Rechtslage musste für einen lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzanspruch auf die verstreuten Vorschriften der §§ 1, 13 Abs. 6, 14 Abs. 1, 19 a.F. zurückgegriffen werden. Demgegenüber ist durch die UWG-Novellen von 2004 und 2008 nunmehr ein einheitlicher Schadensersatzanspruch für Verstöße gegen § 3 oder § 7 geschaffen worden. Klarstellend ist in Satz 1 dabei ein einheitliches und übergreifendes Verschuldenserfordernis (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) benannt. Ein solches Verschuldenserfordernis war zwar unter Geltung der vormaligen Rechtslage in § 1 a.F. nicht angeführt, aber den generellen Grundsätzen der Deliktshaftung entsprechend allgemein anerkannt.1 Insoweit hat sich deshalb insgesamt keine grundlegende Änderung gegenüber der früheren Rechtslage ergeben.2 Einen etwaigen Ersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung in Anlehnung an den in §§ 74, 75 Einleitung ALR zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken hatte die seinerzeitige Rechtsprechung vielmehr mit guten Gründen (insbesondere wegen des fehlenden Allgemeinwohlinteresses) zu Recht abgelehnt.3 Dagegen ist das in Satz 2 der Vorschrift niederlegte Presseprivileg, betreffend ver2 antwortliche Personen von periodischen Druckschriften, gegenüber der früheren Rechtslage (vgl. § 13 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 UWG 1909) deutlich erweitert worden. Unter der nunmehrigen Rechtslage ist die zuvor geltende Beschränkung des Presseprivilegs auf Verstöße gegen das Irreführungsverbot aufgehoben;4 der Anwendungsbereich der Haftungsprivilegierung erstreckt sich dadurch auf sämtliche Zuwiderhandlungen gegen § 3 oder § 7 durch „verantwortliche Personen“, vgl. hierzu nachstehend Rn. 82. 1

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* Bearbeitungsstand: Januar 2013; Rechtsprechung und Literatur z.T. mit Bearbeitungsstand Juni 2014. 1 BGH 27.1.1959 – I ZR 185/55 – GRUR 1960, 200, 202 – Abitz II. Vgl. weiterhin aus dem Schrifttum GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 278 m.w.N. 2 BegrRegE UWG 2004 zu § 9, BTDrucks. 15/1487 S. 23. 3 BGH 22.10.1957 – I ZR 96/56 – BGHZ 269, 380 ff. = GRUR 1958, 233, 236 f. – mit dem feinen Whipp. Siehe auch MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 1. 4 Zur Begründung verwiesen wurde auf den „Schutz der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG“ und den „Geist der Pressegesetzgebung“, vgl. BegrRegE UWG 2004 zu § 9, BTDrucks. 15/1487 S. 23, hierzu nachstehend Rn. 77. Demgegenüber betont Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 2.11 den Zweck der Presseprivilegierung, welcher keine Beschränkung auf die Fälle irreführender Werbung gebiete.

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II. Bedeutung und Funktionen

A. Einführung

Der Einfluss des europäischen Rechts auf den lauterkeitsrechtlichen Schadenser- 3 satzanspruch ist überschaubar.5 Zum einen enthält die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) zwar in den Artt. 11 Abs. 1, 13 eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zur Bekämpfung von unlauteren geschäftlichen Handlungen zur Verfügung zu stellen. Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 RL 2005/29 EG überlässt es aber den Mitgliedstaaten zu regeln, ob die jeweiligen Sanktionsmechanismen straf-, verwaltungs- oder zivilrechtlich ausgestaltet werden. Vor diesem Hintergrund war in Ansehung der §§ 8 bis 10 kein Anpassungs- bzw. Umsetzungsbedarf im nationalen Recht gegeben. Zum anderen kann die Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums (Durchsetzungsrichtlinie, RL 2004/48/EG) allenfalls mittelbare Auswirkungen entfalten, so wenn es um die Grundsätze der – dreifachen – Schadensberechnung im Immaterialgüterrecht geht (siehe dazu nachstehend unter Rn. 60 ff.). II. Bedeutung und Funktionen II. Bedeutung und Funktionen Der Schadensersatzanspruch hat im Lauterkeitsrecht seit jeher eine weit geringere 4 Bedeutung als der Unterlassungsanspruch.6 Ursächlich hierfür sind neben der – zusätzlichen – Hürde des Verschuldenserfordernisses vor allem die charakteristischen praktischen Schwierigkeiten betreffend die Bezifferung und den Beweis des Schadens im komplexen Wettbewerbs- und Wirtschaftsgeschehen.7 Insoweit eröffnet § 287 ZPO den Gerichten jedenfalls die Möglichkeit zu einer Schätzung bei der konkreten Schadensberechnung. In diesem Zusammenhang wird im Schrifttum, insbesondere unter Verweis auf die leitbildhaften Präventions- und Sanktionsfunktionen des Schadensersatzanspruchs eine stärkere Aktivierung der Vorschrift des § 287 ZPO eingefordert, um sowohl für das Beweismaß als auch für das Beweisverfahren entsprechende Erleichterungen mit Anreizwirkung für die Anspruchsteller zu schaffen.8 Darüber hinaus verringern die Phänomene der Bagatell- und Streuschäden regelmäßig das praktische Interesse an der Geltendmachung und Durchsetzung von lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzansprüchen. Insoweit soll die nunmehr in § 10 niedergelegte Möglichkeit zu einer Gewinnabschöpfung für bestimmte Konstellationen eine – zumindest teilweise – Verbesserung der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen bewirken. § 10 enthält allerdings ein Vorsatzerfordernis, das – neben anderen Fragen, vgl. hierzu § 10 Rn. 32 ff. m.w.N. – die Effizienz der Vorschrift zur kollektiven Rechtsetzung jedenfalls limitieren dürfte.9 In der Praxis wird die lauterkeitsrechtliche Abwehrklage häufig mit einer Scha- 5 densersatzfeststellungsklage verbunden, um hierdurch prozesstaktischen Druck zugunsten einer Beilegung der jeweiligen Wettbewerbsstreitigkeit aufzubauen, etwa betref-

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5 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 1; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 4. 6 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 8 f. – „Schattendasein“; MünchKommUWG/ Fritzsche § 9 Rn. 3; Teplitzky Kap. 28 Rn. 1. Siehe weiterhin bereits GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 245; Rosenthal S. 92 f. 7 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 8; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 3; Teplitzky Kap. 28 Rn. 1 – „schwer überwindliche Schwierigkeiten“; ders. GRUR 1987, 215, 215 ff. Siehe weiterhin bereits GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 245. Vgl. auch BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366, 376 = GRUR 2001, 329, 331 – Gemeinkostenanteil. 8 Für eine „großzügigere Anwendung“ der Vorschrift bei der Schadensschätzung Teplitzky Kap. 28 Rn. 2; ders. GRUR 1987, 215, 216 ff. In diesem Sinne ebenfalls GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 246; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 10. 9 Vgl. auch MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 5.

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§9

Schadensersatz

fend die vergleichsweise Anerkennung des Unterlassungsanspruchs unter Kostenübernahme gegen Absehen von der Schadensersatzfeststellung.10 In diesem Zusammenhang wirkt sich günstig aus, dass für die Feststellung einer Schadensersatzpflicht die Darlegung einer gewissen Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts genügt; so reicht es aus, dass nach der Lebenserfahrung der Eintritt des Schadens in der Zukunft mit einiger Sicherheit zu erwarten ist, ohne dass es dazu einer hohen Wahrscheinlichkeit bedarf.11 Ein konkreter Schaden muss dagegen gerade nicht nachgewiesen werden.12 Für eine darüber hinausgehende stärkere Aktivierung des lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist im Schrifttum mit guten Gründen immer wieder eingetreten worden,13 da hierdurch nicht zuletzt auch Ausgleich, Prävention und Sanktion als maßgebliche Funktionen des Schadensersatzes gestärkt werden können.14 Dem Grunde nach können drei wesentlichen Funktionen des lauterkeitsrechtlichen 6 Schadensersatzanspruchs ausgemacht werden: Zunächst greift eine Ausgleichsfunktion betreffend den vom Verletzten erlittenen Schaden, weiterhin die Präventions- und Sanktionsfunktionen, die allfällige Verletzer von Wettbewerbsverstößen abhalten sollen, und schließlich kann eine Wettbewerbssicherungsfunktion identifiziert werden.15 Diese Funktionen lassen sich überdies den in § 1 aufgeführten vom Lauterkeitsrecht geschützten Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern sowie der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb zuordnen.16 Das Verhältnis der Funktionen zueinander wird unterschiedlich beurteilt, wobei die Formel „Prävention und Sanktion durch Schadensausgleich“ 17 einen belastbaren Ausgangspunkt darstellen dürfte.18 III. Rechtsnatur und systematische Verortung III. Rechtsnatur und systematische Verortung 7

Auf den Schadensersatzanspruch nach Satz 1, der einen gesetzlichen Anspruch darstellt, sind die Vorschriften des allgemeinen Deliktsrechts (hier insbesondere §§ 827 bis 829 BGB, §§ 830, 831, 840 BGB, §§ 852, 853 BGB) ergänzend anwendbar, wenn und soweit sich im spezielleren Lauterkeitsrecht keine einschlägige Anordnung (wie etwa für die Verjährung, § 11) findet.19 Diesem subsidiären Rekurs auf das allgemeine Deliktrecht aus dem BGB liegt die allgemein anerkannte Annahme zugrunde, dass es sich bei dem Lauterkeitsrecht um ein Sonderdeliktsrecht handelt. 20 Der Schadensersatzanspruch

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10 Borck WRP 1986, 1, 3; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 245; Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Goldmann § 9 Rn. 9; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 3; Teplitzky Kap. 28 Rn. 1. 11 BGH 19.11.1971 – I ZR 72/70 – GRUR 1972, 180, 183 – Chéri; BGH 6.7.1995 – I ZR 58/93 – BGHZ 130, 205, 220 ff. – Feuer, Eis & Dynamit I; BGH 4.5.2000 – I ZR 222/97 – GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisempfehlung. 12 Zu den Schwierigkeiten betreffend die Darlegung und den Beweis eines konkret bezifferten Schadens bei Wettbewerbsverstößen siehe nachstehend unter Rn. 52 ff. 13 Teplitzky Kap. 28 Rn. 2; ders. GRUR 1987, 215, 215 ff. 14 Insoweit optimistisch zu den bisherigen Entwicklungen in der Rechtsprechung Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 9; Teplitzky Kap. 28 Rn. 2; zurückhaltend(er) dagegen MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 4. 15 Vgl. GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 243; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 5. 16 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 5 m.w.N. 17 Einschränkend Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 10, wobei von einer wichtigen ergänzenden präventiven Funktion ausgegangen wird. 18 Vgl. GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 244 m.w.N. 19 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.2; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 11. 20 Vgl. etwa BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288, 297 = GRUR 1995, 678, 681 – Kurze Verjährungsfrist; BGH 25.4.2002 – I ZR 250/00 – BGHZ 150, 343, 347 = GRUR 2002, 825, 826 – Elektroarbeiten; BGH 18.10.2001 – I ZR 22/99 – GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor I.

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IV. Konkurrenzen

A. Einführung

nach Satz 1 ist überdies abtretbar (vgl. §398 BGB). Der Anspruch kann ferner auch Gegenstand eines Erlassvertrags (vgl. § 397 BGB) sein;21 ein solcher Anspruchsverzicht durch Erlass erstreckt sich im Zweifel auch auf einen etwaigen Auskunftsanspruch.22 IV. Konkurrenzen IV. Konkurrenzen Grundsätzlich uneingeschränkt neben dem lauterkeitsrechtlichen Schadensersatz 8 stehen vertragliche und quasi-vertragliche Schadensersatzansprüche, die sich insbesondere aus der schuldhaften Verletzung (§§ 280 ff. BGB) einer mit Vertragsstrafe gesicherten Unterlassungsverpflichtung ergeben können.23 Hierbei schließt ein etwaiger Vertragsstrafenanspruch aus § 340 Abs. 2 BGB die Geltendmachung eines weitergehenden Schadensersatzanspruchs gerade nicht aus.24 Weiterhin kann eine Konkurrenz zu Schadensersatzansprüchen aus der Nichterfüllung von Abwehransprüchen in Betracht kommen.25 Im Verhältnis zum allgemeinen Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) kommt dem sonderde- 9 liktsrechtlichen Schadenersatzanspruch aus Satz 1 in Ansehung der beschriebenen Rechtsnatur26 der Vorrang zu, wenn und soweit das Lauterkeitsrecht einschlägige leges speciales enthält.27 Eine solche Vorrangwirkung wird vor allem28 für das Rahmenrecht betreffend das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb29 anzunehmen sein.30 Über den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts hinaus bleiben die allgemeinen Vorschriften des Deliktsrechts daneben grundsätzlich anwendbar. Indes wird eine Anwendung von § 823 Abs. 2 BGB in Ansehung von § 3 und § 7 regelmäßig nicht in Betracht kommen, da diese Vorschriften gerade keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB darstellen.31 Für diese generelle Ausschlusswirkung sprechen vor allem die Gesetzesbegründung32 und die Systematik des UWG, wonach die §§ 8 ff. grundsätzlich abschließend die Rechtsfolgen für Verstöße gegen § 3 und § 7 festlegen (vgl. hierzu und zum Verbraucherschutz auch nachstehend Rn. 39). Demgegenüber können die §§ 16 bis 19 als Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zur Anwendung berufen sein, da insoweit die zivilrechtlichen Rechtsfolgen für Verstöße nicht abschließend im UWG festgelegt sind.33 Im Verhältnis zum Immaterialgüterrecht kommt eine Gesetzeskonkurrenz vor al- 10 lem zu § 24 Abs. 2 GebrMG, §§ 14 Abs. 6, 7, 15 Abs. 5, 6 MarkenG, § 139 Abs. 2 PatG, § 37 Abs. 2 SortenschG und § 97 Abs. 2 UrhG in Betracht. Das entsprechende Konkurrenzverhältnis gilt es im jeweiligen Einzelfall zu klären, wobei den immaterialgüterrechtlichen Ansprüchen in Ansehung von speziell(er)en Regelungen zu Schutzvoraussetzungen,

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21 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.2; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 11. 22 OLG Stuttgart 29.8.1997 – 2 U 60/97 – WRP 1997, 1219, 1222. 23 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 249; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.2; MünchKommUWG/ Fritzsche § 9 Rn. 10. 24 Köhler GRUR 1994, 260, 261 f. Dem sich anschließend MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 10. 25 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 10. 26 Vgl. vorstehend Rn. 8. 27 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 2; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.2; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 7. 28 Darüber hinaus mit Bezug auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht, allerdings zurückhaltend in der Annahme eines Vorrangs MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 7 m.w.N in Fn. 29. 29 BGH 22.12.1961 – I ZR 152/59 – BGHZ 36, 252, 257 = GRUR 1962, 310, 314 – Gründerbildnis; BGH 24.2.1983 – I ZR 207/80 – GRUR 1983, 467, 468 – Photokina; BGH 24.6.2004 – I ZR 26/02 – GRUR 2004, 877, 880 – Werbeblocker. 30 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 2; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 7. 31 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 49. 32 BegrRegE UWG 2004 zu § 9, BTDrucks. 15/1487 S. 22. 33 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 8, 48.

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§9

Schadensersatz

Schutzdauer und Schutzumfang regelmäßig der Vorrang vor dem Lauterkeitsrecht einzuräumen sein wird.34 Dieses Konkurrenzverhältnis i.S.e. Vorrangthese galt bis zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) auch und vor allem für das in der Praxis besonders bedeutsame Verhältnis zwischen MarkenG und UWG.35 Ob und inwieweit diese Aufteilung in Ansehung des unionsrechtlich angeordneten Nebeneinanders von individualrechtlichem Schutz durch Immaterialgüterrecht und Lauterkeitsrecht weiterhin aufrechterhalten werden kann, ist streitig: Während der BGH zu dieser Rechtsfrage noch nicht entschieden hat, wird im Schrifttum sowohl vertreten, dass die Vorrangthese (vgl. auch die entsprechende Kommentierung zu § 4 Nr. 9 Rn. 89 ff.) vollständig aufgegeben werden sollte,36 als auch, dass nur noch eine modifizierte Anwendung der Vorrangthese in Betracht kommen soll.37 Gegenüber Schadensersatzansprüchen aus dem Kartellrecht gilt, dass das abge11 stufte Regelungssystem der kartellrechtlichen Verbotstatbestände durch das Lauterkeitsrecht nicht unterlaufen werden darf. So unterscheidet das GWB klar zwischen kartellrechtlichen Verboten, die nach § 33 Abs. 1 GWB auch zivilrechtlich durchgesetzt werden können (etwa §§ 1, 19 Abs. 1, 20, 21 GWB), und (Missbrauchs-)Tatbeständen, die lediglich ein Eingreifen der Kartellbehörden ermöglichen (vgl. § 30 Abs. 3 GWB). Diese gesetzliche Regelung darf nicht dadurch konterkariert werden, dass entsprechende Differenzierungen unter Rekurs auf das Lauterkeitsrecht unterlaufen werden, indem etwa in Ansehung eines Wettbewerbsverstoßes ohne Weiteres ein Rechtsbruch nach §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 bejaht wird.38 In sonstigen Konstellationen, in denen sich der Lauterkeitsverstoß gerade nicht allein aus den kartellrechtlichen Verboten ableitet, stehen die Ansprüche demgegenüber nebeneinander.39

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1) B. Schadensersatzanspruch (Satz 1) I. Tatbestandsvoraussetzungen I. Tatbestandsvoraussetzungen 12

Voraussetzung für einen lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzanspruch nach Maßgabe und auf der Grundlage von Satz 1 ist die kausale, rechtswidrige und schuldhafte Vornahme einer nach § 3 oder § 7 unzulässigen geschäftlichen Handlung.

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1. Unzulässige geschäftliche Handlung. Erforderlich ist zunächst eine unzulässige geschäftliche Handlung in Gestalt eines Verstoßes gegen § 3, hier insbesondere unter Einschluss der Beispielstatbestände zu dem Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit aus §§ 4 bis 6, oder § 7. Als Anknüpfungspunkt für die Feststellung eines solchen Verstoßes in Betracht kommen sowohl einmalige als auch wiederholte Handlungen; die hieraus ableitbare Differenzierung kann vor allem für die Verjährung von Bedeutung sein, vgl. hierzu § 11 Rn. 51 ff.40

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34 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 6. 35 BGH 30.4.1998 – I ZR 268/95 – BGHZ 138, 349, 351 = GRUR 1999, 161, 162 – MAC Dog; BGH 14.1.1999 – I ZR 149/96 – GRUR 1999, 992 – BIG PACK; BGH 29.4.1999 – I ZR 152/96 – GRUR 2000, 70, 72 – SZENE; BGH 12.7.2001 – I ZR 100/99 – GRUR 2002, 340, 342 – Fabergé. 36 Fezer WRP 2008, 1; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.5 – jeweils m.w.N. 37 Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 1.77, 4.209 ff., 4.236 ff.; Teplitzky Kap. 4 Rn. 10a, b – jeweils m.w.N. 38 BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154, 161 = GRUR Int. 2007, 162, 163 Tz. 13 – Probeabonnement. 39 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 18; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 6. 40 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.12; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 14. Siehe hierzu BGH 14.2.1978 – X ZR 19/76 – BGHZ 71, 86, 94 = GRUR 1987, 492, 494 – Fahrradgepäckträger II, betreffend die Konstellation eines sukzessiven Eintritts von Schäden bei einem Unterlassen.

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I. Tatbestandsvoraussetzungen

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

Fraglich ist, was für Zuwiderhandlungen gegen die in Satz 1 nicht aufgeführten 14 Strafvorschriften aus §§ 16 bis 19 gelten soll. Falls sich die Zuwiderhandlungen gegen §§ 16 bis 19 als unzulässige geschäftliche Handlungen i.S.d. § 3 darstellen, wird ein Schadenersatzanspruch aus Satz 1 grundsätzlich möglich sein; dies betrifft vornehmlich die Konstellationen, bei denen Mitbewerber i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 beteiligt sind. In allen anderen Konstellationen wird bei Verstößen gegen §§ 16 bis 19 der Anwendungsbereich von § 823 Abs. 2 BGB eröffnet sein.41 2. Schaden und Kausalität. Der Anspruch aus Satz 1 setzt weiterhin die Entstehung 15 eines Schadens voraus. Dabei muss die Handlung nach allgemein-zivilrechtlichen Maßstäben kausal für die Norm- bzw. Rechtsgutverletzung (sog. haftungsbegründende Kausalität) und die Norm- bzw. Rechtsgutverletzung wiederum kausal für den Schaden geworden sein (sog. haftungsausfüllende Kausalität).42 Für den lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzanspruch bereitet regelmäßig die haftungsbegründende Kausalität keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten, da die erforderliche Norm- bzw. Rechtsgutverletzung bereits in Folge der tatbestandlichen Anknüpfung an § 3 oder § 7 verwirklicht sein wird.43 Demgegenüber wirft die haftungsausfüllende Kausalität als Ursachenzusammen- 16 hang zwischen der Norm- bzw. Rechtsgutverletzung deutlich häufiger rechtliche Probleme auf.44 Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen findet die schadensrechtliche Kausalität zunächst ihre Begrenzung über das Kriterium der Äquivalenztheorie,45 wonach die Handlung nicht hinweg gedacht werden können darf, ohne dass der tatbestandsmäßige Erfolg entfiele (sog. conditio-sine-qua-non-Formel). Um in diesem Zusammenhang eine unangemessene Ausweitung der Schadensersatzpflicht zu vermeiden, hat die Rechtsprechung die Kausalität seit jeher durch weitere Zurechnungskriterien eingeschränkt, die sich anerkanntermaßen vornehmlich46 in Gestalt der Adäquanztheorie und der Lehre vom Schutzzweck der Norm manifestieren.47 a) Lehre von der Adäquanz. Zunächst greift auch im Wettbewerbsrecht – wie im 17 allgemeinen Zivilrecht – die Adäquanztheorie, um Kausalverläufe von der Haftung auszunehmen, welche dem Schädiger billigerweise rechtlich nicht mehr zuzurechnen sind.48 Hiernach sind nur solche Schadensursachen zu berücksichtigen, die im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet sind, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen. In diesem Zusammenhang findet die ständige Rechtsprechung zu den Herausforderungskonstellationen49 auch im Lauterkeits-

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41 In diesem Sinne bereits Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 17; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 13. 42 Zur Abgrenzung vgl. etwa MünchKommBGB/Wagner § 823 Rn. 308 ff. m.w.N. 43 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 93. 44 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 39 m.w.N. 45 St. Rspr., vgl. etwa BGH 11.5.1951 – I ZR 106/50 – BGHZ 2, 138, 140f. = NJW 1951, 711, 711; BGH 2.7.1957 – VI ZR 205/56 – BGHZ 25, 86, 90 = NJW 1957, 1475, 1475 f.; BGH 11.1.2005 – X ZR 163/02 – NJW 2005, 1420. 46 Siehe überdies Bydlinski Probleme der Schadensverursachung (1964). 47 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 2; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 269 ff.; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 94 f.; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.13 ff.; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 38 ff. 48 St. Rspr., vgl. etwa BGH 14.10.1971 – VII ZR 313/69 – BGHZ 57, 137, 141 = NJW 1972, 36, 37; BGH 9.10.1997 – III ZR 4/97 – BGHZ 137, 11, 19 = NJW 1998, 138, 140. 49 BGH 13.7.1971 – VI ZR 125/70 – BGHZ 57, 25, 28 ff. = NJW 1971, 1980, 1980; BGH 4.7.1994 – II ZR 126/93 – NJW 1995, 126, 127; BGH 20.10.1994 – IX ZR 116/93 – NJW 1995, 449, 451; BGH 17.10.2000 – X ZR 169/99 – NJW 2001, 512, 513; BGH 7.3.2002 – VII ZR 41/01 – NJW 2002, 2322, 2323.

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§9

Schadensersatz

recht sinngemäße Anwendung. So kann ein Verletzter denjenigen Schaden, der ihm durch eine Handlung entstanden ist, die auf einer von ihm selbst getroffenen Willensentscheidung beruht, dann ersetzt verlangen, wenn die Handlung durch ein rechtswidriges Verhalten eines anderen herausgefordert worden ist und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses Verhalten darstellt.50 Demgegenüber wird das Vorliegen des erforderlichen Adäquanzzusammenhangs 18 regelmäßig zu verneinen sein, wenn dem Verletzten Kosten durch die versehentliche Inanspruchnahme eines Dritten entstehen; dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Verletzer die Verwechslungsmöglichkeit verursacht hat. Anders wird es sich dagegen verhalten, wenn die Herbeiführung der Verwechslungsgefahr für sich bereits einen eigenständigen Wettbewerbsverstoß darstellt.51 b) Lehre vom Schutzzweck der Norm. Die vor allem auf eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung ausgerichtete Adäquanztheorie bedarf der Ergänzung durch eine wertende Betrachtung, welche im Rahmen der Lehre vom Schutzzweck der Norm vollzogen wird. Danach muss der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen, um dem Handelnden zugerechnet werden zu können; es muss sich in diesem Sinne gerade um Nachteile handeln, die aus dem Bereich derjenigen Gefahren stammen, für die die verletzte Norm erlassen oder die verletzte (vor-)vertragliche Pflicht übernommen worden ist. 52 Die Ermittlung des jeweiligen Schutzzwecks ist im konkreten Einzelfall im Wege der Auslegung vorzunehmen,53 wozu für das Lauterkeitsrecht neben § 3 und § 7 vor allem auch auf die Konkretisierung durch die §§ 4 bis 6 zu rekurrieren sein wird.54 Diese Schutzzweckformel ist überdies von Bedeutung für die Frage, ob dem Scha20 densersatzanspruch der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens wirksam entgegengesetzt werden kann.55 Die Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei einem rechtmäßigen Verhalten eingetreten wäre, trifft den Schädiger.56 Allerdings wird der Einwand rechtmäßigen Verhaltens im Lauterkeitsrecht in Ansehung sowohl der tatsächlichen Umstände57 als auch vor allem der Präventions- und Schutzfunktion58 regelmäßig nicht durchgreifen.59 19

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3. Rechtswidrigkeit. Sofern ein Verhalten den Tatbestand einer Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 erfüllt, ist grundsätzlich auch von dem Vorliegen der Rechtswidrigkeit

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50 BGH 23.11.2006 – I ZR 276/03 – GRUR 2007, 631 Tz. 23 – Abmahnaktion. Richtigerweise dürfte insoweit – mit demselben Ergebnis – auf die Lehre vom Schutzzweck der Norm zu rekurrieren sein, vgl. in diesem Sinne auch bereits GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 270, 271 m.w.N. 51 BGH 5.11.1987 – I ZR 212/85 – GRUR 1988, 313, 314 – Auto F. GmbH. 52 St. Rspr., vgl. etwa BGH 22.4.1958 – VI ZR 65/57 – BGHZ 27, 137, 140 = NJW 1958, 1041, 1042; BGH 6.5.1999 – III ZR 89/97 – NJW 1999, 3203, 3204. 53 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.15; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 41. 54 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 41 f. m.w.N. 55 BGH 24.10. 1985 – IX ZR 91/84 – BGHZ 96, 157, 164 = NJW 1986, 576, 579 m.w.N. GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 271; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 96; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.15; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 42; Teplitzky Kap. 30 Rn. 6. 56 BGH 5.7.1973 – VII ZR 12/73 – BGHZ 61, 118, 120 = GRUR 1974, 286, 287 – Bastel-Wettbewerb II; BGH 25.11.1992 – VIII ZR 170/91 – BGHZ 120, 281, 287 = NJW 1993, 520, 522. 57 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 42. Vgl. hierzu BGH 21.2.1964 – Ib ZR 108/62 – GRUR 1964, 392, 396 – Weizenkeimöl. 58 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 271; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 96. 59 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 271; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 96; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.15; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 42 f.; Teplitzky Kap. 30 Rn. 6.

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I. Tatbestandsvoraussetzungen

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

auszugehen.60 Darüber hinaus kann für die sog. Rahmenrechte, insbesondere betreffend das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am Unternehmen eine zusätzliche Interessenabwägung zur Feststellung der Rechtswidrigkeit erforderlich sein.61 Im konkreten Einzelfall können Rechtfertigungsgründe die zunächst indizierte 22 Rechtswidrigkeit der unzulässigen geschäftlichen Handlung entfallen lassen. Zu denken ist insoweit vor allem an die allgemeinen Rechtfertigungsgründe des Zivil- und des Strafrechts (hier insbesondere die §§ 227, 228, 904 BGB bzw. die §§ 32, 34 StGB sowie Einwilligung und Rechtsmissbrauch). Dabei entfalten die allgemeinen Rechtfertigungsgründe im Wettbewerbsrecht allerdings kaum eine Wirkung, da ihre Tatbestandsmerkmale regelmäßig nicht passen werden.62 4. Verschulden. Ein Schadensersatzanspruch nach Satz 1 setzt nach der veränder- 23 ten Rechtslage durch die UWG-Novellen 2004 und 2008 nunmehr ausdrücklich63 ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten des Schädigers voraus. Neben das Vorliegen der objektiven Unlauterkeit des Verhaltens durch Tatbestandsverwirklichung muss mit dem Verschulden ein Element der subjektiven Vorwerfbarkeit treten. Zwar hat der Vorsatz im Zivilrecht nicht eine gleichermaßen überragende Bedeutung wie im Strafrecht, wo bei vorsätzlichen Taten sowohl der Verstoß gegen die Rechtsordnung als auch das hierdurch ausgelöste Befriedungsbedürfnis besonders deutlich hervortreten.64 Der Unterscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit kommt i.R.d. lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzanspruchs aber eine maßgebliche Bedeutung zu für die Fragen der Presseprivilegierung (Satz 2, vgl. nachstehend Rn. 76 ff.) und des Mitverschuldens (§ 254 BGB, vgl. nachstehend Rn. 101 ff.). a) Vorsatz. Vorsatz bedeutet Wissen (intellektuelles Element) und Wollen (volun- 24 tatives Element) der Tatbestandsverwirklichung, wobei das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gegeben sein muss.65 Darüber hinaus ist ein Handeln im Bewusstsein der Unlauterkeit erforderlich (vgl. auch die entsprechenden Ausführungen zu § 8 Rn. 92 ff.);66 die bloße Kenntnis der die Unlauterkeit begründenden Tatumstände reicht gerade nicht aus.67 Allerdings ist für das Bewusstsein der Unlauterkeit keine exakte rechtliche Sub-

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60 Vgl. etwa BGH 13.5.1977 – I ZR 177/75 – BGHZ 68, 383, 388 = GRUR 1978, 46, 47 – Doppelkamp. Weiterhin auch Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 10; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 19 – „stets rechtswidrig“; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.16; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 16. 61 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.16. 62 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 17. 63 Das Verschuldenserfordernis war zwar in § 1 a.F. nicht aufgeführt, war aber den generellen Grundsätzen der Deliktshaftung entsprechend allgemein anerkannt. Vgl. etwa BGH 27.1.1959 – I ZR 185/55 – GRUR 1960, 200, 202 – Abitz II. Vgl. weiterhin GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 278 m.w.N. 64 MünchKommBGB/Grundmann § 276 Rn. 150. 65 St. Rspr., vgl. etwa BGH 16.6.1977 – III ZR 179/75 – BGHZ 69, 139, 142 f. = NJW 1977, 1875, 1878 – Fluglotsenstreik; BGH 16.7.2002 – X ZR 250/00 – BGHZ 151, 337, 343 = NJW 2002, 3255, 3256 ; BGH 11.3.2004 – I ZR 304/01 BGHZ 158, 236, 250 = GRUR 2004, 860, 864 – Internet-Versteigerung I; BGH 19.4. 2007 – I ZR 35/04 – BGHZ 172, 119, 129 = GRUR 2007, 708 Tz. 31 – Internet-Versteigerung II; BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04 – BGHZ 173, 188, 194 f. = GRUR 2007, 890 Tz. 21 – Jugendgefährdende Schriften bei eBay; BGH 3.7.2008 – I ZR 145/05 – BGHZ 177, 150, 155 = GRUR 2008, 810 Tz. 15, 42 – Kommunalversicherer; BGH 11.3.2009 – I ZR 114/06 – BGHZ 180, 134, 137 = GRUR 2009, 597 Tz. 14 – Halzband. 66 So zutreffend die nunmehrige h.M. – vor allem auch unter Berufung auf BegrRegE UWG 2004 zu § 9, BTDrucks. 15/1487 S. 23 – Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 13; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 15; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.17; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 21; Teplitzky Kap. 30 Rn. 8. Vgl. weiterhin bereits zum alten Recht (§ 1 a.F.) GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 278. 67 So noch zum alten Recht (§ 1 a.F.) BGH 30.1.1953 – I ZR 88/52 – BGHZ 8, 387, 393 – Fernsprechernummer; BGH 11.1.1955 – I ZR 16/53 – GRUR 1955, 411, 414 – Zahl 55; BGH 6.12.1990 – I ZR

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§9

Schadensersatz

sumtion erforderlich, sondern es genügt vielmehr eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“.68 Insgesamt kann es damit ausreichend sein, wenn der Täter die Verwirklichung des Tatbestandes oder den Eintritt des Erfolges auf Grund seines Verhaltens – nur – für möglich hält (bedingter Vorsatz).69 25

b) Fahrlässigkeit. Nach der Legaldefinition aus § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer im Verkehr die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Für die Bestimmung der jeweils erforderlichen Sorgfalt im konkreten Einzelfall ist ein objektiver Maßstab anzulegen.70 Es kann den Täter daher nicht i.S.e. Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs entlasten, sollten in einem Tätigkeitsfeld bestimmte Nachlässigkeiten oder Unsitten eingerissen sein.71 Allerdings kann umgekehrt durchaus eine Erhöhung des Sorgfaltsmaßstabs daraus erwachsen, dass der Täter spezielle Fähigkeiten oder Kenntnisse aufweist.72 Für die Verwirklichung des Schadensersatzanspruchs aus Satz 1 genügt bereits leichte Fahrlässigkeit, wenn eine unlautere Handlung nach § 3 oder § 7 vorliegt. Weiterhin ist zu beachten, dass nach Satz 2 der Schadensersatzanspruch gegen verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften nur bei einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung geltend gemacht werden kann (sog. Presseprivileg).

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c) Kasuistik. Im Lauterkeitsrecht gilt für die Bestimmung der im Einzelfall zur Anwendung zu bringenden Sorgfalt grundsätzlich ein strenger Maßstab.73 Zur Orientierung bietet sich der Blick auf eine ausgewählte Kasuistik an, welche nachfolgend anhand von Fallgruppen entfaltet wird.74

27

aa) Irrtum über Tatsachen oder die Rechtslage. Fehlt bei dem Verletzer die Kenntnis von bestimmten, den Tatbestand begründenden Tatsachen, so kann bereits die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens fehlen.75 Falls nicht bereits das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit entfällt, schließt die fehlende Kenntnis von Tatumständen jedenfalls aber den Vorsatz aus.76 Allerdings wird den Verletzer ein Fahrlässigkeitsvorwurf

_____ 297/88 – BGHZ 113, 115, 130 = GRUR 1991, 609, 613 – SL. Anders aber bereits GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B. Rn. 278. 68 Siehe bereits GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.17. 69 Hierzu ausführlich etwa MünchKommBGB/Grundmann § 276 Rn. 155 ff. m.w.N. Weiterhin aus dem Schrifttum zum Lauterkeitsrecht Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 28 f.; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 21 ff. 70 H.M., vgl. allgemein-zivilrechtlich etwa MünchKommBGB/Grundmann § 276 Rn 54 m.w.N. Aus dem lauterkeitsrechtlichen Schrifttum siehe Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 55; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.17; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 26; Teplitzky Kap. 30 Rn. 8. 71 BGH 15.1.1965 – Ib ZR 44/63 = GRUR 1965, 495, 496 – Wie uns die anderen sehen. 72 BGH 11.12.1973 – X ZR 14/70 – BGHZ 62, 29, 39 = GRUR 1974, 290, 292 – maschenfester Strumpf; BGH 17.6.1999 – I ZR 213/96 = GRUR 1999, 1106, 1109 – Rollstuhlnachbau. Zu weiteren Differenzierungen siehe etwa Teplitzky Kap. 30 Rn. 9 m.w.N. 73 BGH 6.5.1999 – I ZR 199/96 – BGHZ 141, 329, 345 f. = GRUR 1999, 923, 928 – Tele-Info-CD. Vgl. weiterhin Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 55; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.18. 74 Zu diesen und weiteren Fallgruppen siehe auch Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 14 ff.; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 56 ff.; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.19 ff.; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 27 ff.; Teplitzky Kap. 30 Rn. 12 ff. 75 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 279, dem sich anschließend Teplitzky Kap. 30 Rn. 12. 76 BGH 27.1.1959 – I ZR 185/55 – GRUR 1960, 200, 202 – Abitz II; BGH 6.5.1999 – I ZR 199/96 – BGHZ 141, 329, 345 = GRUR 1999, 923, 928 – Tele-Info-CD. Weiterhin aus dem Schrifttum GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 279; Teplitzky Kap. 30 Rn. 15.

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I. Tatbestandsvoraussetzungen

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

treffen, wenn und soweit der Irrtum bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt hätte verhindert werden können.77 Eine fehlerhafte rechtliche Beurteilung infolge eines Rechtsirrtums schließt regel- 28 mäßig ebenfalls nur den Vorsatz, nicht aber den Schuldvorwurf hinsichtlich eines fahrlässigen Verhaltens aus. Als unverschuldet wird ein Rechtsirrtum dann anzusehen sein, wenn der im Irrtum befindliche Verletzer auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte.78 Allerdings ist durch die Anlegung eines strengen Maßstabes an die Sorgfalt des Verletzers zu verhindern, dass das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage dem anderen Teil zugeschoben wird.79 In diesem Sinne handelt fahrlässig, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, indem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss.80 Ein Schuldvorwurf trifft den Verletzer etwa, wenn sich aus der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichende Anhaltspunkte für die Bedenklichkeit seines Handelns ergeben.81 Dagegen wird es an einem fahrlässigen Verhalten fehlen, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung ein bestimmtes Verhalten für erlaubt erklärt hat, diese Rechtsauffassung aber mittlerweile umstritten ist.82 Ebenso ist eine Fahrlässigkeit zu verneinen, wenn es zwar an einer höchstrichterlichen Rechtsprechung fehlt, die zuständigen Behörden und Gerichte das betreffende Verhalten aber ausdrücklich als rechtlich zulässig bewerten.83 Insoweit würde es grundsätzlich eine Überspannung der Pflicht zu einem lauteren Wettbewerbshandeln und somit einen unzulässigen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit darstellen, von einem Gewerbetreibenden zu verlangen, sich vorsichtshalber auch dann nach der strengsten Gesetzesauslegung und Einzelfallbeurteilung zu richten, wenn die zuständigen Behörden und Gerichte sein Verhalten ausdrücklich als rechtlich zulässig bewerten.84 Besonders strenge Sorgfaltsmaßstäbe gelten in Ansehung von Werbemaßnahmen,85 da der Unternehmer hier nicht gezwungen ist, sich auf rechtlich zweifelhaftes Gebiet zu begeben.86 Grundsätzlich ist von einem Unternehmer zu erwarten, dass Kenntnis von den für 29 die jeweilige Betätigung maßgeblichen Rechtsvorschriften besteht oder in zumutbarer Weise eingeholt wird.87 In Zweifelsfällen ist mit zumutbaren Anstrengungen besonders sachkundiger Rechtsrat einzuholen.88 Die Nichteinholung eines solchen Rechtsrats bei mit wettbewerbsrechtlichen Sachverhalten und Fragestellungen vertrauten Rechtskundigen (etwa Hochschullehrern mit einschlägigen Kenntnissen, Patentanwälten, Rechts-

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77 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 279; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 28; Teplitzky Kap. 30 Rn. 12. 78 BGH 6.5.1999 – I ZR 199/96 – BGHZ 141, 329, 345 = GRUR 1999, 923, 928 – Tele-Info-CD. 79 BGH 16.12.1986 – KZR 36/85 – GRUR 1987, 564, 565 – Taxi-Ruf-Zentrale; BGH 10.10.1989 – KZR 22/88 – GRUR 1990, 474, 476 – Neugeborenentransporte. 80 BGH 23.5.1990 – I ZR 176/88 – GRUR 1990, 1035, 1038 – Urselters II; BGH 6.7.1995 – I ZR 58/93 – BGHZ 130, 205, 220 – Feuer, Eis & Dynamit I; BGH 14.12.1995 – I ZR 210/93 – BGHZ 131, 308, 318 = GRUR 1996, 271, 275 – Gefärbte Jeans; BGH 18.12.1997 – I ZR 79/95 – GRUR 1998, 568, 569 – Beatles-Doppel-CD. 81 BGH 28.10.1970 – I ZR 39/69 – GRUR 1971, 223, 225 – Clix-Mann; BGH 14.11.1980 – I ZR 138/78 – GRUR 1981, 286, 288 – Goldene Karte I. 82 BGH 7.10.1960 – I ZR 17/59 – GRUR 1961, 97, 99 – Sportheim. 83 BGH 11.10.2001 – I ZR 172/99 – GRUR 2002, 269, 270 – Sportwetten-Genehmigung; BGH 23.6.2005 – I ZR 194/02 – BGHZ 163, 265, 269 = GRUR 2005, 778, 779 – Atemtest. 84 BGH 11.10.2001 – I ZR 172/99 – GRUR 2002, 269, 270 – Sportwetten-Genehmigung. 85 BGH 14.11.1980 – I ZR 138/78 – GRUR 1981, 286, 288 – Goldene Karte I. 86 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.19; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 31. 87 BGH 30.3.1988 – I ZR 209/86 – GRUR 1988, 699, 700 – qm-Preisangaben II; BGH 2.10.2002 – I ZR 177/00 – GRUR 2003, 162, 162 f. – Progona. 88 BGH 11.10.2001 – I ZR 172/99 – GRUR 2002, 269, 270 – Sportwetten-Genehmigung.

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§9

Schadensersatz

anwälten, Verbandsjuristen)89 wird regelmäßig einen Schuldvorwurf begründen.90 Darüber hinaus befreit selbst die Einholung eines Rechtsrats allerdings dann nicht vom Verschuldensvorwurf, falls es einen hinreichenden Anlass zu Zweifeln an der Objektivität, Qualität oder Sorgfalt des Beraters gibt.91 Ferner besteht eine allgemeine Pflicht des Verletzers, stets selbst eine gewissenhafte Prüfung anhand seiner eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten anzustellen.92 bb) Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen. Für Schutzrechtsverwarnungen gilt mit der Rechtsprechung, dass dem Vorgehen des Schutzrechtsverwarners eine „gewissenhafte Prüfung“ und „vernünftige und billige Überlegungen“ vorausgehen müssen, damit die Haftung unter Bezugnahme auf den Schuldvorwurf ausgeschlossen werden kann.93 Dabei ist die Frage, ob der Verwarner bei der Prüfung der Rechtsbeständigkeit seines Schutzrechts hinreichend gewissenhaft vorgegangen ist und die ihm billigerweise zuzumutende Sorgfalt hat walten lassen, nicht generell, sondern vielmehr stets nur unter Berücksichtigung der besonderen Gestaltung des Einzelfalls zu beantworten. Die ältere, strengere Rechtsprechung betreffend die Prüfungs- und Sorgfaltspflichten des Verwarnenden, wobei zwischen Verwarner und Verletzer trotz der rechtstatsächlichen Unterschiede nicht differenziert wurde, ist insofern überholt.94 Allerdings gilt eine Unterscheidung zwischen der Verwarnung von Herstellern einerseits und Abnehmern andererseits: Die allgemein anerkannte Rechtspflicht, sich bei der Rechtsverfolgung unter Berücksichtigung auch der Belange des – vermeintlichen – Schädigers auf die hierzu notwendigen Mittel zu beschränken, gebietet es, zu der risikoträchtigen Abnehmerverwarnung als ultima ratio erst dann zu schreiten, wenn die Herstellerverwarnung erfolglos geblieben ist oder bei verständiger Abwägung der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise unangebracht erscheint und die vorausgegangene sorgfältige Prüfung der Rechtslage bei objektiver Betrachtungsweise den Verwarnenden davon überzeugen konnte, seine Ansprüche seien berechtigt.95 31 Im Sinne der vorbenannten Prüfungs- und Sorgfaltsanforderungen kann etwa die Pflicht bestehen, einen fach- und rechtskundigen Berater hinzuzuziehen.96 Dabei ist zu beachten, dass der Schutzrechtsinhaber den anwaltlichen Rat nicht ohne weiteres hinnehmen darf, sondern sich im Rahmen seiner Möglichkeiten in die Prüfung einschalten und unter Einsatz seines eigenen sachlichen Spezialwissens an der Prüfung mitwirken muss.97 Ein Fahrlässigkeitsvorwurf kann daraus ableitbar sein, dass der – vermeintliche – Schutzrechtsinhaber begründeten Anlass hatte, das Urteil der mit der Prüfung

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89 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 281. 90 BGH 24.11.1959 – I ZR 88/58 – GRUR 1960, 186, 189 – Arctos; BGH 16.12.1986 – KZR 36/85 – GRUR 1987, 564, 566 – Taxi-Ruf-Zentrale; BGH 10.10.1989 – KZR 22/88 – GRUR 1990, 474, 477 – Neugeborenentransporte. Weiterhin aus dem Schrifttum GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 281; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 28. 91 BGH 11.12.1973 – X ZR 14/70 – BGHZ 62, 29, 40 = GRUR 1974, 290, 293 – maschenfester Strumpf. Weiterhin auch Schulz-Süchting GRUR 1974, 432 sowie Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.19; MünchKommUWG/ Fritzsche § 9 Rn. 28. 92 BGH 30.9.1964 – Ib ZR 65/63 – GRUR 1965, 198, 202 – Küchenmaschine. 93 BGH 11.12.1973 – X ZR 14/70 – BGHZ 62, 29, 36 f. = GRUR 1974, 290, 291 ff. – maschenfester Strumpf. In diesem Sinne bereits RG 10.1.1919 – II 220/18 – RGZ 94, 271, 276 – Sprechmaschine. 94 BGH 5.11.1962 – I ZR 39/61 – BGHZ 38, 200 = GRUR 1963, 255 – Kindernähmaschinen. Siehe auch die weiteren Nachweise bei GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 283 in Fn. 158. 95 BGH 19.1.1979 – I ZR 166/76 – GRUR 1979, 332, 336 – Brombeerleuchte. 96 BGH 11.12.1973 – X ZR 14/70 – BGHZ 62, 29, 36 f. = GRUR 1974, 290, 292 f. – maschenfester Strumpf. Siehe auch bereits vorstehend unter Rn. 29. 97 BGH 11.12.1973 – X ZR 14/70 – BGHZ 62, 29, 36 f. = GRUR 1974, 290, 293 – maschenfester Strumpf.

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II. Gläubiger und Schuldner

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

befassten Rechtsberater anzuzweifeln.98 Für die Bestimmung der Pflichtenanforderungen wird schließlich vor allem auch auf die wirtschaftlichen (Vor-)Erfahrungen von Verwarnendem und Betroffenem abzustellen sein.99 cc) Nachträgliche Kenntniserlangung oder Klärung. Wer einen zunächst nicht 32 schuldhaften Wettbewerbsverstoß fortsetzt, obwohl nachträglich Kenntnis über die maßgeblichen Umstände oder eine Klärung der Rechtslage eingetreten ist, kann ab diesem Zeitpunkt schuldhaft handeln.100 Der praktische Hauptanwendungsfall dieser Fallgruppe ist die nachträgliche Kenntniserlangung von verschuldensbegründenden Umständen im Wege einer Abmahnung. Dabei wird es von den Umständen des Einzelfalles – und hier insbesondere von der Komplexität der Tat- und Rechtsfragen – abhängen, ob dem Verletzer eine angemessene Überlegungs- bzw. Prüfungsfrist zuzubilligen ist.101 5. Verantwortlichkeit nach §§ 7 bis 10 TMG. Für Lauterkeitsverstöße im Anwen- 33 dungsbereich des Telemediengesetzes (TMG) sind die §§ 7 bis 10 TMG zu berücksichtigen, welche die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern regeln. Dabei ist der Begriff „Diensteanbieter“ legaldefiniert in § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG als „natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereit hält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt“. Die Regelungen der §§ 7 bis 10 TMG stellen allerdings keine selbständigen Anspruchsgrundlagen dar, sondern führen vielmehr für bestimmte Sachverhalte zu einer Einschränkung oder sogar zu einem Ausschluss der nach den allgemeinen Rechtsvorschriften eigentlich bestehenden Verantwortlichkeit von Diensteanbietern (siehe hierzu auch § 8 Rn. 110 ff.). II. Gläubiger und Schuldner II. Gläubiger und Schuldner 1. Gläubiger. Abweichend vom früheren Recht bestimmt Satz 1 ausdrücklich, dass 34 ersatzberechtigte Gläubiger nur die Mitbewerber (vgl. die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 3) sind. Dagegen ist eine Anspruchsberechtigung der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer (vgl. nachfolgend Rn. 37 ff.) sowie der Verbände (vgl. nachfolgend Rn. 40) zunächst nach dem Wortlaut ausdrücklich nicht eröffnet; darüber hinaus kommt eine analoge, erweiternde Anwendung nicht in Betracht.102 Gewährt werden Schadensersatzansprüche in Abhängigkeit von dem Schutzzweck der jeweils betroffenen wettbewerbsrechtlichen Verhaltensnorm (Schutzzweckgedanke)103 und grundsätzlich nur im Horizontalverhältnis.104 Dahinter steht die Überlegung, dass für das Horizontalverhältnis, anders als im Vertikalverhältnis gegenüber Verbrauchern und sonstigen Marktteil-

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98 BGH 22.6.1976 – X ZR 44/74 – GRUR 1976, 715, 717 – Spritzgießmaschine. 99 BGH 11.12.1973 – X ZR 14/70 – BGHZ 62, 29, 38 = GRUR 1974, 290, 292 f. – maschenfester Strumpf. 100 BGH 16.2.1973 – I ZR 74/71 – BGHZ 60, 206, 208 = GRUR 1973, 375, 376 – Miss Petite; BGH 10.5.1974 – I ZR 80/73 – GRUR 1974, 735, 737 – Pharmamedan. Aus dem Schrifttum siehe Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.21; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 33; Teplitzky Kap. 30 Rn. 21 ff. 101 So mit Blick auf die Abmahnung BGH 10.5.1974 – I ZR 80/73 – GRUR 1974, 735, 737 – Pharmamedan, wo für Arzneimittel eine „angemessene Aufbrauchsfrist“ gewährt wird; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.21; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 33; Teplitzky Kap. 30 Rn. 22. 102 A.A. dagegen Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 3, mit Blick auf die Verbraucher von einer „teleologischen Erweiterung der lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzgrundlage des § 9 im Lichte der dogmatischen Grundausrichtung des UWG“ ausgehend. Vgl. hierzu weiterhin auch Augenhofer WRP 2006, 169, 176; Keßler WRP 2005, 264, 273; Sack GRUR 2004, 625, 630; Säcker WRP 2004, 1199, 1214. 103 Bornkamm GRUR 1996, 527, 529; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.9; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 47. 104 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.9; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 47.

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§9

Schadensersatz

nehmern, im außervertraglichen Bereich der durch die §§ 823 ff. BGB vermittelte Rechtsschutz vielfach zu kurz greift; so wird insbesondere das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb mit Blick auf das Erfordernis eines unmittelbaren betriebsbezogenen Eingriffs regelmäßig105 nicht verletzt sein.106 Das für die Eröffnung der schadensbezogenen Ersatzberechtigung insoweit erforder35 liche konkrete – tatsächliche oder potenzielle – Wettbewerbsverhältnis kann auch ein mittelbares sein und etwa zwischen Unternehmen bestehen, die nicht auf der identischen Handels- und Wirtschaftsstufe tätig sind.107 Ausreichend ist überdies bereits, dass das erforderliche Wettbewerbsverhältnis durch die konkrete Wettbewerbshandlung vermittelt wird, indem die Substituierbarkeit eines Produkts durch ein anderes seitens des Verletzers als jedenfalls möglich dargestellt wird.108 36

a) Mitbewerber. Mitbewerber sind nach der Legaldefinition aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 solche Unternehmer, die mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Weiterhin ist zu fragen, welche Mitbewerber von dem Schutzzweck der in Rede stehenden wettbewerbsrechtlichen Verhaltensnorm geschützt sind. Nach dem Schutzzweckgedanken greift insoweit bei den einzelnen Tatbeständen eine Beschränkung der Berechtigung auf denjenigen, gegen den sich der konkrete Verstoß richtet.109 In diesem Sinne ist anspruchsberechtigt bei einer Herabsetzung oder Verunglimpfung nach § 4 Nr. 7, bei einer Anschwärzung nach § 4 Nr. 8 und bei einer gezielten Behinderung nach § 4 Nr. 10 jeweils nur der konkret betroffene Mitbewerber; beim Geheimnisschutz über § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 17 ff. nur der Unternehmensinhaber; in den Fällen der unzulässigen vergleichenden Werbung (§ 6 Abs. 2) nur der in Bezug genommene Mitbewerber.110 In Fällen des ergänzenden Leistungsschutzes nach Maßgabe von § 4 Nr. 9 sind regelmäßig nur der verletzte Hersteller und möglicherweise der Alleinimporteur geschützt, nicht dagegen der einzelne Händler.111 Wenn und soweit wettbewerbsschützende Tatbestände einen allgemein marktbezogenen Schutz eröffnen, wie etwa die Vorschriften betreffend die unsachliche Beeinflussung von Verbrauchern oder die Bestimmungen zur irreführenden Werbung, so kommen als Gläubiger grundsätzlich sämtliche Mitbewerber in Betracht, die unmittelbar betroffen sind.112

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b) Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer. Eine Ersatzberechtigung von Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern ist nach Satz 1 nicht vorgesehen. Schadensersatzansprüche kommen nach dem UWG vielmehr regelmäßig nur im Horizontalverhältnis in Betracht, ein Individualschutz im Vertikalverhältnis zu den Verbrauchern und

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105 Anders etwa bei unberechtigten Abmahnungen oder Schutzrechtsverwarnungen, vgl. Rn. 30 f. Zu den insoweit bestehenden Grenzen betreffend die Aktivlegitimation von Dritten vgl. BGH 29.6.1977 – I ZR 186/75 – GRUR 1977, 805, 807 – Klarsichtverpackung. 106 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 3; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 47. 107 BGH 23.4.1998 – I ZR 2/96 – GRUR 1999, 69, 70 – Preisvergleichsliste II. 108 BGH 12.1.1972 – I ZR 60/70 – GRUR 1972, 553, 553 – Statt Blumen ONKO-Kaffee; BGH 17.1.2002 – I ZR 215/99 – GRUR 2002, 828, 829 – Lottoschein. 109 Bornkamm GRUR 1996, 527, 529; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.9; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 47. 110 Vgl. auch die Aufstellungen bei Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.9; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 47. 111 BGH 18.10.1990 – I ZR 283/88 – GRUR 1991, 223, 224 – Finnischer Schmuck; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 331 f. = GRUR 1994, 630, 634 – Cartier-Armreif. 112 BGH 5.3.1998 – I ZR 229/95 – GRUR 1998, 1039, 1040 – Fotovergrößerungen; Bornkamm GRUR 1996, 527, 529; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.9; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 47.

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II. Gläubiger und Schuldner

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

sonstigen Marktteilnehmern ist demgegenüber nicht eröffnet.113 Zwar mag die hieraus resultierende Beschränkung der Anspruchsberechtigung mit Blick auf die individualbezogenen Schutzzweckbestimmungen aus § 1 Satz 1 als unbefriedigend kritisiert worden sein.114 Bereits der eindeutige Wortlaut des Satz 1 und die Gesamtsystematik des Zusammenspiels der die Aktivlegitimation betreffenden Vorschriften der §§ 8 Abs. 3, 9 Satz 1, 10 Abs. 1 sowie nicht zuletzt auch die Gesetzesbegründung115 stehen aber einer analogen, erweiternden Anwendung der Vorschrift entgegen. In diesem Sinne wird zur Ablehnung einer Erweiterung der lauterkeitsrechtlichen 38 Schadensersatzberechtigung nach Maßgabe von Satz 1 zutreffend darauf verwiesen, dass es am Vorliegen einer insoweit vorgreiflichen Schutzlücke fehlt:116 Für den Schutz im Vertikalverhältnis gegenüber Verbrauchern und anderen Marktteilnehmern greifen im (quasi-) vertraglichen Bereich insbesondere die Anfechtungsmöglichkeiten aus §§ 119 ff. BGB, die Mängelgewährleistungsrechte aus §§ 434 ff. BGB, Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB) betreffend die Vertragsanbahnung sowie die verbraucherschützenden Vorschriften betreffend Widerrufsrechte aus §§ 312 ff., 481 ff., 491 ff. BGB und aus §§ 241a, 661a BGB.117 Für den außervertraglichen Rechtsgüterschutz sind vornehmlich § 1004 BGB (analog) sowie §§ 823 ff. BGB zur Anwendung berufen, welche nicht zuletzt etwa den Schutz der Privatsphäre vor belästigender Werbung eröffnen.118 Vor diesem Hintergrund kann ein Schadensersatzanspruch von Verbrauchern und 39 sonstigen Marktteilnehmern grundsätzlich auch nicht durch Rekurs auf § 823 Abs. 2 BGB begründet werden, da § 3 und § 7 UWG gerade keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB darstellen. 119 Diese Auffassung, welche im Übrigen auch der bisherigen Rechtsprechung des BGH zum früheren Recht entspricht,120 wird zunächst gestützt durch die Gesetzesbegründung121 und darüber hinaus vor allem durch die Systematik des UWG, wonach die Rechtsfolgen von Verstößen gegen § 3 und § 7 in den §§ 8 bis 11 grundsätzlich abschließend geregelt sind. Dem wird von der Gegenauffassung vornehmlich entgegengehalten, die Ablehnung des Schutzgesetzcharakters des UWG sei mit der nunmehrigen Gleichstellung des Verbraucherschutzes mit anderen Schutzzwecken des Lauterkeitsrechts (vgl. hierzu insbesondere § 1) nicht (mehr) vereinbar.122 Bei einer solchen Lesart würde allerdings nicht zuletzt eine Aushöhlung der spezialgesetzlichen Vorgaben drohen. Etwas anderes kann allenfalls in Ansehung der §§ 16 bis 19 gelten, wenn und soweit die zivilrechtlichen Rechtsfolgen für Verstöße nicht festgelegt sind.123

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113 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 15; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 47; Teplitzky Kap. 30 Rn. 4. In diesem Sinne bereits zur früheren Rechtslage Bornkamm GRUR 1996, 527, 528 f. – a.A. dagegen Sack NJW 1975, 1303; Traub GRUR 1980, 673, 675 f. 114 In diesem Sinne kritisch etwa Augenhofer WRP 2006, 169, 176; Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 7; Keßler WRP 2005, 264, 273; Sack GRUR 2004, 625, 630; ders. BB 2003, 1073, 1079; Säcker WRP 2004, 1199, 1214. 115 BegrRegE UWG 2004 zu § 9, BTDrucks. 15/1487 S. 22. 116 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 49. 117 Zu den Besonderheiten der Entscheidung des ÖOGH 24.2.1998 4 OB 53/98 = GRUR Int. 1999, 181 – 1. Hauptpreis und der – abweichenden Behandlung nach deutschem Recht in Ansehung von § 661a BGB siehe ausführlich und m.w.N Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.10. 118 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 49. 119 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 49. 120 BGH 14.5.1974 – VI ZR 48/73 = GRUR 1975, 150, 151 – Prüfzeichen; BGH 13.7.1983 – VIII ZR 142/82 – NJW 1983, 2493, 2494. 121 BegrRegE UWG 2004 zu § 9, BTDrucks. 15/1487 S. 22. 122 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 3; Keßler WRP 2005, 264, 273; Sack GRUR 2004, 625, 630; ders. BB 2003, 1073, 1079; Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 20. 123 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 15; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.10; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 48.

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§9

Schadensersatz

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c) Verbände. Den in § 8 Abs. 3 Nrn. 2 bis 4 genannten Verbänden kommt bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift keine Berechtigung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus Satz 1 zu, soweit nicht ausnahmsweise die insoweit erforderliche Eigenschaft als „Mitbewerber“ gegeben ist.124 Unberührt bleibt dagegen die Geltendmachung von (Schadensersatz-)Ansprüchen durch Verbände auf der Grundlage und nach Maßgabe von außerhalb des Wettbewerbsrechts stehenden Normen, etwa im Falle der Verletzung von Aufklärungspflichten im Rahmen eines Abmahnverhältnisses.125 Die den Verbänden aus der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen entstehenden Kosten, insbesondere für die Abmahnung, sind nicht als Schaden, sondern vielmehr über § 12 Abs. 1 Satz 2 ersatzfähig.126

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2. Schuldner. Schuldner des Schadensersatzanspruchs aus Satz 1 ist anerkanntermaßen zunächst der Zuwiderhandelnde, der als Täter oder Teilnehmer zurechenbar eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen hat, oder derjenige, dem das Handeln seiner Organe über § 31 BGB (analog) zugerechnet wird. Eine solche Inanspruchnahme kann sich überdies auch aus einer Haftung für Dritte ableiten lassen.

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a) Haftung als Täter oder Teilnehmer. Als Schuldner des Schadensersatzanspruchs mit seiner deliktsrechtlichen Natur (siehe dazu vorstehend Rn. 1) kommen zunächst Täter bzw. Mittäter (§ 830 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder Teilnehmer (§ 830 Abs. 2 BGB) in Betracht.127

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b) Haftung für Organhandeln. Nach § 31 BGB ergibt sich eine Haftung des Vereins mit dem Vereinsvermögen für eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung bestimmter Organmitglieder. Es handelt sich um eine haftungszuweisende Norm für die Organhaftung, wobei das Handeln bestimmter Organpersonen dem Verein als Eigenhandeln zugerechnet wird. Die Vorschrift des § 31 BGB ist über den Verein hinaus anerkanntermaßen für sämtliche Gesellschaften und andere Personenvereinigungen jedenfalls entsprechend anwendbar.128 Tatbestandsmäßig erfordert § 31 BGB eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung der Organperson, wobei unerheblich ist, worauf die Schadensersatzpflicht im konkreten Fall beruht; in Betracht kommen zur Anspruchsbegründung insbesondere (vor-)vertragliche Pflichten, deliktisches Verhalten oder auch Verkehrssicherungspflichten. Für das Lauterkeitsrecht ist in diesem Sinne

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124 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 7; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.11; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 48; Teplitzky Kap. 31 Rn. 7. 125 BGH 5.5.1988 – I ZR 151/86 – GRUR 1988, 716, 717 – Aufklärungspflicht gegenüber Verbänden. 126 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 7; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.11. 127 BGH 18.10.2001 – I ZR 22/99 – GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor I. Vgl. weiterhin Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 5; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 11 f.; Köhler WRP 1997, 897, 899 f.; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.3; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 51 ff. m.w.N. 128 Vgl. für die AG etwa BGH 9.5.2005 – II ZR 287/02 – NJW 2005, 2450, 2451 f.; für die KGaA etwa RG 19.2.1904 – III 343/03 – RGZ 57, 93, 94 f; RG 18.10.1917 – VI 143/17 – RGZ 91, 72, 75; RG 27.1.1940 – II 151/39 – RGZ 163, 21; für die eingetragene Genossenschaft etwa BGH 8.7.1986 – VI ZR 47/85 – BGHZ 98, 148, 150 = NJW 1986, 2941; RG 13.2.1911 – VI 652/09 – RGZ 76, 35, 48; RG 30.1.1925 – VI 301/24 – RGZ 110, 145, 147; für die Vor-GmbH etwa OLG Stuttgart 2.11.1988 – 2 W 5/88 – NJW-RR 1989, 638; für die OHG etwa BGH 8.2.1952 – I ZR 92/51 – NJW 1952, 537, 538; für die KG etwa BGH 3.12.1973 – II ZR 144/72 – WM 1974, 153; für die GmbH & Co KG etwa BGH 10.12.2009 – VII ZR 42/08 – BGHZ 183, 323, 337 = NJW 2010, 1808 Tz. 50f. ; für die GbR etwa BGH 3.5.2007 – IX ZR 218/05 – BGHZ 172, 169, 172 = NJW 2007, 2490 Tz. 9; BGH 24.2.2003 – II ZR 385/99 – BGHZ 154, 88, 93 ff. = NJW 2003, 1445, 1446; BGH 24.6.2003 – VI ZR 434/01 – BGHZ 155, 205 = NJW 2003, 2984, 2985.

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II. Gläubiger und Schuldner

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

grundsätzlich ein zum Schadensersatz verpflichtender Wettbewerbsverstoß einer Organperson erforderlich. Eine Haftungszuweisung ergibt sich nach dem Wortlaut von § 31 BGB allerdings 44 nicht für alle Personen, die für den Verein tätig werden, sondern vielmehr nur für bestimmte Organpersonen, und zwar für den Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder einen anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreter. Die Rechtsprechung hat den Begriff des verfassungsmäßig berufenen Vertreters jedoch i.S.e. Repräsentantenhaftung erweitert ausgelegt: Ausreichend soll demnach sein, dass dem Vertreter durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind; der Vertreter muss also die juristische Person auf diese Weise repräsentieren.129 Durch diese Rechtsprechung ist nicht zuletzt der Anwendungsbereich des § 831 BGB mitsamt der Möglichkeit einer Exkulpation durch Entlastungsbeweis zurückgedrängt worden (siehe hierzu sogleich unter Rn. 45 f.). Nach der Lehre vom Organisationsmangel (vgl. auch die entsprechenden Ausfüh- 45 rungen zu § 8 Rn. 135 ff.) dürfen überdies wichtige Aufgaben(gebiete) nicht auf solche weisungsabhängigen Verrichtungsgehilfen übertragen werden, für die eine Exkulpation auf der Grundlage und am Maßstab von § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht kommt. Demnach haben die betroffenen Gesellschaften den Gesamtbereich ihrer Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgabengebiete, die die Organe nicht selbst wahrnehmen können, ein verfassungsmäßig berufener Vertreter zuständig ist, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Wenn und soweit die betriebliche Organisation diesen Anforderungen nicht genügt, muss sich die Gesellschaft so behandeln lassen, als wäre der tatsächlich eingesetzte Verrichtungsgehilfe ein verfassungsmäßig berufener Vertreter.130 c) Haftung für Verrichtungsgehilfen. Eine Haftung kann sich weiterhin aus § 831 46 Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben, wonach der Geschäftsherr auf Ersatz des jeweiligen Schadens in Anspruch genommen werden kann, den sein Verrichtungsgehilfe in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Eigenschaft als Verrichtungsgehilfe setzt eine Weisungsgebundenheit131 voraus, wonach der Geschäftsherr in der Lage ist, die Tätigkeit dem Handelnden jederzeit zu entziehen, sie zu beschränken oder nach Zeit und Umfang zu regeln.132 Weiterhin besteht im Rahmen der Haftung für den Verrichtungsgehilfen – anders als bei der Organhaftung vermittels § 31 BGB – die Möglichkeit zu einer Exkulpation im Wege des Entlastungsbeweises gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Haftung des Geschäftsherrn entfällt, wenn er nachweisen kann, dass der Verrichtungsgehilfe sorgfältig ausgesucht und überwacht wurde oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. An den vom Geschäftsherrn zu führenden Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB werden im Rahmen von

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129 BGH 30.10.1967 – VII ZR 82/65 – BGHZ 49, 19, 21 = NJW 1968, 391, 392; BGH 21.9.1971 – VI ZR 122/70 – NJW 1972, 334; BGH 5.3.1998 – III ZR 183/96 – NJW 1998, 1854, 1856. 130 BGH 10.5.1957 – I ZR 234/55 – BGHZ 24, 200, 213 = NJW 1957, 785, 786 f.; BGH 8.7.1980 – VI ZR 158/78 – GRUR 1980, 1099, 1104 – Medizinsyndikat II; RG 9.3.1938 – VI 212/37 – RGZ 157, 235. 131 Hierzu im Kontext des Wettbewerbsrechts etwa BGH 29.6.1956 – I ZR 129/54 – GRUR 1956, 553, 556 – Coswig; BGH 5.10.1979 – I ZR 140/77 – GRUR 1980, 116, 117 – Textildrucke; BGH 12.6.1997 – I ZR 36/95 – GRUR 1998, 167, 169 – Restaurantführer. 132 RG 25.7.1918 – VI 438/17 – RGZ 92, 345, 346 f.; BGH 30.6.1966 – VII ZR 23/65 – BGHZ 45, 311, 313 = NJW 1966, 1807, 1808; BGH 25.2.1988 – VII ZR 348/86 – BGHZ 103, 298, 303 = NJW 1988, 1380, 1381; BGH 12.6.1997 – I ZR 36/95 – NJW-RR 1998, 250, 251 f. Weiterhin aus dem Schrifttum MünchKommBGB/Wagner § 823 Rn. 14; Palandt/Sprau § 823 Rn. 5.

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§9

Schadensersatz

Wettbewerbshandlungen wegen der einschneidenden Auswirkungen des hierbei in Rede stehenden Verhaltens in diesem Zusammenhang regelmäßig hohe Anforderungen zu stellen sein.133 Überdies ist an die Verletzung von Organisationpflichten zu denken (siehe dazu 47 auch vorstehend Rn. 45), welche eine Schadensersatzhaftung für eigenes Verhalten zu begründen vermag; so müssen nach der Rechtsprechung etwa Verleger oder Herausgeber einen besonders brisanten publizistischen Beitrag, mit dem ehr- oder persönlichkeitsrechtliche Beeinträchtigungen verbunden sein können, grundsätzlich entweder selbst überprüfen oder dem damit beauftragten Dritten eine Organstellung im Sinne der §§ 30, 31 BGB verschaffen, so dass sie für das Verschulden des Dritten ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen haben.134 d) Haftung für Dritte. Die schadensersatzrechtliche Haftung für von Dritten begangene Wettbewerbsverstöße ist im UWG nicht geregelt. Eine (analoge) Anwendung von § 8 Abs. 2 – betreffend die Haftung des Unternehmensinhabers für Angestellte und Beauftragte bei Abwehransprüchen – kommt insoweit gerade nicht in Betracht,135 wofür neben Wortlaut und Systematik des Gesetzes nicht zuletzt auch der Vergleich mit § 14 Abs. 7 MarkenG136 herangezogen werden kann, wonach bei von einem Angestellten oder Beauftragten begangenen Verletzungshandlungen in einem geschäftlichen Betrieb der Unterlassungsanspruch und, soweit der Angestellte oder Beauftragte vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, der Schadensersatzanspruch auch gegen den Inhaber des Betriebs geltend gemacht werden kann.137 Damit ist für das Lauterkeitsrecht als Sonderdeliktsrecht der Rückgriff auf allgemein-zivilrechtliche Bestimmungen in den Blick zu nehmen. Die Zurechnungsnorm des § 278 BGB kann nur innerhalb bestehender gesetzli49 cher oder vertraglicher Schuldverhältnisse zur Anwendung kommen. Das Wettbewerbsverhältnis selbst bildet nach zutreffender Auffassung demgegenüber gerade kein solches bereits bestehendes Schuldverhältnis.138 Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn der Verletzer für den Verstoß gegen eine von ihm eingegangene vertragliche strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung einzustehen hat.139 Weiterhin kann aufgrund einer Verletzungshandlung und einer nachfolgenden Abmahnung eine wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung eigener Art entstehen,140 die wiederum besondere Aufklärungspflichten – mit der Möglichkeit einer Zurechnung über § 278 BGB – eröffnet.141

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133 BGH 3.12.1985 – VI ZR 160/84 – GRUR 1986, 330, 331 – Warentest III; BGH 12.6.1997 – I ZR 36/95 – GRUR 1998, 167, 169 – Restaurantführer. 134 BGH 8.7.1980 – VI ZR 158/78 – GRUR 1980, 1099, 1104 – Medizinsyndikat II; BGH 12.6.1997 – I ZR 36/95 – GRUR 1998, 167, 169 – Restaurantführer. Vgl. weiterhin aus dem Schrifttum MünchKommUWG/ Fritzsche § 9 Rn. 61; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 256 m.w.N; Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 7. 135 BGH 9.2.2006 – I ZR 73/02 = GRUR 2006, 426, 428 Tz. 24 – Direktansprache am Arbeitsplatz II; BGH 11.3.2010 – I ZR 123/08 = GRUR 2010, 936, 938 Tz. 22 – Espressomaschine. Zum alten Recht (hier § 13 Abs. 4 a.F.) vgl. BGH 5.10.1979 – I ZR 140/77 = GRUR 1980, 116, 117 – Textildrucke; BGH 6.4.2000 I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I. Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.5; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 48; Teplitzky Kap. 31 Rn. 11. A.A. Alexander S. 665 ff. 136 Auf § 14 Abs. 7 MarkenG verweisen wiederum §§ 15 Abs. 6, 128 Abs. 3 MarkenG. 137 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 55. 138 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 258 m.w.N; hieran anknüpfend Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.5; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 56. 139 BGH 7.12.1989 – I ZR 237/87 – GRUR 1990, 534, 534 – Abruf-Coupon. 140 BGH 19.6.1986 – I ZR 65/84 – GRUR 1987, 54, 55 – Aufklärungspflicht des Abgemahnten; BGH 5.5.1988 – I ZR 151/86 – GRUR 1988, 716, 717 – Aufklärungspflicht gegenüber Verbänden. 141 BGH 19.10.1989 – I ZR 63/88 – GRUR 1990, 381, 381, 382 – Antwortpflicht des Abgemahnten.

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II. Gläubiger und Schuldner

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

e) Störerhaftung. Der Begriff des „Störers“ wurde von der Rechtsprechung weit aus- 50 gelegt, um einen möglichst weitreichenden Schutz vor wettbewerbswidrigem Handeln zu erreichen.142 Konkret bezweckt war die Inanspruchnahme solcher Personen, die – mangels Wettbewerbsförderungsabsicht oder mangels Täterqualifikation – an sich nicht den Tatbestand eines Wettbewerbsverstoßes erfüllten, jedoch an dem Wettbewerbsverstoß eines Dritten mitwirkten.143 Nach der Grundformel der Rechtsprechung sollte als Störer haften, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechts beigetragen hatte.144 Dabei wurde als adäquat kausaler Beitrag zur Rechtsverletzung bereits die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten für ausreichend erachtet, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte.145 Die Grundsätze der sog. Störerhaftung (vgl. hierzu ausführlich § 8 Rn. 99 ff.), deren Anwendung von der Rechtsprechung für das Lauterkeitsrecht als Sonderdeliktsrecht mittlerweile aufgegeben wurde,146 sind von vornherein nur für Abwehransprüche (Beseitigung und Unterlassung) zur Anwendung berufen, nicht dagegen im Rahmen der schadensersatzrechtlichen Ansprüche.147 f) Mehrheit von Verletzern. Bei einer Mehrheit von Verletzern greift die gesamt- 51 schuldnerische Haftung nach Maßgabe von § 840 BGB,148 sofern für die betreffende Schuld eine Identität des Leistungsinteresses besteht, etwa in Ansehung der Herausgabe des Verletzergewinns.149 Die für eine Gesamtschuld erforderliche innere Verbundenheit der Schadensersatzforderungen des Geschädigten muss die Schädiger als (Mit-)Täter im konkreten Fall insoweit gleichsam zu einer Tilgungsgemeinschaft im Rahmen des Leistungsinteresses des Geschädigten verklammern. Eine gesamtschuldnerische Haftung auf der Grundlage und am Maßstab von § 840 BGB scheidet allerdings aus, wenn von mehreren Schädigern jeder für sich einen (getrennten) Schaden verursacht.150

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142 BGH 21.9.1989 – I ZR 27/88 – GRUR 1990, 463, 464 – Firmenrufnummer. 143 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.4 mit Verweis auf § 8 Rn. 2.3c, 2.4 ff. 144 Vgl. nur BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53 – BGHZ 14, 163, 174 = GRUR 1955, 97, 99 f. – Constanze II; BGH 15.1.1957 – I ZR 56/55 – GRUR 1957, 352, 353 – Taeschner/Pertussin II; BGH 5.12.1975 – I ZR 122/74 – GRUR 1976, 257, 257 – Rechenscheibe; BGH 17.5.2001 – I ZR 251/99 – BGHZ 148, 13, 17 = GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de; BGH 11.3.2004 – I ZR 304/01 – BGHZ 158, 236, 251 = GRUR 2004, 860, 864 – Internetversteigerung I; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 45 – Kinderhochstühle im Internet; BGH 17.8.2011 – I ZR 57/09 – GRUR 2011, 1038 Tz. 20 – Stiftparfüm. 145 BGH 12.10.1989 – I ZR 29/88 – GRUR 1990, 373, 374 – Schönheits-Chirurgie; BGH 10.10.1996 – I ZR 129/94 – GRUR 1997, 313, 315 – Architektenwettbewerb; BGH 17.5.2001 – I ZR 251/99 – BGHZ 148, 13, 17 = GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de; BGH 9.12.2003 – VI ZR 373/02 – GRUR 2004, 438, 442 – Feriendomizil I. 146 BGH 24.6.2003 – KZR 32/02 – BGHZ 155, 189, 194 f. = GRUR 2003, 807, 808 – Buchpreisbindung; BGH 15.5.2003 – I ZR 292/00 – GRUR 2003, 969, 970 – Ausschreibung von Vermessungsleistungen; BGH BGHZ 158, 236, 251 = GRUR 2004, 860, 864 – Internet-Versteigerung I; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 48 – Kinderhochstühle im Internet. 147 BGH 12.6.1997 – I ZR 36/95 – GRUR 1998, 167, 168 f. – Restaurantführer; BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I; BGH 18.10.2001 – I ZR 22/99 – GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor I. Weiterhin auch Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.4; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 55. 148 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 13; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 62; Teplitzky Kap. 30 Rn. 14. 149 BGH 13.1.1959 – I ZR 82/57 – GRUR 1959, 379, 383 – Gasparone. 150 BGH 22.1.1985 – VI ZR 28/83 – GRUR 1985, 398, 400 – Nacktfoto; BGH 14.5.2009 – I ZR 98/06 – BGHZ 181, 98, 122 = GRUR 2009, 856, 863 Tz. 67 – Tripp-Trapp-Stuhl.

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§9

Schadensersatz

III. Inhalt und Umfang III. Inhalt und Umfang 52

1. Grundsätzliches. Für Inhalt und Umfang des Schadensersatzanspruchs aus Satz 1 gelten die §§ 249 bis 254 BGB, da das Lauterkeitsrecht insoweit keine spezielleren Regelungen enthält.151 Mit Blick auf den wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruch ist allerdings charakteristisch, dass zwar der Schadenseintritt durch einen Wettbewerbsverstoß regelmäßig unproblematisch ist, der Geschädigte seinen konkreten Schaden aber nur schwerlich hinreichend darlegen und beweisen kann.152 Eine wesentliche Ursache hierfür findet sich in der hohen Komplexität des Wirtschafts- und Wettbewerbsgeschehens, wodurch die tatsächlichen Auswirkungen eines Wettbewerbsverstoßes typischerweise nicht ohne Weiteres in einen konkreten entgangenen Gewinn (vgl. § 252 BGB) übersetzt werden können. Zum Zwecke der Abhilfe wird daher mit guten Gründen eingefordert, die Schwierigkeiten bei der Schadensberechnung durch eine großzügige(re) Anwendung von § 287 ZPO und § 252 Satz 2 BGB – jedenfalls – abzumildern.153 Für Verletzungshandlungen betreffend besondere Schutzrechte und Rechtspositionen hat die Rechtsprechung überdies die sog. dreifache Schadensberechnung entwickelt (siehe dazu nachstehend unter Rn. 60 ff.), die für Immaterialgüterrechte partiell auch bereits seit einiger Zeit im Gesetz niedergelegt wurde.154 Insgesamt kommt in der Praxis nach dem Vorherigen vor allem der Schadensersatzfeststellungsklage eine hervorgehobene Bedeutung zu;155 hier genügt, dass nach der Lebenserfahrung der Eintritt des Schadens in der Zukunft mit einiger Sicherheit zu erwarten ist, ohne dass es dazu einer hohen Wahrscheinlichkeit bedarf.156

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2. Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB). Nach Maßgabe von § 249 Abs. 1 BGB kann der Geschädigte vom Verletzer die Herstellung des Zustands verlangen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (Grundsatz der Naturalrestitution). Die praktische Bedeutung des Schadensersatzes im Wege der Naturalrestitution wird im Wettbewerbsrecht allerdings vor allem dadurch erheblich vermindert, dass die entsprechenden Zielsetzungen regelmäßig bereits mit dem verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 erreicht werden können.157 Etwas anderes kann gelten bei Ansprüchen, die gerichtet sind auf eine Rekonstruktion nach der Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Beseitigung von Folgen der Zu-

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151 Insoweit klarstellend BegrRegE UWG 2004 zu § 9, BTDrucks. 15/1487 S. 23. 152 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 8; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 3; Teplitzky Kap. 28 Rn. 1 – „schwer überwindliche Schwierigkeiten“; ders. GRUR 1987, 215, 215 ff. Siehe weiterhin bereits GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 245. Vgl. auch BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366, 376 = GRUR 2001, 329, 331 – Gemeinkostenanteil. 153 Teplitzky Kap. 33 Rn. 3. Dem sich anschließend Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 10; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.23. In diesem Sinne dem Grunde nach auch MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 63, allerdings von einem faktischen Leerlaufen der Vorschriften ausgehend, da es regelmäßig an der erforderlichen Basis für die Schätzungsmöglichkeiten fehlen werde. 154 Vgl. etwa § 24 Abs. 2 S. 2, 3 GebrMG; § 42 Abs. 2 S. 2, 3 GeschmMG; § 14 Abs. 6 MarkenG, § 139 Abs. 2 PatG; § 97 Abs. 1 S. 2, 3 UrhG. 155 Siehe hierzu GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 245; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Goldmann § 9 Rn. 9; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 3; Teplitzky Kap. 28 Rn. 1. 156 BGH 19.11.1971 – I ZR 72/70 – GRUR 1972, 180, 183 – Chéri; BGH 6.7.1995 – I ZR 58/93 – BGHZ 130, 205, 220 ff. = GRUR 1995, 744, 748– Feuer, Eis & Dynamit I; BGH 4.5.2000 – I ZR 222/97 – GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisempfehlung. 157 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 103; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.25; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 66.

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III. Inhalt und Umfang

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

widerhandlung)158 und bei der wettbewerbswidrigen Abwerbung von Kunden oder Mitarbeitern (Beschäftigungs-, Belieferungs-, Bezugs-, Herstellungsverbot).159 3. Geldentschädigung (§ 251 BGB). Wenn eine Herstellung in Natur ganz oder teil- 54 weise nicht möglich ist oder zur Entschädigung nicht genügt (§ 251 Abs. 1 BGB) oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist (§ 251 Abs. 2 Satz 1 BGB) und dem Verletzten ein Vermögensschaden entstanden ist, kommt eine Kompensation in Geld in Betracht. Die Vertragsstrafe stellt in diesem Zusammenhang eine besondere Form der Geldersatzleistung dar.160 4. Entgangener Gewinn (§ 252 BGB). Neben dem positiven Schaden kann der 55 Verletzte nach Maßgabe von § 252 BGB auch den entgangenen Gewinn verlangen. Dabei gilt gemäß § 252 Satz 2 BGB als entgangen derjenige Gewinn, „welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.“ Der entgangene Gewinn ist allerdings nur insoweit ersatzfähig, wie er rechtmäßig erzielbar war, also nicht durch Verletzung eines gesetzlichen Verbots oder mit rechtswidrigen Mitteln begründet werden sollte.161 Der entgangene Gewinn umfasst nach zutreffender Auffassung zudem auch nicht erzielte Kostendeckungsbeiträge. 162 Der Nachweis des konkret entgangenen Gewinnes wird sich – auch und gerade – bei Wettbewerbsverstößen vielfach nur unter erheblichen Schwierigkeiten führen lassen.163 Insoweit wird in diesem Zusammenhang zutreffend darauf verwiesen, dass es sich regelmäßig weniger um ein rechtliches als vielmehr um ein tatsächliches Problem handelt.164 Dabei besteht in Ansehung von § 252 Satz 2 BGB, § 287 ZPO ein allgemeiner Erfahrungssatz, wonach dem von einem Wettbewerbsverstoß unmittelbar Betroffenen regelmäßig ein Schaden entsteht165 und dem Verletzten durch die Verletzung eigene Geschäfte mit Gewinnmöglichkeiten entgehen.166 Diese allgemeinen Erfahrungssätze vermögen zwar eine Schadensersatzfeststellungklage zu tragen, den Nachweis der Höhe des entgangenen Gewinns aber nicht zu ersetzen.167 So ist die Umsatzentwicklung des Verletzers allenfalls ein Indiz, nicht jedoch eine allein für sich genommen tragfähige Berechnungsgrundlage

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158 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 103; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.25; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 68. 159 Vgl. BGH 17.3.1961 – I ZR 26/60 – GRUR 1961, 482, 483 – Spritzgussmaschine; BGH 6.11.1963 – Ib ZR 41/62 – GRUR 1964, 215, 216 f. – Milchfahrer; BGH 3.12.1969 – I ZR 151/67 – GRUR 1970, 182, 184 – Bierfahrer; BGH 19.2.1971 – I ZR 97/69 – GRUR 1971, 358, 359 – Textilspitzen; BGH 23.4.1975 – I ZR 3/74 – GRUR 1976, 306, 307 – Baumaschinen. Weiterhin aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Goldmann § 9 Rn. 103; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.26; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 70 f.; Teplitzky Kap. 34 Rn. 13. 160 Teplitzky Kap. 34 Rn. 19. 161 BGH 21.2.1964 – Ib ZR 108/62 – GRUR 1964, 392, 396 – Weizenkeimöl; BGH 23.2.1995 – I ZR 15/93 – GRUR 1995, 424, 426 – Abnehmerverwarnung; BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – BGHZ 162, 246, 252 = GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex. 162 Vgl. Rinnert/Küppers/Tilmann FS Helm (2002) 337, 353; Tilmann GRUR 2003, 647, 652. Hierauf verweisend Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.35; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 86. 163 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 27; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 129 ff.; Köhler/ Bornkamm § 9 Rn. 1.35; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 86; Teplitzky Kap. 34 Rn. 12 ff. 164 Teplitzky Kap. 34 Rn. 13. 165 BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex II. 166 BGH 22.4.1993 – I ZR 52/91 – BGHZ 122, 262, 264 ff. = GRUR 1993, 757, 758 f. – Kollektion Holiday; BGH 2.2.1995 – I ZR 16/93 – GRUR 1995, 349, 351 – Objektive Schadensberechnung; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 911 – Filialleiterfehler. 167 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.35.

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§9

Schadensersatz

für den entgangenen Gewinn.168 Allerdings kann ein entgangener Gewinn bereits dann zu bejahen sein, wenn es nach den gewöhnlichen Umständen wahrscheinlicher ist, dass der Gewinn ohne das haftungsbegründende Ereignis erzielt worden, als dass er ausgeblieben wäre.169 Diese Prognose setzt ihrerseits voraus, dass der Geschädigte konkrete Anknüpfungstatsachen darlegt und nachweist; an die Darlegung solcher Anknüpfungstatsachen dürfen jedoch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.170 5. Einzelne Vermögensschäden 56

a) Rechtsverfolgungskosten. Die Kosten der Rechtsverfolgung sind als Schaden ersatzfähig, wenn und soweit sie tatsächlich entstanden sind und erforderlich (vgl. die Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) waren.171 Ersatzfähig in diesem Sinne sind in bestimmten Konstellationen die Kosten für Testkäufe172 und ähnliche Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung bzw. Beweissicherung,173 etwa betreffend Sachverständige174 oder Rechtsgutachter.175 Nicht ersatzfähig sind dagegen nach der zutreffenden h.M. der eigene Arbeits- und Zeitaufwand, da die eigene Mühewaltung (etwa betreffend die Feststellung der Ursachen und die Abwicklung eines Schadensfalles) zum eigenen Pflichtenkreis des Geschädigten gerechnet wird; etwas anderes soll nur gelten, wenn die insoweit anfallende Arbeit des Personals den Rahmen allgemeiner Verwaltungstätigkeit überschreitet.176 Umstritten ist weiterhin die Behandlung der Anwaltskosten für eine vorprozessuale berechtigte Abmahnung: Teilweise wird vertreten, dass die Anwaltskosten hier nur dann ersatzfähig sein sollen, wenn ein weiterer Schaden verhindert oder gemindert werden kann (etwa bei Dauerhandlungen); ansonsten werde der Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB zuwidergehandelt.177 Der BGH hat diese Frage unlängst ausdrücklich offen gelassen, da in casu jedenfalls eine Dauerhandlung vorlag.178 Richtigerweise wird mit der h.M. davon auszugehen sein, dass die vorprozessualen Abmahnkosten dem ersatzfähigen Schaden zuzurechnen sind, auch wenn es sich um einen Einzel- und nicht um einen Dauerver-

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168 BGH 27.22.1964 – Ib ZR 23/63 – GRUR 1965, 313, 315 – Umsatzauskunft; BGH 4.3.1982 – I ZR 19/80 – GRUR 1982, 489, 490 – Korrekturflüssigkeit. 169 BGH 14.2.2008 – I ZR 135/05 – GRUR 2008, 933, 935 Tz. 17 – Schmiermittel. 170 BGH 14.2.2008 – I ZR 135/05 – GRUR 2008, 933, 935 Tz. 19 – Schmiermittel, unter Verweis auf BGH 27.9.2001 – IX ZR 281/00 – NJW 2002, 825, 826. 171 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 24; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 311; Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Goldmann § 9 Rn. 113; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.29; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 73; Teplitzky Kap. 34 Rn. 3. 172 OLG Hamm 12.2.1985 – 5 U 19/85 – MDR 1985, 514; OLG Karlsruhe 25.11.1987 – 6 U 129/86 – WRP 1988, 381, 382 f. 173 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 311; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 114; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.29; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 75; Teplitzky Kap. 34 Rn. 3. 174 BGH 29.11.1988 – X ZR 112/87 – NJW-RR 1989, 953, 956. GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 311; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.29; Teplitzky Kap. 34 Rn. 3. 175 OLG Frankfurt 6.10.1986 – 6 W 211/86 – GRUR 1987, 322, 322 – Kosten für Privatgutachten. GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 311; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.29; Leisse/Traub GRUR 1980, 1, 6; Teplitzky Kap. 34 Rn. 3. 176 BGH 28.2.1969 – II ZR 174/67 – NJW 1969, 1109, 1109; BGH 6.10.1976 – VIII ZR 66/75 – NJW 1977, 35, 35. GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 311; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.29; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 73. A.A. dagegen Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 125, unter Bezugnahme auf die frühere Rechtsprechung des OLG Hamburg: OLG Hamburg 3.11.1922 – Bf IV 631/811 – MuW XXII, 83, 84; OLG Hamburg 3.10.1930 – Bf VII 311/3 – MuW 1931, 108, 109. 177 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.29; ders. FS Erdmann (2002) 845, 846 – jeweils m.w.N. 178 BGH 23.11.2006 – I ZR 276/03 – GRUR 2007, 631 Tz. 21 – Abmahnkosten.

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III. Inhalt und Umfang

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

stoß handelt.179 Nach dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes sollen alle Nachteile der Zuwiderhandlung ausgeglichen werden,180 wobei die Abmahnung grundsätzlich gerade zurechenbar kausal verursacht ist.181 Im Übrigen darf der Gläubiger der (drohenden) Wiederholungsgefahr begegnen und kommt insoweit einer eigenen Schadensminderungsobliegenheit i.S.d. § 254 Abs. 2 Satz 1 nach.182 Neben den Schadensersatzanspruch aus Satz 1 kann ein Anspruch aus § 12 Abs. 1 Satz 2 treten.183 Ferner sind die Anwaltskosten für die Geltendmachung weiterer Ansprüche wie Auskunft und Schadensersatz, sowie für die Führung von Vergleichsverhandlungen anerkanntermaßen ersatzfähig.184 Ausnahmsweise kann es an der Erforderlichkeit fehlen, wenn der Verletzte auf die Inanspruchnahme eines Anwalts nicht angewiesen war; hierbei gilt nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH grundsätzlich auch für Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung, dass diese Unternehmen nicht gehalten sind, ihrer Rechtsabteilung auch die Überprüfung der Wettbewerbshandlungen der Mitbewerber auf ihre wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit zu übertragen.185 b) Marktverwirrung und Marktverwirrungsschaden. Einen ersatzfähigen Vermö- 57 gensschaden bildet auch der aus einer sog. Marktverwirrung resultierende Schaden, wobei richtigerweise zwischen der Marktverwirrung und den aus ihr resultierenden Marktverwirrungsschäden zu unterscheiden ist.186 Die Marktverwirrung selbst stellt nach der Rechtsprechung des BGH lediglich einen Störungszustand dar, dem grundsätzlich mit Abwehransprüchen zu begegnen ist; eine individuelle Schädigung von Mitbewerbern i.S.v. Vermögenseinbußen ist hierbei gerade nicht erforderlich.187 In diesem Sinne ist unter Markverwirrung ein durch eine wettbewerbswidrige Maßnahme herbeigeführter Zustand zu verstehen, der objektiv geeignet ist, die geschäftlichen Entscheidungen von Marktpartnern zugunsten des Verletzers und zu Ungunsten seiner Wettbewerber zu beeinflussen.188 Ein Marktverwirrungsschaden erfordert darüber hinausgehend, dass die Rechte oder das Ansehen des Gläubigers beeinträchtigt wurden und dadurch eine Vermögenseinbuße eingetreten ist, wofür der Gläubiger darlegungs- und beweispflichtig ist.189 Die Beseitigung der Marktverwirrung erfolgt durch entsprechende Aufklärungs- 58 maßnahmen, welche den fortdauernden Störungszustand der Fehlinformation der

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179 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 117; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 74; Teplitzky Kap. 41 Rn. 82. Im Ergebnis ebenso auch Alexander S. 191 f. 180 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 74. 181 Teplitzky Kap. 41 Rn. 82. 182 Teplitzky Kap. 41 Rn. 82. 183 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.29; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 75. 184 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 24; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 311; Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Goldmann § 9 Rn. 120; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.29; Leisse/Traub GRUR 1980, 1, 6; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 75; Teplitzky Kap. 34 Rn. 3. 185 BGH 8.5.2008 – I ZR 83/06 – GRUR 2008, 928, 929 Tz. 12, 14– Abmahnkostenersatz, in Abgrenzung zu BGH 6.5.2004 – I ZR 2/03 – GRUR 2004, 789 – Selbstauftrag. Vgl. auch Teplitzky Kap. 41 Rn. 82 m.w.N. 186 BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 38 = GRUR 2001, 841, 845 – Entfernung der Herstellungsnummer II. Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 25; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 313; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 139; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.30; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 76; Teplitzky Kap. 34 Rn. 6 ff. 187 BGH 6.6.1992 – I ZR 234/89 – GRUR 1991, 921, 923 – Sahnesiphon; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 38 = GRUR 2001, 841, 845 – Entfernung der Herstellungsnummer II. 188 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 313; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.30. 189 BGH 6.6.1992 – I ZR 234/89 – GRUR 1991, 921, 923 – Sahnesiphon; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 38 = GRUR 2001, 841, 845 – Entfernung der Herstellungsnummer II. Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 140, nimmt an, dass „jede spürbare Beeinträchtigung im Wettbewerb auch die Erfolgsaussichten tangiert“.

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§9

Schadensersatz

Marktteilnehmer aufzuheben geeignet sind. Zur Marktentwirrung, sprachlich treffender ist die Verwendung des Begriffs „Marktaufklärung“,190 ist vornehmlich auf den Abwehranspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 betreffend die Aufhebung des Störungszustands durch Beseitigung und Unterlassung zu rekurrieren.191 Umstritten ist, ob und inwieweit – neben den sonstigen Marktverwirrungsschäden, die durch allfällige Aufklärungsmaßnahmen gerade nicht beseitigt werden, siehe sogleich unter Rn. 59 – ein Anspruch auf Ersatz von Marktaufklärungskosten besteht.192 Mit der Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass eine schadensersatzrechtliche Abwicklung über den Störungszustand hinaus den Eintritt eines Schadens voraussetzt.193 Als ersatzfähige Schäden anerkannt sind hierbei insbesondere die Kosten für gezielte Aufklärungs- und Werbemaßnahmen.194 Ersatzfähig sind jedenfalls nur solche Maßnahmen, die geeignet und erforderlich sind, um die eingetretene Marktverwirrung zu beseitigen oder jedenfalls zu mindern.195 Grundsätzlich – falls die schadensmindernden Vorsorgemaßnahmen nicht ausnahmsweise vornehmlich dem Verletzer zugutekommen – nicht ersatzfähig sind die Aufwendungen für vorbeugende Maßnahmen der Schadensminderung, da diese Kosten unabhängig von dem einzelnen Schadensfall entstehen und durch diesen nicht veranlasst sind.196 Weiterhin sind auch fiktive Marktaufklärungskosten nicht ersatzfähig, da ansonsten gegen den allgemeinen Grundsatz verstoßen würde, wonach der eingetretene Schaden konkret zu berechnen ist und auch die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO auf konkrete, nicht aber auf nur fiktive Schäden abzustellen hat.197 Insgesamt wird für die Ersatzfähigkeit der Kosten daher nicht auf § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB,198 sondern vielmehr auf § 251 Abs. 1 BGB zu rekurrieren sein.199 59 Wenn und soweit die Beseitigung der eingetretenen Marktverwirrung durch Aufklärung nicht möglich ist oder dem Verletzten in Ansehung seiner Rechte oder seines Ansehens trotz erfolgter Aufklärung ein Vermögensschaden verbleibt,200 sind solche verblei-

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190 So zutreffend MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 78. 191 BGH 6.6.1992 – I ZR 234/89 – GRUR 1991, 921, 923 – Sahnesiphon; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 38 = GRUR 2001, 841, 845 – Entfernung der Herstellungsnummer II. Weiterhin aus dem Schrifttum Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 25; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 313; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 140; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.31; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 78; Teplitzky Kap. 34 Rn. 7. 192 Vgl. hierzu etwa Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.32; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 81 f.; Teplitzky Kap. 34 Rn. 7 ff. – jeweils m.w.N. 193 BGH 6.6.1992 – I ZR 234/89 – GRUR 1991, 921, 923 – Sahnesiphon; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 38 = GRUR 2001, 841, 845 – Entfernung der Herstellungsnummer II. 194 Vgl. etwa BGH 15.11.1977 – VI ZR 101/76 – GRUR 1978, 187, 189 – Alkoholtest; BGH 26.4.1990 – I ZR 127/88 – GRUR 1990, 1012, 1015 – Pressehaftung; BGH 22.9.1999 – I ZR 48/97 – GRUR 2000, 226, 227 – Planungsmappe; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 38 = GRUR 2001, 841, 845 – Entfernung der Herstellungsnummer II. 195 BGH 6.4.1976 – VI ZR 246/74 – BGHZ 66, 182, 193 = GRUR 1976, 651 ,654 – Der Fall Bittenbinder; BGH 15.11.1977 – VI ZR 101/76 – GRUR 1978, 187, 189 – Alkoholtest; BGH 6.4.1979 – I ZR 94/77 – GRUR 1979, 804, 805 – Falschmeldung; BGH 3.12.1985 – VI ZR 160/84 – GRUR 1986, 330, 332 – Warentest III; BGH 26.4.1990 – I ZR 127/88 – GRUR 1990, 1012, 1015 – Pressehaftung. 196 BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 38 = GRUR 2001, 841, 845 – Entfernung der Herstellungsnummer II. Aus dem Schrifttum Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.32; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 83. 197 BGH 4.3.1982 – I ZR 19/80 – GRUR 1982, 489, 491 – Korrekturflüssigkeit. Aus dem Schrifttum Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 26; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 317; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.33; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 83. A.A. dagegen Leisse/Traub GRUR 1980, 1, 7 ff. 198 So aber GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 298 ff., 314; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.32. 199 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 81. 200 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.34 zieht zur Illustration einen anschaulichen Vergleich zum „merkantilen Minderwert“ bei Unfallfahrzeugen. Dem sich anschließend MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 84; Teplitzky Kap. 34 Rn. 10.

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IV. Dreifache Schadensberechnung

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

benden individuellen Marktverwirrungsschäden ersatzfähig, die auf die Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise zurückzuführen sind.201 Ein solcher Marktverwirrungsschaden mit einer individuellen Vermögenseinbuße kann sich etwa in einem Verlust von Kunden oder einem Umsatzrückgang manifestieren.202 Der Marktverwirrungsschaden ist ein von dem entgangenen Gewinn abzugrenzender Schadensposten und kann deshalb neben diesem verlangt werden.203 Voraussetzung für einen Ersatzanspruch ist aber in jedem Fall die Darlegung einer konkreten Vermögenseinbuße als Schaden, so dass wer einen solchen Schaden durch Marktverwirrung nicht darzulegen vermag, auch nicht auf die Schadensberechnung vermittels der Lizenzanalogie rekurrieren kann.204 Allerdings kann ein solcher Marktverwirrungsschaden bei der Ermittlung der angemessenen Lizenzgebühr berücksichtigt werden, da für eine angemessene Lizenzgebühr vernünftigerweise zu berücksichtigen sein wird, ob durch die Benutzungshandlungen des Lizenznehmers ein Marktverwirrungsschaden eintreten kann.205 IV. Dreifache Schadensberechnung IV. Dreifache Schadensberechnung Die dreifache Schadensberechnung eröffnet dem Verletzten verschiedene Berech- 60 nungsarten bei der Liquidation seines einheitlichen Schadensersatzanspruchs, ohne dass es sich um verschiedene Ansprüche mit unterschiedlichen Rechtsgrundlagen handeln würde.206 Neben der (1) konkreten subjektiven Schadensberechnung nach §§ 249 ff., 252 BGB kann eine abstrakte objektive Schadensberechnung gewählt werden, für die entweder (2) eine angemessene fiktive Lizenzgebühr (sog. Lizenzanalogie) oder (3) die Herausgabe des Verletzergewinns verlangt werden kann. Die Eröffnung der Möglichkeit zu einer solchen dreifachen Schadensberechnung wird vornehmlich gestützt auf die besondere Schutzbedürftigkeit von Immaterialgüterrechten und vergleichbaren Rechtspositionen, da insoweit wirksame Schutzmaßnahmen nur bedingt eröffnet sind207 und der Nachweis von Vermögensschäden regelmäßig besonders schwer fällt.208, 209 Mit der im Zuge der dreifachen Schadensberechnung eröffneten Möglichkeit zu einer objektiven Schadensberechnung wird neben der Sanktionierung des Verletzers auch eine Prä-

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201 BGH 12.2.1987 – I ZR 70/85 – GRUR 1987, 364, 365 – Vier-Streifen-Schuh; BGH 6.6.1992 – I ZR 234/89 – GRUR 1991, 921, 923 – Sahnesiphon; Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 25; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.34; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 84; Teplitzky Kap. 34 Rn. 10. 202 BGH 12.2.1987 – I ZR 70/85 – GRUR 1987, 364, 365 – Vier-Streifen-Schuh; BGH 6.6.1992 – I ZR 234/89 – GRUR 1991, 921, 923 – Sahnesiphon; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 38 = GRUR 2001, 841, 845 – Entfernung der Herstellungsnummer II. 203 BGH 4.3.1982 – I ZR 19/80 – GRUR 1982, 489, 490 – Korrekturflüssigkeit. Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.34; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 84; Teplitzky Kap. 34 Rn. 7. 204 BGH 12.2.1987 – I ZR 70/85 – GRUR 1987, 364, 365 – Vier-Streifen-Schuh; BGH 22.3.1990 – I ZR 59/88 – GRUR 1990, 1108, 1110 – Lizenzanalogie. Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.34; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 84; Teplitzky Kap. 34 Rn. 7. 205 BGH 29.7.2009 – I ZR 169/07 – GRUR 2010, 239, 241 Tz. 28 – BTK. 206 BGH 12.1.1966 Ib ZR 5/64 – GRUR 1966, 377, 379 – Meßmer-Tee II; BGH 8.10.1971 – I ZR 12/70 – BGHZ 57, 116, 118 = GRUR 1972, 189, 190 – Wandsteckdose II; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 23 = GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex II. 207 Vgl. etwa BGH 8.10.1971 – I ZR 12/70 – BGHZ 57, 116, 118 = GRUR 1972, 189, 190 – Wandsteckdose II; BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366, 372 = GRUR 2001, 329, 331 – Gemeinkostenanteil. 208 BGH 12.1.1966 Ib ZR 5/64 – GRUR 1966, 375, 379 – Meßmer-Tee II, insoweit nicht enthalten in: BGHZ 44, 372; BGH 8.10.1971 – I ZR 12/70 – BGHZ 57, 116, 118 = GRUR 1972, 189, 190 – Wandsteckdose II; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 23 = GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo-Rolex II. 209 Aus dem Schrifttum Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 28; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 323; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 143; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.41; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 92.

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§9

Schadensersatz

ventionswirkung für die schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte und vergleichbare Rechtspositionen vermittelt.210 1. Anwendungsbereich. Die Eröffnung der Möglichkeit zu einer dreifachen Schadensberechnung durch den Verletzten hat bereits das RG für Sachverhaltskonstellationen mit ausschließlichen Immaterialgüterrechtsverletzungen anerkannt. 211 Sodann hat der BGH diese Rechtsprechung fortgeführt und erweitert in Ansehung der Verletzung von Urheberrechten,212 Patenten,213 Geschmacksmustern,214 Gebrauchsmustern,215 Kennzeichen216 und Persönlichkeitsrechten.217, 218 Im Zuge der Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie 2004/47/EG durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (Durchsetzungsgesetz) hat die dreifache Schadensberechnung überdies Eingang gefunden in verschiedene immaterialgüterrechtliche Spezialgesetze, vgl. hierzu etwa § 24 Abs. 2 GebrMG, § 14 Abs. 6 MarkenG, § 139 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 2 UrhG. Demgegenüber besteht für den lauterkeitsrechtlichen Schadensersatz keine sol62 che gesetzliche Spezialregelung betreffend die Möglichkeit einer objektiven Schadensberechnung i.S.d. dreifachen Schadensberechnung; die auf das Immaterialgüterrecht bezogene Durchsetzungsrichtlinie betrifft das Lauterkeitsrecht allenfalls mittelbar.219 Für den lauterkeitsrechtlichen Schadensersatz auf der Grundlage und am Maßstab von § 9 ist die dreifache Schadensberechnung allerdings anerkannt für dem Immaterialgüterrechtsschutz hinreichend vergleichbare Konstellationen,220 insbesondere betreffend den Leistungsschutz nach § 4 Nr. 9221 und bei der Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen222 sowie anvertrauter Vorlagen gemäß §§ 17 bis 19.223 61

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210 BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366, 372 = GRUR 2001, 329, 331 – Gemeinkostenanteil. 211 Vgl. etwa RG RGZ 46, 14, 17 f.; RG RGZ 50, 111, 115 f.; RG RGZ 84, 370, 376 f.; RG RGZ 95, 220; RG RGZ 130, 108, 109 f. 212 BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980, 227, 232 – Monumenta Germaniae Historica; BGH 24.6.1993 – I ZR 148/91– GRUR 1993, 899, 900 – Dia-Duplikate; BGH 22.9.1999 – I ZR 48/97– GRUR 2000, 226, 227 – Planungsmappe. 213 BGH 13.3.1962 – I ZR 18/61 – GRUR 1962, 401, 402 – Kreuzbodenventilsäcke III; BGH 29.5.1962 – I ZR 132/60 – GRUR 1962, 509, 511 – Dia-Rähmchen II. 214 BGH 27.2.1963 – Ib ZR 131/61 – GRUR 1963, 640, 642 – Plastikkorb; BGH 3.7.1974 – I ZR 65/73– GRUR 1975, 85, 86 – Clarissa; BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366 = GRUR 2001, 329, 330 f. – Gemeinkostenanteil; BGH 23.6.2005 – I ZR 263/02 – GRUR 2006, 143, 145 – Catwalk. 215 BGH 24.11.1981 – X ZR 7/80 – BGHZ 82, 299 = GRUR 1982, 301 – Kunststoffhohlprofil II. 216 BGH 12.1.1966 – Ib ZR 5/64 – BGHZ 44, 372, 376 = GRUR 1966, 375 – Meßmer-Tee II; BGH 16.2.1973 – I ZR 74/71 – BGHZ 60, 206, 208 = GRUR 1973, 375 – Miss Petite; BGH 12.2.1987 – I ZR 70/85 – GRUR 1987, 364, 365 – Vier-Streifen-Schuh. 217 BGH 8.5.1956 – I ZR 62/54 – BGHZ 20, 345, 353 f. = GRUR 1956, 427 – Paul Dahlke; BGH 14.2.1958 – I ZR 151/56 – BGHZ 26, 349, 352 – Herrenreiter; BGH 1.12.1999 – I ZR 49/97 – BGHZ 143, 214, 232 = GRUR 2000, 709 – Marlene Dietrich; BGH 1.12.1999 – I ZR 226/97 – GRUR 2000, 715, 717 – Der blaue Engel. 218 Zu der historischen Entwicklung der „objektiven Schadensberechnung“ siehe etwa Teplitzky Kap. 34 Rn. 18 ff. 219 Zu dem „Gleichlauf“ der dreifachen Schadensberechnung nach Immaterialgüterrecht und Lauterkeitsrecht vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 146 m.w.N. Weiterhin auch Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.36 u. 1.36b, wonach die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in Ansehung der Durchsetzungsrichtlinie gegebenenfalls „zu modifizieren“ sind. 220 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 146; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.36 u. 1.36a; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 91. 221 BGH 18.2.1977 – I ZR 112/75 – GRUR 1977, 539, 541 – Prozeßrechner; BGH 23.1.1981 – I ZR 48/79 – GRUR 1981, 517, 520 – Rollhocker; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 23 = GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex II; BGH 22.4.1993 – I ZR 52/91 – BGHZ 122, 262, 265 = GRUR 1993, 757, 759 – Kollektion Holiday; BGH 6.6.2002 – I ZR 79/00 – GRUR 2002, 795, 797 – Titelexklusivität. 222 BGH 18.2.1977 – I ZR 112/75 – GRUR 1977, 539, 541 f. – Prozeßrechner. 223 KG 9.6.1987 – 5 U 6153/85 – GRUR 1988, 702, 703 – Corporate Identity.

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224

IV. Dreifache Schadensberechnung

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

2. Wahlrecht und Vermengungsverbot. Der Verletzte hat ein grundsätzlich freies 63 Wahlrecht zwischen den unterschiedlichen Berechnungsarten für den Schadensersatz.224 Bei der Ausübung dieses Wahlrechts kommt es insbesondere nicht darauf an, ob eine bestimmte Berechnungsart für den Verletzer weniger Aufwand bedeutet.225 Bei den drei unterschiedlichen Berechnungsarten handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung lediglich um Variationen zur Liquidierung eines einheitlichen Schadens, nicht dagegen um verschiedene Ansprüche mit unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, so dass kein Wahlschuldverhältnis (i.S.d. § 262 BGB) vorliegt.226 Der Übergang von einer zu einer anderen Berechnungsart im laufenden Prozess ist wegen der Einheitlichkeit des Schadensersatzanspruchs deshalb gerade keine Änderung des Streitgegenstandes bzw. Klagegrundes.227 Das dem Verletzten zustehende Wahlrecht kommt vielmehr erst zum Erlöschen, wenn der Anspruch durch den Verletzer erfüllt wurde oder eine rechtskräftige Entscheidung, die jedenfalls für ihn selbst unangreifbar ist,228 erfolgt ist.229 Durch die Erhebung einer Zahlungsklage mit einer bestimmten Berechnungsart wird der Kläger in seiner Wahlfreiheit nicht beschränkt.230 Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn der Schaden sich seiner Art nach von vornherein einer Bestimmung nach einer der Berechnungsmethoden entzieht.231 Der Verletzte darf – wie ausgeführt, vgl. vorstehend Rn. 62 – zwischen den unter- 64 schiedlichen Berechnungsarten zwar frei wählen, eine Häufung und Verquickung der Berechnungsarten ist aber nicht zulässig, weil dies zu einer unzulässigen Berechnung des Schadensbetrags führen würde (sog. Vermengungsverbot).232 Hieran ändert die Durchsetzungsrichtlinie 2004/47/EG jedenfalls generell nichts.233 Allerdings wird mit guten Gründen angenommen, dass das Vermengungsverbot insoweit nur noch für das Verhältnis von Herausgabe des Verletzergewinns und Lizenzanalogie Geltung be-

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224 BGH 13.3.1962 – I ZR 18/61 – GRUR 1962, 401, 402 – Kreuzbodenventilsäcke III; BGH 12.1.1966 – Ib ZR 5/64 – GRUR 1966, 375, 379 – Meßmer-Tee II, insoweit nicht enthalten in BGHZ 44, 371; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 19, 23 = GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex II; BGH 22.9.1999 – I ZR 48/97 – GRUR 2000, 226, 227 – Planungsmappe; BGH 25.9.2007 – X ZR 60/06 – GRUR 2008, 93, 94 Tz. 8 – Zerkleinerungsvorrichtung. Aus dem Schrifttum Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 30; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 350; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 182; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.39; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 93; Teplitzky Kap. 34 Rn. 25. 225 BGH 16.9.1982 – X ZR 54/81 – GRUR 1982, 723, 726 – Dampffrisierstab I. 226 BGH 12.1.1966 – Ib ZR 5/64 – BGHZ 44, 372, 378 = GRUR 1966, 375 – Meßmer-Tee II; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 19, 23 = GRUR 1993, 55, 59 – Tchibo/Rolex II; BGH 25.9.2007 – X ZR 60/06 – GRUR 2008, 93, 94 Tz. 7 – Zerkleinerungsvorrichtung. 227 BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 23 = GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex II; BGH 25.9.2007 – X ZR 60/06 – GRUR 2008, 93, 96 Tz. 16 – Zerkleinerungsvorrichtung. 228 BGH 25.9.2007 – X ZR 60/06 – GRUR 2008, 93, 94 Tz. 8 – Zerkleinerungsvorrichtung. 229 BGH 12.1.1966 – Ib ZR 5/64 – GRUR 1966, 375, 379 – Meßmer-Tee II, insoweit nicht enthalten in BGHZ 44, 372; BGH 13.7.1973 – I ZR 101/72 – GRUR 1974, 53, 54 – Nebelscheinwerfer; BGH 24.11.1981 – X ZR 7/80 – BGHZ 82, 299, 305 = GRUR 1982, 301 – Kunststoffhohlprofil II; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 23 = GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex II; BGH 22.9.1999 – I ZR 48/97 – GRUR 2000, 226, 227 – Planungsmappe. 230 BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 23 = GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex II. 231 BGH 12.2.1987 – I ZR 70/85 – GRUR 1987, 364, 365 – Vier-Streifen-Schuh; BGH 2.2.1995 – I ZR 16/93 – GRUR 1995, 349, 352 – objektive Schadensberechnung. 232 BGH 22.4.1993 – I ZR 52/91 – BGHZ 122, 262, 264 f. = GRUR 1993, 757, 758 – Kollektion Holiday. Aus dem Schrifttum Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 30; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 351; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 185; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.39a; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 94; Teplitzky Kap. 34 Rn. 23. 233 In diesem Sinne BGH 29.7.2009 – I ZR 87/07 – GRUR 2010, 237, 238 Tz. 18 – Zoladex. HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 186 mit ausführlicher Argumentation und w.N; Köhler/ Bornkamm § 9 Rn. 1.39a.

225

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§9

Schadensersatz

anspruchen kann.234 Das Vermengungsverbot steht überdies nicht der (zusätzlichen) Geltendmachung von anderen bezifferbaren Schäden entgegen, wie insbesondere Rechtsverfolgungskosten235 und Marktverwirrungsschäden,236 denn die objektiven Berechnungsarten gewähren gerade keinen Ausgleich für diese Schäden.237 Falls dem Gläubiger mehrere Schuldner in einer Verletzerkette (etwa Hersteller-Großhändler-Einzelhändler) gegenüberstehen, kann in Ansehung jedes einzelnen Verletzers ein eigenständiges Wahlrecht ausgeübt werden.238 65

3. Lizenzanalogie. Die Lizenzanalogie als in der Praxis am häufigsten angewendete Schadensberechnungsart beruht auf der Überlegung, dass der Verletzer weder besser noch schlechter stehen soll als ein vertraglicher Lizenznehmer, der seinerseits eine Lizenzgebühr hätte entrichten müssen.239 Der Rechtsnatur nach handelt es sich bei der Lizenzanalogie um einen dem Bereicherungsanspruch nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2., 818 Abs. 2 BGB entsprechenden Anspruch.240 Zum Zwecke der Schadensberechnung wird bei der Lizenzanalogie der Abschluss eines Lizenzvertrages fingiert, wobei für den Inhalt des betreffenden Vertrages darauf abzustellen ist, was vernünftige Parteien als Lizenzgebühr vereinbart hätten.241 Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass über das betreffende Immaterialgut überhaupt ein Lizenzvertrag rechtswirksam geschlossen werden kann und eine Überlassung verkehrsüblich ist.242 Unerheblich ist in Ansehung des zugrundeliegenden Wesens der abstrakt-normativen Berechnungsart dagegen, ob es im konkreten Fall tatsächlich zum Abschluss eines Lizenzvertrages gekommen

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234 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.39a. Noch weitergehend Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Goldmann § 9 Rn. 186 f. 235 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 351; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 186; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.39a; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 94; Teplitzky Kap. 34 Rn. 23. A.A. BGH 18.7.1977 – I ZR 112/75 – GRUR 1977, 539, 543 – Prozeßrechner; dem sich wohl anschließend Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 30. 236 BGH 12.1.1966 – Ib ZR 5/64 – BGHZ 44, 372, 376 – Meßmer-Tee II; BGH 19.1.1973 – I ZR 39/71 – BGHZ 60, 168, 173 – Modeneuheit; BGH 12.2.1987 – I ZR 70/85 – GRUR 1987, 364, 367 – Vier-Streifen-Schuh. 237 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 186; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.39a; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 94. 238 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 193; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.39a; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 95. 239 BGH 24.11.1981 – X ZR 36/80 – BGHZ 82, 310, 316 f. = GRUR 1982, 286, 287 – Fersenabstützvorrichtung; BGH 10.7.1986 – I ZR 102/84 – GRUR 1987, 37, 39 – Videolizenzvertrag; BGH 22.3.1990 – I ZR 59/88 – GRUR 1990, 1008, 1009 – Lizenzanalogie; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 27 = GRUR 1993, 55, 58 – Tchibo/Rolex II; BGH 14.3.2000 – X ZR 115/98 – GRUR 2000, 685, 688 – Formunwirksamer Lizenzvertrag. Aus dem Schrifttum Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 31; Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 151; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.42; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 96. 240 BGH 6.3.1980 – X ZR 49/78 – BGHZ 77, 16, 25 = GRUR 1980, 841, 845 – Tolbutamid; BGH 23.6.2005 – I ZR 263/02 – GRUR 2006, 143, 145 – Catwalk. Vgl. weiterhin auch Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 31; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 151; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.42; MünchKommUWG/ Fritzsche § 9 Rn. 96. Zur Frage der dogmatischen Zuordnung der Schadensberechnung nach Lizenzgrundsätzen zudem GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 326 m.w.N. 241 BGH 12.1.1966 – Ib ZR 5/64 – BGHZ 44, 372, 376 = GRUR 1966, 375, 377 – Meßmer Tee II; BGH 6.3.1980 – X ZR 49/78 –BGHZ 77, 16, 25 f. = GRUR 1980, 841, 845 – Tolbutamid; BGH 22.3.1990 – I ZR 59/88 – GRUR 1990, 1008, 1009 – Lizenzanalogie; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 26 = GRUR 1993, 55, 58 – Tchibo Rolex II. 242 BGH 16.2.1973 – I ZR 74/71 – BGHZ 60, 206, 211 = GRUR 1973, 375, 377 – Miss Petite; BGH 22.3.1990 – I ZR 59/88 – GRUR 1990, 1008, 1010 – Lizenzanalogie; BGH 23.6.2005 – I ZR 263/02 – GRUR 2006, 143, 145 – Catwalk.

Paal

226

IV. Dreifache Schadensberechnung

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

wäre, hätte der Verletzer darum nachgesucht.243 Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn der Verletzte ausnahmsweise auch gegen Entgelt nicht zu einer Nutzungseinräumung bereit gewesen wäre.244 Dabei behält der Verletzte, wenn er seinen Schaden im Wege der Lizenzanalogie berechnet, den Unterlassungsanspruch, da es sich bei der Lizenzanalogie um eine Form des Schadensersatz handelt, die gerade nicht zum Abschluss eines Lizenzvertrages und nicht zur Einräumung eines Nutzungsrechtes führt.245 a) Berechnung. Nach der Rechtsprechung ist darauf abzustellen, welche Lizenzge- 66 bühr vernünftige Parteien in Kenntnis der Sachlage für angemessen gehalten hätten, wenn sie Art, Ausmaß und Dauer der Nutzung durch den Verletzer vorhergesehen hätten.246 Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Betrachtung ist die letzte mündliche Tatsachenverhandlung.247 Vorzunehmen ist weiterhin eine Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände, unter Einbeziehung insbesondere der beiderseitigen Interessen der Parteien, der wirtschaftlichen Bedeutung des in Rede stehenden Rechts bzw. Produkts und der Berücksichtigung der auf dem betroffenen Gebiet üblicherweise gezahlten Vergütung.248 Die angemessene Lizenzgebühr wird hierbei regelmäßig nach Maßgabe von § 287 ZPO durch das erkennende Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu bestimmen sein.249 Bei der Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr ist es naheliegend, bran- 67 chenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, wenn sich eine entsprechende Übung herausgebildet hat.250 Grundsätzlich wird von einer Stücklizenz auszugehen sein, für die der Nettoverkaufspreis des Verletzers zugrundezulegen ist.251 In der Praxis wird regelmäßig von Lizenzbeträgen zwischen 1% und 5% des Nettover-

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243 BGH 12.1.1966 – Ib ZR 5/64 – BGHZ 44, 372, 379 f. = GRUR 1966, 375, 377 – Meßmer-Tee II; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 BGHZ 119, 20, 26 = GRUR 1993, 55, 58 – Tchibo/Rolex II; BGH 26.1.1984 – I ZR 195/81– GRUR 1984, 820, 822 – Intermarkt II; BGH 23.6.2005 – I ZR 263/02 – GRUR 2006, 143, 145 – Catwalk. 244 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.42, dem sich anschließend MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 98. 245 BGH 5.7.2001 – I ZR 311/98 – BGHZ 148, 221, 231 = GRUR 2002, 248, 252 – SPIEGEL-CD-ROM. 246 BGH 12.1.1966 – Ib ZR 5/64 – BGHZ 44, 372, 376 = GRUR 1966, 375, 376 – Meßmer Tee II; BGH 6.3.1980 – X ZR 49/78 –BGHZ 77, 16, 25 f. = GRUR 1980, 841, 845 – Tolbutamid; BGH 22.3.1990 – I ZR 59/88 – GRUR 1990, 1008, 1009 – Lizenzanalogie; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 27 f. = GRUR 1993, 55, 58 – Tchibo Rolex II. 247 BGH 12.1.1966 – Ib ZR 5/64 – BGHZ 44, 372, 376 = GRUR 1966, 375 – Meßmer Tee II; BGH 22.3.1990 – I ZR 59/88 – GRUR 1990, 1008, 1009 – Lizenzanalogie. Zur vorzunehmenden ex-post-Betrachtung weiterhin GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 332 m.w.N.; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.43; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 99; Teplitzky Kap. 32. 248 BGH 18.2.1977 – I ZR 112/75 – GRUR 1977, 539, 542 – Prozeßrechner. 249 BGH 13.3.1962 – I ZR 18/61 – GRUR 1962, 401, 402 – Kreuzbodenventilsäcke III; BGH 6.3.1980 – X ZR 49/78 – BGHZ 77, 16, 24 = GRUR 1980, 841, 844 – Tolbutamid; BGH 25.5.1993 – X ZR 19/92 – GRUR 1993, 897, 898 – Mogul-Anlage; BGH 14.3.2000 – X ZR 115/98 – GRUR 2000, 685, 687 – Formunwirksamer Lizenzvertrag; BGH 23.6.2005 – I ZR 263/02 – GRUR 2006, 143, 145 f. – Catwalk; BGH 6.10.2005 – I ZR 322/02 – GRUR 2006, 419 Tz. 16 – Noblesse. 250 BGH 3.7.1986 – I ZR 159/84 – GRUR 1987, 36 – Liedtextwiedergabe II; BGH 6.10.2005 – I ZR 266/02 – GRUR 2006, 136 Tz. 27 – Pressefotos; BGH 2.10.2008 – I ZR 6/06 – GRUR 2009, 407 Tz. 29 – Whistling for a Train. 251 BGH 12.1.1966 – Ib ZR 5/64 – BGHZ 44, 372, 380 f. = GRUR 1966, 375, 378 f. – Meßmer-Tee II; BGH 8.10.1971 – I ZR 12/70 – BGHZ 57, 116, 117 = GRUR 1972, 189, 191 – Wandsteckdose II; BGH 6.3.1980 – X ZR 49/78 – BGHZ 77, 16, 27 = GRUR 1980, 841, 846 – Tolbutamid; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 26 = GRUR 1993, 55, 58 – Tchibo/Rolex II; BGH 3.7.1974 – I ZR 65/73 – GRUR 1975, 85, 86 – Clarissa. A.A. Barth GRUR 1980, 844, 846; Preu GRUR 1979, 753, 760; Pietzker GRUR 1975, 55, 56 – jeweils auf den (höheren) Abgabepreis des Verletzten abstellen. Hiergegen zutreffend GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 334, dem sich anschließend MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 101.

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§9

Schadensersatz

kaufspreises des Verletzers ausgegangen,252 wobei insbesondere bei prestigeträchtigen Objekten der Lizenzbetrag auch deutlich höher liegen kann.253 Falls abweichend vom Regelfall eine Pauschallizenz üblich ist, so bleibt der Umfang der tatsächlichen Nutzung grundsätzlich unbeachtlich.254 In Betracht kommt ferner auch eine Kombination von Stück- und Pauschallizenz.255 68

b) Abschläge und Zuschläge. Bei der Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr ist überdies durch die Gewährung von Ab- und Zuschlägen zu berücksichtigen, dass die unerlaubte Nutzung von Immaterialgüterrechten für den Verletzer im Einzelfall sowohl Vor- als auch Nachteile256 zeitigen kann.257 Da der Verletzer nicht besser stehen darf als ein vertraglicher Lizenznehmer können sich lizenzerhöhende Vorteile etwa ergeben durch aufgelaufene Zinsen, wenn und soweit vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrags auch eine Fälligkeits- und Verzinsungsvereinbarung getroffen hätten258 sowie durch das Fehlen einer Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Preisvorgaben259 oder zur Durchführung von Qualitätskontrollen.260 Lizenzmindernde Nachteile können sich dagegen etwa ergeben im Falle der Mitnutzung eigener oder lizenz- und schadensersatzpflichtiger Drittrechte, wenn dadurch eine Wertsteigerung eingetreten ist oder die Parteien sich aus anderen Gründen gleichwohl auf eine Herabsetzung des Lizenzsatzes geeinigt hätten;261 wenn das Immaterialgut nicht identisch übernommen und zudem nicht herausgehoben, sondern in einem sehr umfangreichen Katalog angeboten wird;262 wenn die Lizenzgebühr regelmäßig für ein exklusives Nutzungsrecht berechnet wird, der Verletzte (oder andere) die Rechtsposition aber selbst nutzen.263 Ein pauschaler Verletzerzuschlag lässt sich aus Sinn und Zweck des Schadensersatzanspruchs dagegen nicht ableiten;264 allenfalls kann unter bestimmten Voraussetzungen die Gewährung eines

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252 BGH 12.1.1966 – Ib ZR 5/64 – BGHZ 44, 372, 380 f. = GRUR 1966, 375, 378 – Meßmer-Tee II; BGH 6.3.1980 – X ZR 49/78 – BGHZ 77, 16, 23 = GRUR 1980, 841, 841 – Tolbutamid; BGH 8.10.1971 – I ZR 12/70 – BGHZ 57, 116, 123 = GRUR 1972, 189, 191 – Wandsteckdose II; BGH 30.5.1995 – X ZR 54/93 – GRUR 1995, 578, 579 f. – Steuereinrichtung II. Aus dem Schrifttum Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 31; Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Goldmann § 9 Rn. 157; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.43; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 101 (1%-8%); Teplitzky Kap. 34 Rn. 28 (2%–5%). 253 BGH 23.5.1991 – I ZR 286/89 – GRUR 1991, 914, 917 – Kastanienmuster (10%); BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – GRUR 1993, 55, 58 – Tchibo/Rolex II (zwischen 12,5% und 20%), insoweit nicht enthalten in: BGHZ 119, 20; BGH 23.6.2005 – I ZR 263/02 – GRUR 2006, 143, 146 – Catwalk (bis zu 20%). 254 BGH – 16.11.1989 – l ZR 15/88 – GRUR 1990, 353, 355 – Raubkopien; BGH 24.6.1993 – I ZR 148/91– GRUR 1993, 899, 901 – Dia-Duplikate. 255 BGH 23.6.2005 – I ZR 263/02 – GRUR 2006, 143, 146 – Catwalk. 256 Eine Aufstellung möglicher Vor- und Nachteile findet sich etwa bei GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 339 m.w.N. 257 BGH 6.3.1980 – X ZR 49/78 – BGHZ 77, 16, 21 = GRUR 1980, 841, 843 – Tolbutamid; BGH 24.11.1981 – X ZR 36/80 – BGHZ 82, 310, 321 = GRUR 1982, 286, 287 f. – Fersenabstützvorrichtung; BGH 14.3.2000 – X ZR 115/98 – GRUR 2000, 685, 688 – Formunwirksamer Lizenzvertrag. 258 BGH 24.11.1981 – X ZR 7/80 – BGHZ 82, 299, 309 = GRUR 1982, 301, 303 f. – Kunststoffhohlprofil II; BGH 24.11.1981 – X ZR 36/80 – BGHZ 82, 310, 321 = GRUR 1982, 286, 288 – Fersenabstützvorrichtung; BGH 29.7.2009 – I ZR 169/07 – GRUR 2010, 239, 243 Tz. 55 – BTK. 259 BGH 6.3.1980 – X ZR 49/78 – BGHZ 77, 16, 26 f. = GRUR 1980, 841, 844 – Tolbutamid. 260 BGH 12.1.1966 – Ib ZR 5/64 – BGHZ 44, 372, 381 – GRUR 1966, 375, 378 – Meßmer-Tee II. 261 BGH 24.11.1981 – X ZR 7/80 – BGHZ 82, 299, 302 = GRUR 1982, 301, 302 – Kunststoffhohlprofil II; BGH 30.5.1995 – X ZR 54/93 – GRUR 1995, 578, 580 – Steuereinrichtung II. 262 BGH 23.6.2005 – I ZR 263/02 – GRUR 2006, 143, 146 – Catwalk. 263 BGH 8.10.1971 – I ZR 12/70 – BGHZ 57, 116, 123 = GRUR 1972, 189, 191 – Wandsteckdose II; BGH 3.7.1974 – I ZR 65/73– GRUR 1975, 85, 87 – Clarissa. 264 BGH 6.3.1980 – X ZR 49/78 – BGHZ 77, 16, 26 = GRUR 1980, 841, 843 – Tolbutamid; BGH 24.11.1981 – X ZR 36/80 – BGHZ 82, 310 316 f. = GRUR 1982, 286, 289 – Fersenabstützvorrichtung. Aus dem Schrifttum Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 165; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.44;

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228

IV. Dreifache Schadensberechnung

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

individuell zu bestimmenden Verletzerzuschlag im konkreten Einzelfall gerechtfertigt und angezeigt sein, etwa bei vorsätzlichem Handeln.265 4. Herausgabe des Verletzergewinns. Die Schadensberechnung durch Heraus- 69 gabe des Verletzergewinns ist von der Rechtsprechung in Anlehnung an den Herausgabeanspruch bei der angemaßten Eigengeschäftsführung (vgl. §§ 687 Abs. 2 Satz 1, 681 Satz 2, 667 BGB) entwickelt und sodann auf fahrlässiges Verhalten ausgedehnt worden.266 Die Herausgabe des Verletzergewinns findet mittlerweile eine unionsrechtliche Grundlage in Art. 13 Abs. 1 Satz 2 lit. a der Durchsetzungsrichtlinie (2004/48/EG) und ist durch den Gesetzgeber für Immaterialgüterrechtsverstöße in Spezialgesetzen kodifiziert worden, vgl. § 24 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, § 14 Abs. 6 Satz 2 MarkenG, § 139 Abs. 2 Satz 2 PatG, § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG. Die Herausgabe des Verletzergewinns dient der Kompensation von regelmäßig schwer bezifferbaren, aber wahrscheinlich eingetretenen Vermögenseinbußen beim Verletzten.267 Da die objektive Schadensberechnung auf einer Fiktion beruht, kommt es gerade nicht darauf an, ob der Rechteinhaber ohne die Rechtsverletzung durch die Verwertung seines Rechts oder seiner Leistung in gleicher Weise einen Gewinn erzielt hätte wie der Verletzer.268 Jedenfalls aber muss der Verletzte im Rahmen der Anwendung des § 287 ZPO nachweisen, dass die Verletzungshandlung mit Wahrscheinlichkeit bei ihm zu einem Schaden und zu einem Verletzergewinn geführt hat.269 a) Ermittlung des Verletzergewinns. Ausgangspunkt für die Ermittlung des her- 70 auszugebenden Betrages ist der tatsächlich erzielte Gewinn des Verletzers, nicht dagegen der möglicherweise erzielbare Gewinn.270 Dabei ist der Verletzergewinn nur insoweit herauszugeben, als er auf der Rechtsverletzung beruht.271 So wird jedenfalls bei der Verletzung von Kennzeichenrechten, Geschmacksmusterrechten, Patentrechten, Urheberrechten und bei der lauterkeitswidrigen Leistungsübernahme (§ 4 Nr. 9) der Verletzergewinn zumeist nicht ausschließlich auf die betreffende Rechtsverletzung zurückzuführen sein.272 Etwas anderes kann dagegen gelten bei bestimmten anderen Schutzrechtsverlet-

_____ MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 103. A.A. mit Blick auf die Vorgaben der Durchsetzungsrichtlinie (2004/47/EG) Bodewig/Wandtke GRUR 2008, 220; Teplitzky Kap. 34 Rn. 30a – jeweils m.w.N. 265 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 160 ff.; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.44. 266 BGH 13.1.1959 – I ZR 82/57 – GRUR 1959, 379, 383 – Gasparone; BGH 29.5.1962 – I ZR 132/60 – GRUR 1962, 509, 512 – Dia-Rähmchen II; BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366, 371 = GRUR 2001, 329, 331 – Gemeinkostenanteil. 267 BGH 29.5.1962 – I ZR 132/60 – GRUR 1962, 509, 512 – Dia-Rähmchen II; BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366, 371 = GRUR 2001, 329, 331 – Gemeinkostenanteil; BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 21 – Steckverbindergehäuse. 268 BGH 19.1.1973 – I ZR 39/71 –BGHZ 60, 168, 173 = GRUR 1973, 478, 480 – Modeneuheit; BGH 22.3.1990 – I ZR 59/88 – GRUR 1990, 1008, 1009 – Lizenzanalogie; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 –BGHZ 119, 20, 26 = GRUR 1993, 55, 58 – Tchibo/Rolex II; BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – GRUR 2001, 329, 331 – Gemeinkostenanteil; BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 – Steckverbindergehäuse. Aus dem Schrifttum Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 32; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 166; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.45; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 107; Teplitzky Kap. 34 Rn. 35. 269 BGH 14.1.1958 – I ZR 171/56 – GRUR 1962, 509, 512 – Dia-Rähmchen. 270 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 346; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 108. 271 BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 29 = GRUR 1993, 55, 59 – Tchibo/Rolex II; BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 24 – Steckverbindergehäuse. Vgl. Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 32; HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 175; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.46; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 108; Teplitzky Kap. 34 Rn. 33. 272 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.47; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 109; Teplitzky Kap. 34 Rn. 33.

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§9

Schadensersatz

zungen273 und bei der Verletzung von Betriebsgeheimnissen.274 Der herauszugebende Gewinnanteil ist wiederum nach Maßgabe von § 287 ZPO zu schätzen, falls nicht ausnahmsweise jeglicher Anhaltspunkt für eine Schätzung fehlt.275 71

b) Abzugsfähigkeit von Kosten. Ein Abzug von Gemeinkosten kommt grundsätzlich nicht in Betracht.276 Ansonsten verbliebe dem Verletzer ein Deckungsbeitrag zu den Fixkosten, was mit Sinn und Zweck des Schadensausgleichs in der Form der Herausgabe des sog. Verletzergewinns unvereinbar wäre; überdies bliebe ansonsten unberücksichtigt, dass der Verletzte seinerseits ebenfalls einen Deckungsbeitrag zu seinen eigenen Gemeinkosten hätte erwirtschaften können.277 Anders kann es sich ausnahmsweise dann verhalten, wenn die in Rede stehenden Gemeinkosten einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Rechtsverletzung haben.278 Den Verletzer trifft die Darlegungs- und Beweislast für den Nachweis eines ausnahmsweisen Vorliegens der Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit von Gemeinkosten.279 Vor dem Hintergrund von insoweit zu erwartenden Kostensteigerungen und zeitlichen Verlängerungen von Wettbewerbsprozessen wegen der Notwendigkeit der Einholung von Sachverständigengutachten280 wird in der Literatur eine Typisierung von abzugsfähigen und nicht abzugsfähigen Kosten vorgeschlagen.281 V. Mitverschulden V. Mitverschulden

72

Das Mitverschulden des Geschädigten i.S.v. § 254 BGB ist auch bei lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzansprüchen zu berücksichtigen.282 Ein solches Mitverschulden setzt voraus, dass der Geschädigte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch im eigenen Interesse aufwendet, um sich vor Schaden zu bewahren.283 Bei dem Gebot an den Geschädigten, die eigenen Interessen zu wahren, handelt es sich um eine

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273 BGH 6.10.2005 – I ZR 322/02 – GRUR 2006, 419 Tz. 18 – Noblesse; BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 29 – Steckverbindergehäuse. 274 BGH 19.3.2008 – I ZR 225/06 – WRP 2008, 938, Tz. 8-11 – entwendete Datensätze mit Konstruktionszeichnungen. Weiterhin Teplitzky Kap. 34 Rn. 33. 275 BGH 29.5.1962 – I ZR 132/60 – GRUR 1962, 509, 512 – Dia-Rähmchen II; BGH 16.2.1973 – I ZR 74/71 – GRUR 1973, 375, 378 – Miss Petite, insoweit nicht enthalten in: BGHZ 60, 206; BGH 6.10.2005 – I ZR 322/02 – GRUR 2006, 419 Tz. 16 – Noblesse; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 30 f. = GRUR 1993, 55 – Tchibo/Rolex II; BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 30 – Steckverbindergehäuse; BGH 14.5.2009 – I ZR 98/06 – GRUR 2009, 856 Tz. 42 – Tripp-Trapp-Stuhl, insoweit nicht enthalten in: BGHZ 181, 98. 276 BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366, 374 = GRUR 2001, 329, 331 f. – Gemeinkostenanteil; BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 12 – Steckverbindergehäuse. Dem sich anschließend im Schrifttum etwa Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 32; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 176; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.48; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 110; Teplitzky Kap. 34 Rn. 33 ff. 277 BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366 = GRUR 2001, 329, 331 f. – Gemeinkostenanteil; BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 26 – Steckverbindergehäuse. 278 BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 26 – Steckverbindergehäuse. Vgl. auch Köhler/ Bornkamm § 9 Rn. 1.50; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 110; Teplitzky Kap. 34 Rn. 33. 279 BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 24 – Steckverbindergehäuse. 280 Hierzu Runkel WRP 2005, 968, 970 ff. 281 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.50 mit einer ausführlichen Darstellung. 282 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 18; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 86; Köhler/ Bornkamm § 9 Rn. 1.22; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 111; Teplitzky Kap. 30 Rn. 25. 283 St. Rspr., vgl. etwa BGH 29.4.1953 – VI ZR 63/52 – BGHZ 9, 316, 318; BGH 20.3.1949 – VI ZR 152/78 – BGHZ 74, 25, 28 = NJW 1979, 1363, 1364; BGH 17. 10. 2000 – VI ZR 313/99 – NJW 2001, 149, 150; BGH 2.7.2004 – V ZR 33/04 – BGHZ 160, 18, 24 = NJW 2004, 3328, 3330; BGH 1.12.2005 – I ZR 31/04 – NJW 2006, 1426 Tz. 20.

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V. Mitverschulden

B. Schadensersatzanspruch (Satz 1)

nicht einklagbare Obliegenheit, bei deren Nichtbeachtung der Rechtsnachteil hinzunehmen ist, den eigenen Schaden nicht vollständig ersetzt zu erhalten.284 In diesem Sinne statuiert § 254 BGB eine Ausnahme vom Grundsatz der Totalreparation und bewirkt auf der Rechtsfolgenseite eine quotale Schadensaufteilung bzw. bei einem Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit einen Abzug. Zutreffend wird darauf verwiesen, dass das Mitverschulden auf der Grundlage und am Maßstab des § 254 Abs. 1 BGB im Lauterkeitsrecht verglichen mit anderen Bereichen nicht dieselbe praktische Bedeutung hat, da ein Verschulden des Verletzten bei der Schadensverursachung in Ansehung von Wettbewerbsverstößen regelmäßig nicht vorliegen wird.285 Für ein etwaiges Mitverschulden sind vor allem das Ausmaß der Verursachung 73 und der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen; hat der Verletzer vorsätzlich gehandelt, wird ein bloß fahrlässiges Verhalten des Geschädigten regelmäßig unbeachtlich bleiben.286 Da die Obliegenheitspflichtverletzung des Geschädigten vorsätzlich oder fahrlässig erfolgen muss, setzt das Mitverschulden eine Zurechnungsfähigkeit voraus, wofür nach h.M. auf die §§ 827, 828 BGB in entsprechender Anwendung zu rekurrieren ist.287 Ein Mitverschulden des Geschädigten kann sich sowohl aus einer Sorgfaltsverletzung bei der Schadensentstehung (vgl. § 254 Abs. 1 BGB) als auch aus einem Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit (vgl. § 254 Abs. 2 BGB) ergeben. Nach Maßgabe von § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB hat sich der Geschädigte in beiden Konstellationen das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen i.S.v. § 278 BGB zurechnen zu lassen.288 Dabei kann auch ein zeitlich vor der Verletzungshandlung liegendes Verhalten des Geschädigten bei der Entstehung des Schadens mitwirken, wenn sich dieses vorangegangene Verhalten auf das Verhalten des Verletzers in hinreichend kausaler Weise ausgewirkt hat.289 1. Mitverschulden bei der Schadensverursachung (§ 254 Abs. 1 BGB). Ein Mitver- 74 schulden bei der Schadensverursachung kommt im Kontext des Lauterkeitsrecht etwa in Betracht,290 wenn der Geschädigte durch eigenes wettbewerbswidriges oder jedenfalls provozierendes Verhalten das Verhalten des Verletzers erst herbeigeführt hat.291 Weiterhin kommt ein Mitverschulden auch in Betracht bei unberechtigten Schutzverwarnungen, sofern diese als rechtswidrig qualifiziert werden (vgl. hierzu auch § 4 Nr. 9 Rn. 282 ff.) und der Verwarnte ohne hinreichende Vorabprüfung der Sach- und Rechtslage schuldhaft voreilig die Produktion oder den Vertrieb einstellt292 oder die Verwarnung weiterhin befolgt, obwohl ihm neue Umstände bekannt geworden sind, die An-

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284 BGH 18.4.1997 – V ZR 28/96 – BGHZ 135, 235, 240 = NJW 1997, 2234, 2235. 285 Teplitzky Kap. 30 Rn. 25 m.w.N in Fn. 89. 286 BGH 8.7.1986 –VI ZR 47/85 – BGHZ 98, 148, 158 = NJW 1986, 2941, 2943. 287 St. Rspr., vgl. etwa BGH 29.4.1953 – VI ZR 63/52 – BGHZ 9, 316, 317. 288 § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB ordnet eine entsprechende Anwendung von § 278 BGB an. Trotz der systematischen Stellung der Vorschrift gilt dies nach der h.M. richtigerweise nicht nur für die Obliegenheit zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB, sondern gerade auch für die Schadensverursachung, vgl. etwa BGH 8.3. 1951 – III ZR 65/50 – BGHZ 1, 248, 249 = NJW 1951, 477; BGH 3.7.1951 – I ZR 44/50 – BGHZ 3, 46, 48. 289 BGH 3.7.1951 – I ZR 44/50 – BGHZ 3, 46, 47. 290 Zu diesen und weiteren möglichen Fallgruppen siehe Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.22; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 112; Teplitzky Kap. 30 Rn. 25 f. 291 BGH 21.2.1964 – Ib ZR 108/62 – GRUR 1964, 392, 397 – Weizenkeimöl; BGH 24.2.1994 – I ZR 74/92 – GRUR 1994, 447, 449 – Sistierung von Aufträgen. 292 BGH 5.11.1962 – I ZR 39/61– GRUR 1963, 255, 259 – Kindernähmaschinen, insoweit nicht enthalten in BGHZ 38, 200; BGH 8.2. 63 – I b ZR 132/61 – WRP 1965, 97, 101 – Kaugummikugeln; BGH 17.4.1997 – X ZR 2/96 – GRUR 1997, 741, 743 – Chinaherde.

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§9

Schadensersatz

lass zu einer Verhaltensänderung geben.293 Allerdings kann ein etwaiges Verschulden der Abnehmer dem Hersteller grundsätzlich nicht entgegengehalten werden, da es hierfür regelmäßig an den Voraussetzungen der §§ 278 BGB i.V.m. § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB294 fehlen wird.295 75

2. Verstoß gegen eine Schadensminderungsobliegenheit (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ein Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit kann vorliegen, wenn der Geschädigte es unter bestimmten Voraussetzungen unterlässt, den Verletzer in geeigneter und zumutbarer Weise auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen drohenden Schadens hinzuweisen; ein solches Unterlassen des Geschädigten kann sich vor allem ergeben bei Schutzrechtsverwarnungen mit der Folge umfangreicher und kostenintensiver Auswirkungen auf die Herstellung und Produktion.296 Des Weiteren hat der Geschädigte stets die ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um eine Vertiefung des Schadens zu vermeiden; für die Bestimmung der Zumutbarkeit im konkreten Einzelfall wird im Schrifttum mit guten Gründen der Rekurs auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) empfohlen.297 Eine Begrenzung des Zumutbaren wird hierbei nicht zuletzt im Falle einer zweifelhaften Kostenerstattung für Maßnahmen des Geschädigten anzunehmen sein.298

C. Presseprivileg (Satz 2) C. Presseprivileg (Satz 2) 76

Nach Maßgabe von Satz 2 kann der Schadensersatzanspruch aus Satz 1 der Vorschrift gegen verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften nur bei einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung geltend gemacht werden.299 I. Normzweck und Rechtsentwicklung I. Normzweck und Rechtsentwicklung

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Normzweck des Presseprivilegs ist die Haftungsprivilegierung der verantwortlichen Personen bei Zeitungen, Zeitschriften und sonstigen auf wiederkehrendes, nicht notwendigerweise regelmäßiges Erscheinen angelegten Druckwerken.300 In Ansehung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und des Geistes der Pressegesetzgebung301 berücksichtigt das Presseprivileg, dass die Presseunternehmen für die Finanzierung ihrer Tätigkeit vor allem auch auf das Anzeigengeschäft angewiesen sind, wobei diese Anzeigen regelmäßig von Dritten verfasst werden und eine hohe Zeitnot mit entsprechenden Limitierungen in den Prüfungsmöglichkeiten herrscht.302 Vor diesem Hintergrund stünde eine unzumutbare Belastung des existenznotwendigen Anzeigengeschäfts zu befürchten, wollte man den Betrof-

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293 BGH 14.2.1978 – X ZR 19/76 – BGHZ 71, 86, 93 = GRUR 1978, 492, 493, 494 – Fahrradgepäckträger II. 294 § 278 BGB greift sowohl für die Schadensverursachung (§ 254 Abs. 1 BGB) als auch für die Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB), vgl. hierzu vorstehend Rn. 72 ff. 295 BGH 19.1.1979 – I ZR 166/76 – GRUR 1979, 332, 337 – Brombeerleuchte. 296 Hierzu ausführlich Teplitzky Kap. 30 Rn. 26 f. m.w.N. 297 Teplitzky Kap. 30 Rn. 30 m.w.N., insbesondere auch verweisend auf die Sorgfalt, die „ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung bzw. -minderung ergreifen würde“. 298 Teplitzky Kap. 30 Rn. 30 m.w.N. Dem sich anschließend Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.22. 299 Zur grundsätzlichen Frage der Verantwortlichkeit der Presse vgl. Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 2.1 ff. 300 Zu dieser Begriffsdefinition vgl. Begr RegE UWG 2004 zu § 9, BTDrucks. 15/1487 S. 23. 301 BegrRegE UWG 2004 zu § 9, BTDrucks. 15/1487 S. 23. 302 Eingehend hierzu Henning-Bodewig GRUR 1985, 258, 259 f.

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II. Anwendungsbereich und Reichweite

C. Presseprivileg (Satz 2)

fenen entsprechende Pflichten mit einer hierdurch veranlassten Haftungssanktion abverlangen. Das Presseprivileg in seiner jetzigen Form ist gegenüber der früheren Rechtslage 78 neu gefasst und deutlich erweitert worden: Nach Maßgabe von § 13 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 UWG 1909 galt die Privilegierung der Presse im Falle des § 3 UWG 1909 nur in Bezug auf irreführende Angaben, wobei die Haftung auf Vorsatz beschränkt war. Ob und inwieweit die Haftungsprivilegierung auch auf andere Lauterkeitsverstöße ausgedehnt werden konnte, war streitig.303 Im geltenden Recht ist die vormalige Beschränkung des Presseprivilegs auf Verstöße gegen das Irreführungsverbot nunmehr aufgehoben;304 der Anwendungsbereich des Presseprivilegs erstreckt sich somit grundsätzlich auf sämtliche Zuwiderhandlungen gegen § 3 oder § 7. II. Anwendungsbereich und Reichweite II. Anwendungsbereich und Reichweite Wortlaut und Systematik, Entstehungsgeschichte und Gesetzesbegründung sowie 79 der Blick auf die Vorgängervorschrift (§ 13 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 UWG 1909) veranlassen eine Beschränkung der Haftungsprivilegierung aus Satz 2 auf die Schadensersatzansprüche auf der Grundlage und am Maßstab von Satz 1 der Vorschrift.305 Für Abwehr-, Unterlassungs- und sonstige Ansprüche findet die Regelung demgegenüber keine Anwendung. 1. Privilegierte Medien. Das Haftungsprivileg aus Satz 2 gilt nach dem Wortlaut nur 80 für periodische Druckschriften, worunter ausweislich der Gesetzesbegründung306 Zeitungen, Zeitschriften und sonstige Druckschriften, die auf ein wiederkehrendes, nicht notwendig regelmäßiges Erscheinen angelegt sind, gefasst werden können. Für die erforderliche Periodizität kann zudem auf die Regelungen in den Landespressegesetzen rekurriert werden;307 hiernach darf der Zeitraum zwischen den einzelnen Erscheinungsterminen sechs Monate nicht überschreiten.308 Maßstab und Grund der Eingrenzung der Haftungsprivilegierung auf periodisch erscheinende Druckschriften ist vor allem der typischerweise auftretende zeitliche Druck in Ansehung des Anzeigengeschäfts.309, 310 Über den Wortlaut hinaus wird nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift die Haf- 81 tungsprivilegierung auch auf sonstige Medien (und hier insbesondere den Rundfunk) auszudehnen sein, bei denen eine mit den periodischen Druckschriften vergleichbare Sach- und Interessenlage besteht.311 Maßgebliches Kriterium ist damit der durch die Pressefreiheit induzierte wirtschaftliche Existenzschutz bei gleichzeitigem Zeitdruck, vor allem im Anzeigengeschäft. Eine solche entsprechende Anwendung von Satz 2 ist im Wege der Analogie eröffnet, da der Gesetzgeber eine abschließende Rege-

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303 Ablehnend BGH 26.4.1990 – I ZR 127/88 – GRUR 1990, 1012, 1014 – Pressehaftung I. Bejahend Henning-Bodewig GRUR 1985, 258, 261; GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 160 m.w.N. 304 Zur Begründung verwiesen wurde auf den „Geist der Pressegesetzgebung“, vgl. BegrRegE UWG 2004 zu § 9, BTDrucks. 15/1487 S. 23. Demgegenüber betont Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 2.11 den Zweck der Presseprivilegierung, der keine Beschränkung auf die Fälle irreführender Werbung gebiete. 305 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 40; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 2.13; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 118. 306 Vgl. Begr RegE UWG 2004 zu § 9, BTDrucks. 15/1487 S. 23. 307 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 121. 308 Vgl. etwa Art. 6 Abs. 2 Bay. PresseG; § 6 Abs. 2 Satz 1 Sächs. PresseG; § 7 Abs. 4 LPresseG BW. 309 Siehe hierzu vorstehend Rn. 77 310 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 40; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 2.13; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 118. 311 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 42; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 2.13; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 120.

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§9

Schadensersatz

lung mit einer reinen Presseprivilegierung nach der Gesetzeshistorie nicht intendiert haben dürfte; vielmehr gebietet der Gesetzestelos eine erweiterte Auslegung. 82

2. Privilegierter Personenkreis. Das Haftungsprivileg ist nach Maßgabe von Satz 2 eröffnet für verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften. Zur näheren Konkretisierung dieses Personenkreises kann auf § 13 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 UWG 1909 und das hierauf bezogene Schrifttum rekurriert werden, wonach Redakteure, Verleger, Drucker und Verbreiter erfasst waren.312 Die sprachliche Neufassung mit der nunmehr allgemeiner gehaltenen Umschreibung des privilegierten Personenkreises („verantwortliche Personen“) rechtfertigt eine Ausdehnung der Haftungsprivilegierung, wovon etwa Herausgeber, Schriftleiter und kaufmännische Leiter profitieren werden.313

3. Zuwiderhandlungen gegen § 3 oder § 7. Die Haftungsprivilegierung erstreckt sich nach der Neufassung314 grundsätzlich auf alle Verstöße gegen § 3 oder § 7. Der seinerzeitige Streit über die Möglichkeit einer erweiterten Anwendung der Vorgängervorschrift des § 13 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 UWG 1909, die sich ihrem Wortlaut nach nur auf die Haftung in den Fällen der irreführenden Werbung erstreckte, ist damit hinfällig geworden.315 Auf Schadensersatzansprüche aus konkurrierenden Anspruchsgrundlagen ist das Presseprivileg aus Satz 2 bei unlauteren Wettbewerbshandlungen richtigerweise entsprechend zur Anwendung zu bringen, um ein ansonsten drohendes – teilweises – Leerlaufen des Schutzzwecks zu verhindern.316 Darüber hinaus wird mit guten Gründen eine Ausdehnung des Presseprivilegs auch auf entsprechende Verletzungen von Immaterialgüterrechten vorgeschlagen.317 Dagegen greift die Privilegierung nach ihrem Sinn und Zweck nicht für eigene 84 Wettbewerbsverstöße, wenn und soweit der Inhalt der Anzeigen oder sonstiger Texte selbst aktiv gestaltet wurde, so insbesondere in Fällen der Eigenwerbung.318 Die Reichweite der Vorschrift ist vielmehr teleologisch zu reduzieren, falls sich die in Rede stehende Zuwiderhandlung auf die unterbliebene Kontrolle eines eigenen Textes bezieht.319 Denn den Presseunternehmen und den verantwortlichen Personen werden in diesen Situationen gerade keine unzumutbaren Prüfungspflichten auferlegt, weshalb es an einer privilegierungsbedürftigen Sachverhaltskonstellation fehlen wird.320 Insoweit tritt 83

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312 Siehe hierzu GK-UWG/Erdmann § 13 a.F. Rn. 162: Redakteur ist, wer auf das Anzeigengeschäft einen mitbestimmenden Einfluss nimmt; Verleger ist, wer die Druckschrift für eigene Rechnung vervielfältigt und verbreitet; Drucker ist, wer eigenverantwortlich den Druck besorgt; Verbreiter ist, wer die Druckschrift der Öffentlichkeit zugänglich macht. 313 Vgl. Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 41; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 2.14 (für Herausgeber); MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 117. 314 Zu der vormaligen Beschränkung auf irreführende Angaben vgl. vorstehend Rn. 78. 315 Eine erweiterte Anwendung unter der Geltung der seinerzeitigen Rechtslage ablehnend, insbesondere wegen der Entstehungsgeschichte und des Ausnahmecharakters BGH 26.4.1990 – I ZR 127/88 – GRUR 1990, 1012, 1014 – Pressehaftung I. Zur Frage einer analogen Anwendung weiterhin GK-UWG/ Erdmann § 13 a.F. Rn. 160 m.w.N. 316 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 2.16; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 120. 317 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 121 unter Verweis auf OLG München 29.4.1993 – 29 U 6424/92 – ZUM 1993, 490, 491 – die hierauf bezogene Kritik von G. Schulze GRUR 1994, 702, 703 f. verfängt in Ansehung der veränderten Rechtslage unter Erweiterung des Tatbestands auf sämtliche Lauterkeitsverstöße nicht mehr. 318 BTDrucks. 15/1487 S. 23. 319 BTDrucks. 15/1487 S. 23. Vgl. weiterhin Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 41; Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Goldmann § 9 Rn. 212; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 2.15; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 120. 320 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 212.

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I. Anwendungsbereich und Grundsätzliches

D. Bereicherungsanspruch

das auf Art. 5 Abs. 1 GG gestützte Presseprivileg hinter den allgemeinen Schutz des Wettbewerbs zurück, vgl. Art. 5 Abs. 2 GG.321 III. Darlegungs- und Beweislast Wer sich auf die Haftungsprivilegierung aus Satz 2 beruft, hat das Vorliegen der 85 Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Demgegenüber hat der Anspruchssteller die Anspruchsvoraussetzungen, und hier über das allgemeine Verschulden hinaus insbesondere den Vorsatz des aus Schadensersatz in Anspruch Genommenen, darzulegen und zu beweisen.322

D. Bereicherungsanspruch D. Bereicherungsanspruch I. Anwendungsbereich und Grundsätzliches I. Anwendungsbereich und Grundsätzliches Die Anwendung des Bereicherungsanspruchs im Wettbewerbsrecht war von der 86 Rechtsprechung lange Zeit abgelehnt worden, da für die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten das Patentgesetz, das Gebrauchsmustergesetz und das Warenzeichengesetz insoweit erschöpfende und abschließende Rechtsfolgenanordnungen enthalten sollten.323 Der BGH hat diese Rechtsprechungslinie sodann im Jahre 1976 in einer ausführlich begründeten Entscheidung zum Gebrauchsmusterrecht (Kunststoffhohlprofil I) mit guten Gründen aufgegeben, da „gegen die Anwendung der §§ 812 ff. BGB bei schuldloser Verletzung von Patent- oder Gebrauchsmusterrechten […] weder gesetzessystematisch noch rechtsdogmatisch durchgreifende Bedenken“ bestehen.324 Damit war der Weg bereitet für eine grundsätzliche Anwendbarkeit von Bereicherungsansprüchen im Immaterialgüterrecht; anerkannt ist in der Rechtsprechung nunmehr eine bereicherungsrechtliche Haftung für Eingriffe in Urheber- und Geschmacksmusterrechte,325 in Patentund Gebrauchsmusterrechte,326 in Markenrechte,327 in Namens- und Firmenrechte328 sowie in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sofern eine Nutzungsgestattung rechtlich zulässig und damit marktfähig ist.329, 330

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321 BGH 30.4.1997 – I ZR 154/95 – GRUR 1997, 914, 915 – Die Besten II; OLG München 8.2.2001 – 29 U 4292/00 – NJW 2001, 1950 – Juve Handbuch. 322 Fezer/Koos UWG § 9 Rn. 39; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann § 9 Rn. 211; Köhler/ Bornkamm § 9 Rn. 2.17; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 112. 323 RG 5.2.1886 – I 390/85 – RGZ 15, 121, 132; RG 3.2.1909 – I 99/08 – RGZ 70, 249, 253; RG 4.5.1923 – II 310/22 – RGZ 108, 1, 6; RG 9.6.1928 – I 310/27 – RGZ 121, 258, 261; BGH 12.2.1952 – I ZR 96/51– BGHZ 5, 116 = NJW 1952, 657. Anders dagegen für Urheberrechtsverletzungen, vgl. RG 9.6.1928 – I 310/27 – RGZ 121, 258, 262; BGH 12.2.1952 – I ZR 96/51 – BGHZ 5, 116, 123. 324 BGH 30.11.1976 – X ZR 81/72 – BGHZ 68, 90, 92 = GRUR 1977, 250, 253 ff. – Kunststoffhohlprofil I. 325 BGH 27.2.1963 – Ib ZR 131/61 – GRUR 1963, 640, 642 – Plastikkorb; BGH 2.7.1971 – I ZR 58/70 – BGHZ 56, 317, 320 = NJW 1971, 2023, 2024 – Gasparone II; BGH 29. 4. 2010 – I ZR 68/08 – GRUR 2010, 623 – Restwertbörse. 326 BGH 30.11.1976 – X ZR 81/72 – BGHZ 68, 90 = GRUR 1977, 250 – Kunststoffhohlprofil I; BGH 24.11.1981 – X ZR 7/80 – BGHZ 92, 299 = GRUR 1982, 301 – Kunststoffhohlprofil II; BGH 18.2.1992 – X ZR 8/90 – GRUR 1992, 599, 600 – Teleskopzylinder. 327 BGH 18.12.1986 – I ZR 11/84 – BGHZ 99, 244, 246 f. = GRUR 1987, 520, 523 – Chanel Nr. 5 I; BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – BGHZ 107, 117, 120 ff. = GRUR 1990, 221, 222 – Forschungskosten. 328 BGH 26.6.1981 – I ZR 73/79 – BGHZ 81, 75, 78 = GRUR 1981, 846, 847 – Carrera; BGH 17.4.1984 – VI ZR 246/82 – BGHZ 91, 117, 120 = GRUR 1984, 684, 687 – Mordoro. 329 BGH 26.6.1981 – I ZR 73/79 – BGHZ 81, 75, 79 f. = GRUR 1981, 846, 847 – Carrera. 330 Vgl. weiterhin auch die Darstellungen bei GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 359 ff.; Köhler/ Bornkamm § 9 Rn. 3.2; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 124; Teplitzky Kap. 40 Rn. 3.

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§9

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Schadensersatz

Über die Frage, ob zudem auch bei der Verletzung von lediglich wettbewerbsrechtlich geschützten Positionen ein Bereicherungsanspruch in Betracht kommt, hat die Rechtsprechung bislang noch nicht ausdrücklich geurteilt.331 Maßgeblich wird es insoweit jedenfalls darauf ankommen, dass der Zuweisungsgehalt der geschützten Rechtsposition neben dem Verbotsanspruch des Rechtsinhabers diesem auch die Macht zur Nutzungsüberlassung des Rechtsguts gegenüber einem sonst ausgeschlossenen Dritten zur wirtschaftlichen Verwertung eröffnet,332 womit nicht zuletzt Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Eingriffskondiktion angesprochen sind. II. Voraussetzungen II. Voraussetzungen

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Nachdem das UWG einen – speziellen – Bereicherungsanspruch nicht vorsieht, ist für die Voraussetzungen solcher bereicherungsrechtlicher Ansprüche wegen Lauterkeitsverstößen grundsätzlich auf die Vorgaben des BGB zu rekurrieren. Regelmäßig wird es sich um Fälle der Eingriffskondiktion nach Maßgabe und auf der Grundlage von § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB handeln, da nicht die Rückabwicklung von Leistungen, sondern vielmehr der Eingriff in den Zuweisungsgehalt geschützter Rechtspositionen betroffen sein wird. Der rechtliche Anknüpfungspunkt für die Bereicherungshaftung bei Schutzrechtsverletzungen findet sich – wie stets bei Eingriffskondiktionen – in der missbilligten Verletzung einer solchen Rechtsposition, welche nach dem Willen der Rechtsordnung einem Berechtigten zu dessen ausschließlicher Verfügung zugewiesen ist. Sollte ausnahmsweise eine Leistungskondiktion betroffen sein, weil etwa ein formunwirksamer Lizenzvertrag betroffen ist, so gelten insoweit dieselben Grundsätze wie bei der Eingriffskondiktion. 333 Auf ein Verschulden des Verletzers oder den Eintritt eines Schadens beim Verletzten kommt es insgesamt anerkanntermaßen gerade nicht an.334

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1. Etwas erlangt. Voraussetzung des in Rede stehenden Bereicherungsanspruchs ist zunächst, dass der Schuldner etwas erlangt hat. Zu der Frage, was „erlangt“ worden ist, siehe sogleich nachstehend unter Rn. 96.

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2. Auf Kosten eines anderen. Der Erwerb der Nutzung muss nach allgemeinzivilrechtlichen Regeln auf Kosten eines anderen stattfinden. Hierzu erforderlich ist der Eingriff in den Zuweisungsgehalt einer Rechts- oder Leistungsposition, die von der Rechtsordnung einem Anderen ausschließlich zugewiesen ist (h.M.: Lehre vom Zuweisungsgehalt).335 Ein solcher Zuweisungsgehalt kommt neben dem Eigentum und den beschränkten dinglichen Rechten vor allem auch den (gewerblichen) Immaterialgüterrechten zu, die mit einem entsprechenden Ausschließlichkeitsschutz versehen sind. Ob und inwieweit bei der Verletzung von lediglich wettbewerbsrechtlich ge91 schützten Positionen ein Bereicherungsanspruch in Betracht kommt, hat die Recht-

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331 Offengelassen in BGH 17.5.1960 – I ZR 34/59 – GRUR 1960, 554, 557 – Handstrickverfahren; BGH 23.5.1991 – I ZR 286/89 – GRUR 1991, 914, 916 f. – Kastanienmuster. Siehe aber auch BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – BGHZ 107, 117, 120 = GRUR 1990, 221, 222 – Forschungskosten. 332 Zu dieser Voraussetzung BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – BGHZ 107, 117, 120 = GRUR 1990, 221, 222 – Forschungskosten. 333 BGH 14.3.2000 – X ZR 115/98 – GRUR 2000, 685, 686 – Formunwirksamer Lizenzvertrag. 334 BGH 30.11.1976 – X ZR 81/72 – BGHZ 68, 90, 92 ff. = GRUR 1977, 250, 253 ff. – Kunststoffhohlprofil I; BGH 26.6.1981 – I ZR 73/79 – BGHZ 81, 75, 81 = GRUR 1981, 846, 848 – Carrera. 335 Vgl. etwa BGH 24.11.1981 – X ZR 36/80 – BGHZ 82, 299, 306 = GRUR 1982, 286, 288 – Fersenabstützvorrichtung; BGH 30.1.1987 – V ZR 32/86 – BGHZ 99, 385, 387 = NJW 1987, 1631, 1632; BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – BGHZ 107, 117, 120 f. = GRUR 1990, 221, 221f. – Forschungskosten.

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II. Voraussetzungen

D. Bereicherungsanspruch

sprechung bislang noch nicht ausdrücklich entschieden.336 Entscheidend wird es für das Vorliegen einer über das Bereicherungsrecht wettbewerbsrechtlich geschützten Rechtsposition vor allem auch darauf ankommen, dass der Zuweisungsgehalt der geschützten Rechtsposition neben dem Verbotsanspruch des Rechtsinhabers diesem auch die Macht zur Nutzungsüberlassung des Rechtsguts gegenüber einem sonst ausgeschlossenen Dritten zur wirtschaftlichen Verwertung eröffnet.337 Ein solcher Zuweisungsgehalt in Gestalt einer Kombination von Verbietungsrecht plus Verwertungsrecht ist jedenfalls anzuerkennen für Rechtspositionen aus individualbegünstigenden Normen bei zusätzlichem strafrechtlichen Schutz (vgl. §§ 17, 18).338 Weiterhin wird vielfach vorgeschlagen, den erforderlichen Zuweisungsgehalt über- 92 all dort generell zu bejahen, wo eine dreifache Schadensberechnung möglich ist (vgl. hierzu vorstehend Rn. 60 bis 71).339 Wegen der funktionellen Verwandtschaft der Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie mit dem Bereicherungsanspruch wird eine entsprechende Entwicklung der Rechtsprechung mit guten Gründen für wahrscheinlich gehalten.340 Diese Betrachtung begegnet allerdings jedenfalls mit Blick auf die Fälle des § 4 Nr. 9 nicht nur unerheblichen Bedenken,341 da der maßgebliche bereicherungsrechtliche Zuweisungsgehalt nach zutreffender Auffassung mehr als bloße Erwerbs- und Gewinnchancen342 oder (kosten-)intensiven Aufwand343 erfordert.344 In diesem Sinne wird für Eingriffe in das Recht am Unternehmen nach überwiegender Auffassung daher richtigerweise die Eingriffskondiktion mangels Zuweisungsgehaltes verneint.345 Ebenso wird ein Bereicherungsanspruch ausgeschlossen sein bei der Abwerbung von Arbeitskräften oder Kunden oder einer bloßen Behinderung von Mitbewerbern.346 3. In sonstiger Weise. Die Nutzung der einem anderen zugeordneten Rechts- oder 93 Leistungsposition darf weiterhin nicht aufgrund einer Leistung des Gläubigers erfolgt sein (sog. Vorrang der Leistungskondiktion). Insoweit charakteristisch für die Eingriffskondiktion ist die Inanspruchnahme einer fremden Rechts- oder Leistungsposition, die im Verhältnis zum Rechtsinhaber als einseitig qualifiziert werden kann. Typischerweise wird die Nutzungshandlung des Rechtsverletzers „in sonstiger Weise“ erfolgen und damit einen solchen Eingriff darstellen.347 Falls ausnahmsweise eine Leistungskon-

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336 Offengelassen in BGH 17.5.1960 – I ZR 34/59 – GRUR 1960, 554, 557 – Handstrickverfahren; BGH 23.5.1991 – I ZR 286/89 – GRUR 1991, 914, 916 f. – Kastanienmuster. Siehe aber auch BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – BGHZ 107, 117, 120 = GRUR 1990, 221, 222 – Forschungskosten. 337 Siehe zu dieser Voraussetzung BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – BGHZ 107, 117, 120 = GRUR 1990, 221, 222 – Forschungskosten. 338 So auch GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 369; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 3.2; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 125; Teplitzky Kap. 40 Rn. 7. 339 Vgl. GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 370; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 3.2; Teplitzky Kap. 40 Rn. 7. 340 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 370, dem sich anschließend Teplitzky Kap. 40 Rn. 7 in Fn. 18. 341 Hierzu ausführlich MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 126 m.w.N. 342 BGH 14.2.1978 – X ZR 19/76 – BGHZ 71, 86, 98 = GRUR 1978, 492, 495 f. – Fahrradgepäckträger II; BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – BGHZ 107, 117, 121 = GRUR 1990, 221, 221 – Forschungskosten. 343 BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – BGHZ 107, 117, 122 = GRUR 1990, 221, 121 – Forschungskosten. 344 Zu der hiermit eng verwandten Frage des lauterkeitsrechtlichen ergänzenden Leistungsschutzes unlängst BGH 28.10.2010 – I ZR 60/09 – BGHZ 187, 255, 255 = GRUR 2011, 436, 437 – Hartplatzhelden.de. 345 BGH 14.2.1978 – X ZR 19/76 – BGHZ 71, 86, 98 = GRUR 1978, 492, 495 f. – Fahrradgepäckträger II; BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – BGHZ 107, 117, 121 = GRUR 1990, 221, 222 – Forschungskosten. 346 MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 126; Teplitzky Kap. 40 Rn. 7. 347 Zu der Sonderkonstellation einer vorrangigen Leistungskondiktion BGH 14.3.2000 – X ZR 115/98 – GRUR 2000, 685, 686 – Formunwirksamer Lizenzvertrag.

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§9

Schadensersatz

diktion eingreifen sollte, so gelten insoweit dieselben Grundsätze wie bei der Eingriffskondiktion.348 94

4. Ohne Rechtsgrund. Der Erwerb muss ohne rechtlichen Grund erfolgt sein; dies wird typischerweise der Fall sein, wenn keine Gestattung durch den Rechtsinhaber vorliegt und auch kein sonstiger Rechtfertigungsgrund eingreift. Dabei vermag ein Erwerb weder aufgrund von gesetzlichen Vorschriften noch durch ein (rechtmäßiges) Handeln Dritter, auch staatlicher Hoheitsträger, einen insoweit tragfähigen Rechtsgrund zu konstituieren.349 III. Inhalt und Umfang III. Inhalt und Umfang

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Die Pflicht zur Herausgabe des erlangten Etwas folgt zunächst bereits aus dem jeweils erfüllten Kondiktionstatbestand, wobei auch im gewerblichen Rechtsschutz zusätzlich die §§ 818 ff. BGB zur Anwendung berufen sind.

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1. Das Erlangte, §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 1 BGB. Nach zutreffender h.M. ist „das Erlangte“ nur der tatsächliche Gebrauch des verletzten Schutzrechts,350 nicht dagegen etwa ersparte Lizenzaufwendungen,351 der Verletzergewinn352 oder die Marktchance.353 Denn nach dem Grundsatz der Güterzuweisung hat der Verletzer im Wege des Bereicherungsanspruchs dasjenige herauszugeben, was durch ein rechtswidriges Eindringen in eine fremde geschützte Rechtssphäre erzielt wurde; bei den gewerblichen Schutzrechten ist der Gegenstand der Güterzuweisung gerade die ausschließliche Benutzungsbefugnis.

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2. Wertersatzpflicht, § 818 Abs. 2 BGB. Da der tatsächliche Gebrauch eines Immaterialguts nicht herausgegeben werden kann, greift grundsätzlich die Wertersatzpflicht aus § 818 Abs. 2 BGB.354 Zu ersetzen ist hierbei nach zutreffender ständiger höchstgerichtlicher Judikatur der objektive Wert.355 Für den objektiven Wert der Nutzung ist vor diesem Hintergrund die übliche oder angemessene Lizenzgebühr anzusetzen.356 Die aufgelaufenen ersparten Zinsen treten zu der etwaigen Lizenzgebühr hinzu.357 Zur Be-

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348 BGH 14.3.2000 – X ZR 115/98 – GRUR 2000, 685, 686 – Formunwirksamer Lizenzvertrag. 349 BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – BGHZ 107, 117, 118 = GRUR 1990, 221, 221 – Forschungskosten. 350 BGH 24.11.1981 – X ZR 7/80 BGHZ – 82, 299, 306 = GRUR 1982, 301, 303 – Kunststoffhohlprofil II; BGH 18.12.1986 – I ZR 11/84 – BGHZ 99, 244, 246 f. = GRUR 1987, 520, 523 f. – Chanel Nr. 5 I. Vgl. weiterhin GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 371 ff.; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 3.4; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 128; Teplitzky Kap. 40 Rn. 9. Zu dem vormaligen Streit im Schrifttum siehe Brandner GRUR 1980, 359; Kraßer GRUR Int. 1980, 259; Preu GRUR 1979, 761; Ullmann GRUR 1978, 615 – jeweils m.w.N. 351 So aber für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten BGH 26.6.1981 – I ZR 73/79 – BGHZ 81, 75, 82 = GRUR 1981, 846, 848 – Carrera; BGH 26.6.1979 – VI ZR 108/78 – GRUR 1979, 733, 734 – Fußballtor. 352 So aber Bruchhausen FS Wilde 1970, 23; Leisse/Traub GRUR 1980, 1, 4. 353 So aber Kraßer GRUR Int. 1980, 259. 354 BGH 24.11.1981 – X ZR 7/80 – BGHZ 82, 299, 306 = GRUR 1982, 301, 303 – Kunststoffhohlprofil II; BGH 14.3.2000 – X ZR 115/98 – GRUR 2000, 685, 686 – Formunwirksamer Lizenzvertrag. 355 So schon RG 3.5.1935 – VII 400/34 – RGZ 147, 396, 398; BGH 27.2.1952 – II ZR 191/51 – BGHZ 5, 197, 201 f.; BGH 10.7.1953 – V ZR 22/52 – BGHZ 10, 171, 180; BGH 25.6.1962 – VII ZR 120/61 – BGHZ 37, 258, 264 = NJW 1962, 2010, 2011; BGH 21.3.1996 – III ZR 245/94 – BGHZ 132, 198, 207 = NJW 1996, 3409, 3411. 356 BGH 26.6.1981 – I ZR 73/79 – BGHZ 81, 75, 82 = GRUR 1981, 846, 848 – Carrera; BGH 18.12.1986 – I ZR 11/84 – BGHZ 99, 244, 248 = GRUR 1987, 520, 521 – Chanel Nr. 5 I. Weiterhin Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 3.5; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 133; Teplitzky Kap. 40 Rn. 10. 357 BGH 24.11.1981 – X ZR 36/80 – BGHZ 82, 310, 316 = GRUR 1982, 286, 288 f. – Fersenabstützvorrichtung.

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III. Inhalt und Umfang

D. Bereicherungsanspruch

rechnung der entsprechenden Lizenzgebühr greifen ferner die Grundsätze der dreifachen Schadensberechnung entsprechend,358 weshalb insoweit auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden kann (vgl. vorstehend Rn. 60 ff.). Festzuhalten bleibt, dass ein etwaiger Verletzergewinn nur aufgrund von Schadensersatz gemäß § 9 oder einer angemaßten Eigengeschäftsführung gemäß §§ 687 Abs. 2, 681 Satz 2, 667 BGB als ersatzfähig in Betracht kommt. 3. Wegfall der Bereicherung, § 818 Abs. 3 BGB. Nach den allgemein-zivilrecht- 98 lichen Vorgaben kann sich der redliche und unverklagte Bereicherungsschuldner gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf einen Wegfall der Bereicherung berufen. Ausgeschlossen ist der Entreicherungseinwand jedenfalls ab Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes und nach Klageerhebung, vgl. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB. Umstritten ist allerdings, ob und inwieweit der Wegfall der Bereicherung über diese konsentierten Konstellationen hinaus geltend gemacht werden kann. Hier ist richtigerweise eine differenzierende Betrachtung geboten,359 welche dem zugrundeliegenden Rechtsgedanken angemessen Rechnung trägt, wonach der redliche Bereicherungsschuldner davor geschützt werden soll, sein Vermögen durch Erfüllung einer Kondiktion über den Betrag der noch vorhandenen Bereicherung hinaus zu mindern.360 So trägt der Einwand des Schuldners, er habe keinen Gewinn in Höhe der fiktiven 99 Lizenzgebühr erzielt,361 da eine Entreicherung auch durch eine unwirtschaftliche Verwertung eintreten kann. Jedenfalls aber sind Kostendeckungsbeiträge in diesem Zusammenhang als Gewinn anzusehen, da aus ihnen eine Vermögensmehrung resultiert.362 Weiterhin ist beachtlich, wenn der Schuldner die Lizenz billiger als üblich erlangt hätte, hätte er hierum nachgesucht.363 Dagegen kann sich der Schuldner für das Fehlen einer Bereicherung nicht darauf berufen, dass er sich bei Kenntnis der Rechtslage anders beholfen hätte oder ihm keine Lizenz erteilt worden wäre.364 4. Darlegungs- und Beweislast. Die Darlegungs- und Beweislast für den Einwand 100 des Wegfalls der Bereicherung trägt nach allgemeinen Regeln der Schuldner.365

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358 BGH 30.11.1976 – X ZR 81/72 – BGHZ 82, 299, 310 = GRUR 1977, 250, 254 – Kunststoffhohlprofil I; BGH 18.2.1992 – X ZR 8/90 – GRUR 1992, 399, 600 – Teleskopzylinder; BGH 14.3.2000 – X ZR 115/98 – GRUR 2000, 685, 686 – Formunwirksamer Lizenzvertrag. 359 Vgl. hierzu GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 381 ff.; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 3.6; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 134; Teplitzky Kap. 40 Rn. 11 ff. – jeweils m.w.N. 360 Vgl. BGH 7.1.1971 – VII ZR 9/70 – BGHZ 55, 128, 134 = NJW 1971, 609, 611 f.; BGH 19.12.1984 – IVb ZR 51/83 – BGHZ 93, 183, 188 = NJW 1985, 1074, 1075. 361 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 383; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 3.6; Teplitzky Kap. 40 Rn. 13 (anders noch in der Voraufl.). A.A. dagegen MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 134, da jedenfalls die Lizenzgebühren erspart worden seien. 362 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 383; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 3.6. Dem sich anschließend Teplitzky Kap. 40 Rn. 13. 363 So bereits Kraßer GRUR Int 1980, 259, 268. Zustimmend GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 382; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 3.6; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 134; Teplitzky Kap. 40 Rn. 12. 364 BGH 2.7.1971 – I ZR 58/70 – BGHZ 56, 317, 322 = NJW 1971, 2023, 2024 – Gasparone II; BGH 26.6.1981 – I ZR 73/79 – BGHZ 81, 75, 82 = GRUR 1981, 846, 848 – Carrera; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 134; Teplitzky Kap. 40 Rn. 12. 365 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 385; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 134; Teplitzky Kap. 40 Rn. 15.

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§9

Schadensersatz

IV. Haftung mehrerer und Mitverschulden IV. Haftung mehrerer und Mitverschulden Bei einer Mehrheit von Kondiktionsschuldnern haftet jeder einzelne nur auf das von ihm auf Kosten des Verletzten konkret Erlangte. Die Regelungen über die Gesamtschuld sind nicht zur Anwendung berufen.366 Gegenüber dem Bereicherungsanspruch kann der Einwand des Mitverschuldens er102 hoben werden.367 Der Mitverschuldenseinwand stützt sich insofern allerdings nicht auf den grundsätzlich nur auf Schadensersatzansprüche anwendbaren § 254 BGB, sondern auf den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB, als dessen gesetzlich besonders geregelte Ausprägung sich § 254 BGB darstellt.368 V. Verjährung und Konkurrenzen 101

V. Verjährung und Konkurrenzen Bereicherungsrechtliche Ansprüche verjähren nach zutreffender Auffassung nach Maßgabe der regelmäßigen Verjährungsfrist aus §§ 195, 199 BGB in drei Jahren.369 Dagegen ist der Anwendungsbereich von § 11 bereits nicht eröffnet, da sich die Grundlagen und Voraussetzungen der in Rede stehenden Bereicherungsansprüche nicht aus dem UWG, sondern aus dem BGB ergeben. Eine entsprechende Anwendung von § 11 ist abzulehnen, da es insoweit jedenfalls bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.370 Bereicherungsansprüche stehen selbständig neben den lauterkeitsrechtlichen Scha104 densersatzansprüchen.371 Etwas anderes folgt auch nicht in Ansehung von § 852 BGB.372 Die eigenständige Bedeutung der beiden Ansprüche ergibt sich sowohl aus ihrem unterschiedlichen Anwendungsbereich und ihren unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen (hier insbesondere mit Blick auf das Verschuldenserfordernis) als auch hinsichtlich der unterschiedlichen Rechtsfolgen (hier insbesondere betreffend die dreifache Schadensberechnung). 103

E. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag E. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag 105

Neben den Ansprüchen auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich kommt bei einem vorsätzlichen Handeln des Verletzers auch ein Anspruch aus einer unechten Geschäftsführung ohne Auftrag in Form der sog. angemaßten Eigengeschäftsführung gemäß §§ 687 Abs. 2, 681 Satz 2, 667 BGB in Betracht. Ein solcher Anspruch tritt neben die Ansprüche auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich.

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366 BGH 26.6.1979 – VI ZR 108/78 – GRUR 1979, 732, 734 – Fußballtor; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 388; Teplitzky Kap. 40 Rn. 18. 367 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 389; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 134; Teplitzky Kap. 40 Rn. 17. 368 BGH 14.10.1971 – VII ZR 313/69 – BGHZ 57, 137, 152 m.w.N. 369 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 3.7, § 11 Rn. 1.13; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 135, § 11 Rn. 76; Teplitzky Kap. 40 Rn. 19. Zur vormaligen Rechtslage in Bezug auf Urheberrechtsverletzungen siehe BGH 2.7.1971 – I ZR 58/70 – BGHZ 56, 317, 319 = NJW 1971, 2023, 2024 f. – Gasparone II. 370 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 76 m.w.N. 371 BGH 30.11.1976 – X ZR 81/72 – BGHZ 68, 90 ff. – Kunststoffhohlprofil I; BGH 14.2.1978 – X ZR 19/76 – BGHZ 71, 68, 98 ff. = GRUR 1978, 492, 495 f. – Fahrradgepäckträger II. 372 Vgl. bereits GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 386 m.w.N.

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II. Arten u. Rechtsgrundl. d. Ausk.-Anspr.

F. Anspr. a. Ausk., Rechnungsl. u. Bes.

F. Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Besichtigung

F. Anspr. a. Ausk., Rechnungsl. u. Bes. I. Grundsätzliches Die Durchsetzung eines jeden Anspruchs setzt stets voraus, dass dieser Anspruch 106 nach Art und Umfang hinreichend substantiiert dargelegt und gegebenenfalls bewiesen werden kann. Nachdem der Verletzte im Gegensatz zum Verletzer die erforderlichen Tatsachen und Umstände für die Anspruchsdurchsetzung regelmäßig nicht kennt, stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Verletzer die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen bzw. herausgeben muss. Für diesen Interessenkonflikt373 zwischen dem Bedürfnis nach einer effektiven Rechtsdurchsetzung und dem (Geheimhaltungs-) Interesse des Verletzers, insbesondere um sich nicht selbst zu schaden, sieht das Lauterkeitsrecht keine speziellen Regelungen vor.374 Die insoweit in Rede stehenden Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung sind allerdings gewohnheitsrechtlich anerkannt bzw. für die Besichtigung in § 809 BGB niedergelegt;375 in diesem Sinne ist im Zuge einer Interessenabwägung die Durchsetzung der Informationsinteressen des Verletzten unter Berücksichtigung des Geheimhaltungsbedürfnisses des Verletzers zu entfalten. II. Arten u. Rechtsgrundl. d. Ausk.-Anspr. II. Arten und Rechtsgrundlagen der Auskunftsansprüche Üblicherweise erfolgt eine Unterscheidung in Ansehung der Person des Auskunfts- 107 schuldners nach unselbständigen (akzessorischen) Auskunftsansprüchen, welche sich gegen den Schuldner des durchzusetzenden Hauptanspruchs richten, und selbständigen (primären) Auskunftsansprüchen, durch die Auskunft über die Wettbewerbsverstöße oder Rechtsverletzungen eines Dritten begehrt wird, um einen (Haupt-) Anspruch gegen den Dritten vorzubereiten oder durchzusetzen. 1. Selbständiger Auskunftsanspruch. Ein Anspruch auf Auskunftserteilung nach 108 Treu und Glauben (§ 242 BGB) besteht grundsätzlich in jedem Rechtsverhältnis. Ein solcher Anspruch kommt deshalb auch dann in Betracht, wenn nicht der Inanspruchgenommene, sondern ein Dritter der Schuldner des Hauptanspruchs ist, dessen Durchsetzung der (selbständige) Anspruch auf Auskunftserteilung ermöglichen soll.376 Selbständige Auskunftsansprüche sind darüber hinaus in einer Reihe von Vor- 109 schriften spezialgesetzlich geregelt, vgl. § 24b GebrMG, § 46 GeschmG, § 19 MarkenG, § 140b PatG, § 37b SortSchG, §§ 101, 101a UrhG. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften im Lauterkeitsrecht kommt in Ermangelung des Vorliegens einer Regelungslücke allerdings nicht in Betracht; die Haftung des Verletzers wettbewerbsrechtlich geschützter Leistungspositionen oder sonstiger mit immateriellen Schutzrechten ver-

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373 Vgl. auch GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 399. 374 Allerdings enthält § 8 Abs. 5 einen speziellen Auskunftsanspruch zugunsten der nach § 8 Abs. 4 Nrn. 3, 4 Anspruchsberechtigten gegenüber allfälligen Diensteerbringern, wobei auf den Auskunftsanspruch aus § 13 UKlaG verwiesen wird (vgl. hierzu ausführlich § 8 Rn. 274 ff.). Weiterhin sieht § 10 Abs. 4 vor, dass die Gläubiger der zuständigen Stelle des Bundes (dem Bundesverwaltungsamt) über die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 10 Abs. 1 Auskunft zu erteilen haben, damit die Abwicklung zwischen der zuständigen Stelle des Bundes und den zur Geltendmachung des Gewinnabschöpfungsanspruchs Berechtigten erleichtert werden kann. 375 Siehe hierzu nachstehend unter Rn. 138 ff. 376 BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 328 ff. = GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif; BGH 24.4.1994 – I ZR 152/92 – GRUR 1994, 635, 636 f. – Pulloverbeschriftung; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 30 = GRUR 2001, 841, 842 – Entfernung der Herstellungsnummer II.

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§9

Schadensersatz

gleichbarer Rechte auf Auskunft erfolgt vielmehr aus der Fortentwicklung des Rechtsgedankens von Treu und Glauben, § 242 BGB.377 Der selbständige Auskunftsanspruch dient als (Hilfs-)Anspruch der Vorbereitung und Durchsetzung eines Hauptanspruchs gegen einen Dritten, weshalb insoweit von einem Anspruch auf Drittauskunft378 gesprochen wird. Im Wettbewerbsrecht sind solche selbständigen Auskunftsansprüche vor allem 110 auch angenommen worden in Fällen des ergänzenden Leistungsschutzes gemäß §§ 3, 4 Nr. 9,379 der Verbreitung geschäftsschädigender Äußerungen Dritter380 und der Entfernung gesetzlich vorgeschriebener Kennzeichen bei dem Vertrieb von Waren durch Außenseiter eines legalen Vertriebssystems.381, 382 111

2. Unselbständiger Auskunftsanspruch. Der unselbständige Auskunftsanspruch dient als akzessorischer Hilfsanspruch der Vorbereitung und Durchsetzung des Hauptanspruchs gegen den Schuldner; ein solcher Hauptanspruch kann sich etwa auf Schadensersatz, Bereicherung, Geschäftsführung oder Beseitigung beziehen.383 Voraussetzung ist in Ansehung der Akzessorietät jedenfalls, dass der Hauptanspruch dem Grunde nach besteht und lediglich bezüglich der Einzelheiten ein entsprechendes Informationsdefizit bzw. -bedürfnis vorliegt.384 In diesem Zusammenhang einzufordern ist das Vorliegen einer Verletzungshandlung, aus der ein Schaden entstehen und sich so konkretisieren kann, dass eine Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlungen der Sache nach in Betracht kommt. Nur dann besteht die besondere Lage, in der der Verletzte zur Durchsetzung seiner Rechte und ihrer Ermittlung auf die Auskunft des Verletzers über den Umfang seiner Handlungen angewiesen ist und diese Aufklärung nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben erwarten kann.385

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3. Allgemeine Rechtsgrundlage. Als allgemeine Rechtsgrundlage von Auskunftsansprüchen wird anerkanntermaßen und gewohnheitsrechtlich386 auf den Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB zurückgegriffen. Dabei gilt der folgende Rechtssatz, der neben den Rechtsgrundlagen auch die Anspruchsvoraussetzungen und -grenzen in den Blick nimmt: „Nach Treu und Glauben besteht eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der

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377 BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 329 = GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif. Vgl. auch MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 140. 378 Kritisch zu diesem Begriff Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.2: „sprachlich etwas missglückt“. 379 BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 330 = GRUR 1994, 630, 633 – Cartier-Armreif; BGH 24.4.1994 – I ZR 152/92 – GRUR 1994, 635, 636 – Pulloverbeschriftung; BGH 9.11.1995 – I ZR 220/95 – GRUR 1996, 78, 79 – Umgehungsprogramm. 380 BGH 23.2.1995 – I ZR 75/93 – GRUR 1995, 427, 429 – Schwarze Liste. 381 BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 30 f. = GRUR 2001, 841, 842 – Entfernung der Herstellungsnummer II. 382 Siehe weiterhin auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 309; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.2; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 141. 383 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 307; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.4 unter Verweis auf BGH 4.7.1975 – I ZR 115/73 – GRUR 1976, 367, 368 – Ausschreibungsunterlagen; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 329 = GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif; BGH 14.12.1995 – I ZR 210/93 – GRUR 1996, 271, 275 – Gefärbte Jeans, insoweit nicht enthalten in BGHZ 131, 308. 384 Vgl. etwa BGH 26.11.1987 – I ZR 123/85 – GRUR 1988, 307, 308 – Gaby; BGH 23.10.1997 – I ZR 98/95 – GRUR 1998, 1043, 1044 – GS-Zeichen; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 910 – Filialleiterfehler. 385 BGH 6.3.2001 – KZR 32/98 – GRUR 2001, 849, 851 – Remailing-Angebot. 386 BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980, 227, 232 – Monumenta Germaniae Historica; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 329 = GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif. Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.5; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 142.

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III. Rechnungslegungsanspruch

F. Anspr. a. Ausk., Rechnungsl. u. Bes.

Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchsetzung seines Anspruch notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete sie unschwer, d.h. ohne unbillig belastet zu sein, zu geben vermag.“387 III. Rechnungslegungsanspruch III. Rechnungslegungsanspruch Der Rechnungslegungsanspruch stellt eine besondere Form des Auskunftsan- 113 spruchs dar, so dass grundsätzlich die Ausführungen zu den Auskunftsansprüchen entsprechende Geltung beanspruchen können.388 Da sich die Rechnungslegung als gesteigerte Form der Auskunftserteilung darstellt, zieht eine Auskunftspflicht gerade nicht zwangsläufig eine Verpflichtung zur Rechnungslegung mit sich.389 Dem Grunde nach kann auch für den Rechnungslegungsanspruch zwischen unselbständigen (akzessorischen) Ansprüchen und selbständigen (primären) Ansprüchen unterschieden werden, wobei Letzterer im Wettbewerbsrecht allerdings kaum eine Bedeutung hat.390 Dagegen kommt ein unselbständiger Rechnungslegungsanspruch im Wettbewerbsrecht dort in Betracht, wo der Schaden nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie oder des Verletzergewinns errechnet wird und eine Schadensberechnung im Wege der Schätzung ausscheidet:391 Zu denken ist insoweit vornehmlich an Sachverhalte betreffend eine sklavische Nachahmung 392 oder eine Verletzung von Betriebsgeheimnissen. 393 Darüber hinaus kommen gleichlaufende Ansprüche aus angemaßter Eigengeschäftsführung (i.E. Gewinnherausgabe, §§ 687 Abs. 2, 681 Satz 2, 666, 667 BGB) und aus Bereicherungsrecht (i.E. Lizenzanalogie, § 818 Abs. 2 BGB) in Betracht.394 1. Rechtsgrundlagen. Da weder das UWG noch die immaterialgüterrechtlichen 114 Sondergesetze ausdrückliche Bestimmungen hinsichtlich der Rechnungslegungsansprüche beinhalten, ist insoweit – auch an dieser Stelle395 – auf die allgemeinen Bestimmungen des BGB zu rekurrieren. Eine ausdrückliche Pflicht zur Rechnungslegung ist statuiert für das Auftragsverhältnis und die Geschäftsbesorgung (vgl. §§ 666, 675 Abs. 1 BGB), die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 681 Abs. 1 BGB) und die angemaßte Eigengeschäftsführung (vgl. § 687 Abs. 2 BGB). Darüber hinaus kann nach der Recht-

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387 Aus der Rechtsprechung etwa RG 4.5.1923 – II 310/22 – RGZ 108, 1, 7; RG 19.11.1938 – II 69/38 – RGZ 158, 377, 379; BGH 28.10.1953 – II ZR 149/52 – BGHZ 10, 385, 387 – Kalkstein; BGH 5.6.1985 – I ZR 53/83 – BGHZ 95, 274, 279 = GRUR 1986, 62, 64 – Gema-Vermutung I; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 329 = GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 30 = GRUR 2001, 841, 842 – Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH 19.3.1987 – I ZR 98/85 – GRUR 1987, 647 – Briefentwürfe; BGH 29.4. 2010 – I ZR 68/08 – GRUR 2010, 623 Tz. 43 – Restwertbörse. Vgl. GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B 402; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.5; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 142. Siehe weiterhin auch Teplitzky Kap. 38 Rn. 1 ff. m.w.N. 388 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.6; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 136; Teplitzky Kap. 39 Rn. 1. 389 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.6; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 136. 390 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 340; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.76; Teplitzky Kap. 39 Rn. 2 m.w.N. 391 Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 340; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.76; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 144; Teplitzky Kap. 39 Rn. 4 m.w.N. 392 BGH 19.1.1973 – I ZR 39/71 – BGHZ 60, 168, 172 = GRUR 1973, 478, 480 – Modeneuheit; BGH 23.1.1981 – I ZR 48/79 – GRUR 1981, 517, 520 – Rollhocker; BGH 6.2.1986 – I ZR 243/83 – GRUR 1986, 673, 676 – Beschlagprogramm. 393 BGH 17.5.1960 – I ZR 34/59 – GRUR 1960, 554, 556 – Handstrickverfahren; BGH 27.11.1964 – Ib ZR 23/63 – GRUR 1965, 313, 314 f. – Umsatzauskunft; BGH 18.2.1977 – I ZR 112/75 – GRUR 1977, 539, 541 – Prozeßrechner. 394 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.7 ff.; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 144. 395 Siehe weiterhin bereits vorstehend Rn. 7, 9, 48.

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§9

Schadensersatz

sprechung vor allem auch auf die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) zurückgegriffen werden.396 115

2. Inhalt. Der Inhalt der Rechnungslegung wird vor allem durch § 259 Abs. 1 BGB vorgegeben, wonach „die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen [ist] und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen [sind]“.397 Für den Umfang und die Durchsetzung des Anspruchs auf Rechnungslegung gelten die nachstehenden Ausführungen zum Auskunftsanspruch entsprechend (vgl. vorstehend Rn. 108 ff.). IV. Vorauss. d. Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche IV. Voraussetzungen der Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche

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1. Bestehen eines Rechtsverhältnisses. Gemeinsame Voraussetzung von Auskunfts- oder Rechnungslegungsansprüchen ist das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien, aus dem sich ein (Haupt-)Anspruch ergeben kann; in diesem Sinne muss zwischen den Parteien ein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf eine Leistung zumindest dem Grunde nach bestehen.398 Für den unselbständigen Auskunftsanspruch ist in diesem Sinne das Bestehen eines Rechtsverhältnisses erforderlich, aus dem sich der durch das Informationsbegehren vorzubereitende Hauptanspruch ableiten lässt.399 Im Lauterkeitsrecht wird regelmäßig eine Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 ein solches gesetzliches Schuldverhältnis begründen können, aus dem dann wiederum ein Auskunftsanspruch abgeleitet werden kann.400 Voraussetzung des selbständigen Auskunftsanspruchs ist entsprechend eine Rechtsbeziehung zwischen dem Gläubiger und dem auf Auskunft in Anspruch genommenen Dritten.401 Vor diesem Hintergrund wird regelmäßig darauf abzustellen sein, ob der auf Auskunft in Anspruch genommene Dritte seinerseits einen Wettbewerbsverstoß oder eine Rechtsverletzung begangen hat.402

117

2. Unverschuldete Ungewissheit des Gläubigers. Weitere Voraussetzung des Auskunfts- oder Rechnungslegungsanspruchs ist die Ungewissheit des Klägers über den eigenen Anspruch, wobei diese Ungewissheit unverschuldet bestehen muss. Die maßgebliche Ungewissheit ist demgegenüber verschuldet, wenn früher gegebene Informationsmöglichkeiten nicht genutzt403 oder vorhandene Informationen vorwerfbar nicht gesichert wurden.404

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396 BGH 24.1.1956 – VI ZR 147/54 – BGHZ 19, 385, 386 f. – Kirchenfenster; BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980, 227, 332 – Monumenta Germaniae Historica. Weiterhin auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 340; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.5; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 143; Teplitzky Kap. 39 Rn. 1. 397 Siehe hierzu Sternja GRUR 2011, 789. 398 BGH 5.6. 1985 – I ZR 53/83 – BGHZ 95, 274, 279 = GRUR 1986, 62, 64 – GEMA-Vermutung I. Weiterhin aus dem Schrifttum Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.8; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 145. 399 BGH 4.3.1977 – I ZR 117/75 – GRUR 1978, 54, 55 – Preisauskunft; BGH 5.6. 1985 – I ZR 53/83 – BGHZ 95, 274, 278 f. = GRUR 1986, 62, 64 – GEMA-Vermutung I; BGH 13.6.1985 – I ZR 35/83 – BGHZ 95, 285, 287 f. = GRUR 1986, 66, 67 f. = GEMA-Vermutung II; BGH 13.11.2001 – X ZR 134/00 – BGHZ 149, 165, 174 f. = GRUR 2002, 238, 241 f. – Nachbau-Auskunftspflicht. 400 Vgl. BGH 8.11.2007 – I ZR 172/05 – GRUR 2008, 360 Tz. 17 – EURO und Schwarzgeld, unter Verweis auf BGH 19.3.1987 – I ZR 98/85 – GRUR 1987, 647 – Briefentwürfe. Weithin auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 340; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.8; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 145; Teplitzky Kap. 38 Rn. 5. 401 Vgl. BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 331 = GRUR 1994, 630, 633 – Cartier-Armreif. 402 Vgl. BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 30 f. = GRUR 2001, 841, 843 f. – Entfernung der Herstellungsnummer II. 403 BGH 7.5.1980 – VIII ZR 120/79 – NJW 1980, 2463, 2464. 404 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 406; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.10; MünchKommUWG/ Fritzsche § 9 Rn. 151.

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V. Inhalt, Umfang und Grenzen …

F. Anspr. a. Ausk., Rechnungsl. u. Bes.

3. Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der eigenen Informationserlangung. 118 Weiterhin muss dem Gläubiger, zu dessen originär eigenen Obliegenheiten die Anspruchsdurchsetzung zählt, die eigene Informationserlangung unmöglich oder unzumutbar sein. Sonst hat der Gläubiger sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten auszuschöpfen, wobei die Zumutbarkeit eine allgemein anerkannte Grenze bildet.405 Als Kriterien für eine mangelnde Zumutbarkeit werden im Schrifttum etwa genannt ein unverhältnismäßig hoher Aufwand für die Informationsverschaffung, die hohe Wahrscheinlichkeit von unzutreffenden Informationen seitens eines Informanten und die Erforderlichkeit eines Rekurses auf gesetzeswidrige oder unlautere Beschaffungsweisen.406 4. Möglichkeit zur Informationsverschaffung durch den Schuldner. Schließlich 119 muss dem Schuldner die Informationsverschaffung grundsätzlich unschwer möglich sein.407 In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird „unschwer“ vor allem auch i.S.v. „ohne unbillig belastet zu sein“ verstanden.408 Ob der Schuldner in diesem Sinne unbillig belastet wird, ist jeweils auf Grund einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, bei der auch Bedeutung gewinnen kann, ob der Schuldner ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse in Ansehung der in Rede stehenden Angaben geltend machen kann oder ob der Schuldner zu deren Offenbarung gegenüber dem Gläubiger ohnehin verpflichtet war.409 Die im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellenden Erwägungen beeinflussen ebenso den Umfang der Auskunfts- und Rechenschaftspflicht und werden deshalb ebenda unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit vertieft, vgl. nachstehend Rn. 124. V. Inhalt, Umfang und Grenzen … V. Inhalt, Umfang und Grenzen der Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht Inhalt und Umfang von Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen beziehen sich 120 auf Informationen über Art, Umfang und zeitliche Dimension der konkreten Verletzungshandlung, nicht dagegen auf weitere mögliche oder ähnliche Verletzungshandlungen.410 So reicht der Nachweis bestimmter Verletzungshandlungen regelmäßig nicht aus, um einen Anspruch auf Auskunft auch über alle möglichen anderen Verletzungshandlungen zu begründen; ansonsten drohte zum einen ein rechtlich gerade nicht bestehender allgemeiner Auskunftsanspruch begründet sowie zum anderen der Ausforschung unter Vernachlässigung allgemein gültiger Beweislastregeln der Weg bereitet zu werden.411

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405 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 405; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.9; MünchKommUWG/ Fritzsche § 9 Rn. 153. 406 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 406; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 153. 407 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 407; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 151; Teplitzky Kap. 38 Rn. 8 m.w.N. 408 BGH 5.6.1985 – I ZR 53/83 – BGHZ 95, 274, 279 = GRUR 1986, 62, 64 – GEMA-Vermutung I; BGH 17.5.1994 – X ZR 82/92 – BGHZ 126, 109, 113 = GRUR 1994, 898, 899 – Copolyester; BGH 13.11.2001 – X ZR 134/00 – BGHZ 149, 165, 175 = GRUR 2002, 238, 242 – Nachbau-Auskunftspflicht; BGH 20.2.2008 – XII ZR 58/04 – NJW 2008, 1806, 1808 – Meistbegünstigungsvereinbarung. 409 BGH 13.12.2001 – I ZR 44/99 – GRUR 2002, 602, 603 – Musikfragmente. 410 BGH 11.7.1991 – I ZR 33/90 – GRUR 1992, 117, 120 – IEC-Publikation; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 910 – Filialleiterfehler; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 31 f. = GRUR 2001, 841, 844 – Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH 14.11.2002 – I ZR 137/00 – GRUR 2003, 446, 447 – Preisempfehlung für Sondermodelle. Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.11; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 154; Teplitzky Kap. 38 Rn. 7b, 9. 411 BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 35 = GRUR 2001, 841, 844 – Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH 23.2.2006 – I ZR 272/02 – BGHZ 166, 253 = GRUR 2006, 421, 424 –

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Die Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten unterliegen zudem Grenzen, die sich aus dem Spannungsverhältnis von Geheimhaltungs- und Offenlegungsinteressen der Beteiligten ableiten. So besteht keine Auskunftspflicht, falls der Schuldner zur Auskunftserteilung nicht befugt ist, etwa weil gesetzliche oder vertragliche Verschwiegenheitspflichten bestehen.412 Allerdings kann eine bloß vertraglich begründete Verschwiegenheitspflicht eine Auskunftsverweigerung nicht tragen, wenn und soweit der betroffene Dritte kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse hat.413 Für die vor allem auch auf die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gestützten414 Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche vorzunehmen ist zudem eine Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im konkreten Einzelfall, wonach die Auskunftsverpflichtung geeignet, erforderlich und zumutbar sein muss.415 In diesem Sinne weisen die spezialgesetzlichen Auskunftsansprüche in ihrem Wortlaut regelmäßig die „Verhältnismäßigkeit“ als begrenzendes Tatbestandsmerkmal auf, vgl. insoweit etwa § 24b Abs. 4 GebrMG, § 46 Abs. 4 GeschmMG, § 19 Abs. 4 MarkenG, § 140b Abs. 4 PatG.

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1. Geeignetheit und Erforderlichkeit. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich von vornherein nur auf solche Informationen, die zur Vorbereitung und Durchsetzung des in Rede stehenden Hauptanspruchs geeignet und erforderlich sind.416 Sofern die begehrte Auskunft für den konkret geltend gemachten Hauptanspruch deshalb keinen weitergehenden Erkenntnisgewinn zu vermitteln vermag, kann die Auskunft nicht begehrt werden.417 Diese Beschränkung des Auskunftsanspruchs gilt selbst dann, wenn die sonstigen Angaben des Auskunftsschuldners widersprüchlich und fehlerhaft sind.418 Schließlich ändert sich hierdurch nichts am Fehlen der Geeignetheit für die Vorbereitung und Durchsetzung des Hauptanspruchs; allerdings können Zweifel an der Sorgfalt der erteilten Auskunft ein Vorgehen nach § 259 BGB begründen.419 In Ansehung der Erforderlichkeit ist auch zu bestimmen, ob eine bloße Grundauskunft über die Feststellung der

_____ Markenparfümverkäufe; BGH 29.4. 2010 – I ZR 68/08 – GRUR 2010, 623 Tz. 51 – Restwertbörse. Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 309; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.11; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 154. 412 BGH 4.4.1979 – VIII ZR 118/78 – NJW 1979, 2351, 2353, betreffend eine mietrechtliche Entscheidung. 413 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.11; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 157. 414 BGH 24.1.1956 – VI ZR 147/54 – BGHZ 19, 385, 386 f. – Kirchenfenster; BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980, 227, 332 – Monumenta Germaniae Historica. Weiterhin aus dem Schrifttum etwa Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 340; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.5; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 143; Teplitzky Kap. 39 Rn. 1. 415 BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 331 = GRUR 1994, 630, 633 – Cartier-Armreif; BGH 27.11.1964 – Ib ZR 23/63 – GRUR 1965, 313, 314 – Umsatzauskunft; BGH 23.2.1995 – I ZR 75/93 = GRUR 1995, 427, 429 – Schwarze Liste; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 35 = GRUR 2001, 841, 843 – Entfernung der Herstellungsnummer II. 416 BGH 14.1.1958 – I ZR 171/56 – GRUR 1958, 288, 290 – Dia-Rähmchen I; BGH 13.11.1997 – X ZR 132/95 – BGHZ 137, 162, 169 = GRUR 1998, 689, 691 – Copolyester II. Weiterhin auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 326; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 410; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.12; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 158; Teplitzky Kap. 38 Rn. 10 ff. 417 BGH 12.2.1987– I ZR 70/85 – GRUR 1987, 364, 365 – Vier-Streifen-Schuh, betreffend die Schätzung eines in Frage stehenden Marktverwirrungsschadens. 418 BGH 2.2.1999 – KZR 11/97 – GRUR 1999, 1025, 1031 – Preisbindung durch Franchisegeber, insoweit nicht enthalten in BGHZ 140, 342. 419 BGH 2.2.1999 – KZR 11/97 – GRUR 1999, 1025, 1031 – Preisbindung durch Franchisegeber, insoweit nicht enthalten in BGHZ 140, 342.

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V. Inhalt, Umfang und Grenzen …

F. Anspr. a. Ausk., Rechnungsl. u. Bes.

möglichen Zuwiderhandlung420 oder eine weitergehende vollständige Auskunft oder sogar eine Rechnungslegung eingefordert werden kann.421 Sofern der Auskunftsanspruch der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen 123 dient und dem Verletzten mehrere Schadensberechnungsmöglichkeiten offenstehen, muss sich der Gläubiger bei der Verfolgung des Schadensersatzanspruchs nicht auf eine Berechnungsart festlegen; der Gläubiger kann entsprechend sämtliche Auskünfte verlangen, die ihm die Schadensberechnung nach allen in Betracht kommenden Berechnungsarten ermöglichen.422 Dagegen können die entsprechenden Informationen nicht verlangt werden, wenn eine bestimmte Schadensberechnung bereits von Beginn an ausscheidet.423 Weiterhin wird die Auskunftspflicht zu Recht auch auf Kontrolltatsachen erstreckt, welche die Überprüfung der Angaben des Verletzers auf Richtigkeit und Vollständigkeit ermöglichen sollen.424 2. Zumutbarkeit und Interessenabwägung. Die Auskunftspflicht richtet sich hin- 124 sichtlich ihrer Art und ihres Umfangs gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) nach den Bedürfnissen des Verletzten unter schonender Rücksichtnahme auf die Belange des Verletzers.425 So muss die begehrte Auskunftserteilung dem Schuldner auch zumutbar sein, wofür vornehmlich auf eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls abzustellen ist.426 Dabei können auch grund- und verfassungsrechtliche Wertungen eine Rolle spielen. So ist bei der Interessenabwägung etwa den berechtigten Belangen der Presse (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) hinreichend Rechnung zu tragen.427 Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung spielen im Wettbewerbsrecht zudem vor allem die nachstehend aufgeführten Gesichtspunkte und Interessen eine hervorgehobene Rolle.428 a) Art und Schwere der Rechtsverletzung. Zunächst sind vor allem auch Art und 125 Schwere der Rechtsverletzung von Bedeutung.429 So kann ein grober Vertrauensbruch des Verletzers, der vorsätzlich einer dem Gläubiger gegenüber ausdrücklich übernom-

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420 BGH 5.6.1985 – I ZR 53/83 – BGHZ 95, 274, 280 = GRUR 1986, 62, 64 – GEMA-Vermutung I; BGH 21.4.1988 – I ZR 210/86 – GRUR 1988, 604, 605 – Kopierwerk. 421 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.14; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 159. 422 BGH 16.2.1973 – I ZR 74/71– GRUR 1973, 375, 377 – Miss Petite, insoweit nicht enthalten in BGHZ 60, 206; BGH 14.1.1977 – I ZR 170/75 – GRUR 1977, 491, 494 – ALLSTAR; BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980, 227, 232 – Monumenta Germaniae Historica. 423 BGH 12.2.1987 – I ZR 70/85 – GRUR 1987, 364, 365 – Vier-Streifen-Schuh; BGH 2.2.1995 – I ZR 16/93 – GRUR 1995, 349, 351 f. – Objektive Schadensberechnung. 424 BGH 22.11.1957 – I ZR 144/56 – GRUR 1958, 346 , 348 – Spitzenmuster; BGH 27.2.1963 – Ib ZR 131/61 – GRUR 1963, 640, 642 – Plastikkorb; BGH 13.2.1976 – I ZR 1/75 – GRUR 1978, 52, 53 – Fernschreibverzeichnisse. Weiterhin auch Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.14 m.w.N.; MünchKommUWG/ Fritzsche § 9 Rn. 161 m.w.N. 425 BGH 28.10.1953 – II ZR 149/52 – BGHZ 10, 385, 387 – Kalkstein; BGH 19.12.1960 – I ZR 14/59 – GRUR 1961, 288, 293 – Zahnbürsten; BGH 13.2.1976 – I ZR 1/75 – GRUR 1978, 52, 53 – Fernschreibverzeichnisse. 426 BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 331 = GRUR 1994, 630, 633 – Cartier-Armreif; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 32 = GRUR 2001, 841, 843 – Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH 20.2.2008 – XII ZR 58/04 – GRUR 2007, 532 Tz. 18 – Meistbegünstigungsvereinbarung. 427 BGH 19.3.1987 – I ZR 98/85 – GRUR 1987, 647, 648 – Briefentwürfe. 428 Vgl. hierzu auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 315 ff. m.w.N.; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 412 ff. m.w.N.; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.16 ff. m.w.N.; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 163 ff. m.w.N.; Teplitzky Kap. 38 Rn. 9 ff. m.w.N. 429 BGH 22.11.1957 – I ZR 144/56 – GRUR 1958, 246, 348 – Spitzenmuster; BGH 13.2.1976 – I ZR 1/75 – GRUR 1978, 52, 53 – Fernschreibverzeichnisse.

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Schadensersatz

menen Vertragspflicht zuwidergehandelt hat, die Anerkennung eines besonders schutzwürdigen Interesses begründen.430 126

b) Aufwand des Auskunftspflichtigen. Der für die Auskunftserteilung zumutbare Umfang des Aufwands bestimmt sich in erster Linie nach dem Ausmaß der Rechtsverletzung, die festgestellt oder mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit zu vermuten ist.431 Weiterhin kann auch das sonstige Verhalten des Schuldners, insbesondere die Schwere des Verschuldens, in die Interessenabwägung mit einzubeziehen sein.432 Allerdings rechtfertigen Unterschiede bezüglich des Umfangs des Arbeitsaufwands bei den verschiedenen Schadensberechnungsarten grundsätzlich nicht, den Gläubiger auf eine für den Verletzter weniger aufwändige Art der Schadensberechnung zu verweisen.433 Auf eine Unverhältnismäßigkeit wird sich der Schuldner überdies regelmäßig dann nicht berufen können, wenn und soweit die Erhöhung des Arbeitsaufwands die Folge eigenen Vorverhaltens ist.434 Schließlich wird es grundsätzlich zumutbar sein, innerhalb der gewöhnlichen Aufbewahrungsfristen für Geschäftsunterlagen die erforderlichen Angaben im Wege der Durchsicht zu eruieren.435

c) Aufklärungsinteresse des Verletzten und Geheimhaltungsinteresse des Verletzers. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist für die Frage nach der Zumutbarkeit vor allem das Aufklärungsinteresse des Verletzten mit dem Geheimhaltungsinteresse des Verletzers in ein angemessenes Verhältnis zu setzen. Hierbei können für das Aufklärungsinteresse auch Gemeinwohlinteressen der Allgemeinheit von Bedeutung sein, so etwa wenn Gesundheitsgefahren für die Abnehmer von Waren bestehen.436 Das Aufklärungsinteresse des Verletzten findet seine Schranken vor allem in den vorbenannten Merkmalen der Geeignetheit und der Erforderlichkeit, vgl. vorstehend Rn. 122 f. Zu den schutzwürdigen Interessen des Verletzers kann auch gehören, ein zulässiges selektives Vertriebssystem zu überwachen.437 128 Ein der Auskunftserteilung entgegenstehendes schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse des Verletzers kann sich vor allem in Ansehung von Geschäftsdaten ergeben, die im Wettbewerb zum Nachteil des Verletzers verwendet werden könnten. So tritt das Aufklärungsinteresse des Verletzten bei besonders sensiblen Daten hinter das Geheimhaltungsinteresse des Verletzers zurück, wenn die aus der Auskunftserteilung drohenden Nachteile für den Verletzer außer Verhältnis stehen zu dem Wert der Auskunft für den Verletzten.438 Allerdings ist bei der Interessenabwägung auch zu berücksichti127

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430 BGH 22.11.1957 – I ZR 144/56 – GRUR 1958, 246, 348 – Spitzenmuster. 431 BGH 5.6. 1985 – I ZR 53/83 – BGHZ 95, 274, 281 = GRUR 1986, 82, 84 – GEMA-Vermutung I. 432 GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 412; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.17; MünchKommUWG/ Fritzsche § 9 Rn. 166. 433 BGH 16.9.1982 – X ZR 54/81 – GRUR 1982, 723, 726 – Dampffrisierstab I. 434 BGH 16.9.1982 – X ZR 54/81 – GRUR 1982, 723, 726 – Dampffrisierstab I. 435 BGH 29.4.2003 – X ZR 186/01 – BGHZ 155, 8, 19 f. = GRUR 2003, 789, 792 – Abwasserbehandlung. 436 BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 30 f. = GRUR 2001, 841, 843 – Entfernung der Herstellungsnummer II, unter Verweis auf BGH 21.4.1994 – I ZR 271/91 – GRUR 1994, 642, 643 f. – Chargennummer. 437 BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 32 = GRUR 2001, 841, 843 – Entfernung der Herstellungsnummer II. 438 BGH 27.11.1964 – Ib ZR 23/63 – GRUR 1965, 313, 314 – Umsatzauskunft; BGH 16.2.1973 – I ZR 74/71 – GRUR 1973, 375, 378 – Miss Petite; BGH 6.6.1991 – I ZR 234/89 – GRUR 1991, 921, 924 – Sahnesiphon; BGH 24.4.1994 – I ZR 152/92 – GRUR 1994, 635, 636 – Pulloverbeschriftung; BGH 6.10.2005 – I ZR 322/02 – GRUR 2006, 419 Tz. 14 – Noblesse.

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V. Inhalt, Umfang und Grenzen …

F. Anspr. a. Ausk., Rechnungsl. u. Bes.

gen, dass sich der Verletzer die Pflicht zur Offenlegung grundsätzlich selbst zuzuschreiben hat.439 In Betracht kommt ferner eine Auflösung des aufgezeigten Interessenkonflikts durch 129 Aufnahme eines sog. Wirtschaftsprüfervorbehalts in den Urteilstenor.440 Der Verletzer muss in diesen Fällen die in Rede stehenden Tatsachen einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten (etwa einem Wirtschaftsprüfer) mitteilen, den er ermächtigt, dem Verletzten durch entsprechende Fragen die stichprobenartige Überprüfung der Angaben des Verletzers zu ermöglichen.441 Die Auswahl der dritten Person, die zur Berufsverschwiegenheit verpflichtet ist, obliegt – in sinngemäßer Anwendung des Rechtsgedankens aus § 87c Abs. 4 HGB – grundsätzlich dem Verletzten.442 Der Verletzer hat die Kosten der Hinzuziehung der dritten Person zu tragen.443 d) Selbst- und Drittbezichtigung durch den Verletzer. Eine mögliche Selbst- oder 130 Drittbezichtigung durch den Verletzer im Zuge der Auskunftserteilung ist in die vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung einzustellen. Aus der Gefahr einer Selbstbezichtigung durch den Verletzer betreffend eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit resultiert allerdings grundsätzlich noch keine Unzumutbarkeit der Auskunftserteilung, da die Auskunftspflicht ansonsten gerade bei besonders schweren Verstößen die von der Rechtsordnung zugedachte Aufgabe nicht mehr würde erfüllen können.444 Weiterhin wird zutreffend auf das Bestehen eines strafrechtlichen Verwertungsverbotes verwiesen, das im Falle einer etwaigen Gesetzeslücke durch die Gerichte in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht und unter Rückgriff auf die unmittelbar geltenden Vorschriften der Verfassung abzuleiten ist.445 Ein entsprechendes gesetzliches Verwertungsverbot findet sich gegenwärtig etwa bereits in immaterialgüterrechtlichen Spezialgesetzen, vgl. § 24b Abs. 8 GebrMG, § 46 Abs. 8 GeschmG, § 19 Abs. 8 MarkenG, § 140b Abs. 8 PatG. Die Auskunftserteilung wird grundsätzlich auch nicht dadurch unzumutbar, dass 131 der Schuldner einen Dritten bezichtigen muss, eine Straftat (vgl. §§ 143, 144 MarkenG, §§ 17, 18) oder eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben.446 Allerdings ist im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass eine solche Drittbezich-

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439 BGH 9.11.1995 – I ZR 220/95 – GRUR 1996, 78, 79 – Umgehungsprogramm. Weiterhin auch Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.18; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 168. 440 BGH 2.4.1957 – I ZR 58/56 – GRUR 1957, 336 – Rechnungslegung; BGH 13.2.1976 – I ZR 1/75 – GRUR 1978, 52, 52 – Fernschreibverzeichnisse; BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980, 227, 232 – Monumenta Germaniae Historica; BGH 13.2.1981 – I ZR 111/78 – GRUR 1981, 535 – Wirtschaftsprüfervorbehalt; BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02 – GRUR 2004, 755, 758 – Taxameter. 441 Vgl. hierzu auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 319 ff. m.w.N.; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 413 m.w.N.; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.19 ff. m.w.N.; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 168 ff., 182 – jeweils m.w.N.; Teplitzky Kap. 38 Rn. 28 ff. m.w.N. 442 BGH 23.2.1962 – I ZR 114/60 – GRUR 1962, 354, 357 – Furniergitter; BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980. 227, 233 – Monumenta Germaniae Historica. 443 BGH 2.4.1957 – I ZR 58/56 – GRUR 1957, 336, 336 – Rechnungslegung. 444 BGH 24.4.1964 – I b ZR 73/63 – BGHZ 41, 318, 326 f. = NJW 1964, 1489, 1471; BGH 30.11.1989 – III ZR 112/88 – BGHZ 109, 260, 268 = NJW 1990, 510, 511. So auch das BVerfG 13.1.1989 – 1 BvR 116/77 –BVerfGE 56, 37, 51 ff. = NJW 1981, 1431, 1432 f. Vgl. auch Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 317; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 414; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.23; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 173; Teplitzky Kap. 38 Rn. 22 ff. 445 BVerfG 13.1.1989 – 1 BvR 116/77 – BVerfGE 56, 37, 51 ff. = NJW 1981, 1431, 1432 f. Vgl. auch Fezer/ Büscher UWG § 8 Rn. 317; GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 414; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.23; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 173; Teplitzky Kap. 38 Rn. 23. 446 BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 331 = GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif. Vgl. auch GK-UWG/Köhler Vor § 13 a.F. Rn. B Rn. 415; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.24; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 174.

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§9

Schadensersatz

tigung als anstößig gilt447 und den Auskunftspflichtigen deshalb in Gewissenskonflikte zu stürzen vermag.448 Hieraus wird jedoch nicht zu schließen sein, dass Drittbezichtigungen allenfalls ausnahmsweise in Betracht kommen;449 die allfälligen Belastungen sind vielmehr entsprechend in die Einzelfallabwägung einzustellen.450 132

3. Auskunftszeitraum. Für den unselbständigen, akzessorischen Auskunftsanspruch erfasste nach der mittlerweile aufgegebenen Rechtsprechung des I. Zivilsenats des BGH der Auskunftsanspruch grundsätzlich451 nur den Zeitraum seit der ersten vom Schutzrechtsinhaber vorgetragenen und bewiesenen Verletzungshandlung.452 Diese zeitliche Begrenzung wurde vornehmlich aus der Akzessorietät des Auskunftsanspruchs hergeleitet, weshalb nur für den Zeitraum ein Auskunftsanspruch gewährt werden sollte, für den die den Schadensersatzanspruch begründenden Tatbestandsmerkmale vorliegen.453 Demgegenüber nahm der X. Zivilsenat des BGH seit jeher an, der Auskunftsanspruch erfasse den gesamten Zeitraum während der Schutzdauer des Rechts, womit der Schutzrechtsinhaber Auskunft auch über frühere Verletzungshandlungen verlangen kann.454 Eine Einschränkung soll der Auskunftsanspruch nach dieser Rechtsprechung nur für solche Zeiträume erfahren, in denen selbst bei einer angenommenen Benutzung des fremden Schutzrechts durch den Verletzer eine solche Benutzung nicht rechtswidrig oder schuldhaft erfolgte.455 Seine bisherige Rechtsprechung hat der I. Zivilsenat des BGH in der Entscheidung „Windsor Estate“ aufgegeben und sich der vorbenannten gegenteiligen Auffassung des X. Zivilsenats angeschlossen.456 VI. Erfüllung und Durchsetzung VI. Erfüllung und Durchsetzung

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1. Erfüllung. Die Auskunftserteilung stellt sich als Willenserklärung dar, durch die die begehrten Tatsachen – im Regelfall schriftlich457 – mitgeteilt werden.458 Die verlangte Auskunftserklärung als Wissenserklärung ist naturgemäß vornehmlich von dem Erinnerungsvermögen und der Erinnerungsbereitschaft des Verletzers abhängig. Dabei muss der Auskunftspflichtige über sein präsentes Wissen hinaus sämtliche zumutbar verfüg-

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447 BGH 4.7.1975 – I ZR 115/73 – GRUR 1976, 367, 369 – Auskunftspflicht; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 331 = GRUR 1994, 630, 633 – Cartier-Armreif. 448 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.24; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 174. 449 So aber BGH 4.7.1975 – I ZR 115/73 – GRUR 1976, 367, 369 – Auskunftspflicht. 450 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.24; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 174; Teplitzky Kap. 38 Rn. 26. 451 Zu den Ausnahmen, etwa für Fallkonstellationen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit anzunehmender weiterer Verletzungshandlungen, vgl. BGH 5.6. 1985 – I ZR 53/83 – BGHZ 95, 274, 279 f. = GRUR 1986, 62, 64 – GEMA-Vermutung I; BGH 13.6.1985– I ZR 35/83 – BGHZ 95, 285, 292 = GRUR 1986, 66 – GEMA-Vermutung II; BGH 15.5.2003 – I ZR 214/00 – GRUR 2003, 892 – Alt-Luxemburg. 452 BGH 26.11.1987 – I ZR 123/85 – GRUR 1988, 306, 307 – Gaby; BGH 21.3.1991 – I ZR 158/89 – GRUR 1992, 523, 525 – Betonsteinelemente; BGH 29.9.1994 – I ZR 114/84 – GRUR 1995, 50, 54 – Indorektal/ Indohexal; BGH 15.5.2003 – I ZR 214/00 – GRUR 2003, 892, 893 – Alt-Luxemburg. 453 Vgl. hierzu insbesondere Teplitzky Kap. 38 Rn. 7 ff. m.w.N. Kritisch zur Änderung der Rechtsprechung mit konkretem Bezug auf die Akzessorietät des Auskunftsanspruchs Steinbeck GRUR 2008, 110, 111 f. 454 BGH 25.2.1992 – X ZR 41/90 – BGHZ 117, 264, 278 f. = GRUR 1992, 612, 616 – Nicola. 455 BGH 25.2.1992 – X ZR 41/90 – BGHZ 117, 264, 278 f. = GRUR 1992, 612, 616 – Nicola. 456 BGH 19.7.2007 – I ZR 93/04 – BGHZ 173, 269, 276 f. = GRUR 2007, 877 Tz. 24 ff. – Windsor Estate. Kritisch hierzu Fezer/Büscher UWG § 8 Rn. 332; Steinbeck GRUR 2008, 110; Teplitzky Kap. 38 Rn. 7 ff. 457 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.31; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 180. 458 BGH 19.12.1960 – I ZR 14/59 – GRUR 1961, 288, 291 – Zahnbürsten; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 326 = GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif.

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VI. Erfüllung und Durchsetzung

F. Anspr. a. Ausk., Rechnungsl. u. Bes.

baren Erkenntnisquellen ausschöpfen.459 In diesem Sinne hat der Auskunftspflichtige etwa Einsicht in Geschäftsunterlagen zu nehmen,460 bei Dritten (insbesondere bei Geschäftspartnern) nachzufragen,461 verloren gegangene Daten zu rekonstruieren462 oder auch Sachverständige hinzuzuziehen.463 Dagegen erstreckt sich der Auskunftsanspruch grundsätzlich nicht auf die Verpflichtung, Nachforschungen bei Dritten vorzunehmen, um unbekannte Vorlieferanten und den Hersteller erst zu ermitteln.464 Die Auskunftspflicht erlischt durch vollständige Erfüllung nach Maßgabe von 134 § 362 Abs. 1 BGB.465 Dabei kann die Auskunftspflicht gegebenenfalls auch erfüllt werden durch eine negative Erklärung, den Hersteller und weitere Vorbesitzer nicht zu kennen.466 Die Vornahme der Auskunftserteilung muss grundsätzlich durch den Auskunftsschuldner selbst erfolgen,467 bei Gesellschaften durch das vertretungsberechtigte Organ.468 Die Auskunftserteilung hat nicht höchstpersönlich zu erfolgen, muss dem Schuldner jedoch jedenfalls zurechenbar sein, so bei der Einschaltung von Hilfspersonen.469 Mehrere auskunftspflichtige Personen haften nicht als Gesamtschuldner, sondern nur betreffend ihres eigenen Wissensstandes, da die Voraussetzungen von § 420 BGB insoweit nicht erfüllt sind; dies gilt insbesondere unabhängig davon, ob der Hauptanspruch eine gesamtschuldnerische Haftung begründet.470 2. Durchsetzung. Die prozessuale Durchsetzung von Auskunfts- und Rechnungsle- 135 gungsansprüchen erfolgt durch Leistungsklage und Vollstreckung nach §§ 887, 888 ZPO. Eine einstweilige Auskunftsverfügung ist zwar in den spezialgesetzlichen Regelungen über die Drittauskunft unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen (vgl. § 24b VII GebrMG, § 19 Abs. 7 MarkenG, § 46 Abs. 7 GeschmMG, § 140b Abs. 7 PatG, § 101 Abs. 7 UrhG). Für die wettbewerbsrechtlichen Auskunftsansprüche kommt eine einstweilige Verfügung aber allenfalls ausnahmsweise in Betracht, da ansonsten die Hauptsacheentscheidung vorweggenommen und der vorläufige Charakter der einstweiligen Verfügung konterkariert würde.471 Als solche Ausnahmesituationen werden im Schrifttum vorgeschlagen die Existenzgefährdung des Gläubigers472 und Konstellationen einer Offensichtlichkeit des Wettbewerbsverstoßes.473

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459 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.31; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 180. 460 BGH 20.12.1994 – X ZR 56/93 – BGHZ 128, 220, 227 = GRUR 1995, 338, 341 – Kleiderbügel. 461 BGH 23.1.2003 – I ZR 18/01 – GRUR 2003, 433, 434 – Cartier-Ring, betreffend Lieferanten. 462 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.31, dem sich anschließend MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 180. 463 BGH 16.9.1982 – X ZR 54/81 – GRUR 1982, 723, 726 – Dampffrisierstab I. 464 BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 326 = GRUR 1994, 630, 633 – Cartier-Armreif; BGH 23.1.2003 – I ZR 18/01 – GRUR 2003, 433, 434 – Cartier-Ring. 465 BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 36 = GRUR 2001, 841, 844 – Entfernung der Herstellungsnummer II. 466 BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 326 = GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26, 36 = GRUR 2001, 841, 844 – Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH 23.1.2003 – I ZR 18/01 – GRUR 433, 434 – Cartier-Ring. 467 BGH 19.12.1960 – I ZR 14/59 – GRUR 1961, 288, 291 – Zahnbürsten. 468 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.30; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 183. 469 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.30 unter Verweis auf BGH 28.11.2007 – XII ZB 225/05 – NJW 2008, 917, betreffend eine familienrechtliche Entscheidung. Siehe ferner auch MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 183. 470 BGH 3.4.1981 – I ZR 72/79 – GRUR 1981, 592, 595 – Championne du Monde; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.30; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 183. Dagegen hält Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann Vor § 8 Rn. 27 „ausnahmsweise“ eine Gesamtschuldnerschaft für möglich. 471 Vgl. Fezer/Büscher UWG § 12 Rn. 95; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 187; Teplitzky Kap. 54 Rn. 11. 472 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.35; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 187. 473 LG Düsseldorf 30.4.1996 – 4 O 126/96 – WRP 1997, 253; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 187; Ulrich WRP 1997, 135, 138.

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§9

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Schadensersatz

Darüber hinaus bleibt dem Verletzten zur Vergewisserung über die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft nur das Verlangen nach einer eidesstattlichen Versicherung.474 Im Wettbewerbsrecht kommt der Abgabe einer solchen Versicherung an Eides statt eine hervorgehobene Bedeutung vor allem in jenen Fällen zu, in denen selbständige Auskunftsverlangen zur Vorbereitung und Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen Dritte geltend gemacht werden. In diesem Bereich, der wesentlich von der Bereitschaft des Auskunftspflichtigen abhängt und in dem nicht ohne Weiteres durch äußere Umstände eine Widerlegung möglich sein wird, besteht ein besonderes Bedürfnis, mit dem Mittel der eidesstattlichen Versicherung einer wahrheitsgemäßen Auskunftspflicht Nachdruck zu verleihen.475 Das Verlangen nach Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Vollständigkeit bzw. Richtigkeit der Angaben kann im Wege der Stufenklage (vgl. § 254 ZPO) verbunden werden mit den Anträgen auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht.476 Die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Versicherung an Eides statt im Zusammenhang mit Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen ergeben sich vor allem aus §§ 259, 260 BGB.477 VII. Verjährung VII. Verjährung

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Auskunftsansprüche verjähren, entgegen einer früher in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung,478 nicht in derselben Frist wie der Hauptanspruch. Unbeschadet der grundsätzlichen Akzessorietät des Hilfsanspruchs ist der Auskunftsanspruch als eigenständig anzusehen und damit die Regelverjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB zur Anwendung zu bringen.479 Hierfür wird zutreffend vor allem480 angeführt, dass der Gläubiger auch noch mit einem verjährten Anspruch aufrechnen kann (vgl. § 215 BGB) und insofern womöglich auf die Auskunftserteilung angewiesen ist.481 Allerdings wird es regelmäßig an dem Erfordernis eines berechtigten Informationsinteresses des Gläubigers fehlen, wenn und soweit der Hauptanspruch bereits verjährt ist.482

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474 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.36 ff.; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 191 ff.; Teplitzky Kap. 38 Rn. 36. 475 BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 327 = GRUR 1994, 630 , 633 – Cartier-Armreif; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – GRUR 2001, 841, 845 – Entfernung der Herstellungsnummer II, insoweit nicht enthalten in BGHZ 148, 26. Aus dem Schrifttum Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.40; MünchKommUWG/ Fritzsche § 9 Rn. 191. 476 BGH 29.4.2010 – I ZR 68/08 – GRUR 2010, 623 Tz. 59 – Restwertbörse. Vgl. auch Teplitzky Kap. 38 Rn. 36. 477 Vgl. hierzu Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.36 ff.; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 191 ff. 478 Vgl. etwa BGH 18.2.1972 – I ZR 82/70 – GRUR 1972, 558, 560 – Teerspritzmaschinen; BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99, 101 – Brünova. Aus dem Schrifttum etwa GK-UWG/Messer Vor § 21 a.F. Rn. 13; Teplitzky Kap. 38 Rn. 37 (bis zur 8. Aufl.). Weiterhin an dieser Auffassung festhaltend Fezer § 14 MarkenG Rn. 1050, § 20 MarkenG Rn. 44. 479 BGH 2.11.1960 – V ZR 124/59 – BGHZ 33, 373, 379 = NJW 1961, 602, 604; BGH 4.10.1989 – IVa ZR 198/88 – BGHZ 108, 393, 399 = NJW 1990, 180, 181; BGH 10.12.1987 – I ZR 198/85– GRUR 1988, 533, 536 – Vorentwurf II. Aus dem Schrifttum Fezer/Büscher § 11 Rn. 17; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bergmann/Goldmann Vor § 8 Rn. 28; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.42; Teplitzky Kap. 38 Rn. 37. 480 Teplitzky Kap. 38 Rn. 37 verweist überdies auf die Selbständigkeit der Streitgegenstände und das hieraus ableitbare Fehlen der wechselseitigen Verjährungshemmungswirkung bei klageweiser Geltendmachung nur eines der Ansprüche, BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – GRUR 1990, 221, 223 – Forschungskosten, insoweit nicht enthalten in BGHZ 107, 117. 481 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.42. Dem sich anschließend Teplitzky Kap. 38 Rn. 37. 482 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.42; Teplitzky Kap. 38 Rn. 37 unter Verweis auf BGH 4.10.1989 – IVa ZR 198/88 – BGHZ 108, 393, 399 = BGH NJW 1990, 180, 181, betreffend einen erbrechtlichen Sachverhalt.

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VIII. Anspruch auf Besichtigung

F. Anspr. a. Ausk., Rechnungsl. u. Bes.

VIII. Anspruch auf Besichtigung (§ 809 BGB) VIII. Anspruch auf Besichtigung Mit Auskunftsansprüchen eng verwandt ist der Anspruch auf die Besichtigung einer 138 Sache nach § 809 BGB. Voraussetzung dieses Besichtigungsanspruchs ist zunächst ein bestehender oder jedenfalls mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit483 bestehender Anspruch gegen den Besitzer, wonach der Anspruchssteller gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewissheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht. Darüber hinaus muss ein Interesse des Anspruchsstellers im Hinblick auf die Durchsetzung des (möglichen) Anspruchs bestehen. Insofern eröffnet sich – ähnlich wie beim Auskunftsanspruch, vgl. hierzu vorste- 139 hend Rn. 132 – ein Spannungsfeld zwischen dem Aufklärungsinteresse des Anspruchsstellers und dem Geheimhaltungsinteresse des Anspruchsgegners. So beruht die Vorschrift des § 809 BGB insgesamt auf einer Interessenabwägung:484 Es soll zum einen dem Gläubiger ein Mittel an die Hand geben werden, um den Beweis der Rechtsverletzung auch in den Fällen führen zu können, in denen auf andere Weise ein solcher Beweis nur schwer oder gar nicht erbracht werden könnte, in denen also die Vorlage „zur Verwirklichung des Anspruches mehr oder weniger unentbehrlich ist“.485 Zum anderen soll vermieden werden, dass der Besichtigungsanspruch zu einer Ausspähung insbesondere auch solcher Informationen missbraucht wird, welche der Anspruchsgegner aus schutzwürdigen Gründen geheimhalten möchte, und der Gläubiger sich auf diese Weise über sein berechtigtes Anliegen hinaus wertvolle Informationen verschafft.486 In diesem Sinne ist etwa darauf abzustellen, ob für den Gläubiger noch andere zumutbare Möglichkeiten bestehen, die Rechtsverletzung zu beweisen.487 Weiter ist zu berücksichtigen, ob Beeinträchtigungen der Geheimhaltungsinteressen durch die Einschaltung eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten (etwa eines Sachverständigen)488 – weitgehend – ausgeräumt werden können.489 Im Lauterkeitsrecht kommt ein solcher Besichtigungsanspruch aus § 809 BGB vor 140 allem dann in Betracht, wenn die im Besitz des Anspruchsgegners befindliche Sache möglicherweise unter Verletzung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen hergestellt oder erlangt wurde, womit Ansprüche aus §§ 8, 9 i.V.m. §§ 3, 4 Nrn. 11, 17, 18 eröffnet sein können. Weiterhin kommt insofern ein Anspruch aus einer wettbewerbswidrigen Nachahmung in Betracht, vgl. §§ 8, 9 i.V.m §§ 3, 4 Nr. 9.490

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483 BGH 8.1.1985 – X ZR 18/84 – BGHZ 93, 191, 205 = GRUR 1985, 512, 518 – Druckbalken; BGH 2.5.2002 – I ZR 45/01 – BGHZ 150, 377 = GRUR 2002, 1046 – Faxkarte; BGH 13.11.2003 – I ZR 187/01 – GRUR 2004, 420, 421 – Kontrollbesuch. 484 BGH 8.1.1985 – X ZR 18/84 – BGHZ 93, 191, 211 = GRUR 1985, 512, 518 – Druckbalken; BGH 2.5.2002 – I ZR 45/01 – BGHZ 150, 377, 386 = GRUR 2002, 1046, 1047 f. – Faxkarte. 485 Mot. II S. 891. 486 Mot. II S. 890. BGH 8.1.1985 – X ZR 18/84 – BGHZ 93, 191, 206 = GRUR 1985, 512, 518 – Druckbalken; BGH 2.5.2002 – I ZR 45/01 – BGHZ 150, 377, 386 = GRUR 2002, 1046, 1047 f. – Faxkarte. 487 BGH 2.5.2002 – I ZR 45/01 – BGHZ 150, 377, 386 = GRUR 2002, 1046, 1048 – Faxkarte. 488 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.45; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 197. 489 BGH 2.5.2002 – I ZR 45/01 – BGHZ 150, 377, 386 = GRUR 2002, 1046, 1048 – Faxkarte. Vgl. hierzu weiterhin Stürner JZ 1985, 453, 456; Stürner/Stadler JZ 1985, 1101, 1104. 490 Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.43; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 196.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

§ 10 Gewinnabschöpfung § 10 Gewinnabschöpfung § 10 Gewinnabschöpfung Poelzig (1) Wer vorsätzlich eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, kann von den gemäß § 8 Absatz 3 Nummer 2 bis 4 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten auf Herausgabe dieses Gewinns an den Bundeshaushalt in Anspruch genommen werden. (2) 1 Auf den Gewinn sind die Leistungen anzurechnen, die der Schuldner auf Grund der Zuwiderhandlung an Dritte oder an den Staat erbracht hat. 2 Soweit der Schuldner solche Leistungen erst nach Erfüllung des Anspruchs nach Absatz 1 erbracht hat, erstattet die zuständige Stelle des Bundes dem Schuldner den abgeführten Gewinn in Höhe der nachgewiesenen Zahlungen zurück. (3) Beanspruchen mehrere Gläubiger den Gewinn, so gelten die §§ 428 bis 430 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. (4) 1 Die Gläubiger haben der zuständigen Stelle des Bundes über die Geltendmachung von Ansprüchen nach Absatz 1 Auskunft zu erteilen. 2 Sie können von der zuständigen Stelle des Bundes Erstattung der für die Geltendmachung des Anspruchs erforderlichen Aufwendungen verlangen, soweit sie vom Schuldner keinen Ausgleich erlangen können. 3 Der Erstattungsanspruch ist auf die Höhe des an den Bundeshaushalt abgeführten Gewinns beschränkt. (5) Zuständige Stelle im Sinn der Absätze 2 und 4 ist das Bundesamt für Justiz. Schrifttum Schrifttum Alexander Die strafbare Werbung in der UWG-Reform, WRP 2004, 407; ders. Die Sanktions- und Verfahrensvorschriften der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im Binnenmarkt – Umsetzungsbedarf in Deutschland? GRUR Int. 2005, 809; ders. Marktsteuerung durch Abschöpfungsansprüche, JZ 2006, 890; ders. Nutzen und Zukunft der Gewinnabschöpfung in der Diskussion, WRP 2012, 1190; ders. Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht: Privatrechtliche Sanktionsinstrumente zum Schutz individueller und überindividueller Interessen im Wettbewerb (2010); Basedow/ Hopt/Kötz/Baetge (Hrsg.) Die Bündelung gleichgerichteter Interessen im Prozess – Verbandsklage und Gruppenklage (1999); Beck Herausgabe des Verletzergewinns – Strafschadensersatz nach deutschem Recht, GRUR 2005, 617; Bentert Das pönale Element – ein Fremdkörper im deutschen Zivilrecht? (1996); Bernitz/Draper Consumer Protection in Sweden. Legislation, Institutions and Practice, 2. Aufl. (1986); Beuchler Das „Schreckgespenst“ § 10 UWG: mehr Gespenst als Schrecken, WRP 2006, 1288; Bulst Private Kartellrechtsdurchsetzung nach der 7. GWB-Novelle: Unbeabsichtigte Rechtsschutzbeschränkungen durch die Hintertür? EWS 2004, 62; Bungert Vollstreckbarkeit US-amerikanischer Schadensersatzurteile in exorbitanter Höhe in der Bundesrepublik, ZIP 1992, 1707; Cabanas/Trejo/Vestweber Das neue spanische Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen, ZVglRWiss 97 (1998) 454; Canaris Gewinnabschöpfung bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, FS Deutsch (1999) 85; Casper/Janssen/Pohlmann/Schulze (Hrsg.) Auf dem Weg zur europäischen Sammelklage? (2009); Dehlfing Das Recht der irreführenden Werbung in Deutschland, Großbritannien und Frankreich (1999); Di Fabio Privatisierung und Staatsvorbehalt – Zum dogmatischen Schlüsselbegriff der öffentlichen Aufgabe, JZ 1999, 585; de la Oliva Santos/de la Oliva/Diez-Picazo Derecho Procesal Civil. El proceso de declaraciòn, 2. Aufl. (2001); Dreier Kompensation und Prävention: Rechtsfolgen unerlaubter Handlung im Bürgerlichen, Immaterialgüter- und Wirtschaftsrecht (2002); Dreier/v. Lewinski Recht der Werbung in Frankreich, in Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa (1995); Drücke Kollektivinteressen und Wettbewerbsrecht – Eine vergleichende Untersuchung des deutschen und französischen Rechts (2004); Ebert Pönale Elemente im deutschen Privatrecht – Von der Renaissance der Privatstrafe im deutschen Recht (2004); Ehlers Aus der Praxis des schwedischen Marktgerichts, GRUR Int. 1978, 327; Eichholtz Die US-amerikanische Class Action und ihre deutschen Funktionsäquivalente (2002); Engels/Salomon Vom Lauterkeitsrecht zum Verbraucherschutz: Die UWG-Reform 2003, WRP 2004, 32; v. Falckenstein Die Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken durch Verbraucherverbände

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Schrifttum

§ 10

(1977); Fehlemann Die Verfolgung von Streuschädigungen durch Abschöpfungsansprüche der Verbände im deutschen Lauterkeits- und Kartellrecht, 2009; Fezer Die Modernisierung des deutschen Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb auf der Grundlage einer Europäisierung des Wettbewerbsrechts, WRP 2001, 989; ders. Plädoyer für eine offensive Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in das deutsche UWG, WRP 2006, 781; ders. Zweckgebundene Verwendung von Unrechtserlösen und Kartellbußen zur Finanzierung der Verbraucherarbeit; im Internet abrufbar unter http://www.umwelt.nrw.de/ ministerium/pdf/gutachten_unrechtserloese.pdf (Stand: 26.9.2012); Fiedler Class Actions zur Durchsetzung des europäischen Kartellrechts (2010); Finger/Schmieder The New Law Against Unfair Competition: An Assessment, 6 German Law Journal 201, 211 (2005); Fischer Verbraucherschutz im spanischen Vertragsrecht im Lichter der europäischen Rechtsangleichung (2000); Franke Die Verbandsklagen der Verbraucherverbände nach dem französischen Code de la consommation im Vergleich zum deutschen Recht (2002); Fröhlingsdorf Das neue spanische Verbraucherschutzgesetz, RIW 1985, 99; Fuchs Verbraucherschutz in Spanien – Die Rechtslage nach dem Konsumentenschutzgesetz von 1984 (1989); Gamerith Der Richtlinienvorschlag über unlautere Geschäftspraktiken – Möglichkeiten einer harmonischen Umsetzung, WRP 2005, 391; Gärtner Der Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG (2006); ders. Der Gewinnabschöpfungsanspruch gemäß § 10 UWG, GRUR Int. 2008, 817; Geis Das Lauterkeitsrecht in der rechtspolitischen Diskussion, FS Tilmann (2003) 121; Gerlach Die moderne Entwicklung der Privatrechtsordnung in Spanien, ZVglRWiss 85 (1986) 247; Glöckner/Henning-Bodewig EG-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken: Was wird aus dem „neuen“ UWG? WRP 2005, 1311; Gsell Verbraucherrealitäten und Verbraucherrecht im Wandel JZ 2012, 809; Gotthard Zum Ausbau des kollektiven Rechtsschutzes in Deutschland, in Tichy (Hrsg.), Schutz der kollektiven Interessen im Zivilprozessrecht, 21, Acta, Universitatis Carolinae (2008); Gouga Die Klagebefugnis der Verbraucherverbände nach dem neuen griechischen Verbraucherschutzgesetz Nr. 1961/1991 in der Fassung vom 24.12.1991, GRUR Int. 1992, 822; Grauel/Luhrenberg Mehrerlösabschöpfung im UWG? WRP 1980, 521; Greger Verbandsklage und Prozessrechtsdogmatik – Neue Entwicklungen in einer schwierigen Beziehung, ZZP 113 (2000), 399; Greiner Die Class Action im amerikanischen Recht und deutscher Ordre Public (1998); Haedicke Die Gewinnhaftung des Patentverletzers GRUR 2004, 529; Halfmeier Popularklagen im Privatrecht (2006); Halfmeier/Wimalasena Rechtsstaatliche Anforderungen an Opt-out-Sammelverfahren: Anerkennung ausländischer Titel und rechtspolitischer Gestaltungsspielraum, JZ 2012, 649; Häsemeyer Die Verbandsklage als Instrument öffentlicher Kontrolle kraft Beleihung, FS Spellenberg, S. 99; Handig Neues im Internationalen Wettbewerbsrecht – Auswirkungen der Rom II-Verordnung, GRUR Int. 2008, 24; Hellner The Consumer’s Access to Justice in Sweden, RabelsZ 40 (1976) 727; Hempel Privater Rechtsschutz nach der 7. GWB-Novelle, WuW 2004, 363; Mansel/DaunerLieb/Henssler (Hrsg.) Zugang zum Recht: Europäische und US-amerikanische Wege der privaten Rechtsdurchsetzung (2008); Herzberg, Die Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG (2013); Hirte Sammelklagen – Fluch oder Segen? Ein Blick in die amerikanische Diskussion, FS Leser (1998) 334; Homburger Private suits in public interest in the USA, in Homburger/Kötz (Hrsg.), Klagen Privater im öffentlichen Interesse (1975) 12; Kapnopoulou Das Recht der missbräuchlichen Klauseln in der europäischen Union – Das griechische Verbraucherschutzgesetz als Beitrag zum europäischen Privatrecht (1997); Keßler UWG und Verbraucherschutz – Wege und Umwege zum Recht der Marktkommunikation, WRP 2005, 264; Keßler/Micklitz Die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und die Reform des UWG (2003); dies. Der Richtlinienvorschlag über unlautere Praktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr, BB 2003, 2073; H. Koch Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess (1976); ders. Die Verbandsklage in Europa – Rechtsvergleichende, europa- und kollisionsrechtliche Grundlagen, ZZP 113 (2000), 413; ders. Sammelklage und Justizstandorte im internationalen Wettbewerb, JZ 2011, 438; H. Koch/ Zekoll Europäisierung der Sammelklage mit Hindernissen, ZEuP 2010, 107; Köhler Der Schadensersatz-, Bereicherungs- und Auskunftsanspruch im Wettbewerbsrecht, NJW 1992, 1480; ders. UWG- Reform und Verbraucherschutz, GRUR 2003, 265; ders. Das neue UWG, NJW 2004, 2121; ders. Zur Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, GRUR 2005, 793; ders. Rechtsprechungsbericht zum Recht des unlauteren Wettbewerbs (Teile 1–4), GRUR-RR 2006, 1, 33, 73, 113; Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig Vorschlag für eine Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine UWG-Reform, WRP 2002, 1317; Köhler/Lettl Das geltende europäische Lauterkeitsrecht, der Vorschlag für eine EG-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und die UWG-Reform, WRP 2003, 1019; Köndgen Immaterialschadensersatz, Gewinnabschöpfung oder Privatstrafen als Sanktionen für Vertragsbruch? Eine rechtsvergleichend-ökonomische Analyse, RabelsZ 56 (1992), 696; Körner Zur Aufgabe des Haftungsrechts – Bedeutungsgewinn präventiver und punitiver Elemente, NJW 2000, 241; Korkisch Verbraucherschutz in Schweden, RabelsZ 37 (1973) 755; Kur

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Poelzig

§ 10

Gewinnabschöpfung

Schweden, in Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa (1995); ders. Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in Finnland, Norwegen und Schweden, GRUR Int. 1996, 38; Krejci/Keßler/Augenhofer Lauterkeitsrecht im Umbruch (2005); Krieger/Tilmann Zur Kritik an der UWG Novelle – Stellungnahme zu dem vorstehenden Aufsatz von Micheli, Zur Regelung der Abnehmerrechte in der UWG-Novelle; Lakkis Der kollektive Rechtschutz der Verbraucher in der Europäischen Union, Schriften zum deutschen und europäischen Zivil-, Handels- und Prozessrecht, Band 172 (1997); M. Lehmann Juristisch-ökonomische Kriterien zur Berechnung des Verletzergewinns bzw. des entgangenen Gewinns, BB 1988, 1680; ders. Präventive Schadensersatzansprüche bei Verletzungen des geistigen und gewerblichen Eigentums, GRUR Int. 2004, 762; Lehne Ein horizontales Instrument für kollektive Rechtsdurchsetzung in Europa WuW 2012, 566; Leibowitz American Antitrust Institute Symposium: Thinking Creatively About Remedies: Building on the Muris and Pitofsky Years: Evolving Remedies from „Time-Outs“ to Civil Penalties (Not the Third Rail of Antitrust) Tul. L. Rev. 80 (2005), 595; Leistner/Pothmann E-Mail-Direktmarketing im neuen europäischen Recht und in der UWG-Reform, WRP 2003, 815; Lettl Der Schutz der Verbraucher nach der UWG-Reform, GRUR 2004, 449; Lindacher Zur „Sonderprozessrechtsnatur“ der lauterkeitsrechtlichen Verbands- und Konkurrentenklage sowie der Verbandsklage nach dem AGB-Gesetz, ZZP 103 (1990), 397; Marotzke Rechtsnatur und Streitgegenstand der Unterlassungsklage aus § 13 UWG, ZZP 98 (1985), 160; Masing Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts (1997); Mattil/Desoutter Die europäische Sammelklage, WM 2008, 521; Meller-Hannich/Höland Die Europäische Sammelklage GPR 2011, 168; Mengler/Pea The American Class Action during a Period of Reconsideration, ZZP Int. 2 (1997) 297; Mertens Kollektivrechtlicher Schadensersatz als Mittel des Verbraucherschutzes ZHR 139 (1975), 438; Micheli Zur Regelung der Abnehmerrechte in der UWG-Novelle – Kritische Bemerkungen zum Regierungsentwurf und seiner Begründung, GRUR 1979, 8; Micklitz UWG-Reform – Artisten in der Zirkuskuppel – ratlos, BB 2003, Heft 21, „Die erste Seite“; ders. Brauchen Konsumenten und Unternehmen eine neue Architektur des Verbraucherrechts?, Verhandlungen des 69. DJT, Gutachten, Teil A, 2012; Micklitz/Beuchler Musterklageverfahren – Einziehung einer Forderung im Interesse der Verbraucherschutzes, NJW 2004, 1502; Micklitz/Keßler Europäisches Lauterkeitsrecht, Dogmatische und ökonomische Aspekte einer Harmonisierung des Wettbewerbsverhaltensrechts im europäischen Binnenmarkt, GRUR Int. 2002, 885; Micklitz/Keßler (Hrsg.), Marketing Practices Regulation and Consumer Protection in the EC Member States and the US, 2002; Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung (2001); dies. Unrechtsgewinnabschöpfung – Möglichkeiten und Perspektiven eines kollektiven Schadensersatzanspruchs im UWG, Gutachten für das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (2003); dies. Das Verbandsklagerecht in der Informations- und Dienstleistungsgesellschaft, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (2005); Montag Kollektiver Rechtsschutz in Europa und der Gesetzentwurf zur Einführung von Gruppenklagen, ZRP 2013, 172; Mönch Der Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG, ZIP 2004, 2032; Neuberger Der wettbewerbsrechtliche Gewinnabschöpfungsanspruch im europäischen Rechtsvergleich (2006); Oppermann/Müller Wie verbraucherfreundlich muss das neue UWG sein? GRUR 2005, 280; Peterson/Courtland/Zekoll Mass Torts, 42 American Journal of Comparative Law (1994) 78; Poelzig Normdurchsetzung durch Privatrecht (2012); dies. Private or public enforcement of the UCP Directive? Sanctions and remedies to prevent unfair commercial practices, in van Boom/Garde/Akseli (Hrsg.) The Unfair Commercial Practices Directive: Impact, Enforcement Strategies and National Legal Systems (im Erscheinen); Pokrant Zum Verhältnis von Gewinnabschöpfung gemäß § 10 und Schadensersatz nach § 9 UWG, FS Ullmann (2006) 813; Polinsky/Shavell Should Liability be Based on the Harm to the Victim or the Gain to the Injurer 10 J.L. Econ. & Org. 10, 427; van Raay Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG: Erste Schritte, VuR 2007, 47; dies. Gewinnabschöpfung als Präventionsinstrument im Lauterkeitsrecht (2012); Rabe Kollektivklagen, ZEuP 2010, 1; Sack RegE einer UWG-Novelle – ausgewählte Probleme, BB 2003, 1073; ders. Der Gewinnabschöpfungsanspruch von Verbänden in der geplanten UWG-Novelle, WRP 2003, 549; Schaub Schadensersatz und Gewinnabschöpfung im Lauterkeits- und Immaterialgüterrecht, GRUR 2005, 918; Schlacke Überindividueller Rechtsschutz (2009); Schlurmann Die Class Action im Recht der USA – ein prozessuales Konzept nach Interessenstrukturen (1978); Schmauß Der Gewinnabschöpfungsanspruch von Verbänden in der Neufassung des § 10 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) (2007); Schneider Class Actions – Rechtspolitische Fragen in den USA und Anerkennung in Deutschland (1999); Schricker Zur Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb Schadenersatzansprüche der Abnehmer und Rücktritt vom Vertrag bei irreführender und unlauterer Werbung, GRUR 1979, 1; Schricker/ Henning-Bodewig Elemente einer Harmonisierung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs in der Europäischen Union, WRP 2001, 1369; Schulte Die kollektive Geltendmachung von Verbraucherschäden im UWG

Poelzig

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Systematische Übersicht

§ 10

(1981); Schunder Die Verbandsklage auf dem Vormarsch, FS Folz (2003) 295; Seichter Der Umsetzungsbedarf der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WRP 2005, 1087; Siehr Zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Verurteilungen zu „punitive damages“, RIW 1991, 705; Sieme Die Auslegung des Begriffs „zu Lasten“ in § 10 UWG und § 34a GWB, WRP 2009, 914; ders. Der Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG und die Vorteilsabschöpfung gemäß §§ 34, 34a GWB (2009); Siemes Gewinnabschöpfung bei Zwangskommerzialisierung der Persönlichkeit durch die Presse, AcP 201 (2001), 202; Sosnitza Das Koordinatensystem des Rechts des unlauteren Wettbewerbs im Spannungsfeld zwischen Europa und Deutschland, GRUR 2003, 739; ders. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – Voll- oder Teilharmonisierung, WRP 2006, 1; Stadler Bündelung von Verbraucherinteressen im Zivilprozess in: Brönneke (Hrsg.), Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess (2001) 1; dies. Musterverbandsklage nach künftigem deutschen Recht, FS Ekkehard Schumann (2001) 465; dies. Verbandsklagen auf Schadensersatz bzw. Gewinnabschöpfung, Gutachten im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), Konstanz, Januar 2002; dies. Der Gewinnabschöpfungsanspruch: eine Variante des private enforcement? in Augenhofer (Hrsg.), Die Europäisierung des Kartell- und Lauterkeitsrechts (2009) 117; Stadler/Micklitz Der Reformvorschlag der UWG-Novelle für eine Verbandsklage auf Gewinnabschöpfung, WRP 2003, 559; Stiefel/Stürner Die Vollstreckbarkeit US-amerikanischer Schadensersatzurteile exzessiver Höhe, VersR 1987, 829; Szönyi Das französische Werbe- und Verbraucherrecht, GRUR Int. 1996, 83; Thiere Die Wahrung überindividueller Interessen im Zivilprozeß (1980); Tilmann Gewinnherausgabe im wettbewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR 2003, 647; Treis Recht des unlauteren Wettbewerbs und Marktvertriebsrecht in Schweden (1990); Urbanczyk Zur Verbandsklage im Zivilprozeß (1981); Vollmer Wettbewerbsrechtliche Mehrerlösabschöpfung nach der UWG- und GWB-Novelle, DB 1979, 2213; Wagner Prävention und Verhaltenssteuerung durch Privatrecht – Anmaßung oder legitime Aufgabe? AcP 206 (2006), 352; ders. Neue Perspektiven im Schadensersatzrecht – Kommerzialisierung, Strafschadensersatz, Kollektivschaden. Verhandlungen des 66. DJT, Gutachten, Teil A, 2006; Wimmer-Leonhardt UWG-Reform und Gewinnabschöpfungsanspruch oder „Die Wiederkehr der Drachen“, GRUR 2004, 12; Windorfer, Kapitalmarktinformationen im Lichte des Lauterkeitsrechts (2014); Zimmer/Höft „Private Enforcement“ im öffentlichen Interesse, ZGR 2009, 662. Systematische Übersicht Systematische Übersicht bb) Abführung an die A. Allgemeines | 1 I. Entstehungsgeschichte | 2 klagenden Institutionen | 42 II. Europäische Entwicklung | 11 III. Zweck der Regelung | 14 4. Übertragung auf andere Rechts1. Vollzugsdefizite bei Streugebiete | 44 schäden | 15 V. Rechtsnatur des Gewinnabschöpfungs2. Verbesserung der Normdurchsetanspruchs | 45 zung durch Prävention und Ab1. Zuordnung zum Privatrecht | 45 schreckung | 17 IV. Rechtspolitische Diskussion | 23 2. Einordnung als materiell-rechtliche Ansprüche | 47 1. Verfassungsrechtliche Kritik | 24 3. Dogmatische Einordnung | 49 a) Strafcharakter der Regea) Meinungsstand | 50 lung | 25 b) Stellungnahme | 55 b) Privatisierung des GemeinB. Tatbestand | 56 wohls | 27 I. Vorsätzliches Fehlverhalten | 56 c) Verhältnismäßigkeit | 28 1. Verstoß gegen §§ 3 oder 7 | 57 2. Rechtsökonomische 2. Das Vorsatzerfordernis in § 10 Analyse | 29 Abs. 1 | 60 3. Praktische Bedeutung | 33 a) Vorsatzbegriff | 61 a) Kritik | 34 b) Bezugspunkt | 63 b) Stellungnahme | 36 II. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern | 68 c) Reformvorschläge | 38 aa) Ausweitung des 1. Gewinnerzielung | 69 Verschula) Gewinnbegriff | 70 densmaßstabs | 39 b) Gewinnberechnung | 72

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§ 10

C.

Gewinnabschöpfung

2. Kausalität | 78 a) Allgemeine Grundsätze | 79 b) Anteilige Gewinnabschöpfung | 80 3. Zulasten einer Vielzahl von Abnehmern | 85 a) Zulasten | 86 aa) Wirtschaftliche Schlechterstellung | 87 (1) Meinungsstand | 87 (2) Stellungnahme | 92 bb) Unmittelbare Nachteile | 95 b) Abnehmer | 97 aa) Abnehmerbegriff | 97 bb) Mitbewerber und Anbieter | 101 c) Vielzahl | 103 Rechtsfolgen | 107 I. Passivlegitimation | 108 1. Grundsätzliches | 108 2. Mehrheit von Zuwiderhandelnden | 109 3. Haftung für fremdes Verhalten | 110 II. Aktivlegitimation | 116 1. Anspruchsberechtigte Institutionen | 117 2. Gesamtgläubigerschaft | 119 3. Einschränkungen der Dispositionsbefugnis | 123 a) Verzichtbarkeit und Einwilligungsfähigkeit | 124 b) Abtretbarkeit | 125 III. Abschöpfung von Gewinnen zugunsten des Bundeshaushalts (Abs. 4) | 127 1. Zweck | 128 2. Zuständige Stelle | 130 3. Auskunftsanspruch | 131 4. Aufwendungserstattungsanspruch | 134 a) Erforderliche Aufwendungen | 135 b) Subsidiarität | 138 c) Begrenzung auf Höhe des abgeführten Gewinns | 139 IV. Anrechnung anderer Leistungen | 142 1. Sinn und Zweck | 143

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D.

E.

2. Anzurechnende Leistungen | 145 a) Leistungen an Dritte | 146 b) Leistungen an den Staat | 148 c) Erbrachte Leistungen zur Erfüllung einer Leistungspflicht | 151 d) Anrechenbarkeit von Kosten zur Rechtsverteidigung | 154 3. Rückerstattung | 155 Durchsetzung und Verfahren | 157 I. Zulässigkeit | 157 1. Zuständigkeit | 157 2. Klageart | 159 a) Leistungs- und Stufenklage | 159 b) Feststellungsklage | 160 3. Rechtsmissbrauch | 162 4. Zulässigkeit von Mehrfachklagen | 168 II. Beweis | 172 1. Vorsätzliches Fehlverhalten | 173 2. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern | 180 a) Beweislastverteilung | 180 b) Beweisanforderungen | 182 aa) Beweiserleichterungen | 183 bb) Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch | 185 cc) Richterliche Schätzung gemäß § 287 ZPO | 195 c) Kausalität zwischen Zuwiderhandlung und Gewinnerzielung | 198 III. Wirkung des Urteils | 204 IV. Follow-on-Klagen | 205 V. Verjährung | 208 Internationalrechtliche Fragen | 210 I. Rechtsvergleichender Überblick | 210 II. Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile | 219 III. Das Internationale Privatrecht der Gewinnabschöpfung | 220

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§ 10

Alphabetische Übersicht

Alphabetische Übersicht Alphabetische Übersicht Abschreckung 17 ff. Horizontalverhältnis 101 Immaterialgüterrecht 22, 51, 197, 202 Abmahnung 65, 175 f. Informationsfreiheitsgesetz 207 Abnehmer 97 ff. mittelbare – 99 f. Institutionelle Zweckbindung 164 Interessentheorie 45 unmittelbare – 99 f. Kausalität 78 ff., 198 ff. Absatzkette 99 hypothetische – 84 Abtretbarkeit 125 f. Klageanreiz 37 Abtretungsmodell 3 Kompensationsprinzip 28 Aktivlegitimation 28, 116 ff., 162 f. Alternativverhalten 79 Leistungsklage 159 rechtmäßiges – 79 Marktort 220 Anlauf- und Entwicklungskosten 75 Mehrfachklage 168 ff. Anrechnung 142 ff. Ordre public 219 Parallelwertung in der Laiensphäre 65 Anscheinsbeweis 174, 182, 199 Passivlegitimation 108 ff. Anspruch 45 ff. höchstpersönlicher – 125 Prävention 17 ff. marktregulierender – 123 ff. Prozesskosten 135, 137, 154 sui generis – 54 punitive damages 25, 28, 219 Auffangfunktion 37, 143 rationales Desinteresse 16 Aufwendungserstattungsanspruch 134 ff. Rechnungslegung 185 ff. Auskunftsanspruch 131 ff., 185 ff. Rechtsblindheit 66 Beliehene 46 Rechtsirrtum 66, 177 Rechtskrafterstreckung 204 Belohnungsfunktion 42 Rechtsmissbrauch 162 ff. Bestrafungsmonopol des Staates 25 Beweislastumkehr 174, 184, 200 Rechtsnatur 45 ff. bereicherungsrechtliche – 50 Breitenwirkung 106 Bundesamt für Justiz 130 deliktsrechtliche – 51 Bundesamt für Verbraucherschutz und LebensmitRechtsrat 65 f., 175 ff. Regressanspruchs des Bundeshaushalts 141 telsicherheit 205 effet utile 11 repeat player 32 Einwilligung 124 Rückerstattungsanspruch 155 f. Sachverständiger 203 Erfüllung 127 Erlass 124 Schadensberechnung Fahrlässigkeit 41, 62 dreifache – 72, 81 bewusste – 62 Schätzung einfache – 41 richterliche – 195 ff. grobe – 7 ff., 41 Schuldtheorie 67 funktionale Subjektivierung 23 Sondervermögen 43 Feststellungsklage 160 f. Streuschäden 15 ff. Feststellungsinteresse 160 Stufenklage 159 f. Feststellungswirkung 206 Subjektstheorie 45 Subordinationstheorie 45 tatbestandliche – 206 Subsidiarität 138 Follow-on-Klage 205 ff. Gemeinkosten 73, 181 Teilgewinn 75, 209 Gesamtgläubigerschaft 119 ff., 169 Theorie der Doppelnatur 48 geschäftliche Handlung 55 Überabschreckung 40 Geschäftsführung ohne Auftrag 52 f. unlauteres Verhalten Dritter 113 f. Gewinn Unrechtsbewusstsein 67 -begriff 70 f. Unterlassungsvollstreckung 150 -erzielung 69 ff., 183 Verbandsklage 32 -berechnung 72 ff. Verbotsirrtum 66 f. größerer Personenkreis 103 Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz Grundsatz der Gewinneinheit 209 (VSchDG) 205 Homo oeconomicus 29 f. Verfall 149

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§ 10

Gewinnabschöpfung

Verfassungsmäßigkeit 23 Verhältnismäßigkeitsprinzip 28 Verjährung 160, 208 f. Verletzergewinn 72, 81 Vermögensnachteil unmittelbarer – 87 ff. Verschuldensunabhängigkeit 39 Vertikalverhältnis 98 ff. Vollstreckungsgegenklage 153

Vorteilsabschöpfung 10, 43 f., 154 Vorsatz bedingter – 34 ff., 60 ff., 173 ff. Wirtschaftsprüfervorbehalt 193 Zurechnung fremden Verhaltens 110 ff. Zuständigkeit am Begehungsort – 158 örtliche – 157 sachliche – 157

A. Allgemeines* 1

Die Gewinnabschöpfung ist ein Sanktionsinstrument mit präventivem Charakter, das der Verbesserung der Durchsetzung des Lauterkeitsrechts dient, indem es durch die Abschöpfung des Gewinns von dem Zuwiderhandelnden zugunsten des Bundeshaushalts sicherstellt, dass sich unlauteres Verhalten nicht lohnt. A. Allgemeines I. Entstehungsgeschichte I. Entstehungsgeschichte

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Die Gewinnabschöpfung in § 10 wurde im Zuge der UWG Novelle 2004 eingeführt, um Durchsetzungsdefizite, die vor allem in Fällen von Streuschäden durch die seltene Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der einzelnen Geschädigten zu erkennen waren, im öffentlichen Interesse zu schließen. Zwar gibt es im UWG bereits seit 1896 eine negatorische Verbandsklage, durch die die in § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 genannten Verbände und später auch Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern die Unterlassung unlauteren Verhaltens im öffentlichen Interesse verlangen können. Abmahnung, Unterlassungsverfügung und Unterlassungsklagen sind aber ein allenfalls „stumpfes Schwert“ zur Durchsetzung des Lauterkeitsrechts:1 Ein vorbeugender Unterlassungsanspruch scheitert in der Praxis oft an dem Beweis der Erstbegehungsgefahr.2 Wird aber ein Verletzungsunterlassungsanspruch geltend gemacht, ist der beabsichtigte Gewinn häufig bereits realisiert3 und die Zuwiderhandlung ist aus Sicht des Normadressaten profitabel. Um weitergehenden Sanktionen – insbesondere im Zusammenhang mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung – zu entgehen, genügt oft bereits eine leichte Änderung des Verhaltens.4 Daher hat der Unterlassungsanspruch regelmäßig keinen wirksamen abschreckenden Effekt. Um die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts zu verbessern, wurden daher bereits in 3 den 1970er Jahren Reformen der lauterkeitsrechtlichen Sanktionen diskutiert.5 Im Gespräch waren u.a. eine „Mehrerlösabschöpfung“6 oder ein „kollektiver Schadensersatzanspruch“, der durch einen Verband nach Abtretung individueller Schadensersatzansprüche einzelner Verbraucher durchgesetzt werden sollte (sog. „Abtretungsmodell“).7

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* Bearbeitungsstand: Oktober 2012; Rechtsprechung und Literatur z.T. mit Bearbeitungsstand Juni 2014. 1 Köhler GRUR 2003, 265; ähnlich Micklitz Gutachten z. 69. DJT, S. A 9, 99. 2 Alexander S. 140. 3 Köhler GRUR 2003, 265; Mertens ZHR 139 (1975), 438, 452 f.; Stadler/Micklitz WRP 2003, 559; Micklitz/ Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 53. 4 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 1. 5 Vgl. etwa Schricker GRUR 1979, 1 ff.; Micheli GRUR 1979, 8 ff.; Krieger/Tilmann GRUR 1979, 14 ff. Dazu ausführlich Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 15; Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 14 ff.; Neuberger S. 7 ff. 6 Grauel/Luhrenberg WRP 1980, 521 ff. m.w.N.; Vollmer DB 1979, 2213. 7 Hierzu Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung S. 14 ff.

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I. Entstehungsgeschichte

A. Allgemeines

Darüber hinaus wurden auch andere Vorschläge zur Verbesserung des Verbraucherschutzes durch den Einsatz kollektiver Rechtsdurchsetzungsinstrumente in Erwägung gezogen.8 Die Überlegungen zur Einführung einer Gewinnabschöpfung scheiterten zunächst am rechtspolitischen Widerstand. Dieser schwächte sich jedoch im Zuge der umfassenden Modernisierung und Liberalisierung des UWG von 2004 unter besonderer Berücksichtigung des europäischen Gemeinschaftsrechts zunehmend ab. Die Gewinnabschöpfung wurde schließlich eingeführt, um den Verbraucherschutz bei Streuschäden zu stärken und die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts zu verbessern. Die Gewinnabschöpfung in der Form des § 10 basiert im Wesentlichen auf dem Gut- 4 achten von Micklitz/Stadler, das in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft erstellt wurde,9 sowie dem Entwurf von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig. 10 Beide Vorarbeiten waren sich darüber einig, dass eine effektive Durchsetzung nur durch die Abschöpfung der rechtswidrig erlangten Vorteile möglich ist und daher eine entsprechende Regelung geschaffen werden muss. Gleichwohl weicht die gesetzliche Regelung erheblich von den Vorschlägen in den Vorarbeiten ab. So sollten die abgeschöpften Gewinne nach den Vorarbeiten jeweils den anspruchsberechtigten Verbänden zur Verwendung im Allgemeininteresse bzw. zu satzungsmäßigen Zwecken zustehen und nicht an den Bundeshaushalt abgeführt werden. Anders als die Gesetzesfassung verlangten Micklitz/Stadler einschränkend einen 5 Individualschaden auf Seiten der Verbraucher als Anspruchsvoraussetzung; ließen aber jedes schuldhafte Verhalten genügen, das auf der Grundlage einer Beweislastumkehr zu vermuten war.11 Ihr Vorschlag einer gesetzlichen Regelung der Verbandsklage im UWG lautete: (1) Wer rechtswidrig, schuldhaft gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstößt und hierdurch bei einer Vielzahl von Verbrauchern einen Schaden verursacht, der im Einzelfall die Bagatellgrenze von € 25 nicht überschreitet, kann von qualifizierten Einrichtungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG, welche in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen sind, auf Herausgabe des aufgrund des Wettbewerbsverstoßes erlangten Gewinns in Anspruch genommen werden. Der Kläger kann wahlweise vom Verletzer auch den Betrag herausverlangen, den dieser für die Vornahme der wettbewerbswidrigen Handlung aufgewendet hat. § 287 ZPO findet Anwendung. Der Betrag darf nur für satzungsmäßige Zwecke der klagenden Einrichtung verwendet werden. (2) Soweit es zur Durchsetzung des Anspruchs nach Absatz 1 erforderlich ist, kann von demjenigen, der für den Wettbewerbsverstoß verantwortlich ist, Auskunft verlangt werden. (3) [In den Fällen des Absatzes 1 können einzelne Verbraucher Ansprüche gegen den Verletzer wegen der Zuwiderhandlung nur noch mit dem Ziel geltend machen, einen aufgrund der unlauteren Beeinflussung geschlossenen Vertrag zu lösen oder einen Schaden zu liquidieren, der die Bagatellgrenze überschreitet.] (4) Hat der Verletzer vor Rechtshängigkeit einer auf Absatz 1 gestützten Herausgabeklage an eine andere ebenfalls nach Absatz 1 klagebefugte Einrichtung wegen der Zuwiderhandlung bereits Zahlungen geleistet, so ist dies bei der Bemessung des herauszugebenden Betrages zu berücksichtigen. Ist eine Klage nach Absatz 1 rechtshängig oder über sie rechtskräftig entschieden, können weitere auf Absatz 1 gestützte Klagen anderer Einrichtungen wegen desselben Wettbewerbsverstoßes nicht mehr erhoben werden. (5) § 24 gilt entsprechend.

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8 Ausführlich hierzu Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 15 ff.; Schmauß S. 16 f. 9 Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 1 ff. In Anknüpfung an Stadler Verbandsklage auf Schadensersatz bzw. Gewinnabschöpfung, 2002. 10 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1323. 11 Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 30.

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§ 10

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Gewinnabschöpfung

Im Vorschlag von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig war in § 9 Abs. 2 der Anwendungsbereich des Abschöpfungsanspruchs abschließend auf vier aufgezählte besonders erhebliche Normverstöße gegenüber Verbrauchern beschränkt, die planmäßig verwirklicht sein mussten. Der Vorschlag lautete: (2) 1 Werden Verbraucher – über den Wert einer Ware oder Dienstleistung, – über Verdienstmöglichkeiten oder Gewinnchancen, – über das Bestehen einer Zahlungspflicht oder – über das Zustandekommen einer Verbindung zu einem Telekommunikationsmehrwertdienst oder die dabei anfallenden Gebühren planmäßig getäuscht und dadurch zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen veranlasst, kann der Verantwortliche von qualifizierten Einrichtungen im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 3 auf Herausgabe des auf Kosten der Verbraucher erzielten Gewinns (Mehrerlös) in Anspruch genommen werden. 2 Bei der Bemessung des herauszugebenden Mehrerlöses sind Schadensersatzleistungen nach Absatz 1 und Rückzahlungen an Verbraucher zu berücksichtigen. 3 Die Höhe des Mehrerlöses kann vom Gericht geschätzt werden. 4 Beanspruchen mehrere qualifizierte Einrichtungen den Mehrerlös, so gelten die §§ 428 bis 430 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. 5 Der herausgegebene Mehrerlös darf nur für satzungsmäßige Zwecke der qualifizierten Einrichtungen verwendet werden.12

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In Anlehnung an diese Vorarbeiten war im RefE vom 23.1.2003 in § 9 erstmals eine Gewinnabschöpfung zur Abführung an den Bundeshaushalt vorgesehen: (1) Wer dem § 3 vorsätzlich oder grob fahrlässig zuwiderhandelt und hierdurch systematisch einer Vielzahl von Abnehmern einen Schaden zufügt, kann von den gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten auf Herausgabe des auf Kosten der Abnehmer erzielten Gewinns in Anspruch genommen werden. (2) Absatz 1 gilt nicht, soweit der Gewinn durch Schadensersatzleistungen nach § 8 oder durch Erfüllung von auf Grund der Zuwiderhandlung entstandener Ansprüche der Abnehmer ausgeglichen ist. Soweit der Zuwiderhandelnde nach Erfüllung des Anspruchs nach Absatz 1 Schadensersatz nach § 8 geleistet oder auf Grund der Zuwiderhandlung entstandene Ansprüche erfüllt hat, erstattet der Gläubiger dem Zuwiderhandelnden den abgeführten Gewinn in Höhe der nachgewiesenen Zahlungen zurück. (3) Beanspruchen mehrere Gläubiger den Gewinn, so gelten die §§ 428 bis 430 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. (4) Die Gläubiger haben den abgeführten Gewinn nach Abzug der zur Geltendmachung des Anspruchs erforderlichen Aufwendungen an den Bundeshaushalt herauszugeben. Soweit die Gläubiger nach Erfüllung des Anspruchs nach Satz 1 Zahlungen im Sinne von Absatz 2 Satz 2 geleistet haben, wird den Gläubigern der abgeführte Gewinn in Höhe der nachgewiesenen Zahlungen aus dem Bundeshaushalt erstattet. Die Gläubiger haben der zuständigen Stelle des Bundes über die Geltendmachung sowie die Erfüllung von Ansprüchen nach Absatz 1 Auskunft zu erteilen und auf Verlangen Rechenschaft abzulegen. (5) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrats nicht bedarf, festzulegen, welche Behörde oder sonstige öffentliche Stelle des Bundes zuständige Stelle im Sinne von Absatz 4 ist.

Im Gegensatz zu den Vorarbeiten sollte die Gewinnabschöpfung bei vorsätzlichen und bei grob fahrlässigen Zuwiderhandlungen möglich sein, wenn hierdurch systematisch einer Vielzahl von Abnehmern ein Schaden zugefügt wurde.13 Der Ausschluss lediglich fahrlässiger Zuwiderhandlungen aus dem Anwendungsbereich wurde damit be-

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Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317. Begr. RefE GRUR 2003, 298, 299.

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I. Entstehungsgeschichte

A. Allgemeines

gründet, dass insbesondere in den unklaren Grenzbereichen des Zulässigen oder Unzulässigen der Präventionsgedanke zum Schutz der Wirtschaft vor unangemessenen Belastungen durch das hiermit anderenfalls einhergehende Prozessrisiko zurücktreten müsse.14 Anders als in den Vorarbeiten war im RefE nun erstmals vorgesehen, dass der Gewinn zunächst an den klagenden Verband und von dort an den Bundeshaushalt abzuführen sei, um der Gefahr entgegenzuwirken, „dass der Anspruch aus dem letztlich sachfremden Motiv der Einnahmeerzielung heraus geltend gemacht würde“.15 Im RegE vom 7.5.2003 wurden nunmehr in § 10 grob fahrlässige Wettbewerbsver- 8 stöße vom Anwendungsbereich ausgenommen und nur vorsätzliche Verhaltensweisen mit der Gewinnabschöpfung sanktioniert: (1) Wer dem § 3 vorsätzlich zuwiderhandelt und hierdurch auf Kosten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, kann von den gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten auf Herausgabe dieses Gewinns in Anspruch genommen werden. (2) Auf den Gewinn sind die Leistungen anzurechnen, die der Schuldner auf Grund der Zuwiderhandlung an Dritte oder an den Staat erbracht hat. Soweit der Schuldner solche Leistungen erst nach Erfüllung des Anspruchs nach Absatz 1 erbracht hat, erstattet der Gläubiger dem Schuldner den abgeführten Gewinn in Höhe der nachgewiesenen Zahlungen zurück. (3) Beanspruchen mehrere Gläubiger den Gewinn, so gelten die §§ 428 bis 430 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. (4) Die Gläubiger haben den abgeführten Gewinn nach Abzug der zur Geltendmachung des Anspruchs erforderlichen Aufwendungen an den Bundeshaushalt herauszugeben. Soweit die Gläubiger nach Erfüllung des Anspruchs nach Satz 1 Zahlungen im Sinne von Absatz 2 Satz 2 geleistet haben, wird den Gläubigern der abgeführte Gewinn in Höhe der nachgewiesenen Zahlungen aus dem Bundeshaushalt erstattet. Die Gläubiger haben der zuständigen Stelle des Bundes über die Geltendmachung sowie die Erfüllung von Ansprüchen nach Absatz 1 Auskunft zu erteilen und auf Verlangen Rechenschaft abzulegen. (5) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, festzulegen, welche Behörde oder sonstige öffentliche Stelle des Bundes zuständige Stelle im Sinne von Absatz 4 ist.

Die Begründung für die im Vergleich zum RefE weitergehende Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs auf vorsätzliche Verstöße unterschied sich nicht wesentlich von der Begründung für den Ausschluss der Fahrlässigkeit im RefE. Durch den Ausschluss des fahrlässigen bzw. grob fahrlässigen Fehlverhaltens sollte jeweils das in Grenzbereichen wettbewerbsrechtlicher Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit regelmäßig bestehende erhebliche Prozessrisiko eingeschränkt werden, um so unangemessene Belastungen für die Wirtschaft zu vermeiden.16 Im Gegenzug wurde im RegE auf die im RefE enthaltene Voraussetzung der „systematischen“ Zufügung eines „Schadens“ verzichtet. Die erhebliche Kritik des Bundesrats an dem RegE als „unausgereift“ und „nicht 9 praktikabel“17 hatte die Bundesregierung zurückgewiesen18 und den RegE im Wesentlichen in die endgültig durch den Bundestag verabschiedete Fassung des § 10 aufgenommen. Allerdings vereinfachte der Bundestag die Abwicklung der Abführung, die nach dem RegE zunächst über die anspruchsberechtigten Verbände an den Bundeshaushalt erfolgen sollte, indem der Zuwiderhandelnde den Gewinn nunmehr direkt ohne

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Begr. RefE GRUR 2003, 298, 309. Begr. RefE GRUR 2003, 298, 310. Hierzu Begr. RegE UWG 2003, S. 23 f. Stellungnahme des Bundesrates RegE UWG 2003, S. 29, 34 ff. Gegenäußerung der Bundesregierung RegE UWG 2003, S. 43.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

Umweg an den Bundeshaushalt abzuführen hat.19 Hierdurch sollen die Zahlungs- und Rückzahlungswege abgekürzt werden. Darüber hinaus führte der Bundestag aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 14.1.2004 das Tatbestandsmerkmal „zu Lasten“ anstelle der Formulierung „auf Kosten“ im RegE ein, um so klarzustellen, dass es für die Gewinnabschöpfung nicht auf die einzelfallbezogenen Nachteile ankommt, sondern die Zuwiderhandlung bei einer Vielzahl von Abnehmern eine wirtschaftliche Schlechterstellung hervorgerufen haben muss.20 Nach Einführung der Gewinnabschöpfung im Lauterkeitsrecht hat der Gesetzgeber 10 im Kartellrecht mit § 34a GWB eine ähnliche Regelung nach dem Modell des § 10 geschaffen. Im Unterschied zu der lauterkeitsrechtlichen Gewinnabschöpfung greift die kartellrechtliche Vorteilsabschöpfung allerdings nur subsidiär, soweit nicht die Kartellbehörde eine Abschöpfung der wirtschaftlichen Vorteile angeordnet hat (§ 34a Abs. 1 a.E. GWB). Zudem geht § 34a GWB über § 10 hinaus, indem er die Abschöpfung von Vorteilen anordnet, die neben dem Gewinn auch weitere vermögenswerte Vorteile – wie etwa eine verbesserte Marktposition, angebahnte Geschäftsbeziehungen etc. – erfasst.21 II. Europäische Entwicklung II. Europäische Entwicklung 11

Die Einführung der Gewinnabschöpfung ist nicht zuletzt durch die Richtlinie 2002/ 58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation sowie die Vorarbeiten zu der Richtlinie 2005/29/ EG über unlautere Geschäftspraktiken beeinflusst.22 Die Richtlinien verpflichten zwar die Mitgliedstaaten nicht zur Einführung einer Gewinnabschöpfung, verlangen aber jeweils in Art. 13 wirksame, abschreckende und verhältnismäßige Sanktionen.23 Eine unionsweit einheitliche Rechtsanwendung im Sinne des effet utile setzt voraus, dass ausreichend strenge Sanktionsregeln die Befolgung des harmonisierten Rechts gewährleisten.24 Entscheidet sich ein Mitgliedstaat für die Einführung privatrechtlicher Sanktionen – wie etwa die Gewinnabschöpfung – muss er sich hierbei an der Maßgabe messen lassen, dass die Sanktion wirksam, abschreckend und verhältnismäßig wirkt.25 Wann eine Sanktion den unionsrechtlichen Grunderfordernissen des effet utile genügt, haben die Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihr nationales Recht zu beurteilen.26 Die Wirksamkeit, Verhältnismäßigkeit und abschreckende Wirkung der Sanktionen richtet sich nach den Zielen der jeweiligen verletzten Norm des Unionsrechts.27 Dabei ist auch zu berücksichti-

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19 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsauschusses, BTDrucks. 15/2795, S. 21. 20 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsauschusses, BTDrucks. 15/2795, S. 21. 21 Statt aller Frankfurter Kommentar/Roth § 34a GWB Rn. 19. 22 Siehe Begr. RegE UWG 2003, S. 12. 23 Zu den Vorgaben der UGP-Richtlinie für die Durchsetzung Poelzig Private or public enforcement of the UCP Directive? Sanctions and remedies to prevent unfair commercial practices, in van Boom/Garde/ Akseli (Hrsg.) The Unfair Commercial Practices Directive: Impact, Enforcement Strategies and National Legal Systems (im Erscheinen). 24 Hopt ZGR 1991, 17, 55; Brellochs S. 81. 25 Vgl. hierzu die Rechtsprechung des EuGH im Antidiskriminierungsrecht EuGH 10.4.1984 – Rs. 79/83, Slg. 1984, 1922 – Harz; EuGH 8.11.1990 − C-177/88 − Slg. 1990, I-3941 Tz. 25 – Dekker ./. VJV Centrum. 26 EuGH, GA Colomer, Schlussanträge 26.5.2005 − C-176/03 – Slg. 2005, I-7879 Tz. 48 – Umweltrahmenbeschluss; EuGH, GA Colomer, Schlussanträge 11.12.2003 − C-30/02 – Slg. 2004, I-6051 Tz. 29 − Recheio; EuGH, GA Colomer, Schlussanträge 14.3.2002 − C-255/00 − Slg. 2002, I-8003 Tz. 27 – Grundig Italiana. 27 EuGH 12.9.1996 − C-58/95 − Slg. 1996, I-4345 Tz. 14 – Strafverfahren gegen Sandro Gallotti; EuGH 21.9.1989 − C-68/88 − Slg. 1989, 2965 Tz. 23 – Kommission ./. Griechenland.

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II. Europäische Entwicklung

A. Allgemeines

gen, dass die Gewinnabschöpfung nur eine Form der Rechtsdurchsetzung neben anderen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Sanktionen darstellt. Darüber hinaus verdichten sich auf unionsrechtlicher Ebene die Bestrebungen zu 12 einer weitergehenden Harmonisierung kollektiver Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten im Interesse des Verbraucherschutzes.28 Im Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher ist eine Reihe von Maßnahmen zur kollektiven Durchsetzung von Verbraucherrechten vorgesehen.29 Der Schwerpunkt des Grünbuchs liegt dabei auf der Bekämpfung unlauterer Verhaltensweisen im Wettbewerb. Damit verfolgt die Kommission vor allem das Ziel, „die Bürger zur aktiven Beteiligung im Sinne eines guten Funktionierens der Märkte zu ermutigen“. Dies soll dazu beizutragen, „solide Wettbewerbsbedingungen zu bewahren.“30 Neben anderen Optionen31 werden verschiedene kollektive Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung erörtert: Dazu gehören u.a. Muster-, Gruppen- oder Sammelklagen, Verbandsansprüche und vor allem auch private oder behördliche Abschöpfungsinstrumente.32 In diesem Zusammenhang warnt die Europäische Kommission jedoch ausdrücklich vor einer litigation culture. Demnach seien vor allem US-amerikanische Regelungsinstrumente zu vermeiden, die – wie etwa Strafschadensersatz (punitive damages) oder Erfolgshonorare (contingency fees) – „eine Kultur des Rechtsstreits fördern würden“.33 Nach Abschluss einer öffentlichen Anhörung über gemeinsame Rechtsgrundsätze 13 zur Schaffung der Möglichkeit von Sammelklagen in der EU34 hat die Europäische Kommission im Juni 2013 eine Empfehlung zur kollektiven Rechtsdurchsetzung verabschiedet.35 Damit hat sie sich vorerst gegen eine verbindliche Harmonisierung der kollektiven Rechtsdurchsetzung entschieden. Die Empfehlung gilt für sämtliche Bereiche, in denen kollektive Rechtsschutzmöglichkeiten zur effektiven Durchsetzung des EU-Rechts geeignet sind. Neben dem Verbraucherschutz und dem Wettbewerbsrecht gehören dazu nach der Empfehlung auch der Umweltschutz, der Schutz personenbezogener Daten, das Finanzdienstleistungsrecht sowie der Anlegerschutz. Ziel der Empfehlung ist die Vereinfachung des Zugangs zu Rechtsschutz und Verbraucherschutz durch einheitliche kollektive Rechtsbehelfe, die auf Unterlassen und Schadensersatz auf nationaler Ebene gerichtet sind. Die Verfahren sollen fair, angemessen, zeitgemäß und nicht abschreckend teuer sein. Da § 10 auf Abführung des Gewinns an den Bundeshaushalt gerichtet ist und gerade nicht der kollektiven Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der Geschädigten dient, besteht im deutschen Lauterkeitsrecht mit Rücksicht auf die Empfehlung der kollektiven Rechtsdurchsetzung von Schadensersatzansprüchen weiterhin Handlungs-

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28 Die unionsweite Einführung einer Gewinnabschöpfung fordert Lettl Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, S. 345 ff. 29 Kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher KOM (2008) 794 endg., 27.11.2008 (Grünbuch). 30 KOM (2008) 794 endg., Tz. 1. 31 Weitere Optionen des Grünbuchs sind, zunächst keine Maßnahmen auf europäischer Ebene zu ergreifen (Tz. 20 ff.), die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern (Tz. 23 ff.) sowie eine Kombination aus rechtsverbindlichen zivil- und öffentlich-rechtlichen und rechtsunverbindlichen Maßnahmen, insbesondere die Verbesserung der Kooperation bestehender nationaler Verbraucherorganisationen (Tz. 32 ff.). 32 KOM (2008) 794 endg., Tz. 48 ff. Kritisch hierzu Alexander WRP 2009, 683, 686. 33 KOM (2008) 794 endg., Tz. 48. 34 Mitteilung der Kommission vom 11.6.2013 „Auf dem Weg zu einem allgemeinen europäischen Rahmen für den kollektiven Rechtsschutz“, KOM (2013) 401 endg. 35 Empfehlung der Kommission vom 11.6.2013 Gemeinsame Rechtsgrundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten, 2013/396/EU; dazu bereits Montag ZRP 2013, 172, 173 f.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

bedarf. Eine kollektive Sammelklage zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gibt es im deutschen Recht bislang nicht. Spätestens im Juli 2017 sollen die Umsetzung der Empfehlung in den Mitgliedstaaten und die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen zur Konsolidierung und Stärkung der allgemeinen Ausrichtung der Empfehlung bewertet werden. III. Zweck der Regelung III. Zweck der Regelung 14

Die ausführliche Diskussion36 um den Zweck des § 10 hat nicht nur theoretische Bedeutung, sondern ist auch praktisch relevant, soweit es um das Verständnis der Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Gewinnabschöpfung geht.37

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1. Vollzugsdefizite bei Streuschäden. Mit dem Hinweis auf die Gesetzesbegründung38 wird der Zweck des § 10 häufig darin erkannt, Vollzugsdefizite zu schließen, die sich bei den sog. Bagatell- und Streuschäden ergeben können, da in diesen Fällen die einzelnen Geschädigten ihre Ansprüche kaum selbst verfolgen. Die Gewinnabschöpfung sei demnach ein „Instrument zur Liquidation von Streuschäden“39 bzw. trete an die Stelle von Schadensersatz- und Mängelgewährleistungsansprüchen, „welche auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten in der Praxis kaum zur Durchsetzung gelangen“.40 Streuschäden zeichnen sich dadurch aus, dass die einzelnen Abnehmer relativ ge16 ringe wirtschaftliche Einbußen erleiden, aber kumuliert ein erheblicher Schaden entsteht. Der Gesetzgeber nennt beispielhaft hierfür die „Einziehung geringer Beträge ohne Rechtsgrund, Vertragsschlüsse auf Grund irreführender Werbung, gefälschte Produkte sowie so genannte Mogelpackungen“.41 Mitbewerber haben in diesen Fällen häufig keinen eigenen Schadensersatzanspruch oder scheitern an dem Nachweis eines eigenen Schadens.42 Der einzelne geschädigte Verbraucher wird demgegenüber angesichts des geringen Individualschadens regelmäßig ein „rationales Desinteresse“ an der Verfolgung seiner Ansprüche verspüren. Die Gründe hierfür liegen in dem aus Sicht des Geschädigten ungünstigen Verhältnis zwischen seinem möglichen Nutzen und den drohenden hohen Kosten in Form von Zeit und Mühe sowie für die aufwendige Ermittlung und Analyse der notwendigen Informationen. Da dem relativ geringfügigen Nutzen aus einer erfolgreichen Klage ein hohes Prozesskostenrisiko und ein erheblicher Aufwand gegenüber stehen, verzichten die Geschädigten häufig auf die individuelle Geltendmachung ihrer Ansprüche. Im Schrifttum geht man davon aus, dass Geschädigte bei einer Schadenshöhe von bis zu ca. € 25 keine Klage anstrengen.43 Nach einer Umfrage auf europäischer Ebene verzichten ca. 20 Prozent der europäischen Verbraucher aufgrund hoher Kosten, Prozessrisiken und langer sowie komplizierter Verfahren auf die klageweise

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36 Ausführlich Alexander S. 483 ff.; ders. JZ 2006, 892, 893 f.; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 3. 37 Alexander S. 483; ders. JZ 2006, 890, 892. 38 Vgl. Begr. RegE UWG 2003, S. 23: „Mit der Regelung eines Gewinnabschöpfungsanspruches werden die zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen wegen eines Verstoßes gegen das UWG mit dem Ziel einer weiteren Verbesserung der Durchsetzung des Lauterkeitsrechts erweitert. Das bisherige Recht hat Durchsetzungsdefizite bei den so genannten Streuschäden“. 39 Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 111. 40 OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435, 436 – Veralteter Matratzentest. 41 Begr. RegE UWG 2003, S. 23. 42 Zu der praktischen Bedeutung des Schadensersatzanspruchs und den möglichen Gründen für die Nichtdurchsetzung Teplitzky GRUR 1987, 215 ff. 43 Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 92 f.; Stadler Bündelung von Interessen, S. 13; Mansel/Dauner-Lieb/Henssler/Hess S. 61, 77; Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 112: Betrag höher als 25 Euro.

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III. Zweck der Regelung

A. Allgemeines

Durchsetzung, wenn der begründete Anspruch die € 1.000 Grenze nicht überschreitet.44 Bei Streitwerten unter € 200 lehnt hiernach sogar die Hälfte der Verbraucher eine Individualklage ab.45 Eine allgemeingültige Grenze wird sich indes nicht ermitteln lassen, da die Entscheidung über die klageweise Durchsetzung neben dem zu erwartenden Gewinn durch ein Bündel weiterer Faktoren beeinflusst werden kann. 2. Verbesserung der Normdurchsetzung durch Prävention und Abschreckung. 17 Zwar waren die Durchsetzungsdefizite bei Streuschäden der Anlass für den Gesetzgeber, die Gewinnabschöpfung einzuführen. Gleichwohl liegt der Zweck des § 10 aber nicht darin, die individuellen Schadensersatzansprüche anstelle der Berechtigten gebündelt geltend zu machen. Ginge es bei der Gewinnabschöpfung um die vollständige Durchsetzung aller Schadensersatzansprüche, müssten diejenigen, deren Ansprüche nicht oder nur unzureichend durchgesetzt werden, von der Gewinnabschöpfung unmittelbar profitieren.46 Dies ist nach dem derzeitigen Gesetzesstand aber gerade nicht der Fall, da der abgeschöpfte Betrag an den Bundeshaushalt fließt. Aufgabe der Gewinnabschöpfung ist es vielmehr, als marktregulierendes Steuerungsinstrument die Einhaltung der lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnormen durch Prävention und Abschreckung47 zu gewährleisten, soweit „der Wettbewerb eine Auslese zwischen rechtlich erwünschten und unerwünschten Praktiken nicht gewährleistet“ und insoweit ein Marktversagen vorliegt.48 Nicht der Interessenausgleich und die Kompensation der einzelnen Geschädigten stehen daher bei § 10 im Vordergrund, sondern die wirksame Durchsetzung der lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnormen und damit das Allgemeininteresse an dem Schutz des Marktes.49 Gemäß dem Grundsatz „Widerrechtliches Verhalten darf sich nicht lohnen“50 werden dem Normadressaten die Vorteile aus einem Fehlverhalten genommen.51 Normwidriges Verhalten soll unrentabel und der Anreiz zur Einhaltung der lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnormen erhöht werden. Dem in der Praxis weit verbreiteten Gedanken „Unlauteres Verhalten rentiert sich immer“52 soll so die Grundlage entzogen werden.53 Aufgabe des § 10 ist es, die Einhaltung der lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnormen durch die Beseitigung von Fehlanreizen zu gewährleisten. Dabei ist der Zweck der Gewinnabschöpfung nicht darauf beschränkt, lukrative De- 18 likte zu verhindern, durch die unfreiwillige Transaktionen unter Umgehung des Marktes ausgelöst werden.54 Der deutsche Gesetzgeber geht mit § 10 über den für § 687 Abs. 2 BGB anerkannten Grundsatz hinaus, wonach „nicht jeder vorsätzliche Verstoß gegen die

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44 KOM (2008) 794 endg., S. 4. 45 Spezial-Eurobarometer bezüglich des Zugangs zur Justiz, Oktober 2004, S. 29; KOM (2008) 794 endg., S. 4. 46 Alexander JZ 2006, 890, 893. 47 Begr. RegE UWG 2003, S. 34 f.; Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 92 ff. 48 So ausdrücklich zu dem marktregulierenden Charakter der Abschöpfungsansprüche Alexander JZ 2006, 890, 895. Ähnlich MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 53; Augenhofer/Stadler S. 117, 119. 49 Begr. RegE UWG 2003, S. 24; Stadler/Micklitz WRP 2003, 559, 562: „[…] für die Staatskasse die Kastanien aus dem Feuer zu holen“; Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 16: „[…] womit die Verbände im Ergebnis ein Geschäft des Bundes besorgen“. 50 „Tort must not pay“ (Lord Devlin in: Rookes v. Barnard, (1964), A.C. 1129, 1227). 51 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 4; Alexander JZ 2006, 890, 893. 52 Vgl. M. Lehmann GRUR Int. 2004, 762, 763; Schricker GRUR 1979, 1, 3. 53 Begr. RegE UWG 2003, S. 13. 54 Nach teilweise vertretener Auffassung sollte die Gewinnabschöpfung „der Verhinderung lukrativer Delikte im Sinne eines erzwungenen Nutzentransfers unter Umgehung des Marktes, nicht aber dem unbedingten Gehorsam gegenüber sämtlichen Verhaltensnormen einer modernen Wirtschafts- und Sozialordnung“ dienen (Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 91 mit Verweisung auf Posner, Economic

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§ 10

Gewinnabschöpfung

Spielregeln des fairen Leistungswettbewerbs einen Anspruch auf Gewinnabschöpfung auslöst“.55 Die Einführung der Gewinnabschöpfung war im Lauterkeitsrecht besonders dringlich, 19 weil eine Aufsichtsbehörde, die die Einhaltung der lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnormen hätte überwachen können, nicht existierte und insoweit ein Normdurchsetzungsdefizit zu konstatieren war.56 Auch nach Einführung behördlicher Aufsichtsinstrumente bei innergemeinschaftlichen Verstößen durch das VSchDG bleibt die privatrechtliche Durchsetzung des UWG durch Verbände grundsätzlich vorrangig (vgl. § 7 VSchDG; ausführlich dazu Rn. 205). Die Gewinnabschöpfung ist Bestandteil einer allgemeinen Entwicklung im Wirt20 schaftsrecht, privaten Verbänden und Marktteilnehmern eigene privatrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz oder eben auf Abschöpfung zu verleihen und sie so gezielt zur Stärkung der Normdurchsetzung zu instrumentalisieren.57 Die Stärkung privatrechtlicher Durchsetzungsmechanismen ist vor allem unter dem Aspekt des „schlanken Staates“ ein zunehmend diskutierter Gedanke.58 Mit der privatrechtlichen Durchsetzung von Marktverhaltensnormen wird das Recht in die Hände derjenigen gelegt, die als Marktteilnehmer selbst ein eigenes Interesse an der Funktionsfähigkeit des Marktes und damit auch der Einhaltung der Marktverhaltensnormen haben. Der Blickwinkel privatrechtlicher Regelungen verschiebt sich hier von dem Schutz von Individualinteressen und dem Interessenausgleich zwischen den Marktteilnehmern hin zur Durchsetzung von Verhaltensnormen. 21 Dem Privatrecht eine Steuerungsaufgabe im Interesse des Gemeinwohls zuzuweisen, stößt aber in Rechtsprechung und Schrifttum bislang überwiegend auf Ablehnung.59 So erkennt auch das BVerfG die „Aufgabe des bürgerlichen Rechts […] in erster Linie [darin], Interessenkonflikte zwischen rechtlich gleichgeordneten Rechtssubjekten möglichst sachgerecht zu lösen“.60 Im Schrifttum wurde und wird bis heute eine eigenständige Präventionsfunktion des Privatrechts abgelehnt.61 Die strikte Unterscheidung des Privatrechts vom Strafrecht als Sanktions- und Präventionsinstrument galt im 19. Jahrhundert nach der Verdrängung des Strafprinzips und der Privatstrafe aus dem Privatrecht als Errungenschaft einer neuen Rechtskultur.62 Um das Privatrecht „weitgehend ideologiefrei“ zu belassen63 und der Verhältnismäßigkeit und Proportionalität gerecht zu werden, müsse die Prävention als lediglich „erwünschtes Nebenprodukt“ gegenüber der überragenden Kompensationsfunktion zurücktreten.64

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Analysis of Law, (neuere Auflagen verfügbar), S. 205). Zu der rechtsökonomischen Begründung Polinsky/ Shavell 10 J.L.Econ & Org. 10, 427. 55 Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 91. 56 Vgl. Augenhofer/Stadler S. 117, 127. Zu der insoweit unterschiedlichen Ausgangslage der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung gemäß § 34a GWB Poelzig S. 187 f. 57 Ausführlich hierzu Poelzig Normdurchsetzung durch Privatrecht, passim. Vgl. die Gesetzesbegründung zu § 10 RegE UWG 2003, S. 24. 58 Für das Umweltrecht, vgl. Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann S. 7, 13; Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann S. 261, 277 ff.; Kloepfer § 6 Rn. 4. 59 Zur gegenwärtigen Situation vgl. Wagner AcP 206 (2006), 352 ff.; Poelzig S. 24 ff. Ausführlich zur präventiven Funktion von Schadensersatzansprüchen vgl. Schlobach Das Präventionsprinzip im Recht des Schadensersatzes, passim. 60 BVerfG 24.2.1971 – 1 BvR 435/68 – BVerfGE 30, 173, 199 – Mephisto. 61 Statt aller Stürner AfP 1998, 1: „Einbruch des amerikanischen Cowboy-Rechts“; Stiefel/Stürner VersR 1987, 829, 838. 62 Dreier S. 516 f. 63 Esser/Schmidt § 30 II, S. 170, 176: „Handhabung ungemein erleichternde Geradlinigkeit“. 64 Larenz Schuldrecht Bd. I, § 27 I, S. 392; Canaris FS Deutsch, S. 85, 99; mit Blick auf das Schadensrecht (im Gegensatz zum Haftungsrecht) auch Lange/Schiemann Einl III 2, S. 11.

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IV. Rechtspolitische Diskussion

A. Allgemeines

Bei der Normdurchsetzung durch Abschreckung und Prävention handelt es sich 22 gleichwohl um eine legitime Aufgabe des Privatrechts, die vor allem durch das unionsrechtliche Strukturprinzip der funktionalen Subjektivierung unter Berufung auf das Effektivitätsgebot gefördert wird und darüber hinaus mit dem deutschen Verfassungsrecht vereinbar ist.65 Der „Privatisierung“ des Gemeinwohls in Form der privatrechtlichen Normdurchsetzung stehen weder die verfassungsrechtlich geschützte Privatautonomie noch rechtsstaatliche Prinzipien entgegen. Der Präventionsgedanke ist auch dem bürgerlichen Recht nicht fremd. Der BGH hat sich mit der verhaltenssteuernden Funktion des Deliktsrechts insbesondere in seiner Rechtsprechung zu dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in den Medien auseinandergesetzt und diese darin ausdrücklich anerkannt.66 Demzufolge muss die Höhe des Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts so bemessen werden, dass die drohende Haftung tatsächlich abschreckende Wirkung entfaltet und zur Verhinderung von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beitragen kann.67 Ähnlich soll die alternative Berechnung des Schadensersatzanspruchs anhand des Gewinns der Zuwiderhandelnden im Immaterialgüterrecht verhindern, dass sich normwidriges Verhalten – hier unter Umgehung der Marktmechanismen – lohnt.68 So verwundert es nicht, dass die Präventionsfunktion als eigenständige Funktion des Privatrechts zunehmend Anhänger findet.69 Teilweise wird der verhaltenssteuernden Funktion bereits eine wesentliche, der Ausgleichsfunktion ebenbürtige Bedeutung beigemessen.70 IV. Rechtspolitische Diskussion IV. Rechtspolitische Diskussion Die Gewinnabschöpfung ist sowohl im Schrifttum71 als auch in der politischen Dis- 23 kussion72 und in der Praxis auf erhebliche Kritik gestoßen. Teilweise wird die Regelung deshalb auch als „Zankapfel der UWG-Reform“,73 als „neues Schreckgespenst“74 oder als „schöner bunter Papiertiger“75 bezeichnet. Die Kritiker der Vorschrift ziehen ihre Verfassungsmäßigkeit und ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Privatrechts in Zweifel und beanstanden die Reichweite und den Anwendungsbereich der Vorschrift entweder als zu eng oder als zu weit. Andere beklagen ihre fehlende Praktikabilität.76 1. Verfassungsrechtliche Kritik. Anknüpfungspunkt für die verfassungsrechtlichen 24 Bedenken ist die Funktionsweise der Gewinnabschöpfung, durch Abschreckung und Prävention die Durchsetzung der lauterkeitsrechtlichen Normen zum Schutz des Wettbe-

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65 Hierzu Poelzig S. 272 ff. 66 BGH 15.11.1994 – VI ZR 56/94 – BGHZ 128, 1, 15 = GRUR 1995, 224, 229 – Caroline von Monaco: „Außerdem soll der Rechtsbehelf der Prävention dienen.“; BGH 5.10.2004 – VI ZR 255/03 – BGHZ 160, 298, 302 f. = GRUR 2005, 179, 180: „Außerdem soll sie der Prävention dienen“. 67 BGH 15.11.1994 – VI ZR 56/94 – BGHZ 128, 1, 15 = GRUR 1995, 224, 229 – Caroline von Monaco. 68 Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 87. Grundlegend BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366 = GRUR 2001, 329 – Gemeinkostenanteil. 69 Alexander S. 156; Poelzig 478 ff.; Wagner AcP 206 (2006), 352 ff.; M. Lehmann GRUR Int. 2004, 762, 765. 70 MünchKomm/Wagner Vor §§ 823 ff. BGB, Rn. 39 ff. 71 Siehe zur Kritik Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 105 ff.; Stadler/Micklitz WRP 2003, 559, 562. 72 Anrufung des Vermittlungsausschusses, BTDrucks. 15/3163, S. 2. 73 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 2; Alexander JZ 2006, 890, 891. 74 Engels/Salomon WRP 2004, 32, 42. 75 Stadler/Micklitz WRP 2003, 559, 562. 76 Engels/Salomon WRP 2004, 32, 43; Köhler GRUR 2003, 265, 266; ders. NJW 2004, 2121, 2126; Sack WRP 2003, 549, 552; ders. BB 2003, 1073, 1080; Stadler/Micklitz WRP 2003, 559, 562. Vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrates RegE UWG 2003, S. 34.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

werbs zu verbessern. Es handle sich bei der Gewinnabschöpfung um ein „verkapptes strafrechtliches Instrument“.77 Das verletze das Bestrafungsmonopol des Staates, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die besonderen strafrechtlichen Verfahrensgarantien, den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie das Verbot der Doppelbestrafung.78 a) Strafcharakter der Regelung. Der BGH lehnt die Anerkennung von US-amerikanischen Urteilen, die auf Strafschadensersatz (punitive damages) lauten, als unvereinbar mit dem ordre-public-Vorbehalt ab und begründet dies damit, dass die Indienstnahme des Einzelnen als „privater Staatsanwalt“ anstelle des Staates „nach deutscher Rechtsauffassung mit dem Bestrafungsmonopol des Staates und den dafür eingeführten besonderen Verfahrensgarantien unvereinbar“ ist.79 Bestrafung und Abschreckung sind demnach allein der Kriminalstrafe i.S.d. §§ 46 f. StGB vorbehalten, können daher nicht Aufgabe der zivilrechtlichen Ansprüche sein.80 Allerdings betonte der BGH in seiner Entscheidung auch, dass es sich anders verhalten kann, „soweit mit der Verhängung von Strafschadensersatz […] vom Schädiger durch die unerlaubte Handlung erzielte Gewinne abgeschöpft werden sollen“.81 Die Abschöpfung unerlaubt erzielter Gewinne unterfällt demnach nicht dem Bestrafungsmonopol des Staates. Die Gewinnabschöpfung stellt kein der Vergeltung entsprechendes persönliches Unwerturteil auf;82 es zielt lediglich auf den Abzug tatsächlich erzielter Unrechtsvorteile. Weitere Nachteile sind für den Zuwiderhandelnden mit der Abschöpfung nicht verbunden. Die Präventionsfunktion allein kann nicht die Einordnung der Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Regelung im formalen oder materiellen Sinne begründen. Gegen den Strafcharakter der Abschöpfung spricht zudem, dass § 10 auch gegenüber juristischen Personen gilt, die grundsätzlich nicht Adressaten des Strafrechts sein können.83 Daher vermögen die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die privatrechtliche Gewinnabschöpfung, die sich vor allem auf den vermeintlichen Strafcharakter der Regelung stützen, letztlich nicht zu überzeugen.84 Aus diesem Grund ist die Gewinnabschöpfung auch nicht an den das Strafrecht lei26 tenden Verfassungsprinzipien zu messen. Der Grundsatz ne bis in idem gilt gemäß Art. 103 Abs. 3 GG im deutschen Recht85 und gemäß Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens, Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK auch als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts auf dem Gebiet der EU.86 Demnach darf niemand wegen einer Straftat, derentwegen er bereits nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden. Art. 103 Abs. 3 GG verbietet über die mehrfache Bestrafung hinaus schon die wiederholte Einleitung eines Strafverfahrens wegen derselben Tat87 und begründet damit ein Prozesshindernis, wenn eine 25

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77 Mönch ZIP 2004, 2032, 2038; Sack BB 2003, 1073, 1080; ders. WRP 2003, 549, 552; Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 16. 78 Mönch ZIP 2004, 2032, 2038; Sack BB 2003, 1073, 1080; Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 16. 79 BGH 4.6.1992 – IX ZR 149/91 – BGHZ 118, 312, 339. 80 BGH 4.6.1992 – IX ZR 149/91 – BGHZ 118, 312, 338. 81 BGH 4.6.1992 – IX ZR 149/91 – BGHZ 118, 312, 340. 82 Wagner AcP 206 (2006), 352, 476. 83 Oppermann/Müller GRUR 2005, 280, 283. 84 Im Ergebnis auch OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435, 435 f. – Veralteter Matratzentest. Ausführlich dazu Mönch ZIP 2004, 2032 ff. 85 Bei Art. 103 Abs. 3 GG handelt es sich nach wohl h.M. um ein Prozessgrundrecht (BVerfGE 56, 22, 32 – Kriminelle Vereinigung; Dreier/Schulze-Fielitz Art. 103 Abs. 3 GG Rn. 14 m.w.N.). 86 So auch EuGH 29.6.2006 − C-308/04 – Slg. 2006, I-5977 Tz. 26 – SGL Carbon. Ausführlich hierzu Immenga/Jüttner ZWeR 2006, 400; Klees EWiR 2006, 431. 87 Dreier/Schulze-Fielitz Art. 103 Abs. 3 GG Rn. 25 m.w.N.

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IV. Rechtspolitische Diskussion

A. Allgemeines

rechtskräftige Entscheidung vorliegt.88 Darüber hinaus setzt die Anordnung strafrechtlicher Sanktionen gemäß Art. 103 Abs. 2 GG voraus, dass die Adressaten erkennen können, was sie bei einem Verstoß erwartet und dass sie ihr Verhalten entsprechend darauf einrichten können. Allerdings knüpfen die strafrechtsbezogenen Verfassungsprinzipien an eine strafrechtliche Qualifikation an und sind restriktiv zu verstehen. Für die Feststellung, ob eine Entscheidung den für die Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG notwendigen strafrechtlichen Sanktionscharakter hat, ist daher nicht deren formale Bezeichnung maßgeblich, sondern allein ihre materielle Wirkung. Nach Ansicht des BVerfG gilt als Strafe in diesem Sinne jede Auferlegung eines Rechtsnachteils wegen einer schuldhaft begangenen rechtswidrigen Tat: „Sie ist – neben ihrer Aufgabe abzuschrecken und zu resozialisieren – eine angemessene Antwort auf strafrechtlich verbotenes Verhalten […]. Mit der Strafe wird ein rechtswidriges sozial-ethisches Fehlverhalten vergolten. Das dem Täter auferlegte Strafübel soll den schuldhaften Normverstoß ausgleichen; es ist Ausdruck vergeltender Gerechtigkeit“.89 Zwar teilen die privatrechtlichen Sanktionen zur Normdurchsetzung und das Strafrecht die Aufgabe der Abschreckung. Die darüber hinausreichende Vergeltung durch Bestrafung ist dem Privatrecht indes fremd. Das BVerfG hat ausdrücklich festgestellt, dass zivilrechtliche Regelungen nicht schon deshalb anhand des Art. 103 Abs. 2, 3 GG zu bemessen sind, weil ihnen „‚pönale Elemente‘ nicht ganz fremd“ sind.90 Daher dienen Gewinnabschöpfungsansprüche nicht der Bestrafung i.S.d. Art. 103 Abs. 2, 3 GG.91 b) Privatisierung des Gemeinwohls. Teilweise wird die Verbesserung der Norm- 27 durchsetzung mit Hilfe privatrechtlicher Ansprüche generell als unzulässige Privatisierung des Gemeinwohls bezeichnet. Die Kontrolle über die Einhaltung des objektiven Rechts sei ausschließlich Aufgabe des Staates und könne in keinem Fall Aufgabe des einzelnen Bürgers oder privater Verbände sein.92 Eine Alleinzuständigkeit des Staates für die Verwirklichung von Allgemeininteressen existiert jedoch nicht.93 „Der Begriff der ‚öffentlichen Aufgabe‘ changiert, […], zwischen Privatheit und Staat in einer letztlich nicht exakt bestimmbaren Weise“.94 Daher kann nicht von dem Gemeinwohlbezug einer Aufgabe und damit ihrer Eigenschaft als öffentlich darauf geschlossen werden, dass es sich hierbei nur um eine zwingende Aufgabe des Staates als Aufgabenträger handeln kann.95 Die Privatisierung der Normdurchsetzung ist gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nur ausgeschlossen, soweit „nach dem Willen des Gesetzes oder aus der Natur der Sache […] Hoheitsbefugnisse ausgeübt werden“ müssen.96 Die Gewinnabschöpfung lässt aber das so umschriebene staatliche Gewaltmonopol unberührt. Weder üben die abschöpfungsberechtigten Institutionen einseitige Vollstreckungsakte unmittelbar gegenüber dem unlauter Handelnden aus, noch übernehmen sie die hoheitliche Funktion eines Richters.

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88 Vgl. v. Münch/Kunig Art. 103 GG Rn. 36; Dreier/Schulze-Fielitz Art. 103 Abs. 3 GG Rn. 15. 89 BVerfG 14.1.2004 – 2 BvR 564/95 – BVerfGE 110, 1, 13 – erweiterter Verfall. 90 BVerfG 14.2.1973 – 1 BvR 112/65 – BVerfGE 34, 269, 293 – Soraya. Außerdem BVerfG 23.4.1991 – 1 BvR 1443/87 – BVerfGE 84, 82, 87; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte Art. 103 GG Rn. 109; Maunz/Dürig/SchmidtAßmann Art. 103 GG Rn. 195. 91 Ausführlich dazu Mönch ZIP 2004, 2032 ff. 92 Urbanczyk S. 214. 93 Masing S. 222. 94 di Fabio JZ 1999, 586. 95 Hierzu di Fabio JZ 1999, 585 ff. Zu der Existenz originärer Staatsaufgaben BVerfG 11.3.1997 – 2 BvG 3/95, 2 BvG 4/95 – BVerfGE 95, 250, 265 – Restitution des Länderbestandes; BVerfG 18.6.1986 – 1 BvR 787/80 – BVerfGE 73, 280, 292 – Notarbewerberauswahl; BVerwG 17.12.1997 – 6 C 1–97 – NVwZ 1999, 870, 874; BGH 25.11.1996 – NotZ 8/96 – NJW 1997, 1239, 1240; BGH 18.7.1994 – NotZ 14/93 – NJW 1995, 529, 531. 96 Vgl. di Fabio JZ 1999, 585, 592.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

Die privaten Verbände und Kammern übernehmen lediglich die Initiative zur Aufdeckung und Verfolgung von Verstößen; die endgültige Entscheidung über die Normdurchsetzung und damit die Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt verbleiben indes bei den staatlichen Zivilgerichten.97 Es existiert kein (verfassungsrechtlicher) Grundsatz, wonach die Rechtmäßigkeit menschlichen Verhaltens ausschließlich durch Aufsichtsbehörden beanstandet werden kann.98 28

c) Verhältnismäßigkeit. Verfassungsrechtliche Bedenken resultieren auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit als Ausprägung des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips. Zwar wird das Verhältnismäßigkeitsgebot nach der Rechtsprechung des BGH im Wesentlichen durch das Kompensationsprinzip gewahrt. Demnach ist in der Regel allein „der Ausgleich der durch den rechtswidrigen Eingriff gestörten Vermögensverhältnisse der unmittelbar Beteiligten das angemessene Ziel des über den Eingriff geführten Zivilprozesses“.99 Der BGH selbst hat in seiner Entscheidung zu den punitive damages Abweichungen von dem Kompensationsprinzip unter Verhältnismäßigkeitsaspekten zugelassen, wenn „vom Schädiger durch die unerlaubte Handlung erzielte Gewinne abgeschöpft werden sollen“.100 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird auch nicht durch die Vervielfachung der Aktivlegitimation als solche verletzt. Zwar hat der Gesetzgeber insbesondere die Aktivlegitimation der Mitbewerber i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 als nicht angemessen abgelehnt. Es besteht aber gleichwohl im Hinblick auf die Vielzahl an abschöpfungsberechtigten Institutionen die Möglichkeit der Mehrfachverfolgung. Dies allein begründet jedoch nicht die Unverhältnismäßigkeit der Gewinnabschöpfung als solche; vielmehr ist dem Verhältnismäßigkeitsprinzip im Einzelfall einer Mehrfachverfolgung Rechnung zu tragen (dazu Rn. 168 ff.).

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2. Rechtsökonomische Analyse. Die Gewinnabschöpfung sieht sich auch aus rechtsökonomischen Gesichtspunkten Kritik ausgesetzt. Dem Zweck der Gewinnabschöpfung, unlauteres Verhalten präventiv durch die Abschöpfung der hiermit erzielten Gewinne zu verhindern, liegt die Annahme zugrunde, dass die Normadressaten im Sinne eines ökonomisch-rationalen Homo oeconomicus agieren. Der Homo oeconomicus verhält sich in diesem Sinne rational, wenn er sich für die Handlungsalternative entscheidet, die seine individuellen Präferenzen im Rahmen seiner begrenzten Ressourcen optimal erfüllt, wenn also nach seiner Auffassung der individuelle Nutzen aus seinem Verhalten höher ist als die individuellen Kosten.101 Insoweit haben auch rechtliche Regelungen anerkanntermaßen verhaltenssteuernde Wirkung, wenn sie die verfügbaren Handlungsalternativen mit Sanktionen und Anreizen versehen und so die optimale Bedürfnisbefriedigung beeinflussen können. Die allgemeinen Einwände gegen das Modell des Homo oeconomicus102 wiegen im Lauterkeitsrecht weniger schwer, da die Tatbestände der §§ 3, 7 jeweils eine geschäftliche Handlung voraussetzen. Die Normadressaten werden sich hier regelmäßig vorrangig an ökonomischen nutzenmaximierenden Erwägungen orientieren müssen, um auf dem Markt gegen Konkurrenten bestehen und höchstmögli-

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97 Ausführlich hierzu Poelzig S. 333 ff. 98 Halfmeier S. 363; Masing S. 224. 99 BGH 4.6.1992 – IX ZR 149/91 – BGHZ 118, 312, 343. 100 BGH 4.6.1992 – IX ZR 149/91 – BGHZ 118, 312, 340. 101 Erlei/Leschke/Sauerland Neue Institutionenökonomik 2007, S. 4. 102 Zu der erheblichen Relativierung durch die Annahme einer nur begrenzten Rationalität (bounded rationality) der Akteure Selten 146 JITE 649 (1990); zu den empirischen Erkenntnissen der Kognitionspsychologie und der Behavioral Law and Economics statt aller Sunstein Behavioral Law and Economics, 2000; hierzu Eidenmüller JZ 2005, 216.

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IV. Rechtspolitische Diskussion

A. Allgemeines

che Gewinne erzielen zu können. Dabei fließen auch drohende privatrechtliche Sanktionen als ein Kostenpunkt in die Organisation und Kalkulation unternehmerischer Tätigkeit ein.103 Daher kann regelmäßig von einer ökonomisch orientierten Entscheidung anhand einer Nutzen-Kosten-Analyse über die Einhaltung lauterkeitsrechtlicher Verhaltensnormen ausgegangen werden.104 Da sich Normadressaten häufig unlauter verhalten, um Gewinne zu erzielen, ist die 30 Abschöpfung der erzielten Gewinne ein aus rechtsökonomischer Perspektive grundsätzlich geeignetes Mittel, um präventiv auf das Verhalten der Normadressaten einzuwirken. Muss der Normadressat ernsthaft damit rechnen, seinen Gewinn aus dem unlauteren Verhalten zu verlieren, wird er – wenn man von einem ökonomisch-rationalen Homo oeconomicus ausgeht105 – auf das normwidrige Verhalten verzichten. Für eine abschreckende Wirkung muss das Vermögen des Zuwiderhandelnden im Fall der Zuwiderhandlung geringer sein als das Vermögen bei normgemäßem Verhalten,106 der Gewinn bei rechtmäßigem Verhalten muss den Gewinn aus der Zuwiderhandlung überschreiten. Insbesondere im Falle von Bagatell- und Streuschäden sind derzeit allerdings weder die in die Zukunft wirkenden Unterlassungsansprüche noch Schadensersatzansprüche geeignet, die Kosten der Zuwiderhandlung so zu erhöhen, dass für den Normadressaten ein Anreiz zu normgemäßem Verhalten entsteht (dazu Rn. 17 ff.). In diesen Fällen ist die Gewinnabschöpfung ein grundsätzlich geeignetes Präventionsinstrument: Denn wird der Gewinn aus der Zuwiderhandlung vollständig entzogen, gibt es aus der Sicht eines ökonomisch-rational handelnden Normadressaten keinen Anreiz, einen Normverstoß zu begehen. Dennoch wird die grundsätzliche Ausrichtung des Anspruchs auf Gewinnabschöp- 31 fung aus rechtsökonomischer Perspektive kritisiert: Um eine optimale Abschreckungswirkung zu erzielen, sei die Gewinnabschöpfung nur ein geeignetes Sanktionsinstrument, wenn die Gerichte den Gewinn richtig bemessen. Sobald die Gewinne der Zuwiderhandelnden über- oder unterschätzt werden, komme es aber zu schwerwiegenden Anreizverzerrungen.107 Daher gilt die Gewinnabschöpfung aus rechtsökonomischer Perspektive unter dem Blickwinkel der Abschreckung nur dann als effizient, wenn der Zuwiderhandelnde das geschützte Rechtsgut durch einen erzwungenen Nutzentransfer unter Umgehung des Marktes vorsätzlich verletzt hat.108 Im Übrigen sei der Anspruch nicht auf Gewinnabschöpfung, sondern auf Liquidation der verursachten Schäden zu richten.109 Positiv wird aus rechtsökonomischer Sicht allgemein die kollektive Rechtsdurchset- 32 zung in Form einer Verbandsklage bewertet. Der wesentliche Vorteil von Verbandsklagen besteht hiernach darin, dass Verbände und Kammern – ähnlich wie staatliche Behörden – als repeat player durch die wiederholte Klagetätigkeit Wissen und Erfahrungen ansammeln, so dass auf diese Weise Informationsnachteile im Verhältnis zu dem

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103 So vor allem bei organisierten Wirtschaftseinheiten Esser/Schmidt Schuldrecht Bd. I § 30 II. 3b); Horn AcP 176 (1976), 307, 325. 104 Zur Gewinnabschöpfung Alexander JZ 2006, 890, 894; v. Raay S. 459. 105 Zu dem Modell des Homo oeconomicus und den Einschränkungen Eidenmüller JZ 2005, 216, 221; Möllers AcP 208 (2008), 1, 6; Posner 51 Stan. L.Rev. 1477, 1485 (1999); Spindler AcP 208 (2008), 283, 292; Poelzig S. 364 ff. 106 Für die Prävention durch Deliktsrecht allgemein und ausführlich Dreier S. 133 ff. Für die Gewinnabschöpfung v. Raay S. 460. 107 Ausführlich hierzu Polinsky/Shavell 10 J.L. Econ & Org. 10, 427; Schäfer/Ott Ökonomische Analyse des Rechts 4. Aufl. 2005, S. 254. 108 Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 91. 109 Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 113.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

Normadressaten, einem oftmals übermächtigen Unternehmen, ausgeglichen werden können.110 Außerdem tragen die klagebefugten Institutionen bzw. die Verbandsmitglieder als Gemeinschaft Prozesskosten und -risiko. 33

3. Praktische Bedeutung. Die Praktikabilität der Regelung wird derzeit überwiegend in Frage gestellt.111 Die praktische Bedeutung des § 10 ist in seiner derzeitigen Fassung bislang in der Tat gering.112 Dies liegt zum einen daran, dass die aktivlegitimierten Institutionen nur selten Klage auf Abschöpfung erheben, und zum anderen daran, dass auch die zuständigen Gerichte § 10 nur sehr zurückhaltend anwenden.113

a) Kritik. Die gesetzliche Ausgestaltung des Abschöpfungsanspruchs wird daher teilweise als „unausgereift“ beschrieben; sie sei aufgrund „der komplizierten Abführungs- und Verrechnungspflichten nicht praktikabel“.114 Vereinzelt ist deshalb gar von einem „zahnlosen Tiger“ die Rede.115 Die geringe Zahl an Gewinnabschöpfungsklagen lässt sich auf ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren zurückführen: Maßgeblich sind der restriktive Tatbestand in Form des Vorsatzerfordernisses, die Schwierigkeiten bei der Feststellung des Gewinns, das Prozessrisiko und die Tatsache, dass der abgeschöpfte Gewinn in die Staatskasse fließt, nicht jedoch den Marktteilnehmern als solchen oder dem Verband zugutekommt.116 Die berechtigten Institutionen können aus einer erfolgreichen Klage auf Gewinnabschöpfung durch die Abschöpfung zugunsten des Bundeshaushalts keinerlei Nutzen ziehen. Sie haben bestenfalls einen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen gegen den Beklagten oder subsidiär gegen das Bundesamt für Justiz (§ 10 Abs. 4 S. 2). Dem stehen erhebliche Prozessrisiken gegenüber, die sich aus der häufig schwierigen Beweislage und den hohen Prozesskosten ergeben.117 Unter Berücksichtigung dieser Umstände haben die klageberechtigten Institutionen an der Durchsetzung der Gewinnabschöpfung ein nur geringes Interesse und verfolgen daher aus wirtschaftlich rationalen Erwägungen nur selten ihre Ansprüche aus § 10.118 35 Als eine erhebliche Hürde für die effektive Durchsetzung des § 10 in der bisherigen Rechtsprechung hat sich zudem – wie bereits im Vorfeld befürchtet – das Vorsatzerfordernis erwiesen (dazu Rn. 60 ff.).119 Der Tatbestand wird daher insoweit überwiegend vor allem aus Verbraucherschutzgründen und unter dem Blickwinkel der Praktikabilität

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110 Casper/Janssen/Pohlmann/Schulze/v. d. Bergh/Keske S. 17, 36. 111 Dazu Augenhofer/Stadler S. 117, 130. So bereits mutmaßend Alexander JZ 2006, 890, 895. 112 Vgl. zuletzt OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 186/07 – GRUR-RR 2009, 265; OLG Hamm 14.2.2008 – 4 U 135/07 – GRUR-RR 2008, 435; OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435 – Veralteter Matratzentest; LG Bonn 12.5.2005 – 12 O 33/05 – GRUR-RR 2006, 111 – Unzutreffendes Testurteil. Eine Klage auf Vorteilsabschöpfung nach § 34a GWB wurde – soweit ersichtlich – bislang nicht erhoben. 113 Beuchler WRP 2006, 1288, 1292 f.; Alexander S. 514. Seit Inkrafttreten des § 10 wurden bislang insgesamt etwas über € 47.000 abgeschöpft (v. Raay S. 181: für den Zeitraum bis 12.4.2011). 114 So die Kritik des Bundesrats in seiner Stellungnahme, Begr. RegE UWG 2003, S. 34. 115 Keßler WRP 2005, 264, 273. 116 Alexander WRP 2012, 1190, 1192. 117 Alexander JZ 2006, 890, 895; ders. JuS 2007, 109, 114. 118 Neuberger S. 138. Zu § 34a GWB Fuchs WRP 2005, 1384, 1391. Zu der Gefahr, dass Verbände möglicherweise Klage auf Abschöpfung erheben, um sich die Klagerücknahme durch Zahlung eines Betrages unterhalb der Abschöpfungssumme abkaufen zu lassen und damit die Abschöpfung als Druckmittel zur Einnahmeerzielung einsetzen, vgl. Säcker Verbandsklage, S. 72. 119 Mönch ZIP 2004, 2032; Zimmer/Höft ZGR 2009, 662, 679 am Beispiel des LG Bonn 12.5.2005 – 12 O 33/05 – GRUR-RR 2006, 111 – Unzutreffendes Testurteil; außerdem Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 2; MünchKomm/Fritzsche § 9 Rn. 4 a.E.; Beuchler WRP 2006, 1288, 1289 ff.; Schmauß S. 88, 90; ausführlich hierzu Alexander S. 506 ff.

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IV. Rechtspolitische Diskussion

A. Allgemeines

als zu restriktiv empfunden;120 andere halten die Beschränkung auf vorsätzliche Zuwiderhandlungen im Hinblick auf die Sanktionswürdigkeit der Zuwiderhandlung und den Schutz der Unternehmer hingegen für richtig.121 b) Stellungnahme. Die wesentliche Bedeutung des § 10 liegt darin, bereits im Vor- 36 feld durch die bloße Androhung der Gewinnabschöpfung einen abschreckenden Effekt zu erzeugen, soweit die Durchsetzung – wie derzeit insbesondere im Falle der Streu- und Bagatellschäden – auf andere Weise nicht lückenlos gewährleistet ist. Eine präventive Wirkung entfaltet die Gewinnabschöpfung aber nur dann, wenn die anspruchsberechtigten Institutionen ihnen zustehende Gewinnabschöpfungsansprüche in der Praxis auch wahrnehmen. Können die Normadressaten davon ausgehen, dass die bestehenden Abschöpfungsansprüche tatsächlich nicht zur Durchsetzung gelangen, werden sie sich hierdurch regelmäßig auch nicht von einem normwidrigen Verhalten abhalten lassen. Das Ziel der Abschöpfungsansprüche, Fehlverhalten durch Abschöpfung unrechtmäßig erlangter Vorteile zu verteuern und so Marktmechanismen zu korrigieren, wird so nicht erreicht. Solange – wie im Falle von Streuschäden – auch sonst keine effektiven Sanktionsinstrumente existieren, erscheint dies vor allem im Hinblick auf die unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedstaaten problematisch, wirksame und abschreckende Sanktionen zu schaffen (vgl. etwa Art. 13 Abs. 2 der UGP-Richtlinie). Eine Sanktion ist nicht wirksam, wenn aufgrund ihrer konkreten Gestalt ihre Anwendung und damit die Durchsetzung der objektiven Regelung und die Verwirklichung der vom Unionsrecht vorgegebenen Ziele praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert sind.122 Das betrifft vor allem Sanktionen, die an unerfüllbare oder nicht nachweisbare Tatbestandsmerkmale geknüpft sind.123 Neben dem Bedürfnis nach einem ausreichenden Klageanreiz zur Erzielung einer 37 echten Abschreckungswirkung ist bei der Gestaltung des § 10 auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen: Da der Gesetzgeber durch die Abschöpfung von Gewinnen erheblich in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit eines Unternehmens eingreift, sollte die Gewinnabschöpfung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nur bei schwerwiegenden Zuwiderhandlungen eingreifen, die dem Allgemeininteresse an der Lauterkeit des Wettbewerbs erheblich zuwiderlaufen.124 Zudem existiert § 10 nicht losgelöst von anderen lauterkeitsrechtlichen Sanktionen im lauterkeitsrechtlichen Sanktionensystem. Die Gewinnabschöpfung hat im „Baukasten der Sanktionen“ lediglich eine Auffangfunktion, soweit andere Sanktionsmechanismen nicht genügen.125 Problematisch ist die beschränkte praktische Bedeutung des § 10 daher nur, solange neben der Gewinnabschöpfung auch sonst keine effektiven Sanktionsin-

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120 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 171 f.; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 55; Teplitzky 37. Kap. Rn. 5; Schmauß S. 88 ff. Zwar ausdrücklich für die kartellrechtliche Vorteilsabschöpfung gemäß § 34a GWB, aber mit Verweis auch auf § 10 UWG Langen/Bunte/Bornkamm Bd. 1, § 34a Rn. 9 („gewichtigster Geburtsfehler der Vorteilsabschöpfung“). 121 Oppermann/Müller GRUR 2005, 280, 285; Sack WRP 2003, 549, 555; Schaub GRUR 2005, 918, 924. 122 EuGH, GA Kokott, Schlussanträge 14.10.2004 − C-387/02 − Slg. 2005, I-3565 Tz. 88 − Berlusconi. Allgemein zum Effektivitätsgebot EuGH 28.11.2000 − C-88/99 − Slg. 2000, I-10465 Tz. 21 – Roquette Frères; EuGH, GA Saggio, Schlussanträge 25.2.1999 – C-126/97 – Slg. 1999, I-3055 Tz. 48 – Eco Swiss; EuGH 15.9.1998 − C-260/96 − Slg. 1998, I-4997 Tz. 18 – Spac; EuGH 15.9.1998 − C-231/96 − Slg. 1998, I-4951 Tz. 19 – Edis; EuGH 17.7.1997 – C-90/94 − Slg. 1997, I-4085 Tz. 46 – Haar Petroleum; EuGH 10.7.1997 − C-261/95 − Slg. 1997, I-4025 Tz. 27 – Palmisani; EuGH 14.12.1995 − C-312/93 − Slg. 1995, I-4599 Tz. 12 – Peterbrook; EuGH 16.12.1976 − C-45/76 − Slg. 1976, 2043 Tz. 11 f. – Comet. 123 Alexander GRUR Int. 2005, 809, 811. 124 Alexander WRP 2012, 1190, 1194. 125 v. Raay S. 29; Alexander WRP 2012, 1190, 1194.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

strumente existieren. In diesem Dreieck aus Effektivität, Verhältnismäßigkeit und der Stellung des § 10 im lauterkeitsrechtlichen Sanktionensystem sind auch die aktuellen Reformvorschläge zu betrachten. 38

c) Reformvorschläge. Um die Verbesserung der kollektiven Rechtsdurchsetzung rankt sich mittlerweile eine Reihe von Reformvorschlägen.126 Diese reichen von der Forderung nach einer Fondslösung zur Prozessfinanzierung127 über die Einführung einer optin-Gruppenklage128 bis hin zu einer opt-out-Klage.129 Teilweise wird auch eine Stärkung der administrativen Rechtsdurchsetzung erwogen: Demnach soll etwa dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Befugnis zugewiesen werden, die Interessen der Verbraucher in gebündelter Form zivilgerichtlich durchzusetzen.130 Um die lediglich „symbolische Funktion“131 der Gewinnabschöpfung zu überwinden, wird Reformbedarf konkret für § 10 vor allem im Hinblick auf den Verschuldensmaßstab und die Verteilung des Gewinns erkannt.132

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aa) Ausweitung des Verschuldensmaßstabs. Um die Durchsetzung des § 10 zu erleichtern, wird teilweise vorgeschlagen, auf ein Verschuldenserfordernis vollständig zu verzichten.133 Die damit verbundene Forderung nach einer verschuldensunabhängigen Gewinnabschöpfung überzeugt im Hinblick auf die verhaltenssteuernde Zielrichtung des § 10 indes nicht. Präventive Einflussnahme ist grundsätzlich sinnvoll nur möglich, soweit der Adressat sein Verhalten durch entsprechende Sorgfaltsvorkehrungen beeinflussen kann.134 Eine verschuldensunabhängige Haftung führt in der Regel aber zu sehr weitreichenden Schutzvorkehrungen auf Seiten des Normadressaten, die aus Präventionsgründen nicht notwendig und aus Verhältnismäßigkeitserwägungen nicht erwünscht sein können. Verschuldensunabhängige Ansprüche sollten sich deswegen auf das in die Zukunft gerichtete Unterlassen beschränken. Dies ist auch mit der UGP-RL vereinbar. Sie verlangt grundsätzlich für einen Unterlassungsanspruch weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit beim Unternehmer (vgl. Art. 11 Abs. 2 Hs. 2 UGP-RL).135 Darüber hinausgehende Sanktionen – wie der Gewinnabschöpfungsanspruch – müssen lediglich nach dem Äquivalenzgrundsatz mit dem übrigen vergleichbaren nationalen Recht in Einklang stehen.136 Daher wird überwiegend an der verschuldensabhängigen Gewinnabschöpfung 40 festgehalten. Teilweise wird in der Beschränkung auf vorsätzliche Verstöße eine überzeugend begründete und zutreffende Entscheidung des Gesetzgebers erkannt, da die sanktionsbedürftigen gewinnbringenden Geschäfte regelmäßig vorsätzlich begangen werden.137 Die Beibehaltung des Vorsatzerfordernisses wird vor allem rechtsökonomisch begründet: Durch die Beschränkung auf vorsätzliches Fehlverhalten werde das Risiko

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126 Hierzu eingehend Fezer Gutachten Unrechtserlöse, passim; Micklitz Gutachten zum 69. DJT, S. A 114 ff. 127 Meller-Hannich/Höland GPR 2011, 168, 174. 128 Zu dieser Diskussion H. Koch JZ 2011, 438 ff.; H. Koch/Zekoll ZEuP 2010, 107 ff.; Meller-Hannich/ Höland GPR 2011, 168 ff.; Rabe ZEuP 2010, 1 ff.; Lehne WuW 2012, 565 ff. 129 Micklitz Gutachten zum 69. DJT, S. A 9, 114. Kritisch Gsell JZ 2012, 809, 817. 130 Micklitz Gutachten zum 69. DJT, S. A 9, 115, 122 These 11; ders. in: Brownsword, S. 563 ff. 131 Micklitz Gutachten zum 69. DJT, S. A 114. 132 Zu weiteren reformierungsbedürftigen Aspekten der Gewinnabschöpfung Herzberg, S. 547 ff. 133 Fezer Gutachten Unrechtserlöse, S. 57; Sieme S. 247 ff. 134 v. Raay S. 542 f.; sich anschließend Alexander WRP 2012, 1190, 1195. Allgemein dazu Dreier S. 152. 135 EuGH – 19.9.2013 – C-435/11 – Team4 Travel (noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht). 136 EuGH – 10.7.1990 – C-326/88 – Slg. 1990, I-2911–2937 – Hansen. 137 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 3; Bauer S. 113; Neuberger S. 91.

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IV. Rechtspolitische Diskussion

A. Allgemeines

einer Übermaßhaftung oder Überabschreckung (overdeterrence) vermieden.138 Zwar sei eine verhaltenssteuernde Einflussnahme prinzipiell auch dann sinnvoll, wenn grob unachtsames Verhalten erheblichen Schaden anrichten kann. In diesen Fällen sei aber der Schadensersatzanspruch das vorrangig geeignete Präventionsinstrument.139 Die Gewinnabschöpfung sei auf der Grundlage der rechtsökonomischen Analyse nur dann ein geeignetes Steuerungsinstrument neben dem Schadensersatzanspruch, sofern vorsätzliches Fehlverhalten sanktioniert werden soll.140 Drohte eine Gewinnabschöpfung auch bei grob fahrlässigen Verstößen, würden Normadressaten möglicherweise zu exzessiven, nicht notwendigen Sorgfaltsvorkehrungen veranlasst.141 Dennoch: Die derzeitige Rechtsprechungspraxis zeigt, dass vor allem das Erforder- 41 nis des Unrechtsbewusstseins im Rahmen des zivilrechtlichen Vorsatzbegriffs die Durchsetzung des § 10 massiv hemmt. Daher wird überwiegend verlangt, den Verschuldensmaßstab de lege ferenda auf grob fahrlässige Zuwiderhandlungen – wie im RefE – oder gar auf einfach fahrlässige Verhaltensweisen auszuweiten.142 Für die Ausweitung des § 10 auch auf grob fahrlässiges Verhalten spricht unter dem Blickwinkel des Regelungszwecks zunächst, dass über die Aufnahme der groben Sorgfaltspflichtverletzung in den Anwendungsbereich der Nachweis schuldhaften Verhaltens erleichtert und so die Sanktionierungswahrscheinlichkeit sowie die Abschreckungswirkung erhöht würden.143 Nicht nachvollziehbar ist der unterschiedliche Verschuldensmaßstab der privatrechtlichen Abschöpfungsansprüche gemäß § 34a GWB und § 10 im Vergleich zu der kartellbehördlichen Abschöpfung gemäß § 34 GWB, die an vorsätzliches und fahrlässiges Verhalten anknüpft.144 Durch die Ausweitung des § 10 auf grob fahrlässiges Verhalten könnten jedenfalls auch die Akteure erfasst werden, die sich über die Rechtmäßigkeit ihres grob und evident unlauteren Verhaltens keine Gedanken machen. Diese werden durch die derzeitige Beschränkung des § 10 auf Vorsatz im Vergleich zu einem umsichtigen Unternehmer privilegiert.145 Darüber hinaus ist die Begründung des Gesetzgebers für die Beschränkung auf Vorsatz146 nahezu wortlautidentisch mit der Begründung des RefE (siehe Rn. 7), wonach lediglich einfache Fahrlässigkeit, nicht aber grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden sollte. Die Begründung des Gesetzgebers für den Ausschluss grob fahrlässiger Zuwiderhandlungen damit, unlauteres Verhalten vom Anwendungsbereich auszunehmen, bei dem sich der Zuwiderhandelnde in einem „Grenzbereich wettbewerbsrechtlicher Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit bewegt und deshalb mit einer abweichenden Beurteilung seines zumindest bedenklichen Verhaltens rechnen muss“, rechtfertigt aber tatsächlich nur den Ausschluss der einfachen Fahrlässigkeit.147 Erfüllt der Zuwiderhandelnde die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit, handelt er also offensichtlich erkennbar in einem Grenzbereich der Lauterkeit und hätte er bei einfachsten, nahe liegenden Überlegungen mit einer abweichenden Beurteilung rechnen müs-

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138 Köndgen RabelsZ 64 (2000), 661, 683. 139 Ausführlich hierzu Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 68 ff. 140 Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 84. 141 Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 84. 142 So etwa Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 172; Augenhofer/Stadler S. 117, 133; Schmauß S. 89; Alexander WRP 2012, 1190, 1195; ähnlich i.E. Gärtner S. 99 ff. Für die Anwendung auf jegliches schuldhaftes unlauteres Verhalten Fehlemann S. 230; Herzberg S. 548 f.; Zimmer/Höft ZGR 2009, 662, 704. 143 v. Raay S. 548. 144 So auch kritisch zu § 34a GWB Frankfurter Kommentar/Roth § 34a GWB Rn. 16; Langen/Bunte/ Bornkamm § 34a GWB Rn. 9 („der gewichtigste Geburtsfehler“). 145 So Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 173; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 67; Sosnitza GRUR 2003, 739, 745; Gärtner S. 99; v. Raay S. 550. 146 Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 147 v. Raay S. 549.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

sen, hat dies aber leichtfertig nicht getan, lässt sich ein ungerechtfertigtes Prozessrisiko nicht erkennen. Eine vom Gesetzgeber befürchtete „unangemessene Belastung“ für die Wirtschaft durch eine solche Ausweitung des Verschuldensmaßstabs droht daher nicht.148 Dass Klagen allzu ambitionierter Verbraucherverbände überhandnehmen und die Normadressaten unverhältnismäßig mit Klagen belasten, wird de lege lata durch die Abführung des Gewinns an den Bundeshaushalt verhindert und kann zudem über die Annahme des Rechtsmissbrauchs ausreichend gesteuert werden (dazu Rn. 162 ff.). 42

bb) Abführung an die klagenden Institutionen. Ein weiterer Grund für die geringe praktische Bedeutung des § 10 liegt in dem Erfordernis der Gewinnabführung an den Bundeshaushalt.149 Vorgeschlagen wird daher, den klagenden Institutionen die abgeschöpften Gewinne teilweise oder vollständig zugutekommen zu lassen.150 Die Abführung an den Bundeshaushalt ist zwar im Hinblick auf den Zweck der Regelung als Steuerungsinstrument der Marktregulierung konsequent, da der abgeschöpfte Betrag als von dem Schaden der einzelnen Marktteilnehmer losgelöstes „Unrechtsvermögen“ weder den geschädigten Marktteilnehmern noch den Verbänden zusteht.151 Die Abführung an den Bundeshaushalt hemmt aber erheblich den Klageanreiz der berechtigten Institutionen: Eine geeignete Lösung zur Verteilung des Gewinns muss darin bestehen, den abschöpfungsberechtigten Institutionen einen ausreichenden Anreiz zu geben, ihre Befugnisse im öffentlichen Interesse an der effektiven Normdurchsetzung wahrzunehmen und gleichzeitig eine sachwidrige Einnahmeerzielung zu verhindern. Der Gesetzgeber hat die derzeitige Abführung des Gewinns an den Bundeshaushalt und nicht an die klagenden Institutionen damit begründet, dass so die Geltendmachung des Anspruchs zu sachfremden Zwecken – insbesondere zur Einnahmeerzielung – verhindert werden soll.152 Allerdings handelt es sich bei der Abführung an die klagenden Institutionen dann nicht um eine sachfremde Einnahmeerzielung, wenn man eine Belohnungsfunktion des Privatrechts anerkennt. Ob das Privatrecht eine Belohnungsfunktion in sich aufnehmen und das private Bemühen für das Allgemeininteresse an einer wirksamen Normdurchsetzung durch die entsprechende Gestaltung privatrechtlicher Sanktionen tatsächlich belohnt werden kann, wird bislang allerdings – ebenso wie die Präventions- und Steuerungsfunktion – mit Zurückhaltung betrachtet.153 Eine solche Belohnungsfunktion wäre aber nur konsequent im Hinblick auf den Charakter des Abschöpfungsanspruchs als Instrument zur Verbesserung der Normdurchsetzung. Die Abführung an die Verbände stünde in einem sachgemäßen Zusammenhang mit ihrer Aufgabe als „Agenten des Marktschutzes“. Sie würden für ihre Tätigkeit im Allgemeininteresse an einer wirksamen Normdurchsetzung belohnt. Ein etwaiges Missbrauchsrisiko könnte durch die Beschränkung auf einen Anteil an dem gesamten abgeschöpften Gewinn gedämpft werden. Denk-

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148 Gärtner S. 99 f.; Schmauß S. 89; v. Raay S. 552. 149 So auch Alexander S. 629 ff.; ders. WRP 2012, 1190, 1196. 150 Alexander JZ 2006, 890, 895. Ausführlich dazu Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 129; Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 115. Darüber hinaus wird auch eine Ausschüttung des abgeschöpften Betrags an die einzelnen geschädigten Marktteilnehmer diskutiert (so Hopt/Baetge, in: Basedow/Hopt/ Kötz/Baetge S. 47). Dem steht jedoch entgegen, dass die nur geringfügig Geschädigten häufig unbekannt sind. Die Empfehlung von Micklitz/Stadler lautet daher, die abgeschöpften Vorteile an einen Fonds abzuführen, dessen Hauptzweck die Finanzierung derartiger Verbandsklagen sein soll (vgl. § 25 Abs. 1 S. 4 des Entwurfs; Micklitz/Stadler Gutachten, S. 1429 f.). Allerdings fehlt es bei einer solchen Regelung weiterhin an einem notwendigen Anreiz zur Klage auf Seiten des Verbandes (Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 115). 151 Fezer Gutachten Unrechtserlöse, S. 44. 152 Begr. RegE UWG 2003, S. 25. 153 Hierzu Alexander S. 152 ff.; Poelzig S. 436 f.

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V. Rechtsnatur des Gewinnabschöpfungsanspruchs

A. Allgemeines

bar wäre etwa eine Regelung, wonach der Gewinn anteilig an den klagenden Verband und die öffentliche Hand oder gemeinnützige Einrichtungen ausgeschüttet wird.154 Im Übrigen greifen die Bestimmungen des allgemeinen Rechtsmissbrauchs. Für die Parallelregelung der Vorteilsabschöpfung in § 34a GWB hatte der Bundesrat 43 im Zuge der 8. GWB-Novelle die Bildung eines Sondervermögens155 vorgeschlagen, wonach der herauszugebende Geldbetrag zweckgebunden zur Finanzierung der Verbraucherarbeit von Verbraucherorganisationen und zur Erstattung von erforderlichen Aufwendungen zu verwenden ist.156 Hierdurch sollten das Prozesskostenrisiko der klagebefugten Einrichtungen und Verbände verringert und so Klagehemmnisse jedenfalls zum Teil abgebaut werden.157 Der Vorschlag wurde jedoch im Zuge der 8. GWB-Novelle im Jahre 2013 nicht weiter verfolgt.158 4. Übertragung auf andere Rechtsgebiete. Der Gesetzgeber hat mit der Vor- 44 teilsabschöpfung im Kartellrecht gemäß § 34a GWB eine weitere privatrechtliche Abschöpfung nach dem Vorbild des § 10 geschaffen. Grundsätzlich kann sich ein solches Marktregulierungsinstrument aber auch in anderen wirtschaftsrechtlichen Regelungsbereichen, in denen – wie z.B. im Kapitalmarktrecht159 – Durchsetzungsdefizite zu verzeichnen sind, als sinnvoll erweisen. Allerdings sollten zunächst weitere Erfahrungen mit § 10 sowie § 34a GWB gesammelt und insbesondere die Schwierigkeiten in der praktischen Handhabung bewältigt werden, bevor über eine Ausweitung auf andere Regelungsbereiche nachgedacht wird. V. Rechtsnatur des Gewinnabschöpfungsanspruchs V. Rechtsnatur des Gewinnabschöpfungsanspruchs 1. Zuordnung zum Privatrecht. Der Anspruch auf Gewinnabschöpfung ist privat- 45 rechtlicher Natur. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der abgeschöpfte Gewinn an den Staat und nicht an die anspruchsberechtigten Institutionen fließt oder dass die Regelungen dem Marktschutz durch Prävention dienen.160 Nach der Subjektstheorie ist das öffentliche Recht „der Inbegriff derjenigen Rechtssätze, deren berechtigtes oder

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154 Zu diesem Vorschlag vgl. Wagner Gutachten zum 66. DJT, S. A 115; weiter ausführend Herzberg, S. 571 ff. 155 Hierzu auch Fezer Gutachten Unrechtserlöse, S. 44; Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 1272 ff., 1345, 1350. 156 Zu dem Vorschlag des Bundesrats zur Bildung eines Sondervermögens gemäß § 34b GWB Begr. RegE BTDrucks 17/9852, S. 44 f. 157 Kritisch allerdings vor allem im Hinblick auf die Praktikabilität dieser Lösung Herzberg, S. 578 f.; v. Raay S. 607. Für eine Verbesserung der Finanzausstattung der Verbraucherverbände Micklitz Gutachten zum 69. DJT, S. A 100. 158 Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26.6.2013, BGBl. 2013, 1783, 1743, P. 20. 159 Vorbild hierfür ist der US-amerikanische Gewinnabschöpfungsanspruch des Emittenten gegen officers, directors und bestimmte Aktionäre. Ausführlich dazu Binninger Gewinnabschöpfung als kapitalmarktrechtliche Sanktion, passim; Casper BKR 2005, 83, 84; Schäfer NZG 2005, 985, 986; Veil ZGR 2005, 155 ff.; Windorfer S. 306 ff. Der Arbeitskreis Gesellschaftsrecht hat sich bereits im Jahr 1976 für eine Gewinnhaftung von Insidern gegenüber denjenigen ausgesprochen, die ohne das Insiderwissen auf der Marktgegenseite in demselben Zeitraum Börsengeschäfte über diese Wertpapiere abgeschlossen haben (vgl. § 25 des Gesetzesvorschlags, Arbeitskreis Gesellschaftsrecht, in: Hueck/Lutter/Mertens/Rehbinder/ Ulmer/Wiedemann/Zöllner S. 66). Der Insider sollte hiernach den doppelten Wert des erzielten Vorteils herausgeben. 160 Begr. RegE UWG 2003, S. 47. So auch OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435, 436 – Veralteter Matratzentest.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

verpflichtetes Zuordnungssubjekt ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt ist“.161 Anspruchsberechtigt sind jedoch ausschließlich die Institutionen i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2–4; dem Staat selbst steht kein Anspruch aus § 10 zu; der Bundeshaushalt ist lediglich durch den Anspruch der Verbände begünstigt. Zu keinem anderen Ergebnis führt die Subordinationstheorie, wonach sich die öffentlich-rechtlichen Regelungen mit dem Verhalten von Hoheitsträgern befassen und ein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis betreffen.162 Die anspruchsberechtigten Institutionen stehen als Privatrechtssubjekte in einem Gleichordnungsverhältnis zu den Normadressaten, so dass auch hiernach die Gewinnabschöpfung gemäß § 10 als privatrechtlich zu qualifizieren ist.163 Zwar dient die Gewinnabschöpfung der Durchsetzung des Lauterkeitsrechts und damit gerade auch dem Allgemeininteresse i.S.d. § 1 S. 2, so dass eine Zuordnung (auch) zum öffentlichen Recht nach der Interessentheorie möglich wäre. Die Interessentheorie allein kann aber eine Zuordnung zum öffentlichen Recht nicht rechtfertigen.164 So ist gerade das Lauterkeitsrecht ein Beleg dafür, dass sich Individual- und Allgemeininteressen häufig nicht voneinander trennen lassen (vgl. § 1). 46 Die Indienstnahme der abschöpfungsberechtigten Institutionen als „Funktionäre der Gesamtrechtsordnung“165 zur Verbesserung der Durchsetzung des Lauterkeitsrechts legt die Vermutung nahe, sie seien Beliehene i.S.d. öffentlichen Rechts.166 Ob es sich um eine Beleihung handelt, wurde insbesondere für die Klagebefugnis nach § 13 a.F. eingehend diskutiert.167 Beliehene sind Privatrechtssubjekte, die durch oder aufgrund eines Gesetzes mit der selbständigen Ausübung von Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen betraut und hierfür mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet werden.168 Das Gemeinwohl ist jedoch nicht ausschließlich dem Staat anvertraut; öffentliche Aufgaben können vielmehr auch Privaten übertragen werden, ohne sie zugleich in die staatliche Organisation als Beliehene eingliedern zu müssen. Gegen die Annahme eines ordnungsbehördlichen Instruments in den Händen Privater spricht die Tatsache, dass die abschöpfungsberechtigten Institutionen auch dann nicht zur Klage verpflichtet sind, wenn dies im Allgemeininteresse liegen würde.169 Zudem werden den abschöpfungsberechtigten Institutionen keine hoheitlichen Kompetenzen übertragen.170 Damit fehlen den Abschöpfungsberechtigten wesentliche Elemente der Beleihung. 47

2. Einordnung als materiell-rechtliche Ansprüche. Für die Berechtigung der Verbände, gemäß § 8 Unterlassung zu verlangen, wird darüber hinaus eingehend diskutiert, ob es sich hierbei um einen materiell-rechtlichen Anspruch oder um eine prozessuale Befugnis handelt (dazu § 8 Rn. 195 f.).171 Diese Frage stellt sich auch im Zusammenhang

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161 Wolff/Bachof/Stober Verwaltungsrecht I, § 22 II c. 162 Statt aller GmS-OGB 29.10.1987 – GmS-OGB 1/86 – BGHZ 102, 280; GmS-OGB 10.4.1986 – GmS-OGB 1/85 – BGHZ 97, 312, 314; Stelkens/Bonk/Sachs § 1 VwVfG Rn. 54. 163 OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435, 436 – Veralteter Matratzentest. So für § 10 auch Neuberger S. 59: „zumindest formal rein zivilrechtlicher Natur“. 164 Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner § 40 VwGO Rn. 222. 165 Raiser Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht in: Summum Ius Summa Iniuria, Individualgerechtigkeit und der Schutz allgemeiner Werte im Rechtsleben – Ringvorlesung, 1963, S. 145, 159. 166 So Häsemeyer FS Spellenberg, S. 99, 103 ff. 167 Eingehend hierzu Lindacher ZZP 103 (1990), 397, 400 ff. („Aufgreifzuständigkeit im öffentlichen Interesse“); Marotzke ZZP 98 (1985), 160, 169. 168 Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz § 1 VwVfG Rn. 256. 169 Marotzke ZZP 98 (1985), 160, 169 f.; Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 16. 170 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 96. 171 Ausführlich hierzu Halfmeier Popularklagen im Privatrecht, passim.

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V. Rechtsnatur des Gewinnabschöpfungsanspruchs

A. Allgemeines

mit § 10. Auswirkung hat dieser Streit vor allem auf die Zulässigkeit einer Klage durch Institutionen, die die Anforderungen der § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 nicht erfüllen. Für die Anspruchseigenschaft spricht der Gesetzeswortlaut der jeweiligen Regelungen: Der Gesetzgeber hat sowohl die Berechtigung der Mitbewerber als auch der Verbände gleichermaßen ausdrücklich als Anspruch bezeichnet. Die rechtsdogmatische Einordnung als Anspruch wird für die Berechtigung der Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1; § 9 nicht in Frage gestellt.172 Eine hiervon abweichende Einordnung ist aber auch für die Befugnisse der Verbände, Unterlassung oder Gewinnabschöpfung zu verlangen, nicht geboten. Hierfür spricht zum einen die gemeinsame Regelung der Unterlassungsklagen in § 8 Abs. 3, wonach die Ansprüche Mitbewerbern und den in Nr. 2–4 genannten Verbänden und Kammern gleichermaßen zustehen. Zudem ist in § 10 ausdrücklich die Rede davon, dass der Zuwiderhandelnde durch die berechtigten Institutionen in Anspruch genommen werden kann. Daher spricht der Gesetzeswortlaut für eine einheitliche Rechtsnatur der Berechtigungen einzelner Mitbewerber und der Verbände, unabhängig davon, ob Unterlassung, Schadensersatz oder Gewinnabschöpfung verlangt wird.173 Der berechtigte Verband verteidigt allerdings – im Gegensatz zu dem traditionellen Verständnis des Anspruchs – „nicht seine eigene, ihm zugewiesene Sphäre“, sondern nimmt insoweit „ein eigenes Interesse daran wahr, dass die Verletzung fremder Sphären unterbleibt“.174 Das subjektive Recht hat hier nicht die Aufgabe, dem Interessenausgleich zwischen Privaten, sondern vielmehr darüber hinaus öffentlichen Interessen in Form des Marktschutzes zu dienen.175 Die h.L. und die ständige Rechtsprechung176 zu § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 gehen von dem 48 Doppelcharakter der Verbandsklage als materiell-rechtliche Aktivlegitimation und prozessuale Prozessführungsbefugnis aus (hierzu auch § 8 Rn. 196).177 Weist aber das Gesetz – wie auch im Falle von § 10 – einem Berechtigten einen materiellen Anspruch zu, ist damit regelmäßig zugleich die Befugnis des Anspruchsberechtigten verbunden, den Zivilprozess zur Durchsetzung des Anspruchs zu führen.178 Das Zivilgericht hat die Prozessführungsbefugnis nur dann gesondert zu prüfen, wenn der Kläger ein fremdes Recht im eigenen Namen als Prozessstandschafter geltend macht. Ein zwingender Grund, von diesen prozessualen Grundsätzen abzuweichen,179 wird im Falle von § 8 zum Teil darin gesehen, dass die Verbände ausschließlich im Allgemeininteresse und im Interesse Dritter, nicht jedoch im eigenen Interesse klagen.180 Diese durch das unionsrechtliche Effektivitätsgebot begründete Tendenz, Klagen Privater vor den Zivilgerichten im Allgemeininteresse zu fördern, kommt indes nicht nur in § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 (i.V.m. § 10) zum

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172 BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.8; MünchKomm/Fritzsche § 8 Rn. 14. 173 A.A. Häsemeyer FS Spellenberg, S. 99, 101. 174 Henckel Vorbeugender Rechtsschutz im Zivilrecht AcP 174 (1974), 97, 138. 175 Binding Abhandlungen I, 1915, S. 539. 176 BGH 27.1.2005 – I ZR 146/02 – GRUR 2005, 689 – Sammelmitgliedschaft III in Fortführung von BGH 5.3.1998 – I ZR 202/95 – GRUR 1998, 953 – Altunterwerfung III; OLG Jena 19.2.2014 – 2 U 668/13 – GRUR-RR 2014, 294; zustimmend Lindacher LMK 2005, 154465. Harte/Henning/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 328; Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 86; so jetzt auch MünchKomm/Ottofülling § 8 Rn. 323; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.10. 177 Ausführlich zu der Rechtsnatur von marktregulierenden Ansprüchen zur Durchsetzung von Allgemeininteressen Poelzig, S. 408 ff. 178 Alle zu § 8: Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.10; ebenso Harte/Henning/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 328; Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 86, der die h.M. wegen einer effizienteren Kontrolle der Klagebefugnis für vorzugswürdig hält. 179 MünchKomm/Ottofülling § 8 Rn. 322. 180 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.10. So etwa auch zu § 1 UKlaG MünchKomm-ZPO/Micklitz § 1 UKlaG Rn. 3.

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Ausdruck, sondern auch darin, dass einzelne Konkurrenten vor den Zivilgerichten die Einhaltung des Unionsrechts durchsetzen können sollen.181 Das unionsrechtliche Effektivitätsgebot führt zu einer neuartigen Funktion von Ansprüchen, die nicht nur individuellen, sondern auch überindividuellen Interessen an der effektiven Durchsetzung des Unionsrechts dienen. Dies ist dann zwar auch bei der Gestaltung und Anwendung des Zivil- und Zivilprozessrechts zu berücksichtigen. Die Doppelrelevanz wird vor allem mit den besonderen Funktionen der Verbandsklage begründet, da eine effektive Kontrolle durch Prüfung der Voraussetzungen als Frage der Prozessführungsbefugnis im Revisionsverfahren von Amts wegen möglich sein soll.182 Das Bedürfnis, den Beklagten vor Klagen eines nicht aktivlegitimierten Verbands zu schützen, erscheint jedoch nicht größer als das Bedürfnis, vor anderen falschen Tatsachenbehauptungen im Prozess geschützt zu werden.183 Missbräuchlichen Klagen kann insbesondere mit der entsprechenden Anwendung von § 8 Abs. 4 ausreichend begegnet werden (siehe Rn. 163). Eine zusätzliche Regelung der Prozessführungsbefugnis im Sinne der Theorie der Doppelnatur ist daher abzulehnen.184 49

3. Dogmatische Einordnung. Schwierigkeiten bereitet zudem auch die dogmatische Einordnung der Gewinnabschöpfung unter die herkömmlichen Anspruchsformen. Die erwogenen Möglichkeiten reichen von einer Zuordnung zum Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 ff. BGB über die Zugehörigkeit zu deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach §§ 823 ff. BGB oder zu den Ansprüchen aus der Geschäftsführung ohne Auftrag bis hin zu einem Anspruch sui generis.185

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a) Meinungsstand. In der ursprünglichen Fassung des RegE war die bereicherungsrechtliche Nähe des § 10 in dem Tatbestandsmerkmal „auf Kosten“ unverkennbar;186 hierauf hat der Gesetzgeber in der endgültigen Fassung jedoch verzichtet und stattdessen die Formulierung „zu Lasten“ eingefügt. Doch auch in der geltenden Fassung enthält die Gewinnabschöpfung Elemente der bereicherungsrechtlichen Ansprüche, soweit etwa ein rechtswidrig erlangtes Zuviel im Vermögen des Schuldners abgeschöpft wird.187 Zudem ähnelt die Anrechnung anderweitiger Leistungen gemäß § 10 Abs. 2 den Grundsätzen der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB.188 Anders als im Bereicherungsrecht, wonach demjenigen das Erlangte zusteht, auf dessen Kosten die Bereicherung erfolgt ist,189 kommt der abgeschöpfte Gewinn aber nicht dem Gläubiger zugute, sondern er fließt in den Bundeshaushalt. Während das Bereicherungsrecht die Aufgabe hat, ein rechtswidrig erlangtes Zuviel auf Seiten des Bereicherten zu entziehen und dem Gläubiger in dessen Interesse zuzuführen, wird die Präventions- und Abschre-

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181 Siehe EuGH 17.9.2002 – C-253/00 – Slg. 2002, I-7289 – Muñoz. 182 Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 86; so jetzt auch zu § 8 UWG Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.10. 183 So für § 1 UKlaG Staudinger/Schlosser, § 1 UKlaG Rn. 9. 184 Bettermann ZZP 85 (1972), 135; Greger NJW 2000, 2457, 2462 f.; so auch für § 1 UKlaG Staudinger/ Schlosser § 1 UKlaG Rn. 9; a.A. zu § 8 ab der 2. Aufl. 2014 MünchKomm/Ottofülling § 8 Rn. 323; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 3.10. 185 Ausführlich zu dem Meinungsstand Köndgen RabelsZ 64 (2000), 661, 663 ff. 186 Zu den zugrundeliegenden bereicherungsrechtlichen Erwägungen Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 117 ff. 187 OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435, 436 – Veralteter Matratzentest. 188 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 86; Stadler/Micklitz WRP 2003, 559, 562. Daher kommt das OLG Stuttgart zu dem Schluss: „Insoweit ähnelt der Anspruch aus § 10 Abs. 1 UWG systematisch betrachtet einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung“ (OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435, 436 – Veralteter Matratzentest). 189 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 87; Sack WRP 2003, 549, 552.

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ckungswirkung der Abschöpfung bereits durch den Entzug des überschüssigen Vermögens auf Sei-ten des Zuwiderhandelnden erreicht, ohne dass es den anspruchsberechtigten Institutionen zufließen muss.190 Der besondere Sanktionszweck des § 10 rechtfertigt das Auseinanderfallen der Aktivlegitimation, die bei den Verbänden liegt, und die Entreicherung, die bei den Marktteilnehmern eintritt.191 Hinzu kommt, dass die Gewinnabschöpfung im Gegensatz zu den §§ 812 ff. BGB auf Tatbestandsebene ein vorsätzliches Verhalten des Normadressaten voraussetzt.192 Insgesamt weist die Gewinnabschöpfung damit erhebliche Unterschiede zu den §§ 812 ff. BGB auf. Die Gemeinsamkeiten der Gewinnabschöpfung mit den deliktsrechtlichen Scha- 51 densersatzansprüchen liegen vor allem auf der Tatbestandsebene, soweit jeweils ein schuldhafter Verstoß gegen lauterkeitsrechtliche Verhaltensnormen Grundlage für den deliktischen Schadensersatzanspruch gemäß § 9 als auch für den Gewinnabschöpfungsanspruch ist. Zudem sind die deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüche nicht ausschließlich dem Kompensationsgedanken verpflichtet, sondern auch ihnen wird zunehmend eine Abschreckungs- und Präventionsfunktion zuerkannt (vgl. bereits § 9 Rn. 4).193 Wesentliche Unterschiede bestehen allerdings auf der Rechtsfolgenebene: Anders als der Schadensersatzanspruch, der an den Schaden des Anspruchstellers anknüpft, richtet sich der Umfang der Zahlungspflicht gemäß § 10 nach dem jeweils erzielten Gewinn des Zuwiderhandelnden und nicht nach dem Schaden des Gläubigers. Zwar ist deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüchen die Bemessung der Rechtsfolge anhand des erzielten Gewinns nicht fremd. Am Gewinn oder Vorteil des Zuwiderhandelnden orientierte Haftungsregelungen existieren insbesondere im Bereich des Immaterialgüterrechts.194 Allerdings dient der Gewinn hier lediglich als Grundlage für die Ermittlung des Schadens im Rahmen der dreifachen Schadensberechnung (siehe z.B. § 97 Abs. 2 S. 2 UrhG; § 14 Abs. 6 S. 2 MarkenG; § 139 Abs. 2 S. 2 PatG; dazu Rn. 72). Es bleibt demnach bei der grundsätzlichen Anknüpfung der Rechtsfolge an den Schaden des Anspruchsberechtigten. Auf einen eigenen (wenn auch fingierten) Schaden des anspruchsberechtigten Verbandes kommt es im Falle der Gewinnabschöpfung jedoch gerade nicht an.195 Ebenso wenig ist die Gewinnabschöpfung auf den Ausgleich der Schäden der tatsächlich geschädigten Abnehmer gerichtet. Aktivlegitimation und Schaden fallen hier vielmehr auseinander.196 Nicht zuletzt unterscheidet sich die Gewinnabschöpfung auch wesentlich dadurch von dem deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch, dass die Leistung nicht dem Anspruchsberechtigten, sondern dem Bundeshaushalt zugute kommt. Überschneidungen auf der Rechtsfolgenebene gibt es mit der Herausgabe des Ver- 52 letzergewinns auf der Grundlage der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 687 Abs. 2 BGB. Allerdings handelt es sich bei dem Verstoß gegen eine lauterkeitsrechtliche Norm regelmäßig nicht um eine Geschäftäftsbesorgung des Zuwiderhandeln-

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190 Köndgen RabelsZ 64 (2000), 661, 663; Alexander S. 482. Strittig für den Anspruch gemäß § 687 Abs. 2 BGB Köndgen RabelsZ 64 (2000), 661, 667. 191 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 5; Leicht Gewinnabschöpfung, S. 282; vgl. auch Harte/Henning/ Goldmann § 10 Rn. 20. 192 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 5; v. Raay S. 119. 193 Ausführlich hierzu Wagner AcP 206 (2006), 352 ff.; Alexander S. 139 ff.; Poelzig S. 478 ff. 194 Grundlegend RG 8.6.1895 – I 13/95 – RGZ 35, 63, 66 ff. – Ariston; fortgeführt durch den BGH 29.5.1962 – I ZR 132/60 – GRUR 1962, 509, 511 f. – Dia-Rähmchen II; BGH 30.1.1959 – I ZR 82/57 – GRUR 1959, 379, 383 – Gasparone; BGH 8.5.1956 – I ZR 62/54 – BGHZ 20, 345 = GRUR 1956, 427 – Paul Dahlke. 195 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 94; Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 114. 196 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 94 f.; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 20; Leicht Gewinnabschöpfung, S. 281.

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den in einem fremden Rechts- oder Interessenkreis anderer Marktteilnehmer.197 Die in aller Regel benachteiligten Abnehmer tätigen selbständig Rechtsgeschäfte. Dass das unlautere Verhalten des Zuwiderhandelnden den Entschluss der Abnehmer zu dem Rechtsgeschäft beeinflussen kann, begründet nicht die Wahrnehmung fremder Interessen und damit das Vorliegen eines fremden Geschäfts. § 10 lässt sich auch nicht deshalb als eine Sonderregelung der Geschäftsführung 53 ohne Auftrag einordnen, weil die abschöpfungsberechtigten Institutionen mit der Geltendmachung des Anspruchs jedenfalls auch im Interessenkreis auf fremde Rechnung des begünstigten Bundeshaushalts tätig werden.198 Hiermit lassen sich allenfalls die Ansprüche der abschöpfenden Institutionen auf Erstattung ihrer Aufwendungen gegen die zuständige Stelle rechtfertigen, nicht aber die Befugnis zur Abschöpfung und die Herausgabe des Gewinns durch den Zuwiderhandelnden selbst. Für eine auftragsrechtliche Einordnung gemäß § 662 BGB fehlt es schließlich an der Pflicht der aktivlegitimierten Institutionen, den Gewinnabschöpfungsanspruch im Interesse des Staates tatsächlich durchzusetzen.199 Zudem ließe sich so auch nur das Verhältnis zwischen dem Staat und der klagenden Institution rechtfertigen, nicht aber die Art des Anspruchs gegen den Zuwiderhandelnden begründen. Die überwiegende Auffassung im Schrifttum geht daher bei der Gewinnabschöpfung 54 von einem Anspruch sui generis aus.200 Es steht dem Gesetzgeber frei, in den verfassungsrechtlichen Grenzen neuartige Ansprüche zu schaffen, die sich von den tradierten Anspruchsformen unterscheiden.201 55

b) Stellungnahme. Demnach handelt es sich bei der Gewinnabschöpfung um einen Anspruch eigener Art, der gleichwohl den sonderdeliktsrechtlichen Charakter der §§ 8, 9 teilt.202 Zwar vereint die Gewinnabschöpfung auch bereicherungs- und geschäftsbesorgungsrechtliche Elemente in sich. Für die sonderdeliktsrechtliche Natur spricht aber, dass der Tatbestand des § 10 – wie etwa die §§ 823 ff. BGB – an eine unerlaubte Handlung in Form unlauteren Wettbewerbsverhaltens anknüpft, ohne eine vertragliche Beziehung zwischen den berechtigten Verbänden und dem Zuwiderhandelnden vorauszusetzen.203 Die Rechtsprechung und überwiegende Auffassung im Schrifttum definieren das Lauterkeitsrecht insgesamt als Sonderdeliktsrecht.204 Nichts anderes kann für die Gewinnabschöpfung gelten. Der Gewinnabschöpfungsanspruch der Verbände bildet daher

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197 Zu diesem Erfordernis allgemein RG 29.10.1919 – I 125/19 – RGZ 97, 61, 65 f.; MünchKomm/Seiler § 677 BGB Rn. 4 ff. 198 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 97; v. Raay S. 124 f. 199 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 97. 200 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 100; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 20; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 5; Schaub GRUR 2005, 918, 921; Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 16; Leicht Gewinnabschöpfung, S. 285; v. Raay S. 127 ff. 201 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 100. 202 A.A. Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 100 („auf Leistung gerichteter materieller Verbandsanspruch, dessen Terminologie ohne Bezug gerade zum Schadensersatzrecht bleibt, dafür eine – wenn auch nicht konsequente und in der endgültigen Fassung deutlich abgeschwächte – Ausrichtung hin zum Bereicherungsrecht ahnen lässt und daneben auf Elemente der Fremdgeschäftsführung zurückgreift“); Leicht S. 289 („kategoriengemischte“ Norm, der eine „dogmatisch hybride Konstruktion“ zugrunde liegt). 203 Köhler vergleicht § 10 Abs. 1 UWG „am ehesten“ mit § 852 S. 1 BGB (Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 5). 204 BGH 18.10.2001 – I ZR 22/99 – WRP 2002, 532, 533 – Meißner Dekor; BGH 14.1.1999 – I ZR 203/96 – GRUR 1999, 751, 754 – Güllepumpen; BGH 11.3.1982 – I ZR 39/78 – GRUR 1982, 495, 497 – DomgartenBrand; Köhler/Bornkamm Einl Rn. 7.2; Teplitzky Kap 4 Rn. 11; Reichold Lauterkeitsrecht als Sonderdeliktsrecht AcP 193 (1993), 204.

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I. Vorsätzliches Fehlverhalten

B. Tatbestand

neben den Unterlassungs-, Beseitigungs-205 und Schadensersatzansprüchen gemäß §§ 8, 9 einen weiteren eigenständigen sonderdeliktsrechtlichen Anspruch, auf den ergänzend die allgemeinen deliktsrechtlichen Regelungen anwendbar sind, soweit sich im UWG keine speziellen vorrangigen Vorschriften finden.206 Das wird vor allem bedeutsam für die Verantwortlichkeit bei Tätigwerden Dritter und die Anwendung der §§ 830 f. BGB (dazu Rn. 110 ff.). B. Tatbestand I. Vorsätzliches Fehlverhalten B. Tatbestand I. Vorsätzliches Fehlverhalten Die Gewinnabschöpfung setzt gemäß § 10 Abs. 1 eine vorsätzlich begangene, nach 56 §§ 3 oder 7 unzulässige geschäftliche Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1) voraus. Damit hat sich der Gesetzgeber gegen eine katalogartige Aufzählung – wie im Entwurf von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig vorgeschlagen (vgl. Rn. 6) – entschieden. 1. Verstoß gegen §§ 3 oder 7. Voraussetzung ist zunächst eine nach §§ 3 oder 7 un- 57 zulässige geschäftliche Handlung. Dies verlangt zunächst eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1. Dem genügt jedes Verhalten zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt (ausführlich dazu § 2 Rn. 1 ff.). Voraussetzung ist außerdem, dass es sich um eine unlautere Verhaltensweise i.S.d. § 3 oder eine unzumutbare Belästigung i.S.d. § 7 handelt. Durch die Anknüpfung des § 10 an die Tatbestände der §§ 3, 7 erfasst die Gewinnab- 58 schöpfung grundsätzlich alle Formen unlauteren Verhaltens, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.207 Der Gesetzgeber hatte bei der Einführung des § 10 vor allem folgende Fälle vor Augen: Einziehung geringer Beträge ohne Rechtsgrund, Vertragsschlüsse auf Grund irreführender Werbung, gefälschte Produkte sowie sog. Mogelpackungen.208 Bislang relevant wurde die Gewinnabschöpfung im Zusammenhang mit der irreführenden Gestaltung von Internetseiten, insbesondere durch die sogenannten Kostenfallen im Internet,209 dem verbotenen Vertrieb von Präparaten mit nicht zugelassenen Zusatzstoffen210 und der irreführenden Werbung mit fehlerhaften oder veralteten Testergebnissen.211

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205 Allgemein zu der Einteilung in negatorische, quasinegatorische und deliktische Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche MünchKomm/Baldus § 1004 BGB Rn. 13. 206 So allgemein für die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche Köhler/Bornkamm Einl Rn. 7.2. 207 Vgl. Begr. RegE 1. UWGÄndG, BTDrucks. 16/10145, S. 30, wonach alle Fälle des § 3 von § 10 erfasst werden sollten. 208 RegE UWG 2003, S. 23. Zu weiteren denkbaren Fallgruppen Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 42 ff. 209 OLG Frankfurt 20.5.2010 – 6 U 33/09 – GRUR-RR 2010, 482 – „heute gratis!“; OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 187/07 – K&R 2009, 197; OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 186/07 – GRUR-RR 2009, 265 – AboFallen; LG Hanau 17.9.2008 – 1 O 569/08 – CR 2009, 124; LG Hanau 1.9.2008 – 9 O 551/08 – MMR 2009, 142; LG Berlin 25.9.2007 – 16 O 115/06 – CR 2008, 192. 210 OLG Hamm 14.2.2008 – 4 U 135/07 – GRUR-RR 2008, 435 – Zulassung in EU-Mitgliedstaat; LG Essen 20.7.2007 – 45 O 4/07 – Magazindienst 2007, 985. 211 OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435 – Veralteter Matratzentest; LG Bonn 12.5.2005 – 12 O 33/05 – GRUR-RR 2006, 111 – Unzutreffendes Testurteil; zu einem weiteren Fall von Umrechnungspraktiken zulasten der Verbraucher LG München I 22.7.2008 – 33 O 17282/07 – nicht veröffentlicht.

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Gewinnabschöpfung

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Ein kartellrechtswidriges Verhalten als solches kann – seit der 7. GWB-Novelle – nicht über § 4 Nr. 11 mit der Gewinnabschöpfung sanktioniert werden.212 Das Kartellrecht sieht in den §§ 33ff. GWB differenzierte Sanktionsregelungen vor. Diese Regelungen würden „konterkariert, wenn kartellrechtliche Missbrauchstatbestände, die nicht als Verbote ausgestaltet sind, gleichwohl mit Hilfe des Lauterkeitsrechts durchgesetzt werden könnten“.213 Vor allem die Abstimmung der privatrechtlichen auf die kartellbehördliche Abschöpfung (vgl. insbesondere § 34a Abs. 1 a.E. GWB) wäre so empfindlich gestört.214 Etwas anderes gilt freilich dann, wenn die Unlauterkeit des Verhaltens nicht allein auf dem Verstoß gegen das Kartellrecht, sondern darüber hinaus auf einem selbständigen lauterkeitsrechtlichen Tatbestand beruht. Das wäre z.B. denkbar in Fällen des Boykotts oder der unbilligen Behinderung, wenn dies zugleich den Tatbestand einer gezielten Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 erfüllt. Dann steht die lauterkeitsrechtliche Gewinnabschöpfung gleichberechtigt neben der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung.215

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2. Das Vorsatzerfordernis in § 10 Abs. 1. Die Gewinnabschöpfung setzt einen vorsätzlichen Verstoß gegen lauterkeitsrechtliche Verhaltensnormen voraus. Um die im Grenzbereich zwischen Zulässigkeit und Unzulässigkeit agierenden Unternehmen vor unangemessenen wirtschaftlichen Belastungen zu schützen, hat der Gesetzgeber die endgültige Fassung des § 10 auf vorsätzliche Zuwiderhandlungen beschränkt (vgl. Rn. 8).216

a) Vorsatzbegriff. Maßgeblich ist der zivilrechtliche Vorsatzbegriff i.S.d. § 276 Abs. 1 BGB (ausführlich zum Vorsatzbegriff § 9 Rn. 24).217 Hiernach handelt vorsätzlich, wer den rechtswidrigen Erfolg als solchen vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen hat.218 Das Wissenselement wird durch sicheres Wissen oder auch ein „sachgedankliches Mitbewusstsein“ erfüllt.219 Der vorsatzbegründende Wille liegt insbesondere bei einem zielgerichteten Wollen vor, wenn es also dem Zuwiderhandelnden auf die Verwirklichung des Tatbestands bzw. die Unlauterkeit ankommt. Gleichwohl muss der Eintritt des Erfolgs nicht notwendigerweise erwünscht oder beabsichtigt gewesen sein.220 Es genügt auch bedingter Vorsatz.221 Im Zusammenhang mit dem bedingten Vorsatz treten vor allem Abgrenzungsprob62 leme zu der de lege lata von § 10 nicht erfassten bewussten Fahrlässigkeit auf. Der Begriff der bewussten Fahrlässigkeit findet sich zwar vornehmlich im Strafrecht, wird aber zunehmend auch im zivilrechtlichen Verschuldensbegriff thematisiert.222 Während der Zuwiderhandelnde beim bedingten Vorsatz den Erfolg als möglich voraussieht und ihn 61

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212 Allgemein zu dem Verhältnis der privatrechtlichen Sanktionen im Kartell- und Lauterkeitsrecht BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 14 ff. – Probeabonnement; Harte/Henning/ Goldmann § 10 Rn. 52. 213 BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 Tz. 16 = GRUR 2006, 773 Tz. 14 ff. – Probeabonnement. 214 BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 15 – Probeabonnement. 215 Hierzu BGH 7.2.2006 – KZR 33/04 – BGHZ 166, 154 = GRUR 2006, 773 Tz. 17 – Probeabonnement. 216 RegE UWG 2003, S. 24. 217 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 62. 218 Palandt/Grüneberg § 276 BGB Rn. 10 m.w.N. 219 Statt aller Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 27 m.w.N. 220 Palandt/Grüneberg § 276 BGB Rn. 10. 221 Zu § 10 OLG Stuttgart – 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435; OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 186/07 – GRUR-RR 2009, 265, 268 – Abo-Fallen; OLG Schleswig 26.3.2013 – 2 U 7/12 – MMR 2013, 579, 584; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 6. Im Übrigen vgl. BGH 12.7.1996 – V ZR 117/95 – BGHZ 133, 246, 250. 222 Jauernig/Stadler § 276 BGB Rn. 24.

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I. Vorsätzliches Fehlverhalten

B. Tatbestand

für den Fall seines Eintritts billigend in Kauf nimmt,223 zeichnet sich die bewusste Fahrlässigkeit dadurch aus, dass der Zuwiderhandelnde ernsthaft darauf vertraut, dass der Erfolg nicht eintritt bzw. kein unlauteres Verhalten vorliegt.224 Vorsätzlich handelt wiederum auch, wer gleichgültig „ins Blaue hinein“ handelt, ohne die Möglichkeit der Unlauterkeit zu prüfen oder vor dem Risiko der Unlauterkeit leichtfertig die Augen verschließt.225 b) Bezugspunkt. Bezugspunkt der Vorsätzlichkeit ist der Verstoß gegen §§ 3 oder 7. 63 Im Rahmen des § 10 handelt der Zuwiderhandelnde vorsätzlich, wenn er weiß, dass er den Tatbestand des §§ 3 oder 7 erfüllt und dies auch will oder wenn er jedenfalls die Verwirklichung für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat.226 Die Tatsache, dass der Zuwiderhandelnde durch den Verstoß zulasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt hat, muss demnach nicht vom Vorsatz gedeckt sein. Hierbei handelt es sich nicht um ein Tatbestandsmerkmal, sondern um eine objektive Bedingung des Anspruchs.227 Der Zuwiderhandelnde muss die tatsächlichen Umstände kennen, die die Unlau- 64 terkeit begründen. Hierfür genügt, dass der Zuwiderhandelnde im Sinne eines bedingten Vorsatzes mit dem Vorliegen der Tatumstände ernsthaft rechnet und dies billigend in Kauf nimmt oder sich der Kenntnis der wettbewerbswidrigen Umstände bewusst verschließt.228 Am Vorsatz fehlt es hingegen, wenn der Zuwiderhandelnde ernsthaft auf das Nichtvorliegen der objektiven Tatumstände vertraut.229 Darüber hinaus verlangt der zivilrechtliche Vorsatzbegriff – und das gilt nach h.M. 65 entsprechend für die zivilrechtlichen Vorschriften des UWG – auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit bzw. speziell für das UWG die Unlauterkeit des Verhaltens.230 Es genügt auch insoweit, wenn der Zuwiderhandelnde mit der Unlauterkeit seines Verhaltens gerechnet und sie jedenfalls – im Falle eines bedingten Vorsatzes – billigend in Kauf genommen hat.231 Ausreichend für das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit ist eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“, wenn sich dem Zuwiderhandelnden auf Grund ihm bekannter Tatsachen die Rechtswidrigkeit seines Tuns geradezu aufdrängen musste232 oder wenn er sein Verhalten fortsetzt, obgleich er sich auf Grund ihm bekannter Tatsachen der Einsicht nicht verschließen kann, dass er gegen Vorschriften des UWG verstößt.233 Das

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223 BGH 19.3.1992 – III ZR 16/90 – BGHZ 117, 363, 368; BGH 18.10.1952 – II ZR 72/52 – BGHZ 7, 311, 313. 224 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 174; Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 47; ähnlich Neuberger S. 90; zustimmend v. Raay S. 208. 225 RG 29.10.1931 – VI 231/31 – RGZ 134, 43, 52 f.; BGH 7.6.2006 – VIII ZR 209/05 – BGHZ 168, 64 Tz. 13 = NJW 2006, 2839 Tz. 13; weitere Nachw. bei Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 48. 226 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 6; Sieme S. 96. 227 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 69; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 6; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 78; Bauer S. 110; Gärtner S. 89; Neuberger S. 89; Sieme S. 96. 228 Vgl. BGH 18.12.1968 – I ZR 130/66 – GRUR 1969, 292, 294 – Buntstreifensatin II m. Anm. Reimer; Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 29, jew. m.w.N. 229 Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 28 m.w.N. 230 So die h.M. zum zivilrechtlichen Vorsatzbegriff BGH 12.5.1992 – VI ZR 257/91 – BGHZ 118, 201, 208; BGH 16.6.1977 – III ZR 179/75 – BGHZ 69, 128, 142 f. – Fluglotsenstreik; OLG Frankfurt 20.5.2010 – 6 U 33/09 – GRUR-RR 2010, 482, 483 – „heute gratis!“. Speziell für § 10 Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 35; Gärtner S. 92; a.A. Alexander S. 624 ff. 231 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 66; Gärtner S. 94; Bauer S. 111. 232 Allgemein zum bedingten Vorsatz im Zivilrecht BGH 12.7.1996 – V ZR 117/95 – BGHZ 133, 246, 250; speziell für § 10 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 66, § 9 Rn. 28 f.; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 6; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 83 m.w.N. zur Rspr. 233 OLG Hamm 14.2.2008 – 4 U 135/07 – GRUR-RR 2008, 435, 437 – Zulassung in EU-Mitgliedstaat; OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435, 436 – Veralteter Matratzentest; OLG Frankfurt 20.5.2010

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§ 10

Gewinnabschöpfung

ist regelmäßig der Fall, wenn der Zuwiderhandelnde sein Verhalten nach einer Abmahnung durch einen Verband fortsetzt.234 Sehr weit geht jedoch das OLG Frankfurt, wenn es den Vorsatz nach einer Abmahnung auch dann bejaht, wenn der Zuwiderhandelnde auf fachkundigen Rechtsrat, der die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens bestätigt, vertraut hat (zu der Bedeutung der Abmahnung als Indiz für die Vorsätzlichkeit Rn. 175 f.).235 Ein Rechtsirrtum schließt den Vorsatz i.S.d. § 10 aus, auch dann, wenn der Irrtum 66 über die Unlauterkeit einen groben Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt darstellt und damit grob fahrlässig erfolgt.236 Es genügt für den Vorsatzvorwurf demnach nicht, dass der Zuwiderhandelnde mit der Möglichkeit einer rechtlichen Bewertung seines Verhaltens als unlauter rechnen konnte237 oder die Unlauterkeit hätte erkennen müssen, sofern er mit ihr de facto nicht gerechnet hat.238 So liegt in der Regel lediglich grobe Fahrlässigkeit vor, wenn sich der Zuwiderhandelnde offenkundig in einem Grenzbereich des wettbewerbsrechtlich Zulässigen bewegt und die Unlauterkeit seines Handelns aufgrund naheliegender Überlegungen in Betracht hätte ziehen müssen, dies aber nicht getan hat.239 Erst wenn die Grenze zur „Rechtsblindheit“ überschritten ist, d.h. bei einem Irrtum über elementare Anforderungen des Rechts, bleibt der zivilrechtliche Vorsatz bestehen.240 Ein vorsatzausschließender Verbotsirrtum liegt beispielsweise vor, wenn der Zuwiderhandelnde trotz bereits gegen ihn erfolgtem Unterlassungsurteil aufgrund der nicht eindeutigen Rechtsprechung und eines diesbezüglichen Rechtsrats seines Prozessbevollmächtigen zu Unrecht davon ausgeht, ein im Ausland rechtmäßig hergestelltes Produkt auch in Deutschland in den Verkehr bringen zu können.241 Der Vorsatz wird hingegen nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der Unternehmer auf falsche Angaben eines Lieferanten verlässt und diese ungeprüft übernimmt.242 Bei der Weitergabe von Informationen (nicht rechtskundiger) Dritter kann sich der Zuwiderhandelnde nicht durch die Unkenntnis der Unlauterkeit im Vertrauen auf die Richtigkeit der Informationen von dem Vorsatzvorwurf befreien. Da er die Vorteile des arbeitsteiligen Wirtschaftens genießt, trifft ihn eine entsprechende Pflicht zur Prüfung der Richtigkeit der Informationen.243 67 Um die Durchsetzung des § 10 zu erleichtern, wird teilweise mit dem Hinweis auf den präventiven Zweck des § 10 parallel zu dem Grundgedanken der strafrechtlichen

_____ – 6 U 33/09 – GRUR-RR 2010, 482, 482 – „heute gratis!“; LG Hanau 1.9.2008 – 9 O 551/08 – MMR 2009, 142 Tz. 20 – insoweit nicht abgedr. Ähnlich bereits BGH 30.1.1992 – I ZR 113/90 – BGHZ 117, 115, 117 f. = GRUR 1992, 448, 449 – Pullovermuster; BGH 15.3.1967 – Ib ZR 25/65 – GRUR 1967, 596, 597 – Kuppelmuffenverbindung. 234 OLG Frankfurt/M. 20.5.2010 – 6 U 33/09 – GRUR-RR 2010, 482, 483; OLG Schleswig 26.3.2013 – 2 U 7/12 – MMR 2013, 579, 584. 235 OLG Frankfurt 20.5.2010 – 6 U 33/09 – GRUR-RR 2010, 482, 483 – „heute gratis!“. 236 OLG Hamm 14.2.2008 – 4 U 135/07 – GRUR-RR 2008, 435, 437 – Zulassung in EU-Mitgliedstaat; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 6; v. Raay S. 208; die a.A. des LG Essen (20.7.2007 – 45 O 4/07 – juris), wonach Vorsatz auch bei einem fehlerhaften Rechtsschluss anzunehmen ist, wenn dieser bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vermeidbar war, ist mit dem Urteil der nächsten Instanz hinfällig geworden, OLG Hamm 14.2.2008 – 4 U 135/07 – GRUR-RR 2008, 435, 437 – Zulassung in EU-Mitgliedstaat. Zum Urteil des LG Essen noch MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 88 Fn. 214. 237 Begr. RegE UWG 2003, S. 24; vgl. zu § 10 insoweit OLG Hamm 14.2.2008 – 4 U 135/07 – GRUR-RR 2008, 435, 437 – Zulassung in EU-Mitgliedstaat. 238 So wohl Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 39; ebenso Gärtner S. 93. 239 Gärtner S. 97; v. Raay S. 209. 240 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 174; Palandt/Grüneberg § 276 BGB Rn. 11 m.w.N.; a.A. Gärtner S. 93; Alexander S. 627. 241 OLG Hamm 14.2.2008 – 4 U 135/07 – GRUR-RR 2008, 435, 437 – Zulassung in EU-Mitgliedstaat. 242 OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435, 436 – Veralteter Matratzentest; kritisch Ohly/ Sosnitza § 10 Rn. 5. 243 Hierzu OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435, 436 – Veralteter Matratzentest.

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II. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern

B. Tatbestand

Schuldtheorie in § 17 StGB das Vorliegen eines vorsatzausschließenden Verbotsirrtums abgelehnt und das Bewusstsein der Unlauterkeit bereits dann bejaht, wenn der Zuwiderhandelnde die Unlauterkeit seines Verhaltens hätte erkennen können.244 Andere wollen gänzlich auf das Erfordernis des Unrechtsbewusstseins verzichten und begründen dies vor allem mit der strukturellen Nähe zu § 826 BGB, für den anerkanntermaßen auf das Erfordernis des Unrechtsbewusstseins verzichtet wird.245 Solchen Annäherungen des lauterkeitsrechtlichen Vorsatzbegriffs an den strafrechtlichen Vorsatzbegriff folgt die h.M. mit der traditionellen zivilrechtlichen Vorsatztheorie bislang zu Recht nicht. Gegen den vollständigen Verzicht auf das Erfordernis des Unrechtsbewusstseins spricht, dass der Vorsatzbegriff so erheblich aufgeweicht würde; Vorsatz bezüglich der tatsächlichen Umstände würde bereits genügen. Gegen die Ausweitung des Vorsatzes auf Fälle, in denen die Unlauterkeit erkennbar war, spricht, dass das „Erkennenmüssen“ ein Merkmal zur Feststellung eines objektiven Sorgfaltsverstoßes ist und damit allenfalls denVorwurf der Fahrlässigkeit begründen kann.246 Eine ausdrückliche Regelung wie in § 17 StGB fehlt. Ehrlicher wäre es, den Verschuldensmaßstab de lege ferenda auch auf grob fahrlässiges Verhalten auszuweiten (vgl. Rn. 39 ff.).247 II. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern II. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern Der Gewinn ist sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite des 68 § 10 von Bedeutung: Die Gewinnerzielung ist zunächst eine anspruchsbegründende Voraussetzung der Gewinnabschöpfung; zudem bestimmt der Gewinn den Umfang der konkreten Rechtsfolge. Nach dem Wortlaut der Norm („hierdurch“) muss der Gewinn sowohl auf der Tatbestands- als auch der Rechtsfolgenseite kausal durch die Zuwiderhandlung verursacht worden sein. Neben der ursächlichen Verknüpfung muss der Gewinn darüber hinaus zulasten einer Vielzahl von Abnehmern erzielt worden sein. 1. Gewinnerzielung. Dem § 10 liegt der Gedanke zugrunde: „Unlauteres Verhalten 69 darf sich nicht lohnen“. Voraussetzung ist daher, dass der Zuwiderhandelnde einen Gewinn erzielt hat. a) Gewinnbegriff. Ein Gewinn liegt vor, wenn sich die Vermögenslage des Unter- 70 nehmens durch die Zuwiderhandlung verbessert hat. Wirtschaftlich erfolglose Zuwiderhandlungen fallen daher aus dem Anwendungsbereich des § 10 heraus.248 Insbesondere unlautere Verhaltensweisen, die – wie etwa nicht kostendeckende Preisunterbietungen i.S.d. § 4 Nr. 10249 – gezielt mit dauerhaften Verlusten begangen werden, werden nicht von der Gewinnabschöpfung sanktioniert.250 Im Vergleich zu dem Begriff des wirtschaftlichen Vorteils in §§ 34, 34a GWB sowie 71 § 17 Abs. 4 OWiG ist § 10 enger gefasst. Abzuschöpfen ist ausschließlich der in Geld

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244 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 176. 245 Alexander S. 624 ff. 246 Gärtner S. 94 m.w.N.; ablehnend auch OLG Hamm 14.2.2008 – 4 U 135/07 – GRUR-RR 2008, 435, 437 – Zulassung in EU-Mitgliedstaat. 247 v. Raay S. 211. 248 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 112. 249 So etwa in BGH 29.6.2000 – I ZR 128/98 – GRUR 2001, 80, 81 – Ad-hoc-Meldung; BGH 26.4.1990 – I ZR 71/88 – BGHZ 111, 188 = GRUR 1990, 685, 686 – Anzeigenpreis I; BGH 31.1.1979 – I ZR 21/77 – GRUR 1979, 321, 322 – Verkauf unter Einstandspreis I; RG 18.12.1931 – II 514/30 – RGZ 134, 342 – Benrather Tankstelle. 250 Alexander JZ 2006, 890, 894.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

messbare Gewinn. Sonstige wirtschaftliche Vorteile, z.B. die Verbesserung der Marktposition durch die Ausschaltung oder Zurückdrängung von Wettbewerbern etwa durch Preisunterbietungen,251 sind von § 10 nicht erfasst. b) Gewinnberechnung. Orientierung für die Berechnung des Gewinns können im Einzelnen mit Rücksicht auf den gleichlaufenden Präventionszweck die durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Berechnung des Verletzergewinns im Rahmen der dreifachen Schadensberechnung bieten (ausführlich hierzu § 9 Rn. 60 ff.).252 Ebenso wie die Gewinnabschöpfung beruhen die Grundsätze zur Herausgabe des Verletzergewinns als Variante der Schadensberechnung auf dem Gedanken der Prävention.253 Allerdings ist bei der Übertragung der Grundsätze auf § 10 im konkreten Fall stets zu berücksichtigen, dass es bei den Grundsätzen zur Herausgabe des Verletzergewinns – anders als im Fall des § 10 – um eine Fiktion zur Schadensberechnung geht: Es wird fingiert, dass dem durch die Zuwiderhandlung Verletzten ein Gewinn in Höhe des Verletzergewinns entgangen und damit ein Schaden entstanden ist.254 73 Der Gewinn bemisst sich nach den Umsatzerlösen, die durch die Zuwiderhandlung generiert werden konnten. Diese sind um die Kosten für die Erbringung der Dienstleistungen bzw. für den Erwerb oder die Herstellung der Waren und die entsprechenden Betriebskosten zu kürzen, soweit sie ohne das unlautere Verhalten nicht entstanden wären.255 Nicht mindernd zu berücksichtigen sind hingegen Gemeinkosten und andere betriebliche Aufwendungen, die nicht durch die Zuwiderhandlung verursacht sind, die also auch ohne sie angefallen wären.256 Dazu gehören in der Regel die Kosten für die Miete der Räumlichkeiten, Personal, Buchhaltung, Verwaltung und Marketing. Solche Kosten sind gemäß § 10 Abs. 1 lediglich dann gewinnmindernd zu berücksichtigen, wenn sie sich ausnahmsweise dem konkreten wettbewerbswidrigen Verhalten zurechnen lassen.257 Bei der Gewinnberechnung i.S.d. § 10 Abs. 1 sind zudem nur solche Kosten abzuzie74 hen, die aufgewendet werden müssen, um die konkrete Zuwiderhandlung zu begehen und damit unmittelbar mit den Umsatzerlösen in Zusammenhang stehen.258 Kosten, die erst in Folge der Zuwiderhandlung entstehen – etwa für die Beendigung der Zuwiderhandlung und die Beseitigung ihrer Folgen, die Rechtsverteidigung, aus einer Abmahnung oder einstweiligen Verfügung, Erfüllung von Schadensersatzansprüchen von betroffenen Marktteilnehmern oder Verbrauchern aus Vertrag, Geldstrafen, aber auch mittelbare Verluste durch Imageschäden – beeinflussen hingegen nicht die Höhe des 72

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251 So für § 34 GWB Begr. 2004, S. 55; BayObLG 2.1.1998 – 3 ObOWi 143/97 – BayObLGSt 1998, 1, 3 = wistra 1998, 199, 200; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Rehbinder § 34 GWB Rn. 3. 252 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 204; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 139; Gloy/Loschelders/Mellulis Handbuch des Wettbewerbsrechts, § 26 Rn. 10; Alexander S. 547; Bauer S. 160 f. 253 BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366 = GRUR 2001, 329, 331 – Gemeinkostenanteil. 254 BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 21 – Steckverbindergehäuse. 255 Begr. RegE UWG 2003 S. 24. 256 Begr. RegE UWG 2003 S. 24; jurisPK-UWG/Koch § 10 Rn. 20; Pokrant FS Ullmann, S. 813, 824; Schaub GRUR 2005, 918, 923. 257 Das entspricht den Maßgaben des Gemeinkostenanteil-Urteils des BGH zu der dreifachen Schadensberechnung im Immaterialgüterrecht, obgleich dort die fehlende Abzugsfähigkeit mit der Schadensfiktion begründet wird, so „dass der Verletzte durch die Herausgabe des Verletzergewinns so zu stellen ist, als hätte er ohne die Rechtsverletzung in gleicher Weise wie der Verletzer einen Gewinn erzielt“ (BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366, 372 = GRUR 2001, 329, 331 – Gemeinkostenanteil unter Hinweis auf §§ 687 Abs. 2, 684 S. 1 BGB). 258 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 7.

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II. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern

B. Tatbestand

Gewinns i.S.d. Abs. 1.259 Sie sind nur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 mindernd zu berücksichtigen (ausführlich dazu Rn. 142 ff.). Nicht anrechenbar sind Anlauf- und Entwicklungskosten sowie die Kosten für 75 nicht mehr verwertete Produkte oder Dienstleistungen.260 Führt also die Zuwiderhandlung zu einem Teilgewinn für einzelne verkaufte Produkte oder einzelne Dienstleistungen, erleidet der Zuwiderhandelnde aber insgesamt Verlust, etwa infolge einer Unterlassungsverfügung, ist auf den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn ohne Verrechnung mit den anteiligen Kosten für nicht mehr verwertete Produkte oder Dienstleistungen abzustellen.261 Nur so kann der Präventionszweck erreicht werden, da sich anderenfalls aus Sicht des Zuwiderhandelnden das unlautere Verhalten durch die Verrechnung mit sonstigen Verlusten doch (teilweise) gelohnt hätte.262 Der Wegfall des Gewinns nach den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen i.S.d. 76 § 818 Abs. 3 BGB ist im Rahmen des § 10 unbeachtlich. § 818 Abs. 3 BGB kann nicht entsprechend angewendet werden, da der Einwand der Entreicherung in § 818 Abs. 3 BGB auf dem Gedanken beruht, dass der gutgläubige Bereicherungsschuldner nicht zu einem sorgfältigen Umgang mit dem aus seiner Sicht seinem eigenen Vermögen einverleibten Gegenstand verpflichtet sein soll.263 § 10 wohnt demgegenüber ein Sanktionscharakter inne, der durch eine solche Begünstigung des Zuwiderhandelnden unterlaufen würde.264 Darüber hinaus wäre wegen des Vorsatzerfordernisses ohnehin regelmäßig Bösgläubigkeit i.S.d. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB gegeben, die den Wegfall der Bereicherung als Einwand ausschließt. Soweit die genaue Höhe des Gewinns streitig ist, ist sie auf der Grundlage des § 287 77 ZPO zu schätzen.265 Ausführlich zu den Beweisanforderungen vgl. Rn. 182 ff. 2. Kausalität. Nach dem Wortlaut („… und hierdurch … einen Gewinn erzielt“) muss 78 der erzielte Gewinn kausal auf der Zuwiderhandlung gegen §§ 3 oder 7 beruhen. Insoweit entspricht § 10 den Grundsätzen zur Herausgabe des Verletzergewinns im Rahmen der dreifachen Schadensberechnung.266 a) Allgemeine Grundsätze. Für die Feststellung der Ursächlichkeit gelten die all- 79 gemeinen zivilrechtlichen Regeln zur Kausalität im Schadensersatzrecht.267 Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens ist für § 10 indes unbeachtlich. Der Zuwiderhandelnde kann sich nicht dadurch von der Abschöpfung befreien, dass er den Gewinn (teilweise) auch bei einem rechtmäßigen Verhalten erwirtschaftet hätte.268 So hat der Gesetzgeber mit der Abschöpfung des Gewinns bewusst nicht den Vorschlag von

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259 A.A. für die Einstellung oder Beseitigung einer unzulässigen Werbeaktion sowie die Kosten aus einer Abmahnung oder einstweiligen Verfügung Sack WRP 2003, 549, 554. 260 So auch für die Herausgabe des Verletzergewinns im Rahmen der dreifachen Schadensberechnung BGH 21.9.2006 – I R 6/04 – GRUR 2007, 431, 434 – Steckverbindergehäuse. 261 Bauer S. 179; v. Raay S. 236. 262 v. Raay S. 236. 263 Statt aller MünchKomm/Schwab § 818 BGB Rn. 160; Larenz/Canaris II/2, § 73 I 1, S. 295. 264 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 7 a.E. 265 Begr. RegE UWG 2003 S. 24. 266 Vgl. BGH 29.7.2009 – I ZR 87/07 – GRUR 2010, 237 Tz. 20; WRP 2010, 390 Tz. 20 – Zoladex; BGH 14.5.2009 – I ZR 98/06 – BGHZ 181, 98 Tz. 41 = GRUR 2009, 856 Tz. 41 – Tripp-Trapp-Stuhl; BGH 19.3.2008 – I ZR 225/06 – WRP 2008, 938, 939 – „entwendete Datensätze mit Konstruktionszeichnungen“; BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 37 – Steckverbindergehäuse. 267 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 221. 268 So auch Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 222; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 122; MünchKomm/ Micklitz § 10 Rn. 128; Alexander S. 555 f.; Gärtner S. 124 ff.; Sieme S. 127; a.A. Bauer S. 154 ff.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig269 übernommen, soweit darin eine Abschöpfung des Mehrerlöses – also des geldwerten Vorteils, den der Zuwiderhandelnde gerade aus der unlauteren Handlung erlangt hat 270 – vorgesehen war. 271 Hypothetische Erwägungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers gerade keine Rolle spielen. Zudem ist der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens nach h.M. auch im Schadensersatzrecht unbeachtlich, wenn die verletzte Norm ein bestimmtes Verhalten verhindern soll, da dann der Schadensersatzanspruch durch das begangene Handlungsunrecht ausgelöst wird.272 Der Sanktionszweck des § 10 wäre beeinträchtigt, könnte sich der Zuwiderhandelnde darauf berufen, dass er den Gewinn auch bei einem rechtmäßigen Handeln erwirtschaftet hätte. Das zu sanktionierende Verhalten ist mit dem Wettbewerbsverstoß erfüllt und wird nicht dadurch weniger sanktionswürdig, dass der Gewinn auch bei einem wettbewerbskonformen Verhalten eingetreten wäre.273 Von dem Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens ist aber die folgende Frage nach der anteiligen Gewinnabschöpfung zu unterscheiden. b) Anteilige Gewinnabschöpfung. Der Entschluss der Abnehmer zu dem gewinnbringenden Geschäft und damit der Gewinn des Zuwiderhandelnden werden regelmäßig durch ein Bündel an Faktoren beeinflusst. Neben dem konkreten unlauteren Verhalten spielen u.a. auch frühere oder gleichzeitige (rechtmäßige) Marketingmaßnahmen des Unternehmens oder von Konkurrenten, der Ruf des Unternehmens oder von Mitbewerbern, objektive Marktberichte oder sonstige Umwelteinflüsse eine Rolle. Umstritten ist, ob sich der Anspruch auf den Anteil am Gewinn beschränkt, der ursächlich auf der unlauteren Handlung bzw. dem unlauteren Teil einer einheitlichen Wettbewerbshandlung beruht,274 oder ob darüber hinaus der gesamte Gewinn aus dem Verhalten abzuführen ist, auch wenn andere Faktoren mitursächlich waren.275 Für ein restriktives Verständnis, wonach nur der auf dem Wettbewerbsverstoß beruhende Gewinnanteil abzuschöpfen ist, wird zunächst der Wortlaut des Gesetzes angeführt:276 Demnach kann dieser Gewinn abgeschöpft werden, der durch den Wettbewerbsverstoß erzielt wurde. Die Vertreter einer extensiven Auslegung des § 10, den gesamten Gewinn abzuschöpfen, verweisen insbesondere auf den Präventionszweck des § 10, der eine möglichst weitreichende Sanktion und eine damit verbundene erhöhte Abschreckungswirkung erfordere.277 Ein hinreichend abschreckender Effekt wird jedoch bereits dadurch erzielt, dass der 81 unlauter erwirtschaftete Gewinn entzogen wird; hierfür ist nicht auch notwendigerweise ein darüber hinausgehender rechtmäßig erzielter Gewinn abzuschöpfen.278 Eine weitergehende Abschöpfung des gesamten Gewinns unabhängig von der Kausalität der Unlauterkeit würde vielmehr dem Verhältnismäßigkeitsprinzip widersprechen. 279 Zudem stimmt die Abschöpfung nur des konkret durch die Unlauterkeit erzielten Gewinns auch mit den Grundsätzen zur Berechnung des Verletzergewinns im Rahmen der dreifachen

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269 Siehe § 9 Abs. 2 des Entwurfs von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1322. 270 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 113. 271 Alexander S. 546, 556. 272 Ausführlich zu der Beachtlichkeit des Alternativverhaltens Bamberger/Roth/Schubert § 249 BGB Rn. 100 ff.; Jauernig/Teichmann Vor §§ 249–253 BGB Rn. 48; MünchKomm/Oetker § 249 BGB Rn. 217 ff. m.w.N. So auch BGH 24.10.1985 – IX ZR 91/84 – BGHZ 96, 157, 173 = NJW 1986, 576, 577. 273 Alexander S. 556. 274 So Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 7; Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 7; Neuberger S. 92 ff. 275 So Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 126; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 124 f. 276 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 9; Neuberger S. 91 ff.; Alexander S. 554 f. 277 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 222; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 113 ff. 278 Gärtner GRUR Int. 2008, 817, 818. 279 Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 7.

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II. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern

B. Tatbestand

Schadensberechnung nach § 9 überein.280 Zwar handelt es sich bei der Gewinnabschöpfung gerade nicht um einen Schadensersatzanspruch (vgl. Rn. 55), im Hinblick auf den gemeinsamen Präventionsgedanken ist aber insoweit eine Orientierung an den durch die Rechtsprechung zur Berechnung des Verletzergewinns im Rahmen der dreifachen Schadensberechnung entwickelten Grundsätzen sinnvoll (vgl. dazu Rn. 72).281 Teilweise wird die Beschränkung auf den konkreten Gewinn abgelehnt, weil sich oft 82 nur schwer feststellen ließe, welcher Anteil am Gewinn tatsächlich auf das unlautere Verhalten oder aber auf andere Einflüsse zurückzuführen ist.282 Allerdings können bloße praktische Schwierigkeiten nicht die Abschöpfung von Gewinnen rechtfertigen, die nicht durch das unlautere Verhalten verursacht, sondern aufgrund rechtmäßigen Verhaltens erwirtschaftet wurden. Zudem bietet die gefestigte Rechtsprechung zur Herausgabe des Verletzergewinns im Rahmen des § 9 wichtige Hilfestellung bei der Bestimmung des konkreten Gewinns: Beruht die Entscheidung zum Erwerb eines nachgeahmten Produkts etwa zu 60% auf dem Erscheinungsbild und zu 40% auf dem besonders niedrigen Kaufpreis, ist der Gesamtgewinn aus dem Vertrieb des Produkts zu 60% abzuschöpfen.283 Bei der Verletzung von Betriebsgeheimnissen gemäß § 17 ist hingegen der gesamte Gewinn abzuführen, der nicht unwesentlich durch den Einsatz der unlauter erlangten Informationen erzielt werden konnte. Da Betriebsgeheimnisse keinesfalls verwertet werden dürfen, beruht der gesamte Gewinn auf dem Verstoß.284 Ebenso ist der gesamte Gewinn aus dem Vertrieb von Arzneimitteln abzuschöpfen, weil und wenn das „eingeführte Arzneimittel ohne die Verwendung der Marke des Verletzten aus arzneimittelrechtlichen Gründen in Deutschland nicht verkehrsfähig gewesen wäre“.285 Bei Mogelpackungen ist der kausal erzielte Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen angegebener Füllmenge und tatsächlicher Füllmenge.286 Praktische Schwierigkeiten bereitet die Feststellung des Gewinnanteils vor allem im 83 Falle der unlauteren Werbung, da neben der Werbung regelmäßig viele andere Faktoren die Entscheidung der Abnehmer beeinflussen287 oder etwa einzelne Bestandteile in einer einheitlichen Werbung lauter, andere unlauter sein können.288 Die praktischen Beweisschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Kausalität werden durch § 287 ZPO analog verringert. Demnach kann der Umfang des durch die Zuwiderhandlung kausal erzielten Gewinnanteils anhand der Umstände des Einzelfalls geschätzt werden.289 Die hierfür notwendige gesicherte Schätzgrundlage, denen u.U. auch „recht pauschale“ Anhaltspunkte genügen,290 kann im Wege eines Auskunftsanspruchs auf Herausgabe der Geschäftsunterlagen begründet werden (zu den Beweisanforderungen Rn. 188).291

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280 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 9. 281 Speziell als Begründung für die Beschränkung auf den Gewinnanteil Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 7. Allgemeiner Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 139; Alexander S. 547; Bauer S. 160 f. 282 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 116. 283 OLG Hamburg GRUR-RR 2009, 136, 139 – Gipürespitze II. 284 So zur Herausgabe des Verletzergewinns im Rahmen des § 9 vgl. BGH 19.3.2008 – I ZR 225/06 – WRP 2008, 938, 939; BGH 19.12.1984 – I ZR 133/82 – GRUR 1985, 294, 296 – Füllanlage. 285 BGH 29.7.2009 – I ZR 87/07 – WRP 2010, 390, 391 f. – Zoladex. 286 Zu diesen Beispielen Gärtner GRUR Int. 2008, 817, 819. 287 Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 7; Sack WRP 2003, 549, 554. 288 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 7; Sack WRP 2003, 549, 554. 289 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 9; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 129. So die Rechtsprechung zur Herausgabe des Verletzergewinns BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 38 – Steckverbindergehäuse; BGH 6.10.2005 – I ZR 322/02 – GRUR 2006, 419 Tz. 16 – Noblesse. 290 Vgl. BGH 14.5.2009 – I ZR 98/06 – BGHZ 181, 98 Tz. 42 = GRUR 2009, 856 Tz. 42 – Tripp-Trapp-Stuhl m.w.N.; Teplitzky GRUR 1987, 215, 216 zu Schadensersatzansprüchen aufgrund unlauterer Handlungen m.w.N.; Baumbach/Lauterbach/Hartmann § 287 ZPO Rn. 25; ähnlich auch bereits Klauser JZ 1968, 167, 169. 291 Gärtner GRUR Int. 2008, 817, 819.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

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Anders als bei der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung292 verbieten sich hypothetische Überlegungen nicht nur zur Kausalität der Gewinnerzielung als anspruchsbegründende Tatsache, sondern auch bei der Feststellung, welcher Anteil am Gewinn auf die unlautere Handlung zurückzuführen ist. Der hypothetische Gewinn, der bei einer rechtmäßigen Maßnahme alternativ erwirtschaftet worden wäre, ist nicht abzugsfähig.293

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3. Zulasten einer Vielzahl von Abnehmern. Die Bedeutung der Gewinnabschöpfung als Marktregulierungsinstrument spiegelt sich auch darin wider, dass der Gewinn aus dem unlauteren Verhalten zulasten einer Vielzahl von Abnehmern erzielt sein muss. Damit werden unlautere Verhaltensweisen, die lediglich einzelne Marktteilnehmer und damit vor allem individuelle Interessen berühren, vom Anwendungsbereich des § 10 ausgenommen.294

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a) Zulasten. Umstritten ist, wie das Merkmal „zu Lasten“ auszulegen ist.295 Nach der Begründung der endgültigen Fassung im Rechtsausschuss ist die Formulierung „zu Lasten“, die an die Stelle der Formulierung „auf Kosten“ getreten ist, so zu verstehen, „dass durch die Zuwiderhandlung bei einer Vielzahl von Abnehmern eine wirtschaftliche Schlechterstellung eingetreten“ sein muss.296 aa) Wirtschaftliche Schlechterstellung

(1) Meinungsstand. Nach teilweise vertretener Auffassung im Schrifttum setzt eine wirtschaftliche Schlechterstellung voraus, dass dem Gewinn des Zuwiderhandelnden ein unmittelbarer Vermögensnachteil der Abnehmer gegenübersteht, so dass als Abnehmer nur die unmittelbaren Vertragspartner des Zuwiderhandelnden in Betracht kämen.297 Hiernach ist bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Schlechterstellung eine Gegenleistung des Zuwiderhandelnden grundsätzlich zu berücksichtigen. Der unmittelbare Vermögensnachteil wird zum Teil sehr restriktiv auf die Fälle beschränkt, in denen den Abnehmern aufgrund des gewinnbringenden Geschäfts ein eigener zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch zusteht.298 Gegen diese restriktive Auslegung spricht jedoch, dass der Gesetzgeber mit dem Verzicht auf die ursprünglich avisierte Anknüpfung an den Schaden die Gewinnabschöpfung bewusst von dem Schadenserfordernis lösen wollte und der Anwendungsbereich anderenfalls zudem erheblich eingeschränkt wäre.299 Andere lassen es für den unmittelbaren Vermögensnachteil daher genügen, dass die 88 gewinnbringende geschäftliche Handlung Grundlage für eigene bürgerlich-rechtliche Rechte oder Ansprüche der Abnehmer gegen den Zuwiderhandelnden ist.300 Solche Ansprüche sollen insbesondere Gewährleistungsrechte gemäß §§ 434 ff. BGB, aber auch 87

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292 Zu der Berücksichtigung des hypothetischen Wettbewerbspreises Frankfurter Kommentar/Roth § 34a GWB Rn. 24. 293 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 231; a.A. Sosnitza GRUR 2003, 549, 554. 294 Begr. RegE UWG 2003, BTDrucks. 15/1487, S. 24. 295 Zum Meinungsstand OLG Frankfurt 20.5.2010 – 6 U 33/09 – GRUR-RR 2010, 482, 483 und OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 186/07 – GRUR-RR 2009, 265, 268; Alexander S. 533 ff.; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 102 ff. m.w.N.; Sieme WRP 2009, 914. Zu der Entwicklung dieses Merkmals im Laufe der Gesetzgebung Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 178 ff. 296 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BTDrucks. 15/2795, S. 21. 297 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 9; Pokrant FS Ullmann, S. 813, 815; Sieme WRP 2009, 914, 919 ff.; ders. S. 105 ff. 298 Sieme WRP 2009, 914, 919 ff.; ders. S. 105 ff. 299 Alexander S. 533. 300 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 10; Pokrant FS Ullmann, S. 813, 815; a.A. Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 9.

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II. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern

B. Tatbestand

Ansprüche aus culpa in contrahendo gemäß §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB oder deliktsrechtliche Ansprüche gemäß §§ 823 ff. BGB sowie Anfechtungs-301 oder Widerrufsrechte sein.302 Der Abschöpfungsanspruch gemäß § 10 besteht hiernach auch dann, wenn die Rechte der Abnehmer mangels Geltendmachung bereits erloschen oder verjährt sind.303 Diese Auffassung korrespondiert am ehesten mit der Gesetzesbegründung zu dem Merkmal „auf Kosten“, wonach „der Gewinnerzielung unmittelbar ein Vermögensnachteil der Abnehmer“ gegenüber stehen muss und ein Vermögensnachteil grundsätzlich dann fehlen wird, „wenn der vom Zuwiderhandelnden erzielte Preis völlig angemessen ist”.304 Eine wirtschaftliche Schlechterstellung liegt nach dieser Auffassung vor, wenn die Leistung der Abnehmer und die Gegenleistung des Zuwiderhandelnden in keinem angemessenen Verhältnis zueinander stehen oder der Abnehmer einen sonstigen Nachteil, beispielsweise in Form von Aufwendungen, die ohne die unlautere Wettbewerbshandlung nicht angefallen wären, erlitten hat. Damit sind jedenfalls die Fälle erfasst, in denen Abnehmer einen Vermögensnachteil erleiden, weil sie – wie etwa bei Mogelpackungen oder einem Minderausschank305 – einen nachteiligen Vertrag mit einem aus ihrer Sicht ungünstigem Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung abgeschlossen haben. Folge dieser Auffassung ist jedoch, dass dem Richter die Aufgabe zukäme, einen gerechten hypothetischen Wettbewerbspreis zu ermitteln, um letztlich die Angemessenheit des tatsächlich verlangten Preises beurteilen zu können.306 Die Gegenleistung soll nach dieser Auffassung nur dann außer Betracht bleiben, wenn die Abnehmer an der Leistung „kein Interesse haben, mithin eine aufgedrängte Bereicherung vorliegt“.307 Um die Schwierigkeiten beim Nachweis eines konkreten individuellen Vermögens- 89 nachteils zu vermeiden, halten andere Stimmen im Schrifttum zwar an dem Erfordernis eines Vermögensnachteils fest, stellen aber darauf ab, ob die Zuwiderhandlung als solche typischerweise geeignet ist, Vermögensnachteile bei Abnehmern zu verursachen.308 Hiernach genügt bereits der Abschluss eines möglicherweise ungewollten Vertrags, ohne dass nachzuweisen sei, ob der Vertrag im konkreten Fall tatsächlich unerwünscht war.309 Andere lösen das Erfordernis der wirtschaftlichen Schlechterstellung vollständig 90 von dem Begriff des Vermögensnachteils und dehnen den Tatbestand auch auf Beeinträchtigungen sonstiger lauterkeitsrechtlich geschützter Interessen von Abnehmern aus.310 Hiernach können unlautere Maßnahmen durch § 10 sanktioniert werden, auch wenn die hierdurch veranlassten Verträge ausgewogen und die Leistungen nicht schlecht-

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301 OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 186/07 – GRUR-RR 2009, 265, 268 – Abo-Fallen. 302 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 10. Offen gelassen in OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 186/07 – GRUR-RR 2009, 265, 268 – Abo-Fallen. 303 OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 186/07 – GRUR-RR 2009, 265, 268 – Abo-Fallen; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 10. 304 RegE UWG 2003, S. 24; ebenso Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 14. 305 Hierzu Alexander S. 531 mit Verweis auf BGH 21.4.1983 – I ZR 30/81 – GRUR 1983, 451 – Ausschank unter Eichstrich I m. Anm. Abels; BGH 10.12.1986 – I ZR 136/84 – GRUR 1987, 180 – Ausschank unter Eichstrich II. 306 Sosnitza GRUR 2003, 739, 746. 307 jurisPK-UWG/Koch, § 10 Rn. 32 ff.; RegE UWG 2003, S. 24. 308 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 83, 85 ff.; Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 9. 309 Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 9. 310 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 176 ff.; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 110 ff.; Alexander WRP 2004, 407, 418; Neuberger S. 104 ff.; ohne die Einschränkung, dass es sich um lauterkeitsrechtlich geschützte Abnehmerinteressen handeln muss Gärtner GRUR Int. 2008, 817, 820 f.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

hin unbrauchbar sind.311 Das durch die Werbung beeinträchtigte Interesse des Abnehmers, nicht belästigt zu werden, genügt nach dieser Auffassung. In der Rechtsprechung findet sich bislang keine einheitliche Definition für das 91 Merkmal „zu Lasten“. Nach Auffassung des OLG Stuttgart muss die Zuwiderhandlung bei einer Vielzahl von Abnehmern eine wirtschaftliche Schlechterstellung hervorgerufen haben, wofür auch bereits der Abschluss eines Vertrages ausreichen kann. Dies begründet das Gericht mit einer Parallele zu der kapitalmarktrechtlichen Frage des Schadens durch Erwerb eines Wertpapiers.312 Das OLG Naumburg lässt es hingegen genügen, dass die Wettbewerbshandlung die Interessen anderer Marktteilnehmer beeinträchtigt. 313 Durch das Merkmal „zu Lasten“ sollten lediglich Zuwiderhandlungen ausgeklammert werden, die ausschließlich Mitbewerber beeinträchtigten. Das LG Hanau314 und das LG Frankfurt315 verlangen jeweils eine wirtschaftliche Schlechterstellung im Sinne eines unmittelbaren Vermögensnachteils auf Seiten der Abnehmer mit der Begründung, dass die Gewinnabschöpfung das Marktversagen korrigieren solle, das darin besteht, dass Abnehmer zwar eigene bürgerlich-rechtliche Ansprüche zur Sicherung ihrer Vermögensinteressen gegen den Zuwiderhandelnden hätten, diese aber nicht geltend machten. Das OLG Frankfurt hat die Frage im Ergebnis offen gelassen.316 (2) Stellungnahme. Gegen die Forderung eines unmittelbaren Vermögensnachteils spricht, dass der Rechtsausschuss mit der Änderung des Wortlauts (von „auf Kosten“ zu „zu Lasten“) klarstellen wollte, „dass der Gewinnabschöpfungsanspruch nicht die Ermittlung von einzelfallbezogenen Nachteilen voraussetzt“,317 also eine Saldierung von Vor- und Nachteilen eines konkreten Geschäfts ausschließen wollte.318 Eine individuell-konkrete Betrachtung hätte zudem eine rechtspolitisch nicht wünschenswerte richterliche Preiskontrolle zur Folge.319 Nicht zuletzt führte eine individuell-konkrete Betrachtung dazu, dass der Abnehmerbegriff des § 10 auf unmittelbare Abnehmer beschränkt wäre, da bürgerlich-rechtliche Ansprüche gegen den Zuwiderhandelnden in der Regel nur innerhalb von Geschäftskontakten bestehen werden.320 Doch auch eine typisierende Betrachtung ist nicht geeignet, alle problematischen 93 Fälle überzeugend zu bewältigen. Sie stößt vor allem an ihre Grenzen, soweit Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis stehen und damit rein rechnerisch kein Vermögensnachteil vorliegt, aber Abnehmer das Geschäft ohne die Zuwiderhandlung nicht abgeschlossen oder unnütze Aufwendungen nicht getätigt hätten. Zwar soll es nach der typisierenden Betrachtung ausreichen, dass es sich um möglicherweise ungewollte Verträge handelt; ob aber Abnehmer ein Geschäft als aufgedrängte Bereiche92

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311 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 177; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 85; Alexander WRP 2004, 407, 418; ders. JZ 2006, 890, 895. 312 OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435, 437 – Veralteter Matratzentest mit Verweis auf BGH 8.3.2005 – XI ZR 170/04 – BGHZ 162, 306, 309 f. zu § 37a WpHG (Schaden durch Erwerb eines Wertpapiers unabhängig von dessen Kursentwicklung). 313 OLG Naumburg 27.6.2008 – 10 U 77/07 – nicht veröffentlicht. 314 LG Hanau 17.9.2008 – 1 O 569/08 – CR 2009, 124. 315 LG Frankfurt/M. 5.9.2007 – 3–08 O 36/07 – nicht veröffentlicht (zum Downloaden von Grafiken und Zugriff auf eine Datenbank mit über 2.000 Gedichten für € 39,95). 316 OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 186/07 – GRUR-RR 2009, 265, 268; OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 187/07 – CR 2009, 253, 257. Ebenfalls offenlassend OLG Frankfurt 20.5.2010 – 6 U 33/09 – GRUR-RR 2010, 482, 483. 317 BTDrucks. 15/2795, S. 21. 318 Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 9. 319 Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 9; Sosnitza GRUR 2003, 739, 746. 320 Alexander S. 534.

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II. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern

B. Tatbestand

rung empfinden oder in ihren Erwartungen enttäuscht werden und insoweit das Geschäft einen Vermögensnachteil darstellt, lässt sich nicht typisierend, sondern nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilen.321 Nimmt man den marktregulierenden Charakter der Gewinnabschöpfung als Steue- 94 rungsinstrument (dazu Rn. 17 ff.) ernst, spricht viel dafür, das Merkmal „zu Lasten“ extensiv zu verstehen und auf sämtliche wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen der Abnehmer abzustellen.322 Der Wortlaut des § 10 („zu Lasten“) erlaubt ein solch weites Begriffsverständnis gegen die Gesetzesbegründung. Abnehmer sind nicht nur durch Vermögensnachteile belastet,323 sondern auch bei sonstigen Beeinträchtigungen lauterkeitsrechtlich geschützter Interessen.324 Die Gewinnabschöpfung zielt nicht als „verkappte Kollektivklage“325 auf den Schutz von Vermögensinteressen der Abnehmer durch die gebündelte Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen. Daher hat sich der Gesetzgeber bereits in dem frühen Stadium des RefE gegen den Begriff des Schadens auf Seiten der Abnehmer entschieden. Sinn und Zweck des § 10 ist es vielmehr, die Durchsetzung der lauterkeitsrechtlichen Normen durch den abschreckenden Effekt der Gewinnentziehung zu verbessern. Fehlverhalten soll sich nicht lohnen. Zwar sollen hier vor allem die Fälle erfasst werden, in denen bei Streu- und Bagatellschäden die Geschädigten selbst ihre Ansprüche nicht geltend machen.326 Das Bedürfnis nach Marktregulierung im Allgemeininteresse und zur wirksamen Normdurchsetzung wird aber durch die Beeinträchtigung der Lauterkeit als Institution ausgelöst. Davon ist schon bei einer Beeinträchtigung von wettbewerbsrelevanten Interessen einer Vielzahl von Abnehmern auszugehen (vgl. § 1 S. 2). Demgemäß sind die Tatbestände, die durch § 10 sanktioniert werden, nicht zwingend auf Vermögensinteressen der Abnehmer beschränkt. So dient vor allem der in § 10 ausdrücklich erwähnte § 7 nicht dem Schutz von Vermögensinteressen, sondern dem Schutz der Marktteilnehmer vor einer unangemessenen Beeinträchtigung ihrer privaten oder beruflichen Sphäre sowie ihrer Entscheidungsfreiheit.327 Das Tatbestandsmerkmal „zu Lasten“ ist daher sowohl bei Beeinträchtigungen von Vermögensinteressen als auch sonstigen Interessen von Abnehmern erfüllt. 328 Welche Abnehmerinteressen beeinträchtigt sein müssen, richtet sich folglich nach dem jeweils verletzten lauterkeitsrechtlichen Verbot.329 bb) Unmittelbare Nachteile. Diejenigen, die einen Vermögensnachteil auf Seiten 95 der Abnehmer verlangen, sind sich darüber hinaus uneinig, ob der Vermögensnachteil unmittelbar mit dem erzielten Gewinn korrespondieren muss: Ein unmittelbarer Zusammenhang wird zum Teil verlangt, so dass ausschließlich die Vermögensinteressen der Vertragspartner des Zuwiderhandelnden beachtlich sind.330 Nach a.A. genügt eine nur

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321 Alexander S. 537. 322 Alexander WRP 2004, 407, 418. 323 So die Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 324 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 177; Alexander S. 541; ders. WRP 2004, 407, 418; a.A. Neuberger S. 104. Anders freilich ausdrücklich die Gesetzesbegründung Begr. RegE UWG 2003 S. 24. 325 So zu § 34a GWB Frankfurter Kommentar/Roth § 34a GWB Rn. 28. 326 Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 327 Alexander S. 541 f. 328 So auch Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 198 ff.; Alexander S. 520 ff. Eine eigenständige Bedeutung des Merkmals „zu Lasten“ in § 34a GWB als anspruchsbegründende Voraussetzung neben dem Gewinnerfordernis vollständig ablehnend Frankfurter Kommentar/Roth § 34a GWB Rn. 28. 329 Alexander S. 543. Zu der Einteilung in Fallgruppen Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 188 ff.; Harte/ Henning/Goldmann § 10 Rn. 42 ff.; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 70 ff.; Neuberger S. 68 ff.; Bauer S. 122 ff. 330 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 9 f.; Pokrant FS Ullmann, S. 813, 816. So etwa für den strafrechtlichen Verfall BGH 30.5.2008 – 1 StR 166/07 – BGHSt 52, 227 – insoweit nicht abgedr. = GRUR 2008, 818 Tz. 135 – Strafbare Werbung im Versandhandel.

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Gewinnabschöpfung

mittelbare Benachteiligung einer Vielzahl von Abnehmern.331 Der Gewinn des Normadressaten und die Nachteile der Abnehmer müssen demnach nicht zwingend miteinander korrespondieren.332 Gegen die Voraussetzung einer strengen Konnexität zwischen der wirtschaftlichen Benachteiligung der Abnehmer und dem Gewinn des Zuwiderhandelnden spricht vor allem der Umstand, dass der Gesetzgeber im Laufe der Gesetzgebungsgeschichte bewusst auf die bereicherungsrechtliche Formulierung „auf Kosten“ verzichtet hat,333 die nach der Gesetzesbegründung klarstellen sollte, dass der Gewinnerzielung unmittelbar ein Vermögensnachteil der Abnehmer gegenüberstehen muss. Geht man indes – wie hier – davon aus, dass die Beeinträchtigung sonstiger lauter96 keitsrechtlich geschützter Interessen der Abnehmer genügt und der Anwendungsbereich nicht auf Vermögensinteressen der Abnehmer beschränkt ist, ist das Erfordernis einer „Stoffgleichheit“334 zwischen dem Gewinn des Zuwiderhandelnden und dem Nachteil der Abnehmer bereits per definitionem ausgeschlossen.335 Es genügt eine kausale Verknüpfung zwischen dem Gewinn des Zuwiderhandelnden und den lauterkeitsrechtlich erfassten Nachteilen der Abnehmer, wie etwa bei dem Gewinn durch eingesparte Kosten für nach dem UWG erforderliche Informationen der Abnehmer.336 b) Abnehmer aa) Abnehmerbegriff. Das Gesetz definiert den Begriff des Abnehmers nicht. Nach der Gesetzesbegründung sind hiermit nicht nur die Verbraucher, sondern alle Marktteilnehmer gemeint.337 Zu den Marktteilnehmern zählen neben den Verbrauchern auch Unternehmen, Vereine, Verbände oder die öffentliche Hand.338 Ausgehend von dem Begriff des Abnehmers sind hiervon gleichwohl nicht alle 98 Marktteilnehmer i.S.d. Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 2 erfasst. Abnehmer sind die Marktteilnehmer, die in einem Vertikalverhältnis zu dem Verletzer stehen, d.h. auf nachgelagerten Marktstufen Leistungen des Zuwiderhandelnden nachfragen. Unerheblich ist, wer die Kosten für die Waren oder Dienstleistungen trägt.339 Abnehmer i.S.d. § 10 ist stets die Person, die die Waren und Dienstleistungen nachfragt, auch wenn letztendlich ein Dritter – etwa Versicherungen oder Krankenkassen – die Kosten trägt.340 Eng mit der Frage nach der Stoffgleichheit zwischen Gewinn und Nachteil (vgl. 99 Rn. 95 f.) verknüpft ist die Frage, ob im Falle von Absatzketten neben dem unmittelbaren Vertragspartner des Verletzers sämtliche Marktteilnehmer auf nachgelagerten Marktstufen als Abnehmer i.S.d. § 10 in Frage kommen. Rechtsprechung und Teile der Literatur beschränken den Abnehmerbegriff auf den konkreten Vertragspartner des Zuwiderhandelnden, also auf unmittelbare Abnehmer.341 Nach a.A. sind auch die Ge97

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331 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 51; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 121. 332 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 198 ff.; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 110 f.; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 110 ff.; Alexander WRP 2004, 407, 418; Schaub GRUR 2005, 918, 923; Neuberger S. 104 ff.; Augenhofer/Stadler S. 117, 134. 333 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 198. 334 Vgl. zu diesem Begriff Leistner/Pohlmann WRP 2003, 815, 829. 335 Alexander S. 542. 336 Alexander S. 542. 337 Stellungnahme des Bundesrates RegE UWG 2003, S. 34. 338 Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 339 Alexander S. 522. 340 Alexander S. 522. 341 BGH 30.5.2008 – 1 StR 166/07 – BGHSt 52, 227 – insoweit nicht abgedr. = GRUR 2008, 818 Tz. 135 – Strafbare Werbung im Versandhandel; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 11; Neuberger S. 108; Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 8.

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II. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern

B. Tatbestand

winne zu beachten, die der Verletzer zulasten mittelbarer Abnehmer auf nachgelagerten Marktstufen erlangt hat.342 Für die Erfassung unmittelbarer und mittelbarer Abnehmer sprechen die Gesetzes- 100 materialien: So ging die Bundesregierung der Anregung des Bundesrats im RegE zum UWG, ausschließlich unmittelbare Vertragspartner des Zuwiderhandelnden als Abnehmer zu definieren, nicht weiter nach.343 Einem weiten Abnehmerbegriff folgt der Gesetzgeber ausdrücklich auch für § 34a GWB, wonach „nicht nur die unmittelbaren Abnehmer, sondern alle potentiell geschädigten Abnehmer bis hin zum Endabnehmer“ erfasst sind.344 Nicht zuletzt entspricht die Einbeziehung mittelbarer Abnehmer auch dem Regelungsziel von § 10. Eine abschreckende Wirkung wird durch die Abschöpfung des wirtschaftlichen Gewinns des Zuwiderhandelnden erreicht, unabhängig davon, auf welcher Marktstufe ein Nachteil durch die Zuwiderhandlung eingetreten ist. Als Instrument der Normdurchsetzung ist § 10 – wie die sanktionierten lauterkeitsrechtlichen Verhaltensnormen – von unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zwischen dem Zuwiderhandelnden und dem Abnehmer unabhängig.345 Maßgeblich ist allein die Beschränkung auf Vertikalverhältnisse, also die Marktposition der betroffenen Abnehmer als Nachfrager von Waren und Dienstleistungen des Zuwiderhandelnden. bb) Mitbewerber und Anbieter. Nicht erfasst ist der Gewinn, den der Verletzer im 101 horizontalen Verhältnis zulasten von Mitbewerbern i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 erzielt hat.346 Denkbar ist, dass eine Zuwiderhandlung gegen §§ 3 oder 7 zusätzliche Umsätze und so höheren Gewinn durch Wettbewerbsvorteile zulasten von Mitbewerbern ermöglicht, ohne dass Abnehmer hierdurch benachteiligt werden.347 In diesen Fällen – bei einem Gewinn ausschließlich zulasten der Mitbewerber, also unter Verstoß gegen mitbewerberschützende Vorschriften – erfolgt eine Sanktionierung bereits durch die Schadensersatzansprüche der geschädigten Mitbewerber gemäß § 9, so dass es insoweit an einem vergleichbaren Durchsetzungsdefizit wie im Falle der geschädigten Abnehmer fehlt. Im Unterschied zu der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung gemäß § 34a GWB er- 102 fasst § 10 auch nicht solche Gewinne, die der Verletzer im vertikalen Vertriebsverhältnis auf Kosten seiner Lieferanten erzielt. Hierbei handelt es sich um Anbieter, nicht um Abnehmer.348 Obgleich auch Abnehmer ihre Nachfragemacht zu unlauteren Verhaltensweisen – etwa gemäß § 3 Abs. 1, 4 Nr. 1, 10 – ausnutzen und Streu- und Bagatellschäden verursachen können,349 hat der Gesetzgeber gleichwohl Gewinne zulasten von Anbietern nicht in den Anwendungsbereich aufgenommen. Eine analoge Anwendung des § 34a GWB auf lauterkeitsrechtliche Verstöße ist insoweit mangels planwidriger Regelungslücke ausgeschlossen, da die beiden Regelungen nahezu zeitgleich eingeführt wurden. Mit Rücksicht auf die Funktion des § 10, eine effektive Durchsetzung des Lauterkeitsrechts im Allgemeininteresse zu gewährleisten, empfiehlt sich aber de lege ferenda, die Regelung auf Gewinne zulasten von Anbietern zu erweitern.350

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342 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 194; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 101 f.; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 121. 343 RegE UWG 2003, S. 34. 344 RegE BTDrucks. 15/3640, S. 56. 345 Alexander S. 522. 346 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 103; Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 10; Alexander WRP 2004, 407, 418; ders. S. 522. 347 Zu einem Beispiel Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 8. 348 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 8. 349 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.133 ff.; Alexander S. 523. 350 So auch Alexander S. 523.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

103

c) Vielzahl. Notwendig ist, dass eine Vielzahl von Abnehmern durch die Zuwiderhandlung belastet wird. Nach der Gesetzesbegründung muss es sich um einen „größeren Personenkreis“ handeln.351 Die amtlichen Materialien ziehen hier eine Parallele zu § 16 (zuvor §§ 4, 6c a.F.),352 wonach ein größerer Personenkreis „eine nach Zahl und Persönlichkeit im Voraus unbestimmte und unbegrenzte Mehrheit von Personen“ darstellt.353 In § 16 Abs. 1 geht es wie in § 10 vor allem darum, mit der Vielzahl von Abnehmern die Gefährlichkeit der unlauteren Handlung zu begründen.354 Eine Vielzahl von Abnehmern liegt demnach vor, wenn sich das unlautere Verhalten auf einen nicht abgrenzbaren Personenkreis auswirken kann.355 In sich geschlossene Personenkreise werden demnach grundsätzlich nicht erfasst. Etwas anderes soll jedoch für sehr große Gruppen gelten, z.B. die Mitglieder eines größeren Vereins.356 Allerdings sind bei der Übertragung der für § 16 entwickelten Grundsätze auf die 104 Gewinnabschöpfung die unterschiedlichen Sanktionszwecke ausreichend zu berücksichtigen. Während mit dem Erfordernis der Vielzahl in § 16 die Strafwürdigkeit des Verhaltens begründet werden soll und daher vor allem auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2, 3 GG zu beachten sind, dient § 10 demgegenüber dazu, besonders gefährliche unlautere Verhaltensweisen aus Präventionsgründen zu erfassen und unlauteres Verhalten, das einzelne Marktteilnehmer und damit primär Individualinteressen berührt, aus dem Anwendungsbereich des § 10 auszuschließen.357 Die Grundsätze zu § 16 können zwar auch in § 10 herangezogen werden; es sind aber an den Begriff der Vielzahl in § 10 weniger strenge Anforderungen zu stellen. 105 Im Schrifttum werden teilweise absolute Zahlen angegeben: So wird u.a. Bezug genommen auf § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach eine „Vielzahl von Verträgen“ bei mindestens drei Verträgen angenommen wird. Demnach wäre eine Vielzahl von Abnehmern i.S.d. § 10 bei mindestens drei Abnehmern gegeben.358 Andere verlangen mindestens 15 bis 30 Abnehmer359 oder in der Regel 50 Abnehmer.360 Eine absolute Mindestangabe ist indes nicht möglich.361 106 Wie in § 16 ist das Vorliegen einer Vielzahl relativ nach den konkreten Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Regelungszwecks zu bestimmen. Nach der Gesetzesbegründung richtet „sich die Sanktionswirkung des Gewinnabschöpfungsanspruches nur gegen besonders gefährliche unlautere Handlungen […], nämlich solche mit Breitenwirkung, die tendenziell eine größere Anzahl von Abnehmern betreffen können“.362 Zuwiderhandlungen zulasten einer Vielzahl von Abnehmern sind demnach insbesondere solche, die mit Hilfe von Massenmedien – etwa bei der Veröffentlichung von

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351 Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 352 Begr. RegE UWG 2003, S. 24. Zustimmend Alexander S. 525. 353 Köhler/Bornkamm § 16 Rn. 14. 354 Köhler/Bornkamm § 16 Rn. 2. 355 So auch für § 10 Alexander S. 525 f. 356 Grundlegend BayObLG 24.9.1931 – II Nr. 421/1931 – LZ 1932, 185 – 4960 Vereinsmitglieder. Köhler/ Bornkamm § 16 Rn. 14. Kritisch Harte/Henning/Dreyer § 16 Rn. 22. 357 Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 358 Vgl. BGH 27.9.2001 – VII ZR 388/00 – NJW 2002, 138, 139; Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 196; Köhler/ Bornkamm § 10 Rn. 12; Alexander S. 526 f. 359 Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 36. 360 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 99. 361 Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 11; Alexander S. 525. 362 Begr. RegE UWG 2003, S. 24.

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I. Passivlegitimation

C. Rechtsfolgen

Informationen auf einer frei zugänglichen Internetseite363 – verbreitet werden.364 Auch Standardbriefe bzw. Standard-E-Mails, eingeübte und automatisierte Telefonanrufe können eine solche Breitenwirkung erzielen.365 Eine Vielzahl ist dann nicht anzunehmen, wenn sich individuelle Wettbewerbsverstöße gezielt gegen einzelne Abnehmer richten.366 Die Irreführung eines Abnehmers in einem individuellen Verkaufsgespräch wird demnach nicht durch § 10 sanktioniert.367 Die dazwischen liegenden problematischen Fälle sind darauf hin zu untersuchen, ob sie eine Breitenwirkung entfalten. Dies ist in einer Zusammenschau verschiedener Faktoren zu ermitteln. So hat das OLG Frankfurt z.B. das Vorliegen einer Vielzahl von Abnehmern mit der Werbewirksamkeit der Internetauftritte, dem hohen Irreführungspotential und der Dauer der Zuwiderhandlungen mindestens über mehrere Monate begründet.368 C. Rechtsfolgen I. Passivlegitimation C. Rechtsfolgen Der Anspruch ist auf Herausgabe des (verbliebenen) Gewinns an den Bundeshaus- 107 halt gerichtet. I. Passivlegitimation 1. Grundsätzliches. Verpflichtete des § 10 Abs. 1 sind diejenigen, die vorsätzlich den 108 §§ 3 und 7 zuwidergehandelt und hierdurch zulasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt haben.369 Die Voraussetzungen müssen kumulativ in der Person des Anspruchsgegners erfüllt sein. Anders als bei § 34a GWB ist der Anwendungsbereich des § 10 nicht auf Unternehmen beschränkt. Daher können auch Mitarbeiter und gesetzliche Vertreter passivlegitimiert sein, zumal sie selbst gegen die lauterkeitsrechtlichen Tatbestände verstoßen können, da es sich hierbei – anders als im Kartellrecht – nicht um unternehmensbezogene Verhaltensnormen handelt. 370 Dennoch wird eine Gewinnabschöpfung bei Organmitgliedern, Mitarbeitern oder Vertretern wegen der Zuwiderhandlung zugunsten eines Unternehmens ausscheiden, da die Passivlegitimation neben der (zurechenbaren) Zuwiderhandlung auch die Gewinnerzielung durch den Anspruchsverpflichteten voraussetzt. Die für ein Unternehmen handelnden Personen können zwar den Tatbestand der Zuwiderhandlung erfüllen; einen eigenen abschöpfbaren Gewinn zulasten der Abnehmer i.S.d. § 10 erwirtschaften sie aber auch dann nicht, wenn sie an dem Gewinn des Unternehmens erfolgsabhängig etwa durch eine Provision beteiligt werden.371 Der Anspruch richtet sich daher nicht gegen die handelnden gesetzlichen Vertreter oder Mitarbeiter eines gewinnerzielenden Unternehmens, soweit sie selbst dadurch keinen eigenen Gewinn erwirtschaftet haben.372

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363 So in OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435 – Veralteter Matratzentest; OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 186/07 – GRUR-RR 2009, 265 – Abo-Fallen, in denen das Vorliegen einer Vielzahl jeweils nicht problematisiert wurde. 364 Alexander S. 526. 365 Alexander S. 526. 366 So auch für § 34a GWB Frankfurter Kommentar/Roth § 34a GWB Rn. 27. 367 Zu diesem Beispiel Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 368 Vgl. OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 186/07 – GRUR-RR 2009, 265, 267 – Abo-Fallen. 369 Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 16. 370 Zu der Unterscheidung zwischen unternehmensbezogenen und nicht unternehmensbezogenen Verhaltensnormen Poelzig S. 462 ff. 371 Alexander S. 619. 372 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 16.

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§ 10

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Gewinnabschöpfung

2. Mehrheit von Zuwiderhandelnden. Haben mehrere Personen den Tatbestand des § 10 gemeinschaftlich erfüllt, liegen die Voraussetzungen der Gesamtschuldnerschaft gemäß § 840 BGB (analog) regelmäßig nicht vor. Anders als etwa beim Schadensersatzanspruch muss jeder der Täter nach der anspruchsbegründenden Norm des § 10 lediglich den eigenen erzielten Gewinn abführen, so dass die Täter bereits von vornherein nicht auf denselben Gegenstand haften. So kann es erst gar nicht zu den Konstellationen der Doppelentschädigung kommen, die von § 840 BGB erfasst werden sollen.373 Im Ergebnis haftet demnach jeder der Zuwiderhandelnden nur auf Herausgabe des gerade von ihm erzielten Gewinns und nicht in entsprechender Anwendung des § 840 BGB auf den gesamten durch die gemeinschaftlich begangene Zuwiderhandlung erwirtschafteten Gewinn.374

3. Haftung für fremdes Verhalten. Werden die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 – die Zuwiderhandlung und die Gewinnerzielung – jeweils durch unterschiedliche Personen erfüllt, stellt sich die Frage nach der Zurechnung fremden Verhaltens. Für Zuwiderhandlungen der Mitarbeiter oder Beauftragten, durch die das Unter111 nehmen einen Gewinn erzielt hat, gibt es eine Zurechnungsnorm, wie sie § 8 Abs. 2 für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch vorsieht (hierzu § 8 Rn. 142 ff.),375 in § 10 nicht. Eine Haftung des Unternehmens über die entsprechende Anwendung des § 831 BGB, auf den der Gesetzgeber in seiner Begründung ausdrücklich hinweist,376 greift nur unter den engen Voraussetzungen, dass ein Verrichtungsgehilfe tätig geworden ist. Zudem kann sich der Geschäftsherr von der Haftung gemäß § 831 BGB exkulpieren, wenn er den Verrichtungsgehilfen nachweislich sorgfältig ausgewählt und überwacht hat.377 Eine analoge Anwendung des weiterreichenden § 8 Abs. 2 auf andere privatrechtli112 che Ansprüche, insbesondere auch Gewinnabschöpfungsansprüche, wird gleichwohl überwiegend abgelehnt.378 Das hierfür teilweise als Begründung angeführte Prinzip nulla poena sine culpa, das in Art. 103 Abs. 2 GG verankert ist, steht der analogen Anwendung indes nicht entgegen,379 da der Gewinnabschöpfungsanspruch zwar Sanktionsund Präventionscharakter hat, nicht aber der Repression als Strafe für kriminelles Unrecht oder jedenfalls als strafähnliche Sanktion für sonstiges Unrecht dient. Nur für diese Fälle gelten die strafrechtsbezogenen Verfahrensgarantien des Art. 103 Abs. 2, 3 GG (vgl. Rn. 24 f.).380 Aus Art. 103 Abs. 2 GG können daher keine Aussagen für oder gegen eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 2 gezogen werden. Gegen eine analoge Anwendung spricht aber der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers, § 8 Abs. 2 ausschließlich auf Un-

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373 Zu diesem Normzweck des § 840 BGB MünchKomm/Wagner § 840 BGB Rn. 1. 374 Alexander S. 619. 375 Die Zurechnung erfolgt sogar für unlauteres Verhalten ohne Wissen oder gar gegen den Willen des Betriebsinhabers, vgl. BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler; BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer. 376 RegE UWG 2003, S. 22. 377 Für eine Zurechnung nur bei Vorsatz des Geschäftsherrn Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 244. 378 RegE UWG 2003, S. 22, 23; BGH 9.2.2006 – I ZR 73/02 – GRUR 2006, 426 Tz. 24 – Direktansprache am Arbeitsplatz II; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 72; Harte/Henning/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 303. Zum § 13 Abs. 4 a.F. BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 – GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I; BGH 12.6.1997– I ZR 36/95 – GRUR 1998, 167, 168 f. – Restaurantführer; BGH 5.10.1979 – I ZR 140/77 – GRUR 1980, 116, 117 – Textildrucke; a.A. GK/Schünemann Einl. Rn. 66 ff. 379 So aber Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 72. 380 BVerfG 23.4.1991 – 1 BvR 1443/87 – BVerfGE 84, 82, 89; BVerfG 14.2.1973 – 1 BvR 112/65 – BVerfGE 34, 269, 293 – Soraya; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte Art. 103 GG Rn. 109; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann Art. 103 GG Rn. 195. Vgl. zu § 611a BGB BVerfG 16.11.1993 – NJW 1994, 647, 647 f. – geschlechtsbezogene Diskriminierung.

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II. Aktivlegitimation

C. Rechtsfolgen

terlassungs- und Beseitigungsansprüche anzuwenden.381 Für eine Analogie fehlt es demnach an der notwendigen planwidrigen Regelungslücke.382 De lege ferenda wird gleichwohl eine entsprechende Zurechnungsregelung im Rah- 113 men des § 10 erwogen: Die weitreichende Zurechnungsregelung in § 8 Abs. 2 beruht auf dem Gedanken, dass der Betriebsinhaber nicht den Nutzen aus der organisatorischen Ausweitung seiner Geschäftstätigkeit durch Mitarbeiter oder externe Beauftragte ziehen soll, ohne zugleich die hiermit verbundenen Risiken aus der Tätigkeit Dritter tragen zu müssen.383 Hinzu kommt, dass der Betriebsinhaber die Risiken im Zusammenhang mit seinem Unternehmen am besten überblicken und beherrschen kann.384 Diese Erwägungen treffen zwar nicht nur auf den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, sondern gleichermaßen auf den Gewinnabschöpfungsanspruch zu.385 Die weitergehende Rechtsfolge des § 10 im Interesse der Allgemeinheit und nicht der einzelnen Geschädigten spricht aber gegen eine § 8 Abs. 2 entsprechende strikte Zurechnung, zumal die §§ 31, 830 f. BGB analog die Zurechnung fremden Verhaltens unter den dort genannten Voraussetzungen ermöglichen. Zwar gelten die §§ 31, 830 f. BGB nach ihrem Wortlaut ausdrücklich nur für die Zu- 114 rechnung im Rahmen von Schadensersatzansprüchen. Eine (doppelt)386 analoge Anwendung der Zurechnungsnormen auf § 10 lässt sich aber damit begründen, dass es sich bei der Gewinnabschöpfung um deliktsrechtliche Ansprüche eigener Art handelt (hierzu vgl. Rn. 55), die eine den §§ 31, 830 f. BGB zugrunde liegenden Handlungen vergleichbare Struktur aufweisen. Unternehmen müssen sich demnach die Zuwiderhandlungen Dritter, die zu einem Gewinn des Unternehmens führen, in analoger Anwendung der §§ 31, 831 BGB zurechnen lassen. Kann das Verhalten des Zuwiderhandelnden dem durch den Gewinn Begünstigen 115 nicht auf der Grundlage der §§ 31, 831 BGB analog zugerechnet werden – so etwa bei einer unlauteren Maßnahme eines Handelsvertreters zugunsten seines Geschäftsherrn387 oder einer unlauteren Werbung eines Herstellers (auch) zugunsten der Händler des Produkts – kommt es auf die Beteiligung des begünstigten Unternehmens an der fremden Zuwiderhandlung gemäß § 830 Abs. 2 BGB analog als Anstifter oder Gehilfe an.388 II. Aktivlegitimation II. Aktivlegitimation Da die ständige Rechtsprechung vom Doppelcharakter des § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 abzu- 116 lehnen ist (vgl. Rn. 48), ist die Klage bei Fehlen der Aktivlegitimation als unbegründet, nicht bereits als unzulässig abzuweisen.

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381 RegE UWG 2003, S. 22. 382 Im Ergebnis ebenso Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 72; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 6; im Zusammenhang mit § 9 BGH 11.3.2010 – I ZR 123/08 – GRUR 2010, 936 Tz. 22 – Espressomaschine; BGH 9.2.2006 – I ZR 73/02 – GRUR 2006, 426 Tz. 24 – Direktansprache am Arbeitsplatz II. 383 Zu § 13 Abs. 4 a.F. vgl. die Ausführungen des Bundesministers der Justiz in BVerfG 25.10.1966 – 2 BvR 506/63 – BVerfGE 20, 323, 329 – nulla poena sine culpa; ebenso BGH 5.10.1979 – I ZR 140/77 – GRUR 1980, 116, 117 – Textildrucke m. Anm. Schulze zur Wiesche; BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin m. Anm. Storch; BGH 6.6.1958 – I ZR 33/57 – GRUR 1959, 38, 44 – Buchgemeinschaft II m. Anm. Bußmann; RG 22.5.1936 – II 285/35 – RGZ 151, 287, 292 – Alpina. 384 BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler; BGH 5.4.1995 – I ZR 133/93 – GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer. 385 So auch für alle privatrechtlichen Ansprüche des UWG Alexander S. 665 ff. 386 Da § 31 BGB nach seinem Wortlaut nur für Vereine und nicht für alle Unternehmen, insbesondere nicht für Personengesellschaften gilt, ist eine analoge Anwendung nach gefestigter Rechtsprechung auf andere Unternehmen möglich (hierzu statt aller MünchKomm/Reuter § 31 BGB Rn. 15 ff.). 387 Zu diesem Beispiel Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 16. 388 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 16; Alexander S. 619.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

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1. Anspruchsberechtigte Institutionen. Aktivlegitimiert sind die in § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 genannten Institutionen (ausführlich dazu § 8 Rn. 192 ff.), d.h. Verbraucherverbände (§ 8 Abs. 3 Nr. 2), Wirtschaftsverbände (§ 8 Abs. 3 Nr. 3) und die Industrie- und Handelskammern bzw. Handwerkskammern (§ 8 Abs. 3 Nr. 4). Nicht zur Gewinnabschöpfung berechtigt sind Mitbewerber i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1. 118 Diese hat der Gesetzgeber bewusst von der Aktivlegitimation als „mit Blick auf den Sanktionscharakter […] nicht angemessen“ ausgenommen.389 Der Bund als Begünstigter der Gewinnabschöpfung ist ebenso wenig zur Geltendmachung berechtigt. Eine behördliche Abschöpfung – wie im Kartellrecht gemäß § 34 GWB – existiert damit im Lauterkeitsrecht nicht. Im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG und entgegen einzelner Forderungen im Vorfeld der Gesetzgebung390 sind ausländische Verbände nicht zur Klage berechtigt. 2. Gesamtgläubigerschaft. § 10 Abs. 3 verweist für den Fall, dass mehrere berechtigte Institutionen den Anspruch geltend machen, auf die allgemeinen Vorschriften des BGB zur Gesamtgläubigerschaft gemäß §§ 428–430 BGB. Dadurch soll der Verpflichtete vor einer mehrfachen Inanspruchnahme geschützt werden. Die Verweisung auf die §§ 428–430 BGB wird häufig als verfehlt kritisiert, da unterschiedliche Interessenlagen bestehen391 und die Verweisung „unglücklich gestaltet“392 bzw. „weitgehend sinnlos“ ist.393 Angesichts des derzeit ohnehin geringen Klageanreizes (dazu Rn. 33 ff.) dürfte es sich hierbei aber um ein eher theoretisches als um ein praktisch relevantes Problem handeln. In aller Regel werden sich die anspruchsberechtigten Institutionen darüber einigen, welche von ihnen den Abschöpfungsanspruch geltend macht. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt, aber gleichwohl eine gesetzliche Regelung für erforderlich erachtet.394 Die zentrale Aussage der Verweisung liegt zunächst darin, dass gemäß § 428 Abs. 1 120 BGB die anspruchsberechtigten Institutionen die Gewinnabschöpfung jeweils in vollem Umfang verlangen können, der Zuwiderhandelnde aber gleichwohl nur einmal die Leistung zu bewirken hat. Im Übrigen ist den Besonderheiten des § 10 durch eine entsprechende Anwendung der Regelungen zur Gesamtgläubigerschaft Rechnung zu tragen. So fallen bei der Gewinnabschöpfung im Unterschied zu den von §§ 428 ff. BGB unmittelbar erfassten Ansprüchen der Berechtigte – die anspruchsberechtigten Institutionen – und der Begünstigte – der Bundeshaushalt – auseinander. Da der Gewinn stets an den Bundeshaushalt abzuführen ist, steht daher die Leistung an den einen oder anderen Gläubiger – entgegen § 428 S. 1 2. HS BGB – nicht im Belieben des Schuldners. Aufgrund dessen ist bei der Anwendung des § 429 Abs. 1 BGB auch zu berücksichtigen, dass es für den Annahmeverzug nicht auf das Verhalten der anspruchsberechtigten Institutionen als Gesamtgläubiger ankommen kann, sondern auf das Verhalten der zuständigen Stelle i.S.d. § 10 Abs. 5 abgestellt werden muss.395 Da der Abschöpfungsanspruch nicht durch Leistung an eine der anspruchsberechtigten Institutionen, sondern nur durch Abführung an den Bundeshaushalt erfüllt werden kann, ist die § 429 Abs. 2 BGB zugrunde liegende Situation, dass der Schuldner gewissermaßen an sich selbst als Gesamtgläubiger leistet, 119

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389 Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 390 Stadler Gutachten vzbv, S. 14 f. 391 Alexander S. 567. 392 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 246. 393 Teplitzky § 37 Rn. 15. 394 Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 395 Zu dem Hintergrund des § 429 Abs. 1 BGB als Pendant zu dem Recht des Schuldners gemäß § 428 S. 1 2. HS BGB, nach seinem Belieben an einen der Gläubiger zu leisten, vgl. MünchKomm/Bydlinski § 429 BGB Rn. 2.

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II. Aktivlegitimation

C. Rechtsfolgen

im Falle des § 10 nicht möglich. Daher führt die Konfusion bei einem der Gläubiger entgegen § 429 Abs. 2 BGB nicht zum Erlöschen der Abschöpfungsansprüche der übrigen aktivlegitimierten Institutionen.396 Darüber hinaus ist bei der Anwendung der §§ 428–430 BGB auch zu berücksichti- 121 gen, dass die anspruchsberechtigten Institutionen bei der Geltendmachung des § 10 nicht im eigenen Interesse tätig werden, sondern zur wirksamen Prävention und Abschreckung397 im Allgemeininteresse an dem Schutz des Wettbewerbs.398 Die Verweisung des § 429 Abs. 3 BGB auf die §§ 422, 423, 425 BGB gilt daher nur, soweit dies dem Regelungszweck des § 10 nicht entgegensteht. Gesamtwirkung entfaltet auch im Rahmen der Gewinnabschöpfung die Erfüllung gemäß § 422 Abs. 1 S. 1 BGB. Durch die Gewinnabschöpfung, die zur Erfüllung des Anspruchs einer Institution erfolgt, sind die anderen berechtigten Institutionen nicht gehindert, einen ihrer Auffassung nach weitergehenden Gewinnabschöpfungsanspruch geltend zu machen.399 Entgegen der §§ 422 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 423 BGB entfalten Aufrechnung und Erlass keine Gesamtwirkung, da den berechtigten Institutionen insoweit die Dispositionsbefugnis fehlt.400 Der Verweis des § 429 Abs. 3 S. 1 BGB auf § 425 BGB hat für § 10 lediglich klarstellende Bedeutung.401 Besonderheiten gelten auch für die Verweisung auf die Ausgleichungspflicht der 122 Gesamtgläubiger untereinander gemäß § 430 BGB: Da der abgeschöpfte Gewinn nicht den anspruchsberechtigten Institutionen, sondern dem Bundeshaushalt zufließt, kann der abgeschöpfte Gewinn nicht gemäß § 430 BGB unter den berechtigten Institutionen verteilt werden. § 430 BGB ist aber entsprechend auf die Ansprüche der Institutionen auf Aufwendungsersatz gegen den Bundeshaushalt gemäß § 10 Abs. 4 anzuwenden. Soweit die erstattungsfähigen Aufwendungen aller Verbände und Kammern den abgeschöpften Gewinn als Grenze i.S.d. § 10 Abs. 4 S. 3 übersteigen, sind die Aufwendungen der berechtigten Institutionen nach Maßgabe des § 430 BGB zu gleichen Anteilen zu erstatten.402 3. Einschränkungen der Dispositionsbefugnis. Die besondere Bedeutung des Ge- 123 winnabschöpfungsanspruchs als marktregulierendes Steuerungsinstrument zur verbesserten Durchsetzung der lauterkeitsrechtlichen Normen (vgl. Rn. 14 ff.) schränkt die grundsätzlich mit der Aktivlegitimation verbundene Dispositionsbefugnis ein. a) Verzichtbarkeit und Einwilligungsfähigkeit. Die anspruchsberechtigten Insti- 124 tutionen können auf die Ausübung des Abschöpfungsanspruchs grundsätzlich verzichten. Sie sind nicht zur Geltendmachung verpflichtet. Daran ändert auch der marktregulierende Charakter der Gewinnabschöpfung nichts. Ein Erlass gemäß § 397 Abs. 1 BGB entfaltet bereits nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen nur relative Wirkung zwischen den am Erlass beteiligten Parteien und kann mangels Dispositionsbefugnis der einzelnen Institution auch keine Gesamtwirkung entfalten (vgl. Rn. 121); die Abschöpfungsansprüche der anderen aktivlegitimierten Institutionen bleiben durch den Erlass unberührt.403 Da jedoch die anspruchsberechtigten Institutionen selbst nicht durch das

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396 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 18; Ahrens Wettbewerbsrecht Rn. 314; Alexander S. 568; Sieme S. 80 f. 397 Begr. RegE UWG 2003, S. 34 f.; Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 92 ff. 398 Stadler/Micklitz WRP 2003, 559, 562: „[…] für die Staatskasse die Kastanien aus dem Feuer zu holen“. Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 16: „[…] womit die Verbände im Ergebnis ein Geschäft des Bundes besorgen“. 399 Teplitzky § 37 Rn. 16. 400 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 18; Alexander S. 569. Im Ergebnis ebenso Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 14. 401 Alexander S. 569 f. 402 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 18; a.A. Alexander S. 568. 403 Im Ergebnis ebenso Alexander S. 492 f.

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§ 10

Gewinnabschöpfung

UWG geschützt werden (vgl. § 1), können sie mangels Dispositionsbefugnis darüber hinaus auch nicht in den Verstoß gegen die Norm einwilligen.404 Die Einwilligung der anspruchsberechtigten Institutionen ist daher nicht geeignet, die Unlauterkeit eines Verhaltens aufzuheben und andere privat- oder öffentlich-rechtliche Sanktionen auszuschließen.405 125

b) Abtretbarkeit. Der marktregulierende Charakter der Gewinnabschöpfungsansprüche begründet Einschränkungen ihrer Abtretbarkeit. Die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts in Form der Gewinnabschöpfung hat der Gesetzgeber durch die enumerative Aufzählung der Anspruchsberechtigten in § 10 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 bestimmten Institutionen übertragen und sich damit bewusst für einen abschließenden Kreis von Aktivlegitimierten entschieden.406 Diese bewusste gesetzgeberische Entscheidung kann nicht durch eine privatautonome Abtretung an andere nicht anspruchsberechtigte Privatrechtssubjekte umgangen werden.407 Daher handelt es sich bei der Gewinnabschöpfung um höchstpersönliche Ansprüche, deren Abtretung durch § 399 1. Alt. BGB ausgeschlossen ist.408 Die für einen Ausschluss der Abtretbarkeit maßgeblichen Gründe gelten allerdings 126 nicht für eine Abtretung an Verbände oder Kammern, die selbst nach dem Gesetz anspruchsberechtigt sind. Schutzgut der Gewinnabschöpfung ist nicht ein primäres subjektives Recht der anspruchsberechtigten Institutionen, sondern Regelungszweck ist die verbesserte Durchsetzung des Lauterkeitsrechts und damit die Lauterkeit des Wettbewerbs. Deren Schutz obliegt aber sämtlichen gemäß § 10 anspruchsberechtigten Institutionen. Deshalb muss innerhalb dieses geschlossenen Kreises von Aktivlegitimierten eine Abtretung möglich sein. Dass es dadurch zu einer Vervielfachung der Ansprüche und damit der Streitgegenstände kommen kann, rechtfertigt nicht den Ausschluss der Abtretbarkeit gemäß § 399 1. Alt. BGB.409 Eine Abtretung muss daher im Verhältnis der ohnehin selbst anspruchsberechtigten Institutionen untereinander möglich sein.410 In diesen Fällen wird die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für einen begrenzten Kreis von Berechtigten respektiert. III. Abschöpfung von Gewinnen zugunsten des Bundeshaushalts III. Abschöpfung von Gewinnen zugunsten des Bundeshaushalts 127

Der abgeschöpfte Gewinn steht nicht den anspruchsberechtigten Institutionen, sondern dem Bundeshaushalt zu. Anspruchsberechtigung und Begünstigung fallen damit auseinander. Den berechtigten Verbänden und Kammern steht gleichwohl ein eigener Anspruch auf Leistung an einen anderen zu, den sie mit einer Klage aus eigenem Recht

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404 Alexander S. 684. Allgemein zu der Einwilligung MünchKomm/Wagner § 823 BGB Rn. 66, 761 ff. und insbesondere dem Erfordernis eines Verfügungsrechts Rn. 761. 405 Alexander S. 685. 406 Für die lauterkeits- und kartellrechtlichen Abwehr- und Abschöpfungsansprüche Alexander S. 490. 407 Zum Lauterkeitsrecht BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05 – BGH GRUR 2007, 978, 980 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer; BGH 23.9.1992 – I ZR 251/90 – GRUR 1993, 151, 152 – Universitätsemblem; BGH 17.2.1983 – I ZR 194/80 – GRUR 1983, 379, 381 – Geldmafiosi m. Anm. Jacobs; Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 167; Alexander S. 490. 408 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.18; jurisPK-UWG/Koch § 10 Rn. 10. Allgemein für die lauterkeits- und kartellrechtlichen Abschöpfungsansprüche Alexander S. 490. 409 So aber BGH 3.5.2007 – I ZR 19/05 – GRUR 2007, 978, 980 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer; Teplitzky Kap. 15 Rn. 4. 410 H. Koch KritVj 1989, 323, 330; Schlacke S. 363; a.A. für Unterlassungsansprüche Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.19 f.; für Abschöpfungsansprüche Alexander S. 491.

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III. Abschöpfung von Gewinnen zugunsten des Bundeshaushalts

C. Rechtsfolgen

und nicht lediglich in Prozessstandschaft durchsetzen können (siehe Rn. 47 f.).411 Eine Klage der aktivlegitimierten Institutionen auf Zahlung an sich selbst wäre deshalb als unbegründet abzuweisen. Der Gewinn ist unmittelbar an das Bundesamt für Justiz zu zahlen. Durch die Herausgabe des Gewinns an die aktivlegitimierte Institution tritt damit keine Erfüllung gemäß § 362 BGB ein.412 1. Zweck. Hintergrund für die Begünstigung des Bundeshaushalts anstelle der aktiv- 128 legitimierten Institutionen ist die Befürchtung des Gesetzgebers, dass vor allem Verbände ihre Ansprüche aus § 10 zu dem sachfremden Ziel der Einnahmeerzielung missbrauchen und die Gerichte mit überflüssigen Verfahren überrollen könnten, wenn ihnen der abgeschöpfte Gewinn zuerkannt würde.413 Zudem sei die Abführung an den Bundeshaushalt auch deshalb angemessen, da „die Arbeit der Verbraucherschutzverbände zum Teil ohnehin aus öffentlichen Mitteln finanziert wird“.414 Der Gesetzgeber verweist auch auf die Erfahrungen mit den Unterlassungsansprüchen in § 8: Dort habe sich gezeigt, dass Verbände ihre Rechte auch dann aktiv ausüben, wenn sie hierdurch keinen finanziellen Vorteil erwarten können.415 Aus diesen Gründen hat der Gesetzgeber schließlich auf die zunächst vorgeschlagene Abführung der Gewinne an die klagebefugten Verbände in der endgültigen Fassung des § 10 verzichtet.416 Auch die alternativ vorgeschlagene Begünstigung einer Stiftung, die die Verbraucherschutzinteressen fördert, lehnte der Gesetzgeber ausdrücklich ab, weil er einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand befürchtete.417 Da jedoch die anspruchsberechtigten Institutionen bei der derzeitigen Gestaltung 129 der Gewinnabschöpfung einen allenfalls geringen Klageanreiz haben, sollte mit Blick auf Sinn und Zweck der Gewinnabschöpfung, die effektive Rechtsdurchsetzung zu verbessern, erwogen werden, jedenfalls einen Teil des abgeschöpften Gewinns als „Belohnung“ an die klagenden Verbände abzuführen (vgl. Rn. 42). 2. Zuständige Stelle. Nachdem ursprünglich das Bundesverwaltungsamt als für den 130 Zahlungsempfang zuständige Stelle vorgesehen war, wurde durch Gesetz vom 17.12.2006 in Absatz 5 das Bundesamt für Justiz als die für den Zahlungsempfang zuständige Stelle bestimmt.418 Hierbei handelt es sich um eine Bundesoberbehörde, die dem Bundesministerium der Justiz untersteht und ihren Sitz in Bonn hat.419 3. Auskunftsanspruch. Die Gläubiger sind gegenüber dem Bundesamt für Justiz als 131 für den Zahlungsempfang zuständige Stelle i.S.d. § 10 Abs. 5 gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 verpflichtet, Auskunft über die gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung von Gewinnabschöpfungsansprüchen gemäß § 10 Abs. 1 zu erteilen. Dadurch soll die zuständige Stelle Kenntnis erhalten, ob und inwieweit mit Gewinnen für den Bundeshaushalt

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411 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 27. 412 Alexander S. 570. 413 Begr. RegE UWG 2003, S. 43. 414 Begr. RegE UWG 2003, S. 25. 415 Begr. RegE UWG 2003, S. 43. 416 Andere vermuten hinter dieser Regelung das Bemühen des Gesetzgebers, über die Vorteilsabschöpfung die Staatskasse aufzubessern (Sack WRP 2003, 549, 558; Stadler/Micklitz WRP 2003, 559, 562). 417 Begr. RegE UWG 2003, S. 25. 418 Hierzu Gesetz zur Errichtung und zur Regelung der Aufgaben des Bundesamtes für Justiz vom 17. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3171). 419 BGBl. I S. 3171.

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gerechnet werden kann und welchen Gläubigern gegebenenfalls Aufwendungen gemäß § 10 Abs. 4 S. 2 und 3 zu erstatten sind. Zudem soll das Bundesamt für Justiz die Möglichkeit bekommen, parallele Verfah132 ren zu koordinieren und überflüssige Verfahren zu vermeiden. Hierfür ist das Bundesamt für Justiz allerdings auf die freiwillige Mithilfe der anspruchsberechtigten Institutionen angewiesen. Eine behördliche Kompetenz zur Koordinierung und Verhinderung überflüssiger Verfahren gibt es nicht. Der Auskunftsanspruch verjährt gemäß §§ 195, 199 BGB innerhalb von drei Jahren. 133 § 11 Abs. 4 ist nicht anwendbar (dazu ausführlich Rn. 208).420 134

4. Aufwendungserstattungsanspruch. Gemäß § 10 Abs. 4 S. 2 hat die zuständige Stelle des Bundes, also das Bundesamt für Justiz, den Gläubigern die für die Geltendmachung des Anspruchs erforderlichen Aufwendungen zu erstatten, soweit die Gläubiger vom Schuldner keinen Ausgleich erlangen können. § 10 Abs. 4 S. 3 begrenzt den Erstattungsanspruch auf die Höhe des abgeführten Gewinns.

a) Erforderliche Aufwendungen. Aufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 4 S. 2 sind freiwillige vermögenswerte Leistungen zur Geltendmachung des Gewinnabschöpfungsanspruchs.421 Erstattungsfähig sind Kosten, die durch die konkrete Rechtsverfolgung entstehen; die also ohne die Rechtsverfolgung nicht angefallen wären.422 Dazu zählen insbesondere die Prozesskosten i.S.d. § 91 ZPO, die durch die gerichtliche Rechtsverfolgung entstehen. Aber auch vorprozessuale Aufwendungen, die nicht in den Anwendungsbereich von § 91 ZPO fallen, sind erstattungsfähig, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 S. 2 vorliegen.423 Erstattungsfähig sind zudem die Verwaltungskosten der anspruchsberechtigten Verbände, soweit sie konkret durch die Rechtsverfolgung veranlasst sind. Ähnlich wie im Zusammenhang mit der Erstattungsfähigkeit von Abmahnkosten sind regelmäßig anfallende Fixkosten der anspruchsberechtigten Institutionen ohne konkreten Bezug zu der Geltendmachung des Gewinnabschöpfungsanspruchs – wie etwa für Miete, Sachund Personalmittel usw. – grundsätzlich nicht erstattungsfähig.424 Kosten, die aber – wie Portokosten, Kosten für zusätzliche Arbeitsleistungen – ohne die Rechtsverfolgung im konkreten Fall nicht angefallen wären, sind gemäß § 10 Abs. 4 S. 2 wiederum zu erstatten. Erstattungsfähig sind nur solche Aufwendungen, die zur erfolgreichen Rechtsdurch136 setzung objektiv erforderlich sind. Davon ist auszugehen, soweit die Aufwendungen nach den zu § 91 ZPO entwickelten Grundsätzen425 unter Berücksichtigung der Komplexität der Sach- und Rechtslage, des Umfangs der Zuwiderhandlung, des Gewinns sowie der verursachten Nachteile zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.426 Auf die subjektive Sicht der klagenden Institution kommt es hierbei nicht an.427 Die Erforderlichkeit ist allerdings nach zutreffender Auffassung im Lichte des Normzwecks aus einer ex-ante Perspektive zu beurteilen.428 135

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420 A.A. Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 22. 421 Vgl. Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 265. 422 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 265. 423 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 23. 424 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 275. 425 Ausführlich zu dem Kostenschonungsgebot und den Maßgaben im Zusammenhang mit § 91 ZPO im Einzelnen MünchKomm/Giebel § 91 ZPO Rn. 38 ff. 426 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 268. 427 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 265. 428 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 265; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 23.

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Erstattungsfähig sind insbesondere Prozesskosten, die die klagende Institution bei 137 ihrem Obsiegen vom Schuldner gemäß § 91 ZPO verlangen kann, die sie aber trotz der gebotenen Bemühungen tatsächlich nicht erhält.429 Problematisch ist, ob und inwieweit die klagende Institution auch die Prozesskosten nach § 10 Abs. 4 S. 2 erstattet verlangen kann, die sie im Verhältnis zu dem Beklagten gemäß §§ 91, 92 ZPO vollständig oder teilweise selbst zu tragen hat, wenn sie mit ihrer Klage auf Gewinnabschöpfung also unterliegt oder nur teilweise obsiegt. Wenn die aktivlegitimierten Institutionen teilweise obsiegen und teilweise unterliegen, können sie auch den Anteil der Prozesskosten erstattet verlangen, den sie im Verhältnis zu dem Beklagten nach den Grundsätzen des § 92 ZPO selbst zu tragen haben, wenn aus einer ex-ante Perspektive die Klage bei ihrer Einreichung Aussicht auf vollständigen Erfolg hatte. Bei einem vollständigen Unterliegen werden die Aufwendungen indes de facto nicht erstattet, da der Anspruch auf Erstattung auf den abgeschöpften Gewinn gemäß § 10 Abs. 4 S. 3 begrenzt ist. Da die aktivlegitimierten Institutionen somit dem Risiko ausgesetzt sind, im Falle ihres vollständigen Unterliegens letztendlich die Prozesskosten selbst tragen zu müssen, ohne diese durch den Bund erstattet zu bekommen, ist der Klageanreiz und damit die Wirksamkeit der Gewinnabschöpfung hierdurch erheblich beeinträchtigt.430 Ein hinreichend hoher Klageanreiz und damit eine effektive Normdurchsetzung können de lege ferenda nur erreicht werden, wenn die anspruchsberechtigten Institutionen ihre Kosten auch bei einem vollständigen Unterliegen erstattet bekämen, sofern sie im Zeitpunkt der Entscheidung über eine etwaige Klage aus einer ex-ante Perspektive berechtigterweise davon ausgehen konnten, die Prozesskosten erstattet zu bekommen. Dies hätte beispielsweise aus einem Sondervermögen des Bundes finanziert werden können, dessen Bildung für § 34a GWB zum Abbau von Klagehemmnissen zwar vorgeschlagen,431 mit der 8. GWB-Novelle im Jahre 2013 aber nicht weiter verfolgt wurde.432 b) Subsidiarität. Der Erstattungsanspruch gegen das Bundesamt für Justiz hat le- 138 diglich subsidiäre Bedeutung. Der Gläubiger kann Erstattung seiner Aufwendungen durch die zuständige Stelle nur verlangen, soweit er nicht Ausgleich von dem Schuldner erlangen kann. Der Gläubiger muss sich demnach bei vollständigem oder teilweisem Obsiegen vorrangig an den Schuldner halten, ihm insbesondere eine Frist zur Leistung setzen.433 Nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners erfolglos versucht hat.434 Der Gläubiger soll nicht dem Risiko zusätzlicher Kosten ausgesetzt werden.435 c) Begrenzung auf Höhe des abgeführten Gewinns. § 10 Abs. 4 S. 2 begrenzt den 139 Aufwendungserstattungsanspruch auf die Höhe des abgeführten Gewinns. Sind die Gesamtkosten für die Aufwendungen mehrerer Gläubiger höher als der abgeführte Gewinn, ist der Gewinn in entsprechender Anwendung des § 430 BGB über die Verweisung in § 10

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429 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 23. 430 Emmerich Unlauterer Wettbewerb, S. 499; Mönch ZIP 2004, 2032, 2037; Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 16. 431 Stellungnahme des Bundesrates BTDrucks 17/9852 S. 44 f. 432 Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26.6.2013, BGBl. 2013, 1783, 1743, P. 20. 433 MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 177; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 23. Für § 34a GWB Frankfurter Kommentar/Roth § 34a GWB Rn. 42. 434 So aber für § 34a GWB MünchKomm/Lübbig § 34a GWB Rn. 37. 435 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 23.

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Abs. 3 nach gleichen Anteilen auf die Gesamtgläubiger zu verteilen (vgl. Rn. 122).436 Die nach a.A. vorgeschlagene Verteilung des Gewinns anteilig nach den jeweils angefallenen Kosten437 würde hingegen die kostenschonende Institution benachteiligen und ist daher abzulehnen. Das Gesetz äußert sich nicht zu der Situation, in der nach Erstattung der Aufwen140 dungen an die Gläubiger der bereits durch den Schuldner abgeführte Gewinn – etwa durch die Rückzahlung gemäß § 10 Abs. 2 S. 2 wegen nachträglicher Zahlungen des Schuldners – im Bundeshaushalt „aufgezehrt“ wird.438 Nach der derzeitigen Gesetzeslage wird den Gläubigern in einer solchen Situation mehr erstattet, als letztendlich Gewinn in den Bundeshaushalt abgeführt wurde. Ein solches Ergebnis steht indes im Widerspruch zu der Intention des § 10 Abs. 4 S. 3. Ein Anspruch des Bundeshaushalts gegen die Gläubiger auf Rückzahlung der bereits erstatteten Aufwendungen, die im Nachhinein durch die Rückzahlung an den Schuldner den Gewinn überschreiten, enthält § 10 nicht und lässt sich auch nicht mit § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB begründen, da die gesetzliche Regelung des § 10 Abs. 4 S. 2 einen Rechtsgrund für die Erstattung bietet. Teilweise wird vertreten, dass die Aufwendungen der Gläubiger aus dem Bundeshaushalt nur Zug-umZug gegen Abtretung des Aufwendungsersatzanspruchs des Gläubigers gegen den Schuldner zu erstatten sind.439 Eine gesetzliche Grundlage für eine cessio legis oder einen Anspruch auf Abtretung fehlt jedoch bislang. Eine Lösung ist daher nur durch eine gesetzliche Klarstellung möglich, etwa durch 141 eine cessio legis. Ohne eine solche Rückgriffsmöglichkeit des Bundeshaushalts könnte sich der Schuldner möglicherweise durch bloßes Zuwarten dem Anspruch des Gläubigers auf Erstattung der Aufwendungen entziehen, zumal der Anspruch gemäß § 10 Abs. 4 S. 2 nicht verlangt, dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung versucht hat.440 Unabhängig von dem hier in Frage stehenden konkreten Problem wird teilweise die Einführung eines Regressanspruchs des Bundeshaushalts gegen den Schuldner hinsichtlich der den Gläubigern erstatteten Aufwendungen erwogen.441 IV. Anrechnung anderer Leistungen IV. Anrechnung anderer Leistungen 142

Gemäß § 10 Abs. 2 S. 1 sind auf den abzuschöpfenden Gewinn solche Leistungen anzurechnen, die der Schuldner wegen der Zuwiderhandlung bereits an Dritte oder den Staat erbracht hat.

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1. Sinn und Zweck. In der Anrechnungsregelung spiegelt sich erneut die marktregulierende Steuerungsfunktion der Gewinnabschöpfung wider: Eine abschreckende Wirkung wird erzielt, wenn der Zuwiderhandelnde den Gewinn aus der Zuwiderhandlung vollständig verliert. Die Gewinnabschöpfung i.S.d. § 10 entfaltet ihre präventive Wirkung jedoch nicht isoliert neben anderen Sanktionen. So können auch privatrechtliche Schadensersatzansprüche oder öffentlich-rechtliche Sanktionen – etwa in Form des strafrechtlichen Verfalls gemäß § 73 StGB – dem Zuwiderhandelnden den Gewinn aus dem Wettbewerbsverstoß entziehen. Die verschiedenen Sanktionen sind im Falle eines normwidrigen

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436 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 18. 437 Teplitzky § 37 Rn. 22. 438 Hierzu MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 180; Mönch ZIP 2004, 2032, 2036. 439 Zur Parallelvorschrift des § 34a GWB FK-KartR/Roth § 34a GWB Rn. 42 Fn. 6; Langen/Bunte/ Bornkamm § 34a GWB Rn. 15. 440 MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 177. 441 So MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 177.

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IV. Anrechnung anderer Leistungen

C. Rechtsfolgen

Verhaltens regelmäßig nebeneinander anwendbar. Um eine unverhältnismäßige Inanspruchnahme des Zuwiderhandelnden über den erzielten Gewinn hinaus zu verhindern, sind gemäß Abs. 2 S. 1 auf die Höhe des Abschöpfungsanspruchs sämtliche Leistungen anzurechnen, die der Normadressat aufgrund des konkreten unlauteren Verhaltens bereits erbracht hat. Die lauterkeitsrechtliche Gewinnabschöpfung übernimmt eine Auffangfunktion, soweit andere Sanktionen nicht greifen, um den Gewinn aus einem unlauteren Verhalten möglichst vollständig zu entziehen und so auf ein normgemäßes Verhalten hinzuwirken. Die insoweit subsidiäre Bedeutung der Gewinnabschöpfung liegt darin begründet, 144 dass es sich bei den aktivlegitimierten Verbänden und Kammern um eigens geschaffene „künstliche“ Berechtigte handelt, die Vollzugsdefizite schließen sollen. Die Gewinnabschöpfung ist von der Befürchtung getragen, dass insbesondere im Fall von Streuschäden Normverstöße nicht wirksam verfolgt werden und so eine Vollzugslücke entsteht.442 Kann der erzielte Gewinn durch andere Sanktionen nicht vollständig bei dem Zuwiderhandelnden abgeschöpft werden, soll nachrangig und ergänzend die privatrechtliche Gewinnabschöpfung eingreifen. Ist umgekehrt eine wirksame Normdurchsetzung bereits dadurch gewährleistet, dass die einzelnen geschädigten Marktteilnehmer ihre Schadensersatzansprüche durchsetzen oder öffentlich-rechtliche Sanktionen ausreichend greifen, ist die Abschöpfung durch Verbände im Allgemeininteresse an dem Schutz des Marktes entbehrlich. 2. Anzurechnende Leistungen. Anzurechnen sind sämtliche Leistungen, die der 145 Schuldner auf Grund der Zuwiderhandlung an Dritte oder an den Staat erbracht hat. Anrechenbar sind nur Leistungen in Geld oder geldwerte Leistungen. a) Leistungen an Dritte. Anrechenbar sind Leistungen zur Erfüllung von Ansprü- 146 chen einzelner Marktteilnehmer, die ihnen aufgrund der Zuwiderhandlung zustehen. Ansprüche dieser Art sind vor allem Schadensersatzansprüche von Mitbewerbern gemäß § 9. Dass der Schaden der Mitbewerber i.S.d. § 9 nicht mit den für § 10 maßgeblichen Nachteilen der Abnehmer korrespondiert,443 ist für die Anrechenbarkeit unerheblich, da es hierfür nur darauf ankommt, ob der Gewinn des Zuwiderhandelnden bereits auf andere Weise abgeschöpft und damit das Ziel des § 10 bereits anderweitig erreicht wird.444 Erfasst sind ferner auch vertragliche Schadensersatz-, Nacherfüllungs- und Rück- 147 gewähransprüche sowohl von Mitbewerbern als auch von Abnehmern, wenn die maßgebliche Vertragspflichtverletzung zugleich eine lauterkeitsrechtlich relevante Zuwiderhandlung darstellt und diese nicht schon in der Gewinnberechnung berücksichtigt wurde. Solche Überschneidungen können insbesondere mit kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüchen von Abnehmern auftreten, da sich die Beschaffenheit der Kaufsache u.a. auch nach den Angaben von Verkäufer und Hersteller in der Öffentlichkeit (vgl. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB) richtet.445 Nach der im Vergleich zum RefE allgemeiner gehaltenen Formulierung des § 10 in seiner endgültigen Fassung sind auch Leistungen zur Zahlung einer verwirkten Vertragsstrafe anrechenbar.446

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442 Zu § 10 UWG Begr. RegE UWG 2003, S. 23. Zu § 34 GWB Bechtold DB 2004, 235, 240; Veil ZGR 2005, 155, 185. 443 Vgl. Stellungnahme Bundesrat, RegE UWG 2003, S. 34 f. 444 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 13; Gärtner GRUR Int. 2008, 817, 820; ders. S. 113. 445 Hierzu Bamberger/Roth/Faust § 434 BGB Rn. 80 ff.; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 159; Micklitz/ Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 41. 446 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 252; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 13; Sosnitza GRUR 2003, 739, 741. Schon zum RefE Köhler GRUR 2003, 265, 266; a.A. HdbWettbR/Melullis § 81 Rn. 30; Mönch ZIP 2004, 2032, 2033.

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b) Leistungen an den Staat. Anrechenbar sind darüber hinaus Leistungen, die der Zuwiderhandelnde aufgrund der Zuwiderhandlung an den Staat erbracht hat:447 Anzurechnen sind nach h.M. Leistungen zur Begleichung von Geldstrafen und gegebenenfalls Bußgelder.448 Nach a.A. sind strafrechtliche Sanktionen und Bußgelder nicht (vollständig) anzurechnen, da sie ausschließlich der Prävention und Strafe, nicht aber der Abschöpfung dienen.449 Für die Anrechenbarkeit kommt es jedoch allein auf das Resultat an, dass der Gewinn dem Zuwiderhandelnden bereits auf andere Weise als durch § 10 entzogen ist; zu welchem Zweck dies geschehen ist, ist für die Anrechenbarkeit unerheblich. 149 Problematisch ist das Verhältnis der Gewinnabschöpfung zu dem strafrechtlichen Verfall i.S.d. §§ 73 ff. StGB: Nach der Rechtsprechung des BGH sind Leistungen auf der Grundlage des strafrechtlichen Verfalls i.S.d. §§ 73 ff. StGB bei der Gewinnabschöpfung gemäß § 10 Abs. 2 in Abzug zu bringen.450 Nach verbreiteter Auffassung im Schrifttum ist jedoch ein durch Anrechnung aufzulösendes Nebeneinander der Gewinnabschöpfung und des strafrechtlichen Verfalls nicht möglich, da § 10 als speziellere Vorschrift vorrangig anzuwenden sei.451 Gegen einen solchen Anwendungsvorrang des § 10 als lex specialis spricht jedoch, dass der Verfall und die Gewinnabschöpfung zwar gleichermaßen auf die Abschöpfung der rechtswidrig erzielten Gewinne gerichtet sind, aber dennoch unterschiedliche Regelungszwecke verfolgen. Im Gegensatz zu § 10 hat der Verfall nicht allein einen präventiven, sondern insbesondere nach dem Umschwenken von dem Netto- zum Bruttoprinzip jedenfalls auch strafähnlichen Charakter.452 Ein Anwendungsvorrang des § 10 folgt auch nicht aus § 73 Abs. 1 S. 2 StGB: Eine direkte Anwendung dieser Norm scheidet aus, da es sich bei § 10 nicht um einen dem Verletzten zustehenden Anspruch handelt. Zwar dient § 10 (auch) der Schließung von Durchsetzungslücken, die aus der Nichtgeltendmachung der Ansprüche einzelner Marktteilnehmer entstehen; die Gewinnabschöpfung tritt aber nicht an die Stelle der Individualansprüche.453 Verfall und Gewinnabschöpfung sind daher grundsätzlich nebeneinander anwendbar, so dass Zahlungen gemäß §§ 73 ff. StGB im Rahmen des § 10 Abs. 2 abzugsfähig sind.454 Insoweit ist eine analoge Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB nicht erforderlich, da das Risiko einer doppelten Inanspruchnahme durch die Anrechnung gemäß § 10 Abs. 2 bereits ausgeschlossen ist.455

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447 Kritisch Mönch ZIP 2004, 2032, 2033. 448 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 13; Neuberger S. 111; Sieme S. 131; v. Raay S. 334 ff. 449 So etwa die Stellungnahme des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren RegE UWG 2003, S. 35. Außerdem Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 10 Rn. 28; Gärtner GRUR Int. 2008, 817, 821. 450 BGH 30.5.2008 – 1 StR 166/07 – BGHSt 52, 227 Tz. 135 – insoweit nicht abgedr. = GRUR 2008, 818 Tz. 135 – Strafbare Werbung im Versandhandel. 451 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 257; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 160; Alexander WRP 2004, 407, 419; Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 20; Schmauß S. 97. Zu ähnlichen Einwendungen des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren allgemein gegen die Anrechenbarkeit strafrechtlicher Sanktionen Stellungnahme des Bundesrats (RegE UWG 2003, S. 34). 452 Schönke/Schröder/Eser Vorb. § 73 StGB Rn. 19. 453 A.A. Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 257. 454 Im Ergebnis ebenso Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 161; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 13; Langen/ Bunte/Bornkamm, § 34a GWB Rn. 16. 455 BGH 30.5.2008 – 1 StR 166/07 – BGHSt 52, 227 Tz. 135 – insoweit nicht abgedr. = GRUR 2008, 818 Tz. 135 – Strafbare Werbung im Versandhandel; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 13; Langen/Bunte/Bornkamm § 34a GWB Rn. 16; im Ergebnis ebenso Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 161; a.A. Alexander WRP 2004, 407, 419; Wimmer-Leonhardt GRUR 2004, 12, 20.

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IV. Anrechnung anderer Leistungen

C. Rechtsfolgen

Ordnungsgelder aus einer Unterlassungsvollstreckung gemäß § 890 ZPO sind 150 ebenfalls anzurechnen.456 c) Erbrachte Leistungen zur Erfüllung einer Leistungspflicht. Die Leistungen 151 müssen zur Erfüllung tatsächlich bestehender Ansprüche und Pflichten erbracht worden sein. Freiwillige oder überobligatorische Leistungen des Zuwiderhandelnden werden daher nicht angerechnet.457 Auch die Fehlvorstellung des Zuwiderhandelnden, zur Leistung aufgrund vermeintlicher Ansprüche verpflichtet zu sein, begründet nicht die Anrechenbarkeit. Im Rahmen des Gewinnabschöpfungsanspruchs muss daher inzident geprüft werden, ob für alle geleisteten Zahlungen i.S.d. § 10 Abs. 2 eine Rechtspflicht bestand. Für das Bestehen der zur Leistung verpflichtenden Ansprüche Dritter trägt der Zuwiderhandelnde die Darlegungs- und Beweislast.458 Liegt ein Titel gegen den Zuwiderhandelnden vor, genügt dies für die Anrechenbarkeit gemäß § 10 Abs. 2. Problematisch ist jedoch, wenn der Zuwiderhandelnde etwa in einem Versäumnisurteil zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wurde. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ist in einem solchen Fall eine Bindung des Gerichts, das über § 10 entscheidet, an das Versäumnisurteil grundsätzlich abzulehnen. Ist der Schuldner unverschuldet säumig, muss er jedenfalls von seinem Einspruchsrecht Gebrauch machen. Die Rechtsgrundlage für die Leistung an den Dritten oder den Staat muss nicht not- 152 wendigerweise – beispielsweise im Fall einer Geldstrafe i.S.d. § 16 – an einen gleichgerichteten Verstoß gegen denselben lauterkeitsrechtlichen Tatbestand anknüpfen wie der in Frage stehende Gewinnabschöpfungsanspruch. Anzurechnen sind auch Sanktionen, die durch Verstöße gegen andere Verhaltensnormen ausgelöst werden, sofern ein und dieselbe Handlung Grundlage für die verschiedenen Sanktionen ist. Relevant wird dies vor allem im Zusammenhang mit kartellrechtliche Sanktionen, z.B. Geldbußen gemäß § 81 GWB oder der kartellbehördlichen Vorteilsabschöpfung gemäß § 34 GWB, wenn das Verhalten sowohl gegen die §§ 3, 7 als auch gegen kartellrechtliche Vorschriften verstößt. Zu weiteren Überschneidungen mit anderen Verhaltensnormen kann es auf der Grundlage des § 4 Nr. 11 kommen. Es können nur Leistungen angerechnet werden, die der Zuwiderhandelnde tatsäch- 153 lich durch Erfüllung gemäß § 362 BGB oder in Form eines Erfüllungssurrogats erbracht hat.459 Es genügt nicht, dass Anspruchsberechtigte die Geltendmachung ernsthaft ankündigen oder bereits Klage erhoben haben. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erbringung der Leistung an Dritte oder den Staat ist der Schluss der mündlichen Verhandlung zur Durchsetzung des § 10. Anrechenbare Leistungen, die nach diesem Zeitpunkt erbracht wurden, können mit der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend gemacht werden.460 Hat der Anspruchsgegner aber den vollständigen Gewinn bereits an das Bundesamt für Justiz abgeführt, muss dieses gemäß § 10 Abs. 2 S. 2 den Gewinn in Höhe der anrechenbaren Leistungen zurückerstatten (vgl. Rn. 155 f.). d) Anrechenbarkeit von Kosten zur Rechtsverteidigung. Umstritten ist, ob die 154 Kosten der auf Grund der Zuwiderhandlung geführten Rechtsstreitigkeiten abzugsfähig sind. Nach der Gesetzesbegründung soll dies ausdrücklich nicht der Fall sein, „da

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456 Begr. RegE UWG 2003, S. 24; Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 254; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 13; Ohly/ Sosnitza § 10 Rn. 12. 457 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 13; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 157; v. Raay S. 330. 458 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 13. 459 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 13. 460 Vgl. Begr. RegE UWG 2003, S. 24.

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Gewinnabschöpfung

ansonsten der Zuwiderhandelnde einen Anreiz hätte, sich auf kostenträchtige Prozesse einzulassen“.461 Dem wird teilweise im Schrifttum entgegengehalten, dass es mit den Grundprinzipien eines Rechtsstaates offensichtlich unvereinbar sei, wenn „einem angeblich Zuwiderhandelnden die Klärung der Rechtslage“ erschwert werden würde.462 Gegen die Abzugsfähigkeit der Rechtsverteidigungskosten sprechen gleichwohl vor allem die allgemeinen Regeln zur Prozesskostenverteilung, die nach § 91 ZPO die Prozesskosten grundsätzlich der unterliegenden Partei auferlegen, um so auch unbegründete Klagen zu verhindern. Demnach würde die Abzugsfähigkeit eine nicht gerechtfertigte Begünstigung des Zuwiderhandelnden darstellen, die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundprinzipien widersprechen würde. 463 Die Gewinnabschöpfung nach § 10 und die Prozesskostenverteilung nach § 91 ZPO verfolgen unterschiedliche Regelungszwecke, die nicht durch eine Anrechnung vermengt werden sollten. Etwas anderes kann auch nicht für die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverteidigung oder die Verteidigung gegen öffentlich-rechtliche Sanktionen gelten. Die Kosten, die dem Zuwiderhandelnden aus der Rechtsverteidigung entstehen, sind demnach nicht von dem Gewinn abzuziehen.464 Das Ergebnis wird durch einen Blick auf parallele Regelungen der Vorteilsabschöpfung bestätigt: Weder die kartellrechtliche Vorteilsabschöpfung gemäß §§ 34, 34a GWB noch die Vorteilsabschöpfung gemäß § 17 Abs. 4 OWiG oder die §§ 73 ff. StGB lassen den Abzug von Rechtsverteidigungskosten zu. Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Zuwiderhandelnden im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Gewinnabschöpfungsanspruchs sind demnach keine anrechenbaren Leistungen.465 Dies gilt auch für gerichtliche und außergerichtliche Kosten, die der Zuwiderhandelnde für etwaige Verfahren zur Abwehr der Inanspruchnahme durch Dritte oder den Staat aufwenden musste.466 155

3. Rückerstattung. § 10 Abs. 2 S. 2 verpflichtet die zuständige Stelle des Bundes, die auch insoweit das Bundesamt für Justiz ist (vgl. Rn. 130), dem Zuwiderhandelnden den bereits abgeführten Gewinn in Höhe der nachgewiesenen Zahlungen zurückzuerstatten, soweit er erst nach Abführung des Gewinns an den Bundeshaushalt anrechenbare Leistungen an Dritte oder den Staat erbracht hat. Hintergrund hierfür ist, dass das Ausmaß der Gewinnabschöpfung nicht von der oftmals zufälligen Reihenfolge der Zahlungen abhängen soll. Nicht gesetzlich geregelt ist der Fall, dass der Zuwiderhandelnde den Gewinn auf 156 der Grundlage von § 10 an den Bundeshaushalt abgeführt hat und erst danach einzelne Geschädigte ihren Schadensersatzanspruch geltend machen, der Zuwiderhandelnde zu diesem Zeitpunkt allerdings zahlungsunfähig ist. In diesem Fall wirkt sich die zufällige Reihenfolge der Zahlungen insoweit aus, dass die Geschädigten das Insolvenzrisiko des Zuwiderhandelnden tragen müssten. Dies widerspricht aber der Wertung des § 10 Abs. 2 S. 2, wonach die Gewinnabschöpfung subsidiär hinter den Individualansprüchen Dritter zurücktritt. Da der Staat dem Zuwiderhandelnden nicht zulasten der Geschädigten die finanziellen Ressourcen für die vorrangige Kompensation der Individualschäden entzie-

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461 Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 462 Sack WRP 2003, 549, 555. 463 Schmauß S. 93. 464 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 142; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 13; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 133; Gärtner GRUR Int. 2008, 817, 819 f. 465 So die mittlerweile h.M. Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 256; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 142; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 7; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 154; Mönch ZIP 2004, 2032, 2034; Bauer S. 177. Ebenso zu § 34a GWB Immenga/Mestmäcker/Emmerich § 34a GWB Rn. 23. 466 Vgl. Begr. RegE UWG 2003, S. 24.

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hen darf,467 haben die Geschädigten in diesen Fällen einen unmittelbaren Anspruch gegen die zuständige Stelle i.S.d. § 10 Abs. 4 analog.468 D. Durchsetzung und Verfahren I. Zulässigkeit der Klage D. Durchsetzung und Verfahren I. Zulässigkeit der Klage 1. Zuständigkeit. Gemäß § 13 Abs. 1 ist das Landgericht sachlich zuständig; die 157 Handelskammer ist funktional zuständig. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 14, wonach das Gericht ausschließlich zuständig ist, in dessen Bezirk der Beklagte seine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen Wohnsitz hat (§ 14 Abs. 1). Darüber hinaus begründet § 14 Abs. 2 S. 1 eine weitere ausschließliche Zuständigkeit 158 am Begehungsort. § 14 Abs. 2 S. 2 schränkt diese Wahlmöglichkeit im Zusammenhang mit Unterlassungsansprüchen allerdings ein: Demnach ist für die in § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 genannten Berechtigten der Gerichtsstand des Begehungsortes nur gegeben, wenn der Beklagte im Inland weder eine gewerbliche oder selbstständige berufliche Niederlassung noch einen Wohnsitz hat. Diese Einschränkung des Wahlrechts durch § 14 Abs. 2 S. 2 ist auch auf Gewinnabschöpfungsansprüche anzuwenden.469 Zwar hat der Gesetzgeber mit der Einführung des § 10 die Regelung der örtlichen Zuständigkeit von § 24 a.F. auf § 14 übertragen, ohne den sachlichen Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 S. 2 auf Gewinnabschöpfungsansprüche zu erweitern. Die analoge Anwendung der einschränkenden Regelungen auch auf die Gewinnabschöpfung rechtfertigt sich aber aus der vergleichbaren Sachlage: Der „fliegende Gerichtsstand“ wurde durch § 24 Abs. 2 a.F. für Verbände eingeschränkt, um zu „verhindern, daß Ansprüche vorrangig vor den Gerichten am Sitz der Kläger, insbesondere klagender Wettbewerbsvereine, geltend gemacht werden, obwohl dort mit einer ernsthaften Beeinträchtigung der Wettbewerbsverhältnisse nicht gerechnet werden kann“.470 Die durch § 14 Abs. 2 S. 1 eröffnete Möglichkeit, dass die aktivlegimitierten Institutionen angebliche oder tatsächliche Wettbewerbsverstöße in erster Linie an ihrem Sitz erheben oder sich das für sie günstigere Gericht aussuchen, regelmäßig dasjenige, das mit seiner Rechtsprechung eher auf der Linie der klagenden Institution liegt,471 besteht bei Unterlassungs- und Gewinnabschöpfungsansprüchen in gleichem Maße. Demnach ist gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 die Klage wahlweise am Gerichtsstand des Begehungsortes nur zulässig, wenn der Beklagte im Inland weder eine gewerbliche oder selbstständige berufliche Niederlassung noch einen Wohnsitz hat. 2. Klageart a) Leistungs- und Stufenklage. Der Gewinnabschöpfungsanspruch ist grundsätz- 159 lich im Rahmen einer Leistungsklage durchzusetzen, die auf die Herausgabe des kausal durch die Zuwiderhandlung erzielten Gewinns abzüglich der anrechenbaren Leistungen an das Bundesamt für Justiz gerichtet ist. Hierfür gelten die allgemeinen Voraussetzun-

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467 So für § 81 GWB Langen/Bunte/Raum § 81 GWB Rn. 174. Ebenso für § 34 GWB Frankfurter Kommentar/Roth § 34 GWB Rn. 32. 468 So auch für § 34 GWB Frankfurter Kommentar/Roth § 34 GWB Rn. 32. 469 Im Ergebnis ebenso MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 150; v. Raay S. 444. 470 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWGÄnderungsgesetz – UWGÄndG) WRP 1994, 369, 373. 471 Zu dem Hintergrund der Einführung des § 24 Abs. 2 S. 2 a.F. Vogt NJW 1994, 2509, 2513.

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gen dieses Klagetyps. Der abzuschöpfende Gewinn ist grundsätzlich gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genau zu beziffern. Darüber hinaus ist unter den Voraussetzungen des § 287 ZPO ein unbezifferter Antrag zulässig, wenn der Vortrag des Klägers eine ausreichende Grundlage für die Schätzung des Gewinns durch das Gericht bietet (vgl. Rn. 195).472 In der Praxis wird der Gewinnabschöpfungsanspruch regelmäßig mit dem Auskunftsanspruch (vgl. Rn. 185 ff.) im Rahmen einer Stufenklage auf Auskunftserteilung und sodann auf Herausgabe des entsprechenden Gewinns verbunden, § 254 ZPO.473 160

b) Feststellungsklage. Kann der Anspruchsberechtigte im Wege einer Stufenklage sogleich auf Leistung klagen, fehlt für eine Feststellungsklage nach allgemeinen Grundsätzen das nach § 256 ZPO notwendige Feststellungsinteresse.474 Im Lauterkeitsrecht gilt der Vorrang der Stufenklage als Leistungsklage indes nur eingeschränkt. So wird im Falle des Schadensersatzanspruchs das berechtigte Interesse an der alsbaldigen Feststellung gemäß § 256 ZPO vor allem mit der zeitnah drohenden Verjährung begründet,475 die gemäß § 11 Abs. 1 bereits nach sechs Monaten eintritt (ausführlich hierzu § 11 Rn. 45 ff.). Zwar findet auf die Gewinnabschöpfung nicht die kurze Verjährungsfrist des § 11 Abs. 1, sondern die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß §§ 195, 199 BGB Anwendung (dazu Rn. 208; § 11 Rn. 27 f.). Dennoch lässt sich aber auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH auch hier das Feststellungsinteresse aus prozessökonomischen Gründen bejahen: So habe „sich in der Praxis die Erhebung der Stufenklage im Wettbewerbsrecht wegen der kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten (§ 21), aber auch im sonstigen gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht im Hinblick auf die dreijährige Verjährungsfrist als besonders nachteilig erwiesen“,476 da die Begründung des Schadensersatzanspruchs häufig selbst nach erteilter Auskunft Schwierigkeiten bereite und eine eingehende sachliche Prüfung zur Berechnungsmethode des Schadens erfordere. Das Gericht begründet das Feststellungsinteresse also insbesondere mit den Schwierigkeiten bei der Schadensfeststellung auch nach Auskunft. Sofern sich solche Schwierigkeiten auch bei der Gewinnermittlung ergeben können, ist auch hier von einem berechtigten Interesse an der alsbaldigen Feststellung auszugehen.477 Da der Anspruchsberechtigte nach der Auskunft den Prozess weiter betreiben muss, um die Hemmung der Verjährung aufrechtzuerhalten,478 werden auch im Fall des § 10 in der Regel die Ungewissheit über Bestehen und Höhe des erzielten Gewinns das notwendige Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 ZPO begründen können.479 Eine Klage auf Feststellung der

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472 Zu einem Formulierungsvorschlag Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 151 Fn. 218. 473 Zu einer Stufenklage auf Auskunft oder Rechnungslegung und Leistung OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435 – Veralteter Matratzentest. 474 Zum Schadensersatzanspruch BGH 17.5.2001 – I ZR 189/99 – GRUR 2001, 1177 – Feststellungsinteresse II; BGH 3.4.1996 – VIII ZR 3/95 – NJW 1996, 2097, 2098. 475 So für die Schadensersatzfeststellungsklage BGH 23.4.1991 – X ZR 77/89 – GRUR 1992, 559 – Mikrofilmanlage. 476 BGH 15.5.2003 – I ZR 277/00 – GRUR 2003, 900 – Feststellungsinteresse III. 477 Zu den Schwierigkeiten bei der Gewinnermittlung v. Raay S. 490 f. 478 BGH 17.5.2001 – I ZR 189/99 – GRUR 2001, 1177, 1178 – Feststellungsinteresse II. Nach der Rechtsprechung des BGH gelten diese Erwägungen „nach der Neuregelung des Verjährungsrechts zum 1.1.2002 in noch stärkerem Maße, nachdem die Erhebung der Klage nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur eine Hemmung der Verjährung zur Folge hat, die gemäß § 204 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB binnen sechs Monaten nach einem Stillstand des Verfahrens endet (BGH 15.5.2003 – I ZR 277/00 – GRUR 2003, 900 – Feststellungsinteresse III). 479 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 153. Zweifelnd allerdings Teplitzky § 37 Rn. 27. Allgemein zum Verhältnis zwischen Feststellungs- und Leistungsklage auf dem Gebiet des Lauterkeitsrechts BGH 19.11.1971 – I ZR 72/70 – GRUR 1972, 180, 183 – Cheri m. Anm. v. Falck; BGH 3.11.1959 – I ZR 120/58 – GRUR 1960, 193, 196 – Frachtenrückvergütung m. Anm. Schramm.

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Zahlungspflicht ist dann neben einer Stufenklage möglich.480 Etwas anderes gilt, wenn die aktivlegitimierte Institution bereits im Zeitpunkt der Klageeinreichung aufgrund der erteilten Auskünfte den Gewinn berechnen und beziffern kann.481 Dann ist eine Feststellungsklage anstelle einer Stufenklage mangels Feststellungsinteresse unzulässig. Durch die Begrenzung auf den abgeführten Gewinn gemäß § 10 Abs. 4 S. 3 besteht 161 bei einer Feststellungsklage kein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Aufwendungen gegen den Bundeshaushalt.482 3. Rechtsmissbrauch. Nach den Erfahrungen mit den sog. Abmahnvereinen, die 162 auf der Grundlage der weitreichenden Aktivlegitimation gemäß § 13 a.F. selbst geringfügige Wettbewerbsverstöße massenhaft abgemahnt und verfolgt haben, ist die Befürchtung nach wie vor groß, „dass Wettbewerbsverstöße nicht so sehr aus Gründen der Wettbewerbsordnung als vielmehr aus finanziellen Interessen verfolgt werden“.483 Dies war für den Gesetzgeber Grund genug, die abgeschöpften Gewinne nicht den aktivlegitimierten Institutionen, sondern dem Bundeshaushalt zuzuführen.484 Grundsätzlich kann es von der Durchsetzung der „richtigen“ Verhaltensregelungen aber nicht genug geben,485 da eine lückenhafte und unvollständige Durchsetzung die Wirkungskraft gesetzlicher Verhaltensnormen schwächt.486 Dem Ziel der wirksamen Normdurchsetzung kann es gleichwohl zuwiderlaufen, wenn die berechtigten Institutionen die Gewinnabschöpfungsansprüche allein deshalb wahrnehmen, weil sie sachfremde Ziele verfolgen. Da der Klageanreiz durch die Abführung des Gewinns an den Bundeshaushalt ohnehin gering ausfällt und der Gesetzgeber die Aktivlegitimation gezielt auf bestimmte Institutionen beschränkt hat, wird die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit in der Praxis allerdings von nur geringer Relevanz sein. Für den Unterlassungsanspruch sieht § 8 Abs. 4 eine spezielle Regelung des Rechts- 163 missbrauchs vor, wonach die Klage eines Mitbewerbers auf Unterlassung bzw. Beseitigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens unzulässig ist, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist (hierzu § 8 Rn. 249 ff.).487 Eine solche ausdrückliche Regelung existiert für die Gewinnabschöpfung nicht. Teilweise wird eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 4 auf die Gewinnabschöpfung befürwortet.488 Nach a.A. ist eine analoge Anwendung abzulehnen.489 Für die analoge Anwendung des § 8 Abs. 4 auf § 10 spricht, dass auch im Falle des § 10 ein Bedürfnis besteht, rechtsmissbräuchliche Klagen zu verhindern. So dient § 8 Abs. 4 vor allem auch als Korrektiv der weitgefassten Aktivlegitimation in § 8 Abs. 3,490 an die die Aktivlegitimation des § 10

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480 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 153. Zu § 34a GWB Langen/Bunte/Bornkamm § 34a GWB Rn. 12. 481 Vgl. BGH 2.10.2003 – I ZR 76/01 – GRUR 2004, 70, 71 – Preisbrecher. 482 Teplitzky § 37 Rn. 27. 483 Vgl. bereits Begr. RegE BTDrucks. 12/7345, S. 10 f. 484 RegE UWG 2003, S. 25. 485 Glöckner WRP 2007, 490, 494. 486 Glöckner WRP 2007, 490, 494. 487 BGH 17.11.2005 – I ZR 300/02 – GRUR 2006, 243, 244 – MEGA SALE; BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – GRUR 2002, 357, 358 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; BGH 10.12.1998 – I ZR 141/96 – GRUR 1999, 509, 510 – Vorratslücken; OLG Hamburg 12.7.2006 – 5 U 179/05 – GRUR-RR 2006, 374, 375; Fezer/Büscher § 8 Rn. 283; Harte/Henning/Bergmann/Goldmann § 8 Rn. 380; Teplitzky Kap. 13 Rn. 50. Nach a.A. enthält § 8 Abs. 4 eine materiell-rechtliche rechtsvernichtende Einwendung, die wie § 242 BGB zur Unbegründetheit der Klage führt (Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.4; ders. FS Schricker, S. 725, 726 ff.). 488 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 19; Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 19. 489 Alexander S. 692. Für eine „umgekehrte Bindungswirkung“ Alexander WRP 2012, 1190, 1197. 490 Zu § 13 Abs. 5 a.F. BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 261; BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 172 = GRUR 2000, 1089, 1090 – Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung.

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durch ausdrücklichen Verweis in Absatz 1 im Wesentlichen – mit Ausnahme der Mitbewerber – anknüpft (vgl. Rn. 116 ff.). Zwar hat der Gesetzgeber die Gefahr gesehen, dass die Gewinnabschöpfung aus sachfremden Erwägungen zur Einnahmeerzielung geltend gemacht werden kann und ihr durch die Abführung des abgeschöpften Gewinns an den Bundeshaushalt Rechnung getragen.491 Dennoch verbleiben aber Möglichkeiten, in denen Verbände die Gewinnabschöpfung als Druckmittel aus sachfremden Erwägungen missbrauchen könnten. Diese Fälle mag auch der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB als Missbilligung der Rechtsausübung492 nicht ausreichend zu erfassen. So führt die Anwendung des § 242 BGB insbesondere nicht – wie nach h.M. § 8 Abs. 4 – zur Unzulässigkeit der Klage, sondern erst zu ihrer Unbegründetheit.493 Gerade in den Fällen der Mehrfachklage (vgl. Rn. 168 ff.) kann aber bereits die Zulässigkeit einer rechtsmissbräuchlichen Klage aus Sicht des Zuwiderhandelnden eine erhebliche Belastung und damit ein ausreichendes Druckmittel darstellen. § 8 Abs. 4 ist daher analog auf die Gewinnabschöpfung anzuwenden. Bei der Beurteilung, ob die Geltendmachung des § 10 rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 164 Abs. 4 analog ist, können gleichwohl die Grundsätze des § 242 BGB als Maßstab herangezogen werden: Rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt demnach vor, wenn der Berechtigte seine Rechte aus ausschließlich sachfremden Erwägungen wahrnimmt, ohne eigene schutzwürdige Interessen zu verfolgen, oder überwiegende Interessen eines anderen Beteiligten der Durchsetzung entgegen stehen.494 Da die Gewinnabschöpfung der effektiven Durchsetzung der §§ 3, 7 dient, muss sich auch die Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit an der institutionellen Zweckbindung des § 10 orientieren. Die Geltendmachung der Gewinnabschöpfung darf demnach unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an einer wirksamen Normdurchsetzung nicht außer Verhältnis zu den Interessen des Normadressaten stehen.495 Mit der Anerkennung der Gewinnabschöpfungsansprüche hat der Gesetzgeber bereits eine grundsätzliche Entscheidung zugunsten des Allgemeininteresses an einer effektiven Normdurchsetzung getroffen. Die hierfür den berechtigten Institutionen zugewiesene Durchsetzungsmacht kann daher nur ausnahmsweise eingeschränkt werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung der institutionellen Zweckbindung der Gewinnabschöpfung geboten erscheint.496 Der Ausschluss des Gewinnabschöpfungsanspruchs wegen Rechtsmissbrauchs lässt 165 sich dennoch nicht allein damit begründen, dass die aktivlegitimierten Institutionen eigene Vorteile anstreben.497 Die Gewinnabschöpfungsansprüche werden den Verbänden und Kammern nicht unter der Bedingung zuerkannt, dass sie nur zu einem bestimmten Zweck – namentlich zur Durchsetzung der Verhaltensnormen im Allgemeininteresse an einem funktionsfähigen Markt – wahrgenommen werden können. Ob die aktivlegitimierten Institutionen aus redlichen, achtbaren oder rein selbstsüchtigen Erwägungen Klage erheben, kann nicht ausschlaggebend sein.498 Die Grenze zum Rechtsmissbrauch ist indes überschritten, wenn die aktivlegitimierten Institutionen aus querulatorischen Motiven oder allein deshalb klagen, um den Beklagten in eine wirtschaftliche Bedrängnis zu bringen. Rechtsmissbräuchlich sind auch Klagen zu Ausforschungszwecken

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491 RegE UWG 2003, S. 25. 492 MünchKomm/Roth/Schubert § 242 BGB Rn. 235. 493 MünchKomm/Roth/Schubert § 242 BGB Rn. 218; BeckOK/Bamberger/Roth/Sutschet § 242 Rn. 52. 494 Statt aller MünchKomm/Roth/Schubert § 242 BGB Rn. 406. 495 Zu dem Erfordernis einer sorgfältigen Abwägung BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 170 = GRUR 2000, 1089, 1091 ff. – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.11. 496 Zu § 13 Abs. 2 a.F. Köhler WRP 1992, 359, 361. 497 Zur Verbandsklage Halfmeier S. 333. 498 Beater ZHR 159 (1995), 217, 221.

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oder die Geltendmachung des § 10 gegen unlauteres Verhalten, das der Kläger durch unzulässige Testmaßnahmen provoziert hat.499 Kein Rechtsmissbrauch ist demgegenüber die Einschaltung eines gewerblichen 166 Prozessfinanzierers, sofern hierdurch keine Fremdbestimmung zu besorgen ist.500 Ein Wechsel der Rechtsauffassung oder im Vortrag zu einer Rechtsfrage begründet regelmäßig nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Zuwiderhandelnde „nach den gegebenen Umständen auf eine dem einmal eingenommenen Standpunkt entsprechende gleichbleibende Einstellung und demgemäß auf eine bestimmte Rechtslage vertrauen durfte, sich darauf eingerichtet hat und ihm eine Inanspruchnahme mit einer völlig veränderten rechtlichen Begründung nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann“.501 Folge einer rechtsmissbräuchlichen Klage können neben der Unzulässigkeit der 167 Klage u.U. auch Schadensersatzansprüche gegen die rechtsmissbräuchlich klagende Institution sein. Im Hinblick auf die verfahrensrechtliche Legalität genügt allerdings eine unberechtigte Klageerhebung allein nicht, um Schadensersatzansprüche zu begründen.502 Der unredliche Kläger ist jedoch dem Beklagten gemäß § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er sich der Unbegründetheit seiner Klage bewusst ist und der Schaden des Beklagten aus der unbegründeten Klage nicht bereits durch die allgemeinen Kostenregeln gemäß §§ 91 ff. ZPO aufgefangen wird.503 4. Zulässigkeit von Mehrfachklagen. Das Übermaß an Anspruchsberechtigten kann 168 im konkreten Fall eine Vielzahl an Abschöpfungsansprüchen und damit eine Anspruchsmehrheit begründen. Praktisch wird dies allerdings auf der Grundlage der derzeitigen Regelung kaum zu einer Vielzahl an Klagen führen, da der Klageanreiz auf Seiten der Verbände und Kammern mit Rücksicht auf die Abführung an den Bundeshaushalt ohnehin nur gering ist und sich die anspruchsberechtigten Institutionen regelmäßig darüber einigen werden, wer den Anspruch verfolgt.504 Eine Koordinierung zwischen den berechtigten Institutionen wird vor allem durch die Pflicht zur Auskunft über die Geltendmachung gegenüber dem Bundesamt für Justiz gemäß § 10 Abs. 4 erleichtert (vgl. Rn. 131 ff.).505 Fehlt es an einer Abstimmung zwischen den anspruchsberechtigten Institutionen, 169 kann es gleichwohl zu einer Mehrfachverfolgung kommen. Das Nebeneinander mehrerer aktivlegitimierter Institutionen wird auf der materiell-rechtlichen Ebene ausdrücklich in

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499 Vgl. BGH 18.11.1986 – KZR 41/85 – GRUR 1987, 304, 305 f. – Aktion Rabattverstoß. Ausführlich dazu Alexander S. 694 ff. 500 LG München I 22.7.2008 – 33 O 17282/07 – nicht veröffentlicht. 501 Vgl. BGH 10.5.1957 – I ZR 33/56 – GRUR 1957, 499, 503 – Wipp m. Anm. Heydt. Ausführlich dazu Alexander S. 697. 502 Hierzu Palandt/Sprau § 823 BGB Rz. 37; § 826 BGB Rz. 50. 503 BGH 11.11.2003 – VI ZR 371/02 – NJW 2004, 446, 447; BGH 12.5.1992 – VI ZR 257/91 – BGHZ 118, 201; BGH 13.3.1979 – VI ZR 117/77 – BGHZ 74, 9, 12; BGH 3.10.1961 – VI ZR 242/60 – BGHZ 36, 18, 21. Vgl. BVerfG 25.2.1987 – 1 BvR 1086/85 – BVerfGE 74, 257, 260; MünchKomm/Wagner § 826 BGB Rn. 191. Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB wird häufig an dem Eingriff in ein geschütztes Rechtsgut scheitern (Palandt/Sprau § 823 BGB Rn. 37). In Einzelfällen ließ der BGH auch bereits die leichtfertige Einleitung eines unbegründeten Verfahrens genügen, um von einem sittenwidrigen Verhalten i.S.d. § 826 BGB auszugehen. So etwa im Falle einer grob leichtfertigen Verfahrenseinleitung durch eine mittellose Partei in der Kenntnis, dass der gegnerische Kostenerstattungsanspruch ungedeckt ist, BGH 26.6.2001 – IX ZR 209/98 – BGHZ 148, 175, 183 = NJW 2001, 3187. Zu der Begründung der Sittenwidrigkeit mit der Leichtfertigkeit der unbegründeten Verfahrenseinleitung MünchKomm/Wagner § 826 BGB Rn. 193. 504 Vgl. Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 505 Alexander S. 566.

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§ 10 Abs. 3 durch die Verweisung auf die allgemeinen Bestimmungen zur Gesamtgläubigerschaft gemäß §§ 428–430 BGB geregelt (dazu Rn. 119 ff.). Das schließt aber die Zulässigkeit mehrerer Klagen durch verschiedene Institutionen nach h.M. nicht aus.506 Nach a.A. sind Mehrfachklagen von Verbänden aufgrund des einheitlichen Streitgegenstands als unzulässig abzuweisen.507 Für die h.M. spricht, dass die aktivlegitimierten Institutionen jeweils einen eigenen Anspruch geltend machen (vgl. Rn. 47) und den Klagen daher verschiedene Streitgegenstände zugrunde liegen. Die Zulässigkeit der jeweiligen Klage scheitert regelmäßig weder an dem Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses noch an einer anderweitigen Rechtshängigkeit.508 Die entsprechende Anwendung der §§ 428–430 BGB auf materiell-rechtlicher Ebene kann daher die erhebliche Kostenbelastung für den Zuwiderhandelnden und das Risiko widerstreitender Entscheidungen unterschiedlicher Gerichte nicht verhindern, die durch mehrfache Klagen eintreten können. Daher wird vereinzelt de lege ferenda die Unzulässigkeit von Mehrfachklagen 170 gegen ein und dieselbe Zuwiderhandlung unter Berufung auf das verfassungsrechtlich gewährleistete Verhältnismäßigkeitsgebot sowie das Prinzip der Waffengleichheit gefordert.509 Eine Einschränkung der Klagemöglichkeit ist im Zusammenhang mit § 10 grundsätzlich möglich, da die berechtigten Institutionen nicht unmittelbar in eigenen Individualinteressen durch das normwidrige Verhalten berührt sind,510 sondern allenfalls in ihrem Interesse an der Funktionsfähigkeit des Marktes. Die aktivlegitimierten Institutionen sind daher weniger schutzwürdig als etwa unmittelbar betroffene Mitbewerber, die auf Schadensersatz gemäß § 9 klagen.511 Mehrfachklagen liegen aber grundsätzlich im Allgemeininteresse an einer möglichst umfassenden Durchsetzung der objektiven Marktverhaltensnormen, da sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Fehlverhalten aufgedeckt, verfolgt und wirksam bekämpft werden kann.512 Daher ist die Zulässigkeit von Mehrfachklagen auf Gewinnabschöpfung gegen ein und dieselbe Zuwiderhandlung grundsätzlich zu befürworten.513 171 Zudem lassen sich de lege lata die Risiken und Nachteile von Mehrfachklagen im konkreten Einzelfall ausreichend einfangen: Dem dient vor allem die Zuständigkeitskonzentration gemäß § 14 am Ort der Niederlassung bzw. am Wohnort des Beklagten. Das hiernach zuständige Gericht kann mehrere anhängige Verfahren gemäß § 145 ZPO zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbinden.514 Im Übrigen können die anspruchsberechtigten Institutionen als einfache Streitgenossen i.S.d. § 59 ZPO gemeinschaftlich klagen.515 Darüber hinaus bietet auch § 8 Abs. 4 analog einen rechtsdogmatischen Anknüpfungspunkt für die Unzulässigkeit von Mehrfachklagen in den Fällen, in denen weitere Klagen unter Berücksichtigung des institutionellen Schutzzwecks der Gewinnabschöpfung rechtsmissbräuchlich sind.516 Die unverhältnismäßigen Belastungen, die dem Zuwiderhandelnden durch die aufgrund der Vielzahl an Aktivlegi-

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506 BGH 5.1.1960 – I ZR 100/58 – GRUR 1960, 379, 380 f. – Zentrale m. Anm. Harmsen; RG 24.1.1928 – II 272/27 – RGZ 120, 47, 50; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 18. 507 Allgemein zur Verbandsklage Halfmeier S. 275 ff., 303 ff. 508 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 18. 509 So zu § 13 Abs. 2 a.F. Köhler WRP 1992, 359, 360; Marotzke ZZP 98 (1985), 160, 172 f. 510 Vgl. Köhler WRP 1992, 359. 511 Fritzsche S. 264. 512 So für das UWG Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.2. 513 So auch Lindacher ZZP 103 (1990), 397, 408. 514 Hierzu Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 18. 515 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 18. 516 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 19; ausführlich zu § 13 a.F. ders. WRP 1992, 359, 361 ff.

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II. Beweis

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timierten möglichen Mehrfachklagen entstehen können, soll § 8 Abs. 4 gerade ausgleichen.517 II. Beweis II. Beweis Die anspruchsbegründenden Tatsachen – insbesondere das vorsätzliche Fehlverhal- 172 ten und die Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern – hat grundsätzlich die aktivlegitimierte Institution darzulegen und soweit streitig zu beweisen. 1. Vorsätzliches Fehlverhalten. Die Darlegungs- und Beweislast für das vorsätzli- 173 che unlautere Verhalten als anspruchsbegründende Tatsache trägt die anspruchstellende Institution. Das Vorliegen eines vorsatzausschließenden Rechtsirrtums muss der Zuwiderhandelnde darlegen und beweisen.518 Die Durchsetzung des Gewinnabschöpfungsanspruchs scheitert in der Praxis oft an 174 dem Nachweis des Vorsatzes, insbesondere der Kenntnis von der Unlauterkeit.519 Für eine Beweislastumkehr fehlt es an einer Grundlage im Gesetz.520 Ein Anscheinsbeweis ist im Zusammenhang mit inneren Tatsachen nicht möglich, da diese einer durch Lebenserfahrung begründeten Typizität nicht zugänglich sind.521 Die Schwierigkeiten einer Verallgemeinerung bestätigen auch die unterschiedlichen Entscheidungen in der bisherigen Rechtsprechung zu § 10.522 Allerdings können subjektive innere Tatsachen wie der Vorsatz mit Hilfe von Indizien nachgewiesen werden,523 die der Richter gemäß § 286 Abs. 1 ZPO im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu bewerten und zu gewichten hat. So können insbesondere objektiv grobe Zuwiderhandlungen ein Indiz für bedingten Vorsatz sein. Indizwirkung hat auch die geschäftliche Erfahrung im Wettbewerb: Je länger der Zuwiderhandelnde bereits geschäftlich tätig ist, desto eher kann von der Kenntnis der ständigen Rechtsprechung und dem hierauf begründeten Unrechtsbewusstsein in Bezug auszugehen sein.524 Ein weiteres wesentliches Indiz für den Nachweis des Vorsatzes ist die Abmahnung 175 des konkreten oder eines vergleichbaren Verhaltens des Zuwiderhandelnden. Vor einer Abmahnung wird regelmäßig kein Vorsatz vorliegen, wenn der Zuwiderhandelnde auf

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517 Zu § 13 Abs. 5 a.F. BGH 5.10.2000 – I ZR 237/98 – GRUR 2001, 260, 261; BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165, 169 f. = GRUR 2000, 1089, 1090 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung. 518 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 285 m.w.N. 519 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 176; Beuchler WRP 2006, 1288, 1289. Vgl. MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 78; Sieme S. 97 m.w.N.
; beispielhaft LG Heilbronn 23.2.2006 – 23 O 136/05 KfH – VuR 2007, 73; zu einem auch aus Sicht der Richter „schlicht ungeeigneten Fall“ für § 10 LG Bonn 12.5.2005 – 12 O 33/05 – GRUR-RR 2006, 111 – Unzutreffendes Testurteil. 520 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 286. 521 LG Bonn 12.5.2005 – 12 O 33/05 – GRUR-RR 2006, 111 – Unzutreffendes Testurteil: Ausschluss eines allgemeinen Erfahrungssatzes, wonach die unrichtige Wiedergabe von Testurteilen jedenfalls bedingt vorsätzlich erfolgt sein muss; a.A. für offensichtliche und erhebliche Verstöße Gärtner S. 102 Fn. 497; bei vollständiger Ignoranz der rechtlichen Bewertung Bauer S. 112; Neuberger S. 91; nur bezüglich der Kenntnis der die Wettbewerbswidrigkeit ergebenden Umstände Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 286. Grundlegend zum Anscheinsbeweis etwa Zöller/Greger Vor § 284 ZPO Rn. 29 ff. m.w.N. 522 Vgl. OLG Frankfurt 20.5.2010 – 6 U 33/09 – GRUR-RR 2010, 482, 482 f.; OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 187/07 – CR 2009, 253 und Parallelverfahren OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 186/07 – GRUR-RR 2009, 265; OLG Hamm 14.2.2008 – 4 U 135/07 – GRUR-RR 2008, 435 – Zulassung in EU-Mitgliedstaat; OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435 (inkl. Vorinstanz) – Veralteter Matratzentest. 523 Vgl. dazu ausführlich BGH 27.1.1994 – I ZR 326/91 – GRUR 1995, 693, 696 f. – Indizienkette; Fezer/ v. Braunmühl § 10 Rn. 283 m.w.N.; Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 30.
 524 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 176.

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einen entsprechenden fachkundigen Rechtsrat vertraut hat.525 Im Übrigen kann aber auch vor einer Abmahnung bei entsprechenden Anhaltspunkten bedingter Vorsatz anzunehmen sein.526 So hatte etwa das OLG Frankfurt in einem Verfahren, in dem es um eine Verletzung der Preisangabenverordnung im Internetauftritt durch versteckte Hinweise auf die Kostenpflichtigkeit des Angebots ging, den bedingten Vorsatz des Anbieters sowohl für die Zeit nach als auch vor der Abmahnung bejaht.527 176 Die Fortsetzung unlauteren Verhaltens nach einer Abmahnung oder einstweiligen Verfügung gegen das konkrete oder ein vergleichbares Verhalten des Zuwiderhandelnden begründet nach teilweise vertretener Auffassung im Schrifttum stets Vorsatz.528 Allerdings sind durchaus Fälle denkbar, in denen der Abgemahnte weiterhin – etwa aufgrund einer entsprechenden Rechtsauskunft – auf die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens vertraut. Daher hat die Abmahnung nach zutreffender a.A. lediglich Indizwirkung, so dass eine abweichende Beurteilung im Einzelfall möglich bleibt.529 So ist auch in der bisherigen Rechtsprechung die Fortsetzung des unlauteren Verhaltens nach einer Abmahnung in aller Regel ein Indiz für die Vorsätzlichkeit.530 Die Indizwirkung der Abmahnung hängt von der Person des Abmahnenden und dem Inhalt des Abmahnschreibens ab. Während unlauteres Verhalten trotz einer inhaltlich nachvollziehbaren Abmahnung eines auf dem Gebiet des Lauterkeitsrechts langjährig tätigen und seriösen Verbandes ein regelmäßig ausreichendes Indiz für jedenfalls bedingten Vorsatz sein wird, wird die Abmahnung durch Konkurrenten häufig allein nicht als Indiz genügen.531 Das LG Berlin hatte bei der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung eines Internetportals für KlingeltonAbonnements die Indizwirkung von Abmahnungen vergleichbarer Verhaltensweisen sogar gänzlich abgelehnt.532 Indiz für das Vorliegen eines vorsatzausschließenden Rechtsirrtums, den der 177 Zuwiderhandelnde darlegen und beweisen muss,533 ist die Auskunft in Form eines fachkundigen Rechtsrats, der die Rechtmäßigkeit des Verhaltens bescheinigt und auf den der Zuwiderhandelnde vertraut. Der fachkundige Rechtsrat entfaltet grundsätzlich auch dann Indizwirkung für das Vorliegen eines Rechtsirrtums, wenn der Rechtsberater auf ein geringes Restrisiko einer anderslautenden juristischen Bewertung hinweist.534 Hierfür spricht, dass der Gesetzgeber insbesondere Verhalten im Grenzbereich der Lauterkeit von der Gewinnabschöpfung ausnehmen wollte.535 Eine pauschale Prozentangabe zu der Höhe des Restrisikos für alle Fälle kann jedoch nicht gegeben werden.536 Die Grenze zum

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525 So etwa LG Hanau 1.9.2008 – 9 O 551/08 – MMR 2009, 142 Tz. 20. 526 Für die Abmahnung hingegen als zwingende Voraussetzung („gelbe Karte“) Köhler GRUR 2003, 265, 266. 527 OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 187/07 – CR 2009, 253, 257. 528 Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 44. 529 So auch Sieme, S. 101; v. Raay S. 216 f.; ähnlich auch die Formulierungen in Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 285; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 6 („regelmäßig“); Neuberger S. 90; strenger MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 86 („vorsätzliche Handlung ist ohne weiteres anzunehmen“). 530 OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435, 436 – Veralteter Matratzentest; dazu v. Raay VuR 2007, 47, 51 f. 531 Sieme S. 101. 532 LG Berlin 25.9.2007 – 16 O 115/06 – CR 2008, 192 m. krit. Anm. Klees; vgl. auch Sieme S. 101; zum ganz gezielt auf Intransparenz beruhenden Geschäftsmodell solcher „Abo-Fallen“ im Internet s. Meyerv. Raay/Deitermann Gefangen in der (Internet-)Kostenfalle? VuR 2009, 335, 340. 533 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 285 m.w.N. 534 Hierzu OLG Hamm 14.2.2008 – 4 U 135/07 – GRUR-RR 2008, 435, 437; a.A. Sosnitza GRUR 2003, 739, 745 (bedingter Vorsatz schon bei einem geringen juristischen Restrisiko). 535 So v. Raay S. 219. Siehe Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 536 So aber etwa Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 43 (kein Vorsatz bei Restrisiko unter 10 Prozent).

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II. Beweis

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vorsatzbegründenden beachtlichen Restrisiko ist für jeden konkreten Einzelfall gesondert zu beurteilen.537 Problematisch weit geht jedoch die Rechtsprechung, wenn sie die vorsatzausschlie- 178 ßende Indizwirkung eines die Rechtmäßigkeit bestätigenden fachkundigen Rechtsrats nach einer Abmahnung negiert. So hatte das OLG Frankfurt den Vorsatz angesichts der „Offensichtlichkeit des Wettbewerbsverstoßes“ spätestens mit dem Zugang der Abmahnung bejaht, obgleich die Beklagten geltend machten, von ihrem Rechtsanwalt so beraten worden zu sein, dass ihr Handeln zulässig sei. In Folge der Abmahnung hätten die Betreiber der in Frage stehenden Internetseite „keinen vernünftigen Grund“ mehr gehabt, darauf zu vertrauen, dass die Einschätzung ihres Rechtsanwalts richtig und die Auffassung des Abmahnenden falsch ist. Daher hätten sie spätestens ab der Abmahnung „bewusst auf eigenes Risiko“ und damit jedenfalls bedingt vorsätzlich gehandelt.538 Demnach verhält sich der Zuwiderhandelnde auch dann bedingt vorsätzlich, wenn er zwar auf der Grundlage eines fachkundigen Rechtsrats auf die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens vertraut hat, dem aber gewichtige gegenteilige Anhaltspunkte, insbesondere eine explizite Abmahnung, entgegen stehen.539 Auf dieser Linie liegt auch die Entscheidung des LG Hanau, in der es um ein gegen die Preisangabenverordnung verstoßendes Online-Portal ging. Das LG Hanau begründete den Vorsatz des Anbieters mit der vorhergehenden Abmahnung gegen ein ähnliches Portal, obgleich der Anbieter auch hier auf eine anderslautende anwaltliche Rechtsauskunft vertraut hatte. In einem vergleichbaren Fall hatte das LG Hanau den Vorsatz für den Zeitraum vor einer Abmahnung ausdrücklich verneint, da der Zuwiderhandelnde auf die Auskunft von fachkundigen Rechtsanwälten vertraut hatte, obgleich „sich die Rechtslage auch noch nach der anwaltlichen Beratung aus Sicht der Beklagten als zweifelhaft darstellen musste“.540 Erst mit Zugang des Abmahnschreibens ging das Gericht von einem bedingten Vorsatz aus, da dem Beklagten dann „klar sein [musste], dass die eingeholte Rechtsauskunft möglicherweise nicht richtig war, zumal es sich bei der Klägerin um den Bundesverband der Verbraucherzentrale handelt“. Durch die Fortsetzung der Zuwiderhandlung nach der Abmahnung habe die Beklagte ab diesem Zeitpunkt den Rechtsverstoß zumindest billigend in Kauf genommen.541 Richtigerweise wird man keine allgemeingültige Regel dahingehend aufstellen 179 können, dass das Vertrauen auf eine die Rechtmäßigkeit bescheinigende Rechtsauskunft nach einer Abmahnung den Vorsatz niemals ausschließen wird. Maßgeblich ist stets eine Betrachtung im Einzelfall, so dass die Indizwirkung einer Abmahnung u.U. im Einzelfall durch das glaubhaft gemachte Vertrauen auf die Bestätigung der Rechtmäßigkeit durch einen eingeholten fachkundigen Rechtsrat aufgehoben werden kann.542

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537 Nach Sieme liegt die maßgebliche Grenze zum jedenfalls bedingten Vorsatz zwischen etwa 10 bis 50 Prozent (Sieme S. 102 f.). Nordemann lehnt den Vorsatz bereits dann ab, wenn die Ansicht der Rechtmäßigkeit jedenfalls nicht unvertretbar ist (Nordemann Wettbewerbsrecht und Markenrecht, Rn. 1901). Im Gegensatz hierzu geht Gärtner davon aus, dass die Rechtmäßigkeit nach der Rechtsauskunft gut vertretbar sein muss (Gärtner S. 95). 538 OLG Frankfurt 20.5.2010 – 6 U 33/09 – GRUR-RR 2010, 482, 483 – „heute gratis!“. 539 OLG Frankfurt 20.5.2010 – 6 U 33/09 – GRUR-RR 2010, 482, 483 – „heute gratis!“. 540 LG Hanau 1.9.2008 – 9 O 551/08 – MMR 2009, 142 Tz. 20. 541 LG Hanau 1.9.2008 – 9 O 551/08 – MMR 2009, 142 Tz. 20. 542 Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 44; Sieme S. 101.

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2. Gewinnerzielung zulasten einer Vielzahl von Abnehmern a) Beweislastverteilung. Die anspruchstellende Institution muss grundsätzlich die Gewinnerzielung als anspruchsbegründende Tatsache und die Höhe des Gewinns darlegen und beweisen.543 Der Zuwiderhandelnde muss demgegenüber die Kosten darlegen und beweisen, die ausnahmsweise gewinnmindernd zu berücksichtigen sind.544 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen anrechenbarer Leistungen an Dritte oder den Staat i.S.d. § 10 Abs. 2 trägt ebenfalls der Zuwiderhandelnde.545 Das ergibt sich für die Rückerstattung des abgeschöpften Gewinns bei nachträglichen Zahlungen aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 S. 2 („nachgewiesene Zahlungen“). Für die übrigen Fälle der Anrechnung erbrachter Leistungen gemäß § 10 Abs. 2 S. 1 folgt dies aus allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung.546 181 Die in der Gemeinkostenanteil-Entscheidung durch den BGH zur Herausgabe des Verletzergewinns entwickelten Grundsätze sind auch insoweit auf § 10 zu übertragen. Demnach sind Gemeinkosten nur abzugsfähig, soweit der Zuwiderhandelnde darlegen und beweisen kann, dass sie ausnahmsweise den schutzrechtsverletzenden Gegenständen unmittelbar zugerechnet werden können (ausführlich hierzu § 9 Rn. 71).547 Der Zuwiderhandelnde muss also Erlöse und Kosten möglichst lückenlos und schlüssig wiedergeben und belegen.548

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b) Beweisanforderungen. Bei der klageweisen Durchsetzung des Gewinnabschöpfungsanspruchs werden die anspruchsberechtigten Institutionen häufig vor dem Problem stehen, dass der maßgebliche Gewinn betriebsinterne Informationen betrifft, die ihnen regelmäßig unzugänglich sind. Zu den Möglichkeiten, auf behördliche Erkenntnisse zuzugreifen vgl. Rn. 205 ff.

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aa) Beweiserleichterungen. Je nach der konkreten Zuwiderhandlung kann der Beweis der Gewinnerzielung als anspruchsbegründende Tatsache durch die Grundsätze des Anscheinsbeweises erleichtert werden: Der gewohnheitsrechtlich anerkannte prima facie Beweis ermöglicht einen Beweis von Ursächlichkeiten ohne eine entsprechende Tatsachengrundlage, wenn im konkreten Einzelfall ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder Folge hindeutet und so gewöhnlich und üblich erscheint, dass die besonderen individuellen Umstände an Bedeutung verlieren.549 Die Beweiserleichterung prima facie erlaubt demnach einen Rückschluss aufgrund von Erfahrungssätzen von der Zuwiderhandlung auf einen erzielten Gewinn, wenn es sich hierbei um einen typischen Geschehensablauf handelt.550 Insbesondere kostenintensive Zuwiderhandlungen werden nach allgemeiner Lebenserfahrung auf der Grundlage einer Kosten-Nutzen-Analyse nur begangen, wenn sich der Zuwiderhandelnde hiervon einen Gewinn verspricht.551 U.U. können aber auch

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543 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 14. 544 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 218; Gärtner S. 118 Fn. 568; Sieme S. 140. 545 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 13; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 155. 546 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 14. 547 BGH 2.11.2000 – I ZR 246/98 – BGHZ 145, 366 = GRUR 2001, 329, 331 – Gemeinkostenanteil; ausdrücklich für das UWG BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 25 ff. – Steckverbindergehäuse. 548 v. Raay S. 350. Zum Schadensersatz Rojahn GRUR 2005, 623, 624. 549 BGH 18.3.1987 – IVa ZR 205/85 – BGHZ 100, 214, 216; Musielak/Foerste § 286 ZPO Rn. 23. 550 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 312; ebenso MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 134; Neuberger S. 126; Sieme S. 138; v. Raay S. 352. Allgemein zum Anscheinsbeweis Zöller/Greger Vor § 284 ZPO Rn. 29. 551 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 312.

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weniger kostenintensive Zuwiderhandlungen – wie etwa Mogelpackungen – ein eigenes Gewinnpotential beinhalten. In diesen Fällen lässt der Nachweis der Zuwiderhandlung nach einer typisierenden Betrachtung den Schluss zu, dass hierdurch ein Gewinn erzielt wurde. Diesen Beweis kann der Anspruchsgegner dann dadurch erschüttern, dass er die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs beweist. Beispiel hierfür ist etwa der Verkauf unter Einstandspreis gemäß § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 20 Abs. 4 S. 2 GWB. Eine weitergehende Beweislastumkehr ist hingegen abzulehnen, da im Hinblick 184 auf die Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis und die regelmäßig bestehende Möglichkeit des Auskunftsanspruchs (vgl. Rn. 183 ff.) eine Abweichung von der gesetzlichen Beweislastverteilung nicht erforderlich erscheint.552 bb) Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch. Da die aktivlegitimierten Insti- 185 tutionen regelmäßig keinen Einblick in die betriebsinternen Abläufe des Zuwiderhandelnden haben, können sie in der Regel ohne Kenntnis der mit der Zuwiderhandlung erzielten Umsätze nicht darlegen und beweisen, dass und in welcher Höhe der Zuwiderhandelnde einen Gewinn erzielt hat. Das Gericht kann zwar gemäß § 142 ZPO den Beklagten auffordern, Unterlagen vorzulegen, auf die sich die klagende Institution bezogen hat. Die gemäß § 142 ZPO notwendige Bezugnahme553 wird den aktivlegitimierten Institutionen aber mangels Kenntnis regelmäßig nicht möglich sein, so dass die erheblichen Beweisprobleme hierdurch in der Praxis nicht beseitigt werden. Die aktivlegitimierten Institutionen können aber u.U. Auskunft und Rechnungsle- 186 gung verlangen.554 So ist auch die bisherige Rechtsprechung zu § 10 überwiegend zu Klagen ergangen, die auf einen solchen Auskunftsanspruch gerichtet waren.555 Zwar sieht § 10 selbst keinen eigenständigen Auskunftsanspruch vor. Grundlage hierfür bietet aber die allgemeine Regel gemäß § 242 BGB:556 Demnach kann der Berechtigte bei Bestehen eines Hauptanspruchs Auskunft über die zur Rechtsdurchsetzung notwendigen Informationen verlangen, die er aus eigenem Wissen nicht haben kann.557 Daher steht den gemäß § 10 aktivlegitimierten Institutionen nach allgemeinen 187 Grundsätzen gemäß § 242 BGB ein Auskunftsanspruch in erweiternder Auslegung der §§ 259, 260 BGB zu,558 wenn sie in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang eines Gewinnabschöpfungsanspruchs im Ungewissen sind, sie sich die zur Vorbereitung und Durchsetzung des Gewinnabschöpfungsanspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen können und der Verpflichtete sie unschwer, d.h. ohne unbillig belastet zu sein, zu geben vermag.559 Die hierfür notwendige besonde-

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552 Zu den Anforderungen an eine Beweislastumkehr allgemein MünchKomm/Prütting § 286 ZPO Rn. 128; Musielak/Foerste § 286 ZPO Rn. 34. 553 Hierzu Musielak/Stadler § 142 ZPO Rn. 4. 554 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 14. 555 Vgl. etwa OLG Hamm 14.2.2008 – 4 U 135/07 – GRUR-RR 2008, 435; OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435 = WRP 2007, 350; LG Berlin 25.9.2007 – 16 O 115/06 – CR 2008, 192. 556 Zu ihrer Anwendung auf § 10 vgl. OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – GRUR 2007, 435 = WRP 2007, 350 – Veralteter Matratzentest. Außerdem Ahrens/Loewenheim Der Wettbewerbsprozeß, Kap. 72 Rn. 1 ff.; Teplitzky 38. Kap. Rn. 1 ff. 557 RG 4.5.1923 – II 310/22 – RGZ 108, 1, 7. 558 Statt aller Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 312; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 155, Vorbemerkungen zu § 8 Rn. 13; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 15; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 134; Ohly/Sosnitza § 10 Rn. 18. 559 Grundlegend zu dem Auskunftsanspruch BGH 28.10.1953 – II ZR 149/52 – BGHZ 10, 385, 387; RG 19.11.1938 – II 69/38 – RGZ 158, 377, 379 ff.; RG 4.5.1923 – II 310/22 – RGZ 108, 1, 7 und speziell für das Wettbewerbsrecht BGH 4.7.1975 – I ZR 115/73 – GRUR 1976, 367 – Ausschreibungsunterlagen m. Anm. Fritze; BGH 18.2.1972 – I ZR 82/70 – GRUR 1972, 558, 560 – Teerspritzmaschinen m. Anm. v. Falck; BGH

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re rechtliche Beziehung560 zwischen den berechtigten Institutionen und dem Zuwiderhandelnden ergibt sich aus dem Umstand, dass der Anspruch gemäß § 10 Abs. 1 dem Grunde nach feststeht.561 Die bloße Wahrscheinlichkeit eines solchen Anspruchs genügt nach allgemeinen Grundsätzen hingegen nicht.562 Ausnahmen sind nur unter engen Voraussetzungen möglich, wenn etwa nachgewiesene Zuwiderhandlungen aufgrund der besonderen Umstände eine hohe Wahrscheinlichkeit gleichartiger Verstöße begründen.563 Davon kann im Wettbewerbsrecht für künftige Verstöße aufgrund der besonderen Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Dass der Zuwiderhandelnde Gewinn erzielt hat, muss als anspruchsbegründende 188 Tatbestandsvoraussetzung grundsätzlich von dem Auskunftsersuchenden nachgewiesen werden. Der Auskunftsanspruch erstreckt sich demnach nicht auf die Gewinnerzielung als solche.564 Lediglich die Höhe des Gewinns ist dem Auskunftsanspruch zugänglich. Allerdings sind an den Nachweis der Gewinnerzielung als solche keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, da der Auskunftsanspruch im Hinblick auf die Gewinnhöhe anderenfalls faktisch leer liefe. Insoweit helfen die Grundsätze zum Anscheinsbeweis sowie die Möglichkeit der Schätzung gemäß § 287 ZPO analog (vgl. Rn. 195 ff.). Daher muss es für den Auskunftsanspruch genügen, dass der Zuwiderhandelnde konkrete Anhaltspunkte für eine Gewinnerzielung darlegen und beweisen kann. 189 Die Unkenntnis der erforderlichen Informationen ist unverschuldet, wenn der berechtigten Institution keine andere zumutbare Möglichkeit zur Informationsgewinnung zur Verfügung gestanden oder wenn sie eine nur frühere Möglichkeit ungenutzt verstreichen lassen hat und ihr die spätere Relevanz in diesem Zeitpunkt nicht erkennbar war.565 Für den Zuwiderhandelnden muss die Auskunft unter Berücksichtigung des Arbeitsaufwands sowie der Art der Zuwiderhandlung und der Beweisnot unschwer möglich sein.566 190 Der Auskunftsanspruch bezieht sich lediglich auf die Höhe des Gewinns, nicht auch auf das Vorliegen des Gewinns.567 Der Inhalt der Auskunftspflicht richtet sich danach, welcher Angaben der Anspruchsberechtigte zur Feststellung und Bemessung des abzuschöpfenden Gewinns bedarf.568 Die Pflicht zur Auskunft erstreckt sich insbesondere auf

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27.11.1964 – Ib ZR 23/63 – GRUR 1965, 313 – Umsatzauskunft m. Anm. Hoepffner. Allgemein zu den Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs gemäß § 242 BGB vgl. BGH 2.2.1999 – KZR 11/97 – BGHZ 140, 342 = GRUR 1999, 1025, 1029 – Preisbindung durch Franchisegeber; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322, 329 ff. = GRUR 1994, 630, 633 – Cartier-Armreif m. Anm. Jacobs; BGH 26.9.1991 – I ZR 149/89 – BGHZ 115, 210 = GRUR 1992, 176, 178 – Abmahnkostenverjährung; BGH 19.3.1987 – I ZR 98/85 – GRUR 1987, 647 – Briefentwürfe; BGH 5.6.1985 – I ZR 53/83 – BGHZ 95, 274, 278 f. – GEMA-Vermutung I; BGH 4.6.1981 – III ZR 31/80 – BGHZ 81, 21, 25 f. Ausführlich zum Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch beim immaterialgüterrechtlichen Anspruch auf Gewinnherausgabe Dreier/Schulze § 97 UrhG Rn. 78 ff.; Köhler NJW 1992, 1477, 1480 f.; Zahn Verletzergewinn, S. 137 m.w.N. 560 BGH 5.6.1985 – I ZR 53/83 – BGHZ 95, 274, 279 – GEMA-Vermutung I; zum Schadensersatzanspruch als Hilfsanspruch BGH 26.11.1987 – I ZR 123/85 – GRUR 1988, 307, 308 – Gaby. 561 Vgl. Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 155, Vorbemerkungen zu § 8 Rn. 15 („aus dem durch den Wettbewerbsverstoß begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis“); Beuchler WRP 2006, 1288, 1289. 562 Allgemein zu den Grundsätzen des Auskunftsanspruchs im Wettbewerbsrecht Staudinger/Bittner § 260 BGB Rn. 31 f.; Teplitzky § 38 Rn. 1 ff. 563 Hierzu und zu möglichen Sonderfällen Teplitzky § 38 Rn. 7 mit Verweis auf BGH 23.10.2001 – X ZR 72/98 – GRUR 2002, 149, 153 – Wetterführungspläne II. 564 A.A. Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 299 f. 565 Allgemein MünchKomm/Krüger § 260 BGB Rn. 18 f. 566 BGH 4.6.1981 – III ZR 31/80 – BGHZ 81, 21, 24 f. 567 A.A. Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 300 f. 568 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 306. So etwa zum Umfang des Auskunftsanspruchs für die Schadensberechnung bei einer Kennzeichenrechtsverletzung BGH 27.9.1990 – I ZR 87/89 – GRUR 1991, 153, 154 – Pizza & Pasta.

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den Umsatz im maßgeblichen Zeitraum oder in verschiedenen Vergleichszeiträumen, einzelne Rechenposten wie etwa Einkaufs- und Verkaufspreise oder Liefermengen,569 die abzugsfähigen Kosten, wie etwa variable Kosten für Sach- und Personalmittel, anrechenbare Leistungen gemäß § 10 Abs. 2 sowie gegebenenfalls Aufzeichnungen aus dem internen Controlling des Zuwiderhandelnden über die angenommene Wirkung der Zuwiderhandlung.570 Bei der Bestimmung des Umfangs der Auskunftspflicht sind die Interessen der 191 beteiligten Parteien, das Informationsinteresse der anspruchsberechtigten Institution einerseits und das Interesse des Zuwiderhandelnden an der Geheimhaltung interner Informationen andererseits, ausreichend zu berücksichtigen.571 Das Geheimhaltungsinteresse des Zuwiderhandelnden ist jedoch in der Regel ausreichend dadurch gewahrt, dass die Auskunft gegenüber unabhängig tätigen Institutionen i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 erfolgt. Im Übrigen kann das Gericht bei besonders geheimhaltungsbedürftigen Informationen einen Wirtschaftsprüfervorbehalt anordnen (vgl. Rn. 193). Über den der bloßen Unterrichtung dienenden Auskunftsanspruch hinaus kann sich 192 aus den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ausnahmsweise572 auch ein Rechnungslegungsanspruch ergeben,573 der auf eine genauere Information durch Vorlage einer geordneten Aufstellung der Einnahmen und gegebenenfalls Ausgaben gerichtet ist.574 Allerdings fasst die bisherige Rechtsprechung bereits den Auskunftsanspruch sehr weit und verlangt auf dieser Grundlage bereits detaillierte, rechnungslegungsähnliche Informationen.575 Im Hinblick auf die mögliche Anordnung zur Vorlage von Belegen, die auf der 193 Grundlage des Rechnungslegungsanspruchs oder nach der bisherigen Rechtsprechungspraxis bereits aufgrund des Auskunftsanspruchs ergehen kann, wird z.T. befürchtet, dass Konkurrenten des Zuwiderhandelnden vor allem Verbände instrumentalisieren, um so Geschäftsgeheimnisse der Zuwiderhandelnden auszuforschen.576 Um diese Gefahr zu verringern, kann das Gericht einen sog. Wirtschaftsprüfervorbehalt anordnen, wonach „die Auskünfte einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Person erteilt werden müssen“.577 Ob ein Wirtschaftsprüfer tatsächlich hinzugezogen wird, entscheidet grundsätzlich der Zuwiderhandelnde; wer dann gegebenenfalls als Wirtschaftsprüfer hinzugezo-

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569 BGH 13.7.1973 – I ZR 101/72 – GRUR 1974, 53, 54 – Nebelscheinwerfer; Bauer S. 184 m.w.N. 570 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 306 f.; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 155, Vorbemerkungen zu § 8 Rn. 19 ff.; Gärtner S. 129; v. Raay S. 364. 571 Köhler NJW 1992, 1477, 1481. 572 In der Regel kein Rechnungslegungsanspruch BGH 13.2.1976 – I ZR 1/75 – GRUR 1978, 52 – Fernschreibverzeichnisse m. Anm. Schulze zur Wiesche; BGH 18.12.1968 – I ZR 130/66 – GRUR 1969, 292, 294 – Buntstreifensatin II m. Anm. Reimer. 573 Im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen aus wettbewerbswidriger (identischer) Leistungsübernahme BGH 6.2.1986 – I ZR 243/83 – GRUR 1986, 673, 676 – Beschlagprogramm; BGH 23.1.1981 – I ZR 48/79 – GRUR 1981, 517, 520 – Rollhocker; BGH 19.1.1973 – I ZR 39/71 – GRUR 1973, 478, 480 – Modeneuheit m. Anm. Krieger; BGH 8.10.1971 – I ZR 12/70 – GRUR 1972, 189 – Wandsteckdose II m. Anm. Hefermehl und aus der Verletzung von Betriebsgeheimnissen nach § 9 i.V.m. §§ 17, 18 vgl. BGH 27.11.1964 – Ib ZR 23/63 – GRUR 1965, 313 – Umsatzauskunft m. Anm. Hoepffner; BGH 17.5.1960 – I ZR 34/59 – GRUR 1960, 554 – Handstrickverfahren m. Anm. v. Falck. 574 BGH 29.1.1985 – X ZR 54/83 – BGHZ 93, 327, 330 = GRUR 1985, 472 – Thermotransformator. 575 Vgl. etwa OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 187/07 – insoweit nicht abgedr. in CR 2009, 25; OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – insoweit nicht abgedr. in GRUR 2007, 435 – Veralteter Matratzentest; v. Raay S. 365; Sieme S. 170 jeweils mit weiteren Verweisen auf unveröffentlichte Entscheidungen. 576 Engels/Salomon WRP 2004, 32, 43; Sack WRP 2003, 549, 555; vgl. zum Auskunftsverlangen die Stellungnahme des Bundesrates RegE UWG 2003, S. 34. 577 So die Gegenäußerung der Bundesregierung Begr. RegE UWG 2003, S. 43. Beispiel hierfür aus der Rechtsprechung ist LG Essen 20.7.2007 – 45 O 4/07 – Magazindienst 2007, 985.

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gen wird, bestimmt hingegen die auskunftsberechtigte Institution, § 87c Abs. 4 HGB analog.578 Die Kosten des Wirtschaftsprüfers trägt der Zuwiderhandelnde.579 Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche verjähren als Hilfsansprüche mit dem 194 Hauptanspruch auf Gewinnabschöpfung,580 also gemäß §§ 195, 199 BGB (dazu Rn. 208). cc) Richterliche Schätzung gemäß § 287 ZPO. Lässt sich trotz Auskunft und Rechnungslegung nicht beweisen, ob und in welcher Höhe der Zuwiderhandelnde einen Gewinn erzielt hat, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung gemäß § 287 ZPO analog. Zwar verweist die Gesetzesbegründung auf § 287 ZPO nur im Zusammenhang mit der streitigen Gewinnhöhe,581 richtigerweise ist § 287 ZPO aber entsprechend auch für die anspruchsbegründende Frage anzuwenden, ob überhaupt ein Gewinn erzielt wurde.582 Für die Gewinnschätzung gilt § 287 Abs. 2 ZPO, der auf die gerichtliche Schadensermittlung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO verweist.583 Die Voraussetzung des § 287 Abs. 2 ZPO, wonach die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden sein muss, ist im Hinblick auf den Hinweis in der Gesetzesbegründung großzügig zu handhaben. Die Schätzung des Gewinns liegt im Ermessen des Richters, so dass sie in der Revision 196 nur daraufhin überprüft werden kann, ob sie auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht oder ob wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer Acht gelassen worden sind, insbesondere ob schätzungsbegründende Tatsachen, die von den Parteien vorgebracht worden sind oder sich aus der Natur der Sache ergeben, nicht gewürdigt wurden.584 Nach der Rechtsprechung des BGH zu der dreifachen Schadensberechnung im Im197 materialgüterrecht585 wirkt die Bemessung des Schadens durch richterliche Schätzung auf den Inhalt des Auskunftsanspruchs zurück. Art und Umfang der Auskunft müssen demnach in einem sinnvollen Verhältnis zu dem Wert stehen, den sie für die Schätzung des geltend gemachten Schadens haben.586 Diese auf Billigkeitserwägungen beruhende Rechtsprechung ist aber auf § 10 nur eingeschränkt zu übertragen, da die Interessen des Zuwiderhandelnden hier im Vergleich zu dem Schadensersatzanspruch angesichts des Vorsatzvorwurfs weniger schutzwürdig sind.587 Zudem ist der Zuwiderhandelnde grundsätzlich auch weniger schutzbedürftig, da die Auskunft den in § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 genannten Institutionen und nicht Mitbewerbern gegenüber zu erteilen ist. Daher wird die dem Grunde nach bestehende Auskunftspflicht zur Durchsetzung des § 10 regelmäßig nicht 195

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578 So die Rechtsprechung zum Immaterialgüterrecht BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980, 227, 233 – Monumenta Germaniae Historica; BGH 23.2.1962 – I ZR 114/60 – GRUR 1962, 354, 357 – Furniergitter m. Anm. Friedrich; BGH 2.4.1957 – I ZR 58/56 – GRUR 1957, 336 – Rechnungslegung; Schaub GRUR 2005, 918, 919 m.w.N.; kritisch Teplitzky § 38 Rn. 29. 579 BGH 2.4.1957 – I ZR 58/56 – GRUR 1957, 336 – Rechnungslegung. 580 Vgl. BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99, 101 – Brünova m. Anm. Malzer; BGH 18.2.1972 – I ZR 82/70 – GRUR 1972, 558, 560 – Teerspritzmaschinen m. Anm. v. Falck. 581 Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 582 A.A. Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 292. 583 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 331. Für eine analoge Anwendung des § 287 ZPO hingegen Harte/ Henning/Goldmann § 10 Rn. 133; Neuberger S. 126 f.; Schmauß S. 102; Sieme S. 142 ff.; für die Einführung einer gesetzlichen Regelung Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 125, 129. 584 BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431 Tz. 38 – Steckverbindergehäuse mit Verweisung auf BGH 6.10.2005 – I ZR 266/02 – GRUR 2006, 136 Tz. 24 – Pressefotos. 585 BGH 13.7.1973 – I ZR 101/72 – GRUR 1974, 53 – Nebelscheinwerfer m. Anm. Henssler; BGH 16.2.1973 – I ZR 74/71 – GRUR 1973, 375 – Miss Petite m. Anm. v. Falck. Auch nach der GemeinkostenanteilEntscheidung BGH 6.10.2005 – I ZR 322/02 – GRUR 2006, 419 – Noblesse. 586 BGH 16.2.1973 – I ZR 74/71 – GRUR 1973, 375, 378 – Miss Petite m. Anm. v. Falck. 587 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 308; Sieme S. 169 f.; v. Raay S. 369.

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dadurch eingeschränkt, dass der Gewinn durch Schätzung ermittelt werden soll.588 Das wird durch die bisherigen Entscheidungen der Gerichte bestätigt, die jeweils detaillierte Auskunft verlangen, obgleich sie sich für die Bemessung des Gewinns auf § 287 ZPO stützen.589 c) Kausalität zwischen Zuwiderhandlung und Gewinnerzielung. Die anspruch- 198 stellende Institution muss auch die Kausalität zwischen der Zuwiderhandlung und der Gewinnerzielung zulasten der Abnehmer darlegen und beweisen.590 Da sich allerdings die Entscheidung eines Marktteilnehmers, die Leistung eines anderen nachzufragen, in aller Regel nicht auf eine einzelne, konkret bestimmbare Ursache zurückführen lässt, sondern häufig durch das Zusammenspiel vieler verschiedener, oft auch unbekannter Faktoren beeinflusst wird, lässt sich im Nachhinein oft – auch unter Zuhilfenahme von Sachverständigengutachten591 – nur schwer nachweisen, ob und wie ein unlauteres Verhalten zu der Abnahmeentscheidung und dem Gewinn beigetragen hat.592 Für den Nachweis der Kausalität können u.U. die Grundsätze über den Anscheins- 199 beweis herangezogen werden.593 Die anspruchsberechtigte Institution muss lediglich den Erfolg im strengen Sinne beweisen, sofern die allgemeine Lebenserfahrung auf eine konkrete Ursache hinweist. Steigt etwa der Umsatz des Zuwiderhandelnden nach einer unlauteren Werbung spürbar an, spricht die allgemeine Lebenserfahrung für einen solchen Kausalzusammenhang. 594 Der Anspruchsgegner kann den Anscheinsbeweis erschüttern, indem er Tatsachen behauptet und gegebenenfalls beweisen kann, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt.595 Zur Erleichterung der Beweisbarkeit wird teilweise erwogen, eine Beweislastum- 200 kehr durch eine Vermutung der Kausalität anzunehmen.596 Hierfür spricht zwar die regelmäßig bestehende „Beweisnot“ der anspruchstellenden Institution. Eine Beweislastumkehr durch Rechtsfortbildung gegen die Wertungen des Gesetzes ist allerdings nur unter – hier nicht erfüllten – strengen Voraussetzungen möglich, um offensichtlich ungerechte oder sozial unerträgliche Ergebnisse zu vermeiden.597 Eine solche Vermutung würde zudem die Kausalität als materielle Tatbestandsvoraussetzung praktisch entwerten, da der Zuwiderhandelnde regelmäßig nicht in der Lage sein wird, die Gewinnfaktoren aufzuschlüsseln.598 Daher wird eine Beweislastumkehr mit der h.M. zu Recht abgelehnt.599

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588 v. Raay S. 369; a.A. Sieme S. 171. 589 So etwa OLG Frankfurt 4.12.2008 – 6 U 187/07 – insoweit nicht abgedr. in CR 2009, 25; OLG Stuttgart 2.11.2006 – 2 U 58/06 – insoweit nicht abgedr. in GRUR 2007, 435 – Veralteter Matratzentest. 590 Neuberger S. 125; v. Raay S. 350. So auch der BGH für die Gewinnherausgabe als dritte Schadensberechnungsmethode im Immaterialgüterrecht BGH 14.5.2009 – I ZR 98/06 – GRUR 2009, 856 Tz. 45 – Tripp-Trapp-Stuhl. 591 Hierzu Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 335; Sieme S. 139. 592 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 322; Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 14; Sack WRP 2003, 549, 553 f. 593 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 14.
 594 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 325; Neuberger S. 128. 595 BGH 3.7.1990 – VI ZR 239/89 – NJW 1991, 230, 231; BGH 18.12.1952 – VI ZR 54/52 – BGHZ 8, 239, 240; Musielak/Foerste § 286 ZPO Rn. 23. 596 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 327 mit dem Hinweis auf Sack BB 1987, Beilage 2, S. 7 f. Ähnlich die Überlegungen zur dreifachen Schadensberechnung im Immaterialgüterrecht nach der GemeinkostenanteilEntscheidung von Zahn Verletzergewinn, S. 131, 137; kritisch jedoch Haedicke GRUR 2005, 529, 534. 597 MünchKomm/Prütting § 286 ZPO Rn. 123. 598 So auch die Prognose Haedickes zur dritten Schadensberechnungsmethode im Immaterialgüterrecht Haedicke GRUR 2005, 529, 534. 599 Bauer S. 147; Neuberger S. 126; v. Raay S. 356 ff.

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Im Übrigen können die §§ 286, 287 ZPO für die Frage herangezogen werden, ob und inwieweit die Gewinnanteile auf der Zuwiderhandlung beruhen.600 Eine wesentliche Rolle spielt hierbei die richterliche Schätzung gemäß § 287 ZPO,601 auf die der Gesetzgeber in seiner Begründung ausdrücklich hinweist.602 Da die Rechtsprechung bei der Herausgabe des Verletzergewinns als Element der 202 dreifachen Schadensberechnung insbesondere im Rahmen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes und im Kennzeichenrecht vor ähnlichen Schwierigkeiten steht, können die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze als Vorbild für die Ermittlung des Gewinnanteils in § 10 auf der Grundlage des § 287 ZPO herangezogen werden.603 Vorbedingung für eine gerichtliche Schätzung ist demnach eine ausreichende Tatsachengrundlage, die der Kläger darlegen und beweisen muss.604 Mit Rücksicht auf die natürlichen Beweisschwierigkeiten im Lauterkeitsrecht sind hieran in Anlehnung an die Grundsätze zur immaterialgüterrechtlichen Figur des Verletzergewinns keine allzu hohen Anforderungen zu stellen.605 Bei der Beurteilung und der Gewichtung der Tatsachen haben die Gerichte einen Ermessensspielraum,606 der mit zunehmendem Verschuldensgrad größer wird und daher im Falle von vorsätzlichen Rechtsverstößen wie bei § 10 besonders weit ausfällt.607 Der Kausalzusammenhang ist nicht im Sinne einer adäquaten Kausalität, sondern „vergleichbar mit der Bemessung der Mitverschuldensanteile im Rahmen des § 254 BGB“, wertend zu verstehen.608 Gegebenenfalls soll parallel zu einem „wahrscheinlichen Mindestschaden“ ein „Mindestgewinn“ bestimmt werden. Ein Sachverständiger ist nur dann zu Rate zu ziehen, wenn die hierdurch entste203 henden Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu dem Nutzen stehen.609 Nur sofern ausnahmsweise jeglicher Anhaltspunkt für die Höhe des kausalen Unrechtsgewinns fehlt, ist eine Schätzung ausgeschlossen.610 Dem Zuwiderhandelnden obliegt es, die Ursächlichkeit ausschließende Tatsachen substantiiert vorzutragen. III. Wirkung des Urteils III. Wirkung des Urteils 204

Eine allgemeine Bindungswirkung, die der Wirkung von Verbraucherverbandsklagen gemäß § 11 UKlaG entspricht, kommt der Gewinnabschöpfung nicht zu. Darüber hinaus fehlt es an einer Rechtskrafterstreckung auf nachfolgende Verfahren. Die Gerichte sind in Verfahren, die dieselbe Zuwiderhandlung zum Gegenstand haben, nicht an die vorhergehende Entscheidung anderer Gerichte gebunden. Das Vorliegen der Gesamt-

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600 Köhler/Bornkamm § 10 Rn. 14; MünchKomm/Micklitz § 10 Rn. 141; Schmauß S. 102 m.w.N.; kritisch Engels/Salomon WRP 2004, 32, 43; Sack WRP 2003, 549, 553 f. 601 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 329; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 145; v. Raay S. 353 ff. 602 Begr. RegE UWG 2003, S. 24. 603 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 333. 604 Gärtner S. 137; Sieme S. 144 f. Zur immaterialgüterrechtlichen Figur des Verletzergewinns BGH 22.4.1993 – I ZR 52/91 – BGHZ 122, 262 = GRUR 1993, 757, 758 – Kollektion „Holiday“. 605 Vgl. BGH 6.10.2005 – I ZR 322/02 – GRUR 2006, 419, 420 – Noblesse; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 30 f. – Tchibo/Rolex II. 606 BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 30 f. – Tchibo/Rolex II; BGH 9.3.1966 – Ib ZR 36/64 – GRUR 1966, 570, 571 f. – Eisrevue III m. Anm. Utescher; Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 105. 607 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 147 mit Verweis auf RG 24.6.1904 – II 435/03 – RGZ 58, 321, 324 – Klosettpapier; a.A. Reimer Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, S. 843. 608 BGH 21.9.2006 – I ZR 6/04 – GRUR 2007, 431, 434 – Steckverbindergehäuse; vgl. auch Köhler/ Bornkamm § 9 Rn. 1.48 m.w.N. 609 BGH 22.4.1993 – I ZR 52/91 – GRUR 1993, 757, 760 – Kollektion „Holiday“. 610 Vgl. BGH 6.10.2005 – I ZR 322/02 – GRUR 2006, 419, 420 – Noblesse; BGH 7.2.2002 – I ZR 304/99 – BGHZ 150, 32, 43 = GRUR 2002, 532, 535 – Unikatrahmen; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20, 30 f. – Tchibo/Rolex II.

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IV. Follow-on-Klagen

D. Durchsetzung und Verfahren

gläubigerschaft gemäß § 10 Abs. 3 i.V.m. §§ 428–430 BGB kann keine Rechtskrafterstreckung auf andere Verfahren im Zusammenhang mit derselben Zuwiderhandlung begründen.611 IV. Follow-on-Klagen IV. Follow-on-Klagen Zwar wird das UWG seit jeher vorwiegend durch weitreichende privatrechtliche 205 Sanktionen durchgesetzt, die behördliche Kontrolle wird aber zunehmend – insbesondere unter dem Einfluss des europäischen Unionsrechts – ausgeweitet. So erlaubt das EG-Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz (VSchDG) vom 21.12.2006 bestimmten Behörden, in erster Linie dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), innergemeinschaftliche Verstöße gegen Gesetze zum Schutz der Verbraucherinteressen, zu denen auch das UWG gehört, zu verfolgen und verwaltungsrechtliche Entscheidungen zu erlassen (§ 5 VSchDG). Daher ist es seit der Einführung des VSchDG jedenfalls bei innergemeinschaftlichen Verstößen – ähnlich wie bei der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung612 – denkbar, dass die aktivlegitimierten Institutionen ihre Klage auf Gewinnabschöpfung als sog. follow-on-Klage im Anschluss an ein behördliches Verfahren durch das BVL erheben. Das BVL kann die Maßnahmen ergreifen, die zur Feststellung, Beseitigung oder Verhütung künftiger innergemeinschaftlicher Verstöße gegen Gesetze zum Schutz der Verbraucherinteressen erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 S. 1 VSchDG). Allerdings räumt § 7 VSchDG der privatrechtlichen Durchsetzung durch Verbände gegenüber dem behördlichen Tätigwerden grundsätzlich den Vorrang ein, so dass hiernach follow-on-Klagen auf Gewinnabschöpfung gemäß § 10 im Anschluss an ein behördliches Verfahren ausgeschlossen sind. Die behördliche Durchsetzung greift allerdings ausnahmsweise vorrangig ein, soweit staatliche Zwangsmaßnahmen zur Ermittlung notwendig sind613 oder eine ausländische Behörde die deutsche Behörde zum Einschreiten ersucht.614 In diesen Fällen sind follow-on-Klagen auf Gewinnabschöpfung möglich und es stellt sich die Frage nach der Verwertung der behördlichen Ermittlungserkenntnisse im nachfolgenden Verfahren vor den Zivilgerichten. Eine tatbestandliche Feststellungswirkung – wie sie § 34a Abs. 5 GWB für die kar- 206 tellrechtliche Vorteilsabschöpfung mit der Verweisung auf § 33 Abs. 4 GWB vorsieht – gibt es in § 10 nicht. Allerdings ist das VSchDG erst nach Einführung des § 10 in Kraft getreten. Mit der Einführung des VSchDG stellt sich die Situation nunmehr ähnlich dar wie im Kartellrecht. Zwar sind lauterkeitsrechtliche Zuwiderhandlungen für andere Marktteilnehmer in der Regel leichter erkennbar. Um die privatrechtliche Durchsetzung aber in Fällen zu stärken, in denen den Berechtigten ausnahmsweise die notwendigen Informationen fehlen, liegt der Rückgriff auf die behördliche Feststellung eines unlauteren Verhaltens nahe. Die Feststellung der Unlauterkeit durch das BVL entfaltet daher in entsprechender Anwendung von § 34a Abs. 5 GWB Bindungswirkung für nachfolgende zivilgerichtliche Klagen auf Gewinnabschöpfung, die gegen dieselbe Zuwiderhandlung gerichtet sind.

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611 BGH 19.9.1985 – VII ZR 15/85 – NJW 1986, 1046, 1047; MünchKomm/Bydlinski § 428 BGB Rn. 16. 612 Hierzu Frankfurter Kommentar/Roth § 34a GWB Rn. 21. 613 Begr. RegE BTDrucks. 16/2930, S. 22. 614 Dann darf ein Dritter die Normdurchsetzung nur nach entsprechender Abstimmung zwischen beiden Behörden über die Eignung und Wirksamkeit des beauftragten Dritten übernehmen (Art. 8 Abs. 4 VO [EG] 2006/2004). Die ersuchte Behörde darf ein Durchsetzungsersuchen ablehnen, wenn bereits ein Gerichtsverfahren hinsichtlich des betreffenden grenzüberschreitenden Verstoßes anhängig ist (vgl. Art. 15 Abs. 2 lit. a VO [EG] 2006/2004).

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§ 10

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Gewinnabschöpfung

Darüber hinaus können die behördlichen Ermittlungserkenntnisse in den nachfolgenden zivilgerichtlichen Verfahren beim Beweis der anspruchsbegründenden Tatsachen eine wesentliche Rolle spielen, etwa wenn einschlägige Erkenntnisse in den behördlichen Entscheidungen dokumentiert sind. Darüber hinaus hilft dann auch der grundsätzliche bestehende Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) weiter.615 V. Verjährung V. Verjährung

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Der Gesetzgeber hat die Gewinnabschöpfungsansprüche bewusst nicht der kurzen sechsmonatigen Verjährungsfrist gemäß § 11 Abs. 1 unterstellt.616 Nach verbreiteter Auffassung verjähren Gewinnabschöpfungsansprüche i.S.d. § 10 Abs. 1 daher gemäß der Auffangvorschrift des § 11 Abs. 4 ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des jeweiligen Berechtigten innerhalb von drei Jahren von ihrer Entstehung an.617 Wortlaut und Systematik des § 11 sprechen jedoch gegen die Anwendung des § 11 Abs. 4. Die anderen Ansprüche i.S.d. § 11 Abs. 4 nehmen Bezug auf den vorhergehenden § 11 Abs. 3, der die Verjährung von Schadensersatzansprüchen regelt. Die Bedeutung von Absatz 3 und Absatz 4 liegt darin, dass sie im Vergleich zu Absatz 1 die Verjährung der in Absatz 1 genannten Ansprüche unabhängig von Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis bestimmen. Der sachliche Anwendungsbereich des § 11 Abs. 4 in Bezug auf die erfassten Ansprüche geht daher nicht über § 11 Abs. 1 hinaus. Andere Ansprüche i.S.d. § 11 Abs. 4 sind daher alle in Absatz 1 genannten Ansprüche mit Ausnahme der in Absatz 3 genannten Schadensersatzansprüche. Da Gewinnabschöpfungsansprüche nicht von Absatz 1 erfasst sind, gilt für sie auch nicht Absatz 4. Für die Nichtanwendung der kenntnisunabhängigen Verjährung spricht auch, dass eine Gewinnabschöpfung nach der Begründung des Bundesrats „nur dann sinnvoll [ist], wenn der gesamte Verletzungstatbestand bekannt und abgeschlossen ist“.618 Ihre Verjährung bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften gemäß §§ 195, 209 199 BGB.619 Gewinnabschöpfungsansprüche verjähren demnach innerhalb der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, wann der Gewinnabschöpfungsanspruch i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entsteht, ob mit der Vornahme der unlauteren geschäftlichen Handlung, mit Realisierung des vollständigen Gewinns oder für jeden Teilgewinn separat. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung zum Schadensrecht,620 die von dem Grundsatz der Schadenseinheit ausgeht, ist für die Verjährung des Abschöpfungsanspruchs bei mehreren Gewinnfolgen von dem Grundsatz der Gewinneinheit auszugehen. Demnach gilt der gesamte Gewinn, der auf einer einheitlichen unlauteren geschäftlichen Handlung beruht, mit dem ersten Vermö-

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615 Zu der Möglichkeit, auf amtliche Informationen im Rahmen der privatrechtlichen Normdurchsetzung zuzugreifen, ausführlich Poelzig S. 519 ff. 616 So die Stellungnahme des Bundesrates RegE UWG 2003, S. 35. 617 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.3; Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 32; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 21. 618 Stellungnahme des Bundesrates RegE UWG 2003, S. 35. 619 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 28 ff.; MünchKomm/Fritzsche § 11 Rn. 39; Schulz WRP 2005, 274, 276. 620 Hierzu statt aller RG 11.12.1913 – II 505/13 – RGZ 83, 354, 360; RG 9.11.1915 – II 248/15 – RGZ 87, 306, 312; BGH 14.3.1968 – VII ZR 77/65 – BGHZ 50, 21, 23 f. = NJW 1968, 1324; BGH 27.11.1985 – IVa ZR 97/84 – NJW 1986, 1162 f.; BGH 20.6.1991 – IX ZR 226/90 – NJW 1991, 2833, 2834 f.; BGH 19.11.1997 – XII ZR 281/95 – NJW 1998, 1303, 1304; BGH 6.6.2008 – V ZR 52/07 – NJW 2008, 2912. MünchKomm/Grothe § 199 BGB Rn. 9. Kritisch zu diesem Prinzip im Schadensrecht Staudinger/Peters/Jacoby § 199 BGB Rn. 47 ff.; Peters JZ 1983, 121, 122 f.

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I. Rechtsvergleichender Überblick

E. Internationalrechtliche Fragen

genszuwachs auf Seiten des Zuwiderhandelnden als eingetreten. Teilgewinne, die sich später realisieren, sind hiervon erfasst, soweit sie lediglich eine vorhersehbare Weiterentwicklung des ersten Teilgewinns darstellen.621 E. Internationalrechtliche Fragen I. Rechtsvergleichender Überblick E. Internationalrechtliche Fragen I. Rechtsvergleichender Überblick Obgleich § 10 im internationalen Vergleich eine neuartige Regelung darstellt, finden 210 sich doch in anderen Rechtsordnungen jedenfalls ähnlich strukturierte Regelungsinstitute. Privatrechtliche Instrumente zur wirksamen Normdurchsetzung existieren vor allem im US-amerikanischen Recht, das im Sinne der dortigen Rechtskultur einer competitive society622 vor allem auf die private Initiative setzt und sich weniger auf die Kontrolle durch staatliche Aufsichtsinstanzen verlässt.623 Dort gibt es mit dem consumer redress und dem disgorgement gemäß Sec. 19(b) und Sec. 13(b) des Federal Trade Commission Act Instrumente zur Abschöpfung unlauter erwirtschafteter Umsätze bzw. Gewinne zur wirksamen Normdurchsetzung.624 So werden mit Hilfe des consumer redress die im Hinblick auf die Zuwiderhandlung geleisteten Zahlungen der Verbraucher an den Zuwiderhandelnden bei diesem abgeschöpft und an die Verbraucher zurückgeführt. Im Rahmen des disgorgement wird der Gewinn des Zuwiderhandelnden abgeschöpft und an den Bundeshaushalt abgeführt. Während der consumer redress von praktisch erheblicher Bedeutung ist, kommt das disgorgement aufgrund seiner Subsidiarität im Verhältnis zu den vorrangigen Schadensersatzansprüchen der Geschädigten in der Praxis nur selten zum Einsatz.625 Neben diesen spezialgesetzlichen Instrumenten bietet die class action gemäß Rule 23 Federal Rules of Civil Procedure eine wichtige Möglichkeit, um durch Bündelung der einzelnen Ansprüche das rationale Desinteresse der Individualberechtigten bei Streuschäden zu überwinden und so eine wirksame Normdurchsetzung zu stärken.626 Demnach können ein oder mehrere Angehörige einer Gruppe ähnlich Betroffener (class) den Schaden aller Mitglieder der Gruppe (non-present plaintiff) als Repräsentanten in einer vom Gericht autorisierten class action geltend machen. Der US-amerikanischen class action ähnliche Regelungen existieren in Kanada und Australien.627 Innerhalb der EU stellt der deutsche Gewinnabschöpfungsanspruch ein Novum dar.628 211 Allerdings gibt es auch in anderen Mitgliedstaaten kollektive Rechtsschutzinstrumente, durch die insbesondere Verbände über negatorische Ansprüche hinaus Leistungsansprüche zur Verbesserung der Normdurchsetzung erhalten: In Frankreich können die französischen Berufsverbände (syndicats professionnels) beim Vorliegen einer Straftat im übergeordneten Interesse des Berufsstandes Klage auf Leistung von Schadensersatz an

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621 Zum Schadensrecht BGH 18.12.1997 – IX ZR 180/96 – NJW 1998, 1488, 1489; BGH 16.11.1999 – VI ZR 37/99 – NJW 2000, 861. 622 Zu dem Begriff Stürner Markt und Wettbewerb, S. 35. Zu der US-amerikanischen Rechtskultur Mankowski JZ 2009, 321 ff. 623 Carrington Bitburger Gespräche 2003, S. 33 ff.; Rubenstein/Conte/Newberg § 5:49, § 14:3; Stürner Bitburger Gespräche 2003, S. 11, 143 ff.; ders. JZ 2006, 60, 67; Hodges S. 196. 624 Ausführlich hierzu Gärtner S. 17 ff. 625 Leibowitz Tul. L.Rev. 80 (2005), 595. Zu den statistischen Daten Gärtner S. 11. 626 Basedow/Hopt/Kötz/Baetge/Eichholtz S. 298; Cramton 80 Cornell L.Rev. 811, 824 (1995); Schwarzer 80 Cornell L.Rev. 837, 838 f. (1995); klare Unterscheidung auch bei Basedow/Hopt/Kötz/Baetge/ H. B. Schäfer S. 68 f., 70 f. 627 Hierzu Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 44 m.w.N. 628 Einen Überblick über den kollektiven Rechtsschutz in ausgewählten EU-Staaten bieten Mattil/ Desoutter WM 2008, 521 ff.; Neuberger S. 140.

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§ 10

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Gewinnabschöpfung

den Verband erheben (Art. L2132-3 Code du travail).629 War die Höhe des Schadensersatzanspruchs zunächst nur von symbolischem und später dann jedenfalls von kompensatorischem Wert, hat sie nunmehr neben Kompensations-, auch Präventions- und Abschreckungsfunktionen zu erfüllen.630 Die 1994 eingeführte griechische Verbandsklage auf Schadensersatz gemäß Art. 10 § 9 des griechischen Verbraucherschutzgesetzes 2251/1994631 wegen verbraucherschädigender Maßnahmen ist – anders als § 10 – auf den Ausgleich des Schadens der Verbraucher und nicht auf die Abschöpfung des erzielten Gewinns gerichtet. Durch die Anerkennung eines „überindividuellen Interesses“ geht das griechische Gesetz von einem immateriellen Schaden des Verbandes aus, der durch Geld kompensiert wird.632 Nach dem italienischen Art. 2601 i.V.m. 2600 Codice Civile633 können Berufsvereinigungen den Schaden ihrer gesamten Mitglieder aus einem unlauteren Verhalten geltend machen, soweit die Interessen der durch sie vertretenen Berufsgruppe verletzt wurden. Der Schadensersatz steht den Berufsvereinigungen zu, die über die Verwendung des Betrags entscheiden.634 Im niederländischen Recht gibt es zwei Wege der kollektiven Rechtsdurchsetzung: Zum einen können Verbände gemäß Art. 3:305a–c Burgerlijk Wetboek (BW) Unterlassung und Beseitigung verlangen. Dabei wurde zunächst die Einführung eines Schadensersatzanspruchs der Verbände erwogen, dann aber explizit in Art. 3:305a Abs. 3 BW ausgeschlossen. Hintergrund für den Ausschluss war die Befürchtung, dass die mit einer kollektiven Lösung verbundenen Konsequenzen rechtlich nicht zu bewältigen seien.635 Seit 2005 besteht aber nunmehr aufgrund des Wet collectieve afhandeling massaschade (WCAM) die Möglichkeit, auch Schadensersatzansprüche kollektiv durchzusetzen. Geregelt ist dies in Art. 7:907–910 BW und Art. 1013–1018a der niederländischen Zivilprozessordnung. Diese weitere Form der kollektiven Rechtsdurchsetzung ist in ihrem Anwendungsbereich nicht begrenzt und kommt daher zumindest theoretisch auch bei lauterkeitsrechtlichen Verstößen in Betracht. Der WCAM ermöglicht eine Art Vergleich, der zwischen einer Organisation und dem Schädiger geschlossen werden kann und dann durch Gerichtsentscheidung für „allgemeinverbindlich“ erklärt wird.636 Die Klagebefugnisse der Verbände beschränken sich in Österreich im Wesentlichen auf Unterlassungsklagen nach dem Konsumentenschutzgesetz und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Der Oberste Gerichtshof hat darüber hinaus eine gemeinsame Geltendmachung von mehreren Ansprüchen verschiedener Anspruchsteller im Wege einer Inkassozession durch einen Kläger auf der Grundlage von § 227 der österreichischen Zivilprozessordnung i.V.m. § 55 Abs. 1 Jurisdiktionsnorm für zulässig erklärt, wenn ein im Wesentlichen gleichartiger Anspruchsgrund vorliegt und im Wesentlichen gleiche Fragen tatsächlicher und rechtlicher Natur zu beantworten sind.637

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629 Hierzu Neuberger S. 166 ff.; Basedow/Hopt/Kötz/Baetge/Puttfarken/Franke S. 152. 630 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 51; Wimmer/Leonhardt GRUR 2004, 12, 14. 631 Dazu Alexandridou GRUR Int. 1992, 120, 121; Microulea FS Georgiades, S. 281; Neuberger S. 142 ff. 632 Gegen eine Übernahme in das deutsche Recht Micklitz/Stadler Unrechtsgewinnabschöpfung, S. 99 sowie Wimmer/Leonhardt GRUR 2004, 12, 16. 633 Abgedruckt in Schaltenberg Anhang I, S. 241 f. 634 Keßler/Micklitz S. 130. 635 Boele/Woelki in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge S. 243. 636 Ausführlich van der Heijden, vol 14.3 Electronic Journal of Comparative Law (December 2010), http://www.ejcl.org/143/art143-18.pdf (Stand 17.9.2012). 637 Beschluss des Obersten Gerichtshofs 12.7.2005 – 4 Ob 116/05w – JBl 2006, 48 = Bankarchiv 2005, 802. Aus dem Jahr 2007 liegt außerdem ein Ministerialentwurf zur Änderung der österreichischen Zivilprozessordnung vor, wonach in § 619 ein Gruppenverfahren eingeführt werden soll (abrufbar unter http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/ME/ME_00070/index.shtml; Stand 17.9.2012).

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II. Anerk. und Vollstreckbarkeit ausl. Urteile

E. Internationalrechtliche Fragen

In den §§ 29–36 des schwedischen Marktvertriebsgesetzes vom 5.6.2008 ist eine an 216 den Staat zu zahlende „Marktstörungsabgabe“ vorgesehen,638 die an vorsätzliche oder fahrlässige Zuwiderhandlungen anknüpft und die sich nicht primär nach dem Gewinn, sondern nach der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung richtet, und sich insoweit von der Gewinnabschöpfung gemäß § 10 erheblich unterscheidet. Im spanischen Zivilprozessrecht sehen die Art. 11, 15, 221 Ley de Enjuiciamiento Ci- 217 vil (LEC)639 seit 2001 die Möglichkeit einer Sammelklage nach dem US-amerikanischen Muster der class action bei einem Verstoß gegen abnehmerschützende Vorschriften vor: Sie ist auf Kompensation durch Schadensersatz an die einzelnen Geschädigten gerichtet.640 Darüber hinaus gewährt Art. 12 Abs. 2 S. 2 Ley Sobre Condiciones Generales de Contractión (LCG) den Verbänden für den speziellen Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Anspruch auf Herausgabe der durch die unzulässigen AGB erzielten Beträge und auf Schadensersatz.641 In der Schweiz können Berufs- und Wirtschaftsverbände sowie bestimmte Konsumen- 218 tenschutzorganisationen lediglich Verbot, Beseitigung und Feststellung des unlauteren Verhaltens gemäß Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 des schweizerischen Bundesgesetzes gegen unlauteren Wettbewerb verlangen; weitergehende Ansprüche auf Schadensersatz oder Gewinnherausgabe stehen den Verbänden als Repräsentanten der betroffenen Verbandsmitglieder nicht zu; Ansprüche dieser Art können nur die Verbraucher und Mitbewerber selbst geltend machen.642 II. Anerk. und Vollstreckbarkeit ausl. Urteile

II. Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile Teilweise wird befürchtet, dass die Einführung der gesetzlichen Abschöpfungsan- 219 sprüche im Lauterkeits- und Kartellrecht und die hiermit verbundene Anerkennung der Präventionsfunktion zivilrechtlicher Sanktionen zu einer Aufweichung des ordre public führen und damit punitive damages Tür und Tor öffnen könnte, da nun auch ausländische Urteile auf Strafschadensersatz in Deutschland anzuerkennen und zu vollstrecken wären.643 Nach bisher ständiger Rechtsprechung sind ausländische Urteile, die punitive damages zuerkennen, mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public) offensichtlich unvereinbar und daher gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht anzuerkennen.644 An dieser Rechtsprechung ändert auch die Einführung der Gewinnabschöpfung im deutschen Recht nichts: So hat der BGH bereits in seiner grundlegenden Entscheidung solche Urteile für anerkennungsfähig erklärt, in denen „mit der Verhängung von Strafschadensersatz [...] vom Schädiger durch die unerlaubte Handlung erzielte Gewinne abgeschöpft werden sollen“.645 Anders als die Gewinnabschöpfung i.S.d. § 10 dienen punitive damages der Bestrafung und Abschreckung (punish and deter)646 und haben damit eine strafrechtsvertretende Aufgabe.647 Zweck der Gewinnabschöpfung ist – im Gegen-

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638 Marktvertriebsgesetz (SFS 2008:486) vom 5.6.2008. 639 Ley 1/2000, de 7 de enero, de Enjuiciamiento Civil. 640 Hierzu Neuberger S. 157 ff. 641 Wimmer/Leonhardt GRUR 2004, 12, 14; ausführlich zum spanischen Recht Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 47 m.w.N. 642 Fezer/v. Braunmühl § 10 Rn. 58 m.w.N. 643 Engels/Salomon WRP 2004, 32, 43. 644 BGH 4.6.1992 – IX ZR 149/91 – BGHZ 118, 312, 338 ff. 645 BGH 4.6.1992 – IX ZR 149/91 – BGHZ 118, 312, 340. 646 Restatement (Second) Torts § 908 (1) (1979). 647 „Although compensatory damages and punitive damages are typically awarded at the same time by the same decisionmaker, they serve distinct purposes. […] The latter, which have been described as

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§ 11

Verjährung

satz zum Strafschadensersatz – nicht Vergeltung bzw. Repression, sondern allein Prävention und Abschreckung. Daher lässt die Einführung der Gewinnabschöpfung in § 10 keine Aussage darüber zu, inwieweit punitive damages mit dem deutschen ordre public vereinbar sind.648 III. Das Internationale Privatrecht der Gewinnabschöpfung

III. Das Internationale Privatrecht der Gewinnabschöpfung 220

Gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Die Rom II-VO gilt nach Art. 1 Abs. 1 Rom-II VO für außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Der Begriff des „außervertraglichen Schuldverhältnisses“ ist grundsätzlich unionsrechtlichautonom unabhängig von einem mitgliedstaatlichen Verständnis auszulegen (Erwägungsgrund 11 der Rom II-VO).649 Art. 6 Rom II-VO gilt nach einhelliger Auffassung für Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche gemäß §§ 8, 9.650 Doch auch auf Gewinnabschöpfungsansprüche ist die Rom II-VO anwendbar: So handelt es sich bei § 10 um eine zivilrechtliche und nicht um eine strafrechtliche Regelung. Zudem knüpft sie – wie die Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche – an ein unlauteres Wettbewerbsverhalten und damit eine unerlaubte Handlung an (zu dem deliktsrechtlichen Charakter eigener Art Rn. 55). Zudem gilt Art. 6 Rom II-VO ausweislich der Begründung der Kommission unabhängig davon, ob der Anspruch von einem Wettbewerber oder einem Verband geltend gemacht wird.651 Daher beurteilt sich auch die Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Abschöpfungsansprüche i.S.d. § 10 nach dem Recht des Marktortes gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO. Demnach findet das Recht des Staates Anwendung, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden.

§ 11 Verjährung § 11 Verjährung Poelzig/Toussaint

§ 11 Verjährung (1) Die Ansprüche aus den §§ 8, 9 und 12 Absatz 1 Satz 2 verjähren in sechs Monaten. (2) Die Verjährungsfrist beginnt, wenn 1. der Anspruch entstanden ist und 2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

_____ ‘quasicriminal’, […] operate as ‘private fines intended’ to punish the defendant and to deter future wrongdoing“ (Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc., 532 U.S. 424, 443, 121 S.Ct. 1678, 149 L.Ed.2d 674 [2001]); vgl. auch Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 19 (1991); BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 568 (1996); State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 416 (2003). 648 Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 37 ff. 649 MünchKomm/Junker Vor Art. 1 Rom II-VO Rn. 30; Wagner IPrax 2008, 1. 650 Statt aller Wagner IPrax 2008, 1. 651 Vgl. KOM (2003) 427 endg. S. 17 mit Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH.

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Schrifttum

§ 11

(3) Schadensersatzansprüche verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung, spätestens in 30 Jahren von der den Schaden auslösenden Handlung an. (4) Andere Ansprüche verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in drei Jahren von der Entstehung an. Schrifttum § 11 Verjährung § 11 Toussaint Schrifttum Vor der UWG-Reform 2004. Baronikians Eilverfahren und Verjährung, WRP 2001, 121; Borck Die Zeit und ihr Vergehen im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 21, 25 UWG und 935 ff. ZPO, WRP 1978, 519; ders. Zur Verjährung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, WRP 1979, 341; ders. Vom Spiel mit der Verjährung, WRP 1979, 347; Dittmar Die Verjährungsunterbrechung wettbewerblicher Unterlassungsansprüche durch Urteil und einstweilige Verfügung, GRUR 1979, 288; Fabricius Zur Frage der Verjährung rechtskräftig festgestellter Unterlassungsansprüche, JR 1972, 452; Hase Verjährung von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen und Erledigung der Hauptsache im einstweiligen Verfügungsverfahren, WRP 1985, 254; Hillinger Nochmals zur Verjährung von Unterlassungsansprüchen, GRUR 1973, 254; Köhler Zur Verjährung des vertraglichen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruchs, GRUR 1996, 231; U. Krieger Zur Verjährung von Unterlassungsansprüchen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, GRUR 1972, 696; Lindacher Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, GRUR 1985, 423; Mees Schuldrechtsmodernisierung und Wettbewerbsrecht, WRP 2002, 135; Messer Neue Rechtsfragen zur Verjährung des wettbewerblichen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruchs, FS Helm (2002) 111; Neu Die Verjährung der gesetzlichen Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensansprüche des Wettbewerbs- und Warenzeichenrechts, GRUR 1985, 335; Nirk Zur Rechtsfigur des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, GRUR 1993, 247; Oßenbrügge Die Verjährung von rechtskräftig festgestellten Unterlassungsansprüchen, WRP 1973, 320; Rogge Zur Frage der Verjährung von Unterlassungsansprüchen gemäß § 21 UWG, GRUR 1963, 345; Schabenberger Zur Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 9 in wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen, WRP 2002, 293; Teplitzky Zur Unterbrechung und Hemmung der Verjährung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche, GRUR 1984, 307; ders. Zu Meinungsdifferenzen über Urteilswirkungen im Verfahren der wettbewerblichen einstweiligen Verfügung, WRP 1987, 149; Traub Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung durch eine wettbewerbsrechtliche Schlichtung? FS Vieregge (1995) 869; Ulrich Die analoge Anwendung des § 21 UWG, WRP 1996, 379. Nach der UWG-Reform 2004. Köhler Zur Geltendmachung und Verjährung von Unterlassungsansprüchen, JZ 2005, 489; Rohlfing Verjährungsfristbeginn im Wettbewerbsrecht bei grob fahrlässiger Unkenntnis, GRUR 2006, 735; Sack Das Verhältnis des UWG zum allgemeinen Deliktsrecht, FS Ullmann (2006) 825; Schulz Die neuen Verjährungsvorschriften des UWG, WRP 2005, 274; Ungewitter Zur Verjährung des Aufwendungsersatzanspruchs bei Abmahnungen, GRUR 2012, 697. Zum Verjährungsrecht allgemein. El-Gayar Verjährung und Erledigung der Hauptsache, MDR 1998, 698; Fritzsche Zum Verjährungsbeginn bei Unterlassungsansprüchen, FS Rolland (1999) 115; Kähler Verjährungshemmung nur bei Klage des Berechtigten? NJW 2006, 1769; Lakkis Der Verjährungsverzicht heute, ZGS 2003, 423; Lehmann Die Unterlassungspflicht im Bürgerlichen Recht (1906); Mansel Die Neuregelung des Verjährungsrechts, NJW 2002, 89; Maurer Verjährungshemmung durch vorläufigen Rechtsschutz, GRUR 2003, 208; Ott Das neue Schuldrecht – Überleitungsvorschriften und Verjährung, MDR 2002, 1; Peters Die Kenntnis vom Schaden als Verjährungsvoraussetzung bei § 852 I BGB, JZ 1983, 121; Peters Die Einrede der Verjährung als ein den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigendes Ereignis, NJW 2001, 2289; Peters/Zimmermann, Verjährungsfristen, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts Bd. 1 (1981), S. 77; Rieble Das Ende des Fortsetzungszusammenhangs im Recht der Vertragsstrafe, WM 1995, 828; ders. Verjährung „verhaltener Ansprüche“ – am Beispiel der Vertragsstrafe, NJW 2004, 2270; Toussaint Verjährungshemmung durch selbständiges Beweisverfahren, FS Leenen (2012) 279; Zimmermann/Leenen/Mansel/Ernst Finis Litium? Zum Verjährungsrecht nach dem Regierungsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, JZ 2001, 684.

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§ 11

A.

Verjährung

Systematische Übersicht Systematische Übersicht Einführung | 1 I. Entstehungsgeschichte | 1 II. Zweck der Verjährung | 5 III. Bedeutung und Systematik der Vorschrift | 7 B. 1. Verhältnis zu den §§ 195 ff. BGB | 7 2. Aufbau der Vorschrift | 8 a) Zwei gesetzliche Verjährungsfristen | 8 b) Regelmäßige Verjährungsfrist | 10 c) Verjährungshöchstfristen | 11 d) Weitere Verjährungsfrist für „andere Ansprüche“? | 13 IV. Anwendungsbereich | 16 1. Ansprüche nach dem UWG | 16 a) Beseitigungsanspruch (§ 8 Abs. 1 S. 1 Fall 1) | 17 b) Unterlassungsansprüche | 18 aa) Verletzungsunterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 S. 1 Fall 2) | 19 bb) Vorbeugender Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 S. 2) | 21 c) Schadensersatzanspruch (§ 9) | 24 d) Aufwendungsersatzanspruch für Abmahnungen (§ 12 Abs. 1 S. 2) | 25 e) Sonstige wettbewerbsrechtliche Ansprüche | 27 aa) Gewinnabschöpfungsanspruch (§ 10) | 27 bb) Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche | 29 2. Mit UWG-Ansprüchen konkurrierende Ansprüche | 31 a) Grundsatz | 31 b) Deliktische Ansprüche | 32 3. Vertragliche und titulierte Ansprüche | 35 a) Unterlassungsansprüche | 35 aa) Einzelner Unterlassungsanspruch | 36 bb) Stammrecht auf Unterlassung | 38 b) Sekundäransprüche | 42 aa) Schadensersatzansprüche | 42

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bb) Ansprüche auf verwirkte Vertragsstrafe | 43 cc) Ordnungsmittelverjährung | 44 Einzelheiten | 45 I. Regelmäßige Verjährung (Absätze 1, 2) | 45 1. Beginn | 45 a) Objektive Voraussetzung des Verjährungsbeginns (§ 11 Abs. 2 Nr. 1) | 46 aa) Entstehung des Anspruchs | 46 bb) Schadensersatzanspruch | 47 cc) Unterlassungsansprüche | 50 (1) Gesetzliche (Abwehr-) Unterlassungsansprüche | 50 (2) Vertragliche und titulierte Unterlassungsansprüche | 52 dd) Beseitigungs- und Erstattungsansprüche | 53 b) Subjektive Voraussetzung (§ 11 Abs. 2 Nr. 2) | 55 aa) Allgemeines | 55 bb) Subjektiver Bezugspunkt | 57 cc) Objektiver Bezugspunkt | 60 dd) Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis | 62 (1) Kenntnis | 62 (2) Grob fahrlässige Unkenntnis | 65 2. Dauer und Fristberechnung | 69 II. Verjährungshöchstfristen (Absätze 3, 4) | 70 1. Schadensersatzansprüche (Absatz 3) | 71 2. Andere Ansprüche (Absatz 4) | 73 III. Einwirkung auf den Lauf der Verjährung | 74 1. Allgemeines | 74 2. Hemmung der Verjährung | 77 a) Verhandlungen (§ 203 BGB) | 77 b) Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) | 80

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Alphabetische Übersicht

aa) Leistungs- oder Feststellungsklage | 80 bb) Klageerhebung | 82 cc) Umfang der Hemmung | 85 dd) Ende der Hemmung | 87 c) Einstweilige Verfügung (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB) | 88 d) Anrufung der Einigungsstelle (§ 15 Abs. 9) | 91 3. Neubeginn der Verjährung | 92 a) Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) | 92 b) Zwangsvollstreckung (§ 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB) | 94 IV. Rechtsfolgen der Verjährung | 97 1. Leistungsverweigerungsrecht | 97 a) Inhalt | 97 Alphabetische Übersicht Alphabetische Übersicht Ablaufhemmung der Verjährung 7, 77, 111 Abmahnkostenerstattungsanspruch 25, 54 Abschlussschreibenkostenerstattungsanspruch 26 Abwehr-Unterlassungsanspruch 18 Anerkenntnis 93 anspruchsbegründende Umstände 60 Anspruchsentstehung 46, 109 Anspruchsverjährung 1 Auskunftsanspruch 29 Beseitigungsanspruch 17, 53, 100 Darlegungs- und Beweislast 107 Dauerhandlung 49, 51, 53 Deliktsanspruch 32 Einigungsstelle, Anrufung 92 Einrede der Verjährung 99, 105 Einredeverzicht 102 einstweilige Verfügung, Hemmungswirkung 89 einstweilige Verfügung, Vollziehung 90 einstweilige Verfügung, Zustellung 90 Feststellungsklage 82 Gewinnabschöpfungsanspruch 4, 13, 27 Hemmung der Verjährung 7, 76, 78, 81, 111 Hemmung, Ende 88 Hemmung, Umfang 86 Herausgabeanspruch nach Verjährung 104 Hilfsantrag 84 Kenntnis 55, 62, 110 Klage, unzulässige 85 Klage, wirksame 85 Klageänderung 83 Klageerhebung 81, 83 Klageerweiterung 83 Klageverjährung 1

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b)

C.

Ausschluss des Leistungsverweigerungsrechts | 101 2. Herausgabeanspruch bei verjährtem Deliktsanspruch (§ 852 BGB) | 103 Verfahrensrechtliches | 104 I. Prozessuale Behandlung der Verjährung | 104 II. Darlegungs- und Beweislast | 106 1. Verjährungsbegründende Tatsachen | 107 a) Entstehung des Anspruchs | 108 b) Subjektive Voraussetzungen des Verjährungsbeginns | 109 2. Verjährungshindernde Tatsachen | 110

Leistungsklage 82 Leistungsverweigerungsrecht 98 Löschungsanspruch 17 Markbeobachtungspflicht, allgemeine 67 Neubeginn der Verjährung 7, 77, 93, 95,111 Ordnungsmittelverjährung 44 Rechnungslegungsanspruch 29 Rechtswirkungen des Zeitablaufs 1 Schadensersatzanspruch 11, 24, 71, 100 Schadensersatzanspruch, Entstehung 47 Schadensersatzanspruch, sekundärer 42 Schutzrechtsverwarnung 33 Streitgegenstand 86 Stufenklage 84 Teilklage 86 Unkenntnis, grob fahrlässige 56, 65, 110 Unterlassungsanspruch, gesetzlicher 18, 50, 101 Unterlassungsanspruch, Stammrecht 38 Unterlassungsanspruch, titulierter 35, 52 Unterlassungsanspruch, vertraglicher 35, 41, 52 Unterlassungsanspruch, vorbeugender 21 Unterlassungsanspruch. einzelner 36 unzulässige Rechtsausübung 103, 111 Verhandlungen 78 Verhandlungsabbruch 78 Verjährung, absolute 8 Verjährung, Rechtsfolgen 7, 98 Verjährung, regelmäßige 8, 10, 69 Verjährung, relative 8 Verjährung, Zweck 5, 6 Verjährungsbeginn 45 Verjährungsfrist 69 Verjährungshöchstfristen 8,11, 70 Verletzungsunterlassungsanspruch 19

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§ 11

Verjährung

Veröffentlichungsanspruch, allgemeiner 17 Vertragsstrafeanspruch 43 Verwirkung 5, 103 Vollstreckungshandlung 95 Widerklage 83 Widerrufsanspruch 17

wiederholte Handlung 51, 53 Wissensorganisation, interne 59, 68 Wissensvertreter 59 Wissenszurechnung 59, 68 Zwangsvollstreckung 95 Zweifel, nachträgliche 64

A. Einführung A. Einführung I. Entstehungsgeschichte I. Entstehungsgeschichte Der Rechtsgedanke der Verjährung kann sich auf römische Wurzeln berufen, hat aber im römischen Recht noch keine institutionelle Ausprägung erfahren.1 Die Verjährung als Rechtsinstitut ist eine Schaffung des älteren gemeinen Rechts, das indessen hierunter alle durch den Zeitablauf bedingten Änderungen von Rechtsverhältnissen verstand und diese begrifflich in „auslöschende“ („praescriptio extinctiva“) und „erwerbende“ („praescriptio acquisitiva“, insbes. Ersitzung) Verjährung einteilte. Mit der dogmatischen Trennung dieser sehr unterschiedlichen Rechtswirkungen des Zeitablaufs2 zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist aus der „erlöschenden Verjährung“ das Rechtsinstitut der Verjährung in seiner heutigen Form entstanden.3 Dabei wurde die Verjährung – bedingt durch das aktionenrechtliche Denken der Zeit – zunächst noch als eine Klageverjährung verstanden. Die Herauslösung des materiellen Anspruchs aus der actio des gemeinen Rechts durch Windscheid4 führte dann Ende des 19. Jahrhunderts5 zu ihrem heutigen – in § 194 Abs. 1 BGB programmatisch zum Ausdruck gebrachten – Verständnis als Anspruchsverjährung. Einer solchen Verjährung unterliegt nach § 194 Abs. 1 BGB jeder Anspruch des bürgerlichen Rechts, sofern er nicht ausnahmsweise nach dem Gesetz (z.B. §§ 194 Abs. 2, 758, 898, 902, 924 BGB) unverjährbar ist. Dies gilt auch für Ansprüche nach dem UWG, so dass ein Regelungsbedarf insoweit nur besteht, wenn von den allgemeinen Vorschriften der §§ 194 ff. BGB (zu deren Anwendung vgl. Rn. 7) abgewichen werden soll. Eine solche verjährungsrechtliche Sonderregelung enthielt bereits das UWG 1896. 2 Dessen – auf den III. Regierungsentwurf vom 3.12.18956 zurückgehender – § 11 Abs. 1 bestimmte, dass „die in den §§ 1, 6, 8, 9 bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz … in sechs Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem der Anspruchsberechtigte von der Handlung und von der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in drei Jahren von der Begehung der Handlung an“ verjähren. In der Begründung des III. Regierungsentwurfs heißt es hierzu, dass alle Gründe, die eine Festsetzung kurzer Verjährungsfristen für den geschäftlichen Verkehr überhaupt erheischen, auf die im Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs geregelten Ansprüche im besonderen Maße zuträfen, weil die Zulassung einer Klage 1

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1 Vgl. Historisch-kritischer Kommentar zum BGB/Hermann, Bd. I (2003) §§ 194–225 Rn. 7 m.w.N. 2 Deren begriffliche Verbindung habe nach v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 5 (1841), § 237 (S. 266), „zu großem Verderben der Theorie, wie der Praxis,“ geführt und sei „völlig verderblich“. 3 Vgl. Mot. I S. 288 f. = Mugdan Mat. zum BGB, Bd. I S. 511. 4 Windscheid Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts (1856); ders. Die Actio, Abwehr gegen Dr. Theodor Muther (1857). 5 Vgl. etwa Windscheid Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1, 6. Aufl. (1887), § 106 (S. 342 f.); Mot. I S. 289 ff. = Mugdan Mat. zum BGB, Bd. I, S. 512. 6 Stenographische Berichte des Reichstags, Session 1895/1897, I. Anlagebd., S. 98 ff. (Aktenstück Nr. 35) = Lobe, Die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Bd. 3 (1907), S. 41 ff.

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I. Entstehungsgeschichte

A. Einführung

nach Ablauf der Frist von sechs Monaten im allgemeinen nur der Schikane dienen könne, wobei keiner Hervorhebung bedürfe, dass jede neue Zuwiderhandlung einen neuen Anspruch erzeuge, der einer besonderen Verjährung unterliege.7 Den späteren Absatz 2, der vorsah, dass Schadensersatzansprüche nicht vor dem Zeitpunkt zu verjähren beginnen, in dem ein Schaden entstanden ist, hat die VI. Kommission zur Vorberatung des Gesetzes eingefügt.8 Begründet wurde dies damit, dass der Schadensersatzanspruch nicht entstehe, bevor ein Schaden verursacht sei, die Verjährung des Anspruchs vor seiner Entstehung daher nicht beginnen könne;9 der zweite Absatz sollte daher nur Selbstverständliches aussprechen. In das UWG 1909 wurde diese Vorschrift als § 21 übernommen. Die einzige Ände- 3 rung gegenüber der Vorgängervorschrift – sie galt nun für „die in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz“ – diente der Anpassung an die Einfügung der Generalklausel und war so unbedeutend, dass sie im Entwurf10 nicht einmal begründet wurde. In § 11 des UWG 2004 sollte die Verjährungsregelung des § 21 a.F. zunächst noch 4 weitgehend unverändert übernommen werden.11 Die schließlich Gesetz gewordene und seither – insbesondere auch durch das UWG 2008 – unverändert gebliebene Fassung entspricht der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses.12 Dabei wurde ein Vorschlag des Bundesrats,13 dem sich die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung angeschlossen hatte,14 aufgegriffen, die kurze Verjährung – nach Verselbständigung des früheren § 21 Abs. 1 S. 1, 1. Hs. a.F. als neuer Absatz 1 – auf den Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Abmahnung (§ 12 Abs. 1 S. 2) zu erstrecken. Die im Regierungsentwurf noch vorgesehene Geltung der kurzen Verjährung auch für den Gewinnabschöpfungsanspruch (§ 10 Abs. 1) wurde dagegen vom Rechtsausschuss – wie zuvor schon vom Bundesrat15 – abgelehnt. Hierfür wurde zur Begründung angeführt, dass anderenfalls der Anspruch auf Gewinnabschöpfung voraussichtlich wenig effektiv sein würde, da es für die Gläubiger zum Teil außerordentlich schwierig wäre, die für die Geltendma-

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7 Stenographische Berichte des Reichstags, Session 1895/1897, I. Anlagebd., S. 98 ff. (Aktenstück Nr. 35), 110 = Lobe, Die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Bd. 3 (1907), S. 46 ff., 76. 8 Bericht der VI. Kommission, Stenographische Berichte des Reichstags, Session 1895/1897, II. Anlagebd., S. 1196 ff. (Aktenstück Nr. 192), 1214 = Lobe, Die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Bd. 3 (1907), S. 158 ff., 213. 9 Bericht der VI. Kommission, Stenographische Berichte des Reichstags, Session 1895/1897, II. Anlagebd., S. 1196 ff. (Aktenstück Nr. 192), 1210 = Lobe, Die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Bd. 3 (1907), S. 158 ff., 199 f. Seine endgültige sprachliche Fassung erhielt Absatz 2 (auf entsprechenden Abänderungsantrag des Abgeordneten Roeren vom 17.4.1896, Stenographische Berichte des Reichstags, Session 1895/1897, II. Anlagebd., S. 1531 (Aktenstück Nr. 272) = Lobe, aaO, S. 216), nach den Beschlüssen des Reichstags in zweiter Lesung, Stenographische Berichte des Reichstags, Session 1895/1897, II. Anlagebd., S. 1533 ff. (Aktenstück Nr. 281), 1536. 10 Vgl. Begr. zu § 18 UWG-E 1909, Stenographische Berichte des Reichstags, Session 1907/1909, Bd. 252, Aktenstück Nr. 1109. 11 Referentenentwurf (Stand 23.1.2003), GRUR 2003, 298, 299 f. (Gesetzestext), 303, 310; Regierungsentwurf vom 22.8.2003, BTDrucks. 15/1487 S. 8 (Gesetzestext), 13, 15. 12 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 26.3.2004, BTDrucks. 15/2795 S. 9. 13 Stellungnahme des Bundesrates vom 20.6.2003, BR-Drucks. 301/03 S. 16 f. = BTDrucks. 15/1487 S. 35 (weitergehend sollte die kurze Verjährung auf alle mit den Ansprüche aus den §§ 8 und 9 in einem unmittelbaren Zusammenhang stehenden Ansprüchen ausgedehnt werden). 14 Gegenäußerung Bundesregierung, BTDrucks. 15/1487 S. 44 (im Übrigen wurde der Vorschlag des Bundesrats, auch sonstige mit den Ansprüchen nach §§ 8, 9 in einem unmittelbaren Zusammenhang stehende Ansprüche zu erfassen, als zu ungenau und viel zu weitgehend abgelehnt). 15 Stellungnahme des Bundesrates vom 20.6.2003, BR-Drucks. 301/03 S. 16 f. = BTDrucks. 15/1487 S. 35; die Bundesregierung hat diesem Vorschlag in ihrer Gegenäußerung zugestimmt, BTDrucks. 15/1487 S. 44.

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§ 11

Verjährung

chung des Anspruchs notwendigen Tatsachen innerhalb der kurzen Fristen zu ermitteln.16 Die Absätze 2-4 entsprechen den insoweit übereinstimmenden Vorschlägen von Bundesrat und Rechtsausschuss und dienen der Angleichung an § 199 Abs. 1, 3 und 4 BGB.17 Der frühere § 21 Abs. 2 a.F., der nach dem Regierungsentwurf noch übernommen (und um eine Regelung für den Gewinnabschöpfungsanspruch erweitert) werden sollte und dem schon bei seiner Schaffung allenfalls klarstellende Bedeutung beigemessen wurde (vgl. o. Rn. 2), ist vollständig entfallen. II. Zweck der Verjährung II. Zweck der Verjährung Die Verjährung wird durch bloßen Zeitablauf bewirkt. Sie sanktioniert die während des Laufs der Verjährungsfrist andauernde Säumigkeit des Gläubigers bei der Durchsetzung seines Anspruchs, an die zugleich die Vermutung geknüpft ist, dass ein nicht beizeiten geltend gemachter Anspruch tatsächlich gar nicht besteht. Sie dient dem Schutz des Schuldners vor möglicherweise unberechtigter Inanspruchnahme, den „die verdunkelnde Macht der Zeit“18 in Beweisnot geraten lässt,19 und damit letztlich dem Rechtsfrieden. Die Verjährung soll dem Schuldner eine pauschale Abwehr seiner Inanspruchnahme ermöglichen nach dem Ablauf einer Zeitspanne, nach der die Aufklärung der Tatsachenlage nicht mehr als möglich erscheint oder dafür auch kein Bedürfnis mehr anzuerkennen ist, weil der Gläubiger durch seine Säumigkeit bei der Anspruchsdurchsetzung sein Desinteresse bekundet und der Schuldner sein Verhalten darauf eingerichtet hat. Insofern erfüllt die Verjährung auch Aufgaben des Rechtsinstituts der Verwirkung (zur Verwirkung näher § 8 Rn. 285 ff.).20 Einen weiteren Zweck der Verjährung bildet die Entlastung der Gerichte. 6 Im Recht des unlauteren Wettbewerbs gewinnen diese Zwecke gesteigerte Bedeutung wegen der Schwierigkeiten der tatsächlichen Feststellbarkeit von Wettbewerbsverstößen und der Vielzahl potentieller Anspruchsinhaber. Der Schuldner, dem ein Wettbewerbsverstoß vorzuwerfen ist, kann von einer großen Zahl von Konkurrenten auf Unterlassung und – zumindest – Feststellung seiner Schadensersatzpflicht gerichtlich in Anspruch genommen werden; die Menge seiner möglichen Prozessgegner wird noch gesteigert um die Zahl der nach § 8 Abs. 3 Nr. 2-4 klagebefugten Verbände und berufsständischen Organisationen.21 Dadurch gewinnt der schon in der Begründung des III. Regierungsentwurfs von 1895 angesprochene Zweck einer Vermeidung schikanöser Inanspruchnahme des Verpflichteten (vgl. o. Rn. 2) besonderes Gewicht. Dies rechtfertigt eine kurze Verjährung, die bezweckt, möglichst bald Wettbewerbsstreitigkeiten zum Austrag zu bringen und den Verletzer nach Aufgabe der verletzenden Handlung von der Gefahr einer Inanspruchnahme zu befreien.22 5

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16 BTDrucks. 15/2795 S. 22; ähnlich Bundesrat, BR-Drucks. 301/03 S. 17 = BTDrucks. 15/1487 S. 35. 17 Vgl. Bundesrat, BR-Drucks. 301/03 S. 17 = BTDrucks. 15/1487 S. 35; Rechtsausschuss, BTDrucks. 15/ 2795 S. 22. 18 Mot. I S. 291 = Mugdan Mat. zum BGB, Bd. I S. 512. 19 BGH 16.6.1972 – I ZR 154/70 – BGHZ 59, 72, 74 = GRUR 1972, 721 – Kaffeewerbung; Teplitzky GRUR 1984, 307. 20 Zu den Zwecken der Verjährung im Allgemeinen vgl. Mot. I S. 291 = Mugdan Mat. zum BGB, Bd. I S. 512; Peters/Zimmermann, S. 189 f. 21 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 3. 22 BGH 10.1.1968 – Ib ZR 149/65 – GRUR 1968, 367, 370 – Corrida; BGH 26.1.1984 – I ZR 195/81 – GRUR 1984, 820, 823 – Intermarkt II.

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III. Bedeutung und Systematik der Vorschrift

A. Einführung

III. Bedeutung und Systematik der Vorschrift III. Bedeutung und Systematik der Vorschrift 1. Verhältnis zu den §§ 194 ff. BGB. Wettbewerbsverstöße sind unerlaubte Hand- 7 lungen im Sinne des bürgerlichen Rechts,23 deren Rechtsfolgen im UWG eine spezialgesetzliche Regelung erfahren haben. Die Ansprüche nach dem UWG sind bürgerlichrechtliche Ansprüche und unterliegen als solche den allgemeinen Bestimmungen des BGB, soweit diese nicht durch abschließende Sonderregelungen des UWG verdrängt werden. Für sie gelten daher auch die allgemeinen Verjährungsvorschriften des BGB,24 soweit sich aus der verjährungsrechtlichen Sonderregelung des § 11 nichts Abweichendes ergibt. § 11 regelt abschließend nur die Verjährungsfrist und deren Beginn. Verdrängt werden damit die §§ 195, 199 BGB, nicht aber die Vorschriften über die Verjährung rechtskräftig festgestellter Ansprüche (§§ 197 Abs. 1 Nr. 3, 201 BGB), die Unzulässigkeit von Vereinbarungen über die Verjährung (§ 202 BGB) und – besonders wichtig – die Vorschriften über Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung (§§ 203– 213 BGB) sowie über die Rechtsfolgen der Verjährung (§§ 214–218 BGB). 2. Aufbau der Vorschrift a) Zwei gesetzliche Verjährungsfristen. Die Vorschrift regelt nach dem Vorbild 8 des § 199 BGB (vgl. o. Rn. 4) zwei voneinander unabhängig laufende Verjährungen, nämlich – in der Terminologie der amtlichen Überschrift des § 199 BGB – zum einen die regelmäßige Verjährung (Absätze 1, 2) und zum anderen Verjährungshöchstfristen (Absätze 3, 4). Die regelmäßige Verjährung wird – wegen ihrer Abhängigkeit von subjektiven Umständen (Abs. 2 Nr. 2) – häufig auch als „relative Verjährung“ bezeichnet, während für die – allein von objektiven Umständen bestimmten – Verjährungshöchstfristen die (korrespondierende) Bezeichnung „absolute Verjährung“ verbreitet ist (jedenfalls die letztgenannte Bezeichnung ist wenig glücklich, weil sie verdeckt, dass auch die Verjährungshöchstfristen einer Hemmung, Ablaufhemmung oder dem Neubeginn der Verjährung unterliegen und daher verlängert werden können). Für die von § 11 erfassten Ansprüche beginnen die regelmäßige Verjährung und die 9 (jeweilige) Verjährungshöchstfrist jeweils selbständig und laufen getrennt voneinander mit ihren jeweiligen Fristen ab. In welchem Verhältnis beide Verjährungen zueinander stehen, ist in § 11 nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus dem Zweck der (kenntnisunabhängigen) Verjährungshöchstfristen. Sie sollen verhindern, dass die Verjährung unbegrenzt aufgeschoben wird, wenn die regelmäßige Verjährung mangels Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen nicht beginnt.25 Für den Eintritt der Rechtsfolgen der Verjährung ist daher die früher ablaufende Frist maßgeblich (vgl. § 199 Abs. 3 S. 2 BGB, der allerdings unmittelbar nur das Verhältnis zwischen den beiden Varianten des § 199 Abs. 3 S. 1 BGB regelt). b) Regelmäßige Verjährung. Eine Regelung zur regelmäßigen Verjährung enthält 10 § 11 nicht für alle, sondern nur für die in seinem Absatz 1 aufgezählten Ansprüche nach

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23 BGH 22.12.1961 – I ZR 152/59 – BGHZ 36, 252, 254 = GRUR 1962, 310, 314 – Gründerbildnis; BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – GRUR 1995, 678, 681 – Kurze Verjährungsfrist; BGH 14.1.1999 – I ZR 203/96 – GRUR 1999, 751, 754 – Güllepumpen; BGH 18.10.2001 – I ZR 22/99 – GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor I. 24 BGH 22.12.1961 – I ZR 152/59 – BGHZ 36, 252, 255 f. = GRUR 1962, 310, 314 – Gründerbildnis; BGH 14.1.1999 – I ZR 203/96 – GRUR 1999, 751, 754 – Güllepumpen; Fezer/Büscher § 11 Rn. 5; Harte/Henning/ Schulz § 11 Rn. 62; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 6. 25 Vgl. nur MünchKommBGB/Grothe § 199 Rn. 44.

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dem UWG. Absatz 1 regelt (als verdrängende Spezialvorschrift zu § 195 BGB) die Fristdauer dieser regelmäßigen Verjährung und Absatz 2 (als verdrängende Spezialvorschrift zu § 199 Abs. 1 BGB) ihren Fristbeginn. Die beiden Absätze entsprechen inhaltlich dem 1. Halbsatz des früheren § 21 Abs. 1 S. 1 a.F. Anders als nach der Vorgängervorschrift beginnt die Verjährung jetzt aber nicht nur bei Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners, sondern – in Angleichung an § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB – auch bei deren grob fahrlässigen Unkenntnis. Nicht in das UWG übernommen wurde – im Interesse einer möglichst raschen Verjährung – der mit der Schuldrechtsmodernisierung für die regelmäßige Verjährung in das BGB eingeführte Aufschub des Verjährungsbeginns auf das Jahresende (sog. Jahresendverjährung).26 c) Verjährungshöchstfristen. Eine (kenntnisunabhängige) Verjährungshöchstfrist – als notwendiges Korrektiv des subjektiven Beginns der regelmäßigen Verjährung – enthielt bereits § 21 Abs. 1, 2. Halbs. a.F. Für Schadensersatzansprüche ist sie nun in Absatz 3 geregelt. Gemeint sind die in Absatz 1 u.a. genannten Ansprüche nach § 9,27 die damit sowohl der regelmäßigen Verjährung nach Absatz 1, 2 als auch den Verjährungshöchstfristen des Absatzes 3 unterliegen. Nach dem Vorbild des § 199 Abs. 3 BGB kennt Absatz 3 zwei Verjährungshöchstfristen – zehn Jahre ab Entstehung des Schadensersatzanspruchs und (unabhängig von der Schadensentstehung) 30 Jahre ab der den Schaden auslösenden Handlung. Das Verhältnis beider Fristen zueinander ist nicht ausdrücklich geregelt, maßgeblich ist aber – wie nach § 199 Abs. 3 S. 2 BGB – die früher endende Frist. Für „andere Ansprüche“ bestimmt Absatz 4 – wie früher § 21 Abs. 1, 2. Halbs. a.F. 12 – eine Verjährungshöchstfrist von drei Jahren ab Anspruchsentstehung. Welche Ansprüche „andere Ansprüche“ i.S.d. Absatz 4 sind, ist allerdings – worauf nachfolgend noch zurückzukommen sein wird – unklar und umstritten. Wegen der Abhängigkeit des Beginns der regelmäßigen Verjährung von subjektiven Voraussetzungen muss es aber notwendigerweise für alle von Absatz 1 erfassten Ansprüche eine Verjährungshöchstfrist geben. Soweit diese nicht als Schadensersatzansprüche unter Absatz 3 fallen, müssen sie folglich als „andere Ansprüche“ (als Schadensersatzansprüche) unter Absatz 4 fallen, so dass „andere Ansprüche“ i.S.d. Absatz 4 (jedenfalls auch) die in Absatz 1 genannten Ansprüche nach §§ 8 und 12 Abs. 1 S. 2 sind.28 11

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d) Weitere Verjährungsfrist für „andere Ansprüche“? Nach weit verbreiteter Auffassung sind „andere Ansprüche“ i.S.d. Absatzes 4 aber nicht nur andere als die in Absatz 3 geregelten Schadensersatzansprüche, sondern darüber hinaus auch andere als die in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche nach dem UWG.29 Damit würden UWG-Ansprüche, die nicht der regelmäßigen Verjährung nach den Absätzen 1 und 2 unterliegen, wie insbesondere der Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 Abs. 1, nach Absatz 4 verjähren. Das aber wäre zumindest ungewöhnlich, weil Absatz 4 an sich eine Verjährungs14 höchstfrist regelt (s.o. Rn. 12), mit der normalerweise eine regelmäßige Verjährungsfrist

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26 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 20.6.2003, BR-Drucks. 301/03 S. 17. 27 Fezer/Büscher § 11 Rn. 49; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 26. 28 So auch etwa Fezer/Büscher § 11 Rn. 50; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 40; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 27; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.18; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 152; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 5, 32; Schulz WRP 2005, 274, 277. 29 So etwa Fezer/Büscher § 11 Rn. 51; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 27; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.3, 1.18; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 32.

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korrespondieren müsste. Eine solche regelmäßige Verjährungsfrist ist aber für andere als die in Absatz 1 genannten Ansprüche jedenfalls nicht im UWG geregelt und kann auch dem BGB schon deshalb nicht entnommen werden, weil die (ebenfalls dreijährige) regelmäßige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 1 BGB wegen des subjektiven Verjährungsbeginns und des Jahresendprinzips des BGB im Allgemeinen dann später beginnen würde als die „Verjährungshöchstfrist“. Eine Erstreckung des Absatzes 4 auf andere als die in Absatz 1 genannten UWG-Ansprüche hätte daher zur Folge, dass in ihm zwei gänzlich unterschiedliche Regelungen – eine Verjährungshöchstfrist für andere, in Absatz 1 genannte Ansprüche als Schadensersatzansprüche einerseits und eine (kenntnisunabhängige) regelmäßige Verjährungsfrist für andere Ansprüche als die in Absatz 1 Genannten andererseits – gesehen werden müssten. Der Wortlaut des Absatzes 4 mag ein solches Verständnis allerdings nicht ausschließen. Anders als der als Vorbild dienende § 199 Abs. 4 BGB (a.F.)30 erfasst jener nicht etwa nur „andere Ansprüche als Schadensersatzansprüche“, sondern ganz allgemein „andere Ansprüche“.31 Welche konkreten Vorstellungen der Gesetzgeber mit dieser Formulierung verbunden hat, lässt sich den Materialien aber nicht entnehmen. Die bewusste Anlehnung an § 199 Abs. 4 BGB mag für eine Beschränkung der „anderen Ansprüche“ auf den Kreis der in Absatz 1 Genannten sprechen, der Wunsch nach einer generell kurzen Verjährung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche hingegen für ein weiteres Verständnis. Allerdings wurde der Gewinnabschöpfungsanspruch, der nach dem Regierungsent- 15 wurf noch der regelmäßigen Verjährung nach Absatz 1 unterliegen sollte (s.o. Rn. 4), im Gesetzgebungsverfahren gerade deshalb hiervon wieder ausgenommen, weil „es für die Gläubiger zum Teil außerordentlich schwierig wäre, die für die Geltendmachung des Anspruchs notwendigen Tatsachen innerhalb der kurzen Fristen zu ermitteln“, und „[e]ine Gewinnabschöpfung … nur dann sinnvoll [sei], wenn der gesamte Verletzungstatbestand bekannt und abgeschlossen ist.“32 Es kann daher nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber die Verjährung dieses Anspruchs gerade kenntnisunabhängig ausgestalten wollte.33 Der – parallel zu § 199 Abs. 4 BGB aufgebauten – Systematik der Vorschrift entsprechend ist daher der Auffassung Vorzug zu geben, nach der andere als die in Absatz 1 genannten Ansprüche nach dem UWG auch nicht unter Absatz 4 fallen.34 Ihre Verjährung richtet sich vielmehr ausschließlich nach dem BGB, so dass Verjährungsfrist und deren Beginn den §§ 195, 199 BGB zu entnehmen sind. Hierfür bedarf es keiner ausdrücklichen gesetzlichen Verweisung im UWG,35 weil die verjährungsrechtlichen Vorschriften des BGB für UWG-Ansprüche stets unmittelbar gelten, soweit sie nicht durch ausschließliche Spezialregelungen verdrängt sind (vgl. Rn. 7).

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30 § 199 Abs. 4 BGB i.d.F. des SchuldRModG galt für „[a]ndere Ansprüche als Schadensersatzansprüche“. Der jetzige Wortlaut („Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a …“) beruht auf dem Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts v. 24.9.2009, BGBl. I S. 3142, und ist eine sprachliche Anpassung an die mit diesem Gesetz eingefügte Verjährungshöchstfrist für erbrechtliche Ansprüche (§ 199 Abs. 3a BGB). 31 Hierauf weist zu Recht Fezer/Büscher § 11 Rn. 51 hin. 32 Gleichlautend Stellungnahme des Bundesrates vom 20.6.2003, BR-Drucks. 301/03 S. 17, und Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 26.3.2004, BTDrucks. 15/2795 S. 22. 33 Vgl. Schulz WRP 2005, 274, 275 Fn. 7. 34 So auch Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 20 f., 82; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 39; Schulz WRP 2005, 274, 275; ausdrücklich a.A. Fezer/Büscher § 11 Rn. 51. 35 So aber Fezer/Büscher § 11 Rn. 51.

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IV. Anwendungsbereich IV. Anwendungsbereich 1. Ansprüche nach dem UWG. Anzuwenden ist die Verjährungsvorschrift (zu ihrem 16 Absatz 4 vgl. allerdings Rn. 13 ff.) nach ihrem Absatz 1 auf Ansprüche aus den §§ 8, 9 und 12 Abs. 1 S. 2. Damit ist der Anwendungsbereich in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt: Unmittelbar erfasst werden nur gesetzliche Ansprüche (zur analogen Anwendung auf vertragliche Ansprüche und zur Verjährung titulierter Ansprüche vgl. Rn. 40 f.), und zwar nur solche nach dem UWG (zur Verjährung konkurrierender Ansprüche nach anderen Gesetzen vgl. Rn. 31 ff.), und von diesen wiederum nur die enumerativ aufgeführten Beseitigungs-, Unterlassungs-, Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche (zur Verjährung anderer UWG-Ansprüche vgl. Rn. 27 ff.). Die Art der dem jeweiligen Anspruch zugrunde liegende Verletzungshandlung spielt dabei keine Rolle. Auch Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz (§ 4 Nr. 9) unterliegen daher der kurzen Verjährung des § 11.36 17

a) Beseitigungsanspruch (§ 8 Abs. 1 S. 1 Fall 1). Der Beseitigungsanspruch ist seiner Rechtsnatur nach ein Anspruch auf Abwehr von Störungen der eigenen Rechte bzw. Rechtsgüter durch rechtswidrige Eingriffe und richtet sich inhaltlich (im Unterschied zu dem auf die Nichtvornahme künftiger Verletzungshandlungen gerichteten Abwehr-Unterlassungsanspruch) auf Beendigung des durch den rechtswidrigen Eingriff eingetretenen und fortwirkenden Störungszustand durch aktives Tun (§ 8 Rn. 72 ff.).37 Der – zunächst als Ergänzung und Weiterführung zum Unterlassungsanspruch gewohnheitsrechtlich anerkannte (vgl. § 8 Rn. 64) und jetzt in § 8 Abs. 1 S. 1 Fall 1 ausdrücklich geregelte – wettbewerbsrechtliche Beseitigungsanspruch dient der Abwehr andauernder Störungen aufgrund einer wettbewerbsrechtlich unzulässigen geschäftlichen Handlung. Dass er der kurzen wettbewerbsrechtlichen Verjährung unterliegt, war bereits zu § 21 a.F. anerkannt38 und ist seit der UWG-Reform 2004 – zusammen mit seiner erstmaligen Kodifikation – in § 11 Abs. 1 ausdrücklich ausgesprochen. Dies gilt für den Beseitigungsanspruch in allen seinen Ausgestaltungen etwa als Widerrufsanspruch,39 Löschungsanspruch40 oder allgemeiner Veröffentlichungsanspruch.41 Ob auch der besondere Veröffentlichungsanspruch nach § 12 Abs. 3 der kurzen Verjährung unterliegt,42 kann dahingestellt bleiben, weil er ohnehin an die gerichtliche Geltendmachung eines (der kurzen Verjährung unterliegenden) Unterlassungsanspruchs geknüpft ist.

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b) Unterlassungsansprüche. Unterlassungsanspruch im allgemeinen Sinne ist jeder Anspruch gleich welchen Rechtsgrundes, dessen Leistungsgegenstand nicht ein ak-

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36 Allg. M., vgl. nur Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.12; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 79. Dies entsprach auch unter der Geltung des § 21 a.F. der hM, vgl. nur BGH 14.1.1999 – I ZR 203/96 – GRUR 1999, 751, 754 – Güllepumpen m.w.N. Die zu § 21 a.F. von Nirk GRUR 1993, 247, 254, vertretene Gegenansicht dürfte jedenfalls mit der ausdrücklichen Regelung des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes im UWG 2004 ihres Grundlage verloren haben. 37 Vgl. außerdem etwa BGH 26.11.1997 – I ZR 109/95 – GRUR 1998, 415, 416 – Wirtschaftsregister m.w.N.; Teplitzky Kap. 22 Rn. 1 ff. 38 Vgl. nur BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99, 100 – Brünova, mit zust. Anm. Malzer GRUR 1974, 101 f. 39 Fezer/Büscher § 11 Rn. 16; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 9; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.3; zu § 21 a.F. vgl. bereits BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99, 100 – Brünova. 40 Fezer/Büscher § 11 Rn. 16. 41 MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 62. 42 So Fezer/Büscher § 11 Rn. 16 (anders aber Rn. 51: Absatz 4); Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 25.

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tives Tun, sondern ein Unterlassen des Schuldners ist (vgl. §§ 194 Abs. 1, 241 Abs. 1 BGB). Angesprochen in § 11 Abs. 1 sind nur die an (vorgenommene oder drohende) Zuwiderhandlungen gegen die §§ 3, 7 anknüpfende Unterlassungsansprüche des § 8, die der Abwehr von (weiteren oder erstmaligen) Störungen dienen. Ein solcher Abwehr-Unterlassungsanspruch weist Ähnlichkeiten zum Beseitigungsanspruch auf, richtet sich aber inhaltlich – im Unterschied zu dem auf aktives Tun gerichteten Beseitigungsanspruch – auf die Nichtvornahme künftiger Verletzungshandlungen. Ob Unterlassungsansprüche im Allgemeinen und die wettbewerbsrechtlichen Abwehr-Unterlassungsansprüche im Besonderen überhaupt verjähren können, ist in der Vergangenheit gelegentlich in Frage gestellt worden.43 Dementsprechend ist die ausdrückliche Nennung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche bereits in § 21 Abs. 1 a.F. vereinzelt gar als Redaktionsversehen bezeichnet worden.44 Für die gesetzlichen (Abwehr-)Unterlassungsansprüche des UWG hat diese Kontroverse heute – anders als für sonstige, insbesondere vertragliche oder titulierte Unterlassungsansprüche (vgl. hierzu Rn. 35 ff.) – aber keine praktische Bedeutung mehr.45 aa) Verletzungsunterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 S. 1 Fall 2). Die Verjährbarkeit 19 des in § 8 Abs. 1 S. 1 Fall 2 geregelten sog. Verletzungsunterlassungsanspruchs wurde bereits unter der Geltung des § 21 a.F. von der Rechtsprechung bejaht46 und wird heute – zu Recht – nicht mehr bezweifelt.47 Grundsätzliche dogmatische Bedenken,48 die daraus resultieren, dass ein Unterlassungsanspruch auf eine künftige Leistung gerichtet ist (s. zum Problem Rn. 36 ff.), greifen gegenüber dem Verletzungsunterlassungsanspruch nicht durch. Denn dieser knüpft an das gegenwärtige Vorliegen einer Wiederholungsgefahr an, die als solche eine (gegenwärtige) Beeinträchtigung darstellt, deren Behebung Ziel des Unterlassungsanspruchs ist.49 Diese Wiederholungsgefahr – für deren Vorliegen eine Zuwiderhandlung gegen die §§ 3, 7 eine tatsächliche Vermutung begründet (vgl. nur § 8 Rn. 14)50 – ist nach heute wohl allg. M. keine Prozessvoraussetzung (i.S.d. §§ 257 ff. ZPO), sondern materiellrechtliche Tatbestandsvoraussetzung des Verletzungsunterlassungsanspruchs (vgl. nur § 8 Rn. 12).51 Der Verletzungsunterlassungsanspruch entsteht folglich (erst) mit Eintritt der Wiederholungsgefahr und ist auf deren Beseitigung gerichtet (zu der sich hieraus ergebenden Konsequenz für den Verjährungsbeginn vgl. Rn. 50). Auch wenn er dies durch das Recht auf Unterlassung in der Zukunft erreicht, ist er damit doch auf Beseitigung einer gegenwärtigen Störung gerichtet. Er ist mithin tatsächlich

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43 Vgl. hierzu ausführlich mit Nachweisen Vorauflage/Messer, § 21 Rn. 5. 44 So OLG Schleswig 10.6.1954 – 1 U 199/53 – SchlHA 1955, 130; Tetzner UWG, 2. Aufl. (1957), § 21 Rn. 3 („unstreitig“). Dagegen ausdrücklich etwa OLG Hamm 30.9.1976 – 4 U 147/76 – WRP 1977, 345, 346; Borck WRP 1978, 519; Rogge GRUR 1963, 345. 45 Nach Teplitzky Kap. 16 Rn. 1 ist die Streitfrage heute akademisch geworden. 46 BGH 29.9.1978 – I ZR 107/77 – GRUR 1979, 121, 122 – Verjährungsunterbrechung; BGH 5.12.1980 – I ZR 179/78 – GRUR 1981, 447, 448 – Abschlussschreiben; BGH 11.3.2004 – I ZR 81/01 – GRUR 2004, 517, 519 – E-Mail-Werbung. 47 Vgl. nur Fezer/Büscher § 11 Rn. 12; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 12; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 15; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 9. 48 So etwa noch Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl. (1954), Kap. 115 Rn. 7. 49 Vgl. zum ähnlich strukturierten § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB Mot. III S. 426 = Mugdan Mat. zum BGB, Bd. III S. 238: „Wenn jedoch das Zuwiderhandeln die zuständliche bis in die Gegenwart fortdauernde Folge hervorgebracht hat, daß weitere Beeinträchtigungen nach den Umständen zu besorgen sind, so muß die Beseitigung dieses Zustandes der Gefährdung mit der Negatorienklage ebensowohl zu erreichen sein, als die Beseitigung einer zuständlichen körperlichen Eigenthumsverletzung.“ 50 Außerdem etwa Teplitzky Kap. 6 Rn. 9 ff. m.w.N. 51 Außerdem etwa Teplitzky Kap. 6 Rn. 9 ff. m.w.N.

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auf eine gegenwärtige Leistung gerichtet52 oder steht doch jedenfalls auf eine gegenwärtige Leistung gerichteten Ansprüchen näher als solchen auf eine künftige Leistung. Bedenken, die an die Folgen der Verjährung eines Verletzungsanspruchs anknüp20 fen, sind unbegründet. Die Verjährung eines Unterlassungsanspruchs, der aus einer bestimmten, die Wiederholungsgefahr begründenden Zuwiderhandlung gegen die §§ 3, 7 folgt, führt nicht dazu, dass der Gläubiger wiederholte Zuwiderhandlungen des Schuldners hinzunehmen hätte.53 Die Verjährungseinrede gewährt dem Schuldner nur ein Mittel zur Abwehr des konkreten, aus einem in der Vergangenheit vollendeten Sachverhalt herrührenden Unterlassungsanspruchs. Die gesetzlichen Verhaltenspflichten, wie sie aus den §§ 3, 7 folgen, bleiben hierdurch unberührt. Solche allgemeinen Rechtspflichten können nicht verjähren,54 denn der Verjährung unterliegen nur Ansprüche (§ 194 Abs. 1 BGB), die auch im Falle der Abwehr-Unterlassungsansprüche erst durch die Verknüpfung der Person des Schuldners mit der des Gläubigers durch einen gegenwärtig bestehenden Sachverhalt entstehen können.55 Auch nach Verjährung des durch die erste Zuwiderhandlung begründeten Unterlassungsanspruchs kann daher eine wiederholte Zuwiderhandlung (als neuer Sachverhalt) einen neuen Unterlassungsanspruch gleichen Inhalts begründen (s. hierzu Rn. 51). bb) Vorbeugender Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 S. 2). Der – früher gewohnheitsrechtlich anerkannte und seit der UWG-Reform 2004 in § 8 Abs. 1 S. 1 geregelte – sog. vorbeugende Unterlassungsanspruch unterscheidet sich strukturell nicht vom Verletzungsunterlassungsanspruch, nur tritt als materiellrechtliche Voraussetzung an die Stelle der Wiederholungsgefahr die durch konkrete Umstände begründete Erstbegehungsgefahr (§ 8 Rn. 7, 36).56 Er zielt auf die Behebung des in dieser Erstbegehungsgefahr liegenden Störungszustandes und ist damit – ebenso wie der Verletzungsunterlassungsanspruch – auf eine gegenwärtige Leistung gerichtet.57 Grundsätzliche Bedenken gegen die Verjährbarkeit des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs bestehen daher ebenso wenig wie gegen die des Verletzungsunterlassungsanspruchs. Gleichwohl nahmen die frühere Rechtsprechung58 und h.L.59 zu § 21 a.F. die Unver22 jährbarkeit des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs an. Diese Annahme beruhte auf dem Umstand, dass der Fortbestand (bei prozessualer Geltendmachung: am Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen) der durch einen konkreten Umstand ausgelösten Erstbegehungsgefahr – anders als der einer durch eine Zuwiderhandlung begründeten Wiederholungsgefahr – nicht vermutet wird, sondern dargelegt werden muss (vgl. hierzu allg. § 8 Rn. 37). Hieraus wurde gefolgert, dass eine Verjährung des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs nicht eintreten könne, weil entweder die 21

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52 Vorauflage/Messer § 21 Rn. 10. 53 So der Einwand von Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl. (1954), Kap. 115 Rn. 7 und – ihm folgend – OLG Schleswig 10.6.1954 – 1 U 199/53 – SchlHA 55, 130. Zu den Rechtsfolgen der Verjährungseinrede bei Unterlassungsansprüchen allg. s. Rn. 101. 54 Staudinger/Peters/Jacoby, § 199 Rn. 107; Borck WRP 1978, 519, f.; ders. WRP 1979, 314, 343 (der insoweit von einem „Unterlassungsanspruch i.w.S.“ spricht); Dittmar GRUR 1979, 288, 289; Rogge GRUR 1963, 345, 346; vgl. auch Fritzsche, Unterlassungsanspruch, S. 476. 55 Fritzsche, Unterlassungsanspruch, S. 121 m.w.N. 56 Vgl. außerdem etwa Teplitzky Kap. 9 Rn. 6 ff. m.w.N. 57 Vgl. BGH 26.4.1990 – I ZR 99/88 – GRUR 1990, 687, 689 – Anzeigenpreis II. 58 BGH 10.11.1965 – Ib ZR 101/63 – GRUR 1966, 623, 626 – Kupferberg; OLG Köln 9.7.1982 – 6 U 50/82 – WRP 1983, 44, 45; OLG Koblenz 28.1.1988 – 6 U 1602/87 – WRP 1988, 557, 558; OLG Stuttgart 28.7.1995 – 2 U 59/95 – NJWE-WettbR 1996, 31, 32. 59 Teplitzky, 8. Aufl. (2002) Kap. 16 Rn. 4 m.w.N. zur älteren Literatur. Allg. verneint die Verjährbarkeit eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs Fritzsche, Unterlassungsanspruch S. 472.

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IV. Anwendungsbereich

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fortbestehende Erstbegehungsgefahr ähnlich einer Dauerhandlung das Anlaufen der Verjährungsfrist verhindere oder aber die Erstbegehungsgefahr entfallen und der Unterlassungsanspruch damit materiellrechtlich erloschen sei.60 Diese Erwägungen zeigen indessen nur praktische Schwierigkeiten hinsichtlich des Eintritts einer Verjährung des Unterlassungsanspruchs, nicht aber dogmatische Gründe für eine generelle Unverjährbarkeit des Anspruchs auf. Daher hält die heute ganz h.M.61 dieser Auffassung – mit Recht – entgegen, dass sich Verletzungs- und vorbeugender Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Verjährbarkeit strukturell nicht unterscheiden. Von praktischer Bedeutung dürfte diese Auseinandersetzung nicht sein. Geht es um 23 eine in verjährter Zeit begangene (abgeschlossene) Verletzungshandlung, die eine Erstbegehungsgefahr begründet, nimmt die heute h.M. Verjährung des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs an.62 In der Rechtsprechung ist demgegenüber anerkannt, dass eine solche Verletzungshandlung – ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – jedenfalls eine andauernde Erstbegehungsgefahr nicht mehr begründen kann.63 Im Ergebnis geht es daher nur darum, ob der aus einem in verjährter Zeit abgeschlossenen Umstand hergeleitete Unterlassungsanspruch verjährt oder materiellrechtlich erloschen ist. c) Schadensersatzanspruch (§ 9). Bereits nach § 21 Abs. 1 a.F. unterfiel der wett- 24 bewerbsrechtliche Schadensersatzanspruch des UWG der kurzen Verjährung. Dementsprechend nimmt nun Absatz 1 auf § 9 Bezug, der den Mitbewerbern gegen denjenigen, der eine nach den §§ 3, 7 unzulässige geschäftliche Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, einen Schadensersatzanspruch gewährt. d) Aufwendungsersatzanspruch für Abmahnungen (§ 12 Abs. 1 S. 2). Einen An- 25 spruch auf Ersatz der durch die Abmahnung verursachten Kosten des Abmahnenden gegen den Abgemahnten hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit nicht nur auf der Grundlage eines wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruchs, sondern auch nach den Grundsätzen einer Geschäftsführung ohne Auftrag gewährt.64 Dabei machte es verjährungsrechtlich keinen Unterschied, auf welcher Grundlage der Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wurde, denn auch den unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag geltend gemachten Anspruch hat der Bundesgerichtshof – der wohl einhelligen Literaturmeinung folgend – der kurzen Verjährung des § 21 a.F. unterstellt.65 Mit der UWG-Reform hat der Gesetzgeber die bisherige Rechtsprechung durch Schaffung eines eigenen Aufwendungsersatzanspruchs für Abmahnkosten in § 12 Abs. 1 S. 2 kodifiziert.66 Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung wurde dieser Anspruch auch – allerdings erst während des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. o. Rn. 4) – durch Aufnahme in Absatz 1 der kurzen Verjährung des § 11 unterworfen.

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60 Teplitzky, 8. Aufl. (2002) Kap. 16 Rn. 5. 61 Fezer/Büscher § 11 Rn. 12; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 14; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 11; Köhler/ Bornkamm § 11 Rn. 1.3; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 20; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 26; Piper/ Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 21; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 11; Teplitzky Kap. 16 Rn. 5. 62 Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 15; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 21; vgl. auch OLG Stuttgart 7.8.1992 – 2 U 85/92 – WRP 1993, 351, 353 (zum früheren § 14 RabattG-DVO). 63 BGH 9.10.1986 – I ZR 158/84 – GRUR 1987, 125 – Berühmung; BGH 5.11.1987 – I ZR 212/85 – GRUR 1988, 313 – Auto F. GmbH; BGH 14.7.1993 – I ZR 189/91 – GRUR 1994, 57, 58 – Geld-zurück-Garantie; BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1176 – Berühmungsaufgabe. 64 Vgl. hierzu ausführlich Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 139 ff. m.w.N. 65 BGH 26.9.1991 – I ZR 149/89 – BGHZ 115, 210 = GRUR 1992, 176 – Abmahnkostenverjährung m.w.N. zur Literatur. 66 Vgl. Begr. Regierungsentwurf, BTDrucks. 15/1487 S. 25.

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§ 11

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Verjährung

Ob auch ein Anspruch auf Erstattung der Kosten des Abschlussschreibens der kurzen Verjährung unterliegt, hängt zunächst von der – streitigen (vgl. hierzu § 12 C Rn. 272 m.w.N.) – Frage der rechtlichen Grundlage dieses Anspruchs ab, ist aber im Ergebnis unabhängig hiervon zu bejahen.67 Bejaht man insoweit eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 1 S. 2, verjährt er gem. § 11 Abs. 1 wie der Kostenerstattungsanspruch für Abmahnkosten in kurzer Frist. Stützt man ihn hingegen weiterhin auf die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag, ist nach den von der erwähnten Rechtsprechung68 zur Abmahnkostenverjährung entwickelten Grundsätzen die kurze wettbewerbsrechtliche Verjährung – durch analoge Anwendung des § 11 Abs. 1 – auf ihn zu erstrecken. e) Sonstige wettbewerbsrechtliche Ansprüche

aa) Gewinnabschöpfungsanspruch (§ 10). Der mit der UWG-Reform 2004 neu geschaffene Gewinnabschöpfungsanspruch des § 10 unterliegt jedenfalls nicht der kurzen Regelverjährung des Absatzes 1. Der ursprüngliche Regierungsentwurf sah dies zwar zunächst noch vor, doch wurde hiervon im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aus Effektivitätsgründen Abstand genommen (vgl. o. Rn. 4). Welcher Verjährungsregelung der Gewinnabschöpfungsanspruch stattdessen unter28 fällt, ist streitig. Nach verbreiteter Ansicht ist er– weil nicht in Absatz 1 genannt – ein „anderer Anspruch“ i.S.d. Absatzes 4 und verjährt demzufolge kenntnisunabhängig in drei Jahren von seiner Entstehung an.69 Das überzeugt indessen aus den bereits dargelegten systematischen Gründen nicht (vgl. o. Rn. 13 ff.). Daher ist der Gegenansicht Vorzug zu geben, nach der es für den Gewinnabschöpfungsanspruch keine wettbewerbsrechtliche Sonderverjährung gibt.70 Der Anspruch verjährt daher nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 195, 199 Abs. 1, 4 BGB. Anders als nach Absatz 4 bestehen daher eine kenntnisabhängige und erst am Jahresschluss beginnende Regelverjährung und eine Verjährungshöchstfrist von zehn Jahren. 27

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bb) Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche. Allgemein anerkannt ist, dass zur Vorbereitung und Durchsetzung eines Hauptanspruchs (insbesondere auf Schadensersatz) unter bestimmten Voraussetzungen ein („unselbständiger“) Anspruch auf Auskunft und u.U. auch auf Rechnungslegung bestehen kann (vgl. im Einzelnen § 9 Rn. 111). Die früher vorherrschende Ansicht nahm an, für diesen vorbereitenden Anspruch gelte wegen seiner Akzessorietät die Verjährungsfrist des Hauptanspruchs.71 Dem liegen zwei zu unterscheidende Überlegungen zugrunde. Zum einen geht es um die Frage einer generellen „akzessorischen Verjährung“ von Hilfsansprüchen. Eine solche kennt das Gesetz indessen nicht.72 Auch ein vorbereitender Auskunfts- oder Rechnungslegungsan-

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67 Fezer/Büscher § 11 Rn. 8; ohne weitere Begründung auch Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 23; Piper/ Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 14. 68 Vgl. Fn. 65. 69 Fezer/Büscher § 11 Rn. 51; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 11; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.3; Piper/Ohly/ Sosnitza § 11 Rn. 32; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 20; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 30. 70 Harte/Hennig/Schulz § 11 Rn. 21; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 39 ff.; Schulz WRP 2005, 274, 275. 71 BGH 18.2.1972 – I ZR 82/70 – GRUR 1972, 558, 560 – Teerspritzmaschinen; OLG Stuttgart 28.9.2001 – 2 U 220/00 – GRUR-RR 2003, 21, 23; Vorauflage/Messer § 11 Rn. 13 m.w.N.; heute noch Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 24; offen gelassen von Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 32. 72 So bereits BGH 2.11.1960 – V ZR 124/59 – BGHZ 33, 373, 379 = NJW 1961, 602, 604.

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IV. Anwendungsbereich

A. Einführung

spruch unterliegt daher jedenfalls einer eigenständigen Verjährung73 mit eigener Frist, eigenem Fristbeginn und nur für ihn eintretender Hemmung bzw. Unterbrechung. Zum anderen stellt sich die Frage, ob dem Charakter von Hilfsansprüchen nicht immerhin zu entnehmen ist, dass sie – auch wenn ihre eigenständige Verjährung noch nicht vollendet ist – nicht später verjähren können als der Hauptanspruch.74 Auch eine solche verjährungsrechtliche Abhängigkeit ist dem Gesetz aber – mit der Ausnahme des § 217 BGB – fremd und daher ebenfalls abzulehnen.75 Allenfalls kann die Verjährung des Hauptanspruchs dazu führen, dass ein (tatbestandliches) berechtigtes Informationsinteresse für einen vorbereitenden Auskunfts- oder Rechnungslegungsanspruch zu verneinen ist.76 Da Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche nicht in Absatz 1 genannt sind, un- 30 terfallen sie jedenfalls nicht der kurzen Regelverjährung. Im Übrigen stellt sich auch hier wieder die Frage, ob sie als „andere Ansprüche“ i.S.d. Absatzes 477 in der dort geregelten Verjährungshöchstfrist oder aber nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 195, 199 Abs. 1, 4 BGB78 verjähren. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt (vgl. o. Rn. 13 ff.), ist der letztgenannten Ansicht der Vorzug zu geben. Damit ist die Frist der regelmäßigen Verjährung eines vorbereitenden Auskunfts- oder Rechnungslegungsanspruchs länger als die des vorzubereitenden Schadensersatzanspruchs. Da die Verjährung des Schadensersatzanspruchs ungeachtet der Kenntnisabhängigkeit – wegen der Möglichkeit einer Feststellungsklage – auch durchaus vor Erteilung der Auskunft bzw. Rechnungslegung beginnen kann, kann somit der Schadensersatzanspruch vor dem Auskunfts- bzw. Rechnungslegungsanspruchs verjähren. Dies schließt aber ein fortbestehendes berechtigtes Informationsinteresse nicht ohne weiteres aus, weil gem. § 215 BGB auch mit dem verjährten Schadensersatzanspruch aufgerechnet werden könnte.79 Umgekehrt ist die Verjährungshöchstfrist des Schadensersatzanspruchs (Absatz 3: 30 Jahre) länger als die eines vorbereitenden Auskunfts- oder Rechnungslegungsanspruchs (§ 199 Abs. 4 BGB: 10 Jahre), so dass der Hilfsanspruch schon verjährt sein könnte, obwohl der Hauptanspruch noch unverjährt ist. Hierin mag eine Unstimmigkeit gesehen werden,80 doch ist es zumindest nachvollziehbar, dass Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche, deren Erfüllung von vorhandener oder zu beschaffender Kenntnis von Umständen abhängt, in einer überschaubaren Zeit verjähren müssen.

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73 BGH 10.12.1987 I ZR 198/85 – GRUR 1988, 533, 536 – Vorentwurf II; Harte/Henning/Bergmann/ Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 28; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 25; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.17; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 47; Teplitzky Kap. 38 Rn. 37. 74 So BGH 2.11.1960 – V ZR 124/59 – BGHZ 33, 373, 379 = NJW 1961, 602, 604; BGH 23.2.1972 – IV ZR 135/70 – NJW 1972, 760, 761; zust. wohl Teplitzky Kap. 38 Rn. 37 Fn. 209 (im Widerspruch zum Text). 75 BGH 3.10.1984 – IVa ZR 56/83 – NJW 1985, 384; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 20; wohl auch Fezer/Büscher § 11 Rn. 17. 76 BGH 3.10.1984 – IVa ZR 56/83 – NJW 1985, 384, 385; BGH 4.10.1989 – IVa ZR 198/88 – BGHZ 108, 393, 399 f. = NJW 1990, 180, 181; Harte/Henning/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 28; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.17; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 20; Teplitzky Kap. 38 Rn. 37. 77 OLG Hamburg 11.2.2009 – 5 U 130/08 – Magazindienst 2010, 55, 65 – Smartsurfer; OLG Hamburg 15.4.2010 – 5 U 106/08 – Magazindienst 2010, 960, 968 – Tribenuronmethyl; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 11; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.17; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 20. 78 Fezer/Büscher § 11 Rn. 17; Harte/Henning/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 28; Harte/Henning/ Schulz § 11 Rn. 25; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 47; Schulz WRP 2005, 274, 275; Teplitzky Kap. 38 Rn. 37. 79 Harte/Henning/Bergmann/Goldmann Vorb. zu § 8 Rn. 28; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 26; Teplitzky Kap. 38 Rn. 37. 80 So Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 27.

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§ 11

Verjährung

2. Mit UWG-Ansprüchen konkurrierende Ansprüche 31

a) Grundsatz. Besteht Anspruchskonkurrenz zwischen Ansprüchen nach dem UWG und Ansprüchen nach anderen Gesetzen, so gilt zunächst der allgemeine Grundsatz, dass jeder Anspruch nach seinen eigenen Regeln verjährt.81 Dies gilt uneingeschränkt für Ansprüche nach dem MarkenG (§ 20 MarkenG i.V.m. §§ 195, 199 BGB) oder dem GWB (§§ 195, 199 BGB, § 33 Abs. 5 GWB) sowie für namens- und firmenrechtliche Ansprüche (§ 12 BGB, § 37 Abs. 2 HGB).82

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b) Deliktische Ansprüche. Bei der Anspruchskonkurrenz zwischen UWG-Ansprüchen und deliktischen Ansprüchen bedarf es hingegen einer differenzierenden Betrachtungsweise. Da ein Wettbewerbsverstoß regelmäßig zugleich den Tatbestand einer Deliktsnorm erfüllt, würde eine uneingeschränkte Anwendung der allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 195, 199 BGB auf solche konkurrierenden deliktischen Ansprüche die wettbewerbsrechtliche Sonderverjährung weitgehend leerlaufen lassen. Liegt der Schwerpunkt des Unrechtsgehalts im Lauterkeitsrecht, muss dem § 11 daher Vorrang gewährt werden;83 er ist dann entsprechend auch auf den deliktischen Anspruch anzuwenden. Das bedeutet im Einzelnen: 33 Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung eines absoluten Rechts oder eines geschützten Rechtsgutes sanktioniert den Verstoß gegen allgemeine, jedermann treffende Verhaltenspflichten, deren Bestand unabhängig von den besonderen wettbewerbsrechtlichen Verhaltenspflichten sind. Insbesondere deliktische Ansprüche wegen der Verletzung eines Namens- oder Firmenrechts verjähren daher auch bei Anspruchskonkurrenz mit UWG-Ansprüchen eigenständig nach §§ 195, 199 BGB.84 Dies gilt aber nicht uneingeschränkt. Da der (bloße) Wettbewerbsverstoß regelmäßig zugleich einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt, ist wegen der lediglich lückenfüllenden Funktion dieses Instituts der sich insoweit ergebende deliktische Schadensersatzanspruch durch den konkurrierenden Anspruch nach dem UWG verdrängt,85 unterliegt aber jedenfalls einer kurzen Verjährung entsprechend § 11.86 Anderes gilt insoweit aber wiederum, wenn der Eingriff in den Gewerbebetrieb über einen Wettbewerbsverstoß hinausreicht, wie dies herkömmlich bei einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung angenommen wird.87

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81 Vgl. hierzu allg. Staudinger/Peters/Jacoby § 195 Rn. 32 ff.; Fezer/Büscher § 11 Rn. 6. 82 Fezer/Büscher § 11 Rn. 6; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 54, 56, 57; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 12; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.5–1.7; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 27; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Schwippert § 83 Rn. 36. 83 Vgl. BGH 10.2.2011 – I ZR 136/09 – BGHZ 188, 326 = GRUR 2011, 444 Tz. 57 – Flughafen FrankfurtHahn. 84 BGH 26.1.1984 – I ZR 195/81 – GRUR 1984, 820, 822 f. – Intermarkt II; abl. Neu GRUR 1985, 335, 344 f.; dagegen zutreffend Vorauflage/Messer § 11 Rn. 45. 85 Sack FS Ullmann, S. 825, 830. 86 BGH 22.12.1961 – I ZR 152/59 – BGHZ 36, 252, 257 = GRUR 1962, 310, 314 – Gründerbildnis (unter Aufgabe der gegenteiligen Auffassung in BGH 29.4.1958 – I ZR 56/57 – GRUR 1959, 31, 33 – Feuerzeug als Werbegeschenk); BGH 27.11.1963 – Ib ZR 49/62 – GRUR 1964, 218, 219 – Düngekalkhandel; BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99, 100 – Brünova; BGH 23.1.1981 – I ZR 48/79 – GRUR 1981, 517, 520 – Rollhocker; OLG Köln 20.12.2000 – 6 U 88/00 – GRUR-RR 2001, 110 – Anspruchsverjährung; Fezer/Büscher § 11 Rn. 7; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 58; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 12; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.8; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 11; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 28; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 37. 87 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.8; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 11, jeweils unter Hinweis auf BGH 15.7.2005 – GSZ 1/04 – BGHZ 164, 1 = GRUR 2005, 882 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung; a.A. Sack FS Ullmann, S, 825, 835.

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IV. Anwendungsbereich

A. Einführung

Bei Schadensersatzansprüchen aus § 823 Abs. 2 BGB wegen einer Schutzgesetzver- 34 letzung muss im Einzelfall geprüft werden, wo der Schwerpunkt des Unrechtsgehalts der Verletzung liegt; liegt sie im Lauterkeitsrecht, ist § 11 entsprechend anzuwenden.88 Die Tatbestände der §§ 824, 826 BGB weisen dagegen stets über das Lauterkeitsrecht hinaus, so dass diese Schadensersatzansprüche auch bei Konkurrenz mit UWG-Ansprüchen stets eigenständig verjähren.89 3. Vertragliche und titulierte Ansprüche a) Unterlassungsansprüche. Das Bestehen eines gesetzlichen Unterlassungsan- 35 spruchs nach § 8 kann zur Begründung eines entsprechenden vertraglichen oder titulierten Unterlassungsanspruchs führen, weil zur Beseitigung der Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr eine strafbewehrte Unterlassungsvereinbarung abgeschlossen oder aber der gesetzliche Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend gemacht wird. Anders als der auf Behebung des gegenwärtigen Gefährdungszustandes gerichtete (Abwehr-) Unterlassungsanspruch des § 8 (vgl. Rn. 19, 21) dient der vertragliche oder titulierte („echte“) Unterlassungsanspruch der Durchsetzung eines bestimmten Verhaltens in der Zukunft.90 Ob und wie ein solcher vertraglicher oder titulierter Unterlassungsanspruch verjähren kann, bereitet Probleme, denen nur durch eine differenzierte Betrachtung begegnet werden kann. aa) Einzelner Unterlassungsanspruch. Der Unterlassungsanspruch als das Recht, 36 von einem anderen ein Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs. 1 BGB), berechtigt den Gläubiger, vom Schuldner in einem Zeitabschnitt die Nichtvornahme einer bestimmten Handlung zu fordern. Bezogen auf den einzelnen Zeitabschnitt kann der einzelne Unterlassungsanspruch seiner Natur nach nicht verjähren.91 Denn für jeden bereits verstrichenen Zeitabschnitt ist dieser Unterlassungsanspruch entweder durch Erfüllung oder Unmöglichkeit – eine Unterlassung für die Vergangenheit kann nicht mehr nachgeholt werden – untergegangen (die Aufhebung von durch eine Zuwiderhandlung eingetretenen und andauernden Störungen ist nicht Gegenstand eines Unterlassungs-, sondern eines Beseitigungsanspruchs). Rechtliche Bedeutung hat er daher nur für die noch nicht angebrochenen Zeitabschnitte und ist daher auf eine künftige Leistung gerichtet. Als ein solcher Anspruch ist er vor Anbruch des – ihn zugleich vernichtenden – jeweili-

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88 BGH 10.2.2011 – I ZR 136/09 – BGHZ 188, 326 = GRUR 2011, 444 Tz. 57 – Flughafen Frankfurt-Hahn; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.9. 89 BGH 22.12.1961 – I ZR 152/59 – BGHZ 36, 252, 256 = GRUR 1962, 310, 314 – Gründerbildnis; BGH 27.11.1963 – Ib ZR 49/62 – GRUR 1964, 218, 220 – Düngekalkhandel; BGH 18.2.1977 – I ZR 112/75 – GRUR 1977, 539, 543 – Prozessrechner; Fezer/Büscher § 11 Rn. 6; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 59 f.; jurisPK/Ernst § 11 Rn. 12; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.10 f.; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 74 f.; Piper/ Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 12; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 28; a.A. Vorauflage/Schünemann Einl. E Rn. 75; Sack FS Ullmann, 825, 838 f.; Schulz WRP 2005, 274, 276. 90 Zur Notwendigkeit der Differenzierung zwischen den gesetzlichen Unterlassungsansprüchen des UWG einerseits und den vertraglichen bzw. titulierten Unterlassungsansprüchen andererseits vgl. Köhler JZ 2005, 489. Da es auch gesetzliche Unterlassungsansprüche gibt, die strukturell den vertraglichen und titulierten Unterlassungsansprüchen entsprechen (z.B. § 60 Abs. 1 HGB, vgl. hierzu RG 1.5.1906 – III 478/05 – RGZ 63, 252), läuft die Trennlinie nicht zwischen gesetzlichen und sonstigen Unterlassungsansprüchen, sondern zwischen (hier sog.) Abwehr-Unterlassungsansprüchen (zu denen auch etwa die Ansprüche gem. §§ 12 S. 2, 541, 590a, 862 Abs. 1 S. 2, 1004 Abs. 1 S. 2, 1053, 1134 Abs. 1 BGB gehören) und „allgemeinen“ (oder „echten“) Unterlassungsansprüchen. 91 Lehmann S. 321; vgl. auch etwa (bezogen auf den Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB nach der hier vertretenen Auffassung allerdings zu Unrecht, vgl. Rn. 19) MünchKommBGB/Baldus § 1004 Rn. 295.

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Verjährung

gen Zeitabschnitts noch nicht fällig.92 Noch nicht fällige Ansprüche können aber im Allgemeinen nicht verjähren. Denn verjähren kann nur ein Anspruch, dessen Befriedigung rechtlich verlangt werden kann.93 Die gegenwärtige Erbringung einer erst für die Zukunft geschuldeten Leistung kann aber rechtlich nicht verlangt werden. Zwar kann u.U. nach Maßgabe der §§ 257 ff. ZPO auch auf künftige Leistung geklagt werden, doch kann auf diesem Wege nur die vorzeitige Titulierung der künftigen Leistungspflicht, nicht aber deren gegenwärtige Durchsetzung erreicht werden. Im Übrigen handelt es sich bei der Klage auf künftige Leistung um eine Sicherungsmöglichkeit zu Gunsten des Gläubigers, dem ihre unterlassene Nutzung verjährungsrechtlich nicht zum Nachteil gereichen kann.94 Dass insoweit für (negative) Unterlassungsansprüche etwas anderes gelten sollte als 37 für (positive) Ansprüche auf künftiges Tun, ist nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich nicht etwa § 199 Abs. 5 BGB entnehmen, dass einzelne Unterlassungsansprüche abweichend vom allgemeinen Grundsatz bereits vor Fälligkeitseintritt verjähren könnten.95 Nach dieser Vorschrift tritt – ebenso wie vor der Schuldrechtsmodernisierung nach § 198 S. 2 BGB a.F. – bei Unterlassungsansprüchen für den Verjährungsbeginn an die Stelle der sonst maßgeblichen Entstehung des Anspruchs die Zuwiderhandlung. Grund der gesetzlichen Entkoppelung des Verjährungsbeginns von der Anspruchsentstehung ist gerade die aufgeschobene Fälligkeit von Unterlassungsansprüchen. Sie stellt sicher, dass der – für die Zukunft bestehende – Unterlassungsanspruch nicht bereits mit seiner Entstehung verjähren kann. Dies belegt auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift: Nach § 158 Abs. 1 des I. Entwurfs des BGB sollte die Verjährung „mit dem Zeitpunkte, in welchem die Befriedigung des Anspruchs rechtlich verlangt werden kann (Fälligkeit)“, beginnen. Nach der Vorstellung der I. Kommission sollte damit die Verjährung beginnen, „wenn das Recht auf ein Tun gerichtet ist, mit der Entstehung desselben, wenn es eine Unterlassung gebiete, mit der den Zustand des Befriedigtseins aufhebenden Zuwiderhandlung“.96 Die II. Kommission, auf die die jetzige Gesetzesfassung zurückgeht, hielt es nicht für ratsam, die Fälligkeit im Zusammenhang mit der Verjährung zu definieren, und entschied, stattdessen begrifflich – ohne inhaltliche Änderung – einerseits für positive Ansprüche an die Entstehung des Anspruchs, anderseits für negative Ansprüche an die (den Zustand des Befriedigtseins aufhebende) Zuwiderhandlung anzuknüpfen.97 Damit ist aber gerade – umgekehrt – zum Ausdruck gebracht, dass auch Unterlassungsansprüche jedenfalls nicht vor Eintritt ihrer Fälligkeit verjähren können.98 38

bb) Stammrecht auf Unterlassung. Das Recht, von einem anderen ein Unterlassen verlangen zu können, beschränkt sich indessen nicht auf den Anspruch auf ein einzelnes Unterlassen zu einer bestimmten logischen Sekunde in der Zukunft, sondern ist vielmehr ein Anspruch auf ein dauerndes (wenn auch ggf. befristetes) Unterlas-

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92 Rogge GRUR 1963, 345, 346. 93 Vgl. nur Mot. I S. 307 = Mugdan Mat. zum BGB, Bd. I S. 521. 94 Lehmann S. 320 m.w.N. 95 A.A. Rogge GRUR 1963, 345, 346. 96 Mot. I S. 307 = Mugdan Mat. zum BGB, Bd. I S. 521. 97 Prot. I S. 209 ff. = Mugdan Mat. zum BGB, Bd. I S. 779 f. 98 Vgl. auch Fritzsche, Unterlassungsanspruch, S. 481, wonach die Regelung eine verjährungsrechtliche Gleichbehandlung von Handlungs- und Unterlassungsansprüchen bezweckt. Soweit Fritzsche FS Rolland, S. 115, 118 f., den Materialien entgegen der hiesigen Darstellung entnimmt, hierfür sei der Verjährungsbeginn (vertraglicher) Unterlassungsansprüche abweichend von der Fälligkeit geregelt worden, dürfte dies auf einem von der Vorstellung des historischen (Verjährungs-) Gesetzgebers abweichenden Fälligkeitsbegriff, vgl. Fritzsche, Unterlassungsanspruch, S. 357 f., beruhen.

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IV. Anwendungsbereich

A. Einführung

sen. Der Unterlassungsanspruch ist mithin ein Dauerschuldverhältnis.99 Die aus diesem Dauerschuldverhältnis laufend fällig werdenden Einzelansprüche auf Unterlassung werden dabei – anders als etwa die von einer Gegenleistung abhängigen Mietzahlungsansprüche – allein aufgrund des auf dauernde Unterlassung gerichteten Anspruchs begründet. Dieser auf dauernde Unterlassung gerichtete Anspruch ist daher etwa einem (durch Rentenversprechen, aber auch als Schadensersatzanspruch begründeten) Rentenrecht vergleichbar, aus dem sich laufend fällig werdende Einzelansprüche auf Rentenzahlung ergeben. Wie diesem liegt daher den einzelnen Ansprüchen auf (künftige) Unterlassung ein Stammrecht100 bzw. Gesamtanspruch auf (dauernde) Unterlassung zugrunde. Die für die generelle Verjährbarkeit von Unterlassungsansprüchen entscheidende 39 Frage ist daher nicht, ob die Einzelansprüche auf (künftige) Unterlassung verjähren können, sondern ob das Stammrecht der Verjährung unterliegt. Dem Gesetz lässt sich die Beantwortung dieser Frage nicht unmittelbar entnehmen.101 Die Verjährbarkeit von Stammrechten, aus denen sich laufend Zahlungsansprüche ergeben, kann nach Sinn und Zweck des Instituts der Verjährung nur bejaht werden: Denn „[e]s kann nicht“ – wie das Reichsgericht102 einmal formuliert hat – „im Sinn des Gesetzgebers gelegen haben, die wirtschaftliche und staatliche Aufgabe der Verjährungseinrichtung aus Erwägungen rechtsbegrifflicher Art weitgehend einzuschränken und seit langen Jahren in Vergessenheit geratene, der Bestimmung nach laufend wiederkehrende Rentenrechte niemals erlöschen zu lassen.“ Dementsprechend gehen Rechtsprechung103 und Literatur104 von der Verjährbarkeit solcher Stammrechte aus. Für Unterlassungsansprüche wird hingegen in der wettbewerbsrechtlichen Literatur vielfach das Stammrecht (bzw. generell der vertragliche oder titulierte Unterlassungsanspruch) als unverjährbar bezeichnet.105 Dahinter steht offenbar keine dogmatische Erwägung, sondern allein die Befürchtung, dass anderenfalls der Unterlassungsschuldner durch eine geringfügige Zuwiderhandlung gem. § 199 Abs. 5 BGB die Verjährung des gesamten Unterlassungsanspruchs in Gang setzen

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99 So BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288, 293 = GRUR 1995, 678, 680 – Kurze Verjährungsfrist; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.15; Teplitzky Kap. 16 Rn. 1; Köhler JZ 2005, 489, 491. 100 So auch etwa Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.15; Teplitzky Kap. 16 Rn. 1. Für generell gesetzesfremd und entbehrlich halten die Annahme eines Stammrechts etwa Staudinger/Peters/Jacoby § 194 Rn. 16. Jedenfalls für Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dürfte sich die verjährungsrechtliche Abspaltung vom Stammrecht aber bereits aus § 197 BGB a.F. ergeben, vgl. BGH 10.1.2012 – VI ZR 96/11 – VersR 2012, 372 Tz. 15 m.w.N. 101 Anders noch § 160 des I. Entwurfs des BGB („Hängen wiederkehrende Leistungen von einem Hauptrecht nicht ab, so beginnt die Verjährung des Anspruchs im Ganzen mit dem Zeitpunkt, in welchem die Verjährung des Anspruchs auf eine Leistung begonnen hat.“); die II. Kommission strich die Vorschrift, weil „die Unterscheidung eines Gesamtanspruchs … nicht aus der Natur der Sache [fließe], … vielmehr auf künstlicher Fiktion“ beruhe, und „[p]raktische Nachteile … aus der Beseitigung der Vorschrift nicht erwachsen“ würden, Prot. I S. 212 = Mugdan Mat. zum BGB, Bd. I S. 782. Daraus wird indessen nicht deutlich, welche praktische Lösung die Kommission für richtig gehalten hat, RG 30.5.1932 – VIII 135/32 – RGZ 136, 427, 431. Die Notwendigkeit der verjährungsrechtlichen Annahme eines Gesamtanspruchs zeigt gerade der Unterlassungsanspruch. 102 RG 30.5.1932 – VIII 135/32 – RGZ 136, 427, 432. 103 Vgl. etwa RG 30.5.1932 – VIII 135/32 – RGZ 136, 427, 432; BGH 12.7.1960 – VI ZR 92/59 – VersR 1960, 949; BGH 11.7.1972 – VI ZR 85/71 – VersR 1972, 1078, 1079; BGH 3.7.1973 – VI ZR 38/72 – NJW 1973, 1684, 1685; BGH 17.10.1978 – VI ZR 213/77 – NJW 1979, 268. 104 Vgl. etwa Bamberger/Roth/Henrich § 194 Rn. 19; MünchKommBGB/Grothe § 194 Rn. 3 m.w.N.; Palandt/Ellenberger § 194 Rn. 7; Soergel/Niedenführ, § 194 n.F. Rn. 4. 105 So etwa von Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.15; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 27 ff.; Palandt/ Ellenberger § 199 Rn. 23; Arens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 24; Teplitzky Kap. 16 Rn. 1; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, S. 477 f.; Köhler GRUR 1996, 231, 232 f.; ders. JZ 2005, 489, 492.

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und sich auf diese Weise von seiner Verpflichtung befreien könnte.106 Diese Befürchtung ist indessen unbegründet. Denn eine einzelne Zuwiderhandlung ist regelmäßig nur eine teilweise Nichterfüllung des Unterlassungsanspruchs und kann daher auch nur für den nichterfüllten Teil des (Gesamt-)Unterlassungsanspruchs (einschließlich der aus ihm erwachsenden Enzelansprüche) die Verjährung in Gang setzen. Hat etwa der zur Unterlassung des Betriebs eines Handelsgewerbes Verpflichtete seiner Verpflichtung durch Eintritt als Gesellschafter in eine Handelsgesellschaft zuwidergehandelt, kann nur der Unterlassungsanspruch in Bezug auf diese Tätigkeit verjähren.107 Daher ist davon auszugehen, dass das Stammrecht auf (dauernde) Unterlassung im 40 Grundsatz zwar verjährbar ist, dass dies aber nur von geringer praktischer Auswirkung ist. Solange der Schuldner pflichtgemäß unterlässt, ist der Unterlassungsanspruch erfüllt und kann folglich auch nicht verjähren.108 Einem erfüllten Unterlassungsanspruch aus einem gerichtlichen Titel kann daher auch nach 30 Jahren nicht die Titelverjährung (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB) entgegengehalten werden.109 Dass der Schuldner damit im Ergebnis auf „ewig“ einem – nicht befristeten – (vertraglichen oder titulierten) Unterlassungsanspruch ausgesetzt ist, 110 ist dabei lediglich Konsequenz des Dauerschuldcharakters des Anspruchs und einer fehlenden Befristung. Verjähren kann der Unterlassungsanspruch nur, soweit ihm zuwidergehandelt wird. Beschränkt sich die Nichterfüllung des Unterlassungsanspruchs auf eine einmalige, punktuelle Zuwiderhandlung, ist dies für die Verjährung des Unterlassungsanspruchs ohne Bedeutung, weil der in der Vergangenheit nichterfüllte Unterlassungsanspruch unmöglich geworden ist, und der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch weiterhin erfüllt wird. Verjähren können insoweit nur durch die Zuwiderhandlung ausgelöste Sekundäransprüche (zu diesen vgl. Rn. 42 ff.). Es bedarf daher auch keiner Verjährungssicherung des Unterlassungsanspruchs durch Geltendmachung eines Abwehr-Unterlassungsanspruchs entsprechend § 8.111 Für einen solchen Anspruch ist auch kein Raum, weil – anders als in den Fällen des § 8 – der Unterlassungsanspruch aufgrund des Vertrages oder des gerichtlichen Titels bereits vorher und unabhängig von der Rechtsverletzung besteht.112 Wird der Unterlassungsanspruch durch eine dauernde Zuwiderhandlung nicht erfüllt, kann der (Teil-)Anspruch auf Unterlassung (nur) dieser Zuwiderhandlung verjähren.113

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106 Vgl. Köhler JZ 2005, 489, 495. 107 Vgl. RG 1.5.1906 – III 478/05 – RGZ 63, 252, 255 f. (zu § 60 Abs. 1 HGB). 108 BGH 16.6.1972 – I ZR 154/70 – BGHZ 59, 72, 74 f. = GRUR 1972, 721 – Kaffeewerbung (zu einem titulierten Unterlassungsanspruch); Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 29; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 7; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 18. 109 BGH 16.6.1972 – I ZR 154/70 – BGHZ 59, 72 = GRUR 1972, 721 – Kaffeewerbung; Fezer/Büscher § 11 Rn. 32; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.18; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 8; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 42; Teplitzky Kap. 16 Rn. 7; Hillinger GRUR 1973, 254; Köhler JZ 2005, 489, 495 (Titelverjährungsfrist läuft leer); Oßenbrügge WRP 1973, 320. Der frühere Widerstand in der Literatur hiergegen, abl. etwa Vorauflage/Messer § 21 Rn. 64; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, S. 492 ff.; ders. FS Rolland, S. 115, 124 ff.; Dittmar GRUR 1979. 288, 290; Krieger GRUR 1972, 696, 697; Fabricius JR 1972, 452, dürfte im Hinblick auf die mit der Schuldrechtsmodernisierung geschaffene Regelung des § 201 S. 1 BGB (vgl. Rn. 52) verstummt sein. 110 Dies erscheint Köhler JZ 2005, 489, 495, „misslich“, ist aber auch bei einem (unbefristeten) Dauerschuldverhältnis, das auf ein (positives) Tun gerichtet ist, nicht anders. Zur Abänderung von Unterlassungstiteln bei Änderung der Sach- oder Rechtslage vgl. Volp GRUR 1984, 486. 111 So aber im Ergebnis Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.15; Köhler JZ 2005, 489, 492 ff. 112 So gerade auch Köhler GRUR 1996, 231, 232. Ob auf künftige Leistung geklagt werden kann, ist insoweit allein nach den §§ 257 ff. ZPO zu beurteilen. 113 Köhler JZ 2005, 489, 492, unterscheidet insoweit zwischen dem der Verjährung unterliegenden (durch die Zuwiderhandlung „begründeten“) „konkreten“ Unterlassungsanspruch und dem nicht verjährenden (durch den Vertrag usw. begründeten) „allgemeinen“ Unterlassungsanspruch.

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IV. Anwendungsbereich

A. Einführung

Auf vertragliche Unterlassungsansprüche, die an die Stelle eines gesetzlichen 41 Anspruchs nach § 8 treten, will die h.M. § 11 entsprechend anwenden,114 was aber nur dann in Betracht kommt, wenn der Vereinbarung nicht zu entnehmen ist, dass die vertragliche Regelung auch verjährungsrechtlich einer gerichtlichen Titulierung gleichstehen soll (vgl. hierzu Rn. 95). Zur Verjährungssicherung bedarf es auch insoweit keines Rückgriffs auf den Rechtsgedanken des § 8, weil der Gläubiger einen einfachen Erfüllungsanspruch hat, der – soweit es um das Abstellen der andauernden Zuwiderhandlung geht – auf eine gegenwärtige und fällige Leistung gerichtet ist. Ist der Unterlassungsanspruch wegen einer (an)dauernden Zuwiderhandlung verjährt, bleibt er aber im Übrigen – soweit er sich gegen andere oder erneute Zuwiderhandlungen richtet – unberührt und verjährt nicht.115 b) Sekundäransprüche aa) Schadensersatzansprüche. Aus der Verletzung einer vertraglichen Unterlas- 42 sungsverpflichtung, die an die Stelle eines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs nach § 8 getreten ist, erwachsende (sekundäre) Schadensersatzansprüche unterliegen wie der vertragliche Unterlassungsanspruch (vgl. Rn. 41) selbst in entsprechender Anwendung des § 11 der kurzen wettbewerbsrechtlichen Verjährung.116 bb) Ansprüche auf verwirkte Vertragsstrafe. Demgegenüber richtet sich die Ver- 43 jährung eines Anspruchs auf verwirkte Vertragsstrafe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs117 stets nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften, also nach §§ 195, 199 BGB;118 § 11 ist insoweit nicht analog anzuwenden. Begründet hat er dies mit dem Sanktionscharakter, den die Vertragsstrafe neben ihrer Funktion als Mindestschadensersatz auch hat und der, würde man den Vertragsstrafeanspruch der kurzen wettbewerbsrechtlichen Verjährung unterwerfen, an Nachdruck und Gewicht verlieren würde.119 cc) Ordnungsmittelverjährung. Die Verjährung von vollstreckungsrechtlichen 44 Ordnungsmitteln i.S.d. § 890 ZPO richtet sich nach Art. 9 EGStGB.120 Für die Festsetzung des Ordnungsmittels gilt die sog. Verfolgungsverjährung i.S.d. Art. 9 Abs. 1

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114 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288, 293 ff. = GRUR 1995, 678, 680 – Kurze Verjährungsfrist; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 31; Fezer/Büscher § 11 Rn. 15; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 13; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.15 (kritischer ders. GRUR 1996, 231, 235); Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 7; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 18. 115 Vgl. Fezer/Büscher § 11 Rn. 15; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 18 Fn. 80; Köhler JZ 2005, 489, 496. 116 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288, 291 ff. = GRUR 1995, 678, 679 f. – Kurze Verjährungsfrist; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 32; Fezer/Büscher § 11 Rn. 15; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.15; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 24; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, S. 487; Ulrich WRP 1996, 379, 381. 117 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61, 62 – Preisvergleichsliste I; BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288, 295 f. = GRUR 1995, 678, 680 f. – Kurze Verjährungsfrist; zust. Fezer/Büscher § 11 Rn. 15; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 33; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 14; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.15; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 59; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 7; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Schwippert § 83 Rn. 18; kritisch Ulrich WRP 1996, 379, 381 f. 118 Zur Problematik des Beginns der Verjährung eines Vertragsstrafeanspruchs vgl. Rieble NJW 2004, 2270, und – a.A. – MünchKommBGB/Grothe § 199 Rn. 7 m.w.N. 119 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288, 296 = GRUR 1995, 678, 680 – Kurze Verjährungsfrist. 120 BGH 5.11.2004 – IXa ZB 18/04 – BGHZ 161, 60, 63 = GRUR 2005, 269 m.w.N.; BGH 17.8.2011 – I ZB 20/11 – GRUR 2012, 427 Tz. 7 – Aufschiebende Wirkung; BGH 7.3.2013 – IX ZR 123/12 – WM 2013, 711 Tz. 23.

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EGStGB von zwei Jahren. Diese beginnt, sobald die (zu unterlassende oder zu duldende) Handlung beendet ist (Art. 9 Abs. 1 S. 3 EGStGB), und ruht, solange nach dem Gesetz das Verfahren zur Festsetzung des Ordnungsgeldes nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann (Art. 9 Abs. 1 S. 4 EGStGB). Bei einer Zuwiderhandlung gegen ein tituliertes wettbewerbsrechtliches Unterlassungsgebot beginnt sie daher grundsätzlich mit der Beendigung der Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot.121 Enthält die Verurteilung zu einem Unterlassen oder einer Duldung die – auch unausgesprochene – vollstreckbare Verpflichtung zu einem positiven Tun, beginnt sie dagegen nicht, solange der Schuldner pflichtwidrig untätig bleibt.122 Sie endet mit der Festsetzung des Ordnungsmittels, auch wenn diese noch nicht rechtskräftig ist.123 Mit der Vollstreckbarkeit des Ordnungsmittels beginnt die Vollstreckungsverjährung i.S.d. Art. 9 Abs. 2 EGStGB von ebenfalls zwei Jahren. Wird gegen die Festsetzung Beschwerde eingelegt, ruht die Vollstreckungsverjährung gem. Art. 9 Abs. 2 S. 4 Nr. 1 EGStGB bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens.124 Die Ordnungsmittelverjährung ist von Amts wegen zu berücksichtigen.125

B. Einzelheiten B. Einzelheiten I. Regelmäßige Verjährung (Absätze 1, 2) I. Regelmäßige Verjährung (Absätze 1, 2) 45

1. Beginn. Die regelmäßige Verjährung der wettbewerbsrechtlichen Ansprüche ist in den Absätzen 1 und 2 geregelt (zum Unterschied zwischen regelmäßiger Verjährung und den Verjährungshöchstfristen der Absätze 3 und 4 vgl. o. Rn. 8 ff.). Nach Absatz 2 beginnt die regelmäßige Verjährung eines unter Absatz 1 fallenden Anspruchs mit seiner Entstehung (§ 11 Abs. 2 Nr. 1), zu der als weitere Voraussetzung hinzutreten muss, dass der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 11 Abs. 2 Nr. 2). Das kumulative Erfordernis objektiver und subjektiver Voraussetzungen entspricht dem bereits nach § 21 Abs. 1 a.F. (und auch nach § 852 Abs. 1 BGB a.F.) geltenden Prinzip. Die Voraussetzungen selbst sind allerdings an § 199 Abs. 1 BGB angeglichen worden (vgl. o. Rn. 4) und weichen daher, was bei der Heranziehung älterer Rechtsprechung und Literatur zu berücksichtigen ist, im Einzelnen von denen des § 21 a.F. ab. a) Objektive Voraussetzung (§ 11 Abs. 2 Nr. 1)

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aa) Entstehung des Anspruchs. Objektiver Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn in § 21 Abs. 1 a.F. war die (wettbewerbswidrige) „Handlung“.126 Nach Absatz 2 Nr. 1 kommt es dagegen darauf an, dass der (aus der nach den §§ 3, 7 unzulässigen

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121 KG 29.11.2011 – 5 W 258/11 – GRURPrax 2012, 48. 122 BGH 25.1.2007 – I ZB 58/06 – WRP 2007, 1104 Tz. 23; OLG Hamburg 6.5.2009 – 5 W 33/09 – Magazindienst 2010, 312, 313 f. 123 BGH 5.11.2004 – IXa ZB 18/04 – BGHZ 161, 60, 64 f. = GRUR 2005, 269 f.; BGH 17.8.2011 – I ZB 20/11 – GRUR 2012, 427 Tz. 7 – Aufschiebende Wirkung. 124 BGH 17.8.2011 – I ZB 20/11 – GRUR 2012, 427 Tz. 8 ff. – Aufschiebende Wirkung. 125 Vgl. nur OLG Düsseldorf 27.12.1999 – 20 W 69/99 – WRP 2002, 464, 466; OLG Frankfurt 19.1.2004 – 6 W 159/03 – Magazindienst 2004, 391, 392. 126 Vgl. hierzu Vorauflage/Messer § 21 Rn. 18 ff. Die Regelung entsprach insoweit § 852 Abs. 1 BGB a.F., der den Verjährungsbeginn des deliktischen Schadensersatzanspruchs objektiv an die unerlaubte Handlung anknüpfte.

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I. Regelmäßige Verjährung (Absätze 1, 2)

B. Einzelheiten

geschäftlichen Handlung resultierende) Anspruch „entstanden“ ist. Mit der Neuregelung im UWG 2004 ist die allgemeine verjährungsrechtliche Regelung des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB, deren Vorgänger wiederum § 198 S. 1 BGB a.F. ist, in das Lauterkeitsrecht übertragen worden. Auch wenn der Begriff der „Entstehung“ des Anspruchs damit eine lange verjährungsrechtliche Tradition hat, ist er doch eher irreführend. Im allgemeinen Sinne ist ein Anspruch entstanden, wenn der vom Gesetz zu seiner Entstehung verlangte Tatbestand vollständig verwirklicht ist, auch wenn der Gläubiger die Leistung in diesem Zeitpunkt noch nicht verlangen kann.127 Indessen kann ein Anspruch nicht verjähren, bevor der Gläubiger überhaupt Recht und Möglichkeit hat, dessen Befriedigung zu verlangen.128 Im verjährungsrechtlichen Sinne ist der Anspruch daher erst in dem Zeitpunkt entstanden, in welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der (auch: Feststellungs-)Klage129 (vgl. hierzu Rn. 47) durchgesetzt werden kann.130 Dies setzt neben der Entstehung des Anspruchs im allgemeinen Sinne regelmäßig seine Fälligkeit voraus.131 Wie insbesondere die zu Schadensersatzansprüchen entwickelten und anerkannten Grundsätze zeigen, auf die noch einzugehen sein wird (s. Rn. 48), kann sich die verjährungsrechtliche Entstehung eines Anspruchs aber auch auf noch nicht fällige Anspruchsteile132 erstrecken.133 Begrifflich können verjährungsrechtliche Entstehung und Fälligkeit daher nicht gleichgesetzt werden.134 bb) Schadensersatzanspruch. Der Beginn der Verjährung eines Schadensersatzan- 47 spruchs nach § 9 UWG erfordert in objektiver Hinsicht neben der nach §§ 3, 7 unzulässigen geschäftlichen Handlung auch die Entstehung eines Schadens. Nach den allgemeinen verjährungsrechtlichen Grundsätzen ist hierfür ausreichend, dass der Schaden als Verschlechterung der Vermögenslage wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, auch wenn er der Höhe nach noch nicht beziffert werden kann oder noch nicht feststeht, ob er bestehen bleibt und damit endgültig wird.135 In diesen Fällen kann der Gläubiger Feststellungsklage erheben und muss dies ggf. auch zur Verjährungssicherung seines Schadensersatzanspruchs tun. Solange dagegen noch offen ist, ob die Verletzungshandlung zu einem Schaden führt, mithin lediglich eine Vermögensgefährdung ohne Auswirkung auf die Bewertung des Gesamtvermögens eingetreten ist, ist der Schadensersatzanspruch im verjährungsrechtlichen Sinne noch nicht entstanden.136 Die Rechtsprechung fasst die durch eine in sich abgeschlossene Verletzungs- 48 handlung ausgelösten Schadensfolgen verjährungsrechtlich als einheitliches Ganzes

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127 Vgl. nur BGH 23.1.2001 – X ZR 247/98 – NJW 2001, 1724 m.w.N. 128 Vgl. BGH 16.6.1972 – I ZR 154/70 – BGHZ 59, 72, 74 = GRUR 1972, 721 – Kaffeewerbung. 129 Die Möglichkeit einer Klage auf künftige Leistung (§§ 257 ff. ZPO) genügt nicht, Soergel/Niedenführ § 199 n.F. Rn. 12. 130 Vgl. nur BGH 4.6.2002 – XI ZR 361/01 – BGHZ 151, 47, 51 = NJW 2002, 2707, 2708 m.w.N. 131 Vgl. nur BGH 23.1.2001 – X ZR 247/98 – NJW 2001, 1724, 1725 m.w.N. 132 Dagegen kann ein selbständiger Anspruch vor Eintritt seiner Fälligkeit nicht verjähren, irreführend daher Fezer/Büscher § 11 Rn. 23. 133 Vgl. Rechtsausschuss zu § 199 BGB-E, BTDrucks. 14/7052 S. 180. 134 Dementsprechend sind auch zwei Versuche des Gesetzgebers, den Verjährungsbeginn begrifflich an die Fälligkeit zu knüpfen, gescheitert. Zu § 158 Abs. 1 BGB E I vgl. bereits Rn. 37. Auch § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB in der Fassung des RegE verlangte, dass „der Anspruch fällig ist“. Im Hinblick auf die Rechtsprechung zur Schadenseinheit (Rn. 48), der die Grundlage nicht entzogen werden sollte, hat sich der Rechtsausschuss für die Beibehaltung des Begriffs der „Entstehung“ ausgesprochen, BTDrucks. 14/7052 S. 180. 135 St. Rspr., vgl. nur BGH 17.2.1971 – VIII ZR 4/70 – BGHZ 55, 340, 341 = NJW 1971, 979; BGH 11.10.2001 – III ZR 288/00 – NJW 2002, 888, 890, jeweils m.w.N. Zum Lauterkeitsrecht vgl. Fezer/Büscher § 11 Rn. 24. 136 BGH 28.10.1993 – IX ZR 21/93 – BGHZ 124, 27, 30 = NJW 1994, 323, 325; BGH 8.7.2010 – III ZR 249/09 – BGHZ 186, 152 = NJW 2010, 3292 Tz. 24, jeweils m.w.N.

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auf. Ist der Schadensersatzanspruch auch nur wegen irgendeines Teilschadens verjährungsrechtlich entstanden, wird nach diesem Verständnis eine einheitliche Verjährung für den Anspruch in Gang gesetzt, die sämtliche Schadensfolgen erfasst, auch wenn diese erst nachträglich eintreten.137 Ausgenommen sind nur solche künftigen Schadensfolgen, deren Eintritt nicht voraussehbar war.138 Dieser sog. Grundsatz der Schadenseinheit hat in der Literatur – von vereinzelten Stimmen139 abgesehen – breite Zustimmung gefunden140 und ist mit der heutigen Formulierung des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch vom Gesetzgeber gebilligt worden.141 Ist ein Schadensersatzanspruch nur teilweise bezifferbar bzw. sind weitere Schadensfolgen voraussehbar, kann es daher ggf. erforderlich sein, wegen des weiteren, noch nicht zu beziffernden Schadens bzw. wegen des künftigen Schadens verjährungssichernde Maßnahmen – insbesondere die Erhebung einer entsprechenden Feststellungsklage – vorzunehmen. 49 Mehrere selbständige (d.h. nicht als bloße unselbständige Vertiefung oder Wiederholung einer ersten Verletzungshandlung anzusehende) Verletzungshandlungen begründen jeweils einen eigenständigen Schadensersatzanspruch, für den die Verjährung mit den jeweils durch die anspruchsbegründende Handlung verursachten Schäden gesondert beginnt.142 Dies gilt auch, soweit mehrere Verletzungshandlungen jeweils für sich zu einem Gesamtschaden beigetragen haben.143 Strafrechtliche Begriffe wie die natürliche Handlungseinheit und die fortgesetzte Handlung spielen für die zivilrechtliche Beurteilung von Schadensersatzansprüchen keine Rolle.144 Auf Dauerhandlungen, die fortlaufend weiteren Schaden verursachen, sind – eine befriedigende Abgrenzung insbesondere zu wiederholten Handlungen lässt sich kaum finden und eine unterschiedliche Behandlung schwerlich rechtfertigen145 – diese Grundsätze zu übertragen. Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus solchen Dauerhandlungen beginnt daher – anders als bei Unterlassungsansprüchen (s. dazu Rn. 51) – nicht einheitlich erst mit ihrer Beendigung,146 sondern fortlaufend nach Zeitabschnitten.147

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137 St. Rspr., vgl. nur BGH 1.12.2005 – IX ZR 115/01 – NJW-RR 2006, 694, 696; BGH 23.3.2011 – IX ZR 212/ 08 – NJW 2011, 2443 Tz. 10, jeweils m.w.N.; speziell zum Lauterkeitsrecht vgl. BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – GRUR 1990, 221, 223 (in BGHZ 107, 117 insoweit nicht abgedr.) – Forschungskosten; BGH 27.4.1995 – I ZR 11/93 – GRUR 1995, 608, 609 – Beschädigte Verpackung II. 138 Vgl. hierzu BGH 16.11.1999 – VI ZR 37/99 – NJW 2000, 861, 862 m.w.N. 139 Staudinger/Peters/Jacoby § 199 Rn. 47 ff.; Peters JZ 1983, 121. 140 Etwa MünchKommBGB/Grothe § 199 Rn. 26; Soergel/Niedenführ § 199 n.F. Rn. 20, und zum Lauterkeitsrecht Fezer/Büscher § 11 Rn. 24; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 78; Teplitzky Kap. 32 Rn. 4. 141 Vgl. Fn. 133. 142 BGH 14.2.1978 – X ZR 19/76 – BGHZ 71, 86, 94 = GRUR 1978, 492, 495 – Fahrradgepäckträger II; BGH 26.1.1984 – I ZR 195/81 – GRUR 1984, 820, 822 – Intermarkt II; BGH 27.4.1995 – I ZR 11/93 – GRUR 1995, 608, 609 – Beschädigte Verpackung II; BGH 14.1.1999 – I ZR 203/96 – GRUR 1999, 751, 754 – Güllepumpen; Fezer/Büscher § 11 Rn. 26. 143 BGH 24.3.2011 – III ZR 81/10 – NJW-RR 2011, 842 Tz. 11; BGH 22.9.2011 – III ZR 186/10 – NJW-RR 2012, 111 Tz. 9, jeweils m.w.N. 144 Vgl. BGH 14.2.1978 – X ZR 19/76 – BGHZ 71, 86, 94 = GRUR 1978, 492, 495 – Fahrradgepäckträger II; BGH 20.2.2003 – III ZR 224/01 – NJW 2003, 1308, 1313 (in BGHZ 154, 54 nicht abgedr.); Fezer/Büscher § 11 Rn. 28; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 94. 145 Vgl. Fezer/Büscher § 11 Rn. 30; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 114. 146 So aber Vorauflage/Messer § 21 Rn. 24; ders. FS Helm, S. 111, 120; Neu GRUR 1985, 335, 339. 147 BGH 23.1.1981 – I ZR 48/79 – GRUR 1981, 517, 520 – Rollhocker; Fezer/Büscher § 11 Rn. 30; Harte/ Henning/Schulz § 11 Rn. 79; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 18; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.21; MünchKommUWG/ Fritzsche § 11 Rn. 114; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 23; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 18; Teplitzky Kap. 32 Rn. 5.

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I. Regelmäßige Verjährung (Absätze 1, 2)

B. Einzelheiten

cc) Unterlassungsansprüche (1) Gesetzliche (Abwehr-)Unterlassungsansprüche. Für den Verjährungsbeginn 50 der gesetzlichen Unterlassungsansprüche des § 8 gilt – unabhängig davon, ob es sich um einen Verletzungsunterlassungsanspruch oder um einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch handelt – im Ausgangspunkt nichts anderes. Diese Ansprüche werden durch den Eintritt einer (regelmäßig aufgrund der Erstbegehung vermuteten) Wiederholungsoder einer (konkret begründeten) Erstbegehungsgefahr – als auf gegenwärtige Leistung gerichtet (vgl. o. Rn. 18 ff.) – begründet und können dann mit Gefahreintritt geltend gemacht werden (vgl. § 8 Abs. 1 S. 1 Fall 2: „kann … bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden“; § 8 Abs. 1 S. 2: „Der Anspruch … besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung … droht.“). Damit sind sie auch im verjährungsrechtlichen Sinne entstanden. Auf eine „Zuwiderhandlung“ i.S.d. § 199 Abs. 5 BGB kommt es insoweit nicht an, sie liegt auch nicht vor.148 Dies gilt nicht nur für den vorbeugenden Unterlassungsanspruch. Auch die eine Wiederholungsgefahr auslösende Erstbegehung ist keine „Zuwiderhandlung“ in diesem Sinne, weil damit eine Verletzung des bestehenden (bis dahin ordnungsgemäß erfüllten) Unterlassungsanspruchs gemeint ist, die Erstbegehung den Verletzungsunterlassungsanspruch aber erst begründet.149 Dementsprechend ist im Gesetzgebungsverfahren auch davon Abstand genommen worden, § 11 um einen dem § 199 Abs. 5 BGB entsprechenden Absatz zu ergänzen.150 Einigkeit besteht darüber, dass wiederholte Verletzungshandlungen – auch bei 51 völliger Gleichartigkeit – jeweils einen neuen Unterlassungsanspruch begründen, der eigenständig verjährt.151 Dauerhandlungen können im Ergebnis nicht anders beurteilt werden, denn es kann für die Anspruchsverjährung keinen Unterschied machen, ob – um ein Beispiel aus der Literatur152 aufzugreifen – der Verletzer das wettbewerbswidrige Plakat einmal im Schaufenster für mehrere Monate sichtbar aufstellt, ob er das dort einmal aufgestellte Plakat jeden Morgen bei Geschäftsbeginn durch Öffnung der Rollläden sichtbar macht oder ob er es jeden Morgen erneut in sein Schaufenster stellt. Die Verjährung eines Unterlassungsanspruchs wegen einer solchen Dauerhandlung kann daher nicht vor dem Ende der Dauerhandlung beginnen. Auch hierüber dürfte im Ergebnis stets Einigkeit bestanden haben.153 Begründen lässt sich dies heute aber nicht mehr – wie unter der Geltung des § 21 a.F. – damit, dass erst mit der Beendigung die die Verjährung

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148 Vgl. zu § 11 unter Hinweis auf die fehlende Übernahme einer dem § 199 Abs. 5 BGB entsprechende Regelung (hierzu Fn. 150) auch Fezer/Büscher § 11 Rn. 12; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 14. Dies gilt aber gleichermaßen für die (Abwehr-) Unterlassungsansprüche nach §§ 12 S. 2, 541, 590a, 862 Abs. 1 S. 2, 1004 Abs. 1 S. 2, 1053, 1134 Abs. 1 BGB. A.A. (§ 198 S. 2 BGB a.F./§ 199 Abs. 5 BGB ist auch auf AbwehrUnterlassungsansprüche anwendbar) etwa Fritzsche, Unterlassungsanspruch, S. 481 f.; ders. FS Rolland, S. 115, 120 ff. 149 Vgl. bereits Vorauflage/Messer § 21 Rn. 18. 150 Vgl. die Antwort der Bundesregierung auf einen entsprechenden Vorschlag des Bundesrats, BTDrucks. 15/1487 S. 44. 151 BGH 11.3.2004 – I ZR 81/01 – GRUR 2004, 517, 519 – E-Mail-Werbung; OLG München 2.12.2004 – 29 U 3475/04 – Magazindienst 2005, 241, 246; OLG Köln 1.6.2007 – 6 U 232/06 – Magazindienst 2008, 526, 528; OLG Stuttgart 29.11.2012 – 2 U 64/12 – WRP 2013, 525, 531 f.; OLG Schleswig 19.3.2014 – 6 U 31/13 – WRP 2014, 746, 748; Fezer/Büscher § 11 Rn. 26; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 109. 152 Neu GRUR 1985, 335, 337. 153 BGH 27.2.2003 – I ZR 25/01 – GRUR 2003, 448, 450 – Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft; OLG Köln 1.6.2007 – 6 U 232/06 – Magazindienst 2008, 526, 527; OLG Hamm 2.7.2009 – I-4 U 43/09 – GRUR-RR 2010, 216, 217; OLG Hamm 31.1.2012 – I-4 U 100/11 – GRUR-RR 2012, 285, 287; OLG Stuttgart 29.11.2012 – 2 U 64/12 – WRP 2013, 525, 526; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.21.

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§ 11

Verjährung

in Gang setzende „Handlung“ vollendet sei.154 Vielmehr ist jetzt davon auszugehen, dass mit der andauernden Verletzung der Unterlassungsanspruch laufend neu entsteht und dementsprechend neu verjähren kann.155 Dass er – anders als Schadensersatzansprüche (vgl. Rn. 49) – nicht ratierlich verjährt, liegt nicht in einer verjährungsrechtlichen Andersbehandlung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen,156 sondern alleine daran, dass der Unterlassungsanspruch seinem Inhalt stets nur auf die „ganze“ Unterlassung gerichtet sein kann. Von der Dauerhandlung abzugrenzen ist die (abgeschlossene) Einzelhandlung mit Dauerwirkung, bei der ein einheitlicher Unterlassungsanspruch bereits mit dem Ende der Einzelhandlung im verjährungsrechtlichen Sinne beginnt.157 Die Abgrenzung ist danach vorzunehmen, ob die andauernde Störung noch vom Verletzer (durch aktives Tun) beeinflusst wird oder (durch ein Unterlassen) beeinflusst werden kann. 158 So sind z.B. wettbewerbsverletzende Firmenbezeichnungen, 159 Ladenwerbungen oder Internetauftritte160 Dauerhandlungen, während etwa die Zusendung eines wettbewerbsverletzenden Rundschreibens,161 die unberechtigte Verwertung eines Forschungsergebnisses in einem Genehmigungsantrag162 oder eine wettbewerbswidrige Zeitungsannonce163 Einzelhandlungen mit Dauerwirkung sind. 52

(2) Vertragliche und titulierte Unterlassungsansprüche. Anders zu beurteilen sind („echte“) Unterlassungsansprüche, die unabhängig von einer Wiederholungsoder Erstbegehungsgefahr unmittelbar durch Vertrag (insbesondere aufgrund einer Unterwerfungserklärung) oder Titulierung164 (aber auch durch Gesetz, vgl. z.B. § 60 Abs. 1 HGB)165 begründet werden (vgl. zu diesen Rn. 35 ff.). Diese Ansprüche können erst geltend gemacht werden, wenn (und soweit) sie nicht (mehr) erfüllt werden. Bei ihnen kann für den Verjährungsbeginn daher nicht an die Entstehung des Anspruchs (gemäß Gesetz, durch Vertrag oder aufgrund Vollstreckbarkeit des Urteils), sondern gem. § 199 Abs. 5 BGB (der gem. § 201 S. 2 BGB entsprechend auch für die Titelverjährung

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154 Vgl. etwa Vorauflage/Messer § 21 Rn. 24. Im Ergebnis heute noch ähnlich (Verjährungsbeginn wird bis zur Beendigung hinausgeschoben) Fezer/Büscher § 11 Rn. 26; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 7. 155 Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 72; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 18; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 103; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 9; Teplitzky Kap. 16 Rn. 3; Schulz WRP 2005, 274, 278. 156 So aber Vorauflage/Messer § 21 Rn. 24. 157 OLG Köln 1.6.2007 – 6 U 232/06 – Magazindienst 2008, 526, 527. 158 Vgl. OLG Köln 1.6.2007 – 6 U 232/06 – Magazindienst 2008, 526, 528; Fezer/Büscher § 11 Rn. 26; jurisPK/Ernst § 11 Rn. 19; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 7. Nach Vorauflage/Messer § 21 Rn. 26 soll es darauf ankommen, ob die andauernden Wirkungen noch vom Verletzerwille gesteuert werden oder nicht. 159 Vgl. etwa BGH 26.1.1984 – I ZR 195/81 – GRUR 1984, 820, 822 – Intermarkt II; BGH 27.2.2003 – I ZR 25/01 – GRUR 2003, 448, 450 – Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft. 160 Vgl. etwa OLG Hamburg 24.2.2005 – 5 U 72/04 – Magazindienst 2005, 1197, 1204 – TFT-Display; OLG Hamm 25.9.2008 – I-4 U 91/08 – GRUR-RR 2009, 186, 189. 161 Vgl. etwa BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99, 100 – Brünova. 162 Vgl. etwa BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – GRUR 1990, 221, 223 (in BGHZ 107, 117 insoweit nicht abgedr.) – Forschungskosten. 163 Die Verletzungshandlung ist mit ihrem Erscheinen abgeschlossen, OLG Köln 1.6.2007 – 6 U 232/06 – Magazindienst 2008, 526, 527 f.; Fezer/Büscher § 11 Rn. 26; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.23; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 7; a.A. (erst nach Ende der üblichen Ende der Lesezeit abgeschlossene Dauerhandlung) Vorauflage/Messer § 21 Rn. 26. 164 Vgl. BGH 16.6.1972 – I ZR 154/70 – BGHZ 59, 72, 75 = GRUR 1972, 721 – Kaffeewerbung (wo offenbleibt, ob eine Zuwiderhandlung geeignet wäre, die Verjährung des titulierten Anspruchs auf fernere Unterlassung beginnen zu lassen). 165 Vgl. RG 1.5.1906 – III 478/05 – RGZ 63, 252.

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I. Regelmäßige Verjährung (Absätze 1, 2)

B. Einzelheiten

gilt)166 erst an eine Zuwiderhandlung gegen die – vereinbarte oder titulierte – Unterlassungspflicht angeknüpft werden.167 dd) Beseitigungs- und Erstattungsansprüche. Für den Beseitigungsanspruch 53 gilt das zu den Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen des UWG Gesagte im Grundsatz entsprechend. Er entsteht im verjährungsrechtlichen Sinne, wenn die fortdauernde Beeinträchtigung vorauszusehen war und zum Gegenstand einer Beseitigungsklage gemacht werden konnte.168 Die Verjährung des Anspruchs erfasst daher – entsprechend dem Grundsatz der Schadenseinheit (vgl. zu diesem Rn. 48) – auch alle von dieser Störung ausgehenden, vorhersehbaren künftigen Beeinträchtigungen, was insbesondere dann von Bedeutung ist, wenn von einer einzelnen Verletzungshandlung Dauerwirkungen ausgehen (z.B. Widerrufsanspruch wegen bestimmter, fortwirkender Äußerungen). Wiederholte Verletzungshandlungen können jeweils neue Beseitigungsansprüche auslösen, die eigenständig verjähren. Bei einer Dauerhandlung kann die Verjährung – wie bei den Unterlassungsansprüchen des UWG (vgl. Rn. 51) – nicht vor deren Ende beginnen.169 Der Abmahnkostenerstattungsanspruch nach § 12 Abs. 1 S. 2 setzt eine Abmah- 54 nung i.S.d. § 12 Abs. 1 S. 1 voraus und entsteht verjährungsrechtlich, wenn eine ordnungsgemäße Abmahnung an den Schuldner in einer Form abgesandt worden ist, die einen Zugang erwarten lässt.170 b) Subjektive Voraussetzung (§ 11 Abs. 2 Nr. 2) aa) Allgemeines. Nach Absatz 2 Nr. 2 muss für den Verjährungsbeginn zur An- 55 spruchsentstehung die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners hinzukommen. Die Anknüpfung an die Kenntnis des Gläubigers ist nicht neu, denn bereits § 21 Abs. 1 a.F. ließ (ebenso wie die Vorgängervorschrift § 11 Abs. 1 UWG 1896) die Verjährung nicht beginnen, bevor der Gläubiger Kenntnis von Handlung und Person des Verpflichteten erlangt hat. § 21 Abs. 1 a.F. ähnelte insoweit § 852 Abs. 1 BGB a.F., so dass bereits in der Vergangenheit nahelag, für die nähere Bestimmung der Anforderungen an die Kenntnis des Gläubigers Literatur und Rechtsprechung zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. zu berücksichtigen.171 Die jetzige Regelung in Absatz 2 ist zwar unmittelbar § 199 Abs. 1 BGB nachgebildet (s. Rn. 4). § 199 Abs. 1 BGB ist aber wiederum – soweit es um die Anknüpfung an die positive Kenntnis geht – dem Modell des früheren § 852 Abs. 1 BGB a.F. gefolgt.172 Es kann daher nicht nur für die Auslegung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB,173 sondern auch für die des § 11 Abs. 2 Nr. 2174 (weiterhin) auf die Rechtsprechung zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. (und natürlich die zu § 21 Abs. 1 a.F.) zurückgegriffen werden.

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166 Vgl. Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.18; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 14; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Schwippert § 83 Rn. 42; Teplitzky Kap. 16 Rn. 7 Fn. 22. 167 Borck WRP 1979, 314, 346 f., und Rn. 32 m.w.N. 168 BGH 3.12.1968 – VI ZR 140/67 – GRUR 1969, 236, 238 f. – Ostflüchtlinge; BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99, 100 – Brünova. 169 BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99, 100 – Brünova; Fezer/Büscher § 11 Rn. 29. 170 OLG Hamburg 15.4.2010 – 5 U 106/08 – Magazindienst 2010, 960, 967 – Tribenuronmethyl; Harte/ Henning/Schulz § 11 Rn. 83; a.A. Ungewitter GRUR 2012, 697, 699: Abmahnkostenerstattungsanspruch ist Hilfsanspruch, dessen Verjährung zugleich mit der des auf Unterlassung gerichteten Hauptanspruchs beginnt. 171 Vgl. Vorauflage/Messer § 21 Rn. 31. 172 Vgl. Begr. SchuldRModG-E, BTDrucks. 14/6040 S. 102, 108. 173 BGH 3.6.2008 – XI ZR 319/06 – NJW 2008, 2576 Tz. 27 m.w.N. 174 BGH 14.5.2009 – I ZR 82/07 – GRUR 2009, 1186 Tz. 22 – Mecklenburger Obstbrände.

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§ 11

Verjährung

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Neu – in Absatz 2 Nr. 2 ebenso wie in dem insoweit nachgebildeten § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB – hingegen ist, dass auch die grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers genügt. Hieraus ergibt sich – zumal unter Berücksichtigung der Kürze der Verjährungsfrist – eine Erleichterung der Verjährung zu Lasten des Gläubigers. Allerdings hat auch die Rechtsprechung zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. in Fällen, in denen es der Geschädigte versäumt hat, eine gleichsam auf der Hand liegende Kenntnismöglichkeit wahrzunehmen, und letztlich das Sichberufen auf die Unkenntnis als Förmelei erscheint, weil jeder andere in der Lage des Geschädigten unter denselben konkreten Umständen die Kenntnis gehabt hätte, dem Rechtsgedanken des § 162 BGB folgend die Verjährung bereits dann beginnen lassen, wenn es dem Geschädigten möglich war, sich die erforderlichen Kenntnisse in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe und ohne besondere Kosten zu beschaffen.175 An diese Rechtsprechung sowie an den Grundsatz der Schadenseinheit (s. hierzu Rn. 48), der die bloße Voraussehbarkeit von Schadensfolgen genügen lässt,176 hat der Gesetzgeber des SchuldRModG angeknüpft und gemeint, die Gleichstellung von positiver Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis sei vom früheren Maßstab des § 852 Abs. 1 BGB „nicht weit entfernt“.177 Gleichwohl sind aber die Voraussetzungen einer grob fahrlässigen Unkenntnis i.S.d. Absatzes 2 Nr. 2 und des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB jedenfalls im Ausgangspunkt (vgl. aber Rn. 66) eigenständig zu bestimmen.178

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bb) Subjektiver Bezugspunkt. Die Voraussetzungen des Absatzes 2 Nr. 2 müssen in der Person des Gläubigers des Anspruchs eintreten. Die (auch insoweit an § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB angeglichene) Gesetzesformulierung weicht hier von dem auf die Kenntnis des „Anspruchsberechtigten“ abstellenden § 21 Abs. 1 a.F. ab, eine inhaltliche Änderung ist damit aber nicht verbunden. Gläubiger in diesem Sinne ist nicht nur der Inhaber des Anspruchs, sondern auch derjenige, der unter Ausschluss einer konkurrierenden Befugnis des Inhabers allein über den Anspruch verfügungsbefugt ist, wie insbesondere der Insolvenzverwalter.179 Es kommt auf die Kenntniserlangung bzw. grobe Fahrlässigkeit i.S.d. Absatzes 2 Nr. 2 als Gläubiger an: Wird eine Forderung übertragen, wirkt eine zuvor aufgrund des Vorliegens der subjektiven Voraussetzungen in der Person des Zedenten bereits angelaufene Verjährung auch gegen den Zessionar; eine Kenntniserlangung durch den Zedenten nach der Übertragung ist dagegen folgenlos, dann kommt es allein auf die Person des Zessionars an.180 Entsprechendes gilt für den Übergang der Verfügungsbefugnis durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.181 Haben wegen eines Wettbewerbsverstoßes mehrere Gläubiger – z.B. mehrere Mitbewerber – Ansprüche gegen den Schuldner, kommt es für jeden Anspruch auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des jeweiligen Gläubigers an, so dass die Verjährung jeweils unabhängig voneinander beginnt. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen Mitbewerbern einerseits und nach § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 klagebefugten Verbänden, Einrichtungen und Kammern anderer-

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175 Vgl. nur BGH 15.3.2011 – II ZR 204/09 – NJW 2011, 2427 Tz. 26 m.w.N. 176 Kritisch hierzu Vorauflage/Messer § 21 Rn. 34. Dogmatisch gehört der Grundsatz zur Schadenseinheit nicht zu den subjektiven Voraussetzungen der Verjährung, sondern zur Anspruchsentstehung als ihrer objektiven Voraussetzung und findet auch in Fällen des kenntnisunabhängigen Verjährungsbeginns (hier: Absätze 3, 4) Anwendung, MünchKommBGB/Grothe § 199 Rn. 9. 177 Begr. zu § 199 BGB-E, BTDrucks. 14/6040 S. 108. 178 MünchKommBGB/Grothe § 199 Rn. 28. 179 Vgl. Staudinger/Peters/Jacoby § 199 Rn. 55. 180 Vgl. hierzu nur Bamberger/Roth/Spindler § 199 Rn. 39; BGH 30.4.2014 – IV ZR 30/13 – ZEV 2014, 304, 305 Tz. 13 mit umfangreichen Nachweisen zur Rspr. 181 Offen gelassen von BGH 29.9.2008 – II ZR 234/07 – NJW 2009, 68 Tz. 21.

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I. Regelmäßige Verjährung (Absätze 1, 2)

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seits. Da letztere eigene, von Ansprüchen etwaiger Informationsgeber unabhängige Ansprüche geltend machen, müssen sie sich eine vorherige Kenntnis eines Informationsgebers nicht zurechnen lassen.182 Die subjektiven Voraussetzungen für den Verjährungsbeginn müssen im Grundsatz 58 in der Person des Gläubigers selbst vorliegen. Ist der Gläubiger geschäftsunfähig oder nur beschränkt geschäftsfähig, kommt es auf Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis seines gesetzlichen Vertreters an.183 Handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder um eine Personenhandelsgesellschaft, sind Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der vertretungsberechtigten Gesellschafter maßgeblich. Bei einer juristischen Person (auch einer des öffentlichen Rechts wie etwa die in § 8 Abs. 3 Nr. 4 genannten Kammern) als Gläubigerin entscheiden Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Vertretungsorgans.184 Dies gilt auch für die Verbände, Einrichtungen und Kammern i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2–4, so dass etwaige Kenntnisse ihrer Mitglieder unschädlich sind.185 Ist vom Gesetz oder aufgrund Gesellschaftsvertrags bzw. Satzung Gesamtvertretung angeordnet, genügt – in entsprechender Heranziehung des für die Passivvertretung geltenden allgemeinen Grundsatzes186 – das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns in der Person nur eines187 Vertreters bzw. Organmitglieds. Der Vertreter bzw. das Organmitglied, das selbst der Schuldner ist, kann indessen dem Gläubiger die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis nicht vermitteln.188 Besonderheiten gelten bei arbeitsteiliger Organisation des Gläubigers. Hat dieser 59 einen Dritten mit der Tatsachenermittlung gerade zur Durchsetzung desjenigen Anspruchs beauftragt, um dessen Verjährung es konkret geht, kommt es auf die Kenntnis dieses sog. „Wissensvertreters“ an. Wissensvertreter in diesem Sinne sind etwa die Mitarbeiter der Stelle, die nach der betrieblichen Organisation für die Aufnahme und Weiterleitung wettbewerbsrechtlich relevanter Informationen zum Zwecke der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zuständig sind oder von denen dies aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen typischerweise erwartet werden kann,189 auch aber etwa hiermit beauftragte oder sonst zuständige190 Externe, z.B. Rechtsanwälte. Eine solche „Wissensvertretung“ wirkt in zwei Richtungen: Zum einen muss sich der Gläubiger die Kenntnis seines Wissensvertreters analog § 166 Abs. 1 BGB (der unmittelbar nur Willens-

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182 OLG Bamberg 27.9.2006 – 3 U 363/05 – GRUR 2007, 167 Gewerbe-E-Mail. Zu § 21 a.F. ebenso KG 7.1.1992 – 5 U 7 575/89 – WRP 1992, 564, 566. 183 Vgl. (jeweils zu § 852 Abs. 1 BGB a.F.) BGH 23.9.2004 – IX ZR 421/00 – NJW-RR 2005, 69 Tz. 10; BGH 10.10.2006 – VI ZR 74/05 – NJW 2007, 217 Tz. 21, jeweils m.w.N. 184 Vgl. etwa BGH 15.3.2011 – II ZR 301/09 – NJW-RR 2011, 832 Tz. 10 (zu § 199 BGB). 185 OLG Karlsruhe 9.1.2006 – 4 U 174/05 – GRUR-RR 2007, 51, 53. 186 Vgl. §§ 26 Abs. 2 S. 2, 1629 Abs. 1 S. 2 BGB, § 125 Abs. 2 S. 3 HGB, § 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG, § 78 Abs. 2 S. 2 AktG, § 25 Abs. 1 S. 3 GenG, § 170 Abs. 3 ZPO und hierzu BGH 17.9.2001 – II ZR 378/99 – BGHZ 149, 28, 31. 187 BGH 8.12.1989 – V ZR 246/87 – BGHZ 109, 327, 331 = NJW 1990, 975, 976 m.w.N. Enger etwa MünchKommBGB/Grothe § 199 Rn. 33: es „ist grundsätzlich die subjektive Situation desjenigen Organs maßgebend, dem die Vertretung im Prozess obliegt;“ im Ergebnis ähnlich BGH 20.1.1976 – VI ZR 15/74 – NJW 1976, 2344, 2345, der bei einem Anspruch eines minderjährigen Kindes die Kenntnis allein des – mit der Mutter gesamtvertretungsberechtigten, § 1629 Abs. 1 S. 1 BGB – Vaters (nur) dann (in entsprechender Anwendung der Grundsätze über den sog. Wissensvertreter) als ausreichend angesehen hat, wenn dieser im Wesentlichen allein mit der Wahrnehmung des Anspruchs befasst war und die Mutter ihm die ganze Angelegenheit überlassen hat. 188 Vgl. BGH 15.3.2011 – II ZR 301/09 – NJW-RR 2011, 832 Tz. 10 m.w.N. (zu § 199 BGB). 189 OLG Düsseldorf 13.4.2010 – I-20 U 25/09 – BeckRS 2010, 25156; Bornkamm/Köhler § 11 Rn. 1.27; Fezer/Büscher § 11 Rn. 40 f.; Teplitzky Kap. 34 Rn. 6. 190 Vgl. zu § 7 EG-Verbraucherschutzdurchführungsgesetz BGH 4.11.2010 – I ZR 139/09 – GRUR 2011, 633 Tz. 39 – BIO TABAK.

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§ 11

Verjährung

erklärungen betrifft) zurechnen lassen, so dass der Gläubiger so behandelt wird, als ob er selbst die Kenntnis seines Wissensvertreters erlangt hätte.191 Zum anderen führt das Vorhandensein eines Wissensvertreters aber auch dazu, dass bei routinemäßigen Vorgängen, die regelmäßig nicht der Befassung der Vertretungsorgane unterliegen und einer solchen auch nicht bedürfen,192 Kenntnisse, die ein Organmitglied privat erlangt, verjährungsrechtlich unschädlich sind.193 Die in diesem Zusammenhang häufig erörterte weitere Frage, ob und inwieweit eine fehlerhafte „Wissensorganisation“ zu einer weitergehenden Wissenszurechnung führen kann, stellt sich richtigerweise nur unter dem Aspekt einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers selbst. cc) Objektiver Bezugspunkt. Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis müssen sich zunächst auf die den Anspruch begründenden Umstände beziehen. Mit den anspruchsbegründenden Umständen meint das Gesetz den Lebenssachverhalt, der die Grundlage des Anspruchs bildet.194 Hierzu gehören im Ausgangspunkt alle Tatsachen, die erforderlich sind, um die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs auszufüllen. Gegenstand der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis müssen daher die tatsächlichen Umstände der Verletzungshandlung, die eine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr begründenden Tatsachen, fälligkeitsbegründende Tatsachen,195 bei einem Schadensersatzanspruch auch der Schaden sowie – soweit tatbestandlich erforderlich – auch innere Tatsachen196 wie insbesondere ein Verschulden des Schuldners sein. Ausgenommen sind aber regelmäßig solche Umstände, die unter die Behauptungs- und Beweislast des Schuldners fallen.197 Daher schließt die Unkenntnis von möglichen Einwendungen des Schuldners gegen den Klageanspruch die für den Verjährungsbeginn notwendige Kenntnis nicht aus. Anders ist dies nur, soweit konkrete Anhaltspunkte für solche Einwendungen vorliegen und es daher naheliegt, dass der Beklagte sich darauf berufen wird.198 Darüber hinaus müssen sich Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis auch auf 61 die Person des Schuldners beziehen. Dabei geht es zum einen darum, wer überhaupt als Schuldner in Betracht kommt. Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis beziehen sich insoweit auf alle Tatsachen, die bei richtiger Verknüpfung und rechtlicher Subsumtion zur Feststellung der Passivlegitimation erforderlich sind.199 Ist neben dem Verletzerunternehmen ein dort Verantwortlicher persönlich in Anspruch zu nehmen, betrifft dies etwa die Funktion der betreffenden Person in dem Unternehmen.200 Zum anderen geht es um die Tatsachen, deren es bedarf, eine bestimmte Person als Schuldner in Anspruch nehmen zu können. Das sind regelmäßig der Name des Schuldners und seine aktuelle ladungsfähige Anschrift (die nicht unbedingt die Wohnanschrift sein muss)201.202 Kom-

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191 OLG Naumburg 5.8.2005 – 10 U 5/05 (Hs) – OLGR Naumburg 2006, 316, 317; OLG Düsseldorf 13.4.2010 – I-20 U 25/09 – BeckRS 2010, 25156; zu § 199 BGB außerdem BGH 5.7.2011 – XI ZR 306/10 – WM 2011, 2088 Tz. 33 m.w.N. 192 Zu dieser Einschränkung Fezer/Büscher § 11 Rn. 41. 193 Bornkamm/Köhler § 11 Rn. 1.27; vgl. außerdem – zur Wiederlegung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 – OLG Köln 13.11.1998 – 6 U 115/98 – WRP 1999, 222 f. A.A. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 143. 194 Erman/J. Schmidt-Räntsch, § 199 Rn. 21. 195 Erman/J. Schmidt-Räntsch, § 199 Rn. 21 m.w.N. 196 Vgl. BGH 10.11.2009 – VI ZR 247/08 – NJW-RR 2010, 681 Tz. 14 m.w.N. (zu § 199 BGB). 197 BGH 14.5.2009 – I ZR 82/07 – GRUR 2009, 1186, 1188 Tz. 22 m.w.N. – Mecklenburger Obstbrände 198 BGH 14.5.2009 – I ZR 82/07 – GRUR 2009, 1186, 1188 Tz. 22 m.w.N. – Mecklenburger Obstbrände 199 Vgl. BGH 15.12.1987 – VI ZR 285/86 – NJW-RR 1988, 411, 412 (zu § 852 BGB a.F.). 200 Vgl. BGH 12.12.2000 – VI ZR 345/99 – NJW 2001, 964, 965 (zu § 852 BGB a.F.). 201 Vgl. Fezer/Büscher § 11 Rn. 35. 202 Vgl. BGH 23.9.2008 – XI ZR 395/07 – NJW 2009, 587 Tz. 12 m.w.N. (zu § 199 BGB).

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I. Regelmäßige Verjährung (Absätze 1, 2)

B. Einzelheiten

men mehrere Schuldner in Betracht, ist der kenntnisabhängige Verjährungsbeginn für jeden Schuldner gesondert zu beurteilen. Dies gilt auch dann, wenn – wie dies häufig bei Unterlassungsansprüchen der Fall ist – der Anspruch sich einerseits gegen ein Unternehmen, anderseits gegen Verantwortliche dieses Unternehmens persönlich richtet.203 dd) Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis (1) Kenntnis. Kenntnis i.S.d. Absatzes 2 Nr. 2 Fall 1 ist nur die positive Kenntnis der 62 anspruchsbegründenden Umstände und der Person des Schuldners. Die frühere Rechtsprechung, die im Rahmen des § 852 Abs. 1 BGB a.F. (vgl. Rn. 56), aber ebenso bei Anwendung des § 21 a.F.204 einen Gläubiger, der die Augen vor einer sich aufdrängenden Kenntnis verschließt, unter bestimmten Voraussetzungen so behandelte, als ob er Kenntnis hätte, hat ihre Bedeutung durch Absatz 2 Nr. 2 Fall 2 verloren, nach dem – weitergehend – auch eine grob fahrlässige Unkenntnis ausreicht.205 Die erforderliche Kenntnis liegt vor, wenn dem Gläubiger aufgrund der ihm bekann- 63 ten Tatsachen zur Durchsetzung seines Anspruchs gegen eine bestimmte Person die Klageerhebung zumutbar ist.206 Zumutbar ist die Klageerhebung dann, wenn die für eine schlüssige Klage erforderlichen Tatsachen so vollständig und sicher bekannt sind, dass bei ihrer verständigen Würdigung die Klage zwar nicht risikolos ist, aber hinreichende Erfolgsaussicht hat.207 Hierfür bedarf es weder einer vollständigen Kenntnis aller Einzelheiten, die für die Beurteilung möglicherweise von Bedeutung sind, noch bereits vorliegender hinreichend sicherer Beweismittel.208 Zumutbarkeit liegt auch nicht erst dann vor, wenn eine abschließende Leistungsklage möglich ist, sondern bereits dann, wenn eine – auch künftige oder weitere, bislang unbekannte Folgen umfassende – Feststellungsklage erhoben werden kann. Das ist wegen des Grundsatzes der Schadenseinheit (s.o. Rn. 48) insbesondere für Schadensersatzansprüche von Bedeutung. Hier bedarf es keiner Kenntnis der einzelnen Schadensfolgen, sondern es genügt die allgemeine Kenntnis vom Eintritt eines Schadens; eine Ungewissheit über den Umfang und die Höhe des (Gesamt-) Schadens schließt folglich den Beginn der Verjährung nicht aus.209 Auf eine zutreffende rechtliche Würdigung der bekannten Tatsachen durch den Gläubiger kommt es für den Verjährungsbeginn regelmäßig nicht an.210 Ist die Rechtslage aber derart unsicher und zweifelhaft, dass selbst ein rechtskundiger Dritter sie nicht zuverlässig einzuschätzen vermag, kann es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung fehlen.211

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203 Vgl. BGH 12.12.2000 – VI ZR 345/99 – NJW 2001, 964 (zu § 852 BGB a.F.); Fezer/Büscher § 11 Rn. 35. 204 Vgl. BGH 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471, 475 – Modenschau im Salvatorkeller, und zu dieser Rechtsprechung Vorauflage/Messer § 21 Rn. 34. 205 Bornkamm/Köhler § 11 Rn. 1.25; Fezer/Büscher § 11 Rn. 39; Rohlfing GRUR 2006, 735, 736. 206 Vgl. BGH 27.11.1963 – Ib ZR 49/62 – GRUR 1964, 218, 219 – Düngekalkhandel (zu § 21 a.F.); BGH 10.11.2009 – VI ZR 247/08 – NJW-RR 2010, 681 Tz. 14 (zu § 199 BGB). 207 BGH 14.5.2009 – I ZR 82/07 – GRUR 2009, 1186, 1188 Tz. 22 – Mecklenburger Obstbrände; zu § 21 a.F. BGH 27.11.1963 – Ib ZR 49/62 – GRUR 1964, 218, 219 – Düngekalkhandel; BGH 19.5.1988 – I ZR 170/86 – GRUR 1988, 832, 834 – Benzinwerbung. 208 Vgl. BGH 27.5.2008 – XI ZR 132/07 – NJW-RR 2008, 1495 Tz. 32; BGH 3.6.2008 – XI ZR 319/06 – NJW 2008, 2576 Tz. 27; BGH 8.2.2011 – XI ZR 168/08 – NJW-RR 2011, 1188 Tz. 51; BGH 3.5.2011 – XI ZR 373/08 – NJW-RR 2011, 1350 Tz. 63 (jeweils zu § 199 BGB). 209 Vgl. BGH 15.3.2011 – VI ZR 162/10 – NJW 2011, 1799 Tz. 8 m.w.N. (zu § 199 BGB); Bornkamm/Köhler § 11 Rn. 1.29 ff. 210 Vgl. BGH 10.11.2009 – VI ZR 247/08 – NJW-RR 2010, 681 Tz. 14; BGH 8.2.2011 – XI ZR 168/08 – NJW-RR 2011, 1188 Tz. 51; BGH 3.5.2011 – XI ZR 373/08 – NJW-RR 2011, 1350 Tz. 63 (jeweils zu § 199 BGB und m.w.N.). 211 Vgl. BGH 19.3.2008 – III ZR 220/07 – NJW-RR 2008, 1237 Tz. 7; BGH 23.9.2008 – XI ZR 262/07 – NJWRR 2009, 547 Tz. 15; BGH 20.1.2009 – XI ZR 504/07 – BGHZ 179, 260 = NJW 2009, 2046 Tz. 47; BGH 1.6.2011 – VIII ZR 91/10 – NJW 2011, 2570 Tz. 23 (jeweils zu § 199 BGB und m.w.N.).

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Verjährung

Eine einmal vorhandene Kenntnis kann durch nachträglich auftauchende Zweifel wieder entfallen.212 Das ist dann anzunehmen, wenn der Gläubiger, der bereits ausreichende Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände und der Person des Schuldners hatte, nachträglich Kenntnis von weiteren Umständen erhält, die nunmehr eine Klageerhebung unzumutbar erscheinen lassen. Das kommt etwa in Betracht, wenn die bekanntgewordenen Umstände Einwendungen begründen, die der Schuldner naheliegender Weise erheben wird (vgl. Rn. 60). Denkbar ist aber auch, dass in einem aus Anlass eines Wettbewerbsverstoßes zunächst eingeleiteten Verfügungsverfahren durch eine (unrichtige) eidesstattliche Versicherung eine vorher begründete Kenntnis von der Verletzungshandlung wieder beseitigt wird.213 Entfällt in solchen Fällen die Zumutbarkeit der Klageerhebung wieder, beginnt die Verjährungsfrist erst mit erneuter Zumutbarkeit ein weiteres Mal; der zuvor bereits abgelaufene Teil der Verjährungsfrist ist rechtlich bedeutungslos.

(2) Grob fahrlässige Unkenntnis. Die Verjährung beginnt nicht nur zu dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger die erforderliche Kenntnis tatsächlich erlangt hat, sondern nach Absatz 2 Nr. 2 Fall 2 auch zu dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Das ist – allgemein formuliert – dann der Fall, wenn eine Möglichkeit der Kenntnisnahme bzw. -erlangung objektiv besteht, diese aber vom Gläubiger nicht wahrgenommen wird und dieses – regelmäßig in einem Unterlassen bestehende – Verhalten des Gläubigers zu diesem Zeitpunkt als grob fahrlässig zu beurteilen ist. Nun trifft allerdings den Schuldner keine schuldrechtliche Pflicht gegenüber dem Schuldner, sich die für die Anspruchsdurchsetzung erforderlichen Kenntnisse in bestimmter Zeit zu verschaffen. Vielmehr handelt der Schuldner insoweit ausschließlich im eigenen Interesse. Absatz 2 Nr. 2 Fall 2 knüpft aber an die Nichteinhaltung der am Maßstab der groben Fahrlässigkeit zu bestimmenden Sorgfalt mit dem kenntnisunabhängigen Verjährungsbeginn eine für den Gläubiger rechtlich nachteilige Folge und begründet so eine Obliegenheit des Gläubigers, bei der Kenntniserlangung die gebotene Sorgfalt aufzuwenden. Die grobe Fahrlässigkeit i.S.d. Absatzes 2 Nr. 2 Fall 2 ist mithin kein Verschulden des Gläubigers im technischen Sinne, sondern ein Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung und damit ein „Verschulden gegen sich selbst“.214 Grobe Fahrlässigkeit setzt eine Verletzung der im Verkehr (objektiv) erforderlichen 66 Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) voraus, die objektiv besonders schwerwiegend (vgl. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X) und subjektiv nicht entschuldbar ist. Grob fahrlässige Unkenntnis ist daher dann anzunehmen, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hat oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen.215 Nicht abschließend geklärt ist, ob und wie sich dies im Ergebnis von der früheren Rechtsprechung zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. und § 21 65

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212 Vgl. BGH 11.7.1973 – IV ZR 36/72 – BGHZ 61, 195, 198 f. = NJW 1973, 1875 f.; BGH 19.6.1985 – IVa ZR 114/83 – BGHZ 95, 76, 78 ff. = NJW 1985, 2945, 2946 f.; BGH 15.12.1987 – VI ZR 285/86 – NJW-RR 1988, 411, 412. 213 Vgl. Vorauflage/Messer § 21 Rn. 35. 214 BGH 8.7.2010 – III ZR 249/09 – BGHZ 186, 152 = NJW 2010, 3292 Tz. 28; BGH 22.7.2010 – III ZR 203/09 – NJW-RR 2010, 1623 Tz. 12. 215 Vgl. BGH 23.9.2008 – XI ZR 262/07 – NJW-RR 2009, 547 Tz. 16; BGH 10.11.2009 – VI ZR 247/08 – NJWRR 2010, 681 Tz. 13; BGH 8.7.2010 – III ZR 249/09 – BGHZ 186, 152 = NJW 2010, 3292 Tz. 28; BGH 22.7.2010 – III ZR 203/09 – NJW-RR 2010, 1623 Tz. 12; BGH 3.5.2011 – XI ZR 373/08 – NJW-RR 2011, 1350 Tz. 63 (jeweils zu § 199 BGB und m.w.N.).

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I. Regelmäßige Verjährung (Absätze 1, 2)

B. Einzelheiten

a.F. unterscheidet, die den Gläubiger, der es versäumt hat, eine gleichsam auf der Hand liegende Kenntnismöglichkeit wahrzunehmen, die jedem anderen in der Lage des Gläubigers unter denselben konkreten Umständen die erforderliche Kenntnis verschafft hätte, so behandelt hat, als habe er die (nach damaliger Rechtslage allein den Verjährungsbeginn auslösende) Kenntnis (vgl. Rn. 56). Dass diese Rechtsprechung im Hinblick auf die damalige klare Rechtslage nicht auf den Maßstab grober Fahrlässigkeit (die, wie der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang stets betont hat, eben nicht ausreichte),216 sondern auf den Rechtsgedanken des § 162 BGB gestützt wurde, muss nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Jedenfalls wird davon auszugehen sein, dass die jetzige Rechtslage nicht hinter der früheren Rechtslage zurückbleibt, so dass in den Fällen, in denen die frühere Rechtsprechung ein Berufen des Gläubigers auf Unkenntnis als rechtsmissbräuchlich und daher unbeachtlich angesehen hat, nach heutiger Rechtslage grob fahrlässige Unkenntnis anzunehmen wäre. Auch im Übrigen können die Maßstäbe der früheren Rechtsprechung für die Ermittlung der Kriterien einer grob fahrlässigen Unkenntnis jedenfalls fruchtbar gemacht werden.217 Allerdings wird die Schwelle für die Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis niedriger anzusetzen sein als für eine „kenntnisgleiche Unkenntnis“ nach der früheren Rechtsprechung. Der Fahrlässigkeitsvorwurf kann nur demjenigen gemacht werden, der die drohen- 67 den Negativfolgen (objektiv) voraussehen kann.218 Eine solche Voraussehbarkeit der Folgen einer Nichtwahrnehmung von Möglichkeiten der Kenntnisnahme bzw. -erlangung setzt voraus, dass für den Gläubiger überhaupt ein Anlass besteht, bestimmte Umstände zur Kenntnis zu nehmen bzw. zu ermitteln. Für den Gläubiger müssen daher konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein.219 Unabhängig hiervon trifft ihn keine allgemeine Nachforschungsobliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Ermittlungen zu möglichen Ansprüchen zu betreiben.220 Er ist insbesondere nicht gehalten, ihm unbekannte Wettbewerbsverstöße erst aktiv zu ermitteln; es gibt keine allgemeine Marktbeobachtungspflicht.221 Nur wenn ein – deutlicher – Anlass für die Annahme eines Anspruchs besteht, kann den Gläubiger eine konkrete Nachforschungsobliegenheit treffen, will er dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit entgehen. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn ihm zwar die anspruchsbegründenden Umstände – also etwa der Wettbewerbsverstoß – bekannt sind, nicht aber die Person des Schuldners.222 Auch dann ist er aber nicht gehalten, aufwändige Ermittlungen zu betreiben.223 Vielmehr wird man von ihm – entsprechend den Grundsätzen der früheren Rechtsprechung zu § 852 Abs. 1 BGB a.F., § 21 a.F. – nicht mehr verlangen können, als dass er Nachforschungen anstellt, die sich im Rahmen

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216 Vgl. nur BGH 15.3.2011 – II ZR 204/09 – NJW 2011, 2427 Tz. 26 m.w.N. 217 Bamberger/Roth/Spindler § 199 Rn. 19; Erman/J. Schmidt-Räntsch, § 199 Rn. 20; MünchKommUWG/ Fritzsche § 11 Rn. 135. 218 Vgl. etwa BGH 21.5.1996 – VI ZR 161/95 – NJW-RR 1996, 981 m.w.N. 219 BGH 10.11.2009 – VI ZR 247/08 – NJW-RR 2010, 681 Tz. 16 m.w.N. 220 BGH 10.11.2009 – VI ZR 247/08 – NJW-RR 2010, 681 Tz. 15; BGH 8.7.2010 – III ZR 249/09 – BGHZ 186, 152 = NJW 2010, 3292 Tz. 28 m.w.N.; BGH 22.7.2010 – III ZR 203/09 – NJW-RR 2010, 1623 Tz. 12. 221 OLG Köln 26.2.2003 – 6 U 201/02, GRUR-RR 2003, 187, 188; OLG Brandenburg 12.7.2005 – 6 U 108/04 – GRUR-RR 2006, 167, 168; Bornkamm/Köhler § 11 Rn. 1.28; Fezer/Büscher § 11 Rn. 38 m.w.N.; Piper/Ohly/ Sosnitza § 11 Rn. 30; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 136. Zur Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 vgl. auch etwa OLG München 23.3.2006 – 29 U 5108/05 – Magazindienst 2006, 916, 922; OLG Hamburg 26.8.2010 – 3 U 158/09 – Magazindienst 2010, 1204, 1208; OLG Köln 15.7.2011 – I-6 U 34/11 – Magazindienst 2011, 810, 811 m.w.N.; OLG Jena – 20.7.2011 – 2 U 211/11 – Magazindienst 2011, 747, 749 –Massagematten. 222 Fezer/Büscher § 11 Rn. 38. 223 Bornkamm/Köhler § 11 Rn. 1.28.

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des Üblichen halten224 und weder nennenswerte Mühe noch besondere Kosten verursachen.225 Fraglich ist, ob Mängel bei der internen „Wissensorganisation“ insbesondere 68 von arbeitsteilig organisierten Gläubigern den Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis begründen können. Bei einer Wissenszurechnung im Rahmen von Vertragsbeziehungen nimmt die Rechtsprechung an, dass zum Schutz außenstehender Dritter vor einer internen Wissensaufspaltung eine „Pflicht zur ordnungsgemäßen organisierten Kommunikation“ bestehen kann, die bei unterlassener Informationsweiterleitung an die intern zuständige Stelle zu einer umfassenden Wissenszurechnung führt.226 Eine Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf die verjährungsrechtliche Kenntniserlangung insbesondere nach § 852 Abs. 1 BGB hat die Rechtsprechung stets verneint.227 Durch die Erweiterung des Verjährungsbeginns auch auf den Fall grob fahrlässiger Unkenntnis lässt sich diese kategorische Verneinung nicht mehr aufrechterhalten.228 Da der Organisationsmangel aber jedenfalls als ungewöhnlich grobe Obliegenheitsverletzung beurteilt werden müsste, dürfte die praktische Bedeutung dieser Frage gering sein.229 69

2. Dauer und Fristberechnung. Die Dauer der regelmäßigen Verjährungsfrist beträgt sechs Monate (Absatz 1). Ihre Berechnung erfolgt nach den §§ 186 ff. BGB und damit nach dem sog. „Grundsatz der Zivilkomputation“, der nur ganze Tage berücksichtigt, die um 0 Uhr beginnen und um 24 Uhr enden. Folglich wird der Tag, an dem die Voraussetzungen des Absatzes 2 für den Verjährungsbeginn (erstmals) vorliegen, gem. § 187 Abs. 1 BGB (vollständig) nicht mitgerechnet, während der letzte Tag der Frist noch vollständig zu berücksichtigen ist (vgl. § 188 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt daher erst um 0 Uhr des auf den Verjährungsbeginn folgenden Tages und endet um 24 Uhr des Tages des Fristablaufs. Die Frist wird – soweit eine Hemmung nicht erfolgt (vgl. dazu Rn. 76) – nicht nach Tagen, sondern Monaten gerechnet (und kann daher – gerechnet nach Tagen – durchaus unterschiedlicher Länge sein). Sie beträgt mithin – unabhängig von der Tageszahl der jeweiligen Monate – sechs ganze Monate und endet folglich gem. § 188 Abs. 2 Fall 1 BGB um 24 Uhr des Tages des auf den Tag des Fristbeginns folgenden sechsten Monats, der durch seine Zahl dem Tag des Fristbeginns entspricht (liegen die Voraussetzungen des Absatzes 2 für den Verjährungsbeginn am 5. Januar vor, beginnt folglich die Verjährung am 6. Januar um 0 Uhr und endet am 5. Juli um 24 Uhr). § 193 BGB ist auf die Berechnung von Verjährungsfristen (nur) entsprechend (denn es handelt sich nicht um eine Frist, innerhalb derer eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken ist) anzuwenden,230 so dass dann, wenn das Fristende auf einen Sonnabend, Sonntag oder am Ort der Vornahme einer Hemmungs- oder Unterbrechungshandlung staatlich anerkannten Feiertag fällt, die Verjährungsfrist erst am folgenden Werktag endet.

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224 Bornkamm/Köhler § 11 Rn. 1.28; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 30. 225 Vgl. BGH 22.7.2010 – III ZR 99/09 – NZG 2011, 68 Tz. 16 m.w.N. 226 Grundlegend BGH 2.2.1996 – V ZR 239/94 – BGHZ 132, 30, 35 ff. = NJW 1996, 1339, 1340 f. 227 BGH 25.6.1996 – VI ZR 117/95 – BGHZ 133, 129, 139 = NJW 1996, 2508, 2510; BGH 28.11 2006 – VI ZR 196/05 – NJW 2007, 834 Tz. 7 m.w.N. 228 Fezer/Büscher § 11 Rn. 43 m.w.N.; zust. MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 144. Weiterhin ablehnend für deliktische Ansprüche aber BGH 20.10.2011 – III ZR 252/10 – NJW 2012, 447. 229 Vgl. Fezer/Büscher § 11 Rn. 39. 230 RG 11.6.1936 – VI 480/35 – RGZ 151, 345, 348; BGH 3.2.1978 – I ZR 116/76 – WM 1978, 461, 464; BGH 6.12.2007 – III ZR 146/07 – NJW-RR 2008, 459 Tz. 13; BGH 22.9.2009 – XI ZR 230/08 – BGHZ 182, 284 = NJW 2010, 222 Tz. 21; MünchKommBGB/Grothe § 193 Rn. 8 m.w.N.; zu § 11 auch OLG Frankfurt 17.11.2005 – 6 U 17/05 – BeckRS 2009, 16703.

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III. Einwirkung auf den Lauf der Verjährung

B. Einzelheiten

II. Verjährungshöchstfristen (Absätze 3, 4) Die – neben die regelmäßige Verjährung tretende (zum Verhältnis zwischen regel- 70 mäßiger Verjährung und den Verjährungshöchstfristen vgl. Rn. 8 f.) – (kenntnisunabhängige) Verjährungshöchstfrist der wettbewerbsrechtlichen Ansprüche ist (in Anlehnung an § 199 Abs. 2–4 BGB) nach Anspruchsart differenzierend in den Absätzen 3 und 4 geregelt. 1. Schadensersatzansprüche (Absatz 3). Für Schadensersatzansprüche nach § 9 71 (zum Anwendungsbereich von Absatz 3 vgl. Rn. 11) enthält Absatz 3 (wie § 199 Abs. 3 S. 1 BGB) zwei unterschiedliche Verjährungshöchstfristen. Die erste Verjährungshöchstfrist beginnt mit der Entstehung des Anspruchs. Dies entspricht insoweit Absatz 2 Nr. 1 (zur Anspruchsentstehung vgl. Rn. 46 ff.), doch ist der Fristbeginn – anders als der der regelmäßigen Verjährung – unabhängig von den subjektiven Voraussetzungen des Absatzes 2 Nr. 2. Ihre Dauer beträgt zehn Jahre. Die Berechnung entspricht der der regelmäßigen Verjährung (vgl. Rn. 69). Sie endet gem. § 188 Abs. 2 Fall 1 BGB um 24 Uhr des Tages des auf den Tag des Fristbeginns folgenden zehnten Jahres, der durch seine Zahl dem Tag des Fristbeginns entspricht (ist der Anspruch am 5. Januar 2013 entstanden, endet die Verjährungshöchstfrist daher am 5. Januar 2023). Daneben tritt eine zweite Verjährungshöchstfrist, die mit der den Schaden auslö- 72 senden Handlung beginnt. Der Fristbeginn knüpft damit allein an die Vornahme der geschäftlichen Handlung, auf die der Schadensersatzanspruch gestützt wird. Wann der hierdurch ausgelöste Schaden entsteht, ist unerheblich; es kommt mithin allein auf die Setzung der Schadensursache an.231 Die Dauer der zweiten Verjährungshöchstfrist beträgt 30 Jahre. Das Verhältnis zwischen beiden Verjährungshöchstfristen ist in Absatz 3 nicht ausdrücklich geregelt. Maßgeblich ist aber nach dem Zweck der Fristen entsprechend § 199 Abs. 3 S. 2 BGB hier die früher ablaufende Frist (vgl. Rn. 11). 2. Andere Ansprüche (Absatz 4). Für andere Ansprüche (i.S.d. Absatzes 1, streitig, 73 vgl. Rn. 12, 13 ff.) als Schadensersatzansprüche ist die Verjährungshöchstfrist (einheitlich) in Absatz 4 geregelt. Sie beginnt kenntnisunabhängig mit der Entstehung des Anspruchs i.S.d. Absatzes 2 Nr. 1 und beträgt – wie nach § 21 Abs. 1 a.F. – drei Jahre. III. Einwirkung auf den Lauf der Verjährung III. Einwirkung auf den Lauf der Verjährung 1. Allgemeines. Die Verjährung ist die rechtliche Konsequenz einer Versäumung der 74 Rechtsverfolgung durch den Gläubiger. Sie ist nur gerechtfertigt, soweit dem Gläubiger eine Rechtsverfolgung rechtlich und tatsächlich überhaupt möglich ist, und gegenstandslos, sobald der Gläubiger seine Rechte (rechtzeitig) geltend macht. Dementsprechend sah das BGB in seiner ursprünglichen Fassung – gemeinrechtlichen Vorbildern folgend – vor, dass die Verjährung gehemmt ist, solange eine Anspruchsdurchsetzung aus rechtlichen, tatsächlichen oder familiären Gründen nicht in Betracht kommt, und dass sie durch Anerkenntnis (das ein Versäumnis des Gläubigers bei der Rechtsdurchsetzung bedeutungslos macht) oder durch Maßnahmen der Rechtsverfolgung (die die Verjährungsfrist als Rechtsdurchsetzungsfrist gleichsam „einhalten“) unterbrochen (besser eigentlich: „abgebrochen“) wird. Von diesem dogmatischen Konzept hat sich der Gesetzgeber des SchuldRModG gelöst und Maßnahmen der Rechtsverfolgung aus prakti-

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Vgl. Fezer/Büscher § 11 Rn. 48.

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schen Erwägungen – der mit der Unterbrechung der Verjährung verbundene Neubeginn einer Verjährung ist in diesen Fällen entweder überflüssig oder aber sachlich nicht gerechtfertigt – nunmehr zu bloßen Hemmungstatbeständen gemacht.232 Damit führen nunmehr sowohl Umstände, die eine Anspruchsdurchsetzung unmög75 lich oder (wie etwa im Falle schwebender Verhandlungen, § 203 BGB) untunlich machen, als auch die in § 204 Abs. 1 BGB aufgezählten Rechtsverfolgungsmaßnahmen zur Hemmung der Verjährung. Einen besonderen wettbewerbsrechtlichen Hemmungstatbestand enthält § 15 Abs. 9. Die Hemmung bewirkt gem. § 209 BGB, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird. Das bedeutet, dass zunächst die Zeit der Hemmung, während der der Lauf der Verjährungsfrist gleichsam angehalten ist, ermittelt werden muss. Diese Zeit ist keine Frist i.S.d. §§ 187 ff. BGB,233 sondern ein „natürlicher Zeitraum“. Die Hemmung beginnt daher sogleich mit dem Eintritt des hemmenden Ereignisses (also nicht, wie nach § 187 Abs. 1 BGB, erst um 0 Uhr des folgenden Tages) und endet unmittelbar mit dem Fortfall der Hemmungswirkung.234 Sodann ist die Verjährungsfrist um diese – nicht in die Verjährungsfrist einzurechnende – Zeit der Hemmung zu verlängern;235 § 191 BGB findet mithin keine Anwendung.236 Da die Verjährungsfrist nach dem Grundsatz der Zivilkomputation in ganzen, um 0 Uhr beginnenden und um 24 Uhr endenden Tagen zu berechnen ist, sind dabei auch die „angebrochenen“ Tage des Hemmungsbeginns und -endes jeweils als volle Tage zu addieren.237 Werden etwa bei einer am 16. Juni ablaufenden Verjährungsfrist nach § 203 BGB die Verjährung hemmende Verhandlungen (hierzu Rn. 78 f.) im Laufe des 21. März aufgenommen und scheitern diese im Laufe des 14. Juni, sind 88 Tage in den Fristlauf nicht einzurechnen und an das ursprüngliche Ende der Verjährungsfrist „anzuhängen“, so dass die Frist nicht vor Ablauf des 88. Tages nach dem 16. Juni (= 10. September) enden könnte, wegen des in § 203 S. 2 BGB angeordneten Ablaufs frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung tatsächlich aber erst am 14. September endet. Fällt das Fristende auf einen Sonnabend, Sonntag oder am Ort der Vornahme einer Hemmungs- oder Unterbrechungshandlung staatlich anerkannten Feiertag, verschiebt sich der Ablauf der Verjährungsfrist entsprechend § 193 BGB auf den folgenden Werktag (vgl. Rn. 69 mit Nachweisen in Fn. 230). 76 Der – sprachlich eher irreführende – Begriff der Unterbrechung der Verjährung ist mit der Schuldrechtsmodernisierung durch den – die Wirkung deutlicher herausstellenden – Begriff des Neubeginns der Verjährung abgelöst worden. Zu einem solchen, die bis dahin bereits verstrichene Zeit bedeutungslos machenden (vgl. § 217 BGB a.F.) Neubeginn der Verjährung (um 0 Uhr des auf den Tag des Ereignisses folgenden Tages)238 führen jetzt nur noch das Anerkenntnis und Vollstreckungshandlungen (§ 212 BGB). Anders als nach früherem Recht führt die Einleitung von Rechtsverfolgungsmaßnahmen damit nicht mehr zum Neubeginn der Verjährung, wohl aber im Ergebnis die Titulierung

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232 Auf Vorschlag von Peters/Zimmermann, S. 260 ff.; vgl. Begr. § 204 BGB-E, BTDrucks. 14/6040 S. 113. 233 RG 8.6.1928 – III 426/27 – RGZ 120, 355, 362; RG 1.9.1939 – VII B 28/39 – RGZ 161, 125, 127. 234 RG 1.9.1939 – VII B 28/39 – RGZ 161, 125, 127; BGH 11.2.2009 – XII ZR 114/06 – BGHZ 179, 361 = NJW 2009, 1488 Tz. 41. 235 Vgl. AnwKommBGB/Mansel/Budzikiewicz § 209 Rn. 8. 236 Bamberger/Roth/Henrich § 209 Rn. 2; MünchKommBGB/Grothe § 209 Rn. 4; Staudinger/Peters/ Jacoby § 209 Rn. 7; Soergel/Niedenführ § 209 n.F. Rn. 2. 237 Vgl. RG 1.9.1939 – VII B 28/39 – RGZ 161, 125, 127. Anders im Ansatz (ohne Auswirkung auf das Ergebnis) etwa AnwKommBGB/Mansel/Budzikiewicz § 209 Rn. 7; MünchKommBGB/Grothe § 209 Rn. 4, die bereits den Hemmungszeitraum (und nicht erst die Verlängerung der Verjährungsfrist) in ganzen Tagen berechnen wollen. 238 Vgl. nur Bamberger/Roth/Henrich § 212 Rn. 14 m.w.N.

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III. Einwirkung auf den Lauf der Verjährung

B. Einzelheiten

einer Forderung, nämlich zum Beginn der rechtlich selbständigen Titelverjährung nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Schließlich kennt das Gesetz für Verjährungen, die gegen einen nicht voll Geschäftsfähigen (§ 210 BGB) oder einen Nachlass (§ 211 BGB) laufen, eine Ablaufhemmung. Diese berührt nicht den Lauf der Verjährung, sondern führt dazu, dass die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach Fortfall eines die Anspruchsdurchsetzung hindernden Ereignisses eintreten kann, schiebt also das Ende der (selbst unverlängerten) Verjährungsfrist hinaus. 2. Hemmung der Verjährung a) Verhandlungen (§ 203 BGB). Nach § 203 BGB ist die Verjährung während des 77 Schwebens von Verhandlungen zwischen Gläubiger und Schuldner über den Anspruch oder die anspruchsbegründenden Umstände gehemmt. Zweck der Vorschrift ist es, Verhandlungen, die günstigenfalls zur Vermeidung eines Rechtsstreits führen können, vom Zeitdruck zu befreien, und den Gläubiger dem Zwang zu entheben, noch während laufender Verhandlungen vorsorglich verjährungssichernde Maßnahmen wie etwa eine Klageerhebung vornehmen zu müssen.239 Der Gesetzgeber der Schuldrechtsmodernisierung hat damit eine – mit Wirkung zum 1.1.1978240 – mit § 852 Abs. 2 BGB a.F. zunächst für Ansprüche aus unerlaubter Handlung geschaffene Regelung übernommen. Bereits § 852 Abs. 2 BGB a.F. wurde als Ausprägung des allgemeinen Rechtsgedankens gesehen, der Schuldner dürfe nicht dadurch einen Vorteil erlangen, dass der Gläubiger sich auf Verhandlungen eingelassen hat, und entsprechend jedenfalls auf mit deliktischen Ansprüchen konkurrierende Schadensersatzansprüche angewandt.241 Auch eine analoge Anwendung auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche wurde jedenfalls in der Literatur bejaht.242 Durch die Übernahme in das allgemeine Verjährungsrecht steht nun außer Zweifel, dass dieser Hemmungstatbestand auf alle243 wettbewerbsrechtlichen Ansprüche anzuwenden ist. Die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (bereits zu § 852 Abs. 2 BGB 78 a.F.) stellt an das Vorliegen von Verhandlungen nur geringe Anforderungen. Für den Beginn bedarf es zunächst einer Klarstellung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will.244 Dieser Anspruch muss dabei noch nicht abschließend konkretisiert sein;245 Verhandlungen i.S.d. § 203 BGB können auch solche sein, die vor einer abgeschlossenen Sach- und Rechtsprüfung durch den Gläubiger der Aufklärung einer noch unklaren Tatsachengrundlage dienen.246 Dies alleine genügt indessen nicht (eine bloße Abmahnung kann mithin nicht

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239 BGH 14.5.2009 – I ZR 82/07 – GRUR 2009, 1186 Tz. 28 m.w.N. – Mecklenburger Obstbrände. 240 Durch das (1.) Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften v. 16.8.1977, BGBl. I S. 1577, 1579 f., das einen im Bereich der Gefährdungshaftung entwickelten Gedanken in das Deliktsrecht übertrug, vgl. BTDrucks. 8/108 S. 14, 17; BGH 28.11.1984 – VIII ZR 240/83 – BGHZ 93, 64, 68 = NJW 1985, 798, 799. 241 BGH 28.11.1984 – VIII ZR 240/83 – BGHZ 93, 64, 69 = NJW 1985, 798, 800. 242 Vorauflage/Messer § 21 Rn. 49 ff. m.w.N.; Neu GRUR 1985, 335, 345; Teplitzky GRUR 1984, 307, 308 f.; Traub FS Vieregge, S. 869, 878. 243 Zu Unterlassungsansprüchen vgl. BGH 14.5.2009 – I ZR 82/07 – GRUR 2009, 1186 Tz. 26 – Mecklenburger Obstbrände. 244 BGH 14.5.2009 – I ZR 82/07 – GRUR 2009, 1186 Tz. 27 – Mecklenburger Obstbrände; BGH 14.7.2009 – XI ZR 18/08 – BGHZ 182, 76 = NJW-RR 2010, 975 Tz. 16; BGH 3.2.2011 – IX ZR 105/10 – NJW 2011, 1594 Rn. 14, jeweils m.w.N. 245 MünchKommBGB/Grothe § 203 Rn. 7 m.w.N. 246 BGH 14.5.2009 – I ZR 82/07 – GRUR 2009, 1186 Tz. 28 – Mecklenburger Obstbrände.

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bereits zur Hemmung der Verjährung führen).247 Hinzukommen müssen Erklärungen des Schuldners, die den Gläubiger zu der Annahme berechtigen, der Schuldner lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein.248 Eine Bitte des Schuldners um Fristverlängerung reicht hierfür nur dann aus, wenn der Gläubiger dieser entnehmen kann, dass der Schuldner sich zu der Forderung tatsächlich inhaltlich erklären will.249 Dass der Schuldner eine Bereitschaft zum Vergleich oder zu einem sonstigen Entgegenkommen erkennen lässt, ist nicht erforderlich.250 Ausreichend ist damit im Ergebnis jeder Meinungsaustausch zwischen Gläubiger und Schuldner über den Anspruch und seine tatsächlichen Grundlagen, solange der Schuldner nicht sofort und eindeutig jede Verpflichtung ablehnt.251 Das Ende der Verhandlung tritt nach § 203 S. 1 BGB ein, sobald der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Ein solcher Verhandlungsabbruch muss durch klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden.252 Andererseits lässt die Rechtsprechung aber auch ein „Einschlafen“ der Verhandlungen genügen. Hierfür genügt aber nicht, dass Gläubiger und Schuldner lediglich längere Zeit keinen Kontakt mehr hatten.253 Dies wird erst dann angenommen, wenn nach Treu und Glauben der nächste Schritt, insbesondere eine Äußerung der einen Seite auf die letzte Reaktion der anderen Seite, zu erwarten gewesen wäre, aber unterbleibt.254 79 Für welche Ansprüche die Verjährung durch eine Verhandlung gehemmt wird, richtet sich nach dem – durch Auslegung der Parteierklärungen zu ermittelnden – Gegenstand der Verhandlung.255 Wird etwa nur über ein Unterlassungsbegehren des Gläubigers verhandelt, führt dies nicht zur Hemmung der Verjährung von Schadensersatzansprüchen, die aus derselben Wettbewerbsverletzung folgen. Verhandeln die Parteien dagegen allgemein über die rechtlichen Folgen aus einem bestimmten Lebenssachverhalt, erfasst die Verjährungshemmung alle aus diesem Lebenssachverhalt folgenden Ansprüche. Mit dem Ende der Verhandlung läuft auch die gehemmte Verjährung wieder an. Durch die in § 203 S. 2 BGB angeordnete zusätzliche Ablaufhemmung, nach der die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung abläuft, wird der Gläubiger – insbesondere im Falle eines für ihn unerwarteten Abbruchs der Verhandlungen – davor geschützt, dass ihm u.U. keine ausreichende Zeit mehr für eine Vorbereitung seiner Anspruchsdurchsetzung verbleibt. b) Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) 80

aa) Leistungs- oder Feststellungsklage. Praktisch wichtigster Hemmungstatbestand ist die Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils. Setzt der Gläubiger seinen Anspruch mit den hierfür bereitstehenden zivilprozessualen Mitteln tatsächlich durch, ist eine mit den Verjährungsfolgen zu sanktionierende Säumigkeit des Gläubigers bei der

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247 Fezer/Büscher § 11 Rn. 56. 248 Nachweise wie Fn. 244; die Hemmung wirkt dann auf den Zeitpunkt der Anspruchsgeltendmachung zurück, BGH 19.12.2013 – IX ZR 120/11 – VersR 2014, 597 Tz. 2 m.w.N. 249 Fezer/Büscher § 11 Rn. 56. 250 Nachweise wie Fn. 244. 251 Nachweise wie Fn. 244. 252 BGH 14.5.2009 – I ZR 82/07 – GRUR 2009, 1186 Tz. 30 m.w.N. – Mecklenburger Obstbrände. 253 Vgl. BGH 28.10.2010 – VII ZR 82/09 – NJW-RR 2011, 98 Tz. 12. 254 BGH 6.11.2008 – IX ZR 158/07 – NJW 2009, 1806 Tz. 10. 255 MünchKommBGB/Grothe § 203 Rn. 7.

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B. Einzelheiten

Anspruchsdurchsetzung beendet und für eine Verjährung kein Raum mehr. Auch wenn damit an sich der bisherige Ablauf der Verjährungsfrist erledigt ist, hat der Gesetzgeber des SchuldRModG die klageweise Anspruchsdurchsetzung nicht mehr – wie bisher – als Unterbrechungs-, sondern aus praktischen Erwägungen als bloßen Hemmungstatbestand ausgestaltet (vgl. Rn. 75). Da rechtskräftig festgestellte Ansprüche gem. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB aber einer eigenständigen dreißigjährigen Verjährung unterliegen, führt im Ergebnis aber immer noch die abschließende Titulierung des klageweise geltend gemachten Anspruchs zu einer Verjährungsunterbrechung. Verjährungssichernde Wirkung kann nur eine Klage haben, mit der der Gläubiger 81 aktiv seinen Anspruch prozessual durchsetzt. Es muss sich daher um eine Klage des materiell Berechtigten selbst (bzw. eines seine Rechte prozessual wahrnehmenden Prozessstandschafters)256 handeln.257 Die Klage muss gegen den richtigen Schuldner gerichtet sein.258 In Betracht kommt vor allem eine – auf Feststellung des materiellrechtlichen Anspruchs und vollstreckbaren Befehl auf Bewirkung der nach dem Anspruch geschuldeten Leistung gerichteten – Leistungsklage. Genügend ist aber auch die auf bloße Feststellung des Anspruchs gerichtete Feststellungsklage. Wie sich aus Vorstehendem ergibt, muss es sich aber um eine (positive) Feststellungsklage des Gläubigers handeln. Die auf Abwehr gerichtete negative Feststellungsklage des Schuldners hat keine verjährungshemmende Wirkung für den Gläubiger und die Verteidigung des Gläubigers gegen eine solche Klage ist kein auf Anspruchsdurchsetzung gerichtetes Vorgehen.259 Wird allerdings die negative Feststellungsklage aus sachlichen Gründen rechtskräftig abgewiesen, ist – wenn Streitgegenstand ein bestimmter Anspruch war – rechtskräftig dessen Bestehen festgestellt,260 so dass der Anspruch dann (wenn er nicht bereits vorher verjährt ist) der dreißigjährigen Titelverjährung nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB unterliegt.261 bb) Klageerhebung. Die Hemmung beginnt durch die Erhebung der Klage. Diese er- 82 folgt gem. § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten.262 Die verjährungshemmende Wirkung tritt gem. § 167 ZPO bereits mit dem Eingang der Klageschrift bei Gericht ein, wenn die Zustellung „demnächst“ – d.h. ohne vom Kläger zu vertretende Verzögerung, die den Zeitraum von 14 Tagen überschreitet263 – erfolgt. Wird ein Anspruch im Verlauf eines bereits anhängigen Rechtsstreits nachträglich durch Widerklage oder durch spätere Klageänderung oder -erweiterung geltend gemacht, tritt die

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256 Die verjährungshemmende Wirkung der gewillkürten Prozessstandschaft tritt allerdings erst in dem Augenblick ein, in dem diese prozessual offen gelegt wird oder offensichtlich ist, BGH 7.6.2001 – I ZR 49/99 – NJW-RR 2002, 20, 22 m.w.N.; BGH 5.5.2011 – III ZR 305/09 – NVwZ 2011, 1150 Tz. 35. 257 BGH 29.10.2009 – I ZR 191/07 – NJW 2010, 2270 Tz. 38 m.w.N.; BGH 9.2.2010 – III ZR 56/10 – NJW 2011, 2193 Tz. 9; a.A. Kähler NJW 2006, 1769. 258 BGH 26.3.1981 – VII ZR 160/80 – BGHZ 80, 222, 226 = NJW 1981, 1953, 1954; BGH 10.4.2008 – VII ZR 58/07 – BGHZ 176, 128 = NJW 2008, 2429 Tz. 21. 259 BGH 21.3.1972 – VI ZR 110/71 – NJW 1972, 1043; BGH 7.7.1994 – I ZR 30/92 – GRUR 1994, 846, 848 – Parallelverfahren II; BGH 8.6.1978 – VII ZR 54/76 – BGHZ 72, 23, 25 ff. = NJW 1978, 1975 f.; BGH 29.4.1993 – III ZR 115/91 – BGHZ 122, 287, 293 = NJW 1993, 1847, 1848; Harte/Hennig/Schulz § 11 Rn. 108; MünchKommBGB/Grothe § 204 Rn. 4, jeweils m.w.N.; kritisch Teplitzky Kap. 16 Rn. 39. 260 Zur Rechtskraftwirkung eines die negative Feststellungsklage abweisenden Urteils vgl. BGH 26.6 2003 – I ZR 269/00 – NJW 2003, 3058, 3059; BGH 10.1.2007 – III ZR 294/05 – NJW-RR 2007, 457 Tz. 25, jeweils m.w.N. 261 BGH 21.3.1972 – VI ZR 110/71 – NJW 1972, 1043, 1044; BGH 12.12.1974 – II ZR 113/73 – NJW 1975, 1320, 1321; MünchKommBGB/Grothe § 197 Rn. 19 Soergel/Niedenführ § 197 n.F. Rn. 26; a.A. Staudinger/Peters/ Jacoby § 197 Rn. 43. 262 Vgl. zur verjährungsrechtlichen Bedeutung der Klagezustellung Toussaint FS Leenen, S. 279, 287 f. 263 Vgl. nur BGH 10.2.2011 – VII ZR 185/07 – NJW 2011, 1227 Tz. 8; Fezer/Büscher § 11 Rn. 60 f., jeweils m.w.N.

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Verjährungshemmung mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung bzw. mit einer vorherigen Zustellung eines entsprechenden Schriftsatzes an den (Wider-) Beklagten ein. Auch insoweit kommt eine Rückwirkung auf den Eingang des Schriftsatzes bei Gericht gem. § 167 ZPO in Betracht. Bei der sog. Stufenklage (§ 254 ZPO), bei der ein Leistungsantrag auf Auskunft oder 83 Rechnungslegung mit einem (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und einem zunächst unbestimmten bzw. unbezifferten Herausgabe- oder Zahlungsantrag dergestalt verbunden wird, dass die übrigen Anträge bis zur Rechnungslegung bzw. Auskunftserteilung vorbehalten bleiben, wird auch der Zahlungs- bzw. Herausgabeantrag sogleich rechtshängig, allerdings nur in dem Umfang der später tatsächlich erfolgenden Bezifferung bzw. Konkretisierung, so dass in diesem Umfang auch für den Zahlungs- bzw. Herausgabeanspruch die Verjährung sogleich gehemmt wird.264 Wird mit einem Hilfsantrag ein Anspruch nur für den Fall des Misserfolgs des Hauptantrags zur Entscheidung gestellt, wird auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch sogleich (durch den Erfolg des Hauptantrags auflösend bedingt) rechtshängig, so dass seine Verjährung mit Erhebung des Hilfsantrags und nicht erst mit Entscheidung über ihn gehemmt wird.265 Verjährungshemmende Wirkung hat nur eine wirksame Klage; die Klage muss 84 mithin den wesentlichen Formerfordernissen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechen.266 Erforderlich ist insbesondere eine hinreichend bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie ein hinreichend bestimmter Klageantrag (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Lässt sich der geltend gemachte Anspruch anhand der Angaben in der Klageschrift nicht zweifelsfrei identifizieren, tritt folglich keine Verjährungshemmung ein. Ein Antrag, der – bei erkennbarer Zielrichtung – lediglich zu unbestimmt gefasst ist, kann aber auch noch nach Ablauf der Verjährungsfrist konkretisiert werden.267 Auf die Zulässigkeit der Klage kommt es hingegen nicht an.268 Auch eine beim unzuständigen Gericht erhobene Klage oder eine Feststellungsklage, für die das notwendige Feststellungsinteresse fehlt, hemmen daher die Verjährung.269 85

cc) Umfang der Hemmung. Der Umfang der Hemmungswirkung einer Klage richtet sich im Grundsatz nach dem den prozessualen Anspruch bildenden Streitgegenstand.270 Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (zu dem nach der Rechtsprechung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs auch ein in Anspruch genommenes, konkretes Schutzrecht gehört), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet.271 Unterschiedliche Streitgegenstände liegen nicht nur bei unter-

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264 BGH 8.2.1995 – XII ZR 24/94 – NJW-RR 1995, 770; BGH 22.3.2006 – IV ZR 93/05 – NJW-RR 2006, 948 Tz. 13 m.w.N. 265 BGH 7.5.1997 – VIII ZR 253/96 – NJW 1997, 3164, 3165 m.w.N. 266 BGH 14.5.1997 – XII ZR 140/95 – NJW-RR 1997, 1216, 1217 m.w.N. 267 BGH 23.10.1997 – I ZR 123/95 – GRUR 1998, 481, 483 – Auto ’94; BGH 11.3.2004 – I ZR 81/01 – GRUR 2004, 517, 519 – E-Mail-Werbung. 268 BGH 26.3.1981 – VII ZR 160/80 – BGHZ 80, 222, 226 = NJW 1981, 1953, 1954; BGH 10.4.2008 – VII ZR 58/07 – BGHZ 176, 128 = NJW 2008, 2429 Tz. 19; BGH 9.2.2010 – III ZR 56/10 – NJW 2011, 2193 Tz. 13, jeweils m.w.N. 269 Vgl. BGH 9.2.2010 – III ZR 56/10 – NJW 2011, 2193 Tz. 13 m.w.N. 270 BGH 17.2.2006 – V ZR 236/03 – NJW-RR 2006, 736 Tz. 23; BGH 9.1.2008 – XII ZR 33/06 – NJW-RR 2008, 521 Tz. 15; BGH 1.6.2010 – VI ZR 346/08 – NJW-RR 2010, 1683 Tz. 30, jeweils m.w.N. 271 Vgl. nur BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09 – BGHZ 189, 56 = GRUR 2011, 521 Tz. 3 – TÜV I; BGH 17.8.2011 – I ZR 108/09 – GRUR 2011, 1043 Tz. 26 – TÜV II, jeweils m.w.N. Zu dem sehr eng gefassten

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schiedlichen Lebenssachverhalten (z.B. mehrere Wettbewerbsverletzungen) vor, sondern auch, wenn der Kläger aus einem Lebenssachverhalt (z.B. einer einzelnen Wettbewerbsverletzung) verschiedene Rechtsfolgen (z.B. Unterlassungs-, Beseitigung- und Schadensersatzanspruch) für sich in Anspruch nimmt. Daher hemmt etwa die Unterlassungsklage nicht die Verjährung eines wegen desselben Verstoßes bestehenden Schadensersatzanspruchs.272 Aber auch die Klage auf Unterlassung einer wettbewerbswidrigen Äußerung hemmt nicht die Verjährung eines Anspruchs auf Beseitigung der Wettbewerbsverletzung durch Widerruf der Äußerung.273 Ebenso wenig hemmt die (vorbereitende) Klage auf Auskunft oder Rechnungslegung die Verjährung des Schadensersatzanspruchs, dessen Durchsetzung mit der Klage vorbereitet werden soll274 (zur Stufenklage vgl. Rn. 84). Mit einer Teilklage wird die Verjährung nur für den rechtshängig gemachten Teil des Anspruchs gehemmt.275 Dagegen hemmt die Feststellungsklage – etwa auf Feststellung der Ersatzpflicht für weiteren oder künftigen Schaden – die Verjährung des ganzen Anspruchs.276 Im Übrigen reicht die Hemmungswirkung der Klage soweit, wie ihre Rechtskraftwirkung reicht. Soweit die Rechtskraftwirkung einer gegen die konkrete Verletzungsform der Handlung gerichteten Unterlassungsklage auch alle kerngleichen Formen erfasst, gilt dies daher auch für ihre verjährungshemmende Wirkung.277 Die Beschränkung der verjährungshemmenden Wirkung der Klage auf ihren Streit- 86 gegenstand ist aber nur der Regelfall. So erstreckt § 213 BGB die Hemmungswirkung auch auf Ansprüche, die wahlweise neben dem geltend gemachten Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind, was indessen im Wettbewerbsrecht keine Bedeutung haben dürfte.278 Für einzelne Konstellationen ist in der Rechtsprechung außerdem anerkannt, dass die Wirkung der Klage auf den Lauf der Verjährung auch über ihren Streitgegenstand hinausgehen kann.279 Dies gilt einmal für mit dem Klageanspruch materiell wesensgleiche Ansprüche, die demselben Ziel wie der Klageanspruch dienen, sich nach Grund und Rechtsnatur als dessen Ausprägung darstellen und sich im Kern auf denselben Lebenssachverhalt stützen.280 So handelt sich bei den drei Berechnungsarten für die Berechnung des aus der Verletzung eines immateriellen Schutzrechts entstandenen Schadens – konkrete, den entgangenen Gewinn einschließende Schadensberechnung, Geltendmachung einer angemessenen Lizenzgebühr oder Herausgabe des Verletzergewinns – lediglich um Varianten für die Ermittlung des gleichen einheitlichen Schadens.281 Da der Gläubiger von der einen zur anderen Schadensberechnungsart übergehen kann, solange der nach einer bestimmten Berechnungsweise geltend gemachte Scha-

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Streitgegenstandsbegriff des I. Zivilsenats des BGH vgl. etwa v. Ungern-Sternberg GRUR 2009, 901, 1009; Teplitzky WRP 2010, 181; ders. GRUR 2011, 1091; Thole ZZP 124 (2011), S. 403. 272 BGH 26.1.1984 – I ZR 195/81 – GRUR 1984, 820, 822 – Intermarkt II; BGH 9.3.1989 – I ZR 189/86 – GRUR 1990, 221, 223 (in BGHZ 107, 117 insoweit nicht abgedr.) – Forschungskosten. 273 BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99, 101 – Brünova. 274 BGH 28.6.2007 – I ZR 132/04 – GRUR 2008, 258 Tz. 17 – INTERCONNECT/T-InterConnect; OLG Stuttgart 24.1.1997 – 2 U 7/96 – WRP 1997, 605, 610; Fezer/Büscher § 11 Rn. 59. 275 BGH 9.1.2008 – XII ZR 33/06 – NJW-RR 2008, 521 Tz. 15 f.; BGH 11.3.2009 – IV ZR 224/07 – NJW 2009, 1950, 1951, jeweils m.w.N. Dies gilt auch für die sog. „verdeckte Teilklage“, bei der weder für den Beklagten noch für das Gericht ersichtlich ist, dass der bezifferte Anspruch den Gesamtanspruch nicht abdeckt; vgl. hierzu aber auch die nachfolgende Rn. 276 Vgl. RG 18.2.1911 – VI 90/10 – RGZ 75, 302, 306. 277 Fezer/Büscher § 11 Rn. 67; Teplitzky Kap. 16 Rn. 38. 278 Zu Anwendungsfällen vgl. etwa MünchKommBGB/Grothe § 213 Rn. 5 f. m.w.N. 279 Vgl. BGH 17.2.2006 – V ZR 236/03 – NJW-RR 2006, 736 Tz. 23 mit einer Übersicht und w.N. 280 BGH 5.5.1988 – VII ZR 119/87 – BGHZ 104, 268, 274 f. = NJW 1988, 1964, 1965; BGH 27.3.1996 – IV ZR 185/95 – BGHZ 132, 240, 243 f. = NJW 1996, 1743. 281 BGH 25.9.2007 – X ZR 60/06 – BGHZ 173, 374 = GRUR 2008, 93 Tz. 7 – Zerkleinerungsvorrichtung m.w.N.

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densersatzanspruch noch nicht erfüllt oder rechtskräftig zuerkannt worden ist,282 hemmt die auf eine Berechnungsart abgestellte Schadensersatzklage den ganzen Anspruch auch insoweit, als er nach einer anderen Berechnungsart auf eine höhere Summe gerichtet sein und später noch erweitert werden kann.283 Ebenso hemmt die wegen eines in der Belastung mit einer Verbindlichkeit bestehenden Schadens erhobene Zahlungsklage die Verjährung eines wegen dieser Verbindlichkeit bestehenden Freistellungsanspruchs.284 Zum anderen hemmt eine erkennbar auf Ersatz des Gesamtschadens gerichtete Zahlungsklage die Verjährung des gesamten Schadensersatzanspruchs auch insoweit, als sich nachträglich ergibt, dass der Schaden tatsächlich höher ist.285 87

dd) Ende der Hemmung. Das Ende der Hemmung setzt gem. § 204 Abs. 2 BGB die (formell, vgl. § 705 ZPO) rechtskräftige Entscheidung, eine anderweitige Beendigung (z.B. durch Vergleich, Erledigung oder Klagerücknahme) oder den Stillstand des Verfahrens durch Nichtbetreiben seitens der Parteien voraus. Die Hemmung endet dann aber nicht sofort, sondern erst nach Ablauf einer Nachlauffrist von sechs Monaten (§ 204 Abs. 2 S. 1 BGB). Wird der mit der Klage verfolgte Anspruch rechtskräftig festgestellt, beginnt mit der Rechtskraft eine neue dreißigjährige Verjährung (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB), so dass die bis dahin abgelaufene Verjährung ihre rechtliche Bedeutung verliert.

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c) Einstweilige Verfügung (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB). Einstweilige (Leistungs-)Verfügungen auf Unterlassung sind im Wettbewerbsrecht von besonderer Bedeutung. Mit ihnen wird der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch selbst und nicht lediglich seine vorläufige Sicherung geltend gemacht und eine vorläufige Befriedigung des Unterlassungsgläubigers erreicht. Gleichwohl hatten nach früherem Recht weder der Antrag auf Erlass einer Unterlassungsverfügung noch der Erlass der Verfügung bzw. deren Zustellungen verjährungssichernde Wirkung.286 Dies führte dazu, dass der Unterlassungsgläubiger u.U. gezwungen war, noch während des laufenden Verfügungsverfahren ein Hauptsacheverfahren zum Schutz seines Anspruchs vor der kurzen wettbewerbsrechtlichen Verjährung anhängig zu machen, selbst wenn die Erwartung besteht, dass der Unterlassungsschuldner den Inhalt einer Unterlassungsverfügung als endgültige Regelung anerkennen wird. Dies287 hat den Gesetzgeber des SchuldRModG bewogen, Arrest und einstweilige Verfügung – allgemein, also nicht beschränkt auf das Wettbewerbsrecht – in den Katalog der Hemmungstatbestände aufzunehmen (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB). Streitgegenstand des Verfügungsverfahrens ist allerdings nicht der zu sichernde oder vorläufig zu befriedigende (Unterlassungs-)Anspruch selbst, über den nur im Hauptsacheverfahren entschieden werden kann, sondern der prozessuale Anspruch auf vorläufige

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282 BGH 25.9.2007 – X ZR 60/06 – BGHZ 173, 374 = GRUR 2008, 93 Tz. 8 – Zerkleinerungsvorrichtung m.w.N. 283 Fezer/Büscher § 11 Rn. 63. 284 BGH 27.11.1984 – VI ZR 38/83 – NJW 1985, 1152, 1154. 285 Vgl. MünchKommBGB/Grothe § 204 Rn. 15 f. m.w.N. 286 BGH 29.9.1978 – I ZR 107/77 – GRUR 1979, 121 – Verjährungsunterbrechung; BGH 5.12.1980 – I ZR 179/78 – GRUR 1981, 447, 448 – Abschlussschreiben; OLG Hamm 30.9.1976 – 4 U 147/76 – WRP 1977, 345, 346; OLG Hamm 5.10.1976 – 4 U 113/76 – WRP 1977, 39, 40; OLG Hamm 4.11.1976 – 4 U 226/76 – WRP 1977, 500, 502; Teplitzky GRUR 1984, 307; zur Kritik hieran vgl. Vorauflage/Messer § 21 Rn. 58 ff. m.w.N. 287 Vgl. Begr. zu § 204 BGB-E, BTDrucks. 14/6040 S. 115. Arrest und einstweilige Verfügung verjährungshemmende Wirkung zu geben, wurde auch von Peters/Zimmermann, S. 317, 312, und – beschränkt auf die einstweilige Verfügung mit besonderem Blick auf das Wettbewerbsrecht – von der 1995 vom BMJ eingesetzten Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbsrechts“, vgl. Bericht vom 17.12.1996, GRUR 1997, 201, 206, vorgeschlagen.

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B. Einzelheiten

Sicherung bzw. Befriedigung des Anspruchs.288 Nach dem Zweck der Hemmungsvorschrift erfasst die Hemmungswirkung aber nicht nur diesen prozessualen Anspruch, sondern auch den materiellen Anspruch.289 Insoweit gilt im Übrigen dasselbe wie bei einer Hauptsacheklage auf Unterlassung (vgl. Rn. 86), so dass nur die Verjährung des zu sichernden Unterlassungsanspruchs gehemmt werden, nicht aber die anderer Ansprüche aus demselben Lebenssachverhalt – etwa auf Auskunft und Schadensersatz.290 Betreibt der Gläubiger ein einstweiliges Verfügungsverfahren, tritt nach § 204 Abs. 1 89 Nr. 9 BGB die Hemmung mit Zustellung des Antrags auf Erlass der Verfügung ein, wobei gem. § 167 ZPO bei alsbaldiger Zustellung diese Wirkung bereits mit dem Eingang des Antrags bei Gericht eintritt.291 Unterbleibt (wie regelmäßig) eine solche Zustellung, tritt die Hemmung mit der Zustellung der einstweiligen Verfügung ein, allerdings nur, wenn dies innerhalb eines Monats seit Verkündung der Verfügung oder deren Zustellung – und damit innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO292 – erfolgt. Dass der Gesetzgeber den Eintritt der Hemmungswirkung nicht an die Antragstellung als Geltendmachung des Anspruchs durch den Gläubiger, sondern an die Zustellung des Antrags bzw. der Verfügung an den Schuldner geknüpft hat, beruht auf der – verfehlten293 – Vorstellung, dass grundsätzlich nur solche Rechtsverfolgungsmaßnahmen verjährungsrechtliche Wirkung entfalten könnten, die dem Schuldner bekannt werden.294 Folge ist, dass die Hemmungsvorschrift ihren Zweck, einen parallelen Hauptsacheprozess zu vermeiden, verfehlt, wenn der Antrag vor Erlass der Verfügung zurückgenommen oder auch vom Gericht zurückgewiesen wird.295 Sofern sich kein rascher Erfolg im Verfügungsverfahren abzeichnet, wird der Gläubiger daher nicht umhinkommen, rechtzeitig das Hauptsacheverfahren anhängig zu machen. Die Unterbrechung endet gem. § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach (formeller) Rechtskraft der Verfügung, anderweitiger Beendigung des Verfahrens oder – bei dessen Stillstand – der letzten Verfahrenshandlung. Auf diese Hemmung beschränkt sich die verjährungsrechtliche Wirkung einer einst- 90 weiligen Verfügung. Die Beschränkung des Streitgegenstandes des Verfügungsverfahrens auf den prozessualen Anspruch auf vorläufige Sicherung bzw. Befriedigung hat zur Folge, dass auch nur dieser Anspruch, nicht aber der materielle Anspruch, um dessen Sicherung oder vorläufige Befriedigung es geht, rechtskräftig festgestellt wird. Der Erlass der einstweiligen Verfügung – auch durch Urteil – führt daher nicht dazu, dass der materielle (Unterlassungs-)Anspruch nunmehr der neuen, dreißigjährigen (Titel-)Verjäh-

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288 H.M., vgl. nur Ahrens/Jestaedt Kap. 46 Rn. 1; Teplitzky Kap. 53 Rn. 3; Maurer GRUR 2003, 208, 211, jeweils m.w.N. 289 MünchKommBGB/Grothe § 204 Rn. 49; Maurer GRUR 2003, 208, 211, jeweils m.w.N. 290 OLG Köln 9.2.2009 – 6 W 4/09 – WRP 2009, 863, 865; MünchKommBGB/Grothe § 204 Rn. 49; Maurer GRUR 2003, 208, 211; Schabenberger WRP 2002, 293, 298. 291 Fezer/Büscher § 11 Rn. 69; Harte/Hennig/Schulz § 11 Rn. 102; MünchKommUWG/Fritsche § 11 Rn. 199; Maurer GRUR 2003, 208, 209. 292 Der Entwurf sah ursprünglich eine Dreimonatsfrist vor, die sich gegen „Schubladenverfügungen“ richtete, vgl. BTDrucks. 14/6040 S. 115. Der Rechtsausschuss hat die Vollziehungsfrist erkannt und die Frist in § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB hieran angepasst, vgl. BTDrucks. 14/7052 S. 181. Da die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO aber auch mit formloser Aushändigung der Verfügung an den Gläubiger beginnt, ist eine vollständige Parallelität beider Fristen nicht sichergestellt, vgl. Maurer GRUR 2003, 208, 209 Fn. 12. 293 Vgl. Toussaint FS Leenen, S. 279, 284 ff., und auch BGH 28.9.2004 – IX ZR 155/03 – BGHZ 160, 259, 265 = NJW 2004, 3772, 3774. Die Zustellung ist wegen der Möglichkeit der Ersatzzustellung oder der öffentlichen Zustellung ohnehin kein geeignetes Mittel, gerade eine Kenntnis des Empfängers sicherzustellen, vgl. BGH 13.3.1980 – VII ZR 80/79 – NJW 1980, 1458. Im Diskussionsentwurf des BMJ war noch vorgesehen, die Hemmung mit Antragseingang bei Gericht beginnen zu lassen, vgl. Baronikians WRP 2001, 121. 294 Vgl. Begr. zu § 204 BGB-E, BTDrucks. 14/6040 S. 114, 115. 295 Vgl. Harte/Hennig/Schulz § 11 Rn. 102 f.; Maurer GRUR 2003, 208, 210.

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rung des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB unterläge.296 Nach Beendigung des Verfügungsverfahrens muss der materielle Anspruch daher erneut und anderweitig vor einer Verjährung gesichert werden. In Betracht kommt insbesondere eine Abschlusserklärung des Schuldners (vgl. hierzu allgemein § 12 C Rn. 276 ff.), mit der dieser die Regelung der einstweiligen Verfügung als endgültig verbindlich anerkennt. Das Anerkenntnis des Anspruchs als solches führt allerdings lediglich gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zum Neubeginn der Verjährung und damit nur zu einer neuen kurzen Verjährung nach Absatz 1 (vgl. Rn. 93). Da die Verjährung vertraglicher Unterlassungsansprüche erst mit einer (neuerlichen) Zuwiderhandlung des Schuldners beginnt (vgl. Rn. 52), mag dies hinzunehmen sein. Abschlussschreiben und -erklärung können aber auch zu einer Vereinbarung führen, nach der die Regelung der einstweiligen Verfügung ein rechtskräftiges Unterlassungsurteil i.S.d. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB ersetzen und ihm – was nach § 202 BGB ohne weiteres zulässig ist – auch verjährungsrechtlich gleichstehen soll („titelersetzendes Anerkenntnis“).297 91

d) Anrufung der Einigungsstelle (§ 15 Abs. 9). Einen besonderen wettbewerbsrechtlichen Hemmungstatbestand enthält § 15 Abs. 9, der im Wesentlichen der früheren Regelung in § 27a Abs. 9 a.F. entspricht. Hiernach hemmt die Anrufung der Einigungsstelle (durch den Gläubiger, str.) die Verjährung in gleicher Weise wie eine Klageerhebung. Die Hemmung dauert bis zur Beendigung des Verfahrens – die, wenn kein Vergleich zustande kommt, von der Einigungsstelle festzustellen ist – an (zu Einzelheiten s. § 15 Rn. 292 ff.). 3. Neubeginn der Verjährung

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a) Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Verjährung beginnt nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB (wie früher nach § 208 BGB a.F.) erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Gerechtfertigt ist die verjährungsrechtliche Wirkung des Anerkenntnisses dadurch, dass mit ihm das bisherige Versäumnis des Gläubigers, seinen Anspruch durchzusetzen, ebenso wie die hieran geknüpfte Vermutung des Nichtbestehens des Anspruchs (vgl. Rn. 5) beseitigt werden. Ein solches Anerkenntnis kann auf Abmahnung hin ausdrücklich erklärt oder auch durch Befolgung der Abmahnung konkludent zum Ausdruck gebracht werden. Anerkenntnis ist ein Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich für diesen so unzweideutig ergibt, dem Schuldner sei das Bestehen der Schuld bewusst, dass der Gläubiger darauf vertrauen darf, der Schuldner werde sich nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen.298 Die bloße Erfüllung des Anspruchs – etwa die Befolgung eines Unterlassungsanspruchs – genügt hierfür noch nicht.299 Vielmehr bedarf es etwa einer auf Abmahnung hin abgegebenen Unterwerfungserklärung,300 in der aber nicht ohne weiteres zugleich ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis eines aus dem Wettbewerbsverstoß folgenden Auskunfts- oder Schadenersatzanspruchs liegt.301 Ein verjährungs-

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296 Maurer GRUR 2003, 208, 212; Teplitzky WRP 1987, 149, 150 f.; kritisch hierzu Baronikians WRP 2001, 121, 122. 297 Vgl. BGH 26.5.1992 – VI ZR 253/91 – NJW 1992, 2228, 2229; BGH 26.2.2002 – VI ZR 288/00 – NJW 2002, 1791, 1792; Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 28; Teplitzky Kap. 43 Rn. 8. 298 BGH 5.12.1980 – I ZR 179/78 – GRUR 1981, 447, 448 – Abschlussschreiben m.w.N. 299 OLG Hamm 30.9.1976 – 4 U 147/76 – WRP 1977, 345, 346. 300 KG 5.5.1989 – 5 U 6596/88 – GRUR 1990, 546 – Verjährungsunterbrechung; OLG Hamm 27.5.1999 – 4 U 20/99 – Magazindienst 1999, 1003, 1004 m.w.N. 301 Vgl. BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61, 63 – Preisvergleichsliste.

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III. Einwirkung auf den Lauf der Verjährung

B. Einzelheiten

hemmendes Anerkenntnis liegt nicht vor wenn der Verfügungsbeklagte die Wettbewerbsverletzung zugesteht, eine Wiederholungsgefahr aber bestreitet.302 Hat der Gläubiger gegen den Schuldner eine Unterlassungsverfügung erwirkt, liegt 93 in der Bezahlung der Kosten des Verfügungsverfahrens durch den Schuldner in der Regel noch kein Anerkenntnis des der Verfügung zugrunde liegenden Anspruchs,303 wohl aber in der Zurücknahme eines Rechtsmittels gegen die Verfügung nach richterlichem Hinweis auf dessen mangelnde Erfolgsaussicht.304 Ebenso kann ein verjährungshemmendes Anerkenntnis darin gesehen werden, dass der Verfügungsbeklagte nur den sogenannten Kostenwiderspruch erhebt, in seinem Widerspruchsschreiben also erklärt, der Widerspruch richte sich nur gegen die Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung – etwa deshalb, weil mangels vorhergehender Abmahnung kein Verfügungsgrund vorgelegen habe.305 Abschlussschreiben und Abschlusserklärung nach einer Unterlassungsverfügung führen ebenfalls zum Anerkenntnis des der Verfügung zugrunde liegenden Anspruchs, gehen aber regelmäßig durch verjährungsrechtliche Gleichstellung des anerkannten Anspruchs mit einem rechtskräftig titulierten Anspruch darüber hinaus. b) Zwangsvollstreckung (§ 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die Verjährung beginnt außer- 94 dem gem. § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB (wie früher nach § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB a.F.) erneut, wenn eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird. Dies ermöglicht dem Gläubiger, seinen einmal vollstreckbar titulierten Anspruch durch aktive Durchsetzung auch weiterhin (ggf. durch wiederholte Vollstreckungshandlungen dauerhaft) vor der Verjährung zu sichern. Erforderlich ist daher zunächst ein Vollstreckungstitel. In Betracht kommt hierfür nicht nur ein Titel aus einem Hauptsacheverfahren, sondern auch eine Unterlassungsverfügung. Dieser muss sich auf den Anspruch selbst beziehen; die Zwangsvollstreckung aus einer Nebenentscheidung wie z.B. einem Kostenfestsetzungsbeschluss hat keine verjährungssichernde Wirkung für den Hauptanspruch.306 Als Vollstreckungshandlung kommt jede Maßnahme der Zwangsvollstreckung in Betracht, die zur Durchsetzung des titulierten Anspruchs geeignet ist. Die Zwangsvollstreckung muss tatsächlich eingeleitet werden; die bloße Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen durch den Gläubiger gegenüber dem Schuldner reicht nicht aus.307 Ebenso wenig genügen Maßnahmen, die einer Zwangsvollstreckung vorausgehen müssen, selbst aber noch keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung sind. Dies betrifft vor allem die Zustellung als Zwangsvollstreckungsvoraussetzung (§ 750 Abs. 1 ZPO). Diese wird auch nicht dadurch zu einer Maßnahme der Zwangsvollstreckung, dass in dem Titel bereits Zwangsmittel für eine Vollstreckung nach § 890 ZPO angedroht werden (dagegen ist nachträgliche Androhung von Ordnungsmitteln durch gesonderten Beschluss nach § 890 Abs. 2 ZPO Vollstreckungshandlung i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB).308 Auch die Zustellung der einstweiligen Verfügung an den Schuldner genügt selbst dann nicht, wenn sie zum Zwecke der Vollziehung vorgenommen wird.309

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302 OLG Koblenz 20.12.1984 – 6 U 1221/84 – GRUR 1985, 388 – Verjährungsunterbrechung. 303 BGH 5.12.1980 – I ZR 179/78 – GRUR 1981, 447, 448 – Abschlussschreiben 304 OLG Bremen 26.9.1985 – 2 U 65/85 – GRUR 1986, 178 – Verjährungseinrede. 305 KG 56.1.1982 – 5 W 5686/81 – WRP 1982, 465, 466. 306 OLG Hamm 30.1.1979 – 4 U 259/78 – GRUR 1979, 326 f. – Verjährungseinrede. 307 BGH 29.4.1993 – III ZR 115/91 – BGHZ 122, 287, 294 = NJW 1993, 1847, 1848. 308 BGH 29.9.1978 – I ZR 107/77 – GRUR 1979, 121, 122 – Verjährungsunterbrechung. 309 BGH 29.9.1978 – I ZR 107/77 – GRUR 1979, 121 – Verjährungsunterbrechung; BGH 5.12.1980 – I ZR 179/78 – GRUR 1981, 447, 448 – Abschlussschreiben; a.A. früher etwa OLG Hamm 4.11.1976 – 4 U 226/76 –

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§ 11

Verjährung

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Zum Neubeginn der Verjährung führende Handlung ist zunächst der Antrag des Gläubigers an das zuständige Vollstreckungsorgan auf Vornahme der Zwangsvollstreckungsmaßnahme. Maßgeblich ist der Eingang bei Gericht; hierdurch wird der Gläubiger vor etwaigen Verzögerungen bei der Bearbeitung durch das Vollstreckungsorgan geschützt.310 Auf die Kenntnis des Schuldners kommt es hierbei nicht an.311 Wird dem Antrag nicht stattgegeben, wird er zurückgenommen oder wird die Vollstreckungsmaßnahme auf Antrag des Gläubigers oder wegen eines Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen wieder aufgehoben, gilt allerdings gem. § 212 Abs. 3 BGB der Neubeginn der Verjährung als nicht eingetreten. Außer dem Antrag führt auch die Vornahme der Vollstreckungshandlung selbst zum Neubeginn der Verjährung. Gemeint war mit diesem aus § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB a.F. übernommenen Begriff ursprünglich der (nach früherer Rechtsauffassung privatrechtlich aufgefasste) Auftrag des Gläubigers an den Gerichtsvollzieher zur Vornahme einer Vollstreckungshandlung und damit letztlich eine dem Gläubiger (anders als die auf Antrag vorzunehmenden Handlungen) selbst zuzurechnende Anspruchsdurchsetzung.312 Unter der inzwischen gewandelten Rechtsauffassung zur Stellung des Gerichtsvollziehers wird nunmehr die Handlung des Vollstreckungsorgans darunter verstanden, wie zuletzt der Gesetzgeber der Schuldrechtsmodernisierung durch die gegenüber § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB a.F. abweichende Formulierung in § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB klargestellt hat.313 Wird die Vollstreckungshandlung auf Antrag des Gläubigers oder mangels einer gesetzlichen Voraussetzung wieder aufgehoben, gilt der Neubeginn der Verjährung gem. § 212 Abs. 2 BGB als nicht eingetreten. Sowohl Antrag als auch Vornahme haben verjährungsrechtlich keine Dauerwirkung, sondern führen zum unmittelbar anschließenden Neubeginn der Verjährung.314 Mit der Zwangsvollstreckung aus einem Unterlassungstitel wegen einer Zuwi96 derhandlung wird zwar nur der konkret verletzte Einzelanspruch geltend gemacht (vgl. hierzu Rn. 35 ff.). Da aber auch in der Geltendmachung eines Einzelanspruchs die Geltendmachung des Stammrechts zum Ausdruck kommt,315 wird mit der Vollstreckungshandlung die Verjährung des Gesamtanspruchs auf dauernde Unterlassung gehemmt. IV. Rechtsfolgen der Verjährung IV. Rechtsfolgen der Verjährung 1. Leistungsverweigerungsrecht 97

a) Inhalt. Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner gem. § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern. Die Verjährung begründet mithin ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners; ob und wann er dieses Gegenrecht geltend macht, steht in seinem Belieben.316 Bestand und Durchsetzbarkeit des Anspruchs

_____ WRP 1977, 500; OLG Hamm 21.6.1977 – 4 U 69/77 – WRP 1977, 816, 817; OLG Hamm 9.3.1978 – 4 U 282/77 – WRP 1978, 395, 398. 310 Vgl. Mot. I S. 329 = Mugdan Mat. zum BGB, Bd. I S. 533. 311 Staudinger/Peters/Jacoby § 212 Rn. 38; a.A. MünchKommBGB/Grothe § 212 Rn. 20. 312 Vgl. BGH 18.1.1985 – V ZR 233/83 – BGHZ 93, 287, 296 ff. – NJW 1985, 1711, 1713 f. m.w.N. 313 Begr. § 212 BGB-E, BTDrucks. 14/6040 S. 121. 314 BGH 29.9.1978 – I ZR 107/77 – GRUR 1979, 121 – Verjährungsunterbrechung; BGH 20.11.1997 – IX ZR 136/97 – BGHZ 137, 193, 198 = NJW 1998, 1058, 1059 m.w.N.; BGH 7.7.2004 – V ZB 61/03 – NJW-RR 2004, 1578, 1580. 315 RG 30.5.1932 – VIII 135/32 – RGZ 136, 427, 432; BGH – 12.7.1960 – VI ZR 92/59, VersR 1960, 949; Soergel/Niedenführ, § 194 n.F. Rn. 4. 316 Vgl. BGH 4.12.2007 – XI ZR 144/06 – NJW 2008, 1312 Tz. 18.

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IV. Rechtsfolgen der Verjährung

B. Einzelheiten

werden allein durch den Eintritt der Verjährung nicht berührt.317 Der verjährte Anspruch bleibt weiterhin erfüllbar; das zu seiner Befriedigung – etwa aus Unkenntnis der Verjährung – (freiwillig)318 Geleistete (auf das der Gläubiger weiterhin einen – wenn auch einredebehafteten – Anspruch hat)319 kann nicht zurückverlangt werden, § 214 Abs. 2 BGB. Die Geltendmachung des durch die Verjährung begründeten Leistungsverweige- 98 rungsrechts geschieht durch Erhebung der Einrede der Verjährung. Diese Einredeerhebung ist eine geschäftsähnliche Handlung des materiellen Rechts,320 auf die die Vorschriften für Willenserklärungen, soweit die Ähnlichkeit dies rechtfertigt, entsprechend anzuwenden sind (dies gilt insbesondere für den Zugang, §§ 130 ff. BGB, und die Auslegung, §§ 133, 157 BGB). Für die Einredeerhebung bedarf es keiner ausdrücklichen Erklärung. Genügend ist, dass der Schuldner gegenüber dem Gläubiger seinen Willen bekundet, die Leistung endgültig zu verweigern, und dies – jedenfalls sinngemäß – mit dem Ablauf der Verjährungsfrist begründet.321 Die Einredeerhebung wirkt materiellrechtlich auf den Zeitpunkt des Eintritts der Verjährung zurück, so dass ab diesem Zeitpunkt Verzug nicht mehr eintreten kann bzw. bereits eingetretener Verzug endet.322 Die Erhebung der Einrede lässt den verjährten Anspruch nicht untergehen und schließt seine weitere Erfüllbarkeit nicht aus. Sie lässt aber die Durchsetzbarkeit des Anspruchs entfallen.323 Unberührt bleibt aber auch dann die zu unverjährter Zeit begründete Möglichkeit, die Forderung gegen eine andere Forderung aufzurechnen oder ein Zurückbehaltungsrecht auf sie zu stützen, § 215 BGB. Der Schuldner kann die einmal erhobene Einrede der Verjährung wieder fallenlassen324 und den Anspruch damit wieder durchsetzbar machen. Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs bewirkt, dass der Schuldner nach 99 Ablauf der Verjährungsfrist den aus einer bestimmten Verletzungshandlung herrührenden Schaden nicht mehr zu ersetzen braucht und der Gläubiger den Ersatz dieses Schadens vom Schuldner, wenn dieser sich auf sein Leistungsverweigerungsrecht beruft, nicht mehr verlangen kann. Die Verjährung betrifft nur den Schaden aus der vor rechtsverjährter Zeit begangenen Verletzungshandlung. Löst eine neuerliche gleichartige Verletzungshandlung desselben Schuldners denselben Schaden erneut oder einen anderen Schaden aus, so beginnt für den dadurch ausgelösten Schadensersatzanspruch die Verjährungsfrist mit der neuen Verletzungshandlung und der Kenntnis des Gläubigers davon zu laufen (vgl. Rn. 49). Entsprechendes gilt für die Verjährung eines Beseitigungsanspruchs. Besteht die geschuldete Leistung in einem Unterlassen, führt die Verjährung im 100 Grundsatz dazu, dass der Schuldner die weitere Unterlassung verweigern, mithin die zu unterlassende Handlung nunmehr vornehmen kann. Dies berechtigt den Schuldner indessen nicht, auch außerhalb des Schuldverhältnisses allgemein durch das Gesetz (z.B.

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317 BGH 2.10.2003 – V ZB 22/03 – BGHZ 156, 269, 271 = NJW 2004, 164; BGH 27.1.2010 – VIII ZR 58/09 – BGHZ 184, 128 = NJW 2010, 2422 Tz. 27 m.w.N. 318 Vgl. BGH 19.11.2008 – X ZR 39/08 – WuM 2009, 57 Tz. 5 (Rückforderungsrecht bleibt erhalten, wenn lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil geleistet wurde). 319 Vgl. BGH 18.1.2006 – VIII ZR 94/05 – NJW 2006, 903 Tz. 12. 320 BGH 2.10.2003 – V ZB 22/03 – BGHZ 156, 269, 271 = NJW 2004, 164; BGH 4.12.2007 – XI ZR 144/06 – NJW 2008, 1312 Tz. 41. 321 BGH 2.10.2003 – V ZB 22/03 – BGHZ 156, 269, 271 = NJW 2004, 164. 322 BGH 24.1.1961 – VIII ZR 98/59 – BGHZ 34, 191, 195 = NJW 1961, 1011; BGH 12.7.1967 – VIII ZR 180/65 – BGHZ 48, 249, 250 = NJW 1967, 1808; BGH 16.3.1988 – VIII ZR 184/87 – BGHZ 104, 6, 11 = NJW 1988, 1778, 1979. 323 BGH 27.1.2010 – VIII ZR 58/09 – BGHZ 184, 128 = NJW 2010, 2422 Tz. 27. 324 Hierin liegt regelmäßig noch kein Verzicht auf die Einrede, so dass sie später erneut erhoben werden kann, vgl. BGH 29.11.1956 – III ZR 121/55 – BGHZ 22, 267 = NJW 1957, 383 (LS).

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durch die §§ 3, 7) unerlaubte Handlungen vorzunehmen. Die Verjährung des gesetzlichen (Abwehr-)Unterlassungsanspruchs betrifft daher nur den aus einer konkreten, die Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr begründenden Zuwiderhandlung folgenden Anspruch, lässt aber das (erneute) Entstehen eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs wegen einer wiederholten Zuwiderhandlung unberührt (vgl. Rn. 20). Wiederholt der Schuldner die Verletzungshandlung, so kann er einem neuen Unterlassungsbegehren desselben Gläubigers daher nicht mit der Verjährungseinrede begegnen. b) Ausschluss des Leistungsverweigerungsrechts. Der Schuldner kann auf die Geltendmachung seines Leistungsverweigerungsrechts verzichten. Ein solcher Verjährungsverzicht ist ein abstraktes, einseitiges Verfügungsgeschäft des Schuldners.325 Es bedarf daher (anders als das durch zweiseitiges Rechtsgeschäft begründete sog. Stillhalteabkommen)326 lediglich einer einseitigen (empfangsbedürftigen) Erklärung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger.327 Der Verzicht setzt kein bereits begründetes Leistungsverweigerungsrecht voraus und kann daher bereits vor Eintritt der Verjährung erklärt werden.328 Wird er nach Ablauf der Verjährungsfrist erklärt, ist der Verzicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur wirksam, wenn der Schuldner bei Abgabe seiner Erklärung wusste oder zumindest für möglich hielt, dass die Verjährungsfrist schon abgelaufen und die Verjährung deshalb bereits eingetreten war.329 Auch nach bereits erhobener Einrede der Verjährung kann noch auf sie verzichtet werden.330 Da gem. § 202 Abs. 2 BGB die Verjährung durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden kann, ist ein ohne Bestimmung eines Endzeitpunktes erklärter Verzicht regelmäßig dahin zu verstehen, dass er diese zeitliche Grenze einhält, soweit sich aus der Auslegung der Erklärung nichts Abweichendes ergibt.331 Der Verzicht kann aber ohne weiteres befristet erklärt werden; das durch den Eintritt der Verjährung begründete Leistungsverweigerungsrecht kann dann nach Ablauf der Frist wieder geltend gemacht werden.332 Die trotz Verzichts erhobene Einrede der Verjährung ist unbeachtlich.333 Auf den Lauf der Verjährungsfrist hat der Verzicht keine Auswirkung; insbesondere führt er nicht zum Neubeginn der Verjährung.334 102 Das durch den Eintritt der Verjährung begründete Leistungsverweigerungsrecht ist dem Verwirkungseinwand ausgesetzt. Die Geltendmachung der Einrede muss sich an § 242 BGB messen lassen, dessen Anwendung dazu führen kann, dass gegenüber der Einrede der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung durchgreift. Unzulässig kann die Erhebung der Verjährungseinrede sein, wenn der Schuldner den Gläubiger hingehalten, ihn mit einer Handlungsweise von der rechtzeitigen Durchsetzung seines Anspruchs abgehalten hat, die den Gläubiger zu der Auffassung gelangen lassen durfte, der Schuldner werde sich nicht auf die Verjährung berufen, sondern den Anspruch ent101

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325 Lakkis ZGS 2003, 423, 424 m.w.N. 326 Vgl. zu diesem etwa BGH 15.7.2010 – IX ZR 180/09 – NJW-RR 2011, 208 Tz. 15 m.w.N. 327 BGH 18.9.2007 – XI ZR 447/06 – WM 2007, 2230 Tz. 15; BGH 16.3.2009 – II ZR 32/08 – NJW 2009, 1598 Tz. 22, jeweils m.w.N. 328 BGH 18.9.2007 – XI ZR 447/06 – WM 2007, 2230 Tz. 15; BGH 16.3.2009 – II ZR 32/08 – NJW 2009, 1598 Tz. 22; Lakkis ZGS 2003, 423, 424 jeweils m.w.N. 329 BGH 22.4.1982 – VII ZR 191/81 – BGHZ 83, 382, 389 = NJW 1982, 1815, 1816 m.w.N. 330 Lakkis ZGS 2003, 423, 424. 331 BGH 18.9.2007 – XI ZR 447/06 – WM 2007, 2230 Tz. 16; Lakkis ZGS 2003, 423, 425, jeweils m.w.N. 332 BGH 16.3.2009 – II ZR 32/08 – NJW 2009, 1598 Tz. 22 m.w.N. 333 Lakkis ZGS 2003, 423, 426. 334 BGH 18.9.2007 – XI ZR 447/06 – WM 2007, 2230 Tz. 16; Lakkis ZGS 2003, 423, 426, jeweils m.w.N.

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I. Prozessuale Behandlung der Verjährung

C. Verfahrensrechtliches

weder erfüllen oder mit sachlichen Mitteln bekämpfen.335 Dies war in der Vergangenheit in erster Linie dann von Bedeutung, wenn zwischen den Parteien Verhandlungen schwebten.336 Seit der Schuldrechtsmodernisierung führen solche schwebenden Verhandlungen aber bereits nach § 203 BGB zur Hemmung der Verjährung. Praktische Relevanz dürfte die Verwirkung der Verjährungseinrede daher heute kaum noch haben. 2. Herausgabeanspruch bei verjährtem Deliktsanspruch (§ 852 BGB). Auch nach 103 Eintritt der Verjährung der Ansprüche nach den §§ 8, 9 kann der Gläubiger das durch eine nach §§ 3, 7 unzulässige geschäftliche Handlung Erlangte als ungerechtfertigte Bereicherung herausverlangen. Da solche unzulässigen geschäftliche Handlungen zugleich unerlaubte Handlungen i.S.d. §§ 823 ff. BGB sind (vgl. Rn. 32), ist § 852 BGB anwendbar.337 Nach § 852 S. 1 BGB bleibt der Schadensersatzpflichtige, der etwas durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten erlangt hat, zu dessen Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung auch nach Eintritt der Verjährung des Schadensersatzanspruchs verpflichtet. Die Vorschrift findet nach heute hM338 nicht nur dann Anwendung, wenn der volle Tatbestand der Eingriffskondiktion nach § 812 BGB erfüllt ist. Vielmehr erfordert § 852 S. 1 BGB für der Bereicherungsanspruch (nur) dieselben Voraussetzungen wie der weitergehende verjährte Schadensersatzanspruch, ist also eine Rechtsfolgen- und keine Rechtsgrundverweisung. Ihm kommt die Wirkung einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung des Schadensersatzanspruchs zu, wobei die Ersatzpflicht sich dem Umfange nach beschränkt auf das, was der Geschädigte erlangt hat.339 Das ist für den aus Wettbewerbsverstößen herrührenden Schadenersatzanspruch bedeutsam, weil der mit einem Wettbewerbsverstoß häufig verbundene Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Verletzten keine Rechtsposition mit Zuweisungsgehalt betrifft und deshalb den Tatbestand des § 812 Abs. 1 Satz 1, Fall 2 BGB (Bereicherung in sonstiger Weise) regelmäßig nicht erfüllt.340 In allen Fällen, in denen dem Schaden des Verletzten ein stoffgleicher Vorteil des Verletzers entspricht, unterliegt der Anspruch auf Herausgabe des Vorteils gem. § 852 S. 2 BGB einer regelmäßigen Verjährung von zehn Jahren ab Anspruchsentstehung und einer von der Anspruchsentstehung unabhängigen Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren ab Begehung der Handlung.

C. Verfahrensrechtliches C. Verfahrensrechtliches I. Prozessuale Behandlung der Verjährung I. Prozessuale Behandlung der Verjährung Da die Verjährung nur ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners begründet 104 (vgl. Rn. 98), kann die Verjährung im Prozess vom Gericht nicht von Amts wegen berücksichtigt werden, sondern nur, wenn der Schuldner die Einrede der Verjährung (zu dieser Rn. 99) erhebt. Auch wenn die Voraussetzungen für die Erhebung der Einrede aus Sicht des Gerichts vorliegen, darf das Gericht nicht auf die Möglichkeit der Einredeerhe-

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335 Vgl. nur Bamberger/Roth/Henrich § 214 Rn. 9 ff. m.w.N. 336 Vgl. hierzu Vorauflage/Messer § 21 Rn. 67 m.w.N. 337 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288, 297 = GRUR 1995, 678, 681 – Kurze Verjährungsfrist; BGH 14.1.1999 – I ZR 203/96 – GRUR 1999, 751, 754 – Güllepumpen. 338 BGH 14.2.1978 – X ZR 19/76 – BGHZ 71, 86, 98 = GRUR 1978, 492, 495 – Fahrradgepäckträger II; BGH 14.1.1999 – I ZR 203/96 – GRUR 1999, 751, 754 – Güllepumpen; MünchKommBGB/Wagner § 852 Rn. 5 m.w.N. 339 BGH 14.2.1978 – X ZR 19/76 – BGHZ 71, 86, 99 f. = GRUR 1978, 492, 495 – Fahrradgepäckträger II. 340 BGH 14.2.1978 – X ZR 19/76 – BGHZ 71, 86, 98 = GRUR 1978, 492 – Fahrradgepäckträger II.

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bung hinweisen; anderenfalls setzt es sich dem Vorwurf der Befangenheit aus.341 Unerheblich ist, ob der Schuldner die Einrede innerhalb oder außerhalb des Rechtsstreits erhoben wird; entscheidend ist allein, dass die Einredeerhebung in den Prozess eingeführt wird.342 Trägt also etwa der Gläubiger selbst vor, dass der Schuldner sich vorgerichtlich auf die Einrede der Verjährung berufen, ist dies vom Gericht zu beachten.343 Hat der Schuldner die Einrede der Verjährung einmal erhoben, bedarf es – ungeachtet der Möglichkeit, eine einmal erhobene Einrede (ausdrücklich) wieder fallen zu lassen344 – keiner Wiederholung in der nächsten Instanz.345 Wird die Verjährungseinrede erstmals in der Berufungsinstanz erhoben, ist sie unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind.346 Ist dies allerdings nicht der Fall, hat sie unberücksichtigt zu bleiben.347 Die begründete Einrede der Verjährung führt zur Abweisung einer Leistungsklage 105 und einer positiven Feststellungsklage. Auf eine negative Feststellungsklage kann, da die Verjährung den Anspruch nicht erlöschen lässt, nicht festgestellt werden, dass dem Gläubiger der Anspruch nicht zusteht, sondern nur, dass der Schuldner zur Leistungsverweigerung berechtigt ist.348 Erhebt der Schuldner die Einrede der Verjährung erstmals während des Rechtsstreits, führt dieses Ereignis – ungeachtet der materiellrechtlichen Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Verjährungseintritts – zur Erledigung des Rechtsstreits i.S.d. § 91a ZPO.349 Von dieser nach objektiven Kriterien zu beurteilenden Frage zu unterscheiden ist die in einem solchen Falle bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen gem. § 91a S. 1 ZPO „unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen“ vorzunehmende Kostenverteilung. Jedenfalls dann, wenn der Gläubiger die Verjährung kannte und nicht davon ausgehen durfte, dass der Schuldner die Verjährungseinrede nicht erheben würde, spricht einiges dafür, den Gläubiger auch dann an den Kosten zu beteiligen, wenn die Klage bei Eintritt der Rechtshängigkeit zulässig und begründet war.350

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341 BGH 2. 10. 2003 – V ZB 22/03 – BGHZ 156, 269 = NJW 2004, 164; Ahrens/Bornkamm, Kap. 34 Rn. 2 m.w.N.; a.A. MünchKommUWG/Fritzsche, § 11 Rn. 166. 342 BGH 1.3.1951 – III ZR 205/50 – BGHZ 1, 234, 239 = NJW 1951, 557, 558. 343 BGH 22.4.1999 – IX ZR 364/98 – NJW 1999, 2120, 2123; BGH GSZ 23.6.2008 – GSZ 1/08 – BGHZ 177, 212 = NJW 2008, 3434 Tz. 16 m.w.N.; OLG Düsseldorf 5.2.1991 – 24 U 121/90 – NJW 1991, 2089, 2090. 344 Vgl. BGH 29.11.1956 – III ZR 121/55 – BGHZ 22, 267 = NJW 1957, 383 (LS). 345 BGH 15.12.1988 – IX ZR 33/88 – NJW 1990, 326, 327 m.w.N. 346 BGH GSZ 23.6.2008 – GSZ 1/08 – BGHZ 177, 212 = NJW 2008, 3434. 347 BGH 14.5.2009 – I ZR 208/06 – TranspR 2009, 477 Tz. 17 ff.; BGH 21.1.2010 – I ZR 206/07 – GRUR 2010, 828 Tz. 50 ff. – DiSC; BGH 12.1.2011 – VIII ZR 148/10 – NJW 2011, 842 Tz. 17 ff. 348 BGH 23.9.1968 – II ZR 67/66 – WM 1968, 1253; BGH 10.11.1982 – VIII ZR 156/81 – NJW 1983, 392 f. 349 BGH 27.1.2010 – VIII ZR 58/09 – NJW 2010, 2422 Tz. 28; Bornkamm/Köhler § 11 Rn. 1.53; Harte/Hennig/Schulz § 11 Rn. 123; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 163; Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 14 f.; Teplitzky Kap. 46 Rn. 37; Hase WRP 1985, 254, 256; Peters NJW 2001, 2289, 2290; a.A. (wegen Rückwirkung der Einrede auf den Verjährungseintritt sei die Klage von Anfang an unbegründet) jurisPK/Ernst § 11 Rn. 8; MünchKommZPO/Lindacher § 91a Rn. 151; Wieczorek/Schütze/Steiner § 91a Rn. 33; El-Gayar MDR 1998, 698, 699. Die früher im Vordergrund stehende Frage, ob die Verjährung des Anspruchs während eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zu dessen Erledigung führt, vgl. hierzu ausführlich Vorauflage/Messer § 21 Rn. 78 f. m.w.N., hat inzwischen ihre Bedeutung verloren, weil nach § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB jetzt auch das Verfügungsverfahren zur Verjährungshemmung führt, vgl. hierzu Rn. 89 ff. 350 Vgl. BGH 27.1.2010 – VIII ZR 58/09 – NJW 2010, 2422 Tz. 30 (Billigkeitsgesichtspunkte können Bedeutung erlangen); Harte/Hennig/Schulz § 11 Rn. 123 (mindestens Kostenaufhebung); MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 164 (u.U. Kostenaufhebung); Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 14 (Kostenentscheidung zulasten des Beklagten nicht angezeigt); a.A. (volle Kostenbelastung des Schuldners) Peters NJW 2001, 2289, 2291.

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II. Darlegungs- und Beweislast

C. Verfahrensrechtliches

II. Darlegungs- und Beweislast II. Darlegungs- und Beweislast Nach den anerkannten allgemeinen Grundsätzen trägt im Prozess derjenige, der ein 106 Recht geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen, während derjenige, gegen den das Recht in Anspruch genommen wird, die (rechtshindernden) Umstände darzulegen und zu beweisen hat, die den rechtsbegründenden Tatsachen ihre Bedeutung oder Grundlage nehmen.351 Dies gilt auch für das durch Verjährung begründete Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners. Daher hat der Schuldner, der sich auf Verjährung beruft, die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen das durch Verjährung begründete Leistungsverweigerungsrecht regelmäßig entsteht, darzulegen und zu beweisen, während die Umstände, die trotz Zeitablaufs ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Verjährung ausschließen, in die Darlegungs- und Beweislast des Gläubigers fallen.352 1. Verjährungsbegründende Tatsachen. Die tatsächlichen Voraussetzungen für 107 Beginn und (regelmäßigen) Ablauf der Verjährung hat daher der Schuldner, der sich auf Verjährung beruft, darzulegen und ggf. zu beweisen. a) Entstehung des Anspruchs. Dies gilt zunächst für die Entstehung des An- 108 spruchs (s. hierzu Rn. 46 ff.). Der Schuldner hat darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der vom Gläubiger behauptete Anspruch bereits zu bzw. jedenfalls nicht vor einem bestimmten Zeitpunkt entstanden ist, der in Verbindung mit dem ungestörten Ablauf der für den Anspruch geltenden Verjährungsfrist zur Vollendung der in Anspruch genommenen Verjährung führt.353 Bei einem Schadensersatzanspruch gehört auch die Entstehung des Schadens hierzu. Hat eine (abgeschlossene) Verletzungshandlung mehrere Schadensfolgen, genügt nach dem Grundsatz der Schadenseinheit (vgl. Rn. 48) die Darlegung des Eintritts des ersten Teilschadens. Bei Dauerhandlungen (hierzu Rn. 51, 53) trägt der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für den Zeitpunkt ihrer Beendigung. b) Subjektive Voraussetzungen des Verjährungsbeginns. Soweit der Verjäh- 109 rungsbeginn zusätzlich von den subjektiven Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Nr. 2 abhängt (zu diesen Rn. 55 ff.), fällt auch deren Vorliegen in die Darlegungs- und Beweislast des Schuldners. Der Schuldner muss dann darlegen und ggf. beweisen, ab wann der Gläubiger die anspruchsbegründenden Umstände und die Person des Schuldners kannte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte kennen müssen.354 Da es sich hierbei um innere Tatsachen aus dem Bereich des Gläubigers handelt, deren Darlegung dem Schuldner regelmäßig vor Schwierigkeiten stellen wird, trifft den Gläubiger hinsichtlich der Umstände aus seiner Sphäre eine Mitwirkungspflicht. Legt der Schuldner (über bloße Ver-

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351 Vgl. nur BGH 27.11.2003 – I ZR 94/01 – GRUR 2004, 246, 247 – Mondpreise?; Baumgärtel/Laumen/ Prütting Hdb. der Beweislast, Grundlagen, 2. Aufl. (2009), § 5 Rn. 19 ff., jeweils m.w.N. 352 Vgl. allgemein Baumgärtel/Laumen/Prütting/Kessen Hdb. der Beweislast, BGB-AT, 3. Aufl. (2007) Vor §§ 194 ff. Rn. 1 ff. m.w.N.; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.54. 353 Fezer/Büscher § 11 Rn. 81; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 52. 354 OLG München 2.12.2004 – 29 U 3475/04 – Magazindienst 2005, 241, 245 f.; OLG Jena 15.5.2007 – 2 W 610/06 – WRP 2007, 1121; Fezer/Büscher § 11 Rn. 81; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 124; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 6; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.54; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 145; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 52; Rohlfing GRUR 2006, 735, 738; rechtspolitische Bedenken hiergegen äußern (zu § 199 Abs. 1 BGB) Zimmermann/Leenen/Mansel/Ernst JZ 2001, 684, 686 f.

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§ 11

Verjährung

dachtsmomente hinausreichende)355 konkrete Tatsachen dar, die eine Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers nahelegen, kann sich dieser nicht auf einfaches Bestreiten beschränken. Vielmehr trifft ihn dann eine sekundäre Darlegungslast dazu, ab wann er Kenntnis hatte und was er zur Ermittlung der Voraussetzungen seines Anspruchs und der Person des Schuldners getan hat.356 Macht also beispielsweise der wegen wettbewerbswidriger Zeitungswerbung in Anspruch genommene Schuldner geltend, der Gläubiger habe zum Zeitpunkt des gewöhnlichen Kiosk-Verkaufs von der Verletzungshandlung und dem Schuldner Kenntnis erlangt, ist dem Gläubiger einfaches Bestreiten für eine erfolgreiche Abwehr der Verjährungseinrede nicht gestattet; vielmehr muss er dann schon dartun, inwiefern er erst später auf die wettbewerbswidrige Anzeige aufmerksam geworden sei. 110

2. Verjährungshindernde Tatsachen. Die tatsächlichen Voraussetzungen von Umständen, die einer Verjährung entgegenstehen, hat dagegen der Gläubiger darzulegen und ggf. zu beweisen. Dies gilt zum einen für das Vorliegen von Gründen, die zur Hemmung oder zum Neubeginn der Verjährung führen.357 So trägt etwa der Gläubiger die Beweislast dafür, dass – nach § 203 BGB die Verjährung hemmende – Vergleichsverhandlungen (hierzu Rn. 78 ff.) über den von der Verjährungseinrede betroffenen Anspruch bzw. die ihn begründenden Umstände geführt worden sind oder dass der Schuldner auf die Verjährungseinrede verzichtet (hierzu Rn. 102) hat. Zum anderen gilt dies aber gleichermaßen für den Abschluss einer die Verjährung erschwerenden Vereinbarung über die Verjährung i.S.v. § 202 BGB358 sowie für Umstände, die eine Berufung auf die Verjährung als unzulässige Rechtsausübung (hierzu Rn. 103) erscheinen lassen.359 Dass solche der Verjährung entgegenstehenden Umstände wieder fortgefallen sind 111 oder die Verjährung nicht gehindert haben, fällt demgegenüber wieder in die Darlegungs- und Beweislast des Gläubigers. Dieser hat daher insbesondere darzulegen und ggf. zu beweisen, dass eine Hemmung der Verjährung (rechtzeitig) geendet hat.360 Dies gilt etwa für die endgültige Beendigung oder das Scheitern von Vergleichsverhandlungen.361 Ebenso hat er etwa darzutun, dass ein Einredeverzicht oder eine Verjährungsvereinbarung aufgrund besonderer Umstände nicht wirksam war.362

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355 Vgl. OLG Jena 15.5.2007 – 2 W 610/06 – WRP 2007, 1121, 1122, und allg. BGH, 19.9.1996 – I ZR 124/94 – GRUR 1997, 229, 230 – Beratungskompetenz; BGH 26.10.2006 – I ZR 33/04 – GRUR 2007, 247 Tz. 33 – Regenwaldprojekt I. 356 Fezer/Büscher § 11 Rn. 81; juris-PK/Ernst § 11 Rn. 6; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.54; MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 146; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 52; Rohlfing GRUR 2006, 735, 738; zur gleichgelagerten Problematik bei § 199 Abs. 1 BGB vgl. etwa BGH 3.6.2008 – XI ZR 319/06 – NJW 2008, 2576 Tz. 25; a.A. nur OLG München 2.12.2004 – 29 U 3475/04 – Magazindienst 2005, 241, 246 (Erklärungspflicht des Gläubigers nur bei Zumutbarkeit, die stets besondere Anknüpfungspunkte durch die Art des vorangegangenen Tuns der beweisbegünstigten Partei oder ihrer persönlichen Verhältnisse und Beziehungen zum Gegner voraussetze). 357 juris-PK/Ernst § 11 Rn. 6; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.54; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 52. 358 Baumgärtel/Laumen/Prütting/Kessen Hdb. der Beweislast, BGB-AT, 3. Aufl. (2007), § 202 Rn. 1 m.w.N. 359 juris-PK/Ernst § 11 Rn. 6; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.54. 360 Vgl. (zu § 639 Abs. 2 a.F. BGB) BGH 30.10.2007 – X ZR 101/06 – NJW 2008, 576 Tz. 21. 361 Baumgärtel/Laumen/Prütting/Kessen Hdb. der Beweislast, BGB-AT, 3. Aufl. (2007), § 203 Rn. 1 m.w.N. 362 Baumgärtel/Laumen/Prütting/Kessen Hdb. der Beweislast, BGB-AT, 3. Aufl. (2007), § 202 Rn. 2.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

§ 12

KAPITEL 3 Verfahrensvorschriften § 12 Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

§ 12 Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung § 12 Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung (1) Die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. (2) Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden. (3) Ist auf Grund dieses Gesetzes Klage auf Unterlassung erhoben worden, so kann das Gericht der obsiegenden Partei die Befugnis zusprechen, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen, wenn sie ein berechtigtes Interesse dartut. Art und Umfang der Bekanntmachung werden im Urteil bestimmt. Die Befugnis erlischt, wenn von ihr nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft Gebrauch gemacht worden ist. Der Ausspruch nach Satz 1 ist nicht vorläufig vollstreckbar. (4) Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. Die Anordnung hat zur Folge, dass 1. die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat, 2. die begünstigte Partei, soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten hat und 3. der Rechtsanwalt der begünstigten Partei, soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben kann. (5) Der Antrag nach Absatz 4 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.

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§ 12

A.

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Systematische Übersicht Systematische Übersicht Besonderheiten des Klageverfahrens ____ 1 I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg ____ 1 1. Gerichtsbarkeit ____ 1 2. Rechtswegzuständigkeit als Prozessvoraussetzung ____ 2 3. Abgrenzung zu öffentlichrechtlichen Streitigkeiten, insbesondere zur Sozialgerichtsbarkeit ____ 21 4. Abgrenzung zu arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten ____ 29 5. Schiedsgerichtsvereinbarungen ____ 35 II. Insbesondere: Das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage ____ 36 1. Grundlagen ____ 36 2. Rechtsprechung und h.L. ____ 37 3. Prozessuale Deutung der Begehungsgefahr ____ 38 4. Zukunftsrechtsschutz und Rechtsschutzverkürzung ____ 40 5. Anwendung der §§ 257, 259 ZPO? ____ 41 6. Die Unterlassungsklage als Klage i.S.d. § 258 ZPO ____ 45 7. Doppelnatur der Begehungsgefahr? ____ 51 8. Die Begehungsgefahr als Voraussetzung des Zukunftsrechtsschutzes ____ 52 III. Unterlassungsklage ____ 62 1. Grundstrukturen der Unterlassungsklage und des Unterlassungsanspruchs ____ 62 2. Bestimmtheitsgrundsatz (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ____ 67 3. Streitgegenstand ____ 208 IV. Anderweitige Rechtshängigkeit und Klageänderung ____ 372 1. Einleitung ____ 372 2. Anderweitige Rechtshängigkeit ____ 373 3. Klageänderung ____ 384 V. Besondere Klagearten ____ 433 1. Beseitigungsklage ____ 433 2. Feststellungsklage ____ 469 3. Leistungsklage auf Schadensersatz ____ 478 4. Klage auf Auskunft und Rechnungslegung ____ 480

Beweis und Beweislast ____ 501 1. Grundlagen ____ 501 2. Feststellung der Verkehrsauffassung ____ 513 3. Allgemeines zur Darlegungsund Beweislast ____ 546 VII. Verfahrensunterbrechungen ____ 550 1. Allgemeines ____ 550 2. Unterbrechung des Unterlassungsprozesses durch Insolvenz ____ 552 3. Aussetzung des Wettbewerbsprozesses und Vorlage an den EuGH ____ 564 4. Aussetzung im Verfahren einstweiliger Verfügung ____ 572 5. Prozessuale Behandlung ____ 575 VIII. Rechtskraft ____ 576 1. Grundbegriffe und Systematik der Rechtskraft ____ 576 2. Ne bis in idem ____ 585 3. Präjudizialität ____ 606 4. Zeitliche Grenzen der Rechtskraft und die Statthaftigkeit nachträglicher Änderungen gegenüber dem rechtskräftigen Urteil ____ 622 IX. Erledigung der Hauptsache ____ 656 1. Historie und Systematik der Erledigung der Hauptsache ____ 656 2. Die übereinstimmende Erledigungserklärung ____ 659 3. Einseitige Erledigungserklärung ____ 666 X. Kosten ____ 698 1. Kostenentscheidung ____ 699 2. Erstattungsfähigkeit einzelner Kosten ____ 705 XI. Vergleich ____ 719 1. Einführung ____ 719 2. Rechtsnatur, Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Vergleichs ____ 722 3. Inhalte eines Vergleiches in Wettbewerbssachen ____ 756 4. Besonderheiten des Prozessvergleiches ____ 768 XII. Zwangsvollstreckung ____ 777 1. Unterlassungsvollstreckung ____ 777 2. Vollstreckung anderer Ansprüche aus dem UWG ____ 894 VI.

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I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

A. Besonderheiten des Klageverfahrens I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg Schrifttum Ebersohl Ann/Loschelder/Grosch Praxishandbuch Know-how-Schutz (2010); Asendorf Wettbewerbs- und Patentstreitsachen vor Arbeitsgerichten? Die sachliche Zuständigkeit bei der Verletzung von Betriebsgeheimnissen durch Arbeitnehmer, GRUR 1990, 229; Becker/Schweitzer Schutz der Versicherten vor unlauterem Kassenwettbewerb, NJW 2014, 269; Bill Gesetzliche Krankenversicherung und Wettbewerb im Lichte des GKV Gesundheitsreformgesetzes 2000, SGb 2000, 359; Bosten Wettbewerb ohne Wettbewerbsrecht, WRP 1999, 9; Braun Unzulässigkeit der (weiteren) Beschwerde gem. § 17a GVG in Eilverfahren? NVwZ 2007, 49; Bumiller Zur Zuständigkeit der Sozialgerichte für kartellrechtliche Streitigkeiten, GRUR 2000, 484; Diekmann/ Wildberger Wettbewerbsrechtliche Ansprüche im Rahmen von § 69 SGB V, NZS 2004, 15; Ebert-Weidenfeller/Gromotke Krankenkassen als Normadressaten des Lauterkeits- und Kartellrechts, EuZW 2013, 937; Eichenhofer Die Rolle von öffentlichem und privatem Recht bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen, SGb 2003, 365; Fischer Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten in UWG-Sachen, DB 1998, 1182; Keßler Die gesetzliche Krankenversicherung als Ausnahmebereich im deutschen und europäischen Wettbewerbsrecht im Lichte der neueren Rechtsprechung, WRP 2006, 1283; ders. Die gesetzliche Krankenversicherung im Spiegel der normativen Wettbewerbsordnung – Weiterungen und Restriktionen, WRP 2007, 1030; Kissel Die neuen §§ 17 bis 17b GVG in der Arbeitsgerichtsbarkeit, NZA 1995, 345; Knispel Auswirkungen der Neuregelung der Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Leistungserbringern durch das GKVGesundheitsreformgesetz 2000, NZS 2001, 466; Köhler Mitgliederwerbung der Krankenkassen, NZS 1998, 153; ders. Neue Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung, WRP 1998, 959; Kunze/Kreikebohm Sozialrecht versus Wettbewerbsrecht – dargestellt am Beispiel der Belegung von Rehabilitationseinrichtungen, NZS 2003, 5 und 62; Mayerhofer Rechtsweg oder sachliche Zuständigkeit? Das Verhältnis der ordentlichen Gerichte zu den Gerichten für Arbeitssachen nach dem Inkrafttreten des 4. VwGOÄndG, NJW 1992, 1602; Möschel Gesetzliche Krankenversicherung und das Kartellrecht, JZ 2007, 601; Mühlhausen Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit des UWG auf wettbewerbsrelevantes Verhalten von Krankenkassen, insbesondere bei der Mitgliederwerbung, NZS 1999, 120; Müller-Glöge/Preis/Schmidt Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Aufl. (2012); Oehler Gesundheitswesen ohne Wettbewerb – Zum Verlust einer rechtlichen Ordnungsidee, FS Priester (2007) 557; Otto Wettbewerbsrechtlicher Schutz gegen kommunale Wirtschaftstätigkeit, GewArch 2001, 360; Pagenkopf Einige Betrachtungen zu den Grenzen für privatwirtschaftliche Betätigung der Gemeinden – Grenzen für die Grenzzieher? GewArch 2000, 179; Piper Zum Wettbewerb der öffentlichen Hand, GRUR 1986, 574; Scholz Wettbewerbsrechtliche Klagen gegen Hoheitsträger: Zivil- oder Verwaltungsrechtsweg? NW 1978, 15; Schünemann Die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand zwischen öffentlichem und privatem Wettbewerbsrecht, WRP 2000, 1001; Tetzlaff Wettbewerb von Sozialversicherungsträgern – Rechtswegfrage, WuW 1990, 1009.

1. 2.

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Systematische Übersicht Gerichtsbarkeit ____ 1 Rechtswegzuständigkeit als Prozessvoraussetzung ____ 2 a) Allgemeines ____ 2 b) Rechtswegentscheidung (§ 17a GVG) ____ 5 aa) Normzweck und Entstehungsgeschichte ____ 5 bb) Allgemeines zur Rechtswegprüfung ____ 6 cc) Entscheidung bei Zulässigkeit des Rechtswegs ____ 8 dd) Entscheidung bei Unzulässigkeit des Rechtswegs ____ 10

3.

ee) Rechtsmittel ____ 15 ff) Entsprechende Anwendung in Eilverfahren ____ 18 gg) Kosten ____ 20 Abgrenzung zu öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, insbesondere zur Sozialgerichtsbarkeit ____ 21 a) Historische Entwicklung ____ 21 b) Abgrenzung zur Sozialgerichtsbarkeit nach geltendem Recht ____ 25 c) Abgrenzung jenseits der Sonderfälle der Sozialgerichtsbarkeit ____ 28

Ebersohl

§ 12

4.

1

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Abgrenzung zu arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten ____ 29 a) Abgrenzungskriterien ____ 29 aa) Arbeitnehmerbegriff ____ 30

5.

bb) Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis ____ 31 b) Zusammenhangsklagen ____ 34 Schiedsgerichtsvereinbarungen ____ 35

1. Gerichtsbarkeit. Gerichtsbarkeit meint die Befugnis der Gerichte (Art. 92 GG), „richterliche Gewalt“ i.S.d. § 1 GVG auszuüben.1 Diese Befugnis gilt innerhalb der territorialen Grenzen des Staates grundsätzlich unbeschränkt. Eine Ausnahme gilt für die in §§ 18 ff. GVG genannten Gerichtsfreien sowie im Allgemeinen für ausländische Staaten, soweit sie hoheitlich tätig werden (acta iure imperii). Demgegenüber erstreckt sich die inländische Gerichtsbarkeit auf die wirtschaftliche Betätigung ausländischer Staaten (acta iure gestionis).2 Gegenüber Wettbewerbsansprüchen kann ein ausländischer Staat praktisch nie Immunität geltend machen, da ein Handeln zu Wettbewerbszwecken der Natur nach nicht hoheitlich ist.3 Dies gilt insbesondere für die praktisch relevanten Bereiche der Fremdenverkehrsbüros und der Handelsförderungsbüros.4 Von der deutschen Gerichtsbarkeit sind daneben ausländische Staatsunternehmen ebenso wenig befreit wie ausländische Staatsbanken.5 2. Rechtswegzuständigkeit als Prozessvoraussetzung

a) Allgemeines. Das UWG enthält keine Regelung zu Fragen der Rechtswegzuweisung wettbewerbsrechtlicher Streitigkeiten. Anzuknüpfen ist deshalb an die allgemeine Regelung des § 13 GVG. Wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten, die sich nach den Vorschriften des UWG beurteilen, stellen in der Regel bürgerliche Streitigkeiten dar.6 Beurteilt sich das streitige Rechtsverhältnis nach den Vorschriften des UWG und fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung, ist daher regelmäßig der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gem. § 13 GVG eröffnet. Für Wettbewerbsstreitigkeiten relevante spezielle Rechtszuweisungen finden sich in der Sozialgerichtsbarkeit7 sowie in der Arbeitsgerichtsbarkeit.8 Die Rechtswegzuständigkeit stellt eine sowohl im Hauptsache- als auch im Verfü3 gungsverfahren von Amts wegen zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung oder Prozessvoraussetzung dar.9 Ob eine bürgerliche Streitigkeit vorliegt, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, d.h. nach dem Streitgegenstand.10 Für die Bestimmung des streitigen Rechtsverhältnisses und des2

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1 Umfassend zur Gerichtsbarkeit Vorauflage/Jacobs vor § 13, D, Rn. 1–14 m.w.N. 2 BVerfG 30.4.1963 – 2 BvM 1/62 – BVerfGE 16, 27, 34 = NJW 1963, 1732, 1733; Geimer Rn. 666 ff.; Schack Rn. 148 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schütze § 11 Rn. 1 ff. m.w.N. 3 Vorauflage/Jacobs vor § 13, D, Rn. 7; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schütze § 11 Rn. 4. 4 Gloy/Loschelder/Erdmann/Schütze § 11 Rn. 5 f. m.w.N. 5 Siehe dazu Gloy/Loschelder/Erdmann/Schütze § 11 Rn. 7 f. mit differenzierender Ansicht bzgl. ausländischer Staatsbanken. 6 Teplitzky Kap. 45 Rn. 1; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 44; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 85 Rn. 1. 7 Vgl. Rn. 21 ff. 8 Vgl. Rn. 29 ff. 9 Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 3; Fezer/Büscher § 12 Rn. 220. 10 GmS-OGB 10.4.1986 – GmS-OGB 1/85 – BGHZ 97, 312 = NJW 1986, 2359; 29.10.1987 – GmS-OGB 1/86 – BGHZ 102, 280, 283 = NJW 1988, 2295; BGH 22.3.1976 – GSZ 1/75 – BGHZ 66, 229, 232 = GRUR 1976, 658, 659 – Studenten-Versicherung m. Anm. Kraft; 22.3.1976 – GSZ 2/75 – BGHZ 67, 81, 84 = GRUR 1977, 51, 52 – Auto-Analyzer m. Anm. Kraft; 11.7.1996 – V ZB 6/96 – BGHZ 133, 240, 243 = NJW 1996, 3012; 2.4.2009 – IX ZB 182/08 – NJW 2009, 1968 Tz. 10; 27.10.2009 – VIII ZB 42/08 – BGHZ 183, 49, 54 Tz. 13 = NJW 2010, 873, 874 Tz. 13; 27.10.2009 – VIII ZB 45/08 – NJOZ 2010, 2116, 2118 Tz. 13.

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I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

sen Natur ist insoweit (allein) vom Klagevorbringen auszugehen.11 Die Frage, ob der daraus geltend gemachte Anspruch tatsächlich besteht, ist zwar eine solche der Begründetheit. Im Rahmen der Rechtswegeröffnung ist es dennoch nicht ausreichend, dass sich der Kläger allein (formal) auf eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage beruft.12 Andererseits ist es für die Rechtswegeröffnung ohne Belang, ob der Klageanspruch schlüssig dargetan ist. Maßgeblich ist vielmehr die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Parteivortrag darstellt. Auf dieser Grundlage müssen sich – die Richtigkeit des Vortrags unterstellt – solche Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen ergeben, für die die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte besteht.13 Im Fall der negativen Feststellungsklage ist zusätzlich auch das Beklagtenvorbrin- 4 gen zu berücksichtigen.14 Dies ist erforderlich, da sich der Streitgegenstand nach der positiven Berühmung eines vom Beklagten beanspruchten Rechts bestimmt. Für die Frage des Rechtswegs ist deshalb zu klären, welcher Natur dieses beanspruchte Recht ist. b) Rechtswegentscheidung (§ 17a GVG) aa) Normzweck und Entstehungsgeschichte. Die Entscheidung über die Zulässig- 5 keit des beschrittenen Rechtswegs erfolgt nach Maßgabe der am 1.1.1991 in Kraft getretenen Regelung des § 17a GVG.15Die Vorschriften der §§ 17–17b GVG gelten für die ordentlichen Gerichte unmittelbar (§ 2 EGGVG) und für die Gerichte der anderen Gerichtsbarkeiten aufgrund gesetzlicher Anordnung entsprechend (§§ 173 VwGO, 202 SGG, 48 ArbGG und 155 FGO). Zweck des § 17a GVG ist, die Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit zu beschleunigen und zu vereinfachen.16 Hierzu wurde die aufdrängende Bindung einer Verweisung an ein Gericht eines anderen Rechtswegs eingeführt (Abs. 2 Satz 3) und die Möglichkeit der Klageabweisung aufgrund Unzulässigkeit des gewählten Rechtswegs abgeschafft.17 Ferner ist nach Abs. 5 die Zulässigkeit des Rechtswegs der Prüfung der Gerichte im allgemeinen Rechtsmittelverfahren entzogen. Eine Überprüfung der Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs erfolgt nach Abs. 4 Satz 3 vielmehr lediglich im Rahmen der sofortigen Beschwerde. Mithin wird gleich zu Beginn eines Verfahrens die Frage der Rechtswegzuständigkeit abschließend geklärt. Dadurch wird insbesondere der

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11 Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 3; Fezer/Büscher § 12 Rn. 221. 12 GmS-OGB 10.4.1986 – GmS-OGB 1/85 – BGHZ 97, 312, 313 = NJW 1986, 2359; 29.10.1987 – GmS-OGB 1/86 – BGHZ 102, 280, 283 = NJW 1988, 2295; 10.7.1989 – GmS – OGB 1/88 – BGHZ 108, 284, 286 = NJW 1990, 1527; BGH 30.1.1997 – III ZB 110/96 – NJW 1997, 1636; 27.1.2005 – III ZB 47/04 – BGHZ 162, 78, 80 = NVwZ 2006, 243, 244; 24.1.2008 – IX ZR 216/06 – NJW-RR 2008, 610 Tz. 14; 29.4.2008 – VIII ZB 61/07 – BGHZ 176, 222, 224 Tz. 8; 17.9.2008 – III ZB 19/08 – WM 2008, 2153, 2154 Tz. 9; 9.4.2009 – III ZR 200/08 – NVwZ 2009, 928 Tz. 3; 27.10.2009 – VIII ZB 45/08 – NJOZ 2010, 2116, 2118 Tz. 13. 13 GmS-OGB 10.4.1986 – GmS-OGB 1/85 – BGHZ 97, 312, 313 = NJW 1986, 2359, 2360; 29.10.1987 – GmSOGB 1/86 – BGHZ 102, 280, 283 = NJW 1988, 2295, 2296; 10.7.1989 – GmS – OGB 1/88 – BGHZ 108, 284, 286 = NJW 1990, 1527; 23.2.1988 – VI ZR 212/87 – BGHZ 103, 255, 257 = NJW 1988, 1731, 1732; 29.4.2008 – VIII ZB 61/07 –BGHZ 176, 222, 224 Tz. 8; 27.10.2009 – VIII ZB 42/08 – BGHZ 183, 49, 54 Tz. 13 = NJW 2010, 873, 874 Tz. 13; BAG 6.2.1958 – 2 AZR 493/57 – BAGE 5, 139, 141 = NJW 1958, 686; BVerwG 14.10.1958 – I C 59.57 – BVerwGE 7, 257, 258; 28.1.1965 – II C 108.62 – BVerwGE 20, 199, 200 = NJW 1965, 929. 14 GmS-OGB 29.10.1987 – GmS-OGB 1/86 – BGHZ 102, 280, 284 = NJW 1988, 2295, 2296; Ahrens/ Bornkamm Kap. 15 Rn. 3; Fezer/Büscher § 12 Rn. 221. 15 Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17.12.1990, BGBl. I, S. 2809, 2816 f. 16 Vgl. BTDrucks. 11/7030, S. 37. 17 Näher zur Gesetzesgeschichte und zum Normzweck Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 1 f.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Gefahr vorgebeugt, dass ein Rechtsstreit erst die Instanzen durchläuft, um schlussendlich in einen anderen Rechtsweg verwiesen zu werden.18 bb) Allgemeines zur Rechtswegprüfung. Das angerufene Gericht prüft die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs von Amts wegen.19 Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG wird die Zulässigkeit durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Vorausgesetzt, dass der Streitgegenstand nicht geändert wird, bleibt somit eine Klage, die einmal im zulässigen Rechtsweg erhoben war, ungeachtet künftiger Entwicklungen zulässig.20 Dies gilt auch in den Fällen einer nachträglichen Änderung der Gesetzeslage.21 Treten demgegenüber nachträglich Umstände ein, die erst die Zulässigkeit des Rechtswegs eröffnen, so sind diese bis zur rechtskräftigen Verweisung an einen anderen Gerichtszweig zu berücksichtigen.22 Vor der Zulässigkeit des Rechtswegs ist das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit zu prüfen, und zwar nicht nur innerhalb der Zivilgerichtsbarkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), sondern auch bei Klagen in verschiedenen Rechtswegen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG).23 Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG gilt, dass das Gericht des zulässigen Rechtswegs den 7 Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet. Damit ist jedoch keine Aussage getroffen für den Fall der objektiven Klagehäufung, mithin für den Fall, dass mehrere prozessuale Ansprüche – sei es kumulativ oder im Wege von Haupt- und Hilfsanträgen – geltend gemacht werden.24 Hier ist für jeden prozessualen Anspruch die Zulässigkeit des Rechtswegs gesondert zu prüfen.25 Bei kumulativer Geltendmachung sind die im unzulässigen Rechtsweg erhobenen prozessualen Ansprüche abzutrennen (durch die Zivilgerichte nach § 145 ZPO) und nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG zu verweisen. Bei haupt- und hilfsweiser Geltendmachung ist der Hauptanspruch maßgeblich. Nachdem dieser beschieden ist, ist das Verfahren, soweit über den Hilfsantrag noch zu entscheiden ist, auf den für den Hilfsantrag zuständigen Rechtsweg zu verweisen.26 Auch bei subjektiver Klagehäufung, also bei mehreren Streitgenossen auf Kläger- oder Beklagtenseite, hat eine selbstständige Prüfung der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu erfolgen.27 Die äußerliche Verbindung der einzelnen Verfahren ändert nichts an deren Unabhängigkeit und Selbstständigkeit.28 Sind für die Streitgenossen verschiedene Rechtswege eröffnet, so kann nicht analog § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ein gemeinsamer Rechtsweg bestimmt werden, da die Rechtswegzuständigkeit im Einzelnen genau bestimmt ist und keine allgemeine Veranlassung besteht, Gerichte mit Rechtsstreitigkeiten anderer Rechtswege zu befassen.29

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18 BGH 18.9.2008 – V ZB 40/08 – NJW 2008, 3572 Tz. 9; Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 6 mit Verweis auf GmS-OGB 10.7.1989 – GmS – OGB 1/88 – BGHZ 108, 284, 286 = NJW 1990, 1527, wo der BGH das Verfahren an das örtlich zuständige Sozialgericht verwiesen hat. 19 Vgl. BTDrucks. 11/7030, S. 37. 20 Fezer/Büscher § 12 Rn. 244 m.w.N. 21 Vgl. hierzu BGH 11.12.2001 – KZB 12/01 – GRUR 2002, 464 – LDL Behandlung m.w.N. 22 BGH 3.4.1992 – V ZR 83/91 – NJW 1992, 1757; 18.5.1995 – I ZB 22/94 – NJW 1995, 2295; Fezer/Büscher § 12 Rn. 244. 23 BGH 3.7.1997 – IX ZB 116/96 – NJW 1998, 231; Fezer/Büscher § 12 Rn. 244. 24 Fezer/Büscher § 12 Rn. 245. 25 BGH 5.6.1997 – I ZB 42/96 – GRUR 1998, 506, 508 – Rechtsweg; Fezer/Büscher § 12 Rn. 245. 26 BGH 17.12.1998 – IX ZB 59/97 – NJW-RR 1999, 1007, 1009; Fezer/Büscher § 12 Rn. 245. 27 Fezer/Büscher § 12 Rn. 245, § 59 Rn. 11 und für § 61 Rn. 47. 28 Vgl. MünchKommZPO/Schultes § 59 Rn. 22. 29 BGH 24.3.1994 – X ARZ 902/93 – NJW 1994, 2032; Fezer/Büscher § 12 Rn. 245.

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I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

cc) Entscheidung bei Zulässigkeit des Rechtswegs. Hält das Gericht erster Instanz 8 den beschrittenen Rechtsweg für zulässig, so stehen grundsätzlich zwei Wege der Entscheidung zur Verfügung. So kann (unter bestimmten Voraussetzungen: muss) es zum einen nach § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG eine Vorabentscheidung im Beschlusswege über die Zulässigkeit des Rechtswegs treffen. Zum anderen kann es im Rahmen seiner Entscheidung in der Hauptsache30 (ausdrücklich oder konkludent) über die Eröffnung des beschrittenen Rechtswegs entscheiden.31 Diese Entscheidung ist grundsätzlich unangreifbar (§ 17a Abs. 5 GVG), selbst wenn sie in der Sache unrichtig ist.32 Wegen der besonderen prozeduralen Ausgestaltung in § 17a Abs. 4 GVG kann das Gericht erster Instanz hingegen nicht positiv über die Rechtswegzuständigkeit durch Zwischenurteil entscheiden.33 Rügt eine Partei die Zulässigkeit des Rechtswegs, wobei zugleich § 282 Abs. 3 ZPO zu 9 beachten ist,34 muss das Gericht vorab durch Beschluss entscheiden (§ 17a Abs. 3 Satz 2 GVG). Da die Beteiligten die Rechtswegzuständigkeit in der Rechtsmittelinstanz nicht mehr rügen können (§ 17a Abs. 5 GVG), stellt sich § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG als Präklusionsregelung dar.35 Die Rechtswegzuständigkeit muss nicht ausdrücklich bestritten werden, doch müssen sich nach dem Parteivortrag Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Zuständigkeit zumindest in Frage gestellt wird.36 Die nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG getroffene Entscheidung ist rechtskraftfähig. Hinsichtlich der formellen Rechtskraft ist auf den Ablauf der Beschwerdefrist gemäß den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung abzustellen (§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG), im Falle zivilprozessualer Streitigkeiten auf § 569 ZPO. dd) Entscheidung bei Unzulässigkeit des Rechtswegs. Die Wahl des unzulässi- 10 gen Rechtswegs führt nicht zu einem klageabweisenden Prozessurteil. Gem. § 17a Abs. 2 GVG spricht das Gericht nach Anhörung der Parteien die Unzulässigkeit des Rechtswegs durch Beschluss aus und verweist zugleich von Amts wegen den Rechtsstreit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs. Eine mündliche Verhandlung ist nicht zwingend notwendig (§ 17a Abs. 4 Satz 1 GVG). Wegen § 17a Abs. 4 GVG kann – wie in Fällen der angenommenen Rechtswegzuständigkeit37 – nicht durch Zwischenurteil über die Rechtswegzuständigkeit entschieden werden. Eine Verweisung hat auch dann zu erfolgen, wenn die weiteren Prozessvoraussetzungen für das Verfahren vor diesem Gericht nicht erfüllt sind.38 Eine Teilverweisung ist wegen § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet, nur möglich, wenn zuvor eine Abtrennung (im Zivilrechtsweg nach § 145 ZPO) erfolgt ist.39

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30 Zum Begriff Rn. 16 f. 31 BGH 19.11.1993 – V ZR 269/92 – NJW 1994, 387; 19.11.1993 – V ZR 22/92AP – GVG § 17a Nr. 21; 18 9.2008 – V ZB 40/08 – NJW 2008, 3572 Tz. 9; BAG 9.7.1996 – 5 AZB 6/96 – NJW 1996, 3430. 32 Siehe dazu näher Rn. 16 ff. 33 Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 16 m.w.N.; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/Clausing § 109 Rn. 3; a.A.: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/Ehlers § 17a GVG Rn. 22. 34 BGH 25.2.1993 – III ZR 9/92 – BGHZ 121, 367, 369 = NJW 1993, 1799; 18.11.1998 – VIII ZR 269-97 – NJW 1999, 651; 9.4.2009 – III ZR 200/08 – NVwZ 2009, 928 Tz. 4; Zöller/Lückemann § 17a Rn. 6; MünchKommZPO/Zimmermann § 17a GVG Rn. 12; Fezer/Büscher § 12 Rn. 246. 35 Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/Ehlers § 17a GVG Rn. 24. 36 Vgl. BGH 19.11.1993 – V ZR 269/92 – NJW 1994, 387; OLG Brandenburg 27.10.2008 – 6 U 20/07 – juris Tz. 34; a.A. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/Ehlers § 17a GVG Rn. 25. 37 Vgl. dazu Rn. 8. 38 Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 10 m.w.N. 39 Hierzu Rn. 7.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

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Der rechtskräftige Verweisungsbeschluss ist gem. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Die Verweisung hat somit aufdrängende, eine Rückverweisung ausschließende Wirkung40 und entfaltet darüber hinaus aufdrängende Kraft, die eine Weiterverweisung an ein Gericht eines dritten Rechtswegs ausschließt.41 Die Bindungswirkung ist indes auf die Rechtswegfrage beschränkt, sodass z.B. innerhalb des Rechtswegs wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit weiterverwiesen werden darf.42 Wird innerhalb des Rechtswegs, an den nach § 17a Abs. 2 GVG bereits einmal verwiesen wurde, an ein drittes Gericht weiterverwiesen, so besteht die Bindungswirkung im Hinblick auf den Rechtsweg aus § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG fort.43 Die Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG tritt unabhängig davon ein, ob 12 die Verweisung gesetzwidrig erfolgt ist. Die durch § 17a Abs. 4 GVG eröffnete Beschwerdemöglichkeit schließt es auch bei einem schwerwiegenden Rechtsfehler, etwa der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, grundsätzlich aus, die Bindungswirkung der Verweisung zu durchbrechen.44 Dementsprechend entfaltet sogar eine gesetzwidrige Rückverweisung Bindungswirkung, wenn sie in Rechtskraft erwächst.45 Offen gelassen hat der BGH bislang die Frage, ob bei „extremen Verstößen“ die Bindungswirkung durchbrochen werden soll, etwa im Falle eines nicht mehr zu rechtfertigenden Verstoßes gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters.46 Angesichts der Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Ermittlung derartiger „extremer Verstöße“ und vor dem Hintergrund, dass eine Beschwerde nach § 17a Abs. 4 GVG in jedem Fall möglich ist, sollten vom Grundsatz der strengen Bindungswirkung keine Ausnahmen gemacht werden.47 Gem. § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG bleiben die Wirkungen der Rechtshängigkeit auch 13 bei Verweisung bestehen. Dies gilt sowohl für die prozessualen (§§ 261 ff. ZPO) als auch für die materiell-rechtlichen Wirkungen (z.B. §§ 291, 292, 407 Abs. 2, 818 Abs. 4 BGB). Der Grundgedanke der Vorschrift besteht darin, dass die Anrufung eines falschen Gerichts im Hinblick auf die Gleichrangigkeit der einzelnen Gerichtsbarkeiten nicht zu Lasten des Klägers gehen darf.48 Dementsprechend werden durch die Klageerhebung grundsätzlich auch sämtliche Fristen gewahrt.49 Eine Ausnahme ist für den Fall eines offenkundigen Rechtsmissbrauchs zu machen.50 Die Klagefrist wird durch den Eingang bei dem unzuständigen Gericht ferner nur dann gewahrt, wenn die Klage gerade an dieses Gericht gerichtet war und es sich nicht um einen Irrläufer handelt.51 14 Nach Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses und mit Eingang der Akten tritt bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht Anhängigkeit ein (§ 17b Abs. 1 Satz 1

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40 Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/Ehlers § 17a GVG Rn. 14. 41 BTDrucks. 11/7030, S. 37; Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 14. 42 BTDrucks. 11/7030, S. 37; Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 14. 43 Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 14 m.w.N. 44 BGH – 8.7.2003 – X ARZ 138/03 – NJW 2003, 2990; Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 15; Fezer/Büscher § 12 Rn. 249. 45 BGH 24.2.2000 – III ZB 33/99 – NJW 2000, 1343, 1344; Fezer/Büscher § 12 Rn. 249. 46 BGH 13.11.2001 – X ARZ 266/01 NJW-RR 2002, 713; 8.7.2003 – X ARZ 138/03 – NJW 2003, 2990; für eine Durchbrechung der Bindungswirkung in diesen Fällen Fezer/Büscher § 12 Rn. 249. 47 Vgl. Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 15. 48 KG 12.12.2007 – 3 UF 88/07 – NJW-RR 2008, 744, 745; MünchKommZPO/Zimmermann § 17b GVG Rn. 7. 49 OVG Münster 29.8.1995 – 25 A 4760/95.A – NJW 1996, 334; KG 12.12.2007 – 3 UF 88/07 – NJW-RR 2008, 744, 745; vgl. auch BVerwG 20.1.1993 – 7 B 158/92 – DVBl. 1993, 562. 50 Vgl. KG 12.12.2007 – 3 UF 88/07 – NJW-RR 2008, 744, 745 zum Fall der Einreichung eines Scheidungsantrags beim Sozialgericht. 51 BVerwG 31.10.2001 – 2 C 37/00 – NJW 2002, 768.

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I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

GVG). Anhängigkeit bedeutet, dass das Gericht mit einem Verfahren befasst ist und damit die Verantwortung über den weiteren Verfahrensablauf übertragen erhält.52 Sie setzt insoweit – im Gegensatz zur Rechtshängigkeit (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO) – nicht die Zustellung an den Beklagten voraus. Ab dem Zeitpunkt der Anhängigkeit ist das Gericht, an das verwiesen wird, für sämtliche Verfahrenshandlungen und Entscheidungen zuständig. ee) Rechtsmittel. Gegen die nach § 17a Abs. 2 und 3 GVG getroffenen Beschlüsse 15 kann sofortige Beschwerde nach Maßgabe der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung (z.B. §§ 567 ff. ZPO) erhoben werden (§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG). Nach allgemeinen Grundsätzen ist eine Beschwer des Beschwerdeführers erforderlich.53 Richtigerweise ist dabei seitens des Klägers die formelle, seitens des Beklagten hingegen nur die – grundsätzlich gegebene54 – materielle Beschwer zu fordern, da der Kläger sich mit Klageerhebung verbindlich zum zu beschreitenden Rechtsweg geäußert hat, während der Gesetzeswortlaut eine derartige verbindliche Äußerung des Beklagten gerade nicht erfordert.55 Befindet das Beschwerdegericht, dass die Zulässigkeit des Rechtswegs zu Unrecht angenommen wurde, so spricht es selbst die Verweisung aus.56 Wird sofortige Beschwerde eingelegt, so ist das Hauptsacheverfahren entsprechend § 148 ZPO auszusetzen.57 Wurde Rechtsbeschwerde (z.B. §§ 574 ff. ZPO) zugelassen, ist auch diese statthaft. Der Wortlaut des § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG ist insoweit zu eng, als er die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde nur für den Fall vorsieht, dass es sich bei dem Beschwerdegericht um ein Oberlandesgericht handelt. Dieses gesetzgeberische Versehen hat der BGH korrigiert und entschieden, dass Rechtsbeschwerde auch gegen Entscheidungen der Landgerichte erhoben werden kann, wenn sie zugelassen wurde.58 Jenseits der Beschwerde nach § 17a Abs. 4 GVG ist die Entscheidung des erstinstanz- 16 lichen Gerichts über die Rechtswegzuständigkeit grundsätzlich unangreifbar. Hat das erstinstanzliche Gericht in einer Entscheidung in der Hauptsache die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs (ausdrücklich oder konkludent) bejaht, so gilt nach § 17a Abs. 5 GVG, dass das Rechtsmittelgericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht mehr prüft, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Dies gilt für Berufung und Revision ebenso wie für andere Beschwerden wie die nach §§ 87 ff. und 92 ff. ArbGG.59 Entscheidung in der Hauptsache meint dabei eine Sachentscheidung, sodass auch selbstständige Nebenverfahren und die Hauptsache betreffende Beschwerdeverfahren erfasst sind.60 Eine Bindungswirkung nach § 17a Abs. 5 GVG besteht nicht im Fall des Widerspruchs gegen einstweilige Verfügungen oder Arreste, die im Beschlusswege angeordnet wurden, da der Widerspruch mangels Devolutiveffekts kein Rechtsmittel ist.61

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52 Stein/Jonas/Schumann § 261 Rn. 2; MünchKommZPO/Zimmermann § 17b GVG Rn. 2. 53 Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 22; MünchKommZPO/Zimmermann § 17a GVG Rn. 32. 54 Vgl. insoweit auch MünchKommZPO/Zimmermann § 17a GVG Rn. 32. 55 Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 22. 56 Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 13. 57 Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 17 m.w.N. 58 BGH 10.7.2003 – III ZB 91/02 – BGHZ 155, 365 = NJW 2003, 2913, 2914; 2.4.2009 – IX ZB 182/08 – NJW 2009, 1968 Tz. 6; 17.12.2009 – III ZB 47/09 – NVwZ-RR 2010, 502, 503 Tz. 4; Prütting/Gehrlein/Bitz § 17a GVG Rn. 10; Fezer/Büscher § 12 Rn. 248; ablehnend allerdings Zöller/Lückemann § 17a GVG Rn. 16. 59 Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 26. 60 Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 26 m.w.N. in Fn. 83 f. 61 Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 26.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

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An einer Sachentscheidung fehlt es, wenn die Klage gesetzwidrig wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit als unzulässig abgewiesen wird; in diesem Fall ist das Rechtsmittelgericht nicht daran gehindert, die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu prüfen.62 Eine Bindung des Rechtsmittelgerichts nach § 17a Abs. 5 GVG besteht dann nicht, wenn das erstinstanzliche Gericht trotz Rüge keine Vorabentscheidung getroffen oder den Parteien nicht die Möglichkeit zur rechtzeitigen Rüge gegeben hat.63 Das Rechtsmittelgericht muss in diesem Fall die Rechtswegzuständigkeit eigenständig prüfen und das Verfahren nach § 17a Abs. 2 oder Abs. 3 GVG nachholen.64 Entbehrlich ist die nachgeholte Vorabentscheidung nur dann, wenn das Rechtsmittelgericht den beschrittenen Rechtsweg für zulässig erachtet und darüber hinaus im Falle der Vorabentscheidung keinen Anlass gesehen hätte, gem. § 17a Abs. 4 Sätze 4–6 GVG die Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes zuzulassen.65 Wenn auch das Berufungsgericht die Rechtswegzuständigkeit trotz Rüge nicht selbstständig geprüft hat, so ist diese Prüfung vom Rechtsmittelgericht der Hauptsache auch noch in der Revisionsinstanz vorzunehmen.66

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ff) Entsprechende Anwendung in Eilverfahren. § 17a GVG ist auch auf Eilverfahren, insbesondere auf einstweilige Verfügungsverfahren, anzuwenden.67 Dies gilt auch dann, wenn die Hauptsache schon anhängig und das mit dem Eilverfahren befasste Gericht das Gericht der Hauptsache (§§ 919, 937 Abs. 1 ZPO) ist.68 Die Rechtswegzuständigkeit ist auch hier Prozessvoraussetzung. Einer etwaigen Verzögerung des Rechtsstreits aufgrund der Anwendung von § 17a GVG steht der Vorteil gegenüber, dass Klarheit über den Rechtsweg geschaffen wird.69 In der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit wurde entschieden, dass eine Vorabentscheidung im Eilverfahren gem. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG aufgrund des sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Gebots effektiven Rechtsschutzes im Einzelfall entfallen könne, wenn eine schnelle Entscheidung geboten ist und dem Rechtsschutzsuchenden im Falle des Abwartens der Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ein schwerer und nicht wieder gut zu machender Schaden

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62 BGH 28.2.1991 – III ZR 53/90 – BGHZ 114, 1, 3 = NJW 1991, 1686; 23.9.1992 – I ZB 3/92 – BGHZ 119, 246, 249 f. = GRUR 1993, 420, 421; 19.11.1993 – V ZR 269/92 – NJW 1994, 387; 3.7.1997 – IX ZB 116/96 –NJW 1998, 231, 232; BSG 16.6.1999 – B 9 V 24/98 R – NVwZ-RR 2000, 648; BSG 20.10.2010 – B 13 R 63/10 B – juris Tz. 28. 63 BGH 28.2.1991 – III ZR 53/90 – BGHZ 114, 1, 4 f. = NJW 1991, 1686; 23.9.1992 – I ZB 3/92 – BGHZ 119, 246, 250 = GRUR 1993, 420, 421; 25.2.1993 – III ZR 9/92 – BGHZ 121, 367, 370 f. = NJW 1993, 1799, 1800; 19.11.1993 – V ZR 269/92 – NJW 1994, 387; BGH 18 9.2008 – V ZB 40/08 – NJW 2008, 3572, 3573 Tz. 12; BAG 15.4.1993 – 2 AZB 32/92 – NJW 1993, 2458, 2459; Fezer/Büscher § 12 Rn. 247; Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 8; Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 27. 64 BGH 18.11.1998 – VIII ZR 269–97 – NJW 1999, 651; BayObLG 16.7.2001 – 5Z RR 73/98 – BayObLGZ 2001, 174, 176 f.; OLG Hamm 5.10.2000 – 21 U 76/99 – NJOZ 2001, 1770, 1771; OLG Brandenburg 27.10.2008 – 6 U 20/07 – juris Tz. 33; VGH München 14.6.2002 – 7 B 01.2030 – NVwZ 2002, 1392. 65 BGH 9.11.1995 – V ZB 27/94 – NJW 1996, 591; 29.3.1996 – V ZR 326/94 – NJW 1996, 1890; 18.11.1998 – VIII ZR 269–97 – NJW 1999, 651; Fezer/Büscher § 12 Rn. 247. 66 BGH 30.6.1995 – V ZR 118/94 – NJW 1995, 2851; Fezer/Büscher § 12 Rn. 247. 67 BGH 19.12.2002 – I ZB 24/02 – GRUR 2003, 549 – Arzneimittelversandhandel; 29.7.2004 – III ZB 2/04 – NJW-RR 2005, 142; 9.11.2006 – I ZB 28/06 – GRUR 2007, 535, 536 Tz. 5 – Gesamtzufriedenheit; 4.12.2008 – I ZB 31/08 – GRUR 2009, 700 Tz. 7 – Integrierte Versorgung; BAG 24.5.2000 – 5 AZB 66/99 – NJW 2000, 2524; KG 3.3.1998 – 5 W 1129/98 – NJWE-WettbR 1998, 283, 284; 29.6.2001 – 5 W 24/01 – NJW 2002, 1504 = GRUR-RR 2002, 247; OLG Karlsruhe 14.4.2005 – 4 W 14/05 – BeckRS 2005, 05329 sub. II.; OLG Dresden 11.11.2011 − 4 W 1075/11 – MDR 2012, 246; Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 7; Fezer/Büscher § 12 Rn. 243; Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 7. 68 BAG 24.5.2000 – 5 AZB 66/99 – NJW 2000, 2524. 69 KG 3.3.1998 – 5 W 1129/98 – NJWE-WettbR 1998, 283, 284; 29.6.2001 – 5 W 24/01 – NJW 2002, 1504 = GRUR-RR 2002, 247. Vgl. auch Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/Ehlers § 17a GVG Rn. 47.

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I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

droht.70 Im Wettbewerbsrecht gilt für den praktisch wichtigen Fall, dass ohne Anhörung des Gegners entschieden werden soll, Folgendes: Nimmt das Gericht die Rechtswegzuständigkeit an, kann es im Beschlusswege ohne Anhörung des Gegners entscheiden.71 Hat das Gericht jedoch Bedenken, so ist es gehalten, mündliche Verhandlung anzuberaumen, um dem Gegner die Rügemöglichkeit des § 17a Abs. 3 GVG einzuräumen.72 Der Umstand, dass im Verfahren der einstweiligen Verfügung gegen ein Berufungs- 19 urteil die Revision gem. § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht statthaft wäre,73 steht im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung über die Frage des Rechtswegs der Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde im Fall des § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht entgegen.74 Die Entscheidung über den Rechtsweg im Eilverfahren entfaltet Bindungswirkung für das anschließende Hauptsacheverfahren.75 Die mit § 17a GVG angestrebten Ziele der Verfahrensvereinfachung sowie -beschleunigung könnten durch eine abweichende Beurteilung im Hauptsachverfahren konterkariert werden. Umgekehrt muss Entsprechendes gelten: Ist die Hauptsache schon anhängig und wurde dort die Rechtswegzuständigkeit nicht fristgemäß gerügt (§ 282 Abs. 3 ZPO), dann muss der Beklagte auch im Verfahren der einstweiligen Verfügung präkludiert sein. gg) Kosten. § 17b Abs. 2 GVG schreibt eine einheitliche Kostenentscheidung vor. 20 Danach werden die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gericht als Teil der Kosten behandelt, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde. Mithin ist allein das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, zur Kostenentscheidung berufen.76 Durch den Verweisungsbeschluss wird demgegenüber weder über die Kosten entschieden noch wird der Streitwert festgesetzt.77 Eventuelle Mehrkosten werden im Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 ff. ZPO) errechnet, wobei sich Anwalts-

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70 OVG Greifswald 2.3.2000 – 2 M 105/99 – NVwZ 2001, 446; LSG Nordrhein-Westfahlen 20.12.2007 – L 16B 127/07 KR ER – juris Tz. 20 . 71 Vgl. OLG Frankfurt 4.3.1997 – 6 W 144/96 – WRP 1997, 592, 593; Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 7. 72 Vgl. Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 7. 73 Siehe etwa BGH 27.2.2003 – I ZB 22/02 – BGHZ 154, 102 = GRUR 2003, 548 – Rechtsbeschwerde. 74 BGH 19.12.2002 – I ZB 24/02 – GRUR 2003, 549 – Arzneimittelversandhandel; 29.7.2004 – III ZB 2/04 – NJW-RR 2005, 142; 9.11.2006 – I ZB 28/06 – GRUR 2007, 535, 536 Tz. 5 – Gesamtzufriedenheit; 4.12.2008 – I ZB 31/08 – GRUR 2009, 700 Tz. 7 – Integrierte Versorgung; Prütting/Gehrlein/Bitz § 17a GVG Rn. 10; Zöller/Lückemann § 17a GVG Rn. 16; a.A.: BVerwG 8.8.2006 – 6 B 65/06 – NVwZ 2006, 1291 Tz. 5 (krit. dazu Braun NVwZ 2007, 49; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner § 80 Rn. 452). Nach Auffassung des BGH (9.11.2006 – I ZB 28/06 – GRUR 2007, 535 Tz. 5 – Gesamtzufriedenheit) beruht die Rechtsprechung des BVerwG auf den zwischen der VwGO, die ein Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vorsieht, und der ZPO bestehenden Unterschieden. Gleichwohl finden sich im Urteil des BVerwG in Tz. 5 auch Aussagen, die sich ebenso auf das einstweilige Verfügungsverfahren nach der ZPO übertragen ließen: „Ein Verfahren mit einer solchen Zielrichtung würde durch eine weitere Beschwerde mit dem Ziel der Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nachgerade konterkariert. In einem auf die Beantwortung grundsätzlicher Rechtsfragen gerichteten Verfahren könnte ein Beschluss erst nach unter Umständen zeitraubender schriftsätzlicher Aufbereitung und unter Auswertung von Gesetzgebungsmaterialien, Rechtsprechung und wissenschaftlichen Äußerungen ergehen […]. Dies könnte zu einer folgenreichen Verzögerung der Entscheidung über den Antrag auf Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes führen. Es liegt im Wesen eines solchen Antrags, dass die Entscheidung des Gerichts möglichst ohne Verzögerung ergeht.“ 75 OLG Dresden 11.11.2011 − 4 W 1075/11 – MDR 2012, 246. Ebenso zum verwaltungsprozessualen Verfahren etwa VGH Kassel 18.7.1995 – 3 TG 1929/95 – NJW 1996, 474, 475; VGH München 29.7.2002 – 20 A 02.40066 und 20 A 02.40068 – NVwZ-RR 2003, 74; a.A.: KG 7.4.1998 – 5 U 3852/97 – KGR 1998, 323. 76 BGH 17.6.1993 – V ZB 31/92 – NJW 1993, 2541, 2542; BVerwG 15.10.1993 – 1 DB 34/92 – NVwZ 1995, 84, 86; BSG 1.4.2009 – B 14 SF 1/08 R – juris Tz. 19 f.; LSG Berlin Brandenburg 6.12.2011 – L 5 AS 2040/11 B – juris Tz. 5. 77 VGH Mannheim 31.7.1991 – 5 S 1874/91 – NVwZ-RR 1992, 165; Zöller/Lückemann § 17b GVG Rn. 4; Musielak/Wittschier § 17b GVG Rn. 5; Prütting/Gehrlein/Bitz § 17b GVG Rn. 3; Fezer/Büscher § 12 Rn. 250.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

gebühren durch die Verweisung nicht erhöhen (vgl. § 20 RVG). Dem Kläger sind in jedem Fall die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt (§ 17b Abs. 2 Satz 2 GVG). Wie im Falle des § 281 Abs. 3 ZPO wird dadurch die Möglichkeit einer Kostentrennung eröffnet.78 Wird der Verweisbeschluss angegriffen (§ 17a Abs. 4 GVG), kommt nicht § 17b Abs. 2 GVG zur Anwendung; das Beschwerdegericht hat vielmehr gem. §§ 91 ff. ZPO über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.79 Die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens hat dann der dort unterliegende Teil zu tragen. Der Beschwerdewert entspricht einem Bruchteil von 1/3 bis 1/5 des Hauptsachewerts.80 3. Abgrenzung zu öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, insbesondere zur Sozialgerichtsbarkeit 21

a) Historische Entwicklung. Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, zu denen auch Wettbewerbsstreitigkeiten gehören,81 ist nach § 13 GVG der ordentliche Rechtsweg eröffnet. Problematisch kann die Rechtswegeröffnung in solchen Fällen sein, in denen eine mögliche Unlauterkeit hoheitlichen Handelns in Rede steht, da hier eine Zuordnung zum Verwaltungs- bzw. Sozialrechtsweg in Frage kommt. Der Große Senat für Zivilsachen des BGH hat in zwei Entscheidungen aus dem Jahr 1976 den Grundsatz aufgestellt, wonach für die Eröffnung des Zivilrechtswegs einzig entscheidend ist, dass das Klagebegehren sich nach der ihm gegebenen tatsächlichen Begründung als Folge eines Sachverhalts darstellt, der nach bürgerlichem Recht zu behandeln ist, was bei wettbewerbswidrigem Verhalten schlechthin der Fall sei und damit auch, wenn hoheitliche oder schlicht verwaltende Tätigkeit des Staats in Rede steht.82 Zur Begründung wurde unter anderem die größere Sachnähe der Zivilgerichte herangezogen.83 An dieser Rechtsprechung hielt der BGH – auch angesichts zum Teil deutlicher Kritik in der Literatur84 – über mehrere Jahrzehnte fest.85 Nachdem der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1981 für eine Klage mehrerer Augenoptiker gegen eine gesetzliche Krankenkasse, die an ihre Mitglieder Brillen abgegeben hatte, den Zivilrechtsweg für eröffnet angesehen hatte, mehrten sich die

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78 MünchKommZPO/Zimmermann § 17b GVG Rn. 11. 79 BGH 17.6.1993 – V ZB 31/92 – NJW 1993, 2541, 2542; BGH 11.1.2001 – V ZB 40/99 – NJW-RR 2001, 1007, 1008; BVerwG 15.10.1993 – 1 DB 34/92 – NVwZ 1995, 84, 86; OLG Düsseldorf 1.12.2011 – I-10 W 149/11 – juris Tz. 22; OLG Rostock 15.6.2005 – 1 W 64/03 –NVwZ-RR 2006, 223, 224; Musielak/Wittschier § 17b GVG Rn. 5; Prütting/Gehrlein/Bitz § 17b GVG Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Schreiber § 17a GVG Rn. 23; Fezer/Büscher § 12 Rn. 250. 80 BGH 30.1.1997 – III ZB 110/96 – NJW 1997, 1636, 1637; 19.12.1996 – III ZB105/96 – NJW 1998, 909, 910; 27.10.2005 – III ZB 66/05 – NJW-RR 2006, 286 Tz. 7; 9.6.2011 – IX ZB 247/09 – juris Tz. 9; OLG Celle 12.12.2008 – 11 W 43/08 – juris Tz. 19; OLG Naumburg 8.3.2010 – 1 W 8/10 – BeckRS 2010, 10535; siehe auch BGH 14.3.2000 – KZB 34/99 – GRUR 2000, 736 – Hörgeräteakustik; 18 9.2008 – V ZB 40/08 – NJW 2008, 3572, 3573 Tz. 21; OLG Rostock 15.6.2005 – 1 W 64/03 – NVwZ-RR 2006, 223, 224; OLG Düsseldorf 1.12.2011 – I-10 W 149/11 – juris Tz. 22; Fezer/Büscher § 12 Rn. 250. 81 Teplitzky Kap. 45 Rn. 1. 82 BGH 22.3.1976 GSZ 1/75 – GRUR 1976, 658 – Studenten-Versicherung; 22.3.1976 – GSZ 2/75 – GRUR 1977, 51 – Auto-Analyzer. 83 BGH a.a.O. 84 Vgl. Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 33 m.w.N. 85 BGH 6.4.1976 – VI ZR 246/74 – GRUR 1976, 651 – Der Fall Bittenbinder; 16.01.1981 – I ZR 29/79 – GRUR 1981, 596 – Apotheken-Steuerberatungsgesellschaft; 19.6.1981 – I ZR 100/79 – GRUR 1981, 823 – Ecclesia Versicherungsdienst; 18.12.1981 – I ZR 34/80 – GRUR 1982, 425 – Brillen-Selbstabgabestellen; BGH 4.10.1990 – I ZR 299/88 – GRUR 1991, 540 – Gebührenausschreibung; 14.1.1993 – I ZB 24/91 – WRP 1993, 394 – Rechtswegprüfung II; 18.5.1995 – I ZB 22/94 – NJW 1995, 2295 – Remailing; 14.5.1998 – I ZB 17/98 – GRUR 1999, 88 – Ersatzkassen-Telefonwerbung.

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I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Konfliktfälle mit der Sozialgerichtsbarkeit, die in der Praxis des BGH nunmehr offenbar einen zu weit reichenden Eingriff in ihren Kompetenzbereich sah.86 Der Gemeinsame Senat der Obersten Bundesgerichte entschied wiederholt in derartigen Konfliktfällen, dass sich die Qualifikation des Rechtsstreits als öffentlich-rechtlich oder als bürgerlich danach beurteile, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt.87 Im Fall einer Auseinandersetzung zwischen einer Ersatzkasse und einer AOK über die Zulässigkeit von Maßnahmen auf dem Gebiet der Mitgliederwerbung befand der Gemeinsame Senat demgegenüber den Sozialrechtsweg für eröffnet, weil öffentlich-rechtliche Normen die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen (einschließlich der Ersatzkassen) untereinander auch hinsichtlich der Mitgliederwerbung beherrschten.88 Die im vorstehenden Sinne durch den BGH und den Gemeinsamen Senat der Obers- 22 ten Bundesgerichte entwickelten Abgrenzungskriterien wurden für die besonders praxisrelevanten Krankenkassenfälle obsolet, als der Gesetzgeber im Jahr 1989 die Vorschrift des § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGG einführte.89 Hiernach entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung auch über privatrechtliche Streitigkeiten und zwar auch dann, wenn durch diese Streitigkeiten Dritte betroffen werden. Liegt eine „Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung“90 vor, muss mithin nicht mehr zwischen öffentlich-rechtlichen und bürgerlichen Streitigkeiten differenziert werden, da für beide Fälle nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 bzw. nach § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGG der Sozialrechtsweg eröffnet ist.91 In der Folgezeit haben die Sozialgerichte von dieser Erweiterung ihrer Kompetenzen umfassend Gebrauch gemacht.92 Die gesetzgeberische Maßnahme auf Zuständigkeitsebene wurde einige Jahre später 23 in Gestalt des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 93 durch nicht minder einschneidende Maßnahmen auf dem Gebiet des materiellen Rechts flankiert. So ordnete die neu gefasste Bestimmung des § 69 SGB V an, dass auf die dort genannten Rechtsbeziehungen der gesetzlichen Krankenkassen und ihrer Verbände weder die Bestimmungen des UWG noch die des GWB anwendbar sind und zwar auch dann nicht, wenn durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind. Zuvor hatte der von den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gebildete Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (BÄK) vehement gesetzgeberische Maßnahmen zum Schutz vor kartellgerichtlichen Verbotsurteilen gefordert.94 Demgegenüber blieben kritische Stimmen95 im Gesetzgebungsverfahren ungehört. Im Hinblick auf die Geltung kartellrechtlicher Bestim-

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86 Vgl. Teplitzky Kap. 45 Rn. 2. 87 GmS-OGB 10.4.1986 – GmS-OGB 1/85 – BGHZ 97, 312 = NJW 1986, 2359; GmS-OGB 29.10.1987 – GmSOGB 1/86 – BGHZ 102, 280, 283 = NJW 1988, 2295, 2296. 88 GmS-OGB – 10.7.1989 – GmS-OGB 1/88 – BGHZ 108, 284 = NJW 1990, 1527; kritisch hierzu Köhler NZS 1998, 153, 154 f. 89 Art. 32 des Gesundheitsreformgesetzes vom 29.12.1988, BGBl. I, S. 2477. 90 Zur Abgrenzung siehe Rn. 25. 91 BGH 4.12.2003 – I ZB 19/03 – GRUR 2004, 444, 445 – Arzneimittelsubstitution; 9.11.2006 – I ZB 28/06 – GRUR 2007, 535, 536 Tz. 10 – Gesamtzufriedenheit; 30.1.2008 – I ZB 8/07 – GRUR 2008, 447, 448 Tz. 13 – Treuebonus; 4.12.2008 – I ZB 31/08 – GRUR 2009, 700 Tz. 12 – Integrierte Versorgung; 17.8.2011 – I ZB 7/11 – GRUR 2012, 94 Tz. 8, 10 – Radiologisch-diagnostische Untersuchungen. 92 Teplitzky Kap. 45 Rn. 2 m.w.N. in Fn. 15. 93 Gesetz vom 22.12.1989, BGBl. I, S. 2626. 94 Eingehend zur Genese des GKV-Gesundheitsreformgesetzes Kozianka/Millarg PharmR 2001, 138. 95 Vgl. die Eingabe der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. GRUR 1999, 968.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

mungen müssen die Vorbehalte gegenüber der Regelung in § 69 SGB V zwischenzeitlich relativiert werden. Zum einen befand der EuGH im Jahr 2004, dass die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland grundsätzlich keine Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen i.S.d. Art. 81 EG (heute Art. 101 AEUV) sind, weil sie an der Verwaltung des Systems der sozialen Sicherheit mitwirken und insoweit eine rein soziale Aufgabe wahrnehmen.96 Zum anderen ist mit der jüngsten Änderung des § 69 SGB V97 der Katalog an (entsprechend) anzuwenden Vorschriften des GWB erheblich erweitert worden, sodass der ursprünglich verfolgte Zweck, den Beteiligten und betroffenen Dritten den Rechtsschutz nach dem Kartellrecht zu entziehen, inzwischen aufgegeben worden ist.98 24 Im Hinblick auf das Lauterkeitsrecht bleibt es angesichts § 69 SGB V bei dessen grundsätzlicher Unanwendbarkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung.99 Diese gesetzgeberische Wertung wurde durch die 8. GWB-Novelle100 zementiert, mit der die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 2 SGB V eingeführt wurde, wonach Krankenkassen die Unterlassung unzulässiger Werbemaßnahmen von anderen Krankenkassen verlangen können und wonach zwar die Verfahrensvorschriften des § 12 Abs. 1–3 UWG, nicht aber die materiell-rechtlichen Bestimmungen des UWG für entsprechend anwendbar erklärt wurden. Indes sind der Reichweite von § 69 SGB V Grenzen gesetzt. So finden die Bestimmungen des Lauterkeits- und Kartellrechts Anwendung, wenn gesetzliche Krankenkassen gemäß § 194 Abs. 1a SGB V ihren Versicherten die Vermittlung von privaten Zusatzversicherungen anbieten, da dieses Handeln eine Nebentätigkeit im Rahmen privatwirtschaftlicher Betätigung darstellt.101 Ferner hat der EuGH entschieden, dass auch gesetzliche Krankenkassen in den persönlichen Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie fallen, sodass z.B. irreführende Aussagen gegenüber den Mitgliedern über die Nachteile eines Wechsels zu einer anderen Krankenkasse am Maßstab der UGP-Richtlinie zu messen sind.102 Angesichts der Entscheidung des EuGH muss bei Handlungen von gesetzlichen Krankenkassen gegenüber Verbrauchern – etwa ihren eigenen oder fremden Mitgliedern im Rahmen der Mitgliederwerbung – auch die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 2 SGB V am Maßstab der UGP-Richtlinie ausgelegt werden.103 25

b) Abgrenzung zur Sozialgerichtsbarkeit nach geltendem Recht. Nach geltendem Recht ist in Fällen mit Bezug zu gesetzlichen Krankenkassen und ihren Verbänden für die Rechtswegzuordnung gem. § 51 SGG nur noch entscheidend, ob es sich um eine Streitigkeit in einer „Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung“ handelt. Da-

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96 EuGH 16.3.2004 – C-264/01, C-306/01, C-354/01, C-355/01 – Slg. 2004, I-2493 – AOK-Bundesverband. Ebert-Weidenfeller/Gromotke, EuZW 2013, 937 wollen aus der Entscheidung des EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – GRUR 2013, 1159 – BKK Mobil Oil zum Lauterkeitsrecht jedoch schlussfolgern, dass gesetzliche Krankenkassen auch als Normadressaten des Kartellrechts anzusehen seien. 97 Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 2.12.2010, BGBl. I, S. 2262. 98 Zum alten Recht siehe BGH 16.1.2008 – KVR 26/07 – BGHZ 175, 333, 336 Tz. 18 = NJW-RR 2008, 1426, 1427 Tz. 18. 99 Vgl. BSG 25.9.2001 – B 3 KR 3/01 R – NJW-RR 2002, 1691, 1693 f.; BGH 2.10.2003 – I ZR 117/01 – GRUR 2004, 247 – Krankenkassenzulassung; 23.2.2006 – I ZR 164/03 – GRUR 2006, 517 – Blutdruckmessungen. 100 Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26.6.2013, BGBl. I, S. 1738. 101 BGH 18.9.2013 – I ZR 183/12 – GRUR 2013, 1250 Tz. 9 m.w.N. 102 EuGH 3.10.2013 – C-59/12 – GRUR 2013, 1159 – BKK Mobil Oil auf den Vorlagebeschluss BGH 18.1.2012 – I ZR 170/10 – GRUR 2012, 288 – Betriebskrankenkasse. 103 So auch Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 2.3. Vgl. auch Becker/Schweitzer, NJW 2014, 269, die den Gesetzgeber auffordern, die Anwendbarkeit des UWG auf Mitgliederwerbung der Krankenkassen klarzustellen.

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I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

von soll nach Auffassung des BGH nur auszugehen sein, wenn Maßnahmen betroffen sind, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem SGB V obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen.104 Keine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung liegt demgemäß vor, wenn der wettbewerbsrechtliche Anspruch nicht auf einen Verstoß gegen Vorschriften des SGB V, sondern ausschließlich auf wettbewerbsrechtliche Normen gestützt wird, deren Beachtung auch jedem privaten Mitbewerber obliegt.105 Diese restriktive Handhabung trifft in der wettbewerbsrechtlichen Literatur106 und Instanzrechtsprechung107 zurecht auf Zustimmung, weil sie im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die Zuordnung zum sachnäheren Rechtsweg ermöglicht.108 Der Sozialrechtsweg ist auch nicht eröffnet für Rechtsbeziehungen, bei denen Krankenkassen gegenüber Dritten wie jeder andere Teilnehmer am Rechtsverkehr auftreten, wie dies etwa bei alltäglichen Erwerbsvorgängen der Fall ist.109 Als Maßnahmen, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen, sind auch Handlungen der Leistungserbringer anzusehen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erfüllung der gesetzgeberischen Ziele aufgrund des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags stehen.110 Wegen der nach § 51 SGG anzustellenden funktionalen Betrachtungsweise ist es ausreichend, wenn eine Partei gleichsam als Repräsentant von Leistungserbringern in Anspruch genommen wird, ohne selbst Leistungsträger oder Leistungserbringer der gesetzlichen Krankenversicherung zu sein.111 Seit der Novellierung von § 51 SGG im Jahr 1989 wurde der Sozialrechtsweg in fol- 26 genden Fällen angenommen: – Klage einer gesetzlichen Krankenkasse gegen eine andere gesetzliche Krankenkasse wegen Mitgliederwerbung;112 – Klage eines ambulanten Pflegedienstes gegen einen Krankenhausbetreiber wegen Zusammenarbeit bei Patientenvermittlung;113 – Klage eines Pharmaunternehmens gegen die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände wegen Arzneimitteldatenbank;114

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104 BGH 9.11.2006 – I ZB 28/06 – GRUR 2007, 535, 536 Tz. 13 – Gesamtzufriedenheit; 30.1.2008 – I ZB 8/07 – GRUR 2008, 447, 448 Tz. 14 – Treuebonus; 17.8.2011 – I ZB 7/11 – GRUR 2012, 94 Tz. 9 – Radiologisch-diagnostische Untersuchungen. 105 BGH 9.11.2006 – I ZB 28/06 – GRUR 2007, 535, 536 Tz. 13 – Gesamtzufriedenheit; 30.1.2008 – I ZB 8/07 – GRUR 2008, 447, 448 Tz. 14 – Treuebonus; 4.12.2008 – I ZB 31/08 – GRUR 2009 700, 701 Tz. 13 – Integrierte Versorgung; 17.8.2011 – I ZB 7/11 – GRUR 2012, 94 Tz. 9 – Radiologisch-diagnostische Untersuchungen. 106 Teplitzky Kap. 45 Rn. 2; Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 36; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.3. 107 OLG Celle 2.4.2009 – 13 W 16/09 – GRUR-RR 2010, 86; 9.9.2010 – 13 U 173/09 – GRUR-RR 2011, 111; OLG Hamburg 19.2.2009 – 3 U 225/06 – MD VSW 2003, 634. 108 Vgl. insoweit die Begründung des BGH in der Entscheidung 22.3.1976 – GSZ 2/75 – GRUR 1977, 51 – Auto-Analyzer. 109 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.3. 110 BGH 30.1.2008 – I ZB 8/07 – GRUR 2008, 447, 448 Tz. 14 – Treuebonus Tz. 18; 17.8.2011 – I ZB 7/11 – GRUR 2012, 94 Tz. 10 – Radiologisch-diagnostische Untersuchungen; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.3. 111 BGH 4.12.2003 – I ZB 19/03 – GRUR 2004, 444, 445 – Arzneimittelsubstitution. 112 BGH 15.1.1998 – I ZB 20/97 – GRUR 1998, 744 – Mitgliederwerbung. Vgl. auch BGH 9.11.2006 – I ZB 28/06 – GRUR 2007, 535, 536 Tz. 14 – Gesamtzufriedenheit; a.A. Köhler NZS 1998, 153. Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen ein privater Krankenversicherer gegen Mitgliederwerbung eines gesetzlichen Krankenversicherers vorgeht, da dann der ordentliche Rechtsweg eröffnet ist (siehe Rn. 27; kritisch insoweit Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 48; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens, § 85 Rn. 4). 113 OLG Düsseldorf 8.5.2006 – W (Kart) 4/06 – NJW-RR 2007, 501. 114 BGH 4.12.2003 – I ZB 19/03 – GRUR 2004, 444 – Arzneimittelsubstitution.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Klage eines Pharmaunternehmens gegen Kassenärztliche Vereinigung und AOK auf Unterlassung der Verbreitung einer „Gemeinsamen Erklärung zur Arzneimittelversorgung“;115 Klage einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die für Zahnärzte Zahlungen mit den Krankenkassen abrechnet, gegen eine GmbH wegen der Vereinbarkeit eines Vertrages zwischen der GmbH und den Krankenkassen zur integrierten Versorgung nach § 140c SGB V mit berufsrechtlichen Vorschriften der Ärzte;116 Klage eines Vertragsarztes gegen gesetzliche Krankenkasse auf Widerruf und Unterlassung wahrheitswidriger öffentlicher Erklärungen;117 Klage gegen gesetzliche Krankenkasse wegen Sachleistungen an Versicherte;118 Klage gegen gesetzliche Krankenkasse wegen Werbung gegenüber Mitgliedern für Arzneimittelversandhandel;119 Klage der Wettbewerbszentrale gegen einen Krankenhausbetreiber wegen Durchführung und Abrechnung radiologisch-diagnostischer Untersuchungen als ambulante Leistungen nach § 116b SGB V;120 Klage eines Kassenarztes gegen eine kassenärztliche Vereinigung wegen Weitergabe von Abrechnungsunterlagen an Mitbewerber des Klägers;121 Klage einer gesetzlichen Krankenkasse gegen herabsetzende Äußerungen durch Vertragsärzte, auch wenn die Äußerungen als wettbewerbswidrig beanstandet wurden.122

Demgegenüber wurde in folgenden Fällen der ordentliche Rechtsweg angenommen: – Klage eines Apothekers gegen gesetzliche Krankenkasse wegen Angabe von Bezugsquellen;123 – Klage eines von Pflegedienstunternehmen privatrechtlich gegründeten Verbandes gegen gesetzliche Krankenkasse wegen Aufforderung an Kassenmitglieder, bestehende Pflegedienstverträge zu beenden;124 – Klagen privater Versicherer oder von Wettbewerbsverbänden gegen gesetzliche Versicherer wegen Mitgliederwerbung;125 – Klage einer Kassenärztlichen Vereinigung gegen gesetzliche Krankenkasse wegen Presseerklärung, die sich gegen das Verhalten der Kassenärztlichen Vereinigung wendet, wobei die Unterlassungsklage auf Normen des Privatrechts gestützt wird;126 – Klage u.a. gegen den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (§ 91 Abs. 1, 2 SGB V) wegen einer von diesem beschlossenen Richtlinie, aufgrund derer Gruppen von Arzneimitteln von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen werden können;127

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115 BGH 15.9.1999 – I ZB 59/98 – GRUR 2000, 251 – Arzneimittelversorgung. 116 BGH 4.12.2008 – I ZB 31/08 – GRUR 2009, 700 – Integrierte Versorgung. 117 OLG Zweibrücken 8.9.1998 – 7 W 58–98 – NJW-RR 1999, 1739. 118 BGH 14.3.2000 – KZB 34/99 – GRUR 2000, 736 – Hörgerätakustik; 8.9.2000 – I ZB 21/99 – GRUR 2001, 87 – Sondenernährung; siehe auch 23.2.2006 – I ZR 164/03 – GRUR 2006, 517 – Blutdruckmessung. 119 BGH 19.12.2002 – I ZB 24/02 – GRUR 2003, 549 – Arzneimittelversandhandel. 120 BGH 17.8.2011 – I ZB 7/11 – GRUR 2012, 94 – Radiologisch-diagnostische Untersuchungen. 121 BGH 5.11.1998 – I ZB 50/98 – GRUR 1999, 520 – Abrechnungsprüfung. 122 KG 29.6.2001 – 5 W 24/01 – NJW 2002, 1504 = GRUR-RR 2002, 247. 123 OLG Frankfurt 1.7.1993 – 6 W 60/93 – GRUR 1994, 145 – Versorgungs-Scheckheft. 124 OLG Düsseldorf 9.7.1998 – 20 W 30/98 – WRP 1998, 1091. 125 BGH 14.5.1998 – I ZB 17/98 – GRUR 1999, 88 – Ersatzkassen-Telefonwerbung; 9.11.2006 – I ZB 28/06 – GRUR 2007, 535 – Gesamtzufriedenheit; OLG Schleswig 23.9.2008 – 6 U 28/08 – WRP 2009, 494; OLG Celle 9.9.2010 – 13 U 173/09 – GRUR-RR 2011, 111 – Kassenwechsel. 126 BGH 26.11.2002 – VI ZB 41/02 – NJW 2003, 1192. 127 OLG München 20.1.2000 – U (K) 4428/99 – NJW-RR 2001, 1412.

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I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg



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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Klage eines Intranet- bzw. „Virtual Private Net“-Betreibers gegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie die Bundesärztekammer bezüglich wettbewerbsrechtlicher Zulässigkeit ihrer Beteiligung an einem konkurrierenden Kommunikationsprojekt;128 Klage eines Vereins gegen deutsches Versandhandelsunternehmen wegen Werbung einer niederländischen Versandapotheke;129 Klage eines Apothekeninhabers gegen niederländische Versandapotheke wegen der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von Sonderzahlungen eines Apothekers an privat und gesetzlich Krankenversicherte bei Einlösung von Rezepten.130

c) Abgrenzung jenseits der Sonderfälle der Sozialgerichtsbarkeit. Jenseits der 28 Fälle mit Bezug zu den gesetzlichen Krankenkassen gelten bei der Abgrenzung der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten von den öffentlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten die allgemeinen Grundsätze131 weiter. In den Fällen der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand kommt es dementsprechend für die Rechtswegzuständigkeit darauf an, ob der Klageanspruch dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen ist. Dabei gelten im Grundsatz keine Unterschiede zwischen Passiv- und Aktivprozessen.132 Im Ausgangspunkt ist für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten wegen der bürgerlichen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen der Beteiligten regelmäßig der ordentliche Rechtsweg gegeben. Dies gilt auch für den Fall, dass sich die öffentliche Hand in Konkurrenz zu privaten Anbietern erwerbswirtschaftlich betätigt.133 Der ordentliche Rechtsweg wurde bejaht bei Klagen: – gegen Gemeinden wegen – des Betriebs von Bestattungsunternehmen;134 – der Vergabe von Krankentransporten;135 – der Vermietung eines Ladengeschäfts neben der Kfz-Zulassungsstelle für einen Schilderprägebetrieb, ohne eine Ausschreibung vorzunehmen;136 – der Werbung in Amtsblättern;137 – der Vergabe von Subventionen;138 – des Angebots entgeltlichen Nachhilfeunterrichts im Rahmen der Volkshochschule;139

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128 OLG Köln 17.12.1999 – 6 U 15/98 – NJWE-WettbR 2000, 201. 129 OLG Hamburg 19.2.2009 – 3 U 225/06 – GRUR-RR 2010, 78 (LS) = BeckRS 2009, 20765. 130 BGH 30.1.2008 – I ZB 8/07 – GRUR 2008, 447 – Treuebonus; OLG München 2.7.2009 – 29 U 3992/08 – GRUR-RR 2010, 53 – Treuebonus II. 131 Vgl. hierzu Rn. 21. 132 Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 25, 27; Fezer/Büscher § 12 Rn. 223; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 45. 133 GmS-OGB 29.10.1987 – GmS-OGB 1/86 – BGHZ 102, 280= NJW 1988, 2295, 2296; BGH 26.4.1974 – I ZR 8/73 – GRUR 1974, 733 – Schilderverkauf; 19.6.1986 – I ZR 54/84 – GRUR 1987, 116 – Bestattungswirtschaftsbetrieb I; 8.7.1993 – I ZR 174/91 – BGHZ 123, 156 = GRUR 1993, 917 – Abrechnungssoftware; OLG Nürnberg 29.9.2009 – 1 U 264/09 – GRUR-RR 2010, 99, 100. 134 BGH 19.6.1986 – I ZR 54/84 – GRUR 1987, 116 – Bestattungswirtschaftsbetrieb I. 135 BGH 26.5.1987 – KZR 13/85 – BGHZ 101, 72 = GRUR 1987, 829 – Krankentransporte. 136 BGH 26.4.1974 – I ZR 8/73 – GRUR 1974, 733 – Schilderverkauf. 137 BGH 22.9.1972 – I ZR 73/71 – GRUR 1973, 530 – Crailsheimer Stadtblatt. 138 OLG Stuttgart 26.10.1979 – 2 U 76/79 – WRP 1980, 101; OLG Frankfurt 4.3.1997 – 6 W 144/96 – WRP 1997, 592. 139 OLG Düsseldorf 29.11.1996 – 2 U 182/96 – WRP 1997, 353 (auch wenn das Gericht, worauf es selbst hinwies, an die Bejahung der Rechtswegzuständigkeit gebunden war, machte es der Vollständigkeit halber Ausführungen zur Eröffnung des ordentlichen Rechtswegs).

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§ 12



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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

– der Honoraranfrage bei Ingenieuren;140 – des Betriebs und der Subvention einer Städtischen Musikschule;141 gegen (Ärzte-, Apotheker-)Kammern wegen – diskriminierender oder begünstigender Rundschreiben;142 – Werbeverboten;143 gegen kirchliche Stellen wegen irreführender Werbung;144 gegen das Bundeseisenbahnvermögen als Verpächter von Bahnhofs-Verkaufsstellen wegen der Duldung des Warenverkaufs außerhalb der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten;145 gegen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wegen – Werbeverstößen;146 – fehlender Frequenzzuweisung.147 4. Abgrenzung zu arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten

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a) Abgrenzungskriterien. Liegt eine bürgerliche Streitigkeit i.S.d. § 13 GVG vor, kann aufgrund einer der in § 2 ArbGG abschließend148 genannten Sonderzuweisungen das Arbeitsgericht ausschließlich zuständig sein. Zentral ist in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d ArbGG, wonach die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen.

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aa) Arbeitnehmerbegriff. Für den Begriff des Arbeitnehmers gilt zwar § 5 Abs. 1 ArbGG, doch wird der Arbeitnehmerbegriff als solcher durch die Vorschrift kaum näher konkretisiert. Maßgeblich ist vielmehr der allgemein im Arbeitsrecht geltende Arbeitnehmerbegriff. Nach Rspr. und hL ist Arbeitnehmer danach, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags zur Arbeit im Dienste eines anderen verpflichtet ist.149 Hiervon abzugrenzen sind insoweit Mitarbeiter, die in einem freien Dienstverhältnis stehen,150 sowie nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 ArbGG auch Handelsvertreter. Gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gelten ebenso die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 HeimArbG) sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, als Arbeitnehmer i.S.d. ArbGG. Organe einer juristischen Person, z.B. Aktiengesellschaft, GmbH oder Verein, oder die geschäftsführenden Gesellschafter einer Personengesellschaft, z.B. OHG oder KG, gelten nicht

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140 BGH 2.5.1991 – I ZR 227/89 – GRUR 1991, 769 – Honoraranfrage m. Anm. Lehrmann. 141 OLG Nürnberg 29.9.2009 – 1 U 264/09 – GRUR-RR 2010, 99. 142 BGH 22.3.1976 – GSZ 2/75 – BGHZ 67, 81, 84 = GRUR 1977, 51, 52 – Auto Analyzer m. Anm. Kraft; 10.7.1986 – I ZR 59/84 – GRUR 1986, 905 – Innungskrankenkassenwesen. 143 BGH 21.10.1986 – KZR 28/85 – GRUR 1987, 178 – Guten Tag-Apotheke II. 144 BGH 19.6.1981 – I ZR 100/79 – GRUR 1981, 823 – Ecclesia-Versicherungsdienst. 145 BGH 23.3.1995 – I ZR 92/93 – GRUR 1995, 601 – Bahnhofs-Verkaufsstellen. 146 BGH 22.2.1990 – I ZR 78/88 – BGHZ 110, 278 = GRUR 1990, 611 – Werbung im Programm; 19.3.1992 – I ZR 64/90 – BGHZ 117, 353 = GRUR 1992, 518 – Ereignis-Sponsorwerbung. 147 OLG Dresden 20.1.1998 – 14 W 1516–97 – NJW-RR 1998, 558. 148 Sonst wäre die Vorschrift des § 2 Abs. 3 ArbGG überflüssig (Germelmann/Matthes/Schlewing § 2 Rn. 5). 149 BAG 14.2.1974 – 5 AZR 298/73 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 12 m. Anm. Lieb; 15.3.1978 – 5 AZR 819/76 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 26; 25.3.1992 – 7 ABR 52/91 – NZA 1992, 899, 899 f.; Hueck/ Nipperdey I § 9 II; ErfKArbR/Preis § 611 BGB Rn. 35. 150 Vgl. BAG 20.7.1994 – 5 AZR 627/93 – BAGE 77, 226 = NZA 1995, 161; OLG Köln 15.9.1993 – 2 W 149/93 – NJW-RR 1993, 1526.

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I. Gerichtsbarkeit und Rechtsweg

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

als Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG). Das gilt auch dann, wenn das Organ oder der Gesellschafter geltend macht, er sei wegen seiner eingeschränkten Kompetenz in Wirklichkeit Arbeitnehmer gewesen.151 Dasselbe gilt für den Geschäftsführer einer VorGmbH152 oder den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG.153 Schließlich sind auch Beamte keine Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 2 ArbGG). bb) Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis. Ob eine Wettbewerbsverlet- 31 zung „im Zusammenhang“ mit einem Arbeitsverhältnis steht, beurteilt sich nach objektiven Gesichtspunkten.154 § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d ArbGG verlangt – anders als etwa § 2 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG – weder einen unmittelbaren Zusammenhang noch eine bestimmte inhaltliche Ausrichtung.155 Es genügt dementsprechend ein „innerer Bezug“ der Verletzung zum Arbeitsverhältnis, der in der besonderen Eigenart des Arbeitsverhältnisses und den ihm eigentümlichen Reibungs- und Berührungspunkten wurzelt.156 Es ist nicht erforderlich, dass die unerlaubte Handlung noch während des bestehen- 32 den Arbeitsverhältnisses begangen worden ist.157 So können die Arbeitsgerichte auch dann zuständig sein, wenn der streitgegenständliche Wettbewerbsverstoß zugleich einen Verstoß gegen (nachwirkende) Treuepflichten darstellt158 oder wenn sich die Unzulässigkeit des Verhaltens aus einem Vertrauensbruch gegenüber dem Arbeitgeber ergibt (z.B. § 4 Nr. 9 lit. c oder §§ 17, 18).159 Besteht ein innerer Zusammenhang zwischen dem Arbeitsverhältnis und dem Wett- 33 bewerbsverstoß, ist die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte eröffnet. Dies gilt auch dann, wenn die Klage ausschließlich auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche gestützt ist.160 Wie auch bei der Frage, ob eine bürgerliche Streitigkeit i.S.d. § 13 GVG vorliegt, ist zwar vom Klagevorbringen auszugehen, doch erschöpft sich die Frage der Rechtswegeröffnung nicht im bloßen (formalen) Berufen auf eine Anspruchsgrundlage. Die Rechtswegeröffnung muss insoweit anhand objektiv-materieller Gesichtspunkte zum Zeitpunkt des Wettbewerbsverstoßes bestimmt werden.161

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151 BAG 6.5.1999 – 5 AZB 22–98 – NJW 1999, 3068 (bzgl. des Geschäftsführers einer GmbH). 152 BAG 13.5.1996 – 5 AZB 27/95 – NJW 1996, 2678. 153 BAG 20.8.2003 – 5 AZB 79/02 – BAGE 107, 165 = NJW 2003, 3290; OLG München 10.4.2003 – 7 W 656/03 – GmbHR 2003, 776, 777; anders noch die frühere Rspr.: BAG 10.7.1980 – 3 AZR 68/79 – NJW 1981, 302; 15.4.1982 – 2 AZR 1101/79 – NJW 1983, 2405; 13.7.1995 – 5 AZB 37/94 – NJW 1995, 3338. 154 OLG Düsseldorf 19.7.2002 – 20 W 55/02 – GRUR-RR 2003, 63, 64 – Arbeitgeberanschwärzung; Fischer DB 1998, 1182; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.4. 155 OLG Düsseldorf 19.7.2002 – 20 W 55/02 – GRUR-RR 2003, 63, 64 – Arbeitgeberanschwärzung. 156 BAG 11.7.1995 – 5 AS 13/95 – AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 32; OLG Schleswig 6.7.1998 – 16 W 93/98 – OLGR 1998, 383, 384; OLG Düsseldorf 19.7.2002 – 20 W 55/02 – GRUR-RR 2003, 63, 64 – Arbeitgeberanschwärzung; OLG Frankfurt 20.5.2004 – 6 W 44/05 – GRUR 2005, 792; Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 14; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.4; a.A. Asendorf GRUR 1990, 234. 157 OLG Stuttgart 19.11.1996 – 2 W 64/96 – NZA-RR 1997, 267; OLG Zweibrücken 28.4.1997 – 2 W 7/97 – NZA-RR 1998, 225, 226; OLG Düsseldorf 19.7.2002 – 20 W 55/02 – GRUR-RR 2003, 63 – Arbeitgeberanschwärzung; OLG München 6.10.2003 – 29 W 2155/03 – NZA-RR 2004, 266, 267; KG 7.12.2004 – 5 W 153/04 – juris Tz. 7; OLG Frankfurt 20.5.2004 – 6 W 44/05 – GRUR 2005, 792; LAG Nürnberg 27.4.2005 – 2 Za 54/05 – juris Tz. 9; Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 14; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 4; Fischer DB 1998, 1184. 158 KG 7.12.2004 – 5 W 153/04 – juris Tz. 7; Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 14, der außerdem darauf hinweist, dass sich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte dann auch aus § 2 Nr. 3 lit. c ArbGG herleiten ließe; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.4. 159 Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 14; vgl. auch OLG Zweibrücken 28.4.1997 – 2 W 7/97 – NZA-RR 1998, 225, 226. 160 OLG Frankfurt 20.5.2004 – 6 W 44/05 – GRUR 2005, 792; 23.9.2010 – 6 W 123/10 – NJOZ 2011, 384; Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 14; Ann/Loschelder/Grosch Kap. 6 Rn. 214. 161 Ann/Loschelder/Grosch Kap. 6 Rn. 214.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

34

b) Zusammenhangsklagen. Die Arbeitsgerichte sind nach § 2 Abs. 3 ArbGG auch für sog. Zusammenhangsklagen zuständig. Das sind solche Klagen, für die an sich die ordentlichen Gerichte zuständig sind, die aber mit einem vor die Arbeitsgerichte gehörenden Anspruch „in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang“ stehen. Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn die arbeitsrechtliche Streitigkeit und die an sich vor die ordentlichen Gerichte gehörende Klage demselben Lebenssachverhalt entspringen.162 Im Interesse der Prozessökonomie und entsprechend dem Zweck der Vorschrift, eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zusammengehörender Streitigkeiten vor dem Arbeitsgericht zu ermöglichen, ist der Begriff des Zusammenhangs grundsätzlich weit auszulegen.163 Nach der älteren Rechtsprechung sollte der erforderliche Zusammenhang auch gegeben sein, wenn ein Unternehmer gegen einen ausgeschiedenen Beschäftigten wegen Geheimnisverrats (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11) und gegen den neuen Arbeitgeber wegen unlauterer Nutzung des Geheimnisses vorging.164 Diese Rechtsprechung ist indes seit der Einführung des UWG 2004 überholt, weil § 13 UWG nunmehr eine ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts i.S.d. § 2 Abs. 3 ArbGG (namentlich der Landgerichte) anordnet und somit Zusammenhangsklagen gegen Nichtarbeitnehmer vor den Gerichten für Arbeitssachen ausgeschlossen sind.165

35

5. Schiedsgerichtsvereinbarungen. Der ordentliche Rechtsweg wird durch eine wirksame Schiedsgerichtsvereinbarung (§ 1025 ZPO) ausgeschlossen. 166 Wettbewerbsrechtliche Ansprüche sind objektiv schiedsfähig (§ 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Liegt eine wirksame Schiedsvereinbarung vor, so ist die gleichwohl erhobene Klage vor den ordentlichen Gerichten nur dann als unzulässig abzuweisen, wenn der Beklagte die Schiedseinrede erhebt (§ 1032 Abs. 1 ZPO). Dessen ungeachtet bleibt der Rechtsweg trotz der wirksamen Schiedsvereinbarung für einstweilige gerichtliche Maßnahmen (§ 1033 ZPO) eröffnet. Wurde eine Frist nach § 926 Abs. 1 ZPO zur Klageerhebung gesetzt, ist nach deren fruchtlosen Ablauf nicht das Schiedsgericht, bei dem die Klage zu erheben wäre, sondern allein das Gericht, das die einstweilige Verfügung erlassen hat, dazu befugt, eine einstweilige Verfügung gem. § 926 Abs. 2 ZPO oder gem. § 927 ZPO aufzuheben (§ 927 Abs. 2 Hs. 2 Alt. 1 ZPO).167 Der Rechtsweg bleibt ebenso für das Aufhebungsverfahren (§ 1059 ZPO) sowie für das Vollstreckungsverfahren (§ 1060 f. ZPO) eröffnet. II. Insb.: Rechtsschutzbed. f. d. Unterlassungsklage II. Insbesondere: Das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage Ebersohl/Herrmann A. Besonderh. des Klageverf.

Schrifttum Allorio Rechtsschutzbedürfnis? ZZP 67 (1954), 321; Bacher Die Beeinträchtigungsgefahr als Voraussetzung für Unterlassungsklagen im Wettbewerbsrecht und in anderen Gebieten des Zivilrechts (1996); Blomeyer Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. (1985); W. Brehm Rechtsschutzbedürfnis und Feststellungsinteresse, FG

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162 BAG 11.9.2002 – 5 AZB 3/02 – AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 82 = NZA 2003, 62; Germelmann/Matthes/ Schlewing § 2 Rn. 116. 163 ErfKArbR/Koch § 2 ArbGG Rn. 37; Germelmann/Matthes/Schlewing § 2 Rn. 116. 164 OLG Zweibrücken 28.4.1997 – 2 W 7/97 – NZA-RR 1998, 225. 165 BAG 10.6.2010 – 5 AZB 3/10 – GRUR-RR 2010, 447, 448; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.4; Fezer/ Büscher § 12 Rn. 239. A.A. Ahrens/Bornkamm Kap. 15 Rn. 15 mit der Begründung, dass § 2 Abs. 3 ArbGG die Rechtswegzuständigkeit betreffe, § 13 UWG jedoch alleine die sachliche Zuständigkeit regle; so auch Becker GRUR-Prax 2010, 140. 166 Zur Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit für Wettbewerbsstreitigkeiten siehe Gloy/Loschelder/ Erdmann § 95 Rn. 1. 167 Berneke Rn. 117; Zöller/Vollkommer § 927 ZPO Rn. 10; Gloy/Loschelder/Erdmann § 95 Rn. 10.

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II. Insb.: Rechtsschutzbed. f. d. Unterlassungsklage

A. Besonderh. des Klageverf.

BGH (2000) 89; Doepner Wiederholungsgefahr – Ausräumung mit Drittwirkung? FS Mes (2009) 71; Fritzsche Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage (2000); Gloede Der deutsche Außenhandel und seine wettbewerbsrechtliche Beurteilung nach deutschem internationalem Privatrecht, GRUR 1960, 464; Grosch Rechtswandel und Rechtskraft bei Unterlassungsurteilen (2002); Grosch/Schilling Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung für die Zeit nach der mündlichen Verhandlung? FS Eisenführ (2003) 131; Gruber Das Verhältnis der negativen Feststellungsklage zu den anderen Klagearten im deutschen Zivilprozess – Plädoyer für eine Neubewertung, ZZP 117 (2004), 133; Hoene Negative Feststellungsklage – Rechtsmissbrauch oder Verfahrenstaktik? WRP 2008, 44; Jacobs Anmerkung zu BGH 28.4.1988 – I ZR 27/87 – Örtliche Zuständigkeit, GRUR 1988, 786; E. Keller Negative Feststellungsklage, gegenläufige Leistungsklage und Verzicht auf deren Rücknahme, WRP 2000, 908; H. Köhler Vertragliche Unterlassungspflichten, AcP 190 (1990), 496; ders. Grenzen der Mehrfachklage und Mehrfachvollstreckung im Wettbewerbsrecht, WRP 1992, 359; ders. Zur Geltendmachung und Verjährung bei Unterlassungsansprüchen, JZ 2005, 489; Mugdan Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3 (1899); Pastor Die Wiederholungsgefahr beim wettbewerblichen Unterlassungsanspruch, GRUR 1969, 331; Pawlowski Zum Verhältnis von Feststellungs- und Leistungsklage, MDR 1988, 630; Pohlmann Das Rechtsschutzbedürfnis bei der Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, GRUR 1993, 361; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht, 17. Aufl. (2010); Saenger Zivilprozessordnung, 5. Aufl. (2013); Schotthöfer Rechtliche Probleme im Verhältnis zwischen Feststellungsklage und Unterlassungsklage im Wettbewerbsrecht, WRP 1986, 14; Schreiber Klagearten in der ZPO, JURA 2009, 754; E. Schumann Die Prozessökonomie als rechtsethisches Prinzip, FS Larenz (1973) 271; Spengler Keine Verteidigung gegen frivole Unterlassungsklagen? – § 93 ZPO im gewerblichen Rechtsschutz, GRUR 1951, 434; Steinbeck Ist die negative Feststellungsklage Hauptsache im Sinne des § 937 I ZPO? NJW 2007, 1783; Teplitzky Zum Verhältnis von Feststellungs- und Leistungsklage im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und des Wettbewerbsrechts, FS Lindacher (2007) 185; ders. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl. (20002); ders. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl. (2011); Tetzner Klagehäufung im Wettbewerbsrecht, GRUR 1981, 803; Zapfe Fortsetzung der BGH-Rechtsprechung Parallelverfahren I und II, WRP 2011, 1122.

Herrmann 1. 2. 3.

4. 5.

Systematische Übersicht Grundlagen ____ 36 Rechtsprechung und h.L. ____ 37 Prozessuale Deutung der Begehungsgefahr ____ 38 a) Wortlaut ____ 38 b) Teleologie ____ 38 c) Das Streitprogramm des Unterlassungsprozesses ____ 39 Zukunftsrechtsschutz und Rechtsschutzverkürzung ____ 40 Anwendung der §§ 257, 259 ZPO? ____ 41 a) Wertungsgrundlagen ____ 41

6.

7. 8.

b) Rechtsprechung ____ 42 c) Diskussion ____ 43 Die Unterlassungsklage als Klage i.S.d. § 258 ZPO ____ 45 a) Anspruch und actio ____ 46 b) Die Begehungsgefahr als Sachentscheidungsvoraussetzung ____ 47 Doppelnatur der Begehungsgefahr? ____ 51 Die Begehungsgefahr als Voraussetzung des Zukunftsrechtsschutzes ____ 52 a) Ergebnis ____ 60

1. Grundlagen. Mit der Unterlassungsklage begehrt der Kläger eine zwischen den 36 Parteien verbindliche Klärung der dem Beklagten im Rahmen des vorgetragenen Lebenssachverhaltes offen stehenden wettbewerblichen Handlungsmöglichkeiten. Wenn diese Klärung nicht durch einen Unterlassungsvertrag gelingt – insbesondere weil der Beklagte seine Unterlassungsverpflichtung bestreitet – ist der Kläger auf die hoheitliche Feststellung der rechtlichen Verhaltenspflichten des Beklagen angewiesen. Im Unterlassungsvertrag (strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung) legen die Parteien ebenfalls fest, welche Verhaltenspflichten zwischen ihnen in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt künftig gelten sollen. Sie schaffen auf privatautonomer Grundlage eine verbindliche und über das hiermit typischerweise verbundene Versprechen einer Vertragsstrafe sanktionierte Verhaltensnorm. 409

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2. Rechtsprechung und h.L. Sachlich geht es im Unterlassungsvertrag und -urteil jeweils um eine in der Gegenwart (Zustandekommen des Vertrages, letzte mündliche Tatsachenverhandlung) zu treffende Festlegung künftiger Verhaltenspflichten.168 Dies bestimmt zugleich auch das Streitprogramm des Unterlassungsprozesses. Streitgegenstand ist „das prozessual zu definierende gegenwärtige Recht des Klägers auf Titulierung einer konkreten Verbotsnorm, durch welche das künftige Recht der Parteien (bis auf weiteres) durch eine Verbotsnorm geregelt wird“.169 Die inzwischen gefestigte Rechtsprechung und h.L. lehnen eine solche prozessrecht37 liche Deutung des Gegenstandes des Unterlassungsprozesses hingegen nahezu einhellig ab.170 Die seit dem UWG 2004 in § 8 Abs. 1 geregelte Begehungsgefahr als Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs wird als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung verstanden, die abstrakt bestehende Verhaltenspflichten zu einer konkreten Anspruchsbeziehung (§ 241 Abs. 1 Satz 2 BGB) verdichtet. 3. Prozessuale Deutung der Begehungsgefahr. Der Wortlaut des Gesetzes, der Wiederholungs- (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) und Erstbegehungsgefahr (§ 8 Abs. 1 Satz 2) jeweils als Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Anspruchs normiert („[…] kann […] in Anspruch genommen werden“; „Der Anspruch auf Unterlassung […]“), scheint eine prozessuale Deutung des Streitprogramms des Unterlassungsprozesses positiv-rechtlich auszuschließen. Freilich entscheidet der Gesetzgeber nicht isoliert über dogmatische Einordnungsfragen. Maßgeblich kann für eine der Interessenjurisprudenz verpflichtete Rechtsanwendung nur sein, welche rechtsdogmatische Einordnung eines Merkmals von den damit verbundenen Rechtsfolgen her sachgerecht ist.171 Der Wortlaut des Gesetzes schließt es jedenfalls nicht aus, eine zunächst naheliegende Einordnung teleologisch zu korrigieren. a) Wortlaut. Rechtsprechung und h.L. können einer eigens prozessrechtlichen Deutung des Merkmals der Begehungsgefahr zwar zunächst den Wortlaut des § 8 Abs. 1 entgegenhalten. Bedenkt man freilich, dass normativer Ausgangspunkt aller negatorischen Unterlassungsansprüche die ausdrücklich eine Unterlassungsklagemöglichkeit eröffnende Vorschrift des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB war, muss der Gegensatz zwischen (materiellrechtlichem) Anspruch und Klagemöglichkeit an Gewicht verlieren. Denn vor dem UWG 2004 sind Rechtsprechung172 und h.L.173 ungeachtet des insoweit gerade abweichenden Gesetzeswortlautes bereits von einem materiell-rechtlichen Verständnis der Begehungs-

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168 Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 153. 169 Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 153. Vgl. zum Streitgegenstandsbegriff auch unter Rn. 217 ff. 170 Nachweise bei Paal § 8 Rn. 8; Fritzsche S. 150 f.; Teplitzky Kap. 6 Rn. 6 f.; a.A. Bacher S. 38 ff., 83 f., 159; Melullis Rn. 569 f. 171 So auch Bacher (Bacher S. 84), der darauf hinweist, dass die dogmatische Einordnung insbesondere auch Bedeutung haben kann für die Behandlung im Prozess (Bacher S. 85 ff.), die Rechtskraft einer Entscheidung (Bacher S. 91 ff.), das Beweisrecht (Bacher S. 94 ff.), die Möglichkeit einer gesonderten Entscheidung über die Zulässigkeit gem. § 280 ZPO (Bacher S. 116 f.) sowie für die Behandlung in der Revision (Bacher S. 135 f.). 172 BGH 26.4.1990 – I ZR 99/88 – GRUR 1990, 687, 689 – Anzeigenpreis II; BGH 16.1.1992 – I ZR 84/90 – GRUR 1992, 318, 319 – Jubiläumsverkauf; für die Wiederholungsgefahr: BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin; BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241 – Rechtsschutzbedürfnis; BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127, 128 – Vertragsstrafeversprechen. 173 Bacher S. 30 ff. m.w.N., S. 157 ff.; Grosch S. 49 f.; Baumbach/Hefermehl UWG (22. Aufl. 2001) Einl. Rn. 260; Vorauflage/Köhler Vor § 13 UWG B Rn. 27; für die Wiederholungsgefahr vgl. Fritzsche S. 150 f. m.w.N.; Gloede GRUR 1960, 464, 471; Pastor GRUR 1969, 331, 336; Spengler GRUR 1951, 434, 436; Teplitzky (8. Aufl. 2002) Kap. 6 Rn. 7 m.w.N.

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II. Insb.: Rechtsschutzbed. f. d. Unterlassungsklage

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gefahr ausgegangen. Bei jetzt veränderten normativen Vorzeichen kann das Wortlautargument gegenüber am Sinn und Zweck des gerichtlichen Unterlassungsrechtsschutzes orientierten Erwägungen nicht plötzlich allein ausschlaggebend sein. b) Teleologie. Für eine teleologische Einordnung der Begehungsgefahr als Voraus- 38 setzung des Unterlassungsrechtsschutzes ist wesentlich, dass sich der Unterlassungsanspruch durch seinen Bezug auf künftiges Schuldnerverhalten von sonstigen Leistungsansprüchen (insbes. Zahlungsansprüchen) unterscheidet. Sowohl der vorbeugende wie der Verletzungsunterlassungsanspruch schützen vor künftigen Verstößen des Schuldners gegen eine wettbewerbliche Verhaltenspflicht. Ein solcher Zukunftsbezug fehlt bei sonstigen Leistungsklagen, die einen Verstoß des Schuldners gegen rechtliche Verhaltenspflichten in der Vergangenheit feststellen und dem Gläubiger mit dem Vollstreckungstitel die Möglichkeit geben, diesen Pflichtverstoß notfalls auch gegen den Willen des Schuldners zu korrigieren. Mit Ausnahme der Unterlassungsklage sind Leistungsklagen mithin durch die Feststellung eines in der Vergangenheit liegenden Pflichtverstoßes und den Vollstreckungszwang zur Überwindung etwaigen Widerstandes des Schuldners charakterisiert. Künftiges Schuldnerverhalten ist regelmäßig gerade nicht Teil des Streitprogramms des Leistungsklageverfahrens. c) Das Streitprogramm des Unterlassungsprozesses. Hiervon unterscheidet sich 39 der Unterlassungsprozess prinzipiell. Der das zwischen den Parteien geltende Recht feststellende Teil des Unterlassungstenors entspricht zunächst dem üblichen Muster eines Leistungsprozesses. Jedes Unterlassungsurteil geht jedoch über diese zu sonstigen Leistungsprozessen parallele Feststellungswirkung hinaus. Das Gericht konkretisiert die Verhaltenspflichten des Beklagten im Unterlassungstenor und gibt dem Kläger durch die angedrohten Ordnungsmittel (§ 890 ZPO) die Möglichkeit, deren künftige Einhaltung im Wege der Zwangsvollstreckung zu erzwingen. Die im Tenor ausgesprochenen speziellen Verhaltenspflichten treten an die Stelle der aus der zugrundeliegenden Rechtsnorm folgenden allgemeinen Verhaltenspflichten. Der Kläger wird dadurch der Notwendigkeit enthoben, bei künftigen Verstößen gegen seinen im Urteil konkretisierten Unterlassungsanspruch erneut auf Unterlassung zu klagen; er kann ohne Weiteres vollstrecken. 4. Zukunftsrechtsschutz und Rechtsschutzverkürzung. In der die Vollstreckung 40 bei künftigen Verhaltensverstößen ermöglichenden Funktion des Unterlassungsurteils liegt eine rechtfertigungsbedürftige Verkürzung des dem Schuldner sonst allgemein offen stehenden Rechtsschutzes. Beim Unterlassungsvertrag stellt sich die Legitimationsfrage nicht, weil der Schuldner der verbindlichen und strafbewehrten Konkretisierung seiner Verhaltenspflicht selbst zugestimmt und die Einschränkung künftiger Rechtsschutzmöglichkeiten somit privatautonom legitimiert hat. Wäre die Begehungsgefahr nur materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung, könnte die zukunftsgerichtete Rechtsschutzverkürzung nicht stimmig erklärt werden. Denn materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzungen gehören zum „feststellenden Teil“ des Leistungstenors. Sie tragen die gerichtliche Feststellung des gegenwärtig zwischen den Parteien geltenden Rechts und ermöglichen es dem Gläubiger, seinem Recht zwangsweise gegenüber dem Schuldner Geltung zu verschaffen. Für die Eröffnung einer ohne weiteres besehenden Vollstreckungsmöglichkeit gegenüber künftigem Schuldnerverhalten genügt eine Feststellung des gegenwärtig geltenden Rechts indes nach allgemeinen Regeln gerade nicht. Ein Schuldner, der einen Darlehensrückzahlungsprozess verloren hat, muss auch dann bei einer kerngleichen künftigen Zahlungsverweigerung aus einem anderen Darlehen erneut auf Zahlung verklagt werden, wenn er durch sein den Gegenstand 411

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

des Vorprozesses bildendes pflichtwidriges Verhalten zu erkennen gegeben hat, dass er vereinbarte Leistungspflichten u.U. auch künftig verletzen wird. Im Beispielsfall verhält sich das Zahlungsurteil nicht zu dem in künftigen Konfliktsituationen zwischen den Parteien geltenden Recht. Das Unterlassungsurteil könnte eine in die Zukunft gerichtete Rechtsschutzverkürzung nur durch die allen Leistungsurteilen gemeinsame Feststellungswirkung für das zwischen den Parteien gegenwärtig geltende Recht ebenfalls nicht legitimieren, wenn nicht durch ein zusätzliches Merkmal dieser erhebliche Eingriff in die prozessualen Verteidigungsrechte des Schuldners gerechtfertigt wäre. Dieses Merkmal ist die Begehungsgefahr. Sie muss (jedenfalls auch) eine Funktion außerhalb des materiell-rechtlichen Anspruchs haben, um eine über die Feststellungswirkung des gegenwärtigen Rechts hinausreichende prozessuale Funktion erfüllen zu können. 41

5. Anwendung der §§ 257, 259 ZPO? Der Kläger muss danach für die Unterlassungsklage darlegen und im Bestreitensfall beweisen, warum er auch im eigens prozessrechtlichen Sinne gegenwärtig der hoheitlichen Festlegung der im Verhältnis zu dem Beklagten künftig geltenden Verhaltenspflichten bedarf, also auf gerichtlichen Rechtsschutz angewiesen ist. Hierin liegt eine Parallele zu den Zukunftsklagen (§§ 257–259 ZPO), die jeweils besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen für zukunftsgerichteten Rechtsschutz aufstellen.174 Während im Rahmen des §§ 257, 259 ZPO die Besorgnis nachgewiesen werden muss, der Schuldner werde sich seiner (dem Grunde nach bereits feststehenden) Leistungspflicht künftig entziehen,175 erfordert § 258 ZPO einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen.176 Die klageweise Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs entspricht funktional einer Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen, da der Kläger die Titulierung einer Verbotsnorm für künftiges Verhalten anstrebt. Das entspricht dem Urteil auf wiederkehrende Leistungen nach § 258 ZPO, das ebenfalls eine Verhaltensnorm (= Leistungspflicht) für künftiges Verhalten aufstellt. a) Wertungsgrundlagen. Die Frage nach den Voraussetzungen für eine Titulierung künftiger Unterlassungspflichten ist danach im Hinblick auf die Funktion des Unterlassungstenors als einer gegenwärtigen Feststellung künftiger Verhaltenspflichten zu beantworten. Auf eine vollstreckbare Konkretisierung ohnehin bestehender (materiellrechtlicher) Verhaltenspflichten hat der Unterlassungskläger nur dann einen Anspruch, wenn es ihm nicht zuzumuten ist, nach einem künftigen Verstoß mit der gerichtlichen Durchsetzung erst zu beginnen. Dem korrespondiert eine „Verwirkung“ des regelmäßigen Rechtsschutzsystems, einschließlich des umfassenden rechtlichen Gehörs vor festzusetzenden Zwangsmaßnahmen durch den Unterlassungsschuldner, der durch sein Verhalten Anlass geboten haben muss, dem Gläubiger eine Verstärkung seines materiellen Rechts in Form des Unterlassungstenors an die Hand zu geben.

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b) Rechtsprechung. In diesem Zusammenhang wird in der Rechtsprechung zwischen gesetzlichen und vertraglichen Unterlassungsansprüchen differenziert.177

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174 BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95 – GRUR 1997, 382, 384 – Altunterwerfung I; Grosch S. 33; vgl. auch: Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 149 ff. 175 MünchKomm/Becker-Eberhard § 259 ZPO Rn. 12. 176 MünchKomm/Becker-Eberhard § 258 ZPO Rn. 14. 177 BGH 21.1.1999 – I ZR 135/96 – GRUR 1999, 522, 524 – Datenbankabgleich; BGH 10.1.1956 – I ZR 14/55 – GRUR 1956, 238, 240 – Westfalen Zeitung. Zustimmend: Schreiber JURA 2009, 755 f.; Thomas/Putzo/ Reichhold § 259 Rn. 4. Vgl. zur Übersicht: MünchKommZPO/Becker-Eberhardt § 259 ZPO Rn. 5 f.

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Danach sollen nur vertragliche Unterlassungsansprüche nach § 259 ZPO einen Anspruch auf künftige Leistung darstellen. Bei gesetzlichen Unterlassungsansprüchen entspricht es der nahezu einhelligen Auffassung,178 dass die sonst in § 259 ZPO enthaltenen Voraussetzungen gerichtlichen Zukunftsrechtsschutzes (künftig fällig werdende Leistung = Wiederholungsgefahr) Teil der materiellen Anspruchsvoraussetzung und nicht der Zulässigkeit der Klage seien.179 Der Wortlaut des allgemeinen gesetzlichen negatorischen Anspruchs in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB („Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen“) scheint dies zu stützen.180 Auch § 8 Abs. 1 Satz 2 formuliert, dass der „Anspruch“ auf Unterlassung bereits dann bestehe, wenn eine Zuwiderhandlung gegen wettbewerbliche Verhaltenspflichten droht. Demgegenüber fehlt es bei vertraglichen Unterlassungspflichten an einer rechtsinhaltlichen Beschränkung für die Geltendmachung zukunftsgerichteten Rechtsschutzes, so dass ein Bedürfnis für die Anwendung des § 259 ZPO entsteht. In der Entscheidung Datenbankabgleich181 hat der I. ZS dieser Differenzierung sachlich folgend auf die klageweise Durchsetzung eines vertraglichen Unterlassungsanspruchs unter dem Prüfungspunkt „Rechtsschutzbedürfnis“ die Voraussetzungen des § 259 ZPO angewandt.182 c) Diskussion. Die Differenzierung183 zwischen vertraglichen und gesetzlichen An- 43 sprüchen wirkt künstlich, zumal beide Ansprüche auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichtet sind.184 Deshalb in beiden Fällen eine Anwendung des § 259 ZPO abzulehnen,185 vermeidet zwar die Verwendung eines inkonsistenten Prüfungsmaßstabs, löst aber nicht das sachliche Problem der zukunftsgerichteten Wirkung des Unterlassungsurteils, das dem Schuldner Rechtsschutzmöglichkeiten nimmt und dem Gläubiger eine bequeme Vollstreckungsmöglichkeit schafft. Anders als sonstige Leistungsurteile stellt das Unterlassungsurteil nicht nur gegenwartsbezogen die Rechtslage im Verhältnis zwischen den Parteien fest, sondern gewährt mit der Schaffung des zukunftsgerichteten Vollstreckungstitels primär Schutz vor künftigen Verstößen gegen die festgestellte Verhaltenspflicht des Schuldners. Erklärungsbedürftig ist nicht die Möglichkeit, einen gegenwärtigen Anspruch mit der Leistungsklage durchzusetzen, sondern der angestrebte Rechtsschutz gegen künftige Zuwiderhandlungen. Allerdings handelt es sich weder bei vertraglichen noch bei gesetzlichen Unter- 44 lassungsansprüchen um einen Anwendungsfall des § 259 ZPO. § 259 ZPO setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch nicht erst künftig entsteht. Lediglich die Fälligkeit oder Wirksamkeit (z.B. der Eintritt einer Bedingung) dürfen noch von einem in

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178 Wieczorek/Schütze/Assmann § 259 ZPO Rn. 34; MünchKommZPO/Becker-Eberhardt § 259 Rn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 259 ZPO Rn. 4; Köhler JZ 2005, 489; Thomas/Putzo/Reichold § 259 ZPO Rn. 4; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 89 Rn. 20; Stein/Jonas/Roth § 259 ZPO Rn. 8. 179 MünchKommZPO/Becker-Eberhardt § 259 Rn. 6. 180 MünchKommZPO/Becker-Eberhardt § 259 Rn. 6. 181 BGH 21.1.1999 – I ZR 135/96 – GRUR 1999, 522, 524 – Datenbankabgleich. 182 Ebenso bereits BGH 10.1.1956 – I ZR 14/55 – GRUR 1956, 238, 240; vgl. dazu m.w.N. Grosch S. 49 f. 183 Becker-Eberhardt (MünchKommZPO/Becker-Eberhardt § 259 Rn. 7) unterscheidet bei vertraglichen Unterlassungsansprüchen weiter danach, ob bereits eine Verletzung der Unterlassungsverpflichtung vorgekommen ist oder nicht. Der erstmalige Verstoß gegen eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung begründe die Wiederholungsgefahr, so dass unabhängig von den Voraussetzungen des § 259 ZPO auf Unterlassung geklagt werden könne. Fehle es hingegen an einem Erstverstoß, bewende es bei § 259 ZPO. 184 Köhler JZ 2005, 490. 185 So etwa: Köhler JZ 2005, 490 f.; Teplitzky Kap. 51 Rn. 59.

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den Urteilstenor aufzunehmenden Ereignis abhängig sein.186 Diese Voraussetzung ist bei dem Unterlassungsanspruch nicht erfüllt. Nach der h.M. handelt es sich bei dem Unterlassungsanspruch um einen gegenwärtig bestehenden (materiell-rechtlichen) Anspruch.187 Dabei kann sinnvollerweise nicht zwischen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüchen mit demselben Inhalt differenziert werden. Das schließt die Anwendung des § 259 ZPO aus. Geht man von einem gegenwärtig bestehenden (materiell-rechtlichen) Anspruch aus, kann dessen Wirksamkeit oder Fälligkeit nicht gleichzeitig im Sinne des § 259 ZPO eingeschränkt sein. Soweit der Unterlassungsanspruch als prozessuales Recht auf Titulierung einer Verbotsnorm verstanden wird,188 passt § 259 ZPO ebenfalls nicht. Denn das Recht auf Titulierung der Verbotsnorm besteht bei entsprechender Begehungsgefahr gegenwärtig und nicht erst in der Zukunft. 45

6. Die Unterlassungsklage als Klage i.S.d. § 258 ZPO. Eine gegenwärtige Titulierung künftiger Verhaltenspflichten ermöglicht aber § 258 ZPO. Der Anspruch auf Titulierung künftiger Verhaltenspflichten ist dann als gegenwärtiger (prozessualer) Anspruch mit Zukunftswirkung aufzufassen. Die Begehungsgefahr bildet dabei die legitimatorische Grundlage für die Zukunftswirkung und rechtfertigt es, den Unterlassungsanspruch den von § 258 ZPO unmittelbar geregelten Ansprüchen auf wiederkehrende Leistung gleichzustellen.

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a) Anspruch und actio. Der gegenwärtige Meinungsstand zur Anwendbarkeit der §§ 257 ff. ZPO auf Unterlassungsklagen erscheint als Folge der heute in der Zivilrechtsdogmatik vollständig vollzogenen Ablösung des Anspruchs von der actio (Klagerecht). Jeder materiell-rechtliche Anspruch (§ 194 BGB) kann auch ohne besondere Anordnung klageweise durchgesetzt werden, sofern nicht ausnahmsweise das Rechtsschutzinteresse als Sachentscheidungsvoraussetzung fehlt.189 Bei Formulierung des allgemeinen negatorischen Unterlassungsanspruchs (§ 1004 BGB) herrschte indessen noch das Verständnis vor, der Anspruch auf künftige Unterlassung könne nur dann klageweise durchgesetzt werden, wenn das Gesetz die Klagemöglichkeit positiv anordnet.190 Die Fassung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB191 (= § 943 des 1. Entwurfs zum BGB) und die darin vertatbestandlichte Begehungsgefahr erscheinen damit als prozessuale Regelung der Möglichkeit, auf künftige Unterlassung zu klagen.192 Der Gesetzeswortlaut, der in § 1004 BGB nicht anordnet, dass der Gläubiger die künftige Unterlassung von dem Anspruchsgegner „verlangen“, sondern hierauf „klagen“ kann, lässt die prozessuale Herkunft des Merkmals der Widerholungsgefahr noch deutlich erkennen. Eine Regelung entsprechend § 258 ZPO erschien

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186 Zöller/Greger § 259 ZPO Rn. 1. 187 BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin; BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127 = WRP 1983, 91, 92 = NJW 1983, 941, 943 – Vertragsstrafeversprechen; BGH 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983 186, 187 = WRP 1983, 264, 265 – Wiederholte Unterwerfung; BGH 26.4.1990 – I ZR 99/88 – GRUR 1990, 687 – Anzeigenpreis II; Ahrens/Ahrens Kap. 14 Rn. 9; Vorauflage/Köhler Vor § 13 UWG B Rn. 27; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 89 Rn. 6; Teplitzky Kap. 6 Rn. 6, Kap. 51 Rn. 59. 188 RGZ 114, 119; Doepner FS Mes, S. 91 ff.; Köhler JZ 2005, 491 f.; Melullis Rn. 569; Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 149 f. 189 Zur Funktion des Anspruchs vgl. auch Bacher S. 42 f. 190 Vgl. Mugdan S. 426 und dazu Grosch S. 33. 191 Siehe auch die Fassung des Besitzschutzanspruchs in § 862 BGB. 192 Grosch S. 33.

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als redundant, weil die sachlichen Voraussetzungen dieser Norm bereits in § 1004 BGB enthalten sind. b) Die Begehungsgefahr als Sachentscheidungsvoraussetzung. In § 8 Abs. 1 Satz 2, 47 der auf den „Anspruch“ auf Unterlassung abstellt, ist die Terminologie des wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs an die allgemeine bürgerlich-rechtliche Dogmatik angepasst worden. Indessen hat § 8 Abs. 1 UWG 2004 den (vorbeugenden) Unterlassungsanspruch nicht neu begründet. Auch vor dem UWG 2004 haben Unterlassungsklagen den Wettbewerbsprozess dominiert. Der bloße Verweis auf den Gesetzeswortlaut vermag daher die Einordnungsfrage nicht zu entscheiden. Für eine Qualifikation der Begehungsgefahr als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung wird deshalb im Ausgangspunkt zutreffend auf die Notwendigkeit verwiesen, gegenüber jedermann bestehende Verhaltenspflichten zu einer das Verhältnis gerade der Prozessparteien bestimmenden Anspruchsbeziehung zu konkretisieren. 193 Die wettbewerblichen Verhaltenspflichten sind für alle Normadressaten verbindlich, können aber nicht von jedem potentiell Betroffenen auch gerichtlich durchgesetzt werden. Ohne Konkretisierung zu einer Anspruchsbeziehung zwischen den Prozessparteien wäre die Unterlassungsklage Popularklage, die das deutsche Zivilprozessrecht gerade nicht kennt. Die Begehungsgefahr macht aus dem an der Einhaltung wettbewerblicher Normen interessierten quivis ex populo einen tauglichen Unterlassungskläger. Ein rechtlich anzuerkennendes Bedürfnis einer verbindlichen Feststellung künftiger wettbewerblicher Verhaltenspflichten gerade gegenüber dem Beklagten besteht nur und erst dann, wenn dieser durch sein Verhalten Anlass zu einer entsprechenden Feststellung gegeben hat. Diese Zugangsvoraussetzungen gerichtlichen Rechtsschutzes (Vermeidung von Popularklagen) werden im Allgemeinen unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses – und gerade nicht als Teil der Anspruchsvoraussetzungen – erörtert. Wenn die Begehungsgefahr über die Konkretisierung der allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Verhaltenspflichten zu einer inter partes bestehenden Anspruchsbeziehung die zulässige Unterlassungsklage von der unzulässigen Popularklage auf Normeinhaltung unterscheidet, erscheint die Einordnung der Begehungsgefahr unter die Sachentscheidungsvoraussetzungen – entgegen der h.L. – als natürliche Konsequenz. Diese Konsequenz wollen Rechtsprechung und h.L. freilich gerade nicht ziehen. In ihrer Logik begründet die Begehungsgefahr den materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruch, für dessen klageweise Geltendmachung sodann – wie bei jedem anderen Leistungsanspruch auch – allein aufgrund seiner Nichterfüllung durch den Beklagten ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Die Grenzen dieses Ansatzes, der durch § 8 Abs. 1 sicherlich nahegelegt wird, zeigen sich jedoch, wenn man seine Belastbarkeit am Beispiel einer hypothetischen Feststellungsklage auf Bestehen eines Unterlassungsanspruchs überprüft. Dabei wird nicht verkannt, dass eine entsprechende Feststellungsklage angesichts der Subsidiarität gegenüber der (Unterlassungs-)Leistungsklage nur in seltenen Fällen (z.B. dann, wenn feststeht, dass ein öffentlich-rechtlicher Schuldner auch ohne Vollstreckungsdruck erfüllen wird) zulässig sein dürfte. Als materiell-rechtliche Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs verstanden, müsste eine solche (hypothetische) Feststellungsklage bei fehlender Begehungsgefahr als unbegründet abzuweisen sein. Eine Abweisung als unbegründet kommt jedoch deshalb nicht in Betracht, weil es ohne Begehungsgefahr an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis überhaupt fehlt, so dass

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193 Bacher S. 36 f.; Fritzsche S. 150 f.; vgl. auch Gloy/Loschelder/Erdmann/Fritzsche § 79 Rn. 6; Grosch S. 48 f.; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.9.

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eine solche Feststellungsklage unzulässig wäre. Gegenstand wäre allein die Jedermannspflicht zur Unterlassung von Wettbewerbsverstößen, die nicht tauglicher Streitgegenstand eines Unterlassungsprozesses sein kann. Die Jedermannspflichten zu klagbaren Ansprüchen konkretisierende Begehungsgefahr ist damit bei einer (hypothetischen) Klage auf Feststellung des Bestehens eines Unterlassungsanspruchs eine inhaltlich dem Rechtsschutzinteresse zuzuordnende Sachentscheidungsvoraussetzung. Für eine Leistungsklage auf Unterlassung, die notwendig einen Feststellungsteil mitumfasst194 und sich von der Feststellungsklage nur durch das unterschiedliche (weiterreichende) Rechtsschutzziel unterscheidet195 kann nichts anderes gelten. Auch hier muss die Begehungsgefahr als Grundlage für die Konkretisierung der abstrakt-generellen Verhaltenspflichten Teil der Sachentscheidungsvoraussetzungen sein. § 8 Abs. 1 Satz 2 legt so verstanden fest, ab welchem Zeitpunkt frühestens ange48 nommen werden kann, dass sich eine gegenüber jedermann bestehende Verbotsnorm zu einer inter partes bestehenden Anspruchsbeziehung konkretisiert hat. Diese Festlegung ist prozessual zu begreifen, weil sie die Unterscheidung des Unterlassungsklägers von dem quivis ex populo ermöglicht, für dessen Klage auf Normeinhaltung kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Aus der Sicht des materiellen Rechts stellt § 8 Abs. 1 Satz 2 zugleich den zeitlichen 49 Anwendungsbereich des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs dahin klar, dass er „bereits“ dann besteht, wenn eine Zuwiderhandlung (gegen die §§ 3 und 7) droht. Diese Klarstellung ist sinnvoll, weil ansonsten offen bliebe, ob die Unterlassungsklage – neben dem Drohen einer Zuwiderhandlung – weiteren und ggf. einschränkenden Voraussetzungen gerichtlichen Zukunftsrechtsschutzes unterliegt. Es ist daher zutreffend, wenn § 8 Abs. 1 Satz 2 als Voraussetzung verstanden wird, 50 die eine Konkretisierung des allgemeinen Verhaltensgebotes zu einem vollstreckbaren Verbot im Unterlassungsprozess ermöglicht.196 Die Begehungsgefahr macht aus einer gegenüber jedermann bestehenden (abstrakt-generellen) Verhaltensnorm einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch, der dem Kläger das Recht gibt, einen zukunftsgerichteten Unterlassungstitel zu erwirken. 51

7. Doppelnatur der Begehungsgefahr? Ob die Begehungsgefahr neben der Funktion, als Teil des Rechtsschutzinteresses den Zugang zu gerichtlichem Zukunftsrechtsschutz zu eröffnen, sinnvoll auch als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung betrachtet werden kann, ist an dieser Stelle nicht abschließend zu entscheiden. Denn um diese Frage zu beantworten, wäre zunächst klärungsbedürftig, ob Gegenstand des Unterlassungsprozesses überhaupt ein materiell-rechtlicher Anspruch (oder nur ein prozessual verstandenes Recht) ist.197 Hier genügt es, dass ohne eine prozessual verstandene Begehungsgefahr nicht stimmig erklärt werden könnte, warum der Unterlassungskläger neben der Feststellung der jeweiligen wettbewerblichen Verhaltenspflichten einen Vollstreckungstitel gegenüber künftigem Schuldnerverhalten erwirken kann. Die Voraussetzungen, unter denen bestehende rechtliche Verhaltenspflichten zu vollstreckbaren Geoder Verboten für künftiges Verhalten konkretisiert werden, beschreiben Anforderungen

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194 Gruber ZZP 114 (2004), 133, 140. 195 RG 5.4.1909 – VI 244/08 – RGZ 71, 68, 74; BGH 28.11.1961 – I ZR 127/60 – GRUR 1962, 360, 361 – Trockenrasierer; BGH 7.7.1994 – I ZR 30/92 – NJW 1994, 3107, 3108 – Parallelverfahren II; Zöller/Greger § 256 Rn. 16; Schötthofer WRP 1986, 14, 16 f. 196 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.9. 197 Hierzu Grosch S. 49 ff.

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an die prozessuale Geltendmachung eines Anspruchs. Diese sind sachlich in § 258 ZPO enthalten. 8. Die Begehungsgefahr als Voraussetzung des Zukunftsrechtsschutzes. Bei 52 funktionaler Betrachtung ermöglichen § 258 ZPO und § 1004 BGB bzw. § 8 Abs. 1 Satz 2 jeweils eine Klage auf künftige Unterlassung. Die Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr ist teleologisch als Voraussetzung des Zukunftsrechtsschutzes mit dem Bestehen eines Anspruchs auf wiederkehrende Leistung im Sinne des § 258 ZPO identisch. Die Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr rechtfertigt die gegenwärtige Verurteilung zur künftigen Unterlassung in gleicher Weise wie das Stammrecht auf wiederkehrende Leistungen (z.B. die Zahlung einer Unterhaltsrente) die Verurteilung zur künftigen Leistungserbringung auch vor Entstehen und Fälligkeit des Einzelanspruchs rechtfertigt. So verstanden ist das Kriterium der Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr als eine Zugangsvoraussetzung des mit dem Unterlassungsurteil verbundenen Zukunftsrechtsschutzes zu verstehen. Es handelt sich sachlich um eine spezielle Regelung des Rechtsschutzbedürfnisses für Unterlassungsklagen. Diese Einordnung ist unabhängig davon, ob materiell-rechtliche Grundlage ein ge- 53 setzlicher oder ein vertraglicher Unterlassungsanspruch ist. Bei vertraglichen Unterlassungsansprüchen ergibt sich die erforderliche Konkretisierung der wettbewerblichen Jedermannspflichten zu einer Anspruchsbeziehung inter partes aus dem Unterlassungsverpflichtungsvertrag selbst. Die Begehungsgefahr wird hier nicht zur Konkretisierung (bzw. Vervollständigung) des privatautonom begründeten Unterlassungsanspruchs benötigt. Die Einigung der Parteien trägt den Unterlassungsanspruch aus sich heraus. Eine materiell-rechtliche Deutung der Begehungsgefahr scheidet deshalb von vornherein aus. Gleichwohl hat die Rechtsprechung des BGH zutreffend die Darlegung einer Begehungsgefahr als für die Zulässigkeit einer auf einen Unterlassungsverpflichtungsvertrag gestützten Unterlassungsklage erforderlich angesehen.198 Da die Begehungsgefahr beim Unterlassungsverpflichtungsvertrag nicht Voraussetzung des materiell-rechtlichen Anspruchs sein kann, muss es sich um ein prozessual zu deutendes Merkmal handeln, das die in der Schaffung eines Unterlassungstitels liegende Verkürzung des dem Schuldner offen stehenden Rechtsschutzes legitimieren soll. Wenn aber das Ergebnis einer zulässigen und begründeten Unterlassungsklage aus einem Unterlassungsverpflichtungsvertrag ein gleich weit reichender Titel gegenüber künftigen Verstößen des Schuldners ist, können die Zugangsvoraussetzungen zu dem entsprechenden Verfahren ebenfalls nur einheitlich verstanden werden. Die gegenwärtige „Dichotomie der Unterlassungsdogmatik“199 würde mit einem einheitlich prozessualen Verständnis der Begehungsgefahr überwunden. Wenn in der herrschenden Lehre200 darauf verwiesen wird, das Rechtsschutzinteres- 54 se für eine Unterlassungsklage folge ohne Weiteres aus der Nichterfüllung des materiellrechtlichen Unterlassungsanspruchs, wird die Perspektive der Rechtsschutzverkürzung nicht hinreichend berücksichtigt. Es geht nicht allein um die Darlegung der gegenwärtigen Nichterfüllung des Unterlassungsanspruchs, sondern um die Rechtfer-

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198 BGH 21.1.1999 – I ZR 135/96 – GRUR 1999, 522, 524 – Datenbankabgleich. 199 Grosch S. 51. 200 BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin m.w.N; BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; BGH 24.4.1986 – I ZR 56/84 – GRUR 1987, 45, 46 – Sommerpreiswerbung; BGH 24.2.2005 – I ZR 101/02 – BGHZ 162, 246 = GRUR 2005, 519, 519 – VitaminZell-Komplex; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 UWG D Rn. 61; a.A.: Köhler/Bornkamm § 12 UWG Rn. 2.15; Köhler JZ 2005, 491; Pawlowski MDR 1988, 631.

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tigung einer Konkretisierung künftiger Verhaltenspflichten. Bei einem (einmaligen) Zahlungsanspruch als Prototyp einer allgemeinen Leistungsklage fehlt die für den Unterlassungsanspruch charakteristische Zukunftsperspektive. Mit der gegenwärtigen Feststellung des Bestehens des Anspruchs und der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung ist der Rechtsstreit materiell erledigt; künftige Verhaltenspflichten des Schuldners werden nicht geregelt, eine Rechtsschutzverkürzung im Hinblick auf künftiges Verhalten findet nicht statt. Hier ist es gerechtfertigt, nur die schlüssige Darlegung der (gegenwärtigen) Nichterfüllung des (Zahlungs-)Anspruchs zu verlangen. Bei einem Unterlassungsanspruch ist es mit der Feststellung der Rechtslage bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt hingegen nicht getan, da der Unterlassungsanspruch zukunftsgerichtete Verhaltenspflichten erzeugt. Nur weil der Schuldner gegenwärtig eine ihm materiellrechtlich obliegende Verhaltenspflicht verletzt, sind ihm nicht ohne weiteres auch künftige Rechtsschutzmöglichkeiten abzuschneiden. Aufgrund des – unvollständigen – Ausgangspunktes behandeln die Rechtsprechung 55 des BGH und die h.L. die Begehungsgefahr bei Unterlassungsklagen als eine Spezialfrage des erforderlichen Vortragsinhalts zur schlüssigen Darlegung der Nichterfüllung des geltend gemachten Anspruchs.201 Im Ausgangspunkt soll danach zum schlüssigen Vortrag eines Unterlassungsanspruchs neben der Behauptung der Nichterfüllung einer gesetzlichen Verhaltenspflicht auch die Darlegung der Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr gehören.202 Es wäre auch unabhängig von der zwischenzeitlichen Positivierung in § 8 Abs. 1 sachlich richtig, eine Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr als Zugangsvoraussetzung zum gerichtlichen Unterlassungsrechtsschutz zu verlangen. Denn nur dann, wenn der Kläger darlegen kann, dass er gegenwärtig auf einen Vollstreckungstitel gegenüber künftigem Schuldnerverhalten angewiesen ist, ist es gerechtfertigt, den Rechtsschutz des Schuldners gegenüber den Interessen des Gläubigers hintanzustellen. Eine drohende Rechtsverletzung bzw. deren drohende Wiederholung erscheinen als paradigmatische Gründe für eine solche Höherbewertung der Gläubigerinteressen. Für die Rechtsprechung und h.L. ist dieses allgemein als sachgerecht empfundene 56 Ergebnis indes kaum widerspruchsfrei begründbar. Denn die Erstbegehungs- und Wiederholungsgefahr wird nicht, wie hier, als Voraussetzung des Rechtsschutzinteresses, sondern als Teil der Begründetheit verstanden.203 Dennoch hat der BGH in der Ent-

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201 Vgl oben Rn. 37. Die Zuordnung zur Begründetheit erfolgt in der h.L. unabhängig davon, ob es sich um einen gesetzlichen oder vertraglichen Unterlassungsanspruch handelt, vgl. Köhler AcP 190 (1990), 511 f.; Teplitzky Kap. 51 Rn. 59. 202 Da die Voraussetzungen des § 259 ZPO auf Unterlassungsansprüche entsprechend anzuwenden sind, ist die Unterlassungsklage nur zulässig, wenn Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr tatsächlich vorliegen. Die schlüssige Behauptung genügt hier ebenso wenig wie im Rahmen des § 259 ZPO die Behauptung der Besorgnis künftiger Leistungsverweigerung ausreicht (Saenger/Saenger, § 259 ZPO Rn. 4). 203 BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin; BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; Ahrens/Ahrens Kap. 14 Rn. 7; Köhler AcP 190 (1990) 511; Köhler JZ 2005, 491 f.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 86 Rn. 12; Teplitzky Kap. 6 Rn. 7 m.w.N.; Kap. 51 Rn. 59; a.A. Bacher S. 159; Doepner FS Mes, S. 91 ff.; Melullis Rn. 569 sowie – allerdings außerhalb des Wettbewerbsrechts – Pawlowski MDR 1988, 630, 631 f. mit Fn. 19. Pohlmann argumentiert in diesem Zusammenhang, dass es keinen Unterschied mache, ob die Erstbegehungs- und Wiederholungsgefahr i.R.d. Zulässigkeit oder der Begründetheit geprüft werde. Auch das Prozessurteil erwächst hinsichtlich der Verneinung der Sachurteilsvoraussetzungen in Rechtskraft, (vgl. dazu auch: BGH 6.3.1985 – IVb ZR 76/83 – NJW 1985, 2535) sodass der Kläger jedenfalls neue Tatsachen vortragen muss, die eine Erstbegehungsbzw. Wiederholungsgefahr abbilden, um eine entgegenstehenden Rechtskraft zu vermeiden, Pohlmann GRUR 1993, 364 – das ist praktisch zutreffend, ändert aber nichts daran, dass die Wiederholungsgefahr

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scheidung Datenbankabgleich204 zu Recht entschieden, dass die schlüssige Darlegung (d.h. im Bestreitensfall auch der Nachweis) der Nichterfüllung der (vertraglichen) Unterlassungspflicht für das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses erforderlich sei. Gleichzeitig hat er bekräftigt, dass ein vertraglicher Unterlassungsanspruch materiell-rechtlich nicht von dem zusätzlichen Erfordernis einer Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr abhängig sei. Damit hat der I. ZS die Begehungsgefahr zutreffend als Voraussetzung der Klagbarkeit des materiell-rechtlichen Vertragsunterlassungsanspruchs behandelt. Wie gezeigt205 lässt sich diese „Dichotomie der Unterlassungsdogmatik“206 nicht mit den in der Tat bestehenden Unterschieden zwischen gesetzlichen und vertraglichen Unterlassungsansprüchen rechtfertigen. Denn die Begehungsgefahr ist stets prozessuale Zugangsvoraussetzung des Unterlassungsrechtsschutzes, unabhängig davon, ob er inhaltlich mit einem gesetzlichen oder mit einem vertraglichen Anspruch begründet wird. Jeweils konkretisiert die Begehungsgefahr die allgemeine (gesetzliche oder vertragliche) Verhaltenspflicht des Schuldners zu einem klagbaren Anspruch. Mit der Prämisse, für die Darlegung des Rechtsschutzinteresses genüge die Darlegung der Nichterfüllung eines materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs, ist die Entscheidung Datenbankabgleich207 jedoch kaum zu vereinbaren. Wenn die Erstbegehungsoder Wiederholungsgefahr keine Voraussetzung des materiell-rechtlichen Anspruchs aufgrund Unterlassungsvertrags ist – wie der BGH ausdrücklich festgestellt hat – kann deren Darlegung auch nicht erforderlich sein, um die Nichterfüllung des entsprechenden Anspruchs zu belegen. Um diesen Widerspruch aufzulösen, muss zwischen der Entstehung des Anspruchs 57 (Unterlassungsversprechen) und der Klagbarkeit des hieraus resultierenden konkreten Anspruchs unterschieden werden, wobei für Letztere dann die Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr vorauszusetzen ist.208 Der Ansatz des BGH in der Entscheidung Datenbankabgleich209 entspricht dieser Trennung und ordnet die Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr zutreffend (obschon nicht expressis verbis) als Teil der spezifischen Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse bei Unterlassungsklagen aus Unterlassungsverpflichtungsvertrag ein. Auch außerhalb des Wettbewerbsrechts kann die schlüssige Behauptung eines Anspruchs unzureichend sein, um das Rechtsschutzbedürfnis annehmen zu können, wenn das Klagebegehren aus sonstigen Gründen eine Begründetheitsprüfung nicht erfordert oder der Kläger keinen Anspruch auf den Vollstreckungstitel hat. Im Bereich vertraglicher Unterlassungsleistungsversprechen hat der Gläubiger bereits eine zwischen den Parteien verbindliche Feststellung seiner Rechtsposition erreicht. Es fehlt jedoch die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung. Die (drohende) Nichterfüllung der Unterlassungsleistungspflicht, die substantiiert darzulegen ist, rechtfertigt es, von dem Bestehen eines strukturell auf wiederkehrende Leistung gerichteten Anspruchs auszugehen und dem Gläubiger die Möglichkeit zur Titulierung – über die Feststellung des gegenwärtigen Rechts hinaus – zu gewähren. Diese Einschränkung rechtfertigt sich auch aus dem Gesichtspunkt des Beklagtenschutzes, der eine gerichtli-

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nicht sinnvoll als Teil des materiell-rechtlichen Anspruchsinhalts verstanden werden kann. Zur Frage der Rechtskraft siehe auch Bacher S. 91 ff. 204 BGH 21.1.1999 – I ZR 135/96 – GRUR 1999, 522, 524 – Datenbankabgleich. 205 Vgl. oben Rn. 42. 206 Grosch S. 51. 207 BGH 21.1.1999 – I ZR 135/96 – GRUR 1999, 522, 524 – Datenbankabgleich. 208 So ausdrücklich Köhler JZ 2005, 491. 209 BGH 21.1.1999 – I ZR 135/96 – GRUR 1999, 522, 523 – Datenbankabgleich.

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che Feststellung des für ihn heute geltenden Rechts sowie die Titulierung künftiger Verhaltenspflichten nur hinnehmen muss, wenn er zu einem entsprechenden Klageverfahren Veranlassung gegeben hat.210 Folgt man der Parallele zu § 258 ZPO, müssen die Voraussetzungen, die strukturell 58 einem Anspruch auf wiederkehrende Leistung entsprechen, tatsächlich vorliegen. Denn im Rahmen des § 258 ZPO ist anerkannt, dass der Anspruch auf wiederkehrende Leistung tatsächlich besteht und nicht lediglich behauptet wird.211 Dem entspricht es, wenn in § 8 Abs. 1 Satz 2 von einem (bereits) bei drohender Verletzung bestehendem Anspruch die Rede ist. 59 Neben der Voraussetzung der Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr hängt das Rechtsschutzinteresse für Unterlassungsklagen nicht von den (weiteren) Voraussetzungen der §§ 257 ff. ZPO ab.212 Dieses besondere Rechtsschutzbedürfnis ist mit der Darlegung der Erst- bzw. Wiederholungsgefahr bereits abgedeckt.213 Zwar macht der Unterlassungskläger einen gegenwärtigen (materiell-rechtlichen) Unterlassungsanspruch geltend. Die zukunftsgerichtete Wirkung des Unterlassungstitels lässt die Unterlassungsklage jedoch sachlich als Klage auf künftige Leistung erscheinen.214 Versteht man die Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr als spezielle Ausprägung des für diese Rechtsschutzform zu verlangenden Rechtsschutzinteresses, sind die Voraussetzungen der §§ 257 ff. ZPO indessen notwendig mit erfüllt. Der Einordnung als Klage auf künftige Leistung kommt dann keine weitergehende Bedeutung mehr zu.215 a) Ergebnis. Maßstab für das Rechtsschutzbedürfnis bei der Unterlassungsklage ist somit, (1) ob der Kläger gegenwärtig auf eine verbindliche Feststellung der Verhaltenspflichten des Beklagten angewiesen ist und (2) das Beklagtenverhalten die in dem vollstreckbaren Unterlassungstenor liegende Verkürzung von dessen Rechtsschutz im Hinblick auf künftiges Verhalten rechtfertigt. Anhand dieses Maßstabs lassen sich die in der Praxis auftretenden Zweifelsfälle bei Ergebniskontinuität inhaltlich überzeugender lösen. Juristische Dogmatik ist kein Selbstzweck und gerade auf dem Gebiet des Prozess61 rechts verbieten sich „Glasperlenspiele“, die nur zu Unsicherheit führen und deshalb die Praxis behindern würden. Die materiell-rechtliche Einordnung der Begehungsgefahr hat sich in der Praxis eingespielt und verfestigt. Die gefundenen Ergebnisse überzeugen. Ohne widerspruchsfreie Begründung bleiben sie aber – abstrakt betrachtet – zufällig.216 Sortiert man die Begehungsgefahr mit der hier vertretenen Auffassung beim Rechtsschutzbedürfnis ein, drohen keine Brüche. Wenn eine mangels Begehungsgefahr erfolglose Klage statt als unbegründet als unzulässig abgewiesen wird, ergibt sich insbesondere eine gleichweit reichende Rechtskraftwirkung. Jeweils steht das abweisende Urteil einer erneuten Klage, die zusätzlichen Sachvortrag zur Begehungsgefahr enthält, nicht entgegen. Das eingespielte System von Abmahnung und Unterwerfung muss ebenfalls nicht geändert werden, nur weil die Begehungsgefahr zutreffend als Frage des Rechtsschutzbedürfnisses behandelt wird. Demgegenüber steht auf der „Habenseite“ einer

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210 Grosch S. 454 f. 211 MünchKommZPO/Becker-Eberhardt § 258 Rn. 14 m.w.N. 212 So aber noch: BGH 10.1.1956 – I ZR 14/55 – GRUR 1956, 238, 240 – Westfalen Zeitung. Hierzu Grosch S. 50 f., vgl. insbes. Fn. 209. 213 Köhler JZ 2005, 491. 214 Grosch S. 33. 215 Zur Frage der Fälligkeit der gesetzlichen und vertraglichen Unterlassungsansprüche vgl. Köhler JZ 2005, 489 f. 216 Bacher (Bacher S. 157 f.) qualifiziert die dogmatische Einordung i.E. als „weitgehend belanglos“.

Herrmann

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Neuorientierung die Überwindung der „Dichotomie der Unterlassungsdogmatik“, da nunmehr die Voraussetzungen einer auf Vertrag wie auf Gesetz gestützten Unterlassungsklage harmonisiert werden können. Zudem ist es mit Blick auf das vom Unterlassungskläger verfolgte Rechtsschutzziel überzeugender, die Begehungsgefahr als Zugangsvoraussetzung des von ihm angestrebten Zukunftsrechtsschutzes zu begreifen. Denn nur diese prozessuale Einordnung wird der den Beklagtenrechtsschutz verkürzenden Dimension der Unterlassungsklage gerecht. III. Unterlassungsklage Herrmann/Grosch III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens Schrifttum Ahrens Unterlassungsanspruch im Lichte zweier Streitgegenstände, sowie einer Streitgegenstandsverengung, JZ 2006, 1184; ders. Die Bildung kleinteiliger Streitgegenstände als Folge des TÜV-Beschlusses, WRP 2013, 129; Althammer Die Streitgegenstandslehre Karl Heinz Schwabs: Retrospektive, Bestandsaufnahme und Fortentwicklung, ZZP 123 (2010), 178; ders. Streitgegenstand und Interesse – eine zivilprozessuale Studie zum deutschen und europäischen Streitgegenstandsbegriff (2012); Baumgärtel Zur Lehre vom Streitgegenstand, JuS 1974, 69; Bergmann Zur alternativen und kumulativen Begründung des Unterlassungsantrags im Wettbewerbsrecht, GRUR 2009, 224; Berneke Der enge Streitgegenstand von Unterlassungsklagen des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts in der Praxis, WRP 2007, 579; Bölling Unterlassungsantrag und Streitgegenstand im Falle der Störerhaftung, GRUR 2013, 1092; Borck Bestimmtheitsgebot und Kern der Verletzung, WRP 1979, 180; ders. Der Weg zum „richtigen“ Unterlassungsantrag, WRP 2000, 824; Bötticher Streitgegenstand im Eheprozeß, FS Rosenberg (1949) 73; Brandner/Bergmann Zur Zulässigkeit „gesetzeswiederholender“ Unterlassungsanträge, WRP 2000, 842; Büscher Klagehäufung im gewerblichen Rechtsschutz – alternativ, kumulativ, eventuell? GRUR 2012, 16; ders. Aus der Rechtsprechung des EuGH und des BGH zum Wettbewerbsrecht in den Jahren 2011 bis 2013, GRUR 2013, 969; Georgiades Die Anspruchskonkurrenz im Zivilrecht und Zivilprozessrecht (1968); Götz Die Neuvermessung des Lebenssachverhalts, Der Streitgegenstand im Unterlassungsprozess, GRUR 2008, 401; Gröning Hintertüren für redaktionelle Werbung? Aufdeckung und Bekämpfung redaktioneller Werbung nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, WRP 1993, 685; Grosch Rechtswandel und Rechtskraft bei Unterlassungsurteilen (2002); ders. Zum Streitgegenstandsbegriff im Patentverletzungsprozess unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zum Wettbewerbs- und Markenprozess, FS Schilling (2007) 207; Kamlah/Ulmar Neues zum Streitgegenstand der Unterlassungsklage und seine Auswirkungen auf Folgeprozesse, Zugleich eine Anmerkung zur Entscheidung „Markenparfümverkäufe“ des Bundesgerichtshofs, WRP 2006, 967; Köhler Redaktionelle Werbung, WRP 1998, 349; Krüger Zum Streitgegenstandsbegriff, WRP 2013, 140; Kühnen Eine neue Ära bei der Antragsformulierung? Kritische Gedanken zur BGHEntscheidung „Blasfolienherstellung“, GRUR 2006, 180; Larenz Über die Bindungswirkung von Präjudizien, FS Schima (1969) 247; Lehment Zur Bedeutung der Kerntheorie für den Streitgegenstand, WRP 2007, 169; Linstow/Büttner Nach Markenparfümverkäufen sind Reinigungsarbeiten erforderlich, WRP 2007, 169; Meier-Beck Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Patent- und Gebrauchsmusterrecht im Jahr 2005, GRUR 2007, 11; Mühl Die Bedeutung des Sachverhalts für den Begriff des Streitgegenstandes bei Leistungsklagen in der Rechtsprechung, NJW 1954, 1665; Musielak Der rechtskräftig entschiedene Lebenssachverhalt – Versuch einer Abgrenzung, NJW 2000, 3593; Nirk/Kurtze Verletzungshandlung und Verletzungsform bei Wettbewerbsverstößen, GRUR 1980, 645; Preuß Zur Bindung des erkennenden Gerichts an den Streitgegenstand und zur Bestimmung des Streitgegenstandes bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen, JR 2004, 204; Scharen „Catnic“ versus Kerntheorie? FS Erdmann (2002) 877; Scholz Praktische Fragen des Streitgegenstands in der ersten Instanz, GRUR-Prax 2010, 141; Schubert Klageantrag und Streitgegenstand bei Unterlassungsklagen, ZZP 85 (1972), 29; Schwab Der Streitgegenstand im Zivilprozess (1954); ders. Besprechung von J. Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß und im Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZZP 71 (1958), 155; ders. Der Stand der Lehre vom Streitgegenstand im Zivilprozeß, JuS 1965, 81; ders. Gegenwartsprobleme der deutsche Zivilprozeßrechtswissenschaft, JuS 1976, 69; ders. Noch einmal: Bemerkungen zum Streitgegenstand, FS Lüke (1997) 793; Schwippert Alternative Begründung des Unterlassungsanspruches mit unterschiedlichen Streitgegenständen, FS Loschelder

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

(2010) 345; ders. Nach TÜV und Branchenbuch Berg, Oder: Die Teilklage im Wettbewerbsrecht, WRP 2013, 135; Stieper Klagehäufung im Gewerblichen Rechtsschutz – alternativ, kumulativ, eventuell?, GRUR 2012, 5; ders. Konkrete Verletzungsform reloaded – Die Rückkehr zum prozessualen Streitgegenstandsbegriff, WRP 2013, 561; Teplitzky Streitgegenstand und materielle Rechtskraft im wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsprozeß, GRUR 1980, 320; ders. Der Streitgegenstand in der neuesten Rechtsprechung des I. Zivilsenats des BGH, WRP 2007, 1; ders. Die jüngste Rechtsprechung des BGH zum wettbewerblichen Anspruchs- und Verfahrensrecht XI, GRUR 2007, 177; ders. „Markenparfümverkäufe“ und Streitgegenstand, WRP 2007, 397; ders. Gerichtliche Hinweise im einseitigen Verfahren zur Erwirkung einer einstweiligen Unterlassungsverfügung, GRUR 2008, 34; ders. Zum Streitgegenstand der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage, WRP 2010, 181; ders. Der Streitgegenstand der schutz- und lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsklage vor und nach den „TÜV“-Entscheidungen des BGH, GRUR 2011, 1091; ders. Wie weit führt der erste Schritt? Anmerkungen zur Streitgegenstandserweiterung im BGH-Urteil „Branchenbuch Berg“, WRP 2012, 261; v. Ungern-Sternberg Zur inhaltlichen Bestimmtheit von Kartellverwaltungsakten, FS Geiß (2000) 2655; ders. Grundfragen des Streitgegenstands bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen (Teil 1), GRUR 2009, 901; ders. Grundfragen des Streitgegenstands bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen (Teil 2), GRUR 2009, 1009; ders. Grundfragen des Klageantrags bei urheber- und wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen – Teil I, GRUR 2011, 375; ders. Grundfragen des Klageantrags bei urheberund wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen – Teil II, GRUR 2011, 486.

Grosch 1. 2.

Systematische Übersicht Grundstrukturen der Unterlassungsklage und des Unterlassungsanspruchs ____ 62 Bestimmtheitsgrundsatz (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ____ 67 a) Grundstrukturen der Bestimmtheitsprüfung ____ 68 aa) Bestimmtheit als Prozessvoraussetzung und gerichtliche Hinweisund Erörterungspflichten (§ 139 ZPO) ____ 68 bb) Zeitpunkt der Klageerhebung und „Heilung“ des Mangels der Bestimmtheit durch nachfolgenden Vortrag ____ 72 cc) Bestimmtheit des Klageantrages und des Klagegrundes (Streitgegenstand) ____ 74 dd) Unterscheidung von abstrahierenden (bestimmter Unterlassungsantrag) und auf die konkrete Verletzungshandlung (bestimmter Klagegrund) gerichteten Anträgen ____ 75 ee) Zur Terminologie: Konkrete Verletzungshandlung und konkrete Verletzungsform – konkretes und abstrahierendes Unterlassungsbegehren ____ 79 ff) Die Bestimmtheitsprüfung des (abstrahierenden) Unterlassungsantrages (abstrahierendes Verbotsbegehren) ____ 80 gg) Eigenständige Bedeutung der Bestimmtheit des Antrages neben der Bestimmtheit des Streitgegenstan-

Grosch

3.

des – Zulässigkeit und Grenzen der Auslegung des Unterlassungsantrages ____ 81 b) Die Unterscheidung zwischen Bestimmtheitsgrundsatz und materiellem Konkretisierungsgebot ____ 93– aa) Die Rechtsentwicklung ____ 93 bb) Bewertung der Unterscheidung zwischen Bestimmtheitsgrundsatz und materiell-rechtlichem Konkretisierungsgebot ____ 112 c) Auf die konkrete Verletzungshandlung gerichtete Anträge (konkretes Unterlassungsbegehren) ____ 115 aa) Bestimmtheit der auf die konkrete Verletzungshandlung gerichteten Anträge ____ 116 bb) Alternative Klagehäufung unbestimmt („TÜV I“-Rechtsprechung) ____ 141 d) Bestimmtheit bei abstrahierenden Anträgen ____ 162 aa) Methodische Grundfragen ____ 162 bb) Fallgruppen der BGHRechtsprechung ____ 163 e) Abschließende Bewertung der neuen BGH Rechtsprechung zur Bestimmtheit ____ 203 Streitgegenstand ____ 208 a) Grundstrukturen der Entwicklung der BGH-Judikatur und Aufriss der praktischen und dogmatischen Kernfragen ____ 209 aa) Ursprüngliche Linie des BGH ____ 209

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III. Unterlassungsklage

b)

c)

d)

bb) Zweifel im Spektrum von „Markenparfümverkäufe“ bis zur Kritik am „TÜV I“Beschluss ____ 211 cc) „Biomineralwasser“ – Grundsätzliche Umkehr des BGH ____ 214 Allgemeine Lehren zum zivilprozessualen Streitgegenstand – der prozessuale Anspruch als klägerisches Rechtsschutzbegehren ____ 217 aa) Eingliedriger oder zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff ____ 219 bb) Die Abgrenzung des Lebenssachverhaltes – natürliche Betrachtungsweise oder materiellrechtlicher Maßstab? ____ 224 Wettbewerbsrechtliche Praxis und Meinungsstand vor „Biomineralwasser“ ____ 229 aa) Herrschende Auffassung vor Biomineralwasser: Ausrichtung an der materiellen Beanstandung ____ 230 bb) Enge Bestimmung der Verbotsnorm und enge Bestimmung des Streitgegenstandes – Kritik an „TÜV I“ ____ 246 Die aktuelle Rechtsprechung des BGH in Wettbewerbssachen ____ 252

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

e)

f)

g)

aa) BGH „Biomineralwasser“ ____ 252 bb) Die Biomineralwasser vorbereitenden Entscheidungen: „TÜV II“ bis „Branchenbuch Berg“ ____ 262 cc) Post-„Biomineralwasser“: BGH „Peek & Cloppenburg III“ – Grenzen des einheitlichen Lebenssachverhalts ____ 264 Weitere Systembildung auf der Basis von „Biomineralwasser“ ____ 265 aa) Konkrete Verletzungsform ____ 266 bb) Abstrahierende Anträge (abstrahierendes Unterlassungsbegehren) ____ 338 Zusammenfassung: Das neue Systems aus konkreter Verletzung unter Ausschluss der klassischen Kernbereichslehre einerseits (konkretes Unterlassungsbegehren) und den abstrahierenden Anträgen andererseits (abstrahierendes Unterlassungsbegehren) ____ 355 Unterschiedliche materielle Ansprüche und Schutzrechte ____ 359 aa) Zediertes und eigenes Recht ____ 359 bb) Absolute Rechte und Wettbewerbsrecht ____ 361

1. Grundstrukturen der Unterlassungsklage und des Unterlassungsanspruchs In der wettbewerbsrechtlichen Praxis dominiert der Unterlassungsanspruch. Die- 62 ser bildet auch den Schwerpunkt der zum Streitgegenstand diskutierten Themen. Da der Unterlassungsantrag und der entsprechende Tenor in die Zukunft gerichtet sind und mithin Gerichte definitionsgemäß bis zu einem gewissen Grad abstrahieren müssen, stellen sich hier eine ganze Reihe von Fragen, die sich in den klassischen Bereichen des Zivilprozesses so nicht stellen. In der Praxis und Dogmatik der letzten Dekaden hat sich die Lehre vom materiel- 63 len Unterlassungsanspruch ganz durchgesetzt. Der historische Gesetzgeber des BGB und der ZPO ging hingegen noch von einem prozessualen Rechtsinstitut der Unterlassungsklage aus, was etwa im Wortlaut des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zum Ausdruck kommt, der dem Eigentümer das Recht gibt, auf Unterlassung zu klagen. Insofern hatte man ursprünglich die Begehungsgefahr (Wiederholungsgefahr oder Erstbegehungsgefahr) als prozessuales Rechtsschutzbedürfnis eingeordnet.217 Mit der CPO-Novelle von 1898 wurden die Vorschriften über die Zukunftsklagen eingefügt (§§ 257 ff. CPO), die die Unterlas-

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Dazu ausführlich Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 32 ff. m.w.N.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

sungsklage allerdings nicht ausdrücklich erwähnen; sie sollte aber wohl von der Generalklausel der Zukunftsklagen (§ 259 CPO) erfasst sein.218 Die heute gängige Dogmatik geht hingegen von einem gegenwärtigen und fälligen 64 materiellen Unterlassungsanspruch aus, auch wenn das zu verbietende Verhalten, gegen das sich der Anspruch richtet, bestimmungsgemäß nur ein künftiges sein kann. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO müssen also für die Zulässigkeit der Unterlassungsklage nicht vorliegen.219 Die Begehungsgefahr (Erstbegehungsgefahr oder Wiederholungsgefahr)220 wird insofern als materielles Tatbestandsmerkmal und damit als Frage der Begründetheit der Unterlassungsklage behandelt und ein weitergehendes Rechtsschutzbedürfnis muss nach herrschender Auffassung nicht vorliegen. Deshalb wird auch eine Unterlassungsklage, die sich für den Unterlassungsanspruch auf Erstbegehungsgefahr stützt, als unbegründet und nicht als zur Zeit unbegründet abgewiesen.221 Etwas abweichend wird für den vertraglichen Unterlassungsanspruch verfahren. Auch dieser wird zwar als gegenwärtiger, fälliger und materieller Anspruch verstanden. Allerdings ist die Begehungsgefahr dort kein für die Entstehung des Anspruchs erforderliches materielles Tatbestandsmerkmal.222 Vielmehr sei dort im Rahmen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses zu prüfen, ob überhaupt ein vertragswidriges Verhalten (also die Nichterfüllung) drohe.223 Dieser Streit ist in seiner historischen Entwicklung interessant, im Ergebnis aber 65 eher von heuristischer Relevanz.224 Entscheidend ist, dass die Sachgesichtspunkte gesehen und berücksichtigt werden. Hier zeigen sich grundlegende Unterschiede zu den sonstigen materiellen Ansprüchen im Sinne „statischer materieller Rechtslagen“.225 Das zeigt sich besonders bei der Behandlung von Unterlassungsurteilen nach 767 ZPO, die ganz grundlegend von sonstigen Urteilen abweicht (hierzu Rn. 626), die „gewöhnliche“ materielle Ansprüche zum Gegenstand haben (hierzu Rn. 622). Ähnliches gilt für die Behandlung von Unterlassungsklagen mit Blick auf die Frage der Erledigung der Hauptsache, der insofern auch eine zeitliche Dimension innewohnt (vgl. Rn. 662, 813 ff., 818). Die Unterschiede zwischen einem aktionenrechtlich geprägten Verständnis und 66 dem deutschen materiellen Anspruchsverständnis haben sich im Übrigen erst unlängst wieder gezeigt, nämlich in der Diskussion um die Gestaltung des ersten Zivilprozessrechts auf supranationaler Ebene unter Einbeziehung der EU, dem Prozessrecht für das Einheitliche Patentgericht (Unified Patent Court, UPC). Dort ist der Sprachgebrauch vom anglo-amerikanischen Verständnis der injunction geprägt.226 Überlagert wird das von der weiteren sachlichen Problematik eines Ermessens des Gerichts beim Ausspruch dieser Rechtsfolge. Dieses Ermessen ist im anglo-amerikanischen Rechtsverständnis, nach dem der injunctive relief ein equitable relief ist, fest verankert.227 Dem

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218 Hellwig Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts I, § 57, III 4 a, S. 373. 219 Vgl. etwa Teplitzky Kap. 51 Rn. 59; Stein/Jonas/Roth § 259 Rn. 8. 220 Vgl. etwa Teplitzky Kap. 9 Rn. 5. 221 BGH 26.4.1990, GRUR 1990, 687, 689 sub c) – Anzeigenpreis II. 222 BGH 12.1.1999, GRUR 1999, 522, 524 sub V. 2. – Datenbankabgleich. 223 BGH 12.1.1999, GRUR 1999, 522, 524 sub V. 3. – Datenbankabgleich. 224 Ich habe an anderer Stelle (Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 159 ff.) für eine stärker prozessuale Einordnung plädiert, weil damit den Sachgesichtspunkten besser Rechnung getragen wird. 225 Zur Terminologie Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 97 mit Fn. 391; hierzu unten Rn. 628. 226 Agreement on a Unified Patent Court, Chapter IV – Powers of the Court (also Befugnisse des Gerichts), in Art. 63 heißt es dann zu permanent injunctions (als Unterlassungsurteilen, die keine einstweiligen Verfügungen sind), dass das Gericht im Falle einer Patentverletzung eine Unterlassungsverfügung aussprechen „kann“ („may grant an injunction“). 227 Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 395 ff.

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

deutschen Recht ist es grundsätzlich fremd. Bei Vorliegen einer Rechtsverletzung ist die Unterlassung genau wie der Schadensersatzanspruch die automatische Rechtsfolge. Es stellen sich aber auch im deutschen Recht ähnliche Fragen, wenn es darum geht, ob ein Unterlassungsanspruch besteht, welchen Inhalt die Unterlassungspflichten haben und wie weit diese prozessual durchsetzbar sind. Das ist im Wettbewerbsrecht etwa bei der Frage der Prüfpflichten unter dem Topos der Störerhaftung von Relevanz. Gerade bei den Prüfpflichten im Rahmen der Störerhaftung wird auch der Grenzbereich zwischen Prozessrecht und materiellem Recht und der erhöhte Bedarf an Flexibilität besonders deutlich. Hier hat der BGH etwa – ob zu Recht oder zu Unrecht – deutliche Ausnahmen vom Bestimmtheitsgrundsatz zugelassen und damit eine Verlagerung der Festlegung der Prüfpflichten vom Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren vorgenommen.228 Fragen des Ermessens unter Einbeziehung des Interesses der Parteien an der Durchsetzung von Unterlassungspflichten (die auch Handlungspflichten erfassen können)229 mit Blick auf die tatsächliche Durchsetzung einer Unterlassungsverpflichtung können auch bei der Frage des Vollstreckungsschutzes (§ 712 ZPO) oder der Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Berufungsgericht nach § 719 Abs. 1 ZPO Platz greifen.230 Insgesamt gesehen wird die Praxis des UPC von erheblicher Bedeutung für die nationale Praxis des Zivilprozesses im gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht sein, weil es das zukunftsweisende Bild einer einheitlichen europäischen Zivilrechtsjudikatur ist. Dieses historische Projekt wird es allen Beteiligten abverlangen, sich von formalen und terminologischen Fesseln zu lösen und den Blick auf die sachlichen Wertungskriterien zu richten, um einen eigenständigen, bisher nicht verfügbaren zivilrechtlichen und zivilprozessualen Unterbau zu schaffen.231 2. Bestimmtheitsgrundsatz (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) Die vorliegende Darstellung gliedert sich im Sinne der durch Judikatur und Praxis 67 geprägten kategorialen Unterscheidungen in zwei Hauptteile, von welchen einer die Rechtsschutzbegehren, die auf die konkrete Verletzungshandlung gerichtet sind (hierzu c), Rn. 115 ff.), und ein anderer die abstrahierenden Unterlassungsanträge (unter d), Rn. 162 ff.) behandelt. Im Sinne einer einheitlichen Terminologie wird hier im Folgenden auch von konkreten Rechtschutzbegehren und abstrahierenden Rechtsschutzbegehren gesprochen. Diese Unterscheidung geht systematisch einher mit der Differenzierung zwischen der Bestimmtheit des Klagegrundes (relevant für die konkreten Rechtsschutzbegehren) und der Bestimmtheit des Klageantrages (nach herrschender Lehre nur erheblich für die abstrakten Rechtsschutzbegehren). Die Grundlagen der Bestimmtheitsprüfung werden anhand dieser Unterscheidung vorab unter a), Rn. 68 ff. erörtert. Die Abgrenzung des Bestimmtheitsgrundsatzes vom materiell-rechtlichen Konkretisierungsgebot ist Gegenstand eines eigenständigen Zwischenschritts unter b), Rn. 93 ff.

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228 BGH 15.8.2013 – I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 Tz. 21 – File-Hosting-Dienst; dazu ausführlich unten Rn. 177 f. und 182. 229 Dass die Erfüllung gerichtlicher Verbotsurteile in vielen Fällen auch die Verpflichtung zum aktiven Tun erfordern wird, entspricht ständiger Rechtsprechung und herrschender Praxis vgl. nur BGH 22.10.1992 – IX ZR 36/92, BGHZ 120, 73, 77 f. = NJW 1993, 1076, 1077 – Straßenverengung; OLG Köln 12.3.2008 – 6 W 21/08, GRUR-RR 2008, 365 f. – Möbelhandel; Teplitzky Kap. 57 Rn. 26; Fezer/Büscher § 12 UWG Rn. 392; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.7; ausführlich dazu unten Rn. 868 ff. 230 Dazu ausführlich Rn. 795 ff. und 802 ff. 231 Zur Problematik des fehlenden europäischen Zivilrechts und Zivilprozessrechts bereits Haedicke/ Grosch ZGE 2010, 196, 204 f.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

a) Grundstrukturen der Bestimmtheitsprüfung aa) Bestimmtheit als Prozessvoraussetzung und gerichtliche Hinweis- und Erörterungspflichten (§ 139 ZPO). Als Prozessvoraussetzung ist die Bestimmtheit in jeder Lage des Verfahrens, auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen;232 fehlt es an der Bestimmtheit, ist die Klage grundsätzlich als unzulässig abzuweisen.233 Das kommt aber praktisch nicht (mehr) vor.234 Fehlt es in der Klageschrift an einem bestimmten Antrag, so hat das Gericht nämlich regelmäßig im Wege seiner Hinweis- und Erörterungspflicht nach § 139 ZPO (richterliche Hinwirkungspflicht, § 139 Abs. 1 ZPO und Hinweispflicht, § 139 Abs. 2 bis 5 ZPO) darauf hinzuwirken, dass dem Erfordernis bei der Antragsstellung genüge getan wird;235 ein solcher Hinweis ist gegenüber der Bestimmtheitsprobleme behebenden Auslegung des Klageantrages (dazu unten Rn. 81) vorrangig.236 Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Antrages und eine entsprechende Tenorierung sind dabei auch dann nicht einzuschränken, wenn im Bereich Know-HowSchutz gegenläufige Geheimhaltungsinteressen des Klägers bestehen.237 69 Diese Rechtsprechung zum Vorrang des Hinweises nach § 139 ZPO gegenüber der Klageabweisung, die ihren Anfang in der Entscheidung des BGH „Unbestimmter Unterlassungsantrag I“ fand und dort noch in den Besonderheiten des Einzelfalls begründet wurde,238 hat sich in den letzten beiden Dekaden deutlich verfestigt, so dass BGH-Entscheidungen wie „Unbestimmter Unterlassungsantrag II“, in der der BGH die Klage ohne Zurückverweisung an das Berufungsgericht als unzulässig abgewiesen hat (also auch die Unbestimmtheit nicht qua Auslegung „beseitigt“ hat), obwohl der Kläger in der Berufungsinstanz mit einem neu formulierten Antrag obsiegt hatte (das Berufungsgericht also hier keine Bedenken geäußert hatte), heute wohl nicht mehr denkbar sind. Auf einen Mangel der Bestimmtheit ist nach der neueren Linie des BGH gemäß § 139 ZPO durch das Gericht auch dann hinzuweisen, wenn der Beklagte die fehlende Bestimmtheit des Antrages gerügt hat.239 Allerdings ist nicht klar, ob das einschränkungslos gilt. Der

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232 BGH 17.3.2011 – I ZR 170/08, GRUR 2011, 1050 f. Tz. 18 – Ford-Vertragspartner; BGH 12.7.2001 – I ZR 261/98, GRUR 2002, 77, 78 – Rechenzentrum; BGH 20.2.1997, BGHZ 135, 1, 6 = NJW 1997, 3440 – Betreibervergütung; BGH 11.5.2000 – I ZR 28/98, BGHZ 144, 255, 263 = NJW 2000, 3551 – Abgasemissionen; BGH 24.11.1999, GRUR 2000, 438, 441 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge. 233 BGH 9.4.1992 – I ZR 171/90, GRUR 1992, 561, 562 – Unbestimmter Unterlassungsantrag II; Ohly/ Sosnitza § 12 Rn. 62; MünchKommUWG/Ehricke Vor § 12 Rn. 114. 234 Zutreffend Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 88 Rn. 3 a.E., der sich an keinen Fall in seiner Laufbahn als Instanzrichter erinnern kann; vereinzelt aber möglich, wie in dem Fall BGH 9.4.1992 – Unbestimmter Unterlassungsantrag II a.a.O. 235 BGH 4.11.2010 – I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Tz. 18 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; BGH 4.10.2007 – I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Tz. 24 – Versandkosten; BGH 12.7.2001 – I ZR 261/98, GRUR 2002, 77, 78 – Rechenzentrum; BGH 19.4.2000 – XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280, 2281; BGH 24.11.1999, GRUR 2000, 438, 441 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH 5.6.1997, GRUR 1998, 489, 492 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH 11.10.1990 – I ZR 35/89, GRUR 1991, 254, 257. 236 Teplitzky Kap. 51 Rn. 10; Harte/Henning/Brüning Vor § 12 Rn. 82. 237 Diesen kann durch prozessuale Maßnahmen, insbesondere den Ausschluss der Öffentlichkeit und die Verpflichtung zur Geheimhaltung §§ 172 Nr. 2, 173 Abs. II, 174 Abs. III GVG, angemessen Rechnung getragen werden, ohne die Bestimmtheitsanforderungen, nicht zuletzt zu Lasten des rechtlichen Gehörs, zu verkürzen. Siehe dazu ausführlich Ann/Loschelder/Grosch Praxishandbuch Know-how-Schutz, Kap. 6 Rn. 191 ff. mw.N. auch zur Gegenauffassung. 238 BGH 11.10.1990 – I ZR 35/89, GRUR 1991, 254, 257, dort wurde berücksichtigt, dass der Kläger sich bei seiner Antragsfassung von der rechtsirrigen Auffassung des Berufungsgerichts über die Bestimmtheit des Klageantrages hatte leiten lassen. 239 BGH 24.11.1999, GRUR 2000, 438, 441 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge, dort allerdings mit dem einschränkenden Hinweis, dass der Beklagte die Unbestimmtheit in der Instanz nur „beiläufig“ gerügt hatte.

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

BGH hat zuletzt ausgeführt, dass die Zulässigkeitsrügen des Beklagten den gerichtlichen Hinweis nicht ersetzten. Diese allgemeine Aussage wurde dann aber damit begründet (und insofern qualifiziert), dass der im entschiedenen Fall erstinstanzlich obsiegende Kläger ohne gerichtlichen Hinweis im Berufungsverfahren keinen Anlass hatte, seinen Antrag neu zu formulieren.240 Ein Hinweis ist jedenfalls immer dann erforderlich, wenn klar ist, dass der Kläger zumindest die „konkrete Verletzungsform“ zu verbieten begehrt (was als Minus in einem weitergehenden Antrag anzusehen ist) und mit einer begehrten weitergehenden Verurteilung (abstrahierendes Unterlassungsbegehren) auf Bestimmtheitsprobleme stößt; dann ist dem Kläger durch einen Hinweis Gelegenheit zu geben, Anträge zu stellen, die jedenfalls die konkrete Verletzungsform mit Bestimmtheit abdecken.241 In einer solchen Situation wird der Kläger in der Regel mit einem „Hilfsantrag“ reagieren, der dieses Minus artikuliert, ohne dadurch nach herrschender Auffassung242 einen eigenständigen Streitgegenstand einzuführen,243 was deshalb auch noch in der Revisionsinstanz möglich ist (zum Hilfsantrag ausführlich unten Rn. 119). In einer solchen Antragsänderung liegt dann keine Änderung des Streitgegenstandes im Sinne des § 263 ZPO (dazu unten Rn. 402). Aufgrund der Notwendigkeit eines solchen Hinweises im Hinblick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens, ergeben sich durch einen richterlichen Hinweis keine Probleme hinsichtlich der richterlichen Unabhängigkeit.244 Fehlt es an einem Hinweis in der Instanz, verweist der BGH die Sache auf die Revi- 70 sion zur Wahrung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens zurück, um dem Kläger die Möglichkeit der Stellung bestimmter Anträge zu geben.245 Anders wird nur dann verfahren, wenn das Revisionsgericht aufgrund bereits festgestellter Tatsachen vom Nichtbestehen der Klageansprüche überzeugt ist und die Klage abweist.246 Anders als nach der Judikatur des X. Zivilsenats247 ist nach der Praxis des I. Zivilse- 71 nates und der Instanzgerichte in Wettbewerbssachen eine Anpassung des Antrages durch das Gericht ohne entsprechenden Antrag des Klägers zur Herstellung der Bestimmtheit nicht möglich. Es bleibt trotz der Hinweis- und Erörterungspflicht Sache des Klägers, einen zulässigen Antrag zu formulieren und es kann nicht dem Gericht

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240 BGH 4.11.2010 – I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Tz. 18 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker. 241 BGH 4.11.2010 – I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Tz. 18 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker. 242 BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Tz. 32 – Internetversteigerung III; BGH 2.10.2003 – I ZR 117/01, GRUR 2004, 247, 248 – Krankenkassenzulassung; BGH 8.6.2000 – I ZR 269/97, GRUR 2001, 181, 182 – dentalästhetika; BGH 3.12.1998, GRUR 1999, 760, 761 – Auslaufmodelle II. 243 Beispielsfall aus der Instanz für einen Hinweis nach § 139 ZPO und einen entsprechenden „Hilfsantrag“ des Klägers: OLG Köln 20.12.2013 – 6 U 188/12, GRUR-Prax 2014, 44 m. Anm. Peifer – Tagesschau App. 244 Teplitzky Kap. 51 Rn. 2; ders. GRUR 2008, 34, 35 ff.; kritisch: Borck WRP 2000, 824, 829; Schubert ZZP 85 (1972), 29, 44. 245 BGH 4.11.2010 – I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Tz. 18 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; BGH 4.10.2007 – I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Tz. 24 – Versandkosten; BGH 12.7.2001 – I ZR 261/98, GRUR 2002, 77, 78 – Rechenzentrum; BGH 19.4.2000 – XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280, 2281; BGH 24.11.1999, GRUR 2000, 438, 441 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH 5.6.1997, GRUR 1998, 489, 492 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; umfangreiche weitere Nachweise bei Teplitzky Kap. 51 Rn. 1 in Fn. 8 und 9. 246 BGH 17.7.2003 – I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 8 = GRUR 2003, 958, 959 – Paperboy; anders als das Berufungsgericht hatte der BGH hier die Klage als unbestimmt und damit unzulässig abgewiesen, unter Hinweis darauf, dass eine Rückverweisung zwecks konkreter Antragsstellung hier mangels materiellrechtlicher Unterlassungsansprüche entfalle. BGH 11.12.2003 – I ZR 74/01, GRUR 2004, 344 = WRP 2004, 481, 482 – Treue-Punkte; hier war die den Klageanträgen zugrunde liegende Zugabeverordnung zwischenzeitlich entfallen, so dass mangels materiell-rechtlicher Unterlassungsansprüche auf eine Zurückverweisung verzichtet und die Klage als unbestimmt und unzulässig abgewiesen wurde. 247 Vgl. etwa BGH 11.10.2005 – X ZR 76/04, BGHZ 164, 261 = GRUR 2006, 131 f. Tz. 37 – Seitenspiegel; Haedicke/Timmann/Zigann § 11 Rn. 113; Benkard/Rogge/Grabinski § 139 Rn. 32.

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überlassen werden, einem unbestimmten Antrag einen zulässigen Wortlaut und Inhalt zu geben.248 Deshalb kommt der Zurückverweisung an die Berufungsinstanz in der Wettbewerbspraxis große Bedeutung zu (in der Praxis des X. Zivilsenats spielt sie keine Rolle) und deshalb greift der BGH auch öfter zum Mittel der „Auslegung“ (dazu unten Rn. 81), um die Bestimmtheit zu bejahen und ohne Zurückverweisung zu entscheiden. In gleicher Weise ist ein Hinweis erforderlich, wenn nach Auffassung des Gerichts mehrere Streitgegenstände vorliegen und in Anwendung der „TÜV I“-Rechtsprechung der Kläger die Reihenfolge der Prüfung der mehreren Klagegründe anzugeben hat, um den Bestimmtheitsanforderungen gerecht zu werden249 (hierzu unter Rn. 141 ff.). bb) Zeitpunkt der Klageerhebung und „Heilung“ des Mangels der Bestimmtheit durch nachfolgenden Vortrag 72

(1) Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum. Die Bedeutung der Formulierung des Gesetzeswortlauts (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) mit Blick auf die Erfüllung der Anforderungen in der Klageschrift hat praktisch kaum Relevanz.250 Die Fälle, in denen von der Zustellung der Klageschrift abgesehen wird, kommen praktisch nicht vor; es müsste schon der Antrag insgesamt fehlen oder die Begründung offensichtlich rudimentär sein.251 Es handelt sich beim Erfordernis der Bestimmtheit um eine Prozessvoraussetzung, die zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen muss, so dass nachfolgender, den Mangel der Klage korrigierender Vortrag des Klägers möglich ist und es auch der Zustimmung des Beklagte nicht bedarf.252 Bedeutung kann dem Zeitpunkt der Klageerhebung allein für die Frage der Verjährungsunterbrechung zukommen, weil die überwiegende Auffassung der Heilung des Bestimmtheitsmangels durch nachträglichen Vortrag des Klägers nur ex nunc Wirkung zubilligt.253

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(2) Stellungnahme. Dem Abstellen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung kann man unter Berücksichtigung der Praxis und Ratio des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht zustimmen. Es kann nicht überzeugen, dass ein nach den strengen Maßstäben des BGH unbestimmter Antrag in einer Klageschrift den prozessualen Anspruch für die Zwecke der Verjährungsunterbrechung nicht hinreichend bestimmt. Im Wege der Auslegung des Antrages anhand der Klagebegründung ist der Streitgegenstand in der Regel eindeutig zu bestimmen. Das Erfordernis der Bestimmtheit des Antrages hat eine andere Zweckrichtung, bei der es um eine deutlichere Artikulierung der erstrebten Verbotsnorm geht (zum Ganzen sogleich Rn. 74–80). Anderes mag nur für die Fälle gelten, in denen der Streitgegenstand durch Auslegung schlicht nicht ermittelbar ist, ähnlich den Fällen, in denen die Vollstreckung mangels Bestimmtheit des Titels nicht zulässig ist (hierzu Rn. 824 ff., bes. Rn. 832). Präjudizien, die dieser Problematik im Wettbewerbsprozess Relevanz beigemessen hätten, sind auf dieser Linie auch nicht ersichtlich.

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cc) Bestimmtheit des Klageantrages und des Klagegrundes (Streitgegenstand). Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben der bestimmten Angabe des Klagegegenstandes und des Klagegrundes des erhobenen prozessualen Anspruchs

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248 249 250 251 252 253

BGH 11.10.1990 – I ZR 35/89, GRUR 1991, 254, 257 – Unbestimmter Unterlassungsantrag I. BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56, 59 ff. = GRUR 2011, 521, 523 Tz. 13 – TÜV I. MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 253 Rn. 67. Hierzu Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, § 253 Rn. 196. BGH 26.11.1953, BGHZ 11, 181, 184; BGH 29.11.1956, BGHZ 22, 254, 257; Stein/Jonas/Roth § 253 Rn. 61. Stein/Jonas/Roth § 253 Rn. 61; MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 253 Rn. 67.

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

einen bestimmten Antrag enthalten. Der Klagegrund ist der konkrete Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger den Klageanspruch ableitet.254 Dem Erfordernis des „bestimmten Gegenstandes“ kommt neben dem Erfordernis des „bestimmten Antrags“ praktisch keine eigenständige Bedeutung zu, weil der Gegenstand des erhobenen Anspruchs bereits im Antrag zu nennen ist.255 Entscheidend sind also die Bestimmtheit des Klageantrages und des Klagegrundes des erhobenen Anspruchs. Der erhobene Anspruch, dessen Grund und dessen Gegenstand (im Antrag) mit Bestimmtheit anzugeben sind, ist der prozessuale Anspruch im Sinne des § 322 ZPO, also der Streitgegenstand und nicht der materielle Anspruch.256 Der prozessuale Anspruch (Streitgegenstand) ist nach der Rechtsprechung das klägerische Rechtsschutzbegehren, das durch den Klageantrag (Rechtsfolge) und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus welchem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, gebildet wird257 (hierzu Rn. 217–228). Durch § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wird also im Ergebnis nichts anderes normiert, als dass der Kläger den Streitgegenstand mit Bestimmtheit anzugeben hat. Insofern wird im Schrifttum gesagt, dass der „Ordnungszweck“ sich ausschließlich darin erschöpfe, den Streitgegenstand mit der erforderlichen Bestimmtheit festzulegen.258 Diese einheitliche Festlegung wird der Ratio der wettbewerbsrechtlichen Bestimmtheitsprüfung allerdings nur begrenzt gerecht, weil bei abstrahierenden Verbotsbegehren (zur Unterscheidung sogleich Rn. 75 ff. und 79) eigenständige Anforderungen an die Bestimmtheit des Antrages gestellt werden (hierzu Rn. 80 und 81 ff.), die über die bestimmte Festlegung des Streitgegenstands hinausgehen. dd) Unterscheidung von abstrahierenden (bestimmter Unterlassungsantrag) 75 und auf die konkrete Verletzungshandlung (bestimmter Klagegrund) gerichteten Anträgen. Es gibt in der wettbewerbsrechtlichen Praxis mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz zwei grundsätzliche Kategorien der Antragsformulierung: Einmal diejenige, die auf die konkrete Verletzungshandlung gerichtet ist, und zum anderen jene, die von der konkreten Verletzungshandlung abstrahiert. Es ist einer der Dreh- und Angelpunkte der Rechtsprechung des I. Zivilsenates, dass sich Fragen der Bestimmtheit des Antrages nie stellen sollen, wenn sich der Antrag auf die konkrete Verletzungshandlung richtet (hierzu Rn. 116 ff.).259 Bestimmtheitsfragen mit Blick auf den Klageantrag stellen sich danach nur, wenn abstrahiert wird. Bei einer abstrahierenden Antragstellung den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerecht zu werden, ist nicht einfach, weshalb in der Praxis die Ausrichtung auf die konkrete Verletzungshandlung dominiert.260 Dabei läuft der Kläger allerdings Gefahr, seinen materiellen Unterlassungs-

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254 Thomas/Putzo/Reichhold § 253 Rn. 10; Zöller/Greger § 253 Rn. 12. 255 Stein/Jonas/Roth § 253 Rn. 22; Wieczorek/Schütze/Assmann § 253 Rn. 53; Rosenberg/Schwab/ Gottwald ZPR, § 95 Rn. 16; MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 253 Rn. 70, der die Frage der Abgrenzbarkeit von Gegenstand und Antrag zurecht als „akademischer Natur“ bezeichnet, also einen Problempunkt, der keine praktischen Auswirkungen hat, was in einer „praktischen Wissenschaft“, die die Jurisprudenz ist, die Behandlung verbietet. 256 BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 Tz. 12 – Branchenbuch Berg. 257 BGH 19.11.2003 – VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47 Tz. 9 = NJW 2004, 1252, 1253. 258 MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 253 Rn. 66. 259 Vgl. BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10, GRUR 2012, 184, 185 Tz. 12 – Branchenbuch Berg; BGH 29.4.2010 – I ZR 99/08, GRUR 2011, 82 Tz. 14 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; BGH 16.7.2009 – I ZR 56/07, GRUR 2009, 1075 Tz. 10 – Betriebsbeobachtung („der Handlung, so wie sie begangen worden ist“); BGH 21.6.2001 – I ZR 69/99, GRUR 2002, 75, 76 – SOOOO…BILLIG; BGH 7.6.2001 – I ZR 115/99, GRUR 2002, 177, 178 – Jubiläumsschnäppchen; BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 454 – TCM-Zentrum. 260 Vgl. Schwippert WRP 2013, 135, 137 l. Sp. oben; Teplitzky meint demgegenüber, dass diese Antragsfassung „gerne“ und „meistens mit Recht“ vermieden werde, Teplitzky Kap. 51 Rn. 4.

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anspruch nicht voll auszuschöpfen, also nicht alle Handlungen in das Verbot einzubeziehen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungshandlung seinen Ausdruck findet (hierzu sogleich Rn. 93 ff., bes. Rn. 104 ff.). Bei den auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Unterlassungsbegehren stellen sich Bestimmtheitsfragen nach der herrschenden Auffassung mithin grundsätzlich nur hinsichtlich des Klagegrundes, was praktische Bedeutung im Wesentlichen für die neuere Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung erlangt hat (dazu unten Rn. 141 ff.). Die klare Unterscheidung zwischen den auf die konkrete Verletzungshandlung ge76 richteten und den davon abstrahierenden Anträgen wird allerdings in der Praxis wesentlich dadurch aufgelockert, dass der Kläger regelmäßig abstrahierende Bestandteile zum Element des Antrages macht, diesen aber gleichwohl auf die konkrete Verletzungsform beschränkt (durch die Beschränkung „wenn das geschieht wie“) (hierzu Rn. 117 f.). Die vorstehend beschriebene Dichotomie zwischen konkreten und abstrahierenden Anträgen wird dabei dadurch aufgebrochen, dass der BGH diesen abstrahierenden Elementen des Antrages wesentliche Bedeutung bei der Bestimmung des Rechtsschutzbegehrens (im Sinne des Gegenstands und Umfangs der erstrebten Verbotsnorm) beimisst, ohne diese abstrahierenden Elemente den Restriktionen des Bestimmtheitsgebots zu unterwerfen, die für rein abstrahierende Anträge (ohne die „wenn das geschieht wie“-Rückkopplung an die konkrete Verletzungshandlung) gelten (hierzu Rn. 856).261 Es handelt sich deshalb um einen praktisch und dogmatisch ganz wesentlichen Ansatzpunkt für die Fortentwicklung des gegenwärtigen Systems (hierzu Rn. 140), dem insbesondere im Anschluss an die Entscheidung „Biomineralwasser“262 (hierzu Rn. 157 f., 252 ff.) gesteigerte Bedeutung zukommen wird (hierzu Rn. 337). Man wird ferner auch bei der Klärung der Fragen der Bestimmtheit grundsätzlich 77 nicht außer Acht lassen können, dass die materiell-rechtliche Kernbereichslehre, die den Umfang des Unterlassungsanspruchs und damit das materielle Recht des Gläubigers auf einen prozessualen Verbotsausspruch bestimmt, auch ihre prozessuale Reflektion bei der Bestimmung des Umfangs eines auf die konkrete Verletzungshandlung gerichteten Verbots findet (vollstreckungsrechtliche Kernbereichslehre). Diese Bestimmung des Umfangs des gerichtlichen Verbots wird im Wesentlichen durch einen Rückgriff auf die Gründe des Urteils erreicht,263 da sich dem Tenor in diesen Fällen durch seine bloße Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung per definitionem nichts darüber entnehmen lässt, was vom Gericht als kerngleich mitentschieden gelten kann (hierzu Rn. 130 ff. und 855 ff.). Teplitzky hat insofern (systematisch bei der Frage der Vollstreckung eines Unterlassungsurteils nach § 890 ZPO) zutreffend darauf hingewiesen, dass es im Hinblick auf die gegen die Kernbereichslehre insbesondere aus verfassungsrechtlicher Sicht vorgebrachten Bedenken sinnvoll wäre, die kerngleichen Handlungen, die bei einer Abwandlung der Verletzungshandlung den Kern der konkreten Verletzungsform unberührt lassen, von vornherein auch explizit zum Gegenstand des Antrages zu machen.264 Dies ließe sich nur über eine entsprechende Ausgestaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes erreichen, wenn man diesen dergestalt verstünde, dass er es erfordert, die

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261 Vgl. etwa zuletzt BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 11 – Reichweite des Unterlassungsgebots; BGH 19.5.2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855 Tz. 17 = WRP 2010, 1035 – Folienrollos; BGH 2.6.2005 – I ZR 252/02, GRUR 2006, 164, 165 Tz. 14 – Aktivierungskosten II. 262 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 – Biomineralwasser. 263 Ganz herrschende Auffassung, vgl. Ahrens/Jestaedt Kap. 35 Rn. 17; Teplitzky Kap. 57 Rn. 11 ff.; BGH 9.10.1986, GRUR 1987, 172, 174 – Unternehmensberatungsgesellschaft I; BGH 16.2.1989, GRUR 1989, 445 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung; BGH 30.3.1989, WRP 1989, 572, 574 – Bioäquivalenzwerbung. 264 Teplitzky Kap. 57 Rn. 16.

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

für das gerichtliche Verbot konstitutiven Elemente von vornherein in den Antrag und Tenor zu gießen, weil ansonsten der Umfang des gerichtlichen Verbots nicht aus dem Antrag/Tenor erkennbar wäre. Letzeres entspricht allerdings nicht der vorherrschenden Praxis und der Rechtsprechung des BGH, wonach Anträge stets bestimmt sind, die unter Bezugnahme auf die historische Verletzungshandlung auf die konkrete Verletzungsform gerichtet sind (hierzu Rn. 116). Nur dann, wenn der Kläger abstrahiert, um den materiellrechtlichen Unterlassungsanspruch seinem Umfang nach im Antrag voll auszuschöpfen, greifen die Bestimmtheitsanforderungen für die Antragsformulierung ein (hierzu Rn. 80 ff. und Rn. 162 ff.). Dass dieses System brüchig ist, zeigt sich gerade an der durch die „TÜV I“-Rechtsprechung265 zur mangelnden Bestimmtheit der alternativen Klagehäufung ausgelösten Diskussion266 und ihrem vorläufigen Abschluss in Gestalt der „Biomineralwasser“-Judikatur.267 Mit Blick auf die Bestimmtheitsanforderungen an abstrahierende Unterlassungsan- 78 träge entstehen wesentliche Überlappungen zum materiell-rechtlichen Konkretisierungsgebot, weil die prozessuale Möglichkeit einer abstrahierenden Antragsfassung über die konkrete Verletzungsform hinaus ihren inneren Grund gerade darin hat, dass die materielle Wiederholungsgefahr, die den Umfang des Unterlassungsanspruchs bestimmt, nicht auf die konkrete Verletzungsform beschränkt ist, sondern alle Handlungen erfasst, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt.268 ee) Zur Terminologie: Konkrete Verletzungshandlung und konkrete Verlet- 79 zungsform – konkretes und abstrahierendes Unterlassungsbegehren. Mit der konkreten Verletzungshandlung wird nach einer weithin verwendeten Terminologie, die an einen Beitrag von Nirk/Kurtze269 anknüpft,270 die konkrete historische Wettbewerbshandlung bezeichnet, die die Wiederholungsgefahr begründet. Demgegenüber wird als konkrete Verletzungsform die Summe derjenigen Merkmale dieses Sachverhalts bezeichnet, die nach der zugrundegelegten materiellen Verbotsnorm die Rechtswidrigkeit der Handlung begründen. Es sind also diejenigen Merkmale, die für die Subsumtion hinsichtlich des geltend gemachten Wettbewerbsverstoßes konstitutiv sind.271 Der BGH hat diese Begrifflichkeit teilweise verwendet, indem er als konkrete Verletzungsform die Summe derjenigen Merkmale verstand, die das Charakteristische der konkreten Verletzungshandlung ausmachen, insofern sie also die Wiederholungsgefahr

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265 BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56, 59 ff. = GRUR 2011, 521, 523 Tz. 10 – TÜV I. 266 Dazu ausführlich unten Rn. 141 ff. 267 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 24 – Biomineralwasser; dazu ausführlich unten Rn. 229 ff., 252 ff. und 265 ff. 268 St. Rspr., s. etwa BGH 19.5.2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855 Tz. 17 – Folienrollos; BGH 10.12.2009 – I ZR 46/07, BGHZ 183, 309 = GRUR 2010, 253, Tz. 30 – Fischdosendeckel; BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 32 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH 18.6.2009 – I ZR 47/07, GRUR 2010, 156 Tz. 25 – EIFEL-ZEITUNG; BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 17 – Telefonwerbung für „Individualverträge“; BGH 4.9.2003 – I ZR 32/01, GRUR 2004, 72 – Coenzym Q10; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98, GRUR 2000, 907, 909 sub a (4) – Filialleiterfehler; und h.M., vgl. etwa Teplitzky Kap. 6 Rn. 9 mit Fn. 43 und Kap. 51 Rn. 14 mit Fn. 118; Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 a.F. E Rn. 24. 269 Nirk/Kurtze GRUR 1980, 645, 646 ff. 270 Dem folgend etwa Teplitzky Kap. 51 Rn. 4; Ahrens/Jestaedt Kap. 22 Rn. 7 Fn. 20; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 98. 271 Nirk/Kurtze a.a.O. S. 647: „Die rechtliche Beurteilung der Wettbewerbshandlung entscheidet darüber, ob sie wettbewerbswidrig ist. Maßgeblich hierfür sind nur diejenigen Tatbestandsmerkmale der Wettbewerbshandlung, aus denen sich die Wettbewerbswidrigkeit ergibt; sie bilden die ‚konkrete Verletzungsform‘.“

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

und damit den Umfang des Unterlassungsanspruchs abstecken.272 Der Sprachgebrauch wurde allerdings nicht konsequent durchgehalten273 und insbesondere in der neueren Rechtsprechung zum Streitgegenstand wird regelmäßig von der konkreten Verletzungsform gesprochen, wenn damit der Lebenssachverhalt der konkreten Verletzungshandlung insgesamt gemeint ist.274 Dies trifft insbesondere zu, wenn sich die Antragsfassung beschränkt auf das Verbot einer konkreten Wettbewerbshandlung, so wie sie „tatsächlich“ vorgenommen wurde.275 Mit der Verwendung dieser Terminologie soll in dieser Darstellung zunächst keine inhaltliche Schlussfolgerung präjudiziert werden. Es wird unter Orientierung an der Diktion des BGH mit dem auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Rechtsschutzbegehren der Gegenstand bezeichnet, der an die konkrete Verletzungshandlung anknüpft und sich damit von den abstrahierenden Unterlassungsanträgen unterscheidet. Überzeugender wäre hingegen eine Terminologie, die sich auf den unterschiedlichen Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens bezieht; insofern wird hier vorgeschlagen, von einem konkreten Rechtsschutzbegehren oder konkreten Verbotsbegehren einerseits und einem abstrahierenden Rechtsschutzbegehren oder abstrahierenden Verbotsbegehren andererseits zu sprechen. 80

ff) Die Bestimmtheitsprüfung des (abstrahierenden) Unterlassungsantrages (abstrahierendes Verbotsbegehren). Der praktische Schwerpunkt der Bestimmtheitsprüfung liegt auf der Formulierung des Unterlassungsantrages, wobei jedoch stets deren Funktion mit Blick auf die bestimmte Festlegung des Streitgegenstandes und damit des erstrebten (vollstreckbaren) Verbots in den Blick genommen wird. Insofern entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass der Zweck der Bestimmtheit des Antrages die Festlegung des Streitgegenstandes und des Umfangs der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 ZPO) ist. Der Unterlassungsantrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und die entsprechende Tenorierung gemäß § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO276 dürfen danach nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Streitgegenstand und Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt und damit die Tragweite des begehrten Verbots und die Grenzen seiner Rechtskraft für den Beklagten nicht mehr erkennbar wären.277 Nur dann kann sich der

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272 BGH 15.3.1984, GRUR 1984, 593 – adidas Sportartikel. Dazu ausführlicher unten Rn. 104 ff. 273 Teplitzky Kap. 51 Rn. 4 Fn. 28 meint hingegen, der BGH lege diese Unterscheidung regelmäßig zugrunde. Das trifft jedenfalls für die Fragen der Bestimmtheit nicht zu. 274 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 24 – Biomineralwasser. In der Entscheidung „Branchenbuch Berg“, auf die sich der BGH in „Biomineralwasser“ bezieht, spricht der BGH von der konkreten Verletzungshandlung, auf die sich das Unterlassungsbegehren „stützt“ und das deshalb bestimmt sei, gleich unter welchen rechtlichen Aspekten die Handlung beanstandet werde, BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10, GRUR 2012, 184, 185 Tz. 14, 15. Hierzu Rn. 116. 275 Vgl. etwa BGH 7.4.2011 – I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 Tz. 17 – Leistungspakete im Preisvergleich (ebenfalls von „Biomineralwasser“ in Bezug genommen); hier heißt es, dass Gegenstand eines auf die konkrete Verletzungsform bezogenen Antrages allein die „konkrete Werbeanzeige“ sein soll; besonders klar auch BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 36 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09, GRUR 2011, 340 Tz. 21 – Irische Butter. 276 Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrages nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 sind identisch mit denen an die Urteilsformel nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, vgl. die entsprechenden Formulierungen des BGH etwa in BGH 20.6.2013 – I ZR 55/12, GRUR 2013, 1235 Tz. 12 – Restwertbörse II; BGH 4.3.2004 – I ZR 221/01, BGHZ 158, 174, 186 = GRUR 2004 696, 699 unter 4. vor C. – Direktansprache am Arbeitsplatz I; MünchKommUWG/Ehricke Vor § 12 Rn. 115. 277 BGH 20.6.2013 – I ZR 55/12, GRUR 2013, 1235 – Tz. 12 Restwertbörse II; BGH 23.2.2006 – I ZR 27/03, BGHZ 166, 233, 241 f. = GRUR 2006, 504, 505 Tz. 28 – Parfümtestkäufe; BGH 4.3.2004 – I ZR 221/01, BGHZ 158, 174, 186 = GRUR 2004, 696, 699 – Direktansprache am Arbeitsplatz I; BGH 17.7.2003 – I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 8 = GRUR 2003, 958, 959 – Paperboy; BGH 4.7.2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 –

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Beklagte erschöpfend verteidigen und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, wird im Erkenntnisverfahren getroffen und nicht dem Vollstreckungsgericht überlassen.278 gg) Eigenständige Bedeutung der Bestimmtheit des Antrages neben der Be- 81 stimmtheit des Streitgegenstandes – Zulässigkeit und Grenzen der Auslegung des Unterlassungsantrages. In der Unterscheidung des Erfordernisses der Antragsbestimmtheit (der Antragsformel) in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO von der Bestimmtheit des Klagegrundes (beide bilden den Streitgegenstand) unter gleichzeitiger Ausrichtung der Zweckrichtung der Vorschrift mit Blick auf die Bestimmtheit des Streitgegenstandes (dem prozessualen Rechtsschutzbegehren) ist das wesentliche Spannungsfeld der Festlegung der Anforderungen an die Bestimmtheit des Antrages bereits angelegt, weil der Antrag sich stets mit Blick auf die für diesen angegebene Begründung auslegen lässt und damit der begehrte Rechtsfolgenschluss regelmäßig klar und bestimmt würde. Eine Auslegung des Antrages ist dabei grundsätzlich zulässig und erforderlich (1), (2), aber dem sind Grenzen gesetzt (3); insgesamt verdeutlicht dieses Spannungsfeld den eigentlichen Impetus der Bestimmtheitsanforderungen (4). (1) Auslegung grundsätzlich möglich. Nach ständiger Rechtsprechung und herr- 82 schender Auffassung in der Literatur ist der Unterlassungsantrag auszulegen,279 wobei nichts anderes gelten soll wie für die Auslegung des Urteilstenors anhand der Entscheidungsgründe.280 Die Auslegung erfolgt mithin primär nach der vom Kläger vorgetragenen Begründung.281 Dabei kann auch eine Anlage zur Klageschrift, welche dem Gericht

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Zugabenbündel; BGH 18.9.1997, GRUR 1998, 471, 474 – Modenschau im Salvatorkeller; BGH 11.10.1990, BGHZ 122, 16, 18 = GRUR 1991, 254, 256 – Unbestimmter Unterlassungsantrag I; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.35; Harte/Henning/Brüning Vorb. z. § 12 Rn. 75; Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 9; Teplitzky Kap. 51 Rn. 1, 8; Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 62; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 96; jeweils m.w. Rechtsprechungsnachweisen. 278 BGH 4.11.2010 – I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Tz. 11 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; BGH 5.10.2010 – I ZR 46/09, GRUR 2011, 433 Tz. 10 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung; BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 21 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH 9.7.2009 – I ZR 13/07 GRUR 2009, 977, 979 Tz. 21 – Brillenversorgung; BGH 4.10.2007 – I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Tz. 13 – Versandkosten; BGH 17.7.2003 – I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 8 = GRUR 2003, 958 – Paperboy; BGH 24.11.1999, GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.35; Harte/Henning/Brüning Vorb. z. § 12 Rn. 76; Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 11; Teplitzky Kap. 57 Rn. 5; Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 a.F. E Rn. 24; jeweils m.w. Rechtsprechungsnachweisen. 279 BGH 12.7.1990, GRUR 1991, 138 – Flacon; BGH 25.4.1991, GRUR 1991, 774, 775 – Anzeigenrubrik II; BGH 8.2.1996, WRP 1996, 720 – Effektivzins; BGH 5.6.1997, GRUR 1998, 489, 492 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH 7.5.1998, GRUR 1998, 1041 = WRP 1998, 1068 – Verkaufsveranstaltung in Aussiedlerwohnheim; BGH 7.6.2001 – I ZR 115/99, GRUR 2002, 177, 178 f. = WRP 2001, 1182, 1183 – Jubiläumsschnäppchen; BGH 31.10.2002 – I ZR 207/00, BGHZ 152, 268, 274 = GRUR 2003, 242 – Dresdner Christstollen; BGH 2.10.2003 – I ZR 117/01, GRUR 2004, 247 – Krankenkassenzulassung; BGH 12.7.2007 – I ZR 18/04, GRUR 2007, 890 Tz. 17 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08, GRUR 2011, 152 = WRP 2011, 223 Tz. 23 ff. – Kinderhochstühle im Internet; aus der Literatur: Teplitzky Kap. 51 Rn. 10 m.w.N. in Fn. 100; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 88 Rn. 3; Harte/Henning/Brüning Vorb. z. § 12 Rn. 81; Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 64; MünchKommUWG/Ehricke Vor § 12 Rn. 34. 280 BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702, 705 Tz. 37 – Internet-Versteigerung III (dort für das Konkretisierungsgebot, also für die Frage, ob ein materiell-rechtlich für das Verbot notwendiges Merkmal im Antrag seinen Niederschlag gefunden hat, ob also der Antrag zu weit sei, was nach Auslegung verneint wurde); Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 88 Rn. 3; MünchKommUWG/Ehricke Vor § 12 Rn. 116. 281 BGH 16.2.1989 – I ZR 76/87, GRUR 1989, 445 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung I (im entschiedenen Fall war dem Antrag/Tenor nicht die Einschränkung der Verwendung für die „berufliche Tätigkeit“ zu entnehmen, das sei aber der Begründung als Einschränkung des Verbots klar zu entnehmen, was aus Sicht des BGH ausreichte); BGH 12.7.1990, GRUR 1991, 138 – Flacon; BGH 25.4.1991, GRUR 1991,

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

„keine unzumutbare Sucharbeit abverlangt“, zur Klagebegründung gehören. 282 Eine Klarstellung des mit dem Antrag gemeinten in der Berufungsinstanz ist dann ebenfalls zu berücksichtigen.283 In Einzelfällen können sonstige Umstände außerhalb der Klagebegründung selbst, wie etwa die Wettbewerbserfahrung eines gerichtsbekannten Verbandes,284 in die Auslegung des Antrages einbezogen werden. Für die Auslegung des Klageantrages darf nach der Rechtsprechung genau wie bei materiell-rechtlichen Willenserklärung nicht am Wortlaut gehaftet werden. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des BGH vielmehr der erklärte Wille, wie er sich aus Begleitumständen, nicht zuletzt der Interessenlage, ergibt.285 Im Zweifel gilt das, „was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der rechtverstandenen Interessenlage entspricht“.286 Liegt ein nicht überbrückbarer Widerspruch zwischen dem Tenor und den Gründen vor, so fehlt es dem Urteil an einem vollstreckungsfähigen Inhalt (hierzu unten Rn. 827) und ein entsprechender Klageantrag ist mangels Bestimmtheit unzulässig.287 Die Auslegung des Antrages als Prozesserklärung ist nach ständiger Rechtsprechung 83 des BGH auch in der Revisionsinstanz möglich und erforderlich288 und hat dort ihren wesentlichen Platz. In der Instanz hat das Gericht primär durch seine Hinweispflicht auf Anträge hinzuwirken, die Auslegungsfragen gerade vermeiden.289 84

(2) Beispielsfall BGH „marions-kochbuch.de“. Besonders anschaulich werden die Folgen der Auslegung etwa in der urheberrechtlichen Entscheidung „marionskochbuch.de“ des I. Zivilsenates.290 Im entschiedenen Fall hatte der Kläger beantragt, den Beklagten zu verbieten, die unter seiner Internetadresse (auf der Kochrezepte angeboten wurden) abrufbaren und vom Kläger erstellten Fotografien und/oder Teile davon ohne Erlaubnis öffentlich, insbesondere auf der Website der Beklagten, zugänglich zu machen. In der Vergangenheit war es mehrfach dazu gekommen, dass Dritte vom Kläger angefertigte Fotografien ohne dessen Wissen und Zustimmung auf der Internetseite der Beklagten einstellten. Unstreitig war dies aber nur bei den vom Kläger stammenden Fo-

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774, 775 – Anzeigenrubrik II; BGH 8.2.1996, WRP 1996, 720 – Effektivzins; BGH 5.6.1997, GRUR 1998, 489, 492 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; BGH 7.5.1998, GRUR 1998, 1041 = WRP 1998, 1068 – Verkaufsveranstaltung in Aussiedlerwohnheim; BGH 7.6.2001 – I ZR 115/99, GRUR 2002, 177, 178 f. = WRP 2001, 1182, 1183 – Jubiläumsschnäppchen; BGH 31.10.2002 – I ZR 207/00, BGHZ 152, 268, 274 = GRUR 2003, 242 – Dresdner Christstollen; BGH 2.10.2003 – I ZR 117/01, GRUR 2004, 247 – Krankenkassenzulassung; BGH 17.3.2011 – I ZR 170/08, GRUR 2011, 1050 f. Tz. 17 – Ford-Vertragspartner; auch in der Literatur allgemein anerkannt, s. nur Teplitzky Kap. 51 Rn. 10 m.w.N. in Fn. 100; Harte/Henning/Brüning Vorb. z. § 12 Rn. 81. 282 BGH 17.7.2003 – I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639 = WRP 2003, 1458 f. 283 BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08, GRUR 2011, 152 = WRP 2011, 223 Tz. 23 ff. – Kinderhochstühle im Internet; BGH 26.4.2007 – I ZR 120/04, GRUR 2007, 991 – Weltreiterspiele. 284 BGH 16.5.1991, GRUR 1991, 929, 931 – Fachliche Empfehlung II. 285 BGH 21.3.2003 – V ZR 290/02, WM 2003, 1908, 1909; BGH 26.06.1991, NJW 1991 2630, 2632; BGH 30.1.1979 – VI ZR 45/78, VersR 1979, 373. 286 BGH 18.12.2008 – I ZR 63/06, GRUR 2009, 515 – Motorradreiniger; BGH 7.6.2001 – I ZR 21/99, GRUR 2001, 1036 – Kauf auf Probe; BGH 6.6.2000 – VI ZR 172/99, NJW 2000, 3287, 3289; BGH 14.5.1997, NJW-RR 1997, 1216, 1217; BGH 22.5.1995, NJW-RR 1995, 1183; BGH 26.6.1991, NJW 1991 2630, 2632; Fezer/Büscher § 12 Rn. 289; Teplitzky Kap. 51 Rn. 10 zu Fn. 102 und 103. 287 BGH 17.3.2011 – I ZR 170/08 GRUR 2011, 1050 f. Tz. 17 – Ford-Vertragspartner. 288 BGH 7.6.2001 – I ZR 21/99, GRUR 2001, 1036 – Kauf auf Probe; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98, GRUR 2000, 907, 910 – Filialleiterfehler; BGH 16.12.1997, NJW 1998, 1496, 1497; BGH 24.1.1952, BGHZ 4, 328, 334; weitere Nachweise bei Teplitzky Kap. 51 Rn. 10 in Fn. 105, 106 und 109. 289 Harte/Henning/Brüning Vorb. z. § 12 Rn. 81; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 150; allg. Meinung im Zivilprozessrecht, s. MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 253 Rn. 91; Musielak/Musielak § 308 Rn. 3; Saenger/Saenger § 308 Rn. 2. 290 BGH 12.11.2009 – I ZR 166/07, GRUR 2010, 616 – marions-kochbuch.de.

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

tografien „Schinkenkrustenbraten“, „Amerikaner“ und „Sigara Börek mit Hack“ der Fall. Der Antrag war nicht auf diese beschränkt, sondern hätte auch alle künftigen Fotografien erfasst. Gleichwohl hat der BGH in den Gründen seines Urteils schlicht ausgeführt, dass der Unterlassungsantrag nicht zu unbestimmt sei. Der Antrag selbst enthalte zwar keine Beschreibung der Verletzungsform, die für Rechtskraft und Vollstreckbarkeit ausreiche. Der BGH könne jedoch den Antrag im Lichte des Klägervortrags auslegen.291 Daraus ergebe sich, dass sich das Unterlassungsbegehren auf die drei genannten Fotografien beziehe; der Antrag sei also auf das Verbot einer „konkreten Verletzung“ gerichtet. Diese Aussage, dass der Unterlassungsantrag/tenor per se nicht für die Zwecke der 85 Rechtskraft und Vollstreckung bestimmt genug sei, zeigt bereits, dass es hier nicht um eine unabänderliche, klar definierte Kategorie geht. Klar ist auch, dass die Instanzgerichte hier auf eine konkrete Antragstellung hätten hinwirken können und sollen, dass aber der BGH die Zurückverweisung als nicht prozessökonomisch angesehen hat. Ein klarer Antrag und Tenor hätten den nachfolgenden Streit über die Reichweite des Verbots292 wohl eher vermieden, nicht aber ausgeschlossen.293 (3) Grenzen der Auslegung. Wollte man den Grundsatz der Auslegung des Antra- 86 ges allerdings konsequent anwenden, würden die Bestimmtheitsanforderungen, die gerade auslegungsbedürftige Begriffe in der Antragsformel reduzieren sollen, weitestgehend eliminiert.294 Das gilt unabhängig davon, ob der Antrag etwa lediglich das Gesetz wiederholt oder in anderer Form abstrakt ist, weil die Gründe hier konkreter subsumiert werden und damit im Wege der Auslegung der bestimmte Umfang des Verbots und damit die Entscheidung über die Verbotsnorm im Erkenntnisverfahren gesichert wäre. Letztlich begehrt regelmäßig kein Kläger, selbst bei Wiederholung des Gesetzeswortlautes im Antrag, lediglich einen Rechtsfolgenschluss, bei dem gleichsam die gesetzliche Verbotsnorm in ihrem vollen Umfang mit einer gerichtlichen Strafbewehrung versehen würde. Es geht nach der Begründung immer um ein konkretes Verbot, bei dem die Frage zu stellen ist, wie deutlich seine Merkmale im Antrag zu identifizieren sind. Auf dieser Linie hatte etwa das Reichsgericht in der Entscheidung „Bärstangensi- 87 cherung“295 vertreten, dass auch Formulierungen wie das Verbot von Behauptungen „ähnlichen Inhalts“, die ansonsten grundsätzlich nicht bestimmt sind, zulässig sein können, wenn man den Inhalt des Antrages sinngemäß auslegen und auf einen konkreten Inhalt beschränken könne, auch wenn der Antrag „seinem Wortlaut nach vielleicht nicht ausreichend bestimmt war“.296 Das wäre mit den heutigen Bestimmtheitsanforderungen der Rechtsprechung des BGH nicht vereinbar.297 In diesem Sinne wird

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291 BGH 12.11.2009 – marions-kochbuch.de, a.a.O. Tz. 16. 292 Im Folgenden hat das (natürlich) zum Streit über den Gegenstand der Verbotsnorm geführt, weil der Kläger/Gläubiger im Verfahren nach § 890 ZPO geltend machte, dass die gleichen Handlungen mit Blick auf andere als die drei genannten Fotografien als kerngleiche Verstöße gegen den Unterlassungstitel zu behandeln seien. Das hat der BGH allerdings zu Recht abgelehnt, vgl. BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 10 ff. – Reichweite des Unterlassungsgebots; hierzu die ablehnende Anmerkungen von Kleinemenke GRUR-Prax 2014, 238. Vgl. dazu auch Rn. 231 und 860. 293 Die (unzutreffenden) Argumente für die Kerngleichheit, wie sie von Kleinemenke GRUR-Prax 2014, 238 artikuliert wurden, wären wohl auch bei einem klar beschränkten Antrag/Tenor in derselben Weise gültig. 294 Dieses Phänomen klar benennend Teplitzky Kap. 51 Rn. 10. 295 RG 2.12.1932, GRUR 1933, 253 – Bärstangensicherung. 296 RG 2.12.1932 – Bärstangensicherung, a.a.O. S. 256 linke Spalte oben. 297 Der BGH hat sich hierzu in Unbestimmter Unterlassungsantrag I (BGH 11.10.1990 – I ZR 35/89, GRUR 1991, 254, 256) nicht ausdrücklich geäußert, sondern die Linie des Reichsgerichts nur zitiert.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

einer zu weit gehenden Auslegung einen Riegel vorgeschoben; die Verwendung genuin auslegungsbedürftiger Begriffe in Antrag und Tenor ist unzulässig, weil unbestimmt, auch wenn man diese mittels Rückgriff auf die Klagebegründung durchaus auslegen und konkret verstehen könnte.298 (4) Stellungnahme 88

(a) Blick auf die Bestimmtheit des Unterlassungstitels als Vollstreckungsvoraussetzung. Das nämliche Phänomen ist mit besonderer Deutlichkeit zu beobachten, wenn die Frage zu prüfen ist, inwiefern die Bestimmtheit des Unterlassungstenors Voraussetzung der Zwangsvollstreckung ist.299 Das wird weit überwiegend bejaht, aber es findet sich praktisch kein einziger Fall, in dem im Wettbewerbsrecht einem Unterlassungstitel die Vollstreckbarkeit mangels Bestimmtheit abgesprochen wurde, weil die Bestimmtheit mit Blick auf die Auslegung des Tenors im Lichte der Gründe praktisch immer bejaht wird. Ausnahmen werden etwa für einen unüberbrückbaren Widerspruch zwischen Tenor und Gründen der Entscheidung angenommen; hier soll das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben,300 wobei das allerdings nicht in den Kontext der Bestimmtheit des Antrages gestellt wird (Rn. 82, 827).301 Die Problematik dieses Zusammenhangs wird letztlich in der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum zu § 890 ZPO weitestgehend ignoriert. Das überrascht, weil es die originäre Zweckrichtung des Bestimmtheitserfordernisses im Erkenntnisverfahren sein soll, die Tragweite des begehrten Verbots gerade für dessen spätere Vollstreckung dem Beklagten hinreichend zu verdeutlichen. Dass gleichwohl aus diesen Titeln vollstreckt wird, belegt, dass das Bestimmtheitserfordernis, wie bereits gesagt, kein zwingendes Axiom ist. Sofern der Antrag und der spätere Tenor im Lichte der jeweiligen Begründung das begehrte Verbot klar erkennen lassen, ist der Streitgegenstand und damit auch die Kognitionskompetenz des Gerichts im Erkenntnisverfahren hinreichend deutlich und auch die Trennung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren gewährleistet.

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(b) Flexible Handhabung. Letztlich ist damit schon vorgegeben, dass es sich bei der Bestimmtheit des Antrages nicht um ein kategorisches Prinzip handeln, sondern es lediglich um eine graduelle Anforderung gehen kann, die dem Kläger abverlangt, die Essenz dessen zu formulieren, worauf es zur Rechtfertigung des Verbots nach seinem Rechtsschutzbegehren ankommen soll und diese Elemente im Antrag zu benennen.302 Die Extraktion dessen aus den Gründen (sowohl für den Antrag aus der Klagebegründung als auch für die Urteilsformel aus der Urteilsbegründung) kann zwar fast immer geleistet werden. Aber die Festlegung im Antrag im Erkenntnisverfahren (in der Tatsacheninstanz) schärft den Blick der Prozessbeteiligten für den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens und erleichtert den späteren Umgang mit einem solchen Titel.303 Deshalb können die Gerichte bei diesen Formulierungsvorgängen großzügiger sein und haben sie diese mit Hinweisen zu unterstützen. Um eine Auslegung des Verbots im Lichte der Begründung wird man praktisch nie herum kommen. Sie ist insofern auch kein Notbe-

_____ 298 299 300 301 302 303

Dazu ausführlich unten Rn. 164 ff. Dazu ausführlich unten Rn. 824 ff. BGH 17.3.2011 – I ZR 170/08, GRUR 2011, 1050 f. Tz. 17 – Ford-Vertragspartner. BGH 17.3.2011 – Ford-Vertragspartner a.a.O. Tz. 10 f. So zu Recht Meier-Beck GRUR 2007, 11, 17 sub 4. Meier-Beck GRUR 1998, 276, 278.

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

helf.304 Es gibt letztlich keinen Grundsatz, wonach ein begehrtes Verbot allein aus der Antragsformel (und korrespondierend aus der späteren Urteilsformel) heraus bestimmt sein müsste.305 Die Kristallisierung der Verbotsnorm mit ihren konstitutiven Merkmalen kann hier aber zu mehr Klarheit verhelfen.306 In diesem Sinne kommt es in der Praxis auch letztlich nicht vor, dass eine Unterlassungsklage mangels Bestimmtheit abgewiesen wird.307 (c) Vergleich der prozessualen Praxis im Wettbewerbsrecht und Patentrecht 90 (hierzu auch Rn. 138 und 336). Im Patentverletzungsprozess werden die Unterlassungsanträge (bei wortsinngemäßer Verwirklichung) in der Praxis weit überwiegend nach dem Wortlaut des Patentanspruchs – insofern also funktional gesetzeswiederholend – formuliert, was zulässig ist.308 Das wird auch von der neueren Rechtsprechung des BGH (X. Zivilsenat), die eine Konkretisierung auf die angegriffene Ausführungsform für richtig hält, nicht als unbestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angesehen.309 Gleichwohl ist damit natürlich nicht der Patentanspruch in seinem nach § 14 PatG und Art. 69 EPÜ zu bestimmenden Schutzbereich tenoriert.310 Vielmehr wird auf die Gründe des Urteils im Erkenntnisverfahren gesehen und geprüft, welche technischen Merkmale der angegriffenen Ausführungsform aus Sicht des erkennenden Gerichts die jeweiligen Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht haben, also für den Subsumtionsschluss tragend waren. Die Gründe des Urteils führen insofern zu einer abweichenden Bestimmung des „Schutzbereichs“ des Tenors gegenüber dem der Norm, auf deren Verletzung die tenorierte Verbotsnorm basiert (dem Patentanspruch in seiner Auslegung nach § 14 PatG), obwohl beide Normen (tenorierte Verbotsnorm und Patentanspruch) regelmäßig wortgleich sind. Der Streitgegenstand der Patentverletzungsklage ist also die üblicherweise als angegriffene Ausführungsform bezeichnete, tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs.311 Nur wenn Abwandlungen in anderweitigen Merkmalen oder dergestalt erfolgen, dass man auch diese Abwandlung als durch das Gericht im Erkenntnisverfahren mitgeprüft ansehen kann, wird die Abwandlung als in den Schutzbereich der Urteilsnorm, also des Unterlassungstenors, fallend erachtet.312 Das entspricht der Linie des I. Zivilsenates, wonach kerngleiche Abwandlungen als „Prüfungsgegenstand des Erkennt-

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304 So aber Meier-Beck GRUR 1998, 277, 278, der den Rückgriff auf die Gründe als „Notlösung“ beschreibt. Das überzeugt nicht und entspricht auch nicht der ständigen Rechtsprechung für die Ermittlung der sachlichen Grenzen der Rechtskraft, vgl. etwa BGH 21.2.2012 – X ZR 111/09, GRUR 2012, 485 Tz. 11, 23 – Rohrreinigungsdüse II. 305 So aber Haedicke/Timmann/Zigann § 11 Rn. 108 f. 306 Zum Ganzen Grosch FS Schilling (2007) 207, 228 ff. 307 So auch Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 88 Rn. 3, der darauf hinweist, dass ihm aus seiner Zeit als Richter in der Instanz (zuletzt Vorsitzender des Wettbewerbssenats des OLG Köln) kein Fall bekannt wäre, in dem es den Parteien im Zusammenwirken mit dem Gericht nicht gelungen wäre, einen „sachgerechten und bestimmten Antrag“ zustande zu bringen. 308 Grundlegend BGH 29.4.1986, BGHZ 98, 12, 23 = GRUR 1986, 803, 805 – Formstein; so bereits RG 6.10.1934, GRUR 1935, 36, 39; RG 2.2.1935, GRUR 1935, 364; für die Literatur und gegenwärtige Düsseldorfer Praxis Schulte/Voß/Kühnen § 139 Rn. 265. 309 Vgl. BGH 30.3.2005 – X ZR 126/01, GRUR 2005, 569, 570 – Blasfolienherstellung; ebenso die h.L. vgl. etwa Haedicke/Timmann/Zigann § 11 Rn. 113. 310 BGH 21.2.2012 – X ZR 111/09, GRUR 2012, 485 Tz. 23 – Rohrreinigungsdüse II. 311 BGH 21.2.2012 – Rohrreinigungsdüse II, a.a.O. Tz. 19. 312 Vgl. Kühnen Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl. (2013), Rn. 2094; Grosch FS Schilling (2007) 207, 226 f. m.w.N.

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nisverfahrens“ angesehen werden müssen, um als in den Schutzbereich des Unterlassungstitels fallend angesehen werden zu können.313 Wechselseitig zitiert wird zwischen dem I. und X. Zivilsenat praktisch nicht. Allerdings 91 sind in beiden „Systemen“ auch die entgegengesetzten Tendenzen auszumachen. So hat der X. Zivilsenat314 – mit wenig Erfolg (die Instanzgerichte folgen dem in den meisten Fällen nicht)315 – versucht, zumindest bei streitigen Merkmalen eine Konkretisierung auf die angegriffenen Ausführungsform zu erreichen (allerdings, wie bereits gesagt, ohne Rückgriff auf den Bestimmtheitsgrundsatz).316 Demgegenüber lässt der I. Zivilsenat in tendenziell mehr Fällen eine Formulierung nach dem Gesetzeswortlaut als Ausnahme zu.317 Letztlich geht es der wettbewerbsrechtlichen Judikatur zur Bestimmtheit des Klage92 antrages bei abstrahierenden Anträgen darum, ein praktisch handhabbares Format zu etablieren, bei dem primär vermieden werden soll, dass der Antrag und der Tenor in nicht eindeutiger Weise über die Gründe des Urteils hinausgehen. Es geht also nicht darum, dass die Verbotsnorm in all ihren konstitutiven Merkmalen auch vollständig bestimmt tenoriert wird, sondern darum, zu vermeiden, dass die Verbotsnorm Formulierungen enthält, die in unbestimmter Weise über den Subsumtionsschluss der Urteilsgründe hinausgehen. Es kann also sein, dass die Verbotsnorm aus den Gründen des Urteils einen weiteren Schutzbereich erhält, als es nach dem Antrag/Tenor per se erscheinen könnte, aber es soll vermieden werden, dass der Tenor einen Schutzbereich erhält, der nicht mehr durch die Wertungen der Gründe getragen wird. Der Tenor soll also kein Einfallstor für Wertungen liefern, die nicht Gegenstand des Erkenntnisverfahrens waren. Sofern der Wertungsmaßstab, anhand dessen zu bestimmen ist, was das Erkenntnisgericht abgeurteilt hat, sich folglich aus dem Urteil erschließt, so dass die Einordnung auf dessen Erkenntnis zurückgeführt werden kann, bleibt die Aufgabenteilung zwischen Erkenntnisund Vollstreckungsgericht gewahrt.318 Muss das Vollstreckungsgericht hingegen für die Bewertung einer Handlung (die im Erkenntnisverfahren definitionsgemäß als historische Handlung nicht bekannt sein konnte, weil sie nach Verkündung vorgenommen worden sein muss) Maßstäbe zugrunde legen, die sich nicht aus dem Urteil oder dem klaren Vor-

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313 BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 11 – Reichweite des Unterlassungsgebots. 314 BGH 21.2.2012 – X ZR 111/09, GRUR 2012, 485 – Rohrreinigungsdüse II; BGH 11.10.2005 – X ZR 76/04, BGHZ 164, 261 = GRUR 2006, 131 – Seitenspiegel; BGH 30.3.2005 – X ZR 126/01, BGHZ 162, 365, 368 ff. = GRUR 2005, 569 – Blasfolienherstellung. 315 Dazu die Kritik von Kühnen (Vorsitzender einer der beiden der für Patentstreitsachen zuständigen Zivilsenate des OLG Düsseldorf) GRUR 2006, 180 f.; ablehnend ebenfalls Schulte/Voß/Kühnen (Vorsitzender einer der drei Patentstreitkammern des LG Düsseldorf) § 139 Rn. 265; der Linie des BGH grundsätzlich zustimmend hingegen Haedicke/Timmann/Zigann (Vorsitzender einer der beiden Patentstreitkammern des LG München) § 11 Rn. 115 ff.; das OLG Karlsruhe (6. Zivilsenat, der für Patentstreitsachen zuständig ist) gibt regelmäßig vor der mündlichen Verhandlung Hinweise, wenn eine Konkretisierung des Antragswortlauts erforderlich erscheint; nach der Praxis der Patentstreitkammern des Landgerichts Mannheim ist eine Konkretisierung regelmäßig nicht erforderlich. 316 Erwähnt wird, dass die Konkretisierung dergestalt sein müsse, dass der entsprechende Tenor Grundlage der Zwangsvollstreckung sein könnte (vgl. BGH 30.3.2005 – X ZR 126/01, BGHZ 162, 365, 368 ff. = GRUR 2005, 569, 572 – Blasfolienherstellung); dass ein nicht auf die Merkmale der angegriffenen Ausführungsform konkretisierter Tenor nicht vollstreckbar wäre, ist damit aber wohl nicht gesagt und wäre auch schwer vertretbar. Dann müsste nämlich jedenfalls ein entsprechender Antrag unbestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sein. 317 BGH 5.10.2010 – I ZR 46/09, GRUR 2011, 433 Tz. 10, 16 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung; BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749, 751 Tz. 21 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH 2.7.1998, GRUR 1999, 272 – Die Luxusklasse zum Nulltarif; BGH 29.6.1995, GRUR 1995, 832, 833 f. – Verbraucherservice. 318 So OLG Jena 30.9.2009 – 2 U 188/09, GRUR-RR 2010, 113, 116 – Anzeigen-Treuerabatt; OLG München 27.4.2010 – 29 W 1209/10, GRUR-RR 2011, 32, 33 – Jackpot-Werbung II; Teplitzky Kap. 57 Rn. 12 Fn. 39; Ahrens/Jestaedt Kap. 35 Rn. 17; Fezer/Büscher § 12 Rn. 365; Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 a.F. E Rn. 23.

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III. Unterlassungsklage

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verständnis des Erkenntnisgerichts ergeben, so ist diese Aufteilung nicht mehr gegeben. Die Praxis ist für abstrahierende Anträge im Grundsatz zu billigen, da der Kläger und das Gericht dadurch angehalten werden, die Umstände konkret zu benennen, die für den Subsumtionsschluss tragend sein sollen, und diese nicht lediglich durch offene Begriffe zu paraphrasieren. Die Rechtsprechung steigert insofern den Erkenntniswert, der für den Beklagten mit der Lektüre des Antrages/Tenors mit Blick auf das eigentliche Rechtsschutzbegehren bzw. das tenorierte Verbot verbunden ist. b) Die Unterscheidung zwischen Bestimmtheitsgrundsatz und materiellem Konkretisierungsgebot aa) Die Rechtsentwicklung (1) Die Rechtsprechung des Reichsgerichts. Das Reichsgericht hatte bereits in 93 seiner frühen Rechtsprechung, mit der es die Unterlassungsklage als allgemeinen Rechtsbehelf über den negatorischen Rechtsschutz hinaus entwickelt hat, festgestellt, dass der Umfang der Verurteilung nicht auf mit der benannten Verletzungshandlung lediglich „ähnliche“ Handlungen erstreckt werden kann, „deren rechtliche Erlaubtheit in dem Rechtsstreite keiner Prüfung unterstanden hat“.319 Im entschiedenen Fall ging es um eine äußerungsrechtliche Streitigkeit, mit der der Kläger auf Grund einer konkreten üblen Nachrede auch Unterlassung „aller üblen Nachreden und Verleumdungen hinsichtlich der Geschäftsführung des Klägers in der genannten GmbH, insbesondere durch Verbreitung der gedruckten Strafanzeige vom 12.1.1911“320 verlangte. Das hielt das Reichsgericht für nicht zulässig. Ebenso wie die heutige Rechtsprechung321 ging es davon aus, dass der „insbesondere“-Teil keine konstitutive Beschränkung, sondern lediglich eine Exemplifizierung darstellt. Der Bestimmtheitsgrundsatz wurde zwar in der Entscheidung nicht namentlich erwähnt, seine Notwendigkeit war aber auch schon damals anerkannt und ergibt sich etwa aus der Zuordnung des § 253 ZPO zu der genannten Entscheidung in der amtlichen Sammlung des Reichsgerichts. Schon in dieser frühen Entscheidung war klar artikuliert worden, was der innere Grund für die beschränkende Wirkung des Bestimmtheitsgrundsatzes ist: Tenoriert und verboten werden können nur solche Handlungen, deren Rechtswidrigkeit im Erkenntnisverfahren bereits geprüft wurde, so dass das Vollstreckungsgericht keine eigene neue Prüfung, also eine solche nach materiellem Recht, vornehmen darf. In ähnlicher Weise hat das Reichsgericht in seiner späteren Rechtsprechung unter 94 Berufung auf den Bestimmtheitsgrundsatz aus § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Klageanträge, die Behauptungen „ähnlichen Inhalts“ erfassen, grundsätzlich für nicht bestimmt erachtet.322 In der Entscheidung „Bärstangensicherung“ machte das Reichsgericht allerdings die Einschränkung, dass das nicht gelte, wenn man den Inhalt des Antrags sinngemäß auslegen und auf einen konkreten Inhalt beschränken könne, auch wenn der Antrag „seinem Wortlaut nach vielleicht nicht ausreichend bestimmt war“. Eine solche Auslegung war nach dem Reichsgericht auch mit § 308 ZPO vereinbar.323

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319 RG 15.3.1913, RGZ 82, 59, 65. 320 RG 15.3.1913, RGZ 82, 59, 60. 321 BGH 22.4.2009 – I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 Tz. 10, 11 – Internet-Videorecorder; BGH 4.10.2007 – I ZR 22/05, GRUR 2008, 532 Tz. 16 – Umsatzsteuerhinweis; BGH 4.10.2007 – I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Tz. 12 – Versandkosten; BGH 31.10.2002 – I ZR 207/00, BGHZ 152, 268, 274 = GRUR 2003, 242 – Dresdner Christstollen. 322 RG 2.12.1932, GRUR 1933, 253, 255 f. – Bärstangensicherung. 323 RG 2.12.1932, GRUR 1933, 253, 256 li. Sp. oben – Bärstangensicherung.

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In grundsätzlicher Weise äußerte sich das Reichsgericht in einem urheberrechtlichen Fall, in dem der Kläger die Unterlassung der konzertmäßigen Aufführung von solchen Musikstücken begehrte, an denen dem Kläger die „Vergebung von Aufführungsrechten“ zustehe.324 Das hielt das Reichsgericht für unbestimmt. Gegenstand eines Unterlassungsanspruchs und Inhalt des „Urteilsgebots“ könnten in der Regel nur Zuwiderhandlungen sein, die auch tatsächlich stattgefunden hätten. Der „Anspruch“ müsse so genau gekennzeichnet werden, dass „jede Ungewissheit“ vermieden werde; entsprechend sei auch der Antrag „bestimmt zu begrenzen“. Der Antrag sei auf die Unterlassung „ganz bestimmter Handlungen zu richten“; das entsprechende Urteil müsse ausdrücklich sagen, welche Handlungen unterlassen werden sollen. Dieses Erfordernis ergebe sich daraus, dass der Beklagte sich erschöpfend müsse verteidigen können und dass die Unterscheidung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren gewahrt werden müsse. Diese Begründungstopoi finden sich auch in der heutigen Rechtsprechung. Die Begründung dieser Entscheidung zeigt ferner, dass der Grundsatz, der Unterlassungsantrag und der Unterlassungsanspruch könnten sich nur gegen Handlungen richten, die tatsächlich stattgefunden haben, in der reichsgerichtlichen Judikatur sowohl für die materielle als auch für die prozessuale Kategorie herangezogen wurde, dass also zwischen dem prozessualen Bestimmtheitsgrundsatz und einem materiell-rechtlichen Konkretisierungsgebot (Wiederholungsgefahr) nicht unterschieden wurde.

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(2) Die frühe Rechtsprechung des BGH. Auch in der frühen Rechtsprechung des BGH wurde nicht zwischen Bestimmtheitsgebot und materiell-rechtlichem Konkretisierungsgebot unterschieden. Beispielhaft hierfür sind die nachfolgend dargestellten Entscheidungen „Rohrbogen“,325„Spitzenmuster“,326 „Gründerbildnis“327 und „Mampe halb und halb“.328

(a) BGH „Rohrbogen“. In der Entscheidung „Rohrbogen“329 ging es um den typischen Fall, in dem der Kläger den Bestandteil einer Firmierung oder Geschäftsbezeichnung per se verbieten lassen wollte, obwohl dieser Bestandteil tatsächlich in der konkreten Verletzungshandlung lediglich als Teil einer mehrgliedrigen Geschäftsbezeichnung verwendet worden war. Ein solcher umfassender Ausschluss kann nach dem BGH auch erlaubte Verhaltensweisen erfassen, weil nämlich die Anweisung für das Vollstreckungsgericht klar ist und dieses keine eigenständige materielle Prüfung vornehmen darf.330 Ebenso wie in der gleich darzustellenden Entscheidung „Spitzenmuster“ formuliert der BGH in „Rohrbogen“, dass sich nach der vom BGH übernommenen Rechtsprechung des Reichsgerichts die Klage an die „angegriffene Ausführungsform anschließen“ müsse. Ferner sagt der BGH auch, dass der Beklagte sich nicht durch jede Änderung der angegriffenen Firmenbezeichnung der Rechtskraftwirkung des Verbots entziehen könne.331 Die Entscheidung „Rohrbogen“ betraf also einen Antrag, der heute unter das mate98 riell-rechtliche Konkretisierungsgebot gefasst würde und materiell-rechtlich als zu weit97

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324 RG 16.2.1929, RGZ 123, 307, 309 f. 325 BGH 20.10.1953, GRUR 1954, 70 – Rohrbogen. 326 BGH 22.11.1957, GRUR 1958, 346 – Spitzenmuster. 327 BGH 22.12.1961, BGHZ 36, 252 = GRUR 1962, 310 – Gründerbildnis. 328 BGH 16.10.1962, GRUR 1963, 218 – Mampe halb und halb. 329 BGH 20.10.1953, GRUR 1954, 70 – Rohrbogen. 330 BGH 20.10.1953 – Rohrbogen, a.a.O. S. 72 vor III. 331 BGH 20.10.1953 – Rohrbogen, a.a.O. S. 72 vor III; ebenso BGH 26.1.1960, GRUR 1960, 296, 298 – Reiherstieg; BGH 18.6.1954, GRUR 1955, 95, 97 – Buchgemeinschaft; BGH 26.1.1954, GRUR 1954, 331, 333 – Alpah; BGH 22.2.1952, GRUR 1952, 577 – Fischermännchen-Zwilling-Illing.

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gehend angesehen wird, da er über das hinausgeht, was das Charakteristische der Verletzungshandlung ausmacht.332 (b) BGH „Spitzenmuster“. In der Entscheidung „Spitzenmuster“333 hatte das Beru- 99 fungsgericht in einer geschmacksmusterrechtlichen Streitigkeit der Beklagten verboten, die Klagemuster „nachzuahmen sowie Nachahmungen dieser Muster zu veräußern“. Das Abstellen auf den Begriff der Nachahmung wertete der BGH als „unbestimmt und allgemein gefasst“. Zwar sind nach dem BGH die Urteilsgründe zur Auslegung des Tenors heranzuziehen, so dass sich aus diesen noch ergeben hatte, dass weder lediglich unveränderte Nachbildungen erfasst werden sollten (das war die Position der Klägerin), noch ein generelles Nachahmungsverbot unabhängig vom Ausmaß der jeweiligen Veränderung verhängt werden sollte (wie die Beklagte im entschiedenen Fall meinte).334 Allerdings war mangels Konkretisierung des Maßstabes für die Bestimmung der Nachahmung der Tenor nicht eindeutig genug und „deshalb einer Vollstreckung nicht fähig“. Der Unterlassungsantrag muss sich stets gegen die „konkrete Verletzungsform“ richten. Es ließ sich aber im konkreten Fall bei der Vielfalt der möglichen Abwandlungen nicht von vornherein abstrakt feststellen, was noch dem Wirkungsbereich des Urteils zugerechnet werden konnte. Diese Beurteilung dürfe man nicht schlichthin der Vollstreckungsinstanz überlassen.335 Der BGH hat jedoch zugleich festgestellt, dass damit keine Beschränkung des Urteilstenors auf mit der angegriffenen Verletzungshandlung identische Handlungen erfolge. Die Rechtskraft erstrecke sich nach der etablierten Rechtsprechung des BGH vielmehr auch auf unbedeutende Abweichungen in der Formgestaltung, die ihrem Wesen nach den beanstandeten Verletzungsformen gleichen. Wann eine solche unbedeutende Abweichung vorliegt, sei durch Auslegung des Tenors zu ermitteln.336 Diese Argumentation findet sich bis heute noch genauso in der Rechtsprechung des 100 BGH wieder.337 Allerdings hat der BGH in den letzten Jahrzenten die Formulierung, dass ein Tenor mangels Konkretisierung nicht vollstreckungsfähig sei, nicht mehr gebraucht. (c) BGH „Gründerbildnis“. In der Entscheidung „Gründerbildnis“338 wies der BGH 101 einen Antrag als zu abstrakt gefasst zurück, ohne allerdings auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Bezug zu nehmen. Die Urteilsformel stimmte hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs nicht mit dem Inhalt der Urteilsgründe überein.339 In dem vom BGH entschiedenen Fall über irreführende Werbung war beantragt und vom Berufungsgericht tenoriert worden, es zu unterlassen, bei der Verwendung für Sekt die Altersangabe „seit 1811“ zu verwenden oder „sonst nach Wort oder Sinn […] den Eindruck zu erwecken“ als ob die Sektherstellung seit 1811 oder noch früher betrieben worden sei. Nach dem BGH ist eine solche Formulierung geeignet, Zweifel an der Tragweite des Verbots hervorzurufen. Erfasst

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332 Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 131 ff.; Ahrens/Jestaedt Kap. 22 Rn. 32 ff.; Teplitzky Kap. 51 Rn. 13 ff. 333 BGH 22.11.1957, GRUR 1958, 346 – Spitzenmuster. 334 BGH 22.11.1957 – Spitzenmuster, a.a.O. S. 350. 335 BGH 22.11.1957 – Spitzenmuster, a.a.O. S. 350. 336 BGH 22.11.1957 – Spitzenmuster, a.a.O. S. 350; ebenso BGH 26.1.1954, GRUR 1954, 331, 333 – Alpah; BGH 20.10.1953, GRUR 1954, 70, 72 vor III – Rohrbogen; BGH 22.2.1952, GRUR 1952, 577 – Fischermännchen-Zwilling-Illing. 337 BGH 19.5.2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855 Tz. 17 – Folienrollos; BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 21, 27 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH 18.6.2009 – I ZR 47/07, GRUR 2010, 156, Tz. 25 – EIFEL-ZEITUNG; BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 10 – Telefonwerbung für „Individualverträge“; BGH 2.6.2005 – I ZR 252/02, GRUR 2006, 164 Tz. 14 – Aktivierungskosten II. 338 BGH 22.12.1961, BGHZ 36, 252 = GRUR 1962, 310 – Gründerbildnis. 339 BGH 22.12.1961 – Gründerbildnis, a.a.O. S. 313.

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wurden von der Formulierung auch Werbeangaben, „die nicht Gegenstand der Beurteilung im vorliegenden Rechtsstreit sein konnten“.340 Einer solchen Verallgemeinerung hätte es im konkreten Fall auch nicht bedurft, um den Umfang der Rechtskraft eines auf die konkrete Verletzungsform abstellenden Verbots, also die Erstreckung auf kerngleiche Abwandlungen, klarzustellen. In Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung341 hat es der BGH damit für unzulässig erklärt, die daraus resultierende notwendige rechtliche Beurteilung etwaiger künftig benutzter Werbeangaben der Vollstreckungsinstanz zu überlassen.342 102

(d) BGH „Mampe Halb und Halb II“. Ein weiterer Etappenstein in der Entwicklung der Rechtsprechung war die anschließende Entscheidung „Mampe Halb und Halb II“.343 Dort wurde ein Unterlassungsantrag, der sich in einer äußerungsrechtlichen Streitigkeit auf eine Vielzahl von möglichen Begleitumständen bezog, aufgrund mangelnder Bestimmtheit als unzulässig abgewiesen. Unter Verweis auf die oben dargestellte Rechtsprechung des Reichsgerichts344 stellte der BGH in dieser Entscheidung klar, dass der Klageantrag so umgrenzt sein müsse, dass sich der Beklagte erschöpfend verteidigen könne. Auch die Rechtskraftwirkung des Urteils und das Zwangsvollstreckungsverfahren erforderten ein genaues tatsächliches Vorbringen darüber, welches Verhalten verboten sein solle.345 Der BGH hat hier zu Recht festgestellt, dass es darauf ankomme, ob die in Betracht kommenden „Fallgruppen“ so vielfältig seien, dass die Beurteilung, ob die Gesamtumstände eines künftigen Einzelfalls ein Verbot rechtfertigen, einem weiteren Erkenntnisverfahren überlassen werden muss, oder ob sich bereits jetzt bestimmte Fallgruppen so klar herausschälen lassen, dass dem Gericht eine abschließende Beurteilung über sie möglich ist.346 Wenn Letzteres der Fall sei, so bestehe ein Anspruch auf eine Sachentscheidung. Damit wurden aber bereits Aspekte angesprochen, die die heutige Dogmatik sachlich dem materiellen Konkretisierungsgebot zuordnet. Der BGH hat dabei zu Recht als eigentliche Kernfrage formuliert, ob sich solche übergeordneten charakteristischen Elemente benennen lassen, die es rechtfertigen, über die konkrete Handlung hinaus eine bestimmte Gruppe von Fällen allein auf Grund der Übereinstimmung in charakteristischen Punkten, die das Rechtswidrigkeitsurteil tragen, zu verbieten.

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(3) BGH Rechtsprechung der 1970er Jahre. Der BGH hat in seiner Rechtsprechung relativ lange die heute eindeutig dem Bereich des materiellen Konkretisierungsgebotes und der vollstreckungsrechtlichen Kernbereichslehre zuzurechnende Kategorie „das Charakteristische des festgestellten konkreten Verletzungstatbestandes“347 im Zusammenhang mit dem prozessualen Bestimmtheitsgrundsatz abgehandelt. So heißt es in der Entscheidung „Hausverbot II“, dass das Unterlassungsgebot grundsätzlich auf die

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340 BGH 22.12.1961 – Gründerbildnis, a.a.O. S. 313. 341 BGH 22.11.1957, GRUR 1958 346, 350 – Spitzenmuster; BGH 12.7.1957, GRUR 1957, 606, 608 – Heilmittelvertrieb. 342 BGH 22.12.1961, BGHZ 36, 252 = GRUR 1962, 310, 313 – Gründerbildnis. 343 BGH 16.10.1962, GRUR 1963, 218 – Mampe Halb und Halb II. 344 RG 16.2.1929, RGZ 123, 307, 309. 345 BGH 16.10.1962 – Mampe halb und halb, a.a.O. S. 220. 346 Vgl. ebenso OLG München 27.4.2010 – 29 W 1209/10, GRUR-RR 2011, 32, 33 – Jackpot-Werbung II; OLG Jena 30.9.2009 – 2 U 188/09, GRUR-RR 2010, 113, 116 – Anzeigen-Treuerabatt; OLG Nürnberg 1.10.2003 – 3 W 2509/03, GRUR-RR 2004, 61, 62 – Fett-weg-Pille; OLG Düsseldorf 4.7.2000 – 20 U 140/99, WRP 2000, 1420; OLG Köln 21.9.1988, WRP 1989, 334, 335 m. Anm. Teplitzky; Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 a.F. E Rn. 23; Teplitzky Kap. 57 Rn. 12 Fn. 39; Ahrens/Jestaedt Kap. 35 Rn. 17; Fezer/Büscher § 12 Rn. 365. 347 BGH 13.7.1979, GRUR 1979, 859, 860 m. Anm. Ohlgart – Hausverbot II.

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konkrete Verletzungsform abzustellen habe und bestimmt zu fassen sei. Dabei könnten aber gewisse Verallgemeinerungen hingenommen werden, wenn das Charakteristische des festgestellten Verletzungstatbestandes zum Ausdruck komme.348 Letzteres wäre nach heutiger Auffassung der innere Grund für die Abstrahierung des Antrags von der konkreten Verletzungshandlung, aber nicht die sachliche Grenze des Bestimmtheitsgrundsatzes. (4) Genese der neueren BGH-Rechtsprechung (a) BGH „adidas-Sportartikel“. In klarer Weise hat der BGH dann in der Entschei- 104 dung „adidas-Sportartikel“ die Unterscheidung zwischen prozessualer Bestimmtheit und materiell-rechtlichem Konkretisierungsgebot ausgesprochen.349 Dort war in einem der Lockvogelfälle mit bestimmten adidas-Sportartikeln geworben worden, die dann nicht in ausreichendem Maße vorrätig waren. Den auf das Verbot der Werbung mit Sportartikeln gerichteten Antrag hielt der BGH zwar für hinreichend bestimmt; was unter Sportartikeln zu verstehen ist, war auch zwischen den Parteien nicht streitig. Allerdings hielt der BGH die Klage für nicht begründet, weil diese Generalisierung über das Charakteristische der Verletzungshandlung hinausginge. Charakteristisch für die Handlung war nämlich aus Sicht des BGH die Werbung mit Artikeln einer zugkräftigen Marke (adidas), wodurch der Verkehr angelockt wurde. Diese Anlockwirkung sei aber nicht jedem Sportartikel per se zu eigen.350 (b) BGH „Auslaufmodelle“ und „Vorratslücken“. Die vorstehende Differenzierung 105 lässt sich anhand einer Vielzahl von weiteren Beispielsfällen exemplifizieren. Paradigmatisch sind hier die Fälle, in denen von konkreten Produkten auf übergeordnete Produktgattungen abstrahiert wird. Zu nennen sind hier etwa die Entscheidungen „Auslaufmodelle I“351 oder „Vorratslücken“.352 Im Fall „Auslaufmodelle I“ wurde bei einer Werbung für Videorecorder und Auto- 106 radios nicht darauf hingewiesen, dass es sich um Modelle handelt, für die bereits Nachfolgemodelle im Handel waren. Der Antrag war auf Geräte der Unterhaltungselektronik bezogen. Der BGH stellte (zu Recht) fest, dass sich die Frage der rechtlichen Verpflichtung zum Hinweis auf die Eigenschaft als Auslaufmodell nicht für alle Geräte der Unterhaltungselektronik gleich beantworten lässt. So mag die Frage bei einfachen Radiogeräten und Kassettenrecordern (worüber das Gericht im Streitfall aber nicht zu entscheiden hatte) ganz anders zu stellen und zu beantworten sein, als bei hochwertigen Geräten.353 Der Anspruch und damit der Tenor waren damit auf die konkreten Gerätearten (Videorecorder und Autoradio) beschränkt. Im Fall „Vorratslücken“ hatte der Kläger beantragt, der Beklagten zu verbieten, Wa- 107 ren eines EDV-Sortiments zu bewerben, die am Tag des Erscheinens der Werbung nicht vollständig vorrätig sind. Angeführt wurden dafür eine ganze Reihe an Beispielsfällen. Der BGH wies die Klage als nicht begründet ab, weil nicht dargetan war, dass eine Verbrauchervorstellung über den Warenvorrat am Erscheinungstag der Werbung unter-

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348 BGH 13.7.1979 – Hausverbot II, a.a.O.; ebenso BGH 24.10.1975, GRUR 1976, 197 – Herstellung und Vertrieb. 349 BGH 15.3.1984, GRUR 1984, 593, 594 m. Anm. Harte-Bavendamm – adidas-Sportartikel. 350 BGH 15.3.1984 – adidas-Sportartikel, a.a.O. S. 594 Ziff. 3. 351 BGH 3.12.1998, GRUR 1999, 757 – Auslaufmodelle I. 352 BGH 10.12.1998, GRUR 1999, 509 – Vorratslücken. 353 BGH 3.12.1998 – Auslaufmodelle I, a.a.O. S. 759.

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schiedslos für alle Waren eines EDV-Sortiments und für jede Art der Werbung bestehe. Der Verbraucher erwarte bei hochwertigen oder individuell zu konfigurierenden EDV Produkten nicht, dass diese auch in allen Filialen vorrätig seien. Ferner sei eine Beschränkung auf die konkreten Handlungen als Minus nicht möglich, weil der Kläger auf der verallgemeinernden Fassung bestanden habe und ferner im Laufe des Verfahrens ständig weitere Handlungen angeführt wurden, die man nur als beispielhaft für das allgemeine Verbotsbegehren verstehen konnte. Hier wäre es Sache des Klägers gewesen, das Minus entsprechend zu konkretisieren.354 108

(c) Ist für das Charakteristische immer nur die rechtliche Beurteilung relevant? Wenn man das Charakteristische der Verletzungshandlung danach bestimmt, was für die Subsumtion erheblich ist, also nach dem für das Erkenntnisgericht rechtlich Relevanten, erkennt man im Fall „adidas-Sportartikel“ die Grenzen dieses Maßstabes: Ob Sportartikel von adidas besonders zugkräftig sind oder nicht war für die Subsumtion des Gerichts streng genommen ohne Bedeutung. Lockvogelwerbung, also Werbung mit Produkten, die nicht in ausreichendem Maße oder über einen ausreichenden Zeitraum vorgehalten werden, kann unabhängig von der Frage vorliegen, ob die Lockvogelprodukte tatsächlich besonders zugkräftig sind oder nicht. Die Irreführung des Verkehrs in Bezug auf die Verfügbarkeit der beworbenen Produkte hängt schließlich nicht davon ab, ob der Artikel besonders zugkräftig ist. Der Fall „adidas-Sportartikel“355 unterscheidet sich insofern deutlich von den Grün109 den, die der BGH in den Entscheidungen „Auslaufmodelle III“356 oder „Vorratslücken“357 angeführt hat. In letzteren wurde unmittelbar darauf abgestellt, dass für abweichende Produkte abweichende rechtliche Schlussfolgerungen möglich wären; auf die Motivation des Klägers, eben diese Produkte anzugreifen, wurde gerade nicht Bezug genommen.358 Im Fall „adidas-Sportartikel“ wurde hingegen zu möglichen abweichenden rechtlichen Ergebnissen beim Anbieten von anderen Sportartikeln nichts gesagt. Es wurde nur festgestellt, dass die Zugkraft des Artikels für den Kläger der Grund gewesen sei, die Handlung anzugreifen.359 Das mag zwar der tatsächliche Grund gewesen sein; die rechtliche Relevanz dieses Umstandes wurde damit aber nicht thematisiert. 110 Noch deutlicher wird dieser Aspekt in der Entscheidung „Verbotsantrag bei Telefonwerbung“.360 Im entschiedenen Fall hatte die Beklagte unverlangte Telefonanrufe gegenüber Verbrauchern getätigt, um diese zur Teilnahme an einem Lotto-System zu bewegen. Die Klägerin hatte beantragt, es der Beklagten zu verbieten, „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbraucher ohne ihr vorheriges Einverständnis zu Werbezwecken anzurufen oder anrufen zu lassen.“361 Eine Beschränkung auf die konkrete Verletzungshandlung (Werbung für ein Lotto-System) hat der BGH für nicht erforderlich gehalten (zum Bestimmtheitserfordernis in diesem Fall unten Rn. 167). Nach der angewendeten gesetzlichen Norm, § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1, sei es unerheblich, wofür geworben werde, sofern der Werbeanruf ohne vorheriges Einverständnis des Verbrauchers erfolge. Bei dieser Begründung hat es der BGH aber nicht belassen. Er hat hinzugefügt, dass Werbeanrufe oft von Callcentern vorgenommen würden, bei denen der Gegenstand der

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BGH 10.12.1998 – Vorratslücken, a.a.O. S. 511 f. BGH 15.3.1984, GRUR 1984, 593, 594 m. Anm. Harte-Bavendamm – adidas-Sportartikel. BGH 6.10.1999 – I ZR 92/97, GRUR 2000, 616 – Auslaufmodelle III. BGH 10.12.1998, GRUR 1999, 509 – Vorratslücken. BGH 10.12.1998 – Vorratslücken, a.a.O. S. 511 f.; BGH 6.10.1999 – Auslaufmodelle III, a.a.O. S. 618. Vgl. BGH 15.3.1984, GRUR 1984, 593, 594 – adidas-Sportartikel. BGH 5.10.2010 – I ZR 46/09, GRUR 2011, 433 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung. BGH 5.10.2010 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung, a.a.O. S. 434, Hauptantrag.

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Werbung austauschbar sei. Anderes gelte dann, wenn ein beklagtes Unternehmen für Waren oder Dienstleistungen seines Geschäftsbetriebes werbe; in jenen Fällen sei die Wiederholungsgefahr auf den Gegenstand des Geschäftsbetriebes beschränkt. Für eine solche Beschränkung sei im entschiedenen Fall nichts ersichtlich gewesen, so dass der umfassenden Wiederholungsgefahr nichts im Wege stehe.362 (d) Stellungnahme. Gerade die Entscheidung „Verbotsantrag bei Telefonwerbung“ 111 verdeutlicht, dass es sich bei der Festlegung der Wiederholungsgefahr um eine Wertung handelt, die sich sowohl aus den rechtlichen Aspekten speist, die für die Beurteilung im Erkenntnisverfahren tragend sind, als auch aus den tatsächlichen Aspekten, die die Wahrscheinlichkeit der Realisierung der zu verbietenden, künftigen Sachverhalte betreffen. Das überzeugt. Bei der Fokussierung auf die rechtlich relevanten Aspekte darf nämlich nicht außer Acht gelassen werden, dass für bestimmte, noch nicht aktualisierte Sachverhalte eine künftig abweichende rechtliche Bewertung möglich sein muss. Der Grund hierfür ist zum einen, dass weitere zusätzliche Sachverhaltselemente auftreten mögen, die eine eigenständige rechtliche Beurteilung dieser neuen Fallkonstellation erforderlich machen. Dann wäre im Übrigen auch regelmäßig ein eigenständiger Streitgegenstand gegeben, so dass schon aus diesem Grunde, auch bei breiterer Tenorierung, eine Bindung nicht gegeben wäre (hierzu unten Rn. 347 ff. und 589). Zum anderen, und das ist in diesem Kontext praktisch wichtiger, ist es zum Zeitpunkt der Aktualisierung auch bei unveränderter Gesetzeslage und vergleichbarem Sachverhalt durchaus denkbar, dass die gerichtliche Praxis zu diesem späteren Zeitpunkt anderen Wertungen folgt, auch ohne dass diese sich bereits in einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung niedergeschlagen hätten. In diesem Fall wäre bei einer umfassenderen Tenorierung eine „Durchbrechung“ der Rechtskraft, wie sie der BGH im Fall „Mescher weis“363 für eine geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung für möglich erachtet hat (hierzu unten Rn. 638), zum Zeitpunkt der Aktualisierung des Sachverhalts (noch) nicht möglich, aber gleichwohl eine abweichende Entscheidung bei neuer Verhandlung denkbar. Die Rechtserkenntnis ist insofern immer an ihre jeweilige Zeit gebunden und die Ergebnisse des Einzelfalls mögen vor diesem Hintergrund unterschiedlich ausfallen, ohne dass sich das an einer Änderung des Sachverhalts, der legislatorischen und höchstrichterlichen Grundlagen festmachen ließe.364 Deshalb erscheint es zutreffend, den Beklagten nicht „unnötig“ auch für Sachverhalte festzulegen, wenn für deren Eintritt zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht auch eine gewisse tatsächliche Wahrscheinlichkeit spricht. Diese sollen dann entschieden werden, wenn hierfür ein konkreter Anlass besteht, also tatsächlich ein Streit der Parteien entschieden werden muss. bb) Bewertung der Unterscheidung zwischen Bestimmtheitsgrundsatz und 112 materiell-rechtlichem Konkretisierungsgebot. Insbesondere Teplitzky hat sich stets für eine strikte Trennung zwischen Bestimmtheitsgrundsatz und Konkretisierungsgebot ausgesprochen.365 Nach dieser Auffassung betrifft die Frage, ob das klägerische Begehren auch kerngleiche Verletzungshandlungen umfasst, nur die materiell-rechtlichen Prüfung, sprich die Begründetheit. Demgegenüber hat etwa Jacobs in der Vorauflage zu

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362 BGH 5.10.2010 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung, a.a.O. Tz. 27. 363 BGH 2.7.2009 – I ZR 146/07, GRUR 2009, 1096 Tz. 9, 23 – Mescher weis. 364 Hierzu Grosch Rechtswandel und Rechtskraft 231 f., 279 f. sowie unten Rn. 648 f. 365 Teplitzky 7. Auflage, 1997, Kap. 51 Rn. 11 f. und jetzt weiterhin Rn. 11 mit umfangreichen Nachw. in Fn. 114 f.

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dieser Kommentierung darauf hingewiesen, dass die Grenzen zwischen Bestimmtheitsund Konkretisierungsgebot fließend sind.366 Zu berücksichtigen ist zunächst, dass zwar beide Grundsätze letztlich dieselbe 113 Stoßrichtung haben, sich allerdings dogmatisch durchaus voneinander unterscheiden lassen. Wenn aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes eine Generalisierung der Verletzungshandlung insbesondere unter Annäherung an den rechtlichen Obersatz verweigert wird, so geht es darum, zu vermeiden, dass dem Vollstreckungsgericht von vornherein die materiell-rechtliche Konkretisierung mit Blick auf weitere Fälle überantwortet wird. Ziel ist also die Wahrung der grundlegenden Teilung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. Hingegen geht es beim materiell-rechtlichen Konkretisierungsgrundsatz darum, zu vermeiden, dass der Tenor des Erkenntnisverfahrens von vornherein über das hinaus gefasst wird, was das Gericht im Erkenntnisverfahren tatsächlich entschieden hat. Ziel ist also, zu vermeiden, dass weitergehende Obersätze in einen Tenor gegossen werden, die dann auch Sachverhaltskonstellationen als zwischen den Parteien bindend entschieden erfassen würden, die bei tatsächlicher materiell-rechtlicher Prüfung (also nach Aktualisierung des vormals letztlich hypothetischen Sachverhalts) einer abweichenden Beurteilung zugänglich wären. Der Entscheidungssatz soll nicht auf Sachverhalte ausgedehnt werden, die überhaupt nicht – also auch nicht durch das Vollstreckungsgericht – materiell-rechtlich geprüft wurden. In einem solchen Fall hätte das Vollstreckungsgericht deswegen keine Prüfung mehr vorzunehmen, weil das Erkenntnisgericht bereits im Tenor abstrakt entschieden hat, welche Fallgruppe materiell-rechtswidrig ist, obwohl tatsächlich überhaupt keine materiellrechtliche Prüfung der entsprechenden Fallgruppe stattgefunden hat. Mithin geht es in beiden Fällen (Bestimmtheitsgrundsatz und Konkretisierungsge114 bot) um die Sicherung der Entscheidung des konkreten Rechtsstreits nach materiellem Recht im Erkenntnisverfahren. Im Fall der Bestimmtheit geht es um die Vermeidung der Verlagerung dieser Streitentscheidung ins Vollstreckungsverfahren. Beim materiellen Konkretisierungsgebot geht es darum, dass nicht ein weiteres Erkenntnisverfahren nach aktualisiertem Sachverhalt nach den Maßstäben der dann geltenden Praxis und dann verfügbaren Informationen abgeschnitten wird. Überlagert wird die Problematik mit Blick auf das Konkretisierungsgebot allerdings ferner dadurch, dass auch bei Unterlassungsanträgen und entsprechend tenorierten Urteilen, die als konkrete Unterlassungsbegehren (vgl. Rn. 75 ff. und 79) den materiellen Unterlassungsanspruch in der Antrags-/Urteilsformel nicht vollständig ausschöpfen, die Rechtsprechung und die herrschende Auffassung in der Literatur dazu neigt, dem Urteil über die „Kernbereichslehre“ doch denselben Inhalt zu geben, den der Kläger auch durch eine weitergehende Antragsfassung hätte erreichen können (dazu ausführlich Rn. 854 ff.). c) Auf die konkrete Verletzungshandlung gerichtete Anträge (konkretes Unterlassungsbegehren) 115

Bestimmtheitsfragen mit Blick auf den Unterlassungsantrag sollen sich nach der Rechtsprechung und herrschenden Lehre bei auf die Verletzungshandlung bezogenen Anträgen (konkretes Unterlassungsbegehren) nicht stellen (hierzu aa), Rn. 116 ff.). Hier geht es nach herrschender Auffassung also um die Bestimmtheit des Klagegrundes (hierzu bb), Rn. 141 ff.). Unter diesem Prüfungspunkt hat die „TÜV“-Rechtsprechung

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Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 102.

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des BGH für einen Paradigmenwechsel gesorgt. Danach kann auch der auf eine konkrete Werbung gerichtete Antrag durch Bezugnahme auf verschiedene Klagegründe verschiedene Streitgegenstände begründen und erfassen, wenn der Kläger durch die Bezugnahme auf unterschiedliche Klagegründe Verbotsnormen verschiedenen Umfangs begehrt. In solchen Fällen ist nach BGH „TÜV I“ die alternative Klagehäufung, die dem Gericht die Auswahl des Klagegrundes und damit der zu erlassenden Verbotsnorm überlässt, unzulässig, weil unbestimmt.367 Dieser Prüfungspunkt ist der systematische Aufhänger für die grundlegenden Ausführungen zum Streitgegenstand in den BGH Entscheidungen „Branchenbuch Berg“368 und „Biomineralwasser“.369 aa) Bestimmtheit der auf die konkrete Verletzungshandlung gerichteten Anträge (1) BGH Rechtsprechung und herrschende Praxis (a) Verbot der Handlung, so wie sie begangen wurde. Die Bestimmtheit des Un- 116 terlassungsantrages ist nach allgemeiner Ansicht stets dann gegeben, wenn der Kläger lediglich ein Verbot der „konkret beanstandeten Handlung“ (nach der hiesigen Terminologie: konkretes Unterlassungsbegehren) begehrt.370 Dann kann für den Beklagten nicht unklar sein, was er zu unterlassen habe, denn diese Handlung hatte er in dieser konkreten Form schon einmal begangen.371 Grundlegend für dieses Prinzip ist die Entscheidung „TCM Zentrum“,372 auf die sich auch alle jüngeren Entscheidungen beziehen. Der BGH verwendet in allen jüngeren Entscheidungen zwar den Terminus der Beschränkung auf die „konkrete Verletzungsform“, meint damit aber, wie es etwa in „Erinnerungswerbung im Internet“ nochmals ausdrücklich gesagt wird,373 dass lediglich das Verbot derjenigen Handlung begehrt wird, so wie sie tatsächlich begangen wurde; das sei immer bestimmt. In all den Fällen, in denen der ursprüngliche Antrag des Klägers für unbestimmt erachtet wurde, ist deshalb der Rückzug auf die konkrete Verletzungshandlung der letzte Rettungsanker. Das wird vom BGH gerade in den Fällen der abstrahierenden Betrachtungsweise regelmäßig wiederholt.374 (b) Abstrakte Einleitungsteile bei gleichzeitiger Beschränkung auf die kon- 117 krete Verletzungshandlung („wenn dies geschieht wie“-Anträge). Das Vorliegen einer Beschränkung auf ein konkretes Unterlassungsbegehren wird vom BGH auch dann angenommen, wenn ein generalisierender Antragswortlaut ergänzt wird mit der

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367 BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56, 59 ff. = GRUR 2011, 521, 523 Tz. 10 – TÜV I. 368 BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 Tz. 12–15 – Branchenbuch Berg. 369 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 24 – Biomineralwasser. 370 BGH 29.4.2010 – I ZR 99/08, GRUR 2011, 82 Tz. 14 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; BGH 16.7.2009 – I ZR 56/07, GRUR 2009, 1075 Tz. 10 – Betriebsbeobachtung („der Handlung, so wie sie begangen worden ist“); BGH 21.6.2001 – I ZR 69/99, GRUR 2002, 75, 76 – SOOOO…BILLIG; BGH 7.6.2001 – I ZR 115/99, GRUR 2002, 177, 178 f. – Jubiläumsschnäppchen; BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 454 – TCM-Zentrum; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.36; Harte/Henning/Brüning Vorb. z. § 12 Rn. 78; Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 54; Teplitzky Kap. 51 Rn. 4; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 97. 371 BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 454 – TCM-Zentrum. 372 BGH 26.10.2000 – TCM-Zentrum, a.a.O. 373 BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 36 – Erinnerungswerbung im Internet. 374 BGH 29.4.2010 – Erinnerungswerbung im Internet, a.a.O. Tz. 32; BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 17 – Telefonwerbung für Individualverträge.

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Formulierung „wie dies in den Anzeigen des Beklagten geschehen ist“.375 Abgegrenzt wird diese Antragsformulierung von den „insbesondere“-Anträgen.376 Letztere bedeuten keine Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform, sondern verdeutlichen lediglich die abstrahierende Antragsstellung, indem mit dem „insbesondere“-Zusatz Beispiele aufgeführt werden.377 Der BGH hat aber stets die Möglichkeit anerkannt, dass diese abstrakten Antragsteile – trotz der Beschränkung des Antragsgegenstandes auf die konkrete Verletzungsform durch den Zusatz „wenn dies geschieht wie …“ – die Funktion haben „mögen“, den Kreis der als kerngleiche Abwandlungen geltenden Handlungen zu bestimmen.378 Dieses „Mögen“ hat der BGH in der Entscheidung „Irische Butter“ nicht mehr verwendet und dezidiert gesagt, dass solchen abstrakten Teilen diese Funktion zukomme.379 Ferner hat der BGH auch für diese weitergehenden Teile die Wiederholungsgefahr geprüft und damit klar gemacht, dass dieser Gegenstand der Sache nach Teil des Rechtsschutzbegehrens ist.380 Eine weitergehende Bedeutung hat diese Antragsformulierung durch die Ent118 scheidung „Biomineralwasser“381 erhalten, die im Rahmen der Erörterung des Streitgegenstandes und der alternativen Klagehäufung noch ausführlicher zu erläutern sein wird. In dem Urteil „Biomineralwasser“ hat der BGH die mit „TCM-Zentrum“382 begründete Linie im vollen Umfang reaktiviert und bei einem auf eine Verletzungshandlung gerichteten Antrag, der sich auf mehrere materielle Beanstandungen stützt, einen einheitlichen Streitgegenstand dergestalt angenommen, dass das Gericht ein Verbot auf der Grundlage lediglich einer Beanstandung aussprechen kann, also die weiteren Beanstandungen nicht zu prüfen gezwungen ist.383 Der BGH hat dem Kläger allerdings die Mög-

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375 BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 36 – Erinnerungswerbung im Internet; ähnlich BGH 29.4.2010 – I ZR 99/08, GRUR 2011, 82 Tz. 14 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; BGH 16.7.2009 – I ZR 56/07, GRUR 2009, 1075 Tz. 10 – Betriebsbeobachtung; BGH 4.9.2003 – I ZR 32/01, GRUR 2004, 72 – Coenzym Q 10; BGH 21.6.2001 – I ZR 69/99, GRUR 2002, 75, 76 – SOOOO…BILLIG; BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 454 – TCM-Zentrum; BGH 14.10.1999, BGHZ 142, 388, 390 = GRUR 2000, 228, 229 – Musical-Gala; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.36; Harte/Henning/Brüning Vorb. z. § 12 Rn. 78; Vorauflage/ Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 97. 376 BGH 7.4.2011 – I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 Tz. 17 – Leistungspakete im Preisvergleich; BGH 2.6.2005 – I ZR 252/02, GRUR 2006, 164 Tz. 14 = NJW-RR 2006, 257 = WRP 2006, 84 – Aktivierungskosten II; BGH 19.4.2007 – I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 18 = NJW 2008, 231 = WRP 2007, 1337 – 150% Zinsbonus; BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 36 = WRP 2010, 1030 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH 29.4.2010 – I ZR 99/08, GRUR 2011, 82 Tz. 34 = WRP 2011, 5 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09, GRUR 2011, 340 Tz. 21 = NJW-RR 2011, 398 = WRP 2011, 459 – Irische Butter. 377 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 88 Rn. 10; Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 70. Siehe zu den „Insbesondere“-Anträgen auch Streitgegenstand, Rn. 283. 378 BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 36 – Erinnerungswerbung im Internet.; ebenso BGH 19.5.2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855, 856 Tz. 17 – Folienrollos; BGH 2.6.2005 – I ZR 252/02, GRUR 2006, 164, 165 Tz. 10 – Aktivierungskosten II; von der Decken/Heim GRUR 2011, 746 Anm. zu BGH 7.4.2011 – I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 – Leistungspakete im Preisvergleich. Hierzu unten Rn. 856. 379 BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09, GRUR 2011, 340 Tz. 21 – Irische Butter. Im entschiedenen Fall war im Antrag (der eine Irreführung wegen unzureichender Bevorratung mit der beworbenen Ware betraf) neben der Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung die weitere Bedingung hinzugefügt: „wenn diese Produkte nicht zumindest am ersten Geltungstag der Werbung vorgehalten werden“. In der konkreten, historischen Verletzungshandlung war die Ware zwischen 12.00 und 13.00 des ersten Geltungstages nicht mehr verfügbar. Es handelte sich also bei der weiteren „Bedingung“ um eine Abstrahierung, wenngleich diese in die Form einer näheren Beschreibung der Verletzungshandlung gefasst war. Der BGH macht in der Bewertung aber zu Recht keinen Unterschied, sondern zitiert die Rechtsprechung zu den abstrakten Einleitungsteilen des Antrages. 380 BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09, GRUR 2011, 340 Tz. 22 – Irische Butter. 381 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser. 382 BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 455 – TCM-Zentrum. 383 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 24 a.E.

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lichkeit eingeräumt, durch die Fassung der jeweiligen Beanstandungen in gesonderte Anträge, welche kumulativ zur Entscheidung gestellt werden können, jede Beanstandung mit Blick auf dieselbe Handlung vom Gericht gesondert prüfen zu lassen. Das soll durch einen abstrakten Einleitungsteil und einen sich anschließenden Bezug auf die konkrete Verletzungshandlung in Gestalt von „wenn dies geschieht, wie“ möglich sein. Das wäre also genau die hier erörterte Antragsformulierung.384 Hierzu wird noch ausführlicher unter dem Gesichtspunkt des Streitgegenstandes solcher Anträge Stellung zu nehmen sein.385 (c) Erfordernis eines Hilfsantrages? Eine solche Beschränkung auf die konkrete Verletzungshandlung setzt regelmäßig einen konkreten, entsprechend formulierten Antragswortlaut voraus. Zwar ist die Beanstandung der konkreten Verletzungshandlung als Minus in einem abstrakt gefassten und zu weit gehenden (unbestimmten) Unterlassungsantrag enthalten.386 Gleichwohl verlangt der BGH die Vorlage eines bestimmten, entsprechend formulierten Antrags, was regelmäßig durch Hilfsanträge geschieht. Grund hierfür ist, dass die (Um-)Formulierung der Klageanträge in eine Richtung, in der diese Erfolg haben (könnten), nicht Sache des Gerichts ist (dazu bereits oben Rn. 69). Das Gericht kann nur im Rahmen seiner Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO auf eine erfolgsversprechende Formulierung hinwirken.387 Es handelt sich dabei aber gleichwohl nicht um einen echten prozessualen Hilfsantrag, der unter der prozessualen Bedingung der fehlenden Zulässigkeit oder Begründetheit des Hauptantrages einen neuen Streitgegenstand einführt, sondern lediglich um einen bereits als Minus des Hauptantrages anhängigen Teil des übergeordneten Streitgegenstandes.388 Teplitzky vertritt demgegenüber die Auffassung, dass ein echter prozessualer Hilfsantrag vorliegt, weil bei Unbestimmtheit des Hauptantrages nicht von einer Teilidentität der Streitgegenstände die Rede sein könne, da der Gegenstand des Hauptantrages gerade nicht bestimmt werden könne.389 Meines Erachtens überzeugt die herrschende Auffassung eher. Die Unbestimmtheit sagt nur, dass vorab nicht abschließend feststeht, welche Handlungen im Einzelnen dem Verbot unterfallen würden; es steht aber doch jedenfalls fest, dass die in Bezug genommenen konkreten Verletzungshandlungen dem Antrag und dem Verbot unterfallen sollen und deshalb als Minus auch in dem breiteren, aber unbestimmten Antrag enthalten sein können. Die Formulierung dieses „Hilfsantrags“ lässt der BGH noch in der Revisionsinstanz zu, da im Gegensatz zu einem echten prozessualen Hilfsantrag kein neuer Streitgegenstand eingeführt wird, sondern es sich in einem solchen Fall lediglich um eine „modifi-

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384 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 25. 385 Siehe unten Rn. 261 und 282 ff. 386 BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Tz. 21 – Internetversteigerung III; BGH 10.12.1998, GRUR 1999, 509, 511 – Vorratslücken; BGH 17.10.1996, GRUR 1997, 308, 311 – Wärme fürs Leben; BGH 23.6.1994, BGHZ 126, 287, 295 f. = GRUR 1994, 844, 845 – Rotes Kreuz. 387 BGH 12.7.2001 – I ZR 40/99, GRUR 2002, 86, 88 – Laubhefter; BGH 16.3.2000 – I ZR 229/97, GRUR 2002, 187, 188 – Lieferstörung; BGH 10.12.1998, GRUR 1999, 509, 512 – Vorratslücken; BGH 17.10.1996, GRUR 1997, 308, 311 – Wärme fürs Leben; BGH 23.6.1994, BGHZ 126, 287, 295 f. = GRUR 1994, 844, 846 – Rotes Kreuz; KG 11.9.2007 – 5 W 85/06, GRUR-RR 2008, 29, 30; Teplitzky Kap. 51 Rn. 30. 388 BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Tz. 32 – Internetversteigerung III; BGH 2.10.2003 – I ZR 117/01, GRUR 2004, 247, 248 – Krankenkassenzulassung; BGH 8.6.2000 – I ZR 269/97, GRUR 2001, 181, 182 – dentalästhetika; BGH 3.12.1998, GRUR 1999, 760, 761 – Auslaufmodelle II; Beispielsfall aus der Instanz: OLG Köln 20.12.2013 – 6 U 188/12, GRUR-Prax 2014, 44 m. Anm. Peifer – Tagesschau App; Teplitzky Kap. 51 Rn. 30. 389 Teplitzky Kap. 51 Rn. 32.

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zierte Einschränkung des Hauptantrages handelt und der zugrunde liegende Sachverhalt bereits tatrichterlich gewürdigt wurde“.390 Jedenfalls wäre aber in einer solchen Situation zurückzuverweisen, wenn es in der Berufungsinstanz an einem entsprechenden Hinweis gefehlt hat.391 (2) Schrifttum zum konkreten Unterlassungsbegehren. Der Grundsatz, dass der Antrag, der auf das Verbot der Verletzungshandlung, „so wie sie begangen wurde“, abzielt, unter Bestimmtheitsgrundsätzen regelmäßig unproblematisch ist, wird in der Literatur praktisch nicht angezweifelt. So schreibt Jestaedt, es sei die „erste und oberste Grundregel des Unterlassungsantrags“, dass dessen Gegenstand bei Vorliegen eines auf Wiederholungsgefahr basierenden Unterlassungsanspruchs die „konkrete Verletzungshandlung“ sei, also das Verbot der Handlung, die die Wiederholungsgefahr begründet. Mit der konkreten Verletzungshandlung wird nach diesem Sprachgebrauch auf die oben dargelegte Unterscheidung zwischen Verletzungshandlung als historischem Vorgang und der Verletzungsform als Summe der die Rechtswidrigkeit begründenden Merkmale abgestellt.392 Schwierigkeiten mit Blick auf die Bestimmtheit ergäben sich nur bei Abstrahierung von dieser Handlung, um die konkrete Verletzungsform besser zu beschreiben und den Unterlassungsanspruch damit voll auszuschöpfen. Auf dieser Linie liegt auch die Darstellung Teplitzkys, der ebenfalls nur bei der Abstrahierung Probleme der Bestimmtheit sieht. Das Verbot der „eigentlichen Verletzungshandlung“ sei in der Regel „problemlos“ und werde nur deshalb vermieden, weil der Unterlassungsanspruch damit nicht voll ausgeschöpft werde.393 Die fehlende Kritik des Schrifttums an dieser grundsätzlichen Linie des BGH ist 124 bemerkenswert, weil im Rahmen der Prüfung des Umfangs der tenorierten Verbotsnorm durchaus gesehen wird, dass es problematisch ist, wenn Antrag/Tenor nicht den tatsächlichen Umfang der Verbotsnorm erkennen lassen, weil die Ermittlung der kerngleichen Abwandlungen den Rückgriff auf die Gründe voraussetzt (hierzu bereits oben Rn. 77 und 88 ff. sowie unten Rn. 358 und 861). Insofern postuliert Teplitzky, dass es erstrebenswert wäre, dass der Tenor schon die konkrete Verletzungsform tatsächlich erkennen lässt, also klar macht, welche Abwandlungen kerngleich sind und die konkrete Verletzungsform unberührt lassen.394 Auf dieser Linie fordert Jestaedt, dass es das „oberste Ziel“ sein müsse, das Rechtsschutzziel des Unterlassungsantrages so genau und umfassend im Antrag zu benennen, dass ein Urteil mit einem entsprechenden Tenor das klägerische Rechtsschutzbegehren auch tatsächlich durchzusetzen vermag.395 Die beiden möglichen Hebel, um das prozessual umzusetzen, sind der Bestimmtheitsgrundsatz oder die Beschränkung des erstrebten Verbots auf die konkrete Verletzungshandlung. 125 Die Ansicht Teplitzkys nimmt sich bereits zur Prämisse, dass ein Unterlassungsurteil, das auf das Verbot der konkreten Verletzungshandlung gerichtet ist, im Wege der Kernbereichslehre die gesamte konkrete Verletzungsform erfasst. Damit scheidet der Weg der Beschränkung auf dieser Ebene aus. Ahrens ist hingegen der Auffassung, dass ein solches Urteil, welches das Verbot der konkreten Verletzungshandlung tenoriert, einen engeren Schutzbereich hat. Nach Ahrens soll die Rechtskraft- und Vollstreckungs123

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390 BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Tz. 33 – Internetversteigerung III; BGH 1.4.1998, NJW 1998, 1857, 1860; BGH 13.6.1988, NJW 1988, 3149, 3151. 391 BGH 4.11.2010 – I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Tz. 18 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker. 392 Ahrens/Jestaedt Kap. 22 Rn. 7 Fn. 20, unter Verweis auf Nirk/Kurtze GRUR 1980, 645, 646 ff. 393 Teplitzky Kap. 51 Rn. 4. 394 Teplitzky Kap. 57 Rn. 16. 395 Ahrens/Jestaedt Kap. 22 Rn. 1.

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wirkung eines solchen Tenors auf die konkrete Handlung beschränkt bleiben, also auf eine vollständig identische Wiederholung, was insbesondere eine Erweiterung unter Rückgriff auf die Kernbereichslehre ausdrücklich ausschließen soll.396 Ahrens397 beruft sich hierzu unter anderem auf Büscher.398 Büscher hingegen sagt zwar, dass der Verbotsinhalt bei Beschränkung des Antrages auf die „konkrete Verletzungsform“399 regelmäßig nicht darüber hinausgehe. Es sei aber die Auslegung eines solchen Antrags möglich und diese könne ergeben, dass auch kerngleiche Abwandlungen erfasst sein sollen. Letztere sind nach Büscher dann auch tatsächlich vom Urteil erfasst, wenn sie Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren waren. Ahrens und Büscher verweisen für ihre Auffassungen ferner auf Teplitzky.400 Teplitzky vertritt aber die Auffassung, dass auch ein auf die „konkrete Verletzungsform“ gerichteter Antrag kerngleiche Abwandlungen erfasse und nur dann, wenn der Kläger das in der Klageschrift ausdrücklich sagt, der Verbotsinhalt auf die identische Wiederholung beschränkt sei. Die bloße Beschränkung des Antrages könne diese Folge nicht haben.401 (3) Kritische Stellungnahme (a) Gegenstand und Umfang der auf die konkrete Verletzungshandlung gerich- 126 teten Verbotsnorm. Wenn man die Problematik überzeugend analysieren will, muss man sich mithin zunächst damit auseinandersetzen, welchen Gegenstand und Umfang ein gerichtliches Unterlassungsgebot, das sich auf die konkrete Verletzungshandlung bezieht, nach der Judikatur hat. Bei der Prüfung der Bestimmtheit geht es schließlich, wie der BGH im Ansatz zu Recht sagt, um die Erkennbarkeit der Tragweite des begehrten Verbots bereits im Erkenntnisverfahren. Das ist auch die Prämisse des BGH im Rahmen der Bestimmtheitsfeststellung eines auf die konkrete Verletzungshandlung gerichteten Antrages. Diese wird deshalb bejaht, weil ein Verbot der Handlung begehrt werde, so wie sie tatsächlich begangen wurde; damit könne dem Beklagten nicht unklar sein, was ihm verboten werde. Diese, die gesamte Systematik der Rechtsprechung des I. Zivilsenates tragende Annahme, ist unzutreffend. Sie würde, wenn man sie ernst nähme, implizieren, dass es überhaupt keine Abweichung in der Wiederholung des historischen Vorgangs geben dürfe. Das ist vom BGH aber sicherlich nicht gemeint. Im Gegenteil: Im Rahmen der Bestimmtheitsprüfung von abstrakt gefassten Anträgen sagt der BGH regelmäßig, dass es für einen zu abstrakt und unbestimmten Antrag auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes keinen Grund gäbe, weil der Kläger sich auf die konkrete Verletzungsform beschränken könne und sich auch in diesen Fällen das Unterlassungsurteil in Anwendung der Kernbereichslehre auf alle Handlungen erstrecken würde, in denen auch das Charakteristische der konkret umschriebenen Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt.402

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396 Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 56 Fn. 145. 397 Ahrens a.a.O. Fn. 146. 398 Wieczorek/Schütze/Büscher § 322 Rn. 147. 399 Büscher verwendet also nicht die terminologische Unterscheidung zwischen Verletzungshandlung und konkreter Verletzungsform. 400 Teplitzky GRUR 1998, 320, 323. 401 Teplitzky a.a.O., sowie ders. Kap. 57 Rn. 16a und dort Fn. 62. 402 Vgl. etwa BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 32 – Erinnerungswerbung im Internet: „Denn auch eine solche beschränkte Verurteilung erfasst nach der so genannten Kerntheorie immerhin alle Handlungsformen, in denen das Charakteristische der beanstandeten Werbung zum Ausdruck kommt.“ Das ist ständige Rechtsprechung, vgl. etwa weiter BGH 4.9.2003 – I ZR 32/01, GRUR 2004, 72 – Coenzym Q 10; BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 17 – Telefonwerbung für Individualverträge.

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(b) Verdeutlichung anhand BGH „Erinnerungswerbung im Internet“. In diesem Sinne stellt der BGH in der Entscheidung „Erinnerungswerbung im Internet“ unter Berufung auf „TCM-Zentrum“403 zwar fest, dass der Kläger nur darauf abziele, künftig jegliche Werbung, die eben aus der gesamten Anzeige bestehe, zu unterlassen, so dass der Antrag keine Bestimmtheitsprobleme aufwerfe.404 Gleichzeitig sagt der BGH aber auch, dass sich das Charakteristische der Werbeanzeige nicht nur auf das dort konkret beworbene Präparat, sondern auch auf andere nicht genannte Arzneimittel erstrecke.405 Dieser Fall zeigt dabei paradigmatisch, wie der BGH den Schutzumfang eines auf die konkrete Verletzungsform bezogenen Urteils versteht. 128 Im entschiedenen Fall war zu klären, ob es sich um eine zulässige Erinnerungswerbung handelte und deshalb die Pflichtangaben nach dem Arzneimittelgesetz nicht erforderlich waren. Die beiden konkreten Verletzungshandlungen, die aus Sicht des Klägers die Wiederholungsgefahr begründeten, waren zwei Werbeanzeigen für zwei bestimmte Arzneimittel (A. und F.) mit jeweils unterschiedlichen Begleittexten, welche für die Frage der zulässigen Erinnerungswerbung Bedeutung hatten. Der auf die konkrete Verletzungsform bezogene Antrag (der zweite Hilfsantrag im Verfahren)406 war wie folgt formuliert: „Weiter hilfsweise hat der Kl. beantragt, die Bekl. unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Ausnahme des zugelassenen Arzneimittels ‚A.®‘ für zugelassene Arzneimittel (§ 21 AMG), insbesondere das Arzneimittel ‚F.®‘ zu werben, sofern die gem. § 4 Absatz I Nrn. 1, 3–8 HWG vorgeschriebenen Pflichtangaben insgesamt fehlen, wie dies aus den Anlagen K 2 und K 10 ersichtlich ist, es sei denn, es wird ausschließlich mit der Bezeichnung des Arzneimittels oder zusätzlich mit dem Namen, der Firma, der Marke des pharmazeutischen Unternehmers, dem Hinweis ‚Wirkstoff:‘ oder mit der Angabe des Arzneimittelpreises oder der Packungsgröße geworben.“407 Es wurde in der Antragsfassung insofern abstrahiert, als die Werbung für „zugelas129 sene Arzneimittel“ zum Gegenstand gemacht, also keine Beschränkung auf die Arzneimittel A. und F. vorgenommen wurde, sondern das Arzneimittel A. gerade ausgenommen und das Arzneimittel F. nur als Exemplifizierung angeführt wurde. Gleichwohl war das nach dem BGH ein Antrag, der auf die konkrete Verletzungsform gerichtet war, was sich durch die konkrete Begründung sowohl praktisch als auch dogmatisch plastisch verdeutlichen lässt: Wie in der Praxis durchaus häufiger anzutreffen, hatte der Beklagte nach Rechtshängigkeit eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, die sich nur auf die konkreten Anzeigen bezog. Diese Unterwerfungserklärung umfasste dabei nur das Bewerben der konkret genannten Arzneimittel A. und F.; sie war nach der Erklärung der Beklagten ausdrücklich auf diese beschränkt, so dass eine erweiternde vertragliche Ausdehnung auf andere Arzneimittel auf der Linie der Kernbereichslehre nicht möglich war. Deshalb hatte der Kläger hinsichtlich des einen ausdrücklich genannten Arzneimittels die Klage für erledigt erklärt (Arzneimittel A), nicht aber für das weitere (Arzneimittel F.), weshalb die Klage insofern wegen Fehlens der Wiederholungsgefahr vom BGH abgewiesen wurde. Der Kläger drang aber im Umfang der Generalisierung (weitere Arzneimittel außer A. und F.) aufgrund der Kernbereichslehre mit seiner Klage 127

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403 BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 454 – TCM-Zentrum. 404 BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 36 – Erinnerungswerbung im Internet. 405 BGH 29.4.2010 – Erinnerungswerbung im Internet, a.a.O. Tz. 44; BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 454 – TCM-Zentrum; ebenso Harte/Henning/Brüning Vorb. z. § 12 Rn. 78; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Spätgens § 112 Rn. 52. 406 Die abstrahierenden und vom BGH für unbestimmt gehaltenen, vorgelagerten Anträge werden unten, Rn. 191 ff., ausführlicher behandelt. 407 BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749, 750 – Erinnerungswerbung im Internet.

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

durch, weil aus Sicht des BGH das Charakteristische der konkreten Verletzungsform auch für weitere Arzneimittel gegeben war und nicht nur für A. und F. Insofern hat der BGH auch ausdrücklich klargestellt, dass ein auf die konkrete Verletzungsform gerichteter Titel (hier also auf die Werbeanzeigen mit A. und F.) im Wege der Kernbereichslehre auch die Abwandlungen erfassen würde, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck komme.408 Hätte der Kläger also, für den Fall ohne Unterwerfungserklärung, nur einen Antrag gerichtet auf die konkrete Verletzungsform gestellt (Werbeanzeigen nach K 2 und K 10 mit Arzneimittel A. und F.), so hätte dieser Unterlassungstitel mithin auch weitere Arzneimittel erfasst, nicht anders als wenn der Kläger das wie im entschiedenen Fall generell für Arzneimittel beantragt hätte. (c) Widerspruch des Gegenstandes der Verbotsnorm zur Prämisse der Be- 130 stimmtheit des Antrages. Wenn der BGH also im Zuge der Bestimmtheit des auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Antrages sagt, dem Beklagten könne nicht unklar sein, was er zu unterlassen hat, wenn nur die konkrete Verletzungshandlung so wie sie vorgefallen ist verboten werde, so ist das schlicht ein logischer Widerspruch zur weiteren Aussage, dass auch kerngleiche Abwandlungen erfasst werden. Dann sagt der ausschließlich auf die konkrete Verletzungsform bezogene Antrag nämlich über den tatsächlichen Umfang des Verbots nichts aus. Entscheidend ist, dass der Beklagte wissen kann, was er an seinem Verhalten ändern muss, um sich rechtmäßig zu verhalten. Das kann er nur aus den Gründen extrahieren. Allein durch die Analyse und Feststellung der für den gerichtlichen Subsumtionsschluss erheblichen Tatsachen in den Gründen des Urteils kann der Beklagte wissen, was er an seinem Verhalten ändern muss, wie weit ihm also sein Verhalten verboten ist.409 Aus dem Antrag ergibt sich dafür gar nichts. Der BGH hat diesen inneren Widerspruch zwischen dem obersten Grundsatz des 131 Bestimmtheitsgebots für Unterlassungsanträge, nämlich der Erkennbarkeit des gerichtlichen Verbots für den Beklagten, und der Realität des tatsächlichen Umfangs der Verbotsnorm wohl auch gesehen und teilweise vertreten, dass der Anwendung der Kernbereichslehre mit Blick auf den Sanktionscharakter des § 890 ZPO enge Grenzen gezogen seien, wenn der Antrag eng auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkt sei.410 Was mit den engen Grenzen gemeint ist, ist aber ebenfalls nicht bestimmt. Für die Aussage der engen Grenzen der Kernbereichslehre bei Beschränkung auf die 132 konkrete Verletzungsform hat sich der BGH unter anderem auf Ahrens411 bezogen. Wie oben bereits ausgeführt, soll nach ihm die Anwendung der Kernbereichslehre aber ausgeschlossen sein.412 Ahrens unterstützt die Linie des BGH also gerade nicht. Der BGH zitiert für diese Auffassung ferner Büscher.413 Dieser stellt aber auf die Auslegung des Klagebegehrens und Urteils im Einzelfall ab. Der BGH verweist ferner auf Teplitzky,414 auf

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408 BGH 29.4.2010 – Erinnerungswerbung im Internet, a.a.O. Tz. 45: „Zwar erstreckt sich eine die konkrete Verletzungsform wiedergebende Unterwerfungserklärung ebenso wie ein entsprechender Unterlassungstitel im Allgemeinen nicht nur auf identische, sondern auf alle Handlungen, die gleichfalls das Charakteristische der verletzenden Handlung aufweisen […].“ Die Ausführungen stehen im Zusammenhang mit der Erwägung, dass die Unterlassungsverpflichtungserklärung ausnahmsweise nicht diesen Umfang hat, weil eine eindeutige vertragliche Erklärung nur beschränkt auf A. und F. vorlag. 409 So auch Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 64. 410 BGH 22.10.2009 – I ZR 58/07, GRUR 2010, 454 Tz. 12 – Klassenlotterie. Hierzu ausführlich unten Rn. 860 ff. 411 Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 56. 412 Ahrens a.a.O. Rn. 56 Fn. 145. 413 Wieczorek/Schütze/Büscher § 322 Rn. 147. 414 Teplitzky GRUR 1998, 320, 323.

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den sich sowohl Ahrens als auch Büscher zur Stützung ihrer Auffassung berufen. Teplitzky vertritt aber die Ansicht, dass ein Antrag, der sich auf die konkrete Verletzungsform richtet, grundsätzlich auch kerngleiche Abwandlungen erfasse und nur dann, wenn der Kläger das in der Klageschrift ausdrücklich sage, der Verbotsinhalt auf die identische Wiederholung beschränkt sei. Ferner wird in der Diskussion um den neuen Streitgegenstandsbegriff nach „TÜV I“ 133 im Schrifttum schlicht behauptet, dass ein auf die konkrete Verletzungsform bezogener Titel nach der Rechtsprechung des BGH nicht qua Kernbereichslehre erweitert werden könne, sondern stets nur die identische Wiederholung der Verletzungshandlung verbiete.415 Das hat der BGH aber so nie gesagt. Im Gegenteil ist, wie gerade gezeigt, die Prämisse des BGH stets, dass auch bei diesen Anträgen die Kernbereichslehre zur Bestimmung des Verbotsinhalts zur Anwendung kommt. 134 Damit kann man sagen, dass bei der Beschränkung auf ein konkretes Unterlassungsbegehren nach der Rechtsprechung des BGH und der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur die Anwendung der Kernbereichslehre nicht ausgeschlossen ist (vgl. unten Rn. 860 f.). Verboten sind damit also nicht nur die identische Wiederholung der konkreten Verletzungshandlung, sondern auch Abwandlungen, wobei die Reichweite des Verbots im Einzelnen nicht geklärt ist. Möglich wäre eine ausdrückliche Beschränkung des Klägers auf die konkrete Verletzungshandlung, also auf ihre identische Wiederholung. Diese verlangt der BGH aber zur Herstellung der Bestimmtheit gerade nicht. Damit kann man jedenfalls sagen, dass der vom BGH herangezogene Satz, die Bestimmtheit bei Beschränkung des Antrages auf die konkrete Verletzungsform sei immer gegeben, weil der Beklagte wisse, was er zu unterlassen habe, falsifiziert ist. Der Beklagte weiß es aufgrund des Antrages nicht, weil er den Umfang der Verbotsnorm aus dem Antrag heraus gerade nicht kennt. Welche Abwandlungen noch innerhalb des Verbots liegen, kann er allenfalls aus den Gründen heraus ermitteln, wobei aber noch nicht einmal die Maßstäbe für eine „enge Kernbereichslehre“ klar sind. Damit ist dieser Antrag nicht bestimmt im Sinne der eigenen Prämissen des BGH und der herrschenden Auffassung. 135

(d) Anträge, die sich auf eine historische Verletzungshandlung beziehen, sind hinsichtlich des Antrages nie bestimmt. Grundsätzlich ist die rein deskriptive Bezugnahme auf eine Handlung nie bestimmt, auch dann nicht, wenn man die Kernbereichslehre ausschließen wollte. Auch eine noch so enge Handhabung hilft hier nicht weiter, weil sich die historische Verletzungshandlung schon per definitionem nicht so wiederholen kann. Sie ist ein einmaliger Vorgang in der Zeit. Für eine neue Handlung bedarf es eines Maßstabes, der die Vergleichbarkeit herstellt. Dieser steht aber nicht zur Verfügung. Das habe ich an früherer Stelle bereits vertreten und begründet.416 Diese Antragsfassung ist nicht weniger bestimmt als die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts. Tatsächlich ist sie sogar unbestimmter, weil die Wiederholung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale zumindest indiziert, in welchen Aspekten die Rechtswidrigkeit gegeben ist, wohingegen der Antrag unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung dazu schweigt.

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So insbesondere Stieper GRUR 2012, 5, 8 mit Fn. 46. Grosch FS Schilling (2007) 207, 233 f.; zustimmend v. Ungern-Sternberg GRUR 2011, 486, 488 ff.

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

(e) Bestimmtheit der Verbotsmerkmale als Zielvorgabe (aa) Rechtsprechung zum ergänzenden Leistungsschutz. Letztlich muss es für die 136 Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes das Ziel sein, dass die Merkmale, die das Verbot kennzeichnen, in der Klage und im Urteil klar zum Ausdruck kommen (vgl. hierzu auch Rn. 88 ff., 334 f. und 862). Das sollte bevorzugt durch den Antrag und Tenor geschehen, das ist aber nicht zwingend, weil es um die Bestimmtheit des Rechtsschutzbegehrens, also des Streitgegenstandes geht. In Urteilen des ergänzenden Leistungsschutzes hat der BGH etwa Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform im Tenor genügen lassen, aber zugleich angemerkt, dass sich aus der Begründung die Merkmale ergeben, in denen der Kläger „die Grundlage und den Anknüpfungspunkt des Wettbewerbsverstoßes und damit des Unterlassungsgebots“ sieht.417 In der zitierten Entscheidung „Laubhefter“ hat der BGH festgehalten, dass zwar der Gegenstand eines Verbots grundsätzlich auch mit Hilfe von Abbildungen festgelegt und damit den Bestimmtheitsanforderungen genügt werden kann. Der Klageantrag und entsprechend der Urteilsausspruch müssten dann aber auch in einem solchen Fall, zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags, unzweideutig erkennen lassen „in welchen Merkmalen des angegriffenen Erzeugnisses die Grundlage und der Anknüpfungspunkt des Wettbewerbsverstoßes und damit des Unterlassungsgebots liegen soll.“418 Das hat der BGH unlängst bestätigt, allerdings auch betont, dass die antragsgemäße/wortlautgemäße Spezifizierung nicht erforderlich sei.419 Klarer hätte es der BGH nicht sagen können: Die Bestimmtheit ergibt sich natürlich nicht daraus, dass der Beklagte weiß, dass er genau die gesamte Werbeanzeige unterlassen muss (so der BGH in „TCM-Zentrum“),420 sondern daraus, dass die Gründe benannt sind, worin der eigentliche Wettbewerbsverstoß und damit der tragende Grund des Unterlassungsgebots liegt. Diese Linie hat der 20. Zivilsenat des OLG Düsseldorf mit Blick auf den ergänzenden 137 Leistungsschutz im Anschluss an und unter Berufung auf die zitierte Entscheidung „Laubhefter“ im Grundsatz fortgeführt und festgestellt, dass allein aus der Beschreibung oder Abbildung der konkreten Verletzungshandlung nicht zwingend die Bestimmtheit des Antrages folgt. Der Antrag müsse vielmehr die konstitutiven Verbotsmerkmale auch benennen. Nach dem OLG Düsseldorf gehört dazu, „dass der Antrag und der dementsprechende Verbotsausspruch auch dann, wenn das Verbot wie hier durch die Einblendung von Abbildungen des Verletzungsgegenstandes konkretisiert wird, unzweideutig erkennen lassen muss, in welchen Merkmalen des angegriffenen Erzeugnisses die Grundlage und der Anknüpfungspunkt des Wettbewerbsverstoßes liegen soll.“421 Dies sei erforderlich, um Inhalt und Grenzen des begehrten Verbots aufzuzeigen. Deshalb müssten die aus Sicht des Klägers übernommenen Merkmale, die die wettbewerbliche Eigenart des Originals begründen, auch im Antrag enthalten sein, und diese Aufgabe müsse der Kläger und nicht das Gericht leisten.422 Diese Sichtweise ist insofern weitergehend, als

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417 BGH 11.1.2007 – I ZR 198/04, GRUR 2007, 795 Tz. 18 – Handtaschen; BGH 12.7.2001 – I ZR 40/99, GRUR 2002, 86, 88 – Laubhefter; BGH 29.4.1966 – GRUR 1966, 617, 618 – Saxophon; OLG Hamburg 24.7.2008 – 3 U 2/07; siehe auch Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 9.89; Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 9.91. 418 BGH 11.1.2007 – I ZR 198/04, GRUR 2007, 795 Tz. 18 – Handtaschen; BGH 12.7.2001 – I ZR 40/99, GRUR 2002, 86, 88 – Laubhefter; ebenso BGH 29.4.1966, GRUR 1966, 617, 618 – Saxophon; OLG Hamburg 24.7.2008 – 3 U 2/07; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 9.89; Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 9.91. 419 BGH 24.1.2013 – I ZR 136/11, GRUR 2013, 951 f. Tz. 11 – Regalsysteme; ebenso BGH 17.7.2013 – I ZR 21/12, GRUR 2013, 1052, 1053 Tz. 12 – Einkaufswagen. 420 BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 455 – TCM-Zentrum. 421 OLG Düsseldorf 12.1.2010 – I-20 U 155/09, Tz. 19. 422 OLG Düsseldorf 12.1.2010, a.a.O.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

verlangt wird, dass der Antrag die relevanten Verbotsmerkmale auch konkret benennt. 138

(bb) Seitenblick auf die Rechtsprechung des X. Zivilsenats zu „Fotokopieranträgen“ (hierzu auch Rn. 90 und 336). Die vorstehende Kritik liegt im Übrigen genau auf der Linie der Rechtsprechung des X. Zivilsenats in Patentsachen, die dieser in der Entscheidung „Baumscheibenabdeckung“ artikuliert hat.423 Dort hatte das OLG Hamburg im Tenor die angegriffene Ausführungsform – entgegen der üblichen Praxis – mit einer Abbildung zu konkretisieren versucht.424 Der BGH hat demgegenüber in der Revision entschieden, dass ein solcher Antrag grundsätzlich (seiner Formel nach) nicht bestimmt sei, weil man nicht erkennen könne, welche technischen Merkmale denn für das Verbotsurteil, also für die Subsumtion unter den Patentanspruch, maßgeblich seien. Nur weil sich aus den Gründen ergebe, warum der Kläger die angegriffene Ausführungsform für patentverletzend erachtet und damit das erstrebte Verbot mit Blick auf diese Patentverletzung begründet, ergebe sich die Bestimmtheit des Antrages.425 Das ist genau auf der Linie des BGH zum ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz, belegt aber wiederum, dass der Antrag nicht die Tragweite des Verbots erkennen lässt, was aus Sicht des BGH nach den grundlegenden Prämissen zur Bestimmtheitsprüfung eigentlich erforderlich wäre.

(f) Erfordert die Bestimmtheit die bestimmte Aufnahme der Verbotsmerkmale in den Antrag? Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass Bestimmtheit für praktische Zwecke auch herstellbar ist, wenn sich die Verbotsmerkmale erst unter Heranziehung der vom Kläger für die Begründetheit des Antrages angegebenen Gründe ergeben. Es geht nicht um die Bestimmtheit der Antragsformel, sondern um die Bestimmtheit des begehrten Verbots; das ist das Rechtsschutzziel. Das ist der oben dargestellte Grundsatz, dass die Bestimmtheitsanforderungen nach § 253 Abs. 3 Nr. 2 ZPO der Bestimmung des Streitgegenstandes dienen (oben Rn. 74) und der Antrag der Auslegung zugänglich ist (oben Rn. 81 ff.) und korreliert ferner mit dem Grundsatz, dass es für die Bestimmtheit des Unterlassungsurteils (als Zwangsvollstreckungsvoraussetzung) auf den im Lichte der Gründe auszulegenden Tenor ankommt.426 Die Urteilsformel muss also nicht per se bestimmt sein, sondern es ist die Bestimmtheit der tenorierten Verbotsnorm zu ermitteln. Gleiches gilt für die Ermittlung des Gegenstandes der Entscheidung, insbesondere der sachlichen Grenzen der Rechtskraft.427 Wenn es anders wäre, wenn man tatsächlich die Anforderungen, die teilweise an die Bestimmtheit des Antrages im Erkenntnisverfahren gestellt werden, auch für die Bestimmtheit des Vollstreckungstitels fordern wollte, so wären viele Unterlassungstitel tatsächlich nicht vollstreckbar. Es ist allerdings sicherlich das Erstrebenswerte und die entsprechende Mühe sollte 140 man dem Kläger auch grundsätzlich abverlangen, diese Merkmale auch in den Antragswortlaut zu gießen (hierzu auch oben Rn. 89 und 334 ff.). Die Anforderungen hieran sollte man jedoch nicht überspannen. Als praktisch sinnvoller Mittelweg bietet sich deshalb der abstrakte Einleitungsteil eines auf die konkrete Verletzungshandlung 139

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423 BGH 25.10.2005 – X ZR 136/03, GRUR 2006, 311 – Baumscheibenabdeckung. 424 OLG Hamburg 4.9.2003 – 3 U 67/01, MittdtschPatAnw 2004, 417. 425 BGH 25.10.2005 – Baumscheibenabdeckung, a.a.O. Tz. 8–10; hierzu Haedicke/Timmann/Zigann § 11 Rn. 111 f. 426 Hierzu ausführlich Rn. 824 ff. 427 BGH 21.2.2012 – X ZR 111/09, GRUR 2012, 485 Tz. 11 – Rohrreinigungsdüse II: „[…] zur Auslegung der Urteilsformel, d.h. zur Klärung, wieweit über den erhobenen Anspruch entschieden worden ist, sind Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils heranzuziehen.“

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

gerichteten Antrages an. Es wurde bereits gesagt, dass der BGH aus diesem Teil keine dem Kläger nachteiligen Schlüsse für die Bestimmtheit zieht, weil sich der Antrag auf die konkrete Verletzungsform richtet. Der BGH räumt aber ausdrücklich ein, dass dieser Antragsteil die Funktion hat, die kerngleichen Abwandlungen zu benennen. Damit hat der abstrakte Einleitungsteil aber keine andere Funktion, als die Verbotsmerkmale tatsächlich zu präzisieren und damit den Umfang des Rechtsschutzbegehrens zu definieren. Rein praktisch nimmt der BGH durch diese Ausgestaltung lediglich den ohnehin nicht zu erfüllenden Druck vom Kläger, hier eine vollständige und genaue Formulierung vorzulegen und schafft dem Kläger mehr Freiheit durch Ausschluss der oft rigiden Bestimmtheitsanforderungen für abstrahierende Anträge. Da hiermit aber kerngleiche Abwandlungen und damit der Umfang der Verbotsnorm bestimmt werden, kann man jedoch meines Erachtens nicht vollständig auf die Bestimmtheitsanforderungen verzichten. Zweck ist es ja gerade, für eine mögliche Zwangsvollstreckung aus einem entsprechend tenorierten Titel mit Bestimmtheit zu klären, was dem Schuldner verboten ist. Diese Bestimmtheitsanforderungen an das gerichtliche Verbot müssen sich nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sogar an Art. 103 Abs. 2 GG messen lassen und auch die Ermittlung des Schutzbereichs anhand der Kernbereichslehre darf nicht zur Unbestimmtheit des Verbots führen (dazu Rn. 825). Man wird hier aber weniger streng sein können als bei einem rein abstrahierenden Antrag. Das muss dann aber damit korrelieren, dass der Umfang eines solchen Verbotstenors im Vollstreckungsverfahren enger sein muss als der eines rein abstrahierenden Antrages. Dabei kann als Richtschnur gelten, dass dem abstrakten Einleitungsteil umso mehr an Gewicht für die Bestimmung des Umfangs der Verbotsnorm beizulegen ist, je konkreter und bestimmter er gefasst ist. bb) Alternative Klagehäufung unbestimmt („TÜV I“-Rechtsprechung) (1) Problemstellung. Die Problematik der alternativen Klagehäufung betrifft den 141 Fall, dass der Kläger einem einzigen einheitlichen Antrag mehrere Klagegründe zugrunde legt. Mit seinem vielbeachteten Hinweisbeschluss „TÜV I“428 hat der BGH entschieden, dass die alternative Klagehäufung wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig ist, sofern es sich um unterschiedliche Klagegründe im Sinne unterschiedlicher Streitgegenstände handelt. Der Kläger könne dem Gericht nicht mehrere Streitgegenstände zur Auswahl stellen, auch wenn diese auf ein „einheitliches Klagebegehren“ gestützt werden.429 Der eigentlich relevante Sachpunkt dieser Entscheidung ist aber nicht so sehr die 142 Befassung mit der Frage nach der Zulässigkeit der alternativen Klagehäufung, sondern mit der Vorfrage, ob und inwiefern bei einem einheitlichen Antrag unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen können, weil der Kläger trotz des einheitlichen Antrages unterschiedliche Verbotsnormen mit unterschiedlichem Umfang begehrt. Die ganze Argumentation um die „TÜV I“-Rechtsprechung kann deshalb nicht losgelöst von diesem eigentlichen Kern betrachtet werden. Genau an diesem Punkt setzt dann auch die neuere Rechtsprechung des BGH in „Biomineralwasser“430 und „Branchenbuch Berg“431 an.

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BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56, 59 ff. = GRUR 2011, 521 – TÜV I. BGH 24.3.2011 – TÜV I, a.a.O. Tz. 11. BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 24 – Biomineralwasser. BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 Tz. 12 – Branchenbuch Berg.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

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(2) Allgemeine zivilprozessuale Praxis zur Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung. Außerhalb des Wettbewerbsrechts war es bereits lange Zeit ständige Rechtsprechung und herrschende Auffassung, dass die alternative Klagehäufung nicht den Bestimmtheitserfordernissen genügt. Ist das geltend gemachte Rechtsschutzziel also zwar einheitlich, wird es aber etwa auf ein originäres eigenes Recht und alternativ auf einen zedierten Anspruch, der dem Kläger vor einem Dritten abgetreten worden sei, oder gar auf ein fremdes Recht, dass in eigenem Namen geltend gemacht wird (gewillkürte Prozessstandschaft), gestützt, so kann der Kläger nicht offenlassen, in welcher Reihenfolge er diese unterschiedlichen Streitgegenstände entschieden haben will (Eventualverhältnis).432 Ferner muss der Kläger, wenn er einen bezifferten Antrag auf mehrere Klagegründe stützt, gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angeben, wie sich die geltend gemachte Gesamtsumme betragsmäßig auf die verschiedenen prozessualen Ansprüche verteilt, oder zumindest die Reihenfolge bestimmen, in welcher die Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme gefordert werden.433 Diese Rechtsprechung ist insbesondere bei der Teilleistungsklage von Bedeutung.434 Wäre eine alternative Klagehäufung zulässig, würden sich unüberwindbare Schwierigkeiten bei der Festlegung des Streitgegenstandes und damit zusammenhängend bei Fragen der materiellen Rechtskraft und der Verjährung ergeben. 144 Diese Lösung überzeugt grundsätzlich. Wenn der Antrag und der Grund des erhobenen Anspruchs bestimmt sein müssen, kann nicht bei einer Teilleistungsklage offen bleiben, in welcher Reihenfolge die prozessualen Ansprüche dem Gericht zur Entscheidung gestellt werden. Denn dann würde letztlich das Gericht selbst entscheiden, über welchen Streitgegenstand es entscheiden will. Die Entscheidung, welchen Streitgegenstand das Gericht nun zuerst prüft, würde aber letztlich willkürlich getroffen werden. Darin liegt der sachliche Kern der Begründung der Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung. (3) Behandlung der alternativen Klagehäufung im Wettbewerbsprozess vor „TÜV I“ 145

(a) Praxis und Schrifttum vor „TÜV I“. Demgegenüber ging die Praxis im Wettbewerbsrecht früher überwiegend von der Zulässigkeit der alternativen Klagehäufung aus.435 Nach dieser Auffassung konnte also das Gericht die Klage nur dann abweisen, wenn es das Vorliegen aller zur Entscheidung gestellter „Klagegründe“ verneint hatte, wohingegen für eine Verurteilung die Bejahung eines der mehreren Klagegründe ausreichend war, den sich das Gericht wiederum aussuchen konnte. Dies führte dazu,

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432 BGH 27.11.2013 III ZR 371/21, BeckRS 2014, 01621. 433 BGH 22.5.1984 – VI ZR 228/82, NJW 1984, 2346; BGH 19.4.2012 – III ZR 224/10, NZG 2012, 711, 712; BGH 17.7.2008 – IX ZR 96/06, NJW 2008, 3142, 3143; BGH 19.6.2000 – II ZR 319/98, NJW 2000, 3718, 3719; BGH 8.12.1989 – V ZR 174/88, NJW 1990, 2068, 2069; BGH 22.5.1984, NJW 1984, 2346, 2347; BGH 3.12.1953, BGHZ 11, 192, 194, 197; Zöller/Greger § 260 Rn. 5; Saenger/Saenger § 260 Rn. 14 f.; Wieczorek/Schütze/ Assmann § 260 Rn. 23 f. 434 BGH 17.7.2008 – IX ZR 96/06, NJW 2008, 3142, 3143; BGH 9.10.2006 – II ZR 193/05, ZIP 2007, 79, 80; BGH 18.11.1993, BGHZ 124, 164, 166; BGH 8.12.1989, NJW 1990, 2068, 2069; BGH 22.5.1984, NJW 1984, 2346, 2347. 435 BGH 12.11.2009 – I ZR 183/07, GRUR 2010, 642 Tz. 15, 17 – WM-Marken (Anspruch auf mehrere Marken gestützt, Klage jedoch abgewiesen); BGH 5.11.2008 – I ZR 39/06, GRUR 2009, 766 Tz. 9 – Stofffähnchen (ebenfalls Geltendmachung mehrerer Marken, jedoch Klageabweisung in der Revisionsinstanz); BGH 28.6.2007 – I ZR 132/04, GRUR 2008, 258 Tz. 9 ff. – INTERCONNECT/ T-InterConnect; BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 455 – TCM-Zentrum.

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

dass unter Umständen nicht alle Klagegründe beschieden werden mussten.436 Mit den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen war diese Praxis nicht vereinbar.437 (b) Rechtfertigung des Ansatzes in der Literatur. Zur Rechtfertigung der Zuläs- 146 sigkeit der alternativen Klagehäufung im Wettbewerbsrecht wurde teilweise vertreten, dass die weiteren Klagegründe unter der auflösenden Bedingung des Erfolgs eines Klagegrundes gestellt seien.438 Dem hatte Schwippert zu Recht entgegengehalten, dass das letztlich nur eine dogmatische Beschreibung des Vorgangs sei, also eigentlich nur heuristischen Wert habe. Damit werde aber nicht die Frage beantwortet, weshalb das Gericht im Fall alternativer Klagehäufung berechtigt ist, sich selbst (willkürlich) den Streitgegenstand auszusuchen, den es zuerst prüft.439 Nach der Ansicht Schwipperts kann man letztlich die Zulässigkeit der alternativen Klagehäufung nur mit den Besonderheiten der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage begründen. Diese zeichne sich gegenüber anderen Rechtsbereichen dadurch aus, dass die „Ansprüche auch bei unterschiedlichem Streitgegenstand zu einem verbal identischen Inhalt führen“. Ferner sei der den Streitgegenständen zugrunde liegende Lebenssachverhalt jeweils derselbe und der Verbotstenor erzeuge eine „identische Wirkung“.440 Nach anderer vielfach (vor „TÜV I“) vertretener Auffassung konnte man die Zuläs- 147 sigkeit der alternativen Klagehäufung letztlich schon aus prozessökonomischen Gründen nicht in Zweifel ziehen.441 Prozessökonomisch soll das wohl deshalb sein, weil es erstens für den Kläger besonders einfach ist, wenn sich das Gericht aus mehreren Klagegründen selbst denjenigen aussucht, der Erfolg hat, und nicht der Kläger selbst eine Auswahl treffen muss, welcher von mehreren Klagegründen erfolgsversprechender ist. Zweitens kann das Gericht denjenigen Anspruch wählen, aufgrund dessen das einheitliche Klagebegehren am einfachsten zu bejahen ist, so dass hinsichtlich der weiteren Streitgegenstände kein weiterer Begründungsaufwand mehr erforderlich wird. Läge eine kumulative Klagehäufung vor, so müsste das Gericht über all diese Ansprüche entscheiden. Bei einer Eventualklage, bei der die Streitgegenstände im Hilfsverhältnis stehen, müsste das Gericht möglicherweise mehr prüfen als erforderlich, wenn die Klage erst nach einem der Hilfsanträge erfolgreich wäre. Demgegenüber hätte es sich im Falle einer alternativen Klagehäufung direkt den zweiten Anspruch – den Hilfsanspruch bei der Eventualklage – herausgreifen können. Götz hat im Hinblick auf die zivilprozessuale Judikatur außerhalb des Wettbewerbs- 148 rechts die Auffassung vertreten, dass diese nur von der Unzulässigkeit von Alternativanträgen, nicht von der Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung schlechthin ausgehen würde.442 Solche Alternativanträge seien aber im Wettbewerbsprozess nicht gegeben, wenn der Antrag die Unterlassung einer genau beschriebenen Verletzungshandlung verlange, so dass die allgemeine zivilprozessuale Judikatur nach der Ansicht von Götz wohl gar nicht im Widerspruch zur Judikatur des I. Senats steht, da diese nur von der Zulässigkeit verschiedener Klagegründe für denselben bestimmten Antrag aus-

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436 Vgl. Bergmann GRUR 2009, 224, 225. 437 Ebenso Schwippert FS Loschelder (2010) 345, 346 f. 438 Scholz GRUR-Prax 2010, 141; Bergmann GRUR 2009, 224, 225; Götz GRUR 2008, 401, 407 f.; Köhler/ Bornkamm, 28. Aufl. (2010), § 12 Rn. 2.23a; ebenso OLG Köln 25.9.2009 – 6 U 66/09, GRUR-RR 2010, 202 – Rotes Sparbuch für Gewinner. 439 Schwippert FS Loschelder (2010) 345, 353. 440 Schwippert a.a.O. S. 354. 441 Scholz GRUR Prax 2010, 141, 142; v. Ungern-Sternberg GRUR 2009, 1009, 1014; Fezer/Büscher § 12 Rn. 286; Köhler/Bornkamm 28. Aufl. (2010), § 12 Rn. 2.23a. 442 Götz GRUR 2008, 401, 407.

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geht. In diese Richtung muss man wohl auch die Ausführungen von v. Ungern-Sternberg verstehen. Danach stehe es dem Kläger frei, mit seinem Antrag die Verhaltensweise als konkrete Verletzungsform zu umschreiben.443 Ergehe aufgrund eines solchen einheitlichen Klagebegehrens, mit dem das Verbot eines bestimmten Verhaltens als solches verlangt wird, ein antragsgemäßes Unterlassungsurteil, so sei jedenfalls die Wiederholung des untersagten Verhaltens in unveränderter Form verboten,444 so dass sich die Frage unterschiedlicher Streitgegenstände und damit der alternativen Klagehäufung nicht stellt. Im gleichen Atemzug sagt v. Ungern-Sternberg aber, dass die Frage, inwieweit auch Abwandlungen „als kerngleich“ erfasst seien, sich danach richten würde, aus welchem der vom Kläger genannten unterschiedlichen Klagegründen heraus die Verurteilung erfolgt sei.445 149

(c) Entwicklung in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Dem waren allerdings in den letzten Jahren nicht alle Oberlandesgericht gefolgt. Unter Bezugnahme auf die allgemeine prozessuale Judikatur hatte sich deshalb in den letzten Jahren ein Schisma in der Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte herausgebildet,446 wonach etwa die Oberlandesgerichte München, Düsseldorf und Hamm solche alternative Klagehäufungen für nicht zulässig erachteten,447 wohingegen etwa die Oberlandesgerichte Köln und Hamburg448 weiter von der Zulässigkeit derselben ausgingen. (4) BGH „TÜV I“

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(a) Die Entscheidung. Im Hinweisbeschluss „TÜV I“ hat der BGH grundlegend entschieden, dass es nicht mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar ist, dem Gericht die Auswahl des richtigen Streitgegenstandes zu überlassen. Der I. Zivilsenat hat dabei der Konkordanz mit der sonstigen Rechtsprechung im Zivilprozessrecht den Vorzug vor einem Sonderweg für die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage gegeben. Die Situation ist nach Auffassung des BGH im Wettbewerbsrecht nicht anders als in den oben beschriebenen Fällen der Teilleistungsklage. Andernfalls sei es für den Beklagten bis zur Verurteilung unklar, welche Reichweite das erstrebte Verbot haben wird. Mit der Auswahl eines aus mehreren Streitgegenständen entscheide das Gericht nämlich gleichzeitig über die Reichweite des Verbots.449 Dies zeigt sich nach dem BGH besonders drastisch in dem Fall, in dem der Klage mehrere Schutzrechte zugrundegelegt wurden, da das Erlöschen nur eines Schutzrechts das Verbot unberührt lässt, wenn das Gericht die Verurteilung auf mehrere Schutzrechte gestützt hatte, wohingegen das Verbot gegenstandslos wird, wenn nur aufgrund der Verletzung eines Schutzrechtes verurteilt worden war, welches jetzt erloschen ist.450 Nichts anderes gilt für das Verbot einer „bestimmten Werbung“, die unter mehreren Aspekten angegriffen wurde: Das, was der Beklagte an der beanstandeten Werbung ändern muss, beurteilt sich gerade danach, worauf, also auf welchen Kla-

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443 v. Ungern-Sternberg GRUR 2009, 1009, 1017 f. 444 v. Ungern-Sternberg a.a.O. S. 1018. 445 v. Ungern-Sternberg a.a.O. S. 1018; ebenso Bergmann GRUR 2009, 224, 225. Vgl. dazu auch oben Rn. 126. 446 Vgl. Schwippert FS Loschelder (2010) 345, 347. 447 OLG Düsseldorf 2.10.2008 – I-7 U 82/07; OLG Hamm 3.8.2009 – 8 U 237/07; OLG München 23.1.2003 – 29 U 4096/02, ZUM 2003, 505, 506; OLG München 25.4.2002 – 29 U 3717/01, NJOZ 2002, 2265. 448 OLG Hamburg 21.9.2011 – 5 U 164/08; OLG Köln 25.9.2009 – 6 U 66/09, GRUR-RR 2010, 202 – Rotes Sparbuch für Gewinner. 449 BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 = GRUR 2011, 521 Tz. 10 – TÜV I. 450 BGH 24.3.2011 – TÜV I, a.a.O. Tz. 10, 11.

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gegrund, die Verurteilung gestützt wurde. Die Reichweite des Verbots der Wahl des Gerichts zu überlassen, ist nicht mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar.451 Man könnte natürlich argumentieren, dass es für den Beklagten keine Rolle spielen 151 kann, ob er erst mit Verkündung des Urteils erfährt, welche Reichweite das Verbot hat, da er aufgrund der Klage von vornherein damit rechnen musste, dass das Urteil auf jeden oder eben auch auf alle dem Gericht angebotenen Streitgegenstände gestützt werden kann.452 Insofern ergänzt der BGH seine Begründung aber dahin, dass es für den Beklagten klar sein muss, gegen welchen dieser Streitgegenstände er seine Rechtsverteidigung in erster Linie zu richten hat, wie er also seine Verteidigung angemessen priorisiert.453 Weiter greift der BGH auf den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit zurück. Denn der Kläger würde bei Zulässigkeit der alternativen Klagehäufung keinerlei Kostenrisiko tragen, selbst wenn nur einer von mehreren Streitgegenständen das Verbot materiell-rechtlich tragen kann, wohingegen der Beklagte in allen Punkten obsiegen muss, um der Kostentragungslast zu entgehen.454 (b) Bewertung der „TÜV I“-Rechtsprechung. Der „TÜV“-Entscheidung kann man mit Blick auf § 253 ZPO nur zustimmen.455 Wenn unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen, so muss der Kläger angeben, ob diese kumulativ zur Entscheidung gestellt werden, ob er also ein Verbot gestützt auf alle (und damit letztlich mehrere Verbote) erreichen will. Dann muss das Gericht auch alle prüfen und die Klage teilweise abweisen, falls nur ein prozessualer Anspruch begründet ist. Entscheidet sich der Kläger für ein Eventualverhältnis, so ist die Klage teilweise abzuweisen, falls einer der vorrangig zur Entscheidung gestellten Anträge nicht begründet ist. Ebenfalls zutreffend ist, dass es nicht der Willkür der Gerichte überlassen sein kann, welcher Streitgegenstand geprüft wird und welcher nicht. Diese Auswahl muss vielmehr der Kläger treffen, indem er die Reihenfolge (kumulativ oder eventual) festlegt, in der die Streitgegenstände zu prüfen sind. Die Argumentation, wonach der Beklagte wissen müsse, wie er sich zur verteidigen habe, ist allerdings in der Tat nicht ganz überzeugend, weil er das auch bei einer alternativen Klagehäufung weiß. Aufgrund des klägerischen Vorbringens ist nämlich klar, dass eine Verurteilung nach allen Streitgegenständen in Betracht kommt.456 Der eigentliche Fehler in der gesamten Argumentation in diesem Kontext liegt aber in der Verwendung des Begriffs des „einheitlichen Klagebegehrens“, den auch der BGH im „TÜV I“-Beschluss verwendet.457 Gemeint ist damit der Sache nach, dass ein einheitlicher Antrag auf verschiedene Begründungen gestützt wird. Gerade auf dieses Verständnis stützen sich die Befürworter der Zulässigkeit der alternativen Klagehäufung in ihren Begründungen, insbesondere Götz,458 der darauf abstellt, dass nur Alternativanträge unzulässig seien, da dann eben mehrere Klagebegehren vorliegen würden, nicht aber die alternative Klagehäufung per se, so dass also ein einheitlicher Antrag auf verschiedene Klagegründe gestützt werden könne.459 Diese Prämisse trägt aber nicht, weil es sich

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451 BGH 24.3.2011 – TÜV I, a.a.O. Tz. 10. 452 So Schwippert FS Loschelder (2010) 345, 353; v. Ungern-Sternberg GRUR 2011, 486, 492; Teplitzky GRUR 2011, 1091, 1094. 453 BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56, 59 ff. = GRUR 2011, 521 Tz. 11 – TÜV I. 454 BGH 24.3.2011 – TÜV I, a.a.O., ebenso Teplitzky GRUR 2011, 1091, 1094. 455 Ebenso Büscher GRUR 2012, 16; Teplitzky GRUR 2011, 1091, 1094. 456 Vgl. Nachweise in Fn. 452. 457 BGH 24.3.2011 – TÜV I, a.a.O. Tz. 6 und erster Leitsatz. 458 Götz GRUR 2008, 401. 459 Götz GRUR 2008, 401, 407, siehe dazu auch Rn. 148.

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trotz des definitionsgemäß identischen Antragswortlauts gerade nicht um ein „einheitliches Klagegebegehren“ handelt. Denn das Klagebegehren ist das Rechtsschutzbegehren, also das begehrte Verbot. Dieses ist aber gerade nicht einheitlich, wenn das Verbot je nach Lebenssachverhalt, auf den es sich stützt, einen unterschiedlichen Regelungsgehalt und vor allem Regelungsumfang aufweist. Lebenssachverhalt meint hier das jeweilige Schutzrecht bzw. bei wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen die unterschiedlichen Sachverhaltsaspekte, aufgrund derer eine Handlung als wettbewerbswidrig eingeordnet wird. Der einheitliche Antrag kann also nichts daran ändern, dass aufgrund der unterschiedlichen Rechtsschutzbegehren und der daraus resultierenden unterschiedlichen Regelungsgehalte der Verbote auch mehrere Klagebegehren vorliegen. Wenn der Kläger also einen einheitlichen Antrag stellt und diesen mit Verwirklichung des § 4 Nr. 9 einerseits und gestützt auf ein gewerbliches Schutzrecht oder ein Urheberrecht andererseits begründet, liegen darin stets mehrere Klagebegehren im Sinne mehrerer Rechtsschutzbegehren bezüglich verschiedener Verbote mit verschiedenen Regelungsgehalten. Zwar erkennen auch die Befürworter der alternativen Klagehäufung genau das. So schreibt Schwippert, dass sich im Zwangsvollstreckungsverfahren der unterschiedliche Schutzumfang des Verbots bei der Frage auswirke, welche Abwandlungen vom Verbot noch erfasst sind, da die „verbal identischen Verbotsaussprüche materiell-rechtlich unterschiedlich verankert sind“. Je nach zugrunde gelegter Norm sei die Frage nach dem Schutzumfang unterschiedlich zu beantworten.460 Inkonsequent und nicht überzeugend ist es aber gerade deshalb, wenn Schwippert gleichzeitig schreibt, dass die Ansprüche „verbal identischen Inhalt“ hätten, der Verletzungssachverhalt derselbe sei und der Verbotstenor eine „jeweils identische Wirkung erzeuge“.461 Insofern sagt v. Ungern-Sternberg an sich zu Recht, dass sich die Reichweite des Ver156 bots bei Verurteilung aus nur einem Streitgegenstand von der aus mehreren „lediglich bei der Frage [unterscheidet], ob das rechtskräftig gewordene Verbot auch bei Abwandlungen des im Tenor bezeichneten Verhaltens eingreift“.462 Der Zusatz „lediglich“ ist allerdings unzutreffend, denn bei der Frage, welche Abwandlungen von der im Tenor bezeichneten Handlung noch erfasst sind, handelt es sich gerade um die Kernfrage des Verbots. Ein Verbot ist nämlich nur dann bestimmt, wenn es die Abgrenzung von erlaubten und verbotenen Handlungsweisen zulässt (so auch die Grundlagen zur Bestimmtheit, vgl. oben Rn. 80 ff.). Hinsichtlich dieser Abgrenzung unterscheiden sich aber die erstrebten Verbote und zwar per definitionem, weil eben unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen. Dies erkennt wohl auch v. Ungern-Sternberg, indem er weiter unten ausführt, dass die alternative Klagehäufung gegen ein bestimmtes Verhalten nicht immer der Königsweg sei, weil die Feststellung, welche Handlungen als kerngleich mitverboten sind, davon abhänge, auf welche Schutzrechte die gerichtliche Entscheidung gestützt wird.463 Die Begründung des BGH in „TÜV I“ ist daher an diesem Punkt vollständig überzeugend. 157

(5) Sachliche Aufgabe der „TÜV I“-Rechtsprechung für das Lauterkeitsrecht durch die Entscheidungen „Biomineralwasser“ und „Branchenbuch Berg“. Im Anschluss an die „TÜV I“-Rechtsprechung hatte sich eine Diskussion darüber entwickelt, ob man mit dem „kleinteiligen Streitgegenstandsbegriff“ praktisch noch zu Recht kom-

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460 Schwippert FS Loschelder (2010) 345, 349; ebenso v. Ungern-Sternberg GRUR 2011, 486, 492; Bergmann GRUR 2009, 224, 225. 461 Schwippert a.a.O. S. 354. 462 v. Ungern-Sternberg GRUR 2011, 486, 492. 463 v. Ungern-Sternberg GRUR 2011, 486, 492 f.

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me, wenn nach dem Urteil „TÜV I“ die alternative Klagehäufung nicht mehr zulässig ist. Streng genommen handelt es sich also nicht um die Frage der Bestimmtheit, sondern um die konzeptionell vorgelagerte Frage des Streitgegenstandbegriffes, die systematisch deshalb auch an jener Stelle in der Kommentierung behandelt wird (vgl. unten Rn. 229 ff.). Gleichwohl kann man beide Fragen nur begrenzt trennen. Wie aufgezeigt, kommt man und kommt der BGH in „TÜV I“ zur Frage der Zulässigkeit der alternativen Klagehäufung, wenn man annimmt, dass ein auf ein Verbot einer konkreten Verletzungshandlung (etwa eine einheitliche Werbung, wie sie vom BGH in „TÜV I“ angenommen wird) gerichtetes Rechtsschutzbegehren überhaupt je nach Beanstandung mehrere Streitgegenstände begründen kann, dass also verschiedene Beanstandungen derselben historischen Verletzungshandlung unter verschiedenen materiellen Aspekten unterschiedliche „Klagegründe“ im Rechtssinne begründen können. Das ist auch genau die Grundannahme der Entscheidung „TÜV I“, die wie oben dargelegt für das Recht des unlauteren Wettbewerbs auf den unterschiedlichen Umfang der Verbotsnorm gemünzt ist. Die Kernaussage von „TÜV I“ ist insofern: „Mit dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist aber nicht zu vereinbaren, dass die Reichweite des Verbots der Wahl des Gerichts überlassen bleibt.“464 Diese Kernaussage von „TÜV I“ ist durch „Biomineralwasser“465 und „Branchen- 158 buch Berg“466 jedoch revidiert worden (hierzu unten Rn. 214 ff., 245 und 262 ff.). In beiden Entscheidungen geht der BGH davon aus, dass bei einem auf die konkrete Verletzungshandlung gerichteten Verbotsantrag nur ein einheitlicher Streitgegenstand vorliegt, weil es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um einen einheitlichen Lebenssachverhalt (die Verletzungshandlung) handelt. Das gelte unabhängig davon, ob die Handlung, etwa ein Werbeschreiben in der Entscheidung „Branchenbuch Berg“, unter unterschiedlichen materiellen Aspekten beanstandet werde. Im entschiedenen Fall ging es um zwei selbständige Irreführungstatbestände in einem einheitlichen Werbeschreiben, zum einen um die Verschleierung eines neuen Vertragsschlusses durch die Suggestion, es gehe für den Adressaten um die Verlängerung eines bestehenden Vertragsverhältnisses, und zum anderen durch die Preisangabe nach Monaten aufgeschlüsselt um eine Irreführung darüber, dass tatsächlich ein jährlicher Betrag fällig wird. Hier kann das Gericht sich also aussuchen, auf welchen der materiellen Gründe es das Verbot des konkreten Werbeschreibens stützen will. Wenn es aber, wie oben aufgezeigt, auch weiterhin gilt, wogegen nichts in den Entscheidungen des BGH spricht, dass auch das auf die konkrete Verletzungshandlung gerichtete Unterlassungsurteil kerngleiche Abwandlungen erfasst (hierzu Rn. 860 ff., Rn. 117 ff., Rn. 130 ff.), dann hat das Verbotsurteil einen anderen Umfang, je nachdem auf welche materielle Beanstandung das Verbot gestützt wird. Damit überließe man in der Sache die Reichweite des Verbots der Auswahl des Gerichts. Es ist also die Kernaussage der „TÜV I“-Entscheidung durch die Urteile „Biomineralwasser“ und „Branchenbuch Berg“ revidiert. Das wird auch durch die Begründung des „TÜV I“-Beschlusses bestätigt, wenn 159 man sich diese genauer ansieht. Der grundlegende Fall, der die Bestimmtheit des auf die konkrete Verletzungshandlung bezogenen Antrages bejaht und die Auswahl der materiellen Beanstandung dem Gericht überlässt, ist nämlich die Entscheidung „TCM-Zentrum“. In „TÜV I“ ordnet der BGH diesen Fall als einen solchen ein, in dem er in der Vergangenheit die alternative Klagehäufung für zulässig erachtet hat, was jetzt nicht mehr

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BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 = GRUR 2011, 521 Tz. 10 a.E. – TÜV I. BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 24 – Biomineralwasser. BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 Tz. 12 – Branchenbuch Berg.

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möglich sein soll.467 Tatsächlich hat sich der BGH in „TCM-Zentrum“ aber gar nicht ausdrücklich mit der entscheidenden Vorfrage befasst, ob überhaupt verschiedene Streitgegenstände vorliegen. Der BGH hat das in „TÜV I“ deshalb angenommen, weil je nach Auswahl der materiellen Beanstandung als Basis des gerichtlichen Verbots sich die Reichweite desselben nach der Kernbereichslehre ändert und deshalb aus Sicht des BGH in „TÜV I“ dort verschiedene Klagegründe im Rechtssinne vorliegen. Das soll aber nach „Biomineralwasser“ gerade nicht mehr gelten. Im Ergebnis ist es rein praktisch so, dass sich für das Lauterkeitsrecht die Frage der 160 alternativen Klagehäufung nicht mehr stellen kann, weil diese sich nur dann stellt, wenn sich ein einheitlicher Antrag auf verschiedene materielle Beanstandungen stützt. Das ist aber nach „Biomineralwasser“ wegen des einheitlichen Lebenssachverhalts der konkreten Verletzungshandlung jetzt immer ein Streitgegenstand. 161 Der BGH hat in „Biomineralwasser“ allerdings die Aufgabe von „TÜV I“ für das Lauterkeitsrecht nicht angesprochen. Im Gegenteil. Die Prämisse scheint gerade die Unabänderlichkeit dieser Linie zu sein. Weil man die alternative Klagehäufung für unzulässig erachtet, sei es aus praktischen Gründen erforderlich, den kleinteiligen Streitgegenstandsbegriff aufzugeben. Das ist allerdings, wie gerade aufgezeigt, eine rein formale Begriffslogik. In der Sache wird „TÜV I“ aufgegeben. Es ist kein Zeichen überzeugender juristischer Argumentation, sich auf rein formale Positionen zurückzuziehen und die Sachpunkte der Argumentation damit zu verschleiern. Im Übrigen ist ein solcher Paradigmenwechsel auf ganz unterschiedlichen, aber funktional untrennbar zusammenhängenden Ebenen innerhalb eines Zeitraums von etwa einem Jahr mit der für die höchstrichterliche Rechtsprechung so wichtigen Kontinuität nur schwer verträglich und für die Praxis unbefriedigend. d) Bestimmtheit bei abstrahierenden Anträgen 162

aa) Methodische Grundfragen. Von der konkreten Verletzungshandlung abstrahierende Anträge dienen nach allgemeiner Meinung dazu, den materiellen Unterlassungsanspruch dadurch in seiner Breite voll auszuschöpfen, dass der Antrag nicht nur die konkrete Verletzungshandlung erfasst, sondern zudem alle Handlungen, in denen das für die konkrete Verletzungshandlung Charakteristische zum Ausdruck kommt. Letztlich geht es hier also darum, die konkrete Verletzungsform im Sinne des hier verwendeten Sprachgebrauchs richtig zu fassen, also die Aufgabe zu leisten, die bei zutreffender Annahme das Ziel der Antragsfassung nach dem Bestimmtheitsgrundsatz sein muss, nämlich im Antrag und im Tenor die Aspekte zu benennen, die für den Subsumtionsschluss tragend sind. Antrag und Tenor stellen sich insofern als Extrakt der Begründung dar, die die wesentlichen Umstände, die das Verbot tragen, benennen.468 Wie bereits oben gesagt, ist der wesentliche Teil dieser Aufgabe aber nicht beim Bestimmtheitsgebot verortet, sondern beim materiell-rechtlichen Konkretisierungsgebot. Der Antrag kann bestimmt sein, aber nicht alle Merkmale der konkreten Verletzungsform enthalten und deshalb unbegründet sein.

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bb) Fallgruppen der BGH-Rechtsprechung. Welchen Anforderungen die Konkretisierung des Unterlassungsantrages genügen muss, lässt sich aber nur unter Berücksichtigung des jeweils einschlägigen materiellen Rechts und der Besonderheiten des Einzel-

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BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 = GRUR 2011, 521 Leitsätze und Tz. 8 – TÜV I. Vgl. Thomas/Putzo/Reichold § 313 Rn. 8; Zöller/Vollkommer § 313 Rn. 8.

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falls festlegen.469 Es ist im Einzelfall eine Abwägung des schützenswerten Interesses des Beklagten an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit mit dem ebenfalls schützenswerten Interesse des Klägers an einem effektiven Rechtsschutz vorzunehmen.470 Dabei lässt es sich nicht ganz vermeiden, dass das Vollstreckungsgericht bei der Klärung, ob ein Verstoß im Einzelfall vorliegt, selbst Wertungen vornehmen muss.471 Folgende Fallgruppen lassen sich dabei nach der Systematik des BGH unterscheiden. (1) Keine Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe innerhalb des Kerns der 164 mit dem Verbot begehrten Regelung. Der BGH hat festgestellt, dass Anträge, die auslegungsbedürftige Formulierungen wie „nach Farbe, Form, Abmessungen, Gesamtaussehen zu Verwechslungen geeignet“,472 „Anzeigen der nachfolgend eingeblendeten Art“,473 dem Klagezeichen „zum Verwechseln ähnliches Kennzeichen“,474 „ähnlich wie“,475 „andere verwechslungsfähige Bezeichnungen“476 enthalten, grundsätzlich unbestimmt sind und daher nicht verwendet werden dürfen, sofern sie den Kern der mit dem Verbot begehrten Regelung betreffen.477 Grund hierfür ist, dass es für den Beklagten eine nicht erträgliche Unsicherheit bedeuten würde, wenn die zu unterlassenden Handlungen nur ihrer Art nach entsprechend charakterisiert würden und wenn demgemäß erst das Vollstreckungsgericht entscheiden müsste, wie weit das Unterlassungsgebot reicht.478 (a) Verwendeter Begriff liegt außerhalb des Kerns der mit dem Verbot begehrten Regelung (aa) Inhalt und Bedeutung zwischen den Parteien nicht in Streit. Allerdings 165 kann auch der Gebrauch von Begriffen, deren Bedeutung nicht abschließend feststeht und nicht immer gleich sein muss, hinnehmbar oder im Interesse einer sachgerechten Titulierung zweckmäßig oder sogar geboten sein, wenn im Einzelfall über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe oder Bezeichnungen kein Zweifel besteht.479 So sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Formulierungen wie „Behauptungen ähnlichen In-

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469 BGH 4.7.2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 – Zugabenbündel; jeweils zur immissionsrechtlichen Unterlassungsklage BGH 5.2.1993, BGHZ 121, 248, 251; BGH 30.10.1998, BGHZ 140, 1, 3; sowie v. Ungern-Sternberg FS Geiß (2000) 2655, 2659. 470 BGH 24.2.2005 – I ZR 128/02, GRUR 2005, 604, 605 – Fördermittelberatung; BGH 4.9.2003 – I ZR 23/01, BGHZ 156, 126, 131 = GRUR 2004, 151 – Farbmarkenverletzung I; BGH 4.7.2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 – Zugabenbündel. 471 BGH 4.7.2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 – Zugabenbündel; BGH 12.7.2001 – I ZR 40/99, GRUR 2002, 86, 88 – Laubhefter; BGH 9.10.1986, GRUR 1987, 172, 174 – Unternehmensberatungsgesellschaft I. 472 BGH 12.7.2001 – I ZR 40/99, GRUR 2002, 86, 88 – Laubhefter. 473 BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453 – TCM-Zentrum. 474 BGH 23.6.1994, BGHZ 126, 287, 295 f. = GRUR 1994, 844, 845 – Rotes Kreuz. 475 BGH 16.7.1998, GRUR 1999, 235, 237 – Wheels Magazine; BGH 11.10.1990, BGHZ 122, 16, 18 = GRUR 1991, 254 – Unbestimmter Unterlassungsantrag I. 476 BGH 13.7.1979, GRUR 1979, 859, 860 – Hausverbot II; BGH 3.4.1963, GRUR 1963, 430, 431 – Erdener Treppchen. 477 Siehe auch Rn. 86 f. 478 BGH 12.7.2001 – I ZR 89/99, GRUR 2002, 72, 73 – Preisgegenüberstellung im Schaufenster; BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453,455 – TCM-Zentrum; BGH 5.6.1997, GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III. 479 BGH 10.2.2011 – I ZR 164/09, GRUR 2011, 936 Tz. 17 – Double-opt-in-Verfahren; BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453,455 – TCM-Zentrum; BGH 5.6.1997, GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; vgl. auch Teplitzky Kap. 51 Rn. 8b m.w.N. in Fn. 51–54.

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halts“,480 „im geschäftlichen Verkehr“481 oder „warenzeichenmäßiger Gebrauch“482 oder „markenmäßig“483 für zulässig erachtet worden, weil die verwendeten Begriffe, obwohl sie an sich auslegungsfähig und damit mehrdeutig sind, im konkreten Fall nach Inhalt und Bedeutung nicht umstritten waren und damit ihr Sinngehalt und die Reichweite von Antrag und Urteil festgestanden hätten. 166

(bb) „Theoretische Randfrage“. Es kommt dabei maßgeblich darauf an, ob die benutzten Begriffe sich auf den Kern der mit dem begehrten Verbot zu treffenden Regelung beziehen, oder nur auf eine mehr oder weniger theoretische Randfrage.484 In der Entscheidung „Zugabenbündel“485 wurde beispielsweise die Benutzung des Begriffs „Warenbeigabe“, welcher gleichbedeutend mit dem gesetzlichen Begriff der „Zugabe“ (Zugabeverordnung) ist, als hinreichend bestimmt erachtet. Dieser gesetzliche Begriff ist zwar in Randbereichen auslegungsbedürftig, betraf aber im zu entscheidenden Fall nicht den Kern des Rechtsstreit. Überdies war der Begriff „Warenbeigabe“ durch die besonderen Umstände des Einzelfalles konkretisiert: Die erfassten Warenbeigaben hatten sich schon deshalb von der Hauptware unterschieden, weil es sich bei letzteren um Waren aus dem Sortiment des beklagten Apothekers gehandelt hatte, also regelmäßig um Arzneimittel. Aus diesem Begründungsmuster des BGH wird meines Erachtens aber deutlich, dass Sachverhalte, bei denen genau dieser Aspekt nicht zutrifft und bei denen sich dann tatsächlich ein Streit über die Qualität als Warenbeigabe entzünden würde, anders zu beurteilen sein könnten. 167 Auf dieser Linie hat der BGH in einem anderen Fall auch die Formulierung „im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Verbraucher anzurufen“ unbeanstandet gelassen, weil zwischen den Parteien nicht streitig war, dass die Beklagte bei Anrufen, die sie getätigt hatte, um die Angerufenen zur Teilnahme an einem LottoSystem zu bewegen, in diesem Sinne im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken gehandelt hatte. Ferner kann der Begriff auch ansonsten in der Rechtsprechung im Wesentlichen als geklärt erachtet werden. 486 Zu der Frage, ob auch über das Angebot zur Teilnahme am Lotto-System hinaus jegliche Anrufe zu Wettbewerbszwecken verboten werden könnten, hat sich der BGH in diesem Fall dahingehend geäußert, dass dies nicht eine Frage der Bestimmtheit des Klageantrages, sondern eine solche des materiellen Konkretisierungsgebots sei. Anhand diesem müsse das Vorliegen der Wiederholungsgefahr und der Umfang des Unterlassungsanspruchs bestimmt werden (dazu bereits oben Rn. 110). Im entschiedenen Fall wurde der Antrag für begründet erachtet, weil nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 nicht entscheidend sei, für was mit dem Telefonanruf geworben wird, sondern lediglich, dass es sich um einen unverlangten Werbeanruf gegenüber einem Verbraucher handle.487 In diesem Sinne hat der BGH ferner in der Entscheidung „Gesetzeswiederholende Un168 terlassungsanträge“ die Verwendung des Begriffs „werben“ nicht als unbestimmt ange-

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480 RG 2.12.1932, GRUR 1933, 253 – Bärstangensicherung. 481 BGH 22.12.1961, BGHZ 36, 252 = GRUR 1962, 310, 313 – Gründerbildnis. 482 BGH 26.5.1988, GRUR 1988, 776, 777 – PPC. 483 BGH 12.7.1990, GRUR 1991, 138 – Flacon. 484 BGH 4.7.2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 – Zugabenbündel; BGH 12.7.2001 – I ZR 89/99, GRUR 2002, 72, 73 – Preisgegenüberstellung im Schaufenster; BGH 15.12.1999, GRUR 2000, 337 – Preisknaller; vgl. auch Teplitzky Kap. 51 Rn. 8b m.w.N. in Fn. 57. 485 BGH 4.7.2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 – Zugabenbündel. 486 BGH 5.10.2010 – I ZR 46/09, GRUR 2011, 433 Tz. 10, 18 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung. 487 BGH 5.10.2010 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung, a.a.O. Tz. 11, 27.

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sehen.488 Es ist im Allgemeinen nicht zweifelhaft, ob eine Maßnahme als Werbung anzusehen ist oder nicht. Darüber hinaus bestand im entschiedenen Fall über diese Frage kein Streit. Nicht unbestimmt wird der Tenor ferner dadurch, dass im Tenor selbst „beispielhaft“ bestimmte Verletzungshandlungen angeführt werden. Dadurch wird der Antrag nicht auf „ähnliche“ Verletzungshandlungen erstreckt, sondern es wird, wie bei einem „insbesondere“-Antrag, vom allgemeinen Verbotsantrag auf die konkret beanstandeten Verletzungsformen verwiesen, in denen das Charakteristische des begehrten Verbots zum Ausdruck kommt, ohne dass der Antrag darauf beschränkt wäre.489 Abgegrenzt hat der BGH hiervon die Fälle, in denen der Kern des Streits der Parteien gerade die Frage der Werbung betraf, also etwa die Fälle der redaktionellen Werbung, wie im Fall „Faltenglätter“.490 Im Gegensatz zur Entscheidung „Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge“ hat der BGH in diesem Urteil festgestellt, dass es gerade eine Frage des Einzelfalls sei und nicht im Allgemeinen feststehe, ob redaktionelle Werbung vorliege oder nicht. Zudem fehlte bei der Formulierung „die inhaltlich Werbung sind“, eine Konkretisierung, anhand welcher deutlich wurde, dass nur unzulässig getarnte Werbung vom Verbot umfasst sein sollte.491 Ebenso hat der BGH in der Entscheidung „Unbestimmter Unterlassungsantrag I“ in einem Fall redaktioneller Werbung die Formulierung des Verbots der Veröffentlichung der Anzeigen Dritter „ähnlich wie“ die konkrete Anzeige für unbestimmt und damit unzulässig gehalten.492 In der Entscheidung „Herz-Kreislaufstudie“ hat der BGH die Verwendung des Begriffs „redaktionell gestaltete Anzeige“ in Anwendung dieser Grundsätze nur für solche Anträge als unbestimmt eingeordnet, bei denen es dem Kläger gerade um ein Verbot redaktioneller Werbung ging.493 In denjenigen Anträgen, bei denen sich der Unterlassungsanspruch auf einen Verstoß gegen heilmittelwerberechtliche Vorschriften stützte, war die Verwendung dieser Formulierung hingegen unschädlich, weil wegen des auf das HWG gestützten Angriffs davon auszugehen war, dass die Formulierung nur der näheren Umschreibung der konkreten Verletzungsform diente.494 Wenn man die eben genannten Entscheidungen zum Begriff des „Werbens“ bzw. der „redaktionellen Werbung“ vergleicht, liegt also in der Rechtsprechung des BGH zumindest eine einheitliche Linie dergestalt vor, dass der Begriff des „Werbens“ allgemein geklärt ist. Steht also nicht gerade in Streit, ob eine Handlung als Werben einzuordnen ist, so ist die Verwendung dieses Begriffes im Antragswortlaut unproblematisch. Geht es hingegen gerade um das Verbot einer „redaktionellen Werbung“, so ist dies eine Einzelfallfrage, die stets einer Konkretisierung bedarf, weil ansonsten ein abstrakter Obersatz, um dessen Verwirklichung die Parteien gerade streiten, tenoriert würde.

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488 BGH 24.11.1999, GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge. 489 BGH 3.4.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702, 704 – Internetversteigerung III. 490 BGH 18.2.1993, GRUR 1993, 565 – Faltenglätter. 491 BGH 18.2.1993 – Faltenglätter, a.a.O. S. 566; bestätigt durch BGH 24.11.1999, GRUR 2000 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH 1.2.1996, GRUR 1996 502, 507 – EnergiekostenPreisvergleich; vgl. auch LG Hamburg 4.12.2009 – 324 O 338/09; KG Berlin 12.4.1991 – 5 U 5945/89; Köhler WRP 1998, 349, 356; Gröning WRP 1993, 685, 692 f. 492 BGH 11.10.1990, BGHZ 122, 16, 18 = GRUR 1991, 254, 256 – Unbestimmter Unterlassungsantrag I; ebenso BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008 702 Tz. 26 – Internetversteigerung III; BGH 7.6.2001 – I ZR 115/99, GRUR 2002 177, 178 – Jubiläumsschnäppchen; BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001 453, 454 – TCM-Zentrum; BGH 16.7.1998, GRUR 1999 235, 238 – Wheels Magazine; OLG Hamburg 8.5.2003 – 5 U 175/ 02, GRUR-RR 2004, 46 – Rexona; zustimmend Ahrens GRUR 1995 307, 317 f.; a.A. OLG Hamm 15.11.1988, WRP 1989, 260, 261. 493 BGH 9.11.2000 – I ZR 167/98, GRUR 2001 529, 531 – Herz-Kreislaufstudie. 494 BGH 9.11.2000 – Herz-Kreislaufstudie, a.a.O. S. 531.

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(b) Ausnahmen zur Gewährung eines wirksamen Rechtsschutzes (aa) Rechtsprechung. Ausnahmen vom Grundsatz, dass unbestimmte Begriffe im Kernbereich der mit dem Verbot begehrten Regelung nicht zulässig sind, hat der BGH zugelassen, sofern das zu Gewährung eines wirksamen Rechtsschutzes für den Kläger erforderlich ist.495 So hatte der Kläger in der Entscheidung „Zugabenbündel“496 die Erstreckung des 174 Verbots von den konkret benannten Zugaben zur Hauptware (Arzneimittel) auf „ähnliche Gegenstände“ begehrt, die „im Bündel aus der Sicht des Verkehrs einen Wert von mehr als 1 DM“ hatten. Das hat der BGH für zulässig gehalten, weil ansonsten das Verbot durch den Austausch der Werbebeigabe der Art nach zu leicht umgangen werden könnte. Das Urteil wäre andernfalls für den Kläger praktisch wertlos gewesen, da er bei jeder Umgehung durch den Beklagten nochmal neu hätte klagen müssen. Effektiver Rechtsschutz wäre so nicht zu gewähren gewesen.497 Auf dieser Linie hat der BGH in der Entscheidung „Direktansprache am Arbeits175 platz“ entschieden, dass ein Unterlassungsantrag dergestalt formuliert werden dürfe, dass es der Beklagten untersagt wurde, „Mitarbeiter der Klägerin erstmals und unaufgefordert an ihrem betrieblichen Arbeitsplatz zum Zweck der Abwerbung mit einem Telefongespräch anzusprechen, das über eine erste Kontaktaufnahme hinausgeht“.498 Zwar hat der BGH konzediert, dass die Formulierung „nicht über eine erste Kontaktaufnahme hinausgeht“ auslegungsbedürftig ist, gleichzeitig aber festgestellt, dass die Urteilsgründe selbst eine Vielzahl von Kriterien für die Auslegung des Begriffs vorgeben würden, die sich nicht allein nach der Zeitdauer des Anrufs richten würden.499 Eine weitere Konkretisierung, die alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls einbezogen hätte, war der Klägerin nach der Auffassung des BGH im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes nicht zuzumuten. Ebenso wie im Fall „Zugabenbündel“ wäre ein Antrag, der jeweils nach den Besonderheiten des festgestellten Einzelfalls formuliert werden würde, für den Kläger praktische ohne Nutzen, weil sich all diese Umstände des Einzelfalls nicht wiederholen würden.500 Der Kläger müsste also wiederum jeden konkreten Einzelfall neu einklagen, was zu Lasten eines wirksamen Rechtsschutzes gehen würde. Daher ist es nach Meinung des BGH in solchen Fällen in Kauf zu nehmen, dass das Vollstreckungsgericht Wertungen vorzunehmen hat und prüfen muss, ob neue Verstöße tatsächlich noch vom Unterlassungstenor erfasst sind.501 Die Rechtsverteidigung des Beklagten und sein schützenswer173

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495 Vgl. BGH 4.11.2010 – I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Tz. 13 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; BGH 5.10.2010 – I ZR 46/09, GRUR 2011, 433 Tz. 10– Verbotsantrag bei Telefonwerbung; BGH 9.7.2009 – I ZR 13/07, GRUR 2009, 977 Tz. 22 – Brillenversorgung; BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 16 – Telefonwerbung für „Individualverträge“; BGH 24.2.2005 – I ZR 128/02, GRUR 2005 604, 605 – Fördermittelberatung; BGH 9.9.2004 – I ZR 93/02, GRUR 2005 443, 445 f. – Ansprechen in der Öffentlichkeit II; BGH 4.3.2004 – I ZR 221/01, BGHZ 158, 174, 186 = GRUR 2004 696, 699 – Direktansprache am Arbeitsplatz I; BGH 4.7.2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002 1088, 1089 – Zugabenbündel; BGH 12.7.2001 – I ZR 40/99, GRUR 2002 86, 88 – Laubhefter; Teplitzky Kap. 51 Rn. 8 (mit kritischen Einschränkungen); Teplitzky LMK 2005 60, 61 (gleichfalls einschränkend); Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.36. 496 BGH 4.7.2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088 – Zugabenbündel. 497 BGH 4.7.2002 – Zugabenbündel, a.a.O. S. 1089. 498 BGH 4.3.2004 – I ZR 221/01, BGHZ 158, 174 = GRUR 2004, 696 – Direktansprache am Arbeitsplatz I. 499 BGH 4.3.2004 – Direktansprache am Arbeitsplatz I, a.a.O. S. 699. 500 BGH 4.3.2004 – Direktansprache am Arbeitsplatz I, a.a.O. S. 699. 501 BGH 4.3.2004 – Direktansprache am Arbeitsplatz I, a.a.O.; ebenso BGH 4.7.2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 – Zugabenbündel.; BGH 12.7.2001 – I ZR 40/99, GRUR 2002, 86, 88 – Laubhefter; BGH 14.10.1999, BGHZ 142, 388, 391 ff. = GRUR 2000, 228, 229 – Musical-Gala; BGH 9.10.1986, GRUR 1987, 172, 174 – Unternehmensberatungsgesellschaft I; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.26; Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 63 a.E.

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tes Interesse an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen werden dadurch nicht unzumutbar beeinträchtigt.502 Warum Letzteres nicht der Fall ist, hat der BGH allerdings in keinem der Fälle begründet. In diesem Sinne hat der BGH auch einige Monate später in „Ansprechen in der Öf- 176 fentlichkeit II“503 entschieden. In dieser Fallgruppe ist es unter der Ägide des neuen UWG nicht per se als unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 gewertet worden, wenn der Werbende von vornherein eindeutig als solcher erkennbar ist.504 Mit der Zurückverweisung, die erfolgte, um der Klägerin mit Blick auf die neue Rechtslage Gelegenheit zur Antragsanpassung zu geben, hat der BGH dem Berufungsgericht mit auf den Weg gegeben, dass ein Antrag, der darauf abstellt, ob der Werbende eindeutig als solcher erkennbar ist, nicht als unbestimmt gewertet werden könne. Wenn in Fällen dieser Art auf die Besonderheiten des Einzelfalls in der Tenorierung abgestellt werden müsste und der Schutzbereich des Verbots entsprechend begrenzt sei, wäre der Unterlassungstitel für den Kläger in aller Regel nutzlos, weil sich die konkrete Situation so kaum mehr wiederholen werde. Es sei deshalb zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes hinzunehmen, dass das Vollstreckungsgericht Wertungen vornehme, also prüfe, ob im Einzelfall der Werbende als solcher erkennbar sei oder nicht. Die Rechtsverteidigung des Beklagten würde damit nicht unzumutbar beeinträchtigt.505 Auf dieser Linie liegt auch die neuere Rechtsprechung des BGH zur Tenorierung 177 bei Störerhaftung und den damit verbundenen Prüfpflichten, wie sie unlängst in der Entscheidung „File-Hosting-Dienst“506 zum Ausdruck gekommen ist, auch wenn sich der BGH dort nicht ausdrücklich auf die vorgenannte Entscheidungslinie beruft. Das mutet prima facie zwar eigentümlich an, deutet aber bereits darauf hin, dass in dieser neueren Rechtsprechung eine neue Kategorie zu sehen ist. Der I. Zivilsenat hält in einer lang etablierten Rechtsprechung an einer aus § 1004 Abs. 1 BGB hergeleiteten Störerhaftung neben einer Haftung aus Täterschaft und Teilnahme (Anstiftung oder Beilhilfe, vgl. § 830 Abs. 2 BGB) fest, wohingegen der X. Zivilsenat sich dahingehend geäußert hat, dass die Störerhaftung neben derjenigen der fahrlässigen Nebentäterschaft entbehrlich sei.507 Die Störerhaftung wurde in den letzten Jahren im Wesentlichen bei den Verletzungen von Marken und Urheberrechten im Kontext des Internets relevant. Mit Blick auf die Störerhaftung ist es anerkannt, dass diese die Verletzung von Prüfpflichten voraussetzt, um die Haftung nicht „über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben.“508 Der Umfang dieser Pflichten ermittelt sich nach der Rechtsprechung allgemein nach dem Zumutbarkeitsprinzip und wird für Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG auch durch die Privilegierung nach § 7

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502 BGH 4.3.2004 – I ZR 221/01, BGHZ 158, 174, 186 = GRUR 2004, 696, 699 – Direktansprache am Arbeitsplatz I. 503 BGH 9.9.2004 – I ZR 93/02, GRUR 2005, 443 – Ansprechen in der Öffentlichkeit II. 504 BGH 9.9.2004 – Ansprechen in der Öffentlichkeit II, a.a.O. S. 445 sub c) vor 4. 505 Teplitzky hat in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung, LMK 2005, Nr. 60 sub 2., allerdings zurecht darauf hingewiesen, dass die Zurückverweisung im entschiedenen Fall nicht erforderlich war, weil der vom BGH geforderte Antrag als Minus in dem gestellten Antrag ohne weitere erkennbar war und eine weitere Gestaltungsmöglichkeit im entschiedenen Fall gerade nicht bestand. 506 BGH 15.8.2013 – I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 Tz. 56 ff. – File-Hosting-Dienst. 507 BGH 7.9.2009 – Xa ZR 2/08, GRUR 2009, 1142 f. Tz. 38 – MP3 Player Import. Bei Delikten, die auch fahrlässig begangen werden können, sei es letztlich unerheblich, ob man den wegen einer pflichtwidrigen Förderung oder Ermöglichung einer unmittelbaren Handlung Verantwortlichen als Täter oder Störer bezeichne. Die Unterscheidung mit Blick auf die Schadensersatzverpflichtung, die es nach der Rechtsprechung zur Störerhaftung dort nicht gibt hingegen bei der täterschaftlichen Haftung zu bejahen wäre, war im entschiedenen Fall nicht entscheidungserheblich. 508 Vgl. etwa BGH 15.8.2013 – I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 Tz. 30 – File-Hosting-Dienst.

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Abs. 1 Satz 1 TMG im Sinne der Verneinung einer allgemeinen, anlassunabhängigen Prüfpflicht überlagert. In den hier jeweils zur Entscheidung stehenden Fällen ist also regelmäßig eine Sachverhaltsprüfung nötig, bei der die Verfügbarkeit technischer Mittel zur Identifizierung von bestimmten rechtsverletzenden Handlungen Dritter, etwa das Hochladen eines urheberrechtsverletzenden Werkes zum Download für Dritte, im Mittelpunkt steht. 178 Der BGH hat hierzu unlängst in „File-Hosting-Dienst“ entschieden, dass es der Bestimmtheitsgrundsatz nicht erfordere, dass sich die konkreten Sorgfalts- und Prüfpflichten aus dem Tenor ergeben.509 Es sei ausreichend, wenn aus dem Tenor hervorgeht, dass die Verurteilung sich auf Störerhaftung stützt, was im entschiedenen Fall durch die Verwendung des Begriffs „öffentlich zugänglich machen zu lassen“ ausreichend geschehen sei. Die Entscheidungsgründe müssten sich in diesem Fall allerdings „zentral mit den Prüf- und Handlungspflichten des Störers befassen“, um den formalen Anforderung nach § 547 Nr. 6 ZPO an die Begründung des Unterlassungstenors zu genügen.510 Im Übrigen ließe sich im Erkenntnisverfahren nicht näher präzisieren, was dem Beklagten zuzumuten sei, weil künftige Verletzungen in ihrer Gestalt „nicht konkret abzusehen sind“. Die Verlagerung des Streits mit Blick auf diesen Punkt in das Vollstreckungsverfahren sei nicht zu vermeiden, „wenn nicht der auf einen durchsetzbaren Unterlassungsanspruch zielende Rechtsschutz geopfert werden soll“.511 Der BGH beruft sich hierfür in „File-Hosting-Dienst“ zwar auf die Entscheidung „Internetversteigerung III“. Dort hatte der I. Zivilsenat aber lediglich angemerkt, dass es unschädlich sei, dass die konkreten Prüfmaßnahmen, nämlich dass die Beklagte die Markenverletzungen in einem vorgeschalteten Filterverfahren und eventuell anschließender manueller Kontrolle mit zumutbarem Aufwand erkennen konnte, nicht tenoriert waren, weil sich diese auch ohne ausdrückliche Aufnahme in den Tenor hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen ergeben hätten.512 Das heißt aber gerade nicht, dass die Prüfpflichten insgesamt erst im Vollstreckungsverfahren geprüft, sondern im Gegenteil, dass die konkreten Prüfpflichten bereits im Erkenntnisverfahren festgestellt würden und es lediglich formal nicht erforderlich war, diese auch zu tenorieren. Auch die weitere Bezugnahme auf den ähnlich gelagerten Fall „Alone in the Dark“ gibt zur Stützung des vom BGH in „File-Hosting-Dienst“ formulierten Grundsatzes nichts her. Der I. Zivilsenat äußert sich in den angegebenen Passagen513 nicht zu dieser Frage der Tenorierung oder Klärung im Vollstreckungsverfahren. Im Gegenteil: In „Alone in the Dark“ hatte der BGH noch festgestellt, dass der dortige Antrag („auf sonstige Art und Weise öffentlich zugänglich zu machen, zu verbreiten und/oder wiederzugeben oder diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen“) die „konkrete Verletzungsform verfehle“, weil hier auf eine täterschaftliche Handlung abgestellt und nicht der für die Störerhaftung maßgebliche Tatbeitrag, das Speichern der von Dritten rechtswidrig angebotenen Programme, in Bezug genommen werde.514 Das hat der BGH in „File-Hosting-Dienst“ ohne Begründung abweichend gesehen. Man muss insofern von einer sehr weitgehenden Neuorientierung der BGH-Rechtsprechung im Kontext der Störerhaftung und der damit verbundenen Prüfpflichten ausgehen, die die durch den Bestimmtheitsgrundsatz zu

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509 510 511 512 513 514

BGH 15.8.2013 – I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 – File-Hosting-Dienst. BGH 15.8.2013 – File-Hosting-Dienst, a.a.O. Tz. 13. BGH 15.8.2013 – File-Hosting-Dienst, a.a.O. Tz. 21. BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702, Tz. 27, 53 – Internetversteigerung III. BGH 15.8.2013 – File-Hosting-Dienst, a.a.O. Tz. 13 ff. BGH 12.7.2012 – I ZR 18/11, GRUR 2013, 370, 373 Tz. 43 – Alone in the Dark.

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

wahrende Trennung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren insofern dezidiert und explizit aufhebt. Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass der BGH sich in den soeben be- 179 sprochenen Entscheidungen regelmäßig auch auf die Entscheidung „Musical Gala“ beruft.515 Dort wird in der Tat auch im Kontext der Bestimmtheit der Topos der Gewährung wirksamen Rechtsschutzes adressiert. Es ging im entschiedenen Fall aber nur um die Frage, ob es mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar ist, im Tenor auf eine Anlage Bezug zu nehmen, die mit dem Urteil nicht fest verbunden ist, im entschiedenen Fall, einer Urheberrechtssache, ein Video. Das hat der BGH bejaht. Diese Frage hat allerdings mehr mit praktischen Anforderungen zu tun und nicht mit der Frage der Aufteilung der Kognitionskompetenz zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren, wie es das vornehmliche und hier adressierte Ziel des Bestimmtheitsgrundsatzes ist. (bb) Stellungnahme. Diese Rechtsprechungslinie ist differenziert zu bewerten. Tep- 180 litzky hat bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um besondere Ausnahmefälle handeln muss, weil anderenfalls materielle Billigkeitserwägungen zu Lasten des Beklagten zu weit Platz zu greifen drohen. Für die Fälle der Direktansprache am Arbeitsplatz und des Ansprechens in der Öffentlichkeit ist eine solche zulässige Ausnahme ebenso zu bejahen wie für die Konstellation, die der BGH in „Zugabenbündel“ adressiert hat. Das liegt daran, dass in diesen Fällen die maßgeblichen materiellen Wertungen, die die Streitentscheidung bestimmen, vom Erkenntnisgericht getroffen wurden. Auch wenn die Frage, was unter erster Kontaktaufnahme zu verstehen ist, im Ein- 181 zelfall zu beantworten und daher in der Regel auslegungsbedürftig ist, nimmt das Vollstreckungsgericht dabei dennoch keine eigenständige materielle Prüfung vor. Es wendet vielmehr die Aspekte an, die das Erkenntnisgericht in seine Wertungen hat einfließen lassen und aufgrund derer die konkrete Verletzungshandlung als wettbewerbswidrig eingeordnet wurde. Tauchen weitere Aspekte in neuen Sachverhaltskonstellationen auf, deren Einfluss auf die Bewertung der Entscheidung des Prozessgerichts unklar erscheint, so liegt darin ein neuer Streitgegenstand, der auch durch die Verwendung des auslegungsbedürftigen Begriffs nicht als mitentschieden angesehen werden kann. Die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, in der es eine Verletzung ablehnt, bedeutet deshalb auch nicht, dass dieses Verhalten jetzt zulässig ist, sondern lediglich, dass es nicht vom Unterlassungsurteil, also vom Subsumtionsschluss des Prozessgerichts, erfasst ist. Dem Gläubiger bleibt es dann unbenommen, ein neues Erkenntnisverfahren einzuleiten. Anderes gilt für die Fälle der Störerhaftung in Gestalt der Entscheidung „File- 182 Hosting-Dienst“. In den genannten Fällen ist es gerade die entscheidende materielle Frage, wieweit die Prüfpflichten gehen und ob die beklagte Partei diesen im jeweiligen Fall gerecht geworden ist. Wenn man dies dem Vollstreckungsverfahren überantwortet, dann heißt das nichts anderes, als die Trennung vollständig aufzugeben. Das Vollstreckungsgericht müsste dann für ganz neue Konstellation prüfen, ob und wann die Grenzen der Zumutbarkeit erreicht sind. Das kann nicht überzeugen. Eine solche Prüfung ist im Erkenntnisverfahren vorzunehmen, das darauf verfahrenstechnisch eingerichtet ist, nicht im Vollstreckungsverfahren. Es ist in den entschiedenen Fällen also nicht anders wie sonst: Dem Beklagten wird sein Tatbeitrag verboten, also das Bereithalten der entsprechenden Programme auf seinen Servern. Es liegt dann am Beklagten, durch das Ergreifen neuer Maßnahmen einerseits einen neuen Streitgegenstand zu etab-

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BGH 14.10.1999 – I ZR 117/97, BGHZ 142, 388, 391 = GRUR 2000, 228 – Musical Gala.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

lieren und andererseits materiell den Prüfpflichten gerecht zu werden. Das ist nicht anders wie auch bei den Irreführungsfällen, etwa durch die Aufnahme zusätzlicher Hinweise. Die Frage ist also, wann durch die Änderung des Lebenssachverhalts ein neuer Streitgegenstand etabliert wird und so durch das Ergreifen weiterer Maßnahmen ein neues Erkenntnisverfahren erforderlich wäre. Das ist dann der Fall, wenn sich durch die Maßnahmen in Anbetracht der Gründe des Urteils eine abweichende materielle Einordnung seitens des Erkenntnisgerichts als möglich erweist (hierzu Rn. 111, 347 ff., 589, 625, 854 ff.). Wenn also die Prüfung des Erkenntnisgerichts ergeben hat, dass die Prüfung nur bestimmter Linksammlungen nicht ausreicht, um den Prüfpflichten gerecht zu werden, sondern dass darüber hinaus auch die Prüfung allgemeiner Suchmaschinen wie Google erforderlich ist, dann muss eine entsprechende Änderung vorgenommen werden. Wenn daraufhin aber allgemeine Suchmaschinen einbezogen werden, so kann es nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts sein, zu prüfen, durch welche Maßnahmen genau der Vollstreckungsschuldner seine materiellen Verpflichtungen erfüllt. Das wäre dann zum Gegenstand eines neuen Erkenntnisverfahrens zu machen. Das ist auch nicht unpraktikabel oder unüblich. Diese Situation ergibt sich in jedem Verfahren, in dem die Änderung des angegriffenen Verhaltens betroffen ist. In Patentverletzungssachen etwa ist das ein ganz üblicher Vorgang. Eine andere Frage ist es, ob der Kläger die Möglichkeit hat, einen abstrahierenden Antrag zu stellen, der über die konkrete Verletzungsform hinausgeht, und ob das konkrete Unterlassungsbegehren nicht deutlich enger zu verstehen ist als noch vor „Biomineralwasser“ (hierzu Rn. 331 ff., 860 ff.). Im Übrigen ist insofern anzumerken, dass das Erkenntnisgericht die Reichweite der Rechtskraft nicht durch vorsorgliche Anmerkungen zu den Prüfpflichten erweitern kann. Wenn der BGH solche Anmerkungen macht, dann ist das Element seiner Aufgabe als Revisionsgericht, aber es kann nicht als bindend im Sinne der Rechtskraft angesehen werden, wenn der BGH sagt, dass die Prüfung bestimmter Linksammlungen erforderlich wäre. Ob diese dann im Einzelfall wirklich ausreichen oder nicht, ist zu prüfen, wenn sich dieser Sachverhalt tatsächlich streitig stellt. (c) Ausnahme für Bestandteile, die für das Verbot nicht konstitutiv sind (aa) „Ohne eindeutig oder unübersehbar darauf hinzuweisen, dass“. Besonders differenzierend ist die Rechtsprechung im Hinblick auf die Begriffe „eindeutig“, „unübersehbar“ oder „ohne deutlich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass“, sofern diese Begriffe den Kernbereich des Rechtsstreits betreffen. Diese Begriffe sollen in diesem Zusammenhang nämlich nur dann unbestimmt sein, wenn sie als Antrags-/Tenorteil für das Verbot konstitutiv sind. Soll durch diese Begriffe für den Fall einer irreführenden Werbung lediglich klargestellt werden, dass durch einen entsprechenden Hinweis die Irreführung beseitigt werden kann, so soll deren Verwendung möglich sein.516 Das vorstehend Ausgeführte betrifft nach der Rechtsprechung allerdings lediglich 184 die Fälle, bei denen in der konkreten Verletzungshandlung ein solcher Hinweis (etwa auf die Beschädigung der Verpackung oder die Eigenschaft als Webteppich) gänz183

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516 Vgl. BGH 4.10.2007 – I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Tz. 16 – Versandkosten; BGH 4.5.2005 – I ZR 127/02, GRUR 2005, 692, 693 f. – „statt“-Preis; BGH 20.10.1999, GRUR 2000, 619, 620 – OrientTeppichmuster; BGH 15.7.1999, GRUR 1999, 1017, 1018 – Kontrollnummernbeseitigung; BGH 30.10.1997, NJWE-WettbR 1998, 169, 170; BGH 20.2.1992, GRUR 1992, 406 – Beschädigte Verpackung I; BGH 11.10.1990, BGHZ 122, 16, 18 = GRUR 1991, 254, 256 – Unbestimmter Unterlassungsantrag I; BGH 29.9.1978, GRUR 1979 116, 117 – Der Superhit; BGH 7.7.1978, GRUR 1978, 649, 650 – Elbe-Markt; OLG Naumburg 9.9.2010 – 1 U 13/10, WRP 2010, 1567, 1571 – Irreführende Blickfangwerbung; ebenso Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.37 ff.; Harte/Henning/Brüning Vorb. z. § 12 Rn. 88; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 107.

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lich fehlte, so dass nicht darüber gestritten wurde, ob ein Hinweis tatsächlich deutlich und unübersehbar, also rechtlich zur Ausräumung der Irreführungsgefahr geeignet war.517 In diesen Fällen ist die Einschränkung des Antragswortlauts nicht für das Verbot konstitutiv, sondern verdeutlicht lediglich, dass die Werbung nicht per se, sondern nur bei einer Gestaltung ohne entsprechenden Hinweis irreführend ist. Nicht zulässig ist die Verwendung der genannten Begriffe demnach, wenn ein solcher Hinweis tatsächlich vorhanden war, also im Erkenntnisverfahren darüber gestritten wurde, ob der Hinweis in seiner konkreten Ausgestaltung ausreicht oder nicht. (bb) Abstrahierung der konkreten Verletzungshandlung – BGH „vossius.de“, 185 „Dauertiefpreise“, „Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker“, „Erinnerungswerbung im Internet“. Unzulässig ist es nach dem BGH, abstrahierende Antragsformulierungen in den Fällen zu verwenden, in denen es aufgrund einer von der konkreten Verletzungshandlung abstrahierenden Fassung des Antrages zu einer Einbeziehung von erlaubten Verhaltensweisen käme. In der namensrechtlichen Streitigkeit „vossius.de“518 wurde beantragt, die Verwen- 186 dung der Domain vossius.de zu unterlassen. Der BGH hatte den Unterlassungsanspruch nach §§ 5, 15 MarkenG gegen die konkrete Verwendung der Domain wegen bestehender Verwechslungsgefahr bejaht. Der BGH meinte aber, dass dies nicht zwingend die „Aufgabe der Internetdomain“ bedeuten müsse, sondern dass durch mildere Maßnahmen (etwa einem Hinweis auf der ersten Seite) die Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden könnte.519 Diese Einschränkung des Unterlassungsgebots sei im Urteil auszusprechen („… falls nicht dem Benutzer auf der ersten sich öffnenden Internet-Seite der Bekl. deutlich gemacht wird, dass es sich nicht um die Homepage der Kl. handelt“). Zwar sei es grundsätzlich nicht Sache des Gerichts, dem Verletzer Wege aufzuzeigen, die aus dem Verbot herausführen.520 Dies gelte aber nur, wenn das Verbot die konkrete Verletzungsform beschreibe. Wenn es, wie im entschiedenen Fall, abstrakt gefasst sei, müssten derartige Einschränkungen in den Tenor aufgenommen werden, da ansonsten auch erlaubte Verhaltensweisen vom Verbot eingeschlossen würden. Ob diese Linie generell auch für die Fälle der Irreführung im Lauterkeitsrecht gilt, ist unklar geblieben. Für einschlägig gehalten wurde diese Konstellation vom BGH im Anschluss an das 187 Urteile zu „vossius.de“ etwa für die Formulierung „Dauertiefpreise“, weil diese zweideutig sei und bei Klarstellung des Discounterprinzips in der Werbung eine Irreführung ausgeschlossen werden könne.521 Ebenso hat der BGH in Fällen, in denen grundsätzliche gesetzliche Verbote mit Ausnahmetatbeständen versehen sind, etwa für das Rechtsdienstleistungsgesetz522 und das Heilmittelwerbegesetz (zulässige Erinnerungswerbung

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517 Vgl. vorstehende Rspr.-Nachweise; ebenso Ahrens/Jestaedt Kap. 22 Rn. 17 f.; Teplitzky Kap. 51 Rn. 8b; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 106 f. 518 BGH 11.4.2002 – I ZR 317/99, GRUR 2002, 706 – vossius.de. 519 BGH 11.4.2002 – vossius.de, a.a.O. S. 708. 520 BGH 11.4.2002 – vossius.de, a.a.O. S. 708; ebenso BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 25 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH 31.10.2002 – I ZR 132/00, GRUR 2003, 252, 253 – Widerrufsbelehrung IV; BGH 27.6.2002 – I ZR 86/00, GRUR 2002, 1093, 1094 – Kontostandsauskunft; BGH 20.10.1999, GRUR 2000, 619, 620 – Orient-Teppichmuster; BGH 15.7.1999, GRUR 1999, 1017, 1018 – Kontrollnummernbeseitigung; BGH 29.5.1991, GRUR 1991, 861, 862 – Katovit; BGH 16.2.1989, GRUR 1989, 445, 446 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung; BGH 5.5.1983, GRUR 1983 512, 514 – Heilpraktikerkolleg; Harte/Henning/Brüning Vorb. z. § 12 Rn. 108; Teplitzky Kap. 51 Rn. 25. 521 BGH 11.12.2003 – I ZR 50/01, GRUR 2004, 605, 607 – Dauertiefpreise, ebenso Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 7.134. 522 BGH 4.11.2010 – I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Tz. 16 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker.

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ohne Pflichtangaben),523 entschieden. Gleiches hat der BGH für einen Verbotsantrag entschieden, der einem Rechtsanwalt die Verwendung der Bezeichnung „Steuerbüro“ unabhängig von den konkreten Umständen untersagen sollte.524 Dieser Antrag erfasse auch Tatbestände, in denen keine Irreführung vorliege, weil durch konkrete Hinweise darüber aufgeklärt werden könne, dass kein Steuerberater in der Kanzlei tätig ist. Hingegen hatte der BGH den Verbotsantrag mit Blick auf die Verwendung eines Professorentitels im Rahmen der beruflichen Tätigkeit als abstrakten Antrag zugelassen (dazu auch unten Rn. 346), wegen Irreführung für begründet gehalten und den Beklagten darauf verwiesen, im Vollstreckungsverfahren darzutun und zu beweisen, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls keine Irreführung vorliege.525 (2) Gesetzeswiederholende Anträge 188

(a) Grundsätzliches. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Anträge, die den bloßen Wortlaut des Gesetzes wiedergeben, grundsätzlich unbestimmt sind.526 Aber auch im Hinblick auf die Ausnahmen zu diesem Grundsatz hat sich in der Rechtsprechung des BGH eine nahezu unüberschaubare Einzelfallkasuistik entwickelt. So soll ein gesetzeswiederholender Unterlassungsantrag dann zulässig sein, wenn bereits der gesetzliche Tatbestand selbst eindeutig und konkret gefasst527 oder sein Anwendungsbereich durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist.528 Ferner soll ein solcher Antrag dann zulässig sein, wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlautes beanspruche, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiere.529 Die

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523 BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 23 – Erinnerungswerbung im Internet. 524 BGH 18. 10. 2012 – I ZR 137/11, GRUR 2013, 409, 410 Tz. 22. – Steuerbüro. 525 BGH 9.4.1992 – I ZR 240/90, GRUR 1992, 525, 526 Abs. 2 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II. 526 St. Rspr.; vgl. BGH 4.10.2007 – I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Tz. 14 – Versandkosten; BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 – Telefonwerbung für „Individualverträge“; BGH 13.3.2003 – I ZR 143/00, GRUR 2003, 886, 887 – Erbenermittler; BGH 12.7.2001 – I ZR 261/98, GRUR 2002, 77, 78 – Rechenzentrum; BGH 24.11.1999, GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; ebenso Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 2.40; Harte/Henning/Brüning Vorb. z. § 12 Rn. 92; Teplitzky Kap. 51 Rn. 8a; Ahrens/ Jestaedt Kap. 22 Rn. 22. 527 BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 21 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH 4.10.2007 – I ZR 22/05, GRUR 2008, 532 Tz. 16 – Umsatzsteuerhinweis; BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 16 – Telefonwerbung für „Individualverträge“; BGH 12.11.2002 – KZR 16/00, GRUR 2003, 250 – Massenbriefsendungen aus dem Ausland; BGH 16.4.2002 – X ZR 127/99, GRUR 2002 801, 802 – Abgestuftes Getriebe; BGH 29.6.1995, GRUR 1995, 832, 833 – Verbraucherservice; BGH 22.6.1989, GRUR 1989, 835 – Rückkehrpflicht III; OLG München 11.9.2008 – 29 U 3629/08, WRP 2008, 1471, 1473; OLG Hamm 15.8.2006 – 4 U 78/06, MMR 2007, 54; OLG Köln 10.12.1971, GRUR 1972, 370; LG Stuttgart 8.4.2005 – 31 O 24/05 KfH, WRP 2005, 1041; ebenso Ahrens/Jestaedt Kap. 22 Rn. 23; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 112; Teplitzky Kap. 51 Rn. 8a; Brandner/Bergmann WRP 2000, 842, 843 f. 528 BGH 13.1.2011 – I ZR 111/08, GRUR 2011, 345 Tz. 18 – Hörgeräteversorgung II; BGH 9.7.2009 – I ZR 13/07, GRUR 2009, 977 Tz. 27 – Brillenversorgung I; BGH 4.10.2007 – I ZR 22/05, GRUR 2008, 532 Tz. 16 – Umsatzsteuerhinweis; ebenso Ahrens/Jestaedt Kap. 22 Rn. 23; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 112; Teplitzky Kap. 51 Rn. 8a; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.40. 529 BGH 21.12.2011 − I ZR 190/10, NJW 2012, 2276 Tz. 12 – Neue Personenkraftwagen; BGH 7.4.2011 – I ZR 34/09, GRUR 2011 742 Tz. 17 – Leistungspakete im Preisvergleich; BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09, GRUR 2011, 340 Tz. 21 – Irische Butter; BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 21 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH 4.10.2007 – I ZR 22/05, GRUR 2008, 532 Tz. 16 – Umsatzsteuerhinweis; BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 16 – Telefonwerbung für „Individualverträge“; BGH 19.4.2007 – I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 10 – 150% Zinsbonus; BGH 13.3.2003 – I ZR 143/00, GRUR 2003, 886, 887 – Erbenermittler; ebenso Ahrens/Jestaedt Kap. 22 Rn. 23; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 112; Teplitzky Kap. 51 Rn. 8a; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.40.

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Bejahung der Bestimmtheit setzt aber regelmäßig voraus, dass zwischen den Parteien kein Streit darüber besteht, dass das beanstandete Verhalten das fragliche Tatbestandsmerkmal erfüllt.530 (b) BGH Fälle zur Verdeutlichung. Unter welchen Voraussetzungen ausnahmswei- 189 se gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge zulässig sind und wann es beim oben skizzierten Grundsatz bleibt, lässt sich gut anhand eines Vergleichs der BGH Fälle „Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge“ und „Erinnerungswerbung im Internet“ zu § 4 Abs. 1 und Abs. 6 HWG sowie „Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker“ zu § 5 Abs. 1 RDG erläutern: (aa) BGH „Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge“. In dieser Entschei- 190 dung531 hat der BGH einen Antrag, der auf ein Verbot von solcher Werbung für Arzneimittel gerichtet war, welche ohne die Pflichtangaben im Sinne des § 4 Abs. 1 HWG erfolgte, als unbestimmt zurückgewiesen. Das begehrte Verbot war anhand § 4 Abs. 1 und Abs. 4 HWG formuliert, wobei deren Anforderungen nicht vollständig in den Antrag aufgenommen wurden. Die Auslegung des Antrags ergab, dass nicht die in § 4 Abs. 6 HWG geregelten Fälle der Erinnerungswerbung erfasst sein sollten.532 Mit diesem Inhalt war daher der Antrag, der in seinem Hauptteil in keiner Weise mehr von der konkreten Verletzungshandlung ausging, unbestimmt. Die Frage, ob im Einzelfall eine zulässige Erinnerungswerbung vorliegt oder nicht, durfte nicht dem Vollstreckungsgericht überlassen bleiben.533 (bb) BGH „Erinnerungswerbung im Internet“. Mit derselben Frage hat sich der 191 BGH in der Entscheidung „Erinnerungswerbung im Internet“534 auseinander gesetzt. Im Gegensatz zur Entscheidung „Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge“ hat der BGH hier die Bestimmtheit auch mit Blick auf § 4 Abs. 6 HWG bejaht. Die Entscheidung des BGH. Der Kläger hatte im entschiedenen Fall beantragt, der 192 Beklagten im geschäftlichen Verkehr die Werbung für zugelassene Arzneimittel zu verbieten, sofern die gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 3 bis 8 HWG erforderlichen Pflichtangaben fehlten, es sei denn es lag ausschließlich eine Erinnerungswerbung im Sinne des § 4 Abs. 6 HWG vor. Die Tatbestandsmerkmale wurden im Antrag aufgezählt. Der Kläger vertrat dabei die Auffassung, dass die Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 6 HWG die Elemente, die eine zulässige Erinnerungswerbung enthalten dürfe, im Einzelnen abschließend aufzählen.535 Der BGH hat zunächst die Bezugnahme auf die fehlenden Pflichtangaben für 193 hinreichend bestimmt erachtet. Zwischen den Parteien bestehe kein Streit, dass diese Angaben bei der Verletzungshandlung fehlten und es würden durch diese konkrete Normierung auch nicht eine „unüberschaubare Anzahl möglicher Verletzungshandlungen“

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530 BGH 10.2.2011 – I ZR 164/09, GRUR 2011, 936, 937 – Double-opt-in Verfahren; BGH 5.10.2010 – I ZR 46/09, GRUR 2011, 433, 434 Tz. 10 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung; BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749, 751 Tz. 21 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607, 608 f. – Telefonwerbung für „Individualverträge“; OLG Hamm 16.10.2007 – 4 U 91/07, WRP 2008, 254, 256 – Lust auf Werbung?; ebenso Ahrens/Jestaedt Kap. 22 Rn. 23; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 112; Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 65; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.40. 531 BGH 24.11.1999, GRUR 2000, 438 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge. 532 BGH 24.11.1999 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge, a.a.O. S. 441. 533 BGH 24.11.1999 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge, a.a.O. 534 BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 – Erinnerungswerbung im Internet. 535 BGH 29.4.2010 – Erinnerungswerbung im Internet, a.a.O. Tz. 23.

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erfasst. Soweit sich aus der Entscheidung „Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge“ etwas anderes ergeben würde, wurde daran nicht festgehalten.536 In jenem Fall hatte der BGH sich aber in den tragenden Gründen nur auf die fehlende Bestimmtheit wegen des Bezuges auf § 4 Abs. 6 HWG bezogen und die Bezugnahme auf die fehlenden Pflichtangaben nicht direkt beanstandet („Jedenfalls mit diesem Inhalt [scil. kein Fall des § 4 Abs. 6 HWG] ist der Antrag […] unbestimmt.“). 194 Mit Blick auf die vom Verbot ausgenommene zulässige Erinnerungswerbung ist der BGH unter Berufung auf die Rechtsprechung aus den Fällen „vossius.de“537 und „Dauertiefpreise“538 auch von dem Grundsatz ausgegangen, dass bei einer Abstrahierung der konkreten Verletzungshandlung im (Haupt-)Antrag eine dem Bestimmtheitsgrundsatz genügende Einschränkung des Verbots erforderlich ist.539 Diesen Anforderungen war im entschiedenen Fall aber genüge getan worden. Zwischen den Parteien hatte kein Streit darüber bestanden, welche Bedeutung diese wortlautgemäßen Merkmale des § 4 Abs. 6 HWG im Einzelnen hatten und dass sie in der angegriffenen Werbung nicht erfüllt waren. Der rechtliche Streit zwischen den Parteien bestand vielmehr darüber, ob in § 4 Abs. 6 HWG die zulässige Erinnerungswerbung abschließend umschrieben ist.540 Da der Kläger diese Rechtsauffassung vertrat, war es nach Ansicht des BGH auf dieser Basis schwerlich möglich, die Merkmale des § 4 Abs. 6 HWG genauer zu definieren.541 Daher konnte eine verbleibende Auslegungsbedürftigkeit hingenommen werden, wenn auch der Hauptantrag aus anderen Gründen nicht durchdrang. Beim ersten Hilfsantrag war zwar nach Meinung des BGH die Verwendung der Be195 griffe „Arzneimittelpreis“ und „Packungsgröße“ nicht zu beanstanden, da die Begriffe hinreichend bestimmt sind.542 Allerdings ging auch dieser Antrag (wie der Hauptantrag) zu weit, da nicht nur Angaben über den Arzneimittelpreis oder die Packungsgröße freigestellt sein können, sondern auch andere nicht auf die Verwendungsmöglichkeiten des Mittels bezogene Hinweise zulässig sind, die keinen in medizinischer Hinsicht relevanten Inhalt aufweisen.543 Zwar kann nach der Ansicht des BGH vom Kläger nicht verlangt werden, den Unterlassungsantrag hinsichtlich aller denkbaren Ausnahmen vom Verbot nach § 4 Abs. 1 HWG einzuschränken. Dessen bedurfte es aber im konkreten Fall zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes auch nicht, da sich der Kläger ohne Weiteres auf die konkrete Verletzungsform hätte beschränken können. So hat der BGH dann auch den zweiten Hilfsantrag des Klägers verstanden. Durch die Bezugnahme „wie“ wurde im Gegensatz zu „insbesondere“ deutlich, dass allein die konkrete Werbeanzeige Gegenstand des Antrags sein sollte.544 Allerdings haben die abstrakteren Merkmale die Funktion, den Bereich kerngleicher Verletzungsformen zu bestimmen.545

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536 BGH 29.4.2010 – Erinnerungswerbung im Internet, a.a.O. Tz. 22. 537 BGH 11.4.2002 – I ZR 317/99, GRUR 2002, 706 – vossius.de. 538 BGH 11.12.2003 – I ZR 50/01, GRUR 2004, 605 = WRP 2004, 735 – Dauertiefpreise. 539 BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 26 – Erinnerungswerbung im Internet. 540 BGH 29.4.2010 – Erinnerungswerbung im Internet, a.a.O. 541 BGH 29.4.2010 – Erinnerungswerbung im Internet, a.a.O. 542 BGH 29.4.2010 – Erinnerungswerbung im Internet, a.a.O. S. 752. 543 BGH 29.4.2010 – Erinnerungswerbung im Internet, a.a.O. 544 BGH 29.4.2010 – Erinnerungswerbung im Internet, a.a.O.; ähnlich BGH 7.6.2001 – I ZR 115/99, GRUR 2002, 177, 179 – Jubiläumsschnäppchen; BGH 23.10.1997, GRUR 1998, 481, 482 – Auto ’94; BGH 18.9.1997, WRP 1998, 164, 168 – Modenschau im Salvatorkeller. 545 BGH 29.4.2010 – Erinnerungswerbung im Internet, a.a.O.; ebenso BGH 19.5.2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855, 856 Tz. 17 – Folienrollos; BGH 2.6.2005 – I ZR 252/02, GRUR 2006, 164, 165 Tz. 10 – Aktivierungskosten II.

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Weil sich dieser Antrag auf die konkrete Verletzungsform bezog, sind Einschränkungen, die zulässige Verhaltensweisen beschreiben, nicht erforderlich.546 Stellungnahme. Wenn man die Argumentationslinie des BGH in dieser Entschei- 196 dung berücksichtigt, hätte der Kläger in seinem ersten Hilfsantrag demnach beantragen müssen, dass „die Erinnerungswerbung mit lediglich in medizinischer Hinsicht nicht relevantem Inhalt ausgenommen ist“. Diese Formulierung wäre aber vom BGH wohl wiederum als nicht hinreichend bestimmt beurteilt worden, weil es sich vor allem bei der Formulierung „in medizinischer Hinsicht nicht relevantem Inhalt“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff handeln dürfte, der eine Vielzahl von Einzelfällen einschließt, deren Ausgestaltung vorab nicht abschließend festgestellt werden kann. (c) Gesetzeswiederholende Anträge, wenn der Anwendungsbereich im Streit steht? (aa) BGH „Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker“. Im Fall „Rechtsberatung 197 durch Lebensmittelchemiker“547 hat der BGH demgegenüber entschieden, dass ein Verweis auf die Erlaubnistatbestände der §§ 5 bis 8 RDG bei einem verallgemeinernd abstrakt gefassten Unterlassungsantrag zur hinreichenden Konkretisierung der Merkmale nicht ausreichen würde. Die Beantwortung der Frage, ob eine zulässige Rechtsberatung als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild vorliegt, erfordere eine Beurteilung nach Inhalt, Umfang und sachlichem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Diese erforderlichen Abwägungsfragen seien mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht mehr vereinbar.548 Der Unterschied zu § 4 Abs. 6 HWG leuchtet meines Erachtens ein, weil im Fall 198 „Erinnerungswerbung im Internet“ gerade kein Streit darüber bestand, dass die Ausnahme nach dem Wortlaut nicht gegeben war. Das war im Fall „Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker“ anders. (bb) Schlussfolgerung. Nach der neueren Rechtsprechung kommt demnach die 199 Verwendung des Gesetzeswortlauts jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn über die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals einer Norm durch die beanstandete Verletzungshandlung gerade gestritten wird.549 Hier muss regelmäßig eine größere Anstrengung bei der Formulierung des Antrages/Tenors unternommen werden, so dass deutlich wird, was als Normverstoß eingeordnet und damit verboten werden soll. Wenn über einen auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff in seiner konkreten Realisierung mit Blick auf die beanstandete Verletzungshandlung Streit besteht, ist allerdings die Fassung eines noch bestimmten, abstrakter als die Verletzungshandlung gefassten Antrages nach der neueren Rechtsprechung nur schwer zu bewerkstelligen. In der Entscheidung „Internetversteigerung III“ war die Beklagte die Anbieterin einer Plattform für Internetversteigerungen, im Rahmen derer von Dritten (Anbietern) auch gefälschte bekannte Markenartikel, Rolexuhren, im geschäftlichen Verkehr angeboten wurden. Der BGH hatte bereits in einem vorangegangenen Revisionsurteil entschieden, dass die Beklagte

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546 BGH 29.4.2010 – Erinnerungswerbung im Internet, a.a.O. 547 BGH 4.11.2010 – I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker. 548 BGH 4.11.2010 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker, a.a.O. S. 540. 549 BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 16 – Telefonwerbung für „Individualverträge“; BGH 5.10.2010 – I ZR 46/09, GRUR 2011, 433 Tz. 10, 16 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung; BGH 4.11.2010 – I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Tz. 28 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker.

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nicht selbst Markenverletzerin, sondern nur Störerin sein könne, also nur auf Unterlassung nach § 1004 Satz 2 BGB in Anspruch genommen werden könne, und zwar nur dann, wenn es für sie erkennbar war, dass die Dritten (Anbieter) im geschäftlichen Verkehr handelten und die Beklagte insofern ihre Prüfpflichten verletzt hatte. Die Klägerin versuchte diese Erkennbarkeit des Handelns der Anbieter im geschäftlichen Verkehr konkret anhand bestimmter Merkmale zu fassen, nämlich anhand des „wiederholten Auftretens oder Anbietens“, des „häufigen Feedbacks“ oder des „Fehlens eindeutig auf ein privates Geschäft hinweisender Angaben“. Diese Merkmale hielt der BGH ebenfalls für zu unbestimmt.550 (cc) Ausnahmen der älteren Rechtsprechung – BGH „Rückkehrpflicht III“. Allerdings sind in der älteren Rechtsprechung noch Fälle zu finden, in denen der BGH trotz Streits der Parteien über die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals die Verwendung gesetzeswiederholender Anträge als hinreichend bestimmt angesehen hat. So hatte der BGH in „Rückkehrpflicht III“551 etwa mit Blick auf das Personenbeförderungsgesetz entschieden, dass § 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG und die dort normierte Verpflichtung zur unverzüglichen Rückkehr zum Betriebssitz nach Durchführung eines Beförderungsantrages hinreichend konkret sei, um Gegenstand eines Unterlassungsantrages und eines entsprechenden Tenors zu werden.552 Im entschiedenen Fall bestand die konkrete Verletzungshandlung darin, dass der Fahrer nach Durchführung eines Beförderungsauftrags neun Minuten gewartet hatte, um notwendige Fahreintragungen vorzunehmen, bevor er zum Betriebssitz zurückkehrte. Das hat der BGH – im Sinne des Klägers und entgegen der Auffassung des Beklagten – als schuldhaftes Zögern gewertet, weil die Durchführung erforderlicher Additionen und anderer Eintragungen nicht unmittelbar nach Abschluss des Beförderungsauftrags durchgeführt werden müssten, sondern auch nach Rückkehr an den Betriebssitz vorgenommen werden könnten.553 Trotz der Tatsache, dass die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals „unverzüg201 lich“ also zwischen den Parteien streitig war und es sich bei dieser Frage um den Kern des Rechtsstreits handelte, erachtete der BGH gleichwohl eine Tenorierung nach dem Wortlaut des Gesetzes für zulässig. Grund hierfür könnte gewesen sein, dass der Begriff „unverzüglich“ aufgrund der einheitlichen Auslegung in allen Rechtsgebieten in der Rechtsprechung bereits so gefestigt war, dass keine vernünftigen Zweifel über die Auslegung im konkreten Fall aufkommen konnten, weswegen der BGH den Streit über die Auslegung als unbeachtlich angesehen haben könnte. Ob es sich hierbei um eine nach wie vor anerkannte Ausnahme von dem mehrfach beschriebenen Grundsatz handelt, scheint allerdings fraglich. Zwar hat der BGH in seinen späteren Entscheidungen diese Rechtsprechung nie ausdrücklich aufgegeben, allerdings stets betont, dass es in allen Fällen gesetzeswiederholender Unterlassungsanträge unabdingbar sei, dass die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandsmerkmals zwischen den Parteien nicht streitig ist.

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(dd) Literaturansichten zu gesetzeswiederholenden Anträgen. Das Schrifttum zu dieser Antragsform beschränkt sich meist auf die Nachzeichnung der Rechtsprechungsentwicklung.554 Eine dezidierte Auseinandersetzung mit der BGH-Rechtsprechung

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550 BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702, Tz. 35 – Internetversteigerung III. 551 BGH 22.6.1989, GRUR 1989, 835 – Rückkehrpflicht III. 552 BGH 22.6.1989 – Rückkehrpflicht III, a.a.O. 553 BGH 22.6.1989 – Rückkehrpflicht III, a.a.O. S. 836. 554 S. etwa Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.4; Harte/Henning/Brüning Vorb. z. § 12 Rn. 92; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Spätgens § 88 Rn. 4.

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findet sich aber etwa bei Brander und Bermann, die dem BGH vorhalten, er habe im Urteil „Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge“ die „naheliegende“ Prüfung unterlassen, ob nicht die dort vom Kläger in Bezug genommenen HWG-Vorschriften ihrerseits bereits hinreichend bestimmt sind.555 e) Abschließende Bewertung der neuen BGH Rechtsprechung zur Bestimmtheit Es bleibt nun die abschließende Frage, welchen Sinn die subtile Dogmatik und die 203 Vielzahl von Entscheidungen zur Bestimmtheit abstrahierender Anträge eigentlich haben, wenn es doch auch anders gehen soll, nämlich entweder mit der Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung, so die Rechtsprechung des I. Zivilsenates, oder am anderen Ende der Skala mit dem allgemeinen Gesetzeswortlaut, so die grundsätzliche patentrechtliche Praxis zur Formulierung nach dem Wortlaut des Patentanspruchs. Beides ist mit Blick auf den Antrag im selben Maße unbestimmt, weil der Beklagte nichts über den eigentlichen Umfang des begehrten Verbots erfährt. Für den Wettbewerbsprozess stellt sich die Frage in besonderem Maße, weil der BGH 204 – wie bereits mehrfach gesagt – auch bei Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung davon ausgeht, dass dieses Urteil qua Kernbereichslehre auch die abweichenden Handlungen erfasst, solange in diesen das Charakteristische der beanstandeten Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (hierzu Rn. 117, 130 ff., 854 ff., 158, 231). Mehr hätte der Kläger aber im Erkenntnisverfahren auch nicht zugesprochen bekommen, weil dieselben Maßstäbe für die Bestimmung des Umfangs der Wiederholungsgefahr gelten würden.556 Ich halte es grundsätzlich für überzeugend, am Bestimmtheitsgrundsatz für den 205 Unterlassungsantrag festzuhalten. Zwar ist das nicht schlechthin erforderlich, um den Entscheidungsinhalt des Prozessgerichts zu ermitteln. Das kann, wie im Patentverletzungsprozess regelmäßig auch, stets anhand der Gründe geschehen. Der Beklagte sollte aber regelmäßig genau wissen, warum der Kläger die benannte Verletzungshandlung rechtlich beanstandet und eben auch, warum diese verboten ist. Das ist aus Gründen des rechtlichen Gehörs erforderlich. Erforderlich ist es daher, wenn der Kläger einen im Sinne der Kernbereichslehre abstrahierenden Verbotsumfang erreichen will, dass er bei der Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung zumindest den Versuch unternimmt, zu identifizieren, was die Elemente sind, die die Rechtswidrigkeit der von ihm angegriffenen Handlung begründen (vgl. Rn. 89, 92, 136 ff., 334 ff., 355 ff., 862 ff.). Damit wird im Antrag festgelegt, welches Verbot der Kläger begehrt. Diese Möglichkeit ist in der Rechtsprechung des BGH auch bereits angelegt, wenn die abstrakten Merkmale in einem Antrag, der mit „wenn das geschieht, wie“ auf die konkrete Handlung Bezug nimmt. In einem solchen Antrag können die abstrakten Merkmale dann dazu dienen, kerngleiche Abwandlungen zu ermitteln. Kommt der Kläger dem nicht nach, so bleibt es bei einem engen, an der konkreten Verletzungshandlung ausgerichteten Schutzumfang und eine am materiellen Subsumtionsschluss des Gerichts im Erkenntnisverfahren ausgerichtete ex post-Abstrahierung im Vollstreckungsverfahren wäre damit ausgeschlossen (vgl. hierzu ausführlich Rn. 331 ff. und Rn. 860 ff.).

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555 Brandner/Bergmann WRP 2000, 842, 844; ihnen teilweise zustimmend Teplitzky Kap. 51 Rn. 8a zu Fn. 47. 556 Siehe Rn. 78 m.w.N.

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Meier-Beck, der Vorsitzende des X. Zivilsenates, hat insofern in seiner Rechtfertigung des Judikats „Blasfolienherstellung“557 zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der Versuch der antragsgemäßen Anpassung an die Verletzungsform schon deshalb lohne, weil er „die Aufmerksamkeit des Formulierenden auf diejenigen Sachverhaltselemente lenkt, auf die es zur Rechtfertigung des angestrebten Verbots wirklich ankommen soll.“558 207 Diese von Meier-Beck gemeinte Disziplinierungsfunktion ist es, der man auch im Bereich des Wettbewerbsrechts durch eine sachgerechte Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes Rechnung tragen sollte. Dabei können aufgrund der Schwierigkeit der Materie keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Dennoch sind zumindest selbständige Verbotstatbestände mit Blick auf eine Handlung auch antragsgemäß in ihren Merkmalen zu benennen, wenn der Klageantrag und der entsprechende Tenor ihre grundlegenden prozessualen Funktionen, das Streitprogramm und die entsprechende Entscheidung zu verdeutlichen und von anderen Sachverhalten abzugrenzen, auch mit Blick auf die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage erfüllen sollen.

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3. Streitgegenstand 208

Im Folgenden werden zunächst die Grundstrukturen der Entwicklung der BGHJudikatur der letzten Dekade aufgearbeitet (a), Rn. 209 ff.) und dabei die wesentlichen praktischen und dogmatischen Fragen, die zu klären sind, überblicksweise dargestellt. Danach werden die allgemeinen Lehren zum zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff in ihren Grundzügen aufgezeigt (b), Rn. 217 ff.), bevor die langjährig herrschende wettbewerbsrechtliche Auffassung und Praxis wiedergegeben werden (c), Rn. 229 ff.). Anschließend wird die aktuelle Judikatur des BGH aus „Biomineralwasser“ und die insofern eingetretene Rechtsprechungsänderung dargestellt (d), Rn. 252 ff.). Vor diesem Hintergrund wird die Entwicklung eines Systems des wettbewerbsrechtlichen Streitgegenstandsbegriffs in seiner Ausrichtung auf die Leitentscheidungen „TÜV I“ und „Biomineralwasser“ diskutiert (e), Rn. 265 ff.). Dabei geht es vor allem um die Klärung der auf der Grundlage der Prämissen dieser Entscheidungen weiterhin offenen Fragen. Die hier vorgeschlagene und in den beiden Entscheidungen angelegte Systematik basiert auf der strikten Unterscheidung von abstrahierenden Unterlassungsurteilen einerseits und solchen, die sich auf die konkrete Verletzungsform beziehen, andererseits. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst (f), Rn. 355 ff.). Unter g), Rn. 359 ff. werden weitere Einzelfälle zum Streitgegenstand zusammengefasst. a) Grundstrukturen der Entwicklung der BGH-Judikatur und Aufriss der praktischen und dogmatischen Kernfragen

209

aa) Ursprüngliche Linie des BGH. Der BGH hatte sich in der letzten Dekade zunächst konsequent einen Streitgegenstandsbegriff erarbeitet, der den prozessualen Anspruch im Sinne des klägerischen Rechtsschutzbegehrens nach der vom Kläger begehrten Verbotsnorm definiert, also letztlich auf materielle Aspekte rekurriert, die für diese tragend sind. Die Entscheidungen „dentalästhetika“,559 „Reinigungsarbeiten“560 und „An-

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557 BGH 30.3.2005 – X ZR 126/01, BGHZ 162, 365, 368 ff. = GRUR 2005, 569 – Blasfolienherstellung. 558 Meier-Beck GRUR 2007, 11, 17. 559 BGH 8.6.2000 – I ZR 269/97, GRUR 2001, 181 – dentalästhetika; vgl. dazu unter Rn. 234 f. 560 BGH 3.4.2003 – I ZR 1/01, BGHZ 154, 342 = GRUR 2003, 716 f – Reinigungsarbeiten; vgl. dazu unter Rn. 342 f.

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schriftenliste“561 sind beispielhaft für diese Judikatur.562 Dabei hatte der BGH zur Definition des Klagegrundes mithin auf die vom Kläger identifizierte konkrete Verletzungsform als Summe derjenigen Merkmale der historischen Verletzungshandlung abgestellt, aus denen der Kläger die Wettbewerbswidrigkeit ableitet. Die materielle Beanstandung war also für die Bestimmung des Streitgegenstandes entscheidend, ohne dass es allerdings erforderlich gewesen wäre, dass diese Aspekte sich in entsprechender Weise auch im Antrag manifestiert hätten. Es war in diesem Sinne letztlich nicht erheblich, ob der klägerische Antrag sich auf das Verbot der konkreten Verletzungsform richtete oder in abstrahierender Weise gestellt war. Auch bei dem auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Antrag wurde der Streitgegenstand nach der materiellen Beanstandung bestimmt und der Umfang der Verbotsnorm war in Anwendung der Kernbereichslehre in entsprechendem Maße festgelegt. Das wurde oben im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes bereits dargestellt (Rn. 117 ff., 130 ff. sowie 860) und lässt sich paradigmatisch mit der BGH-Entscheidung „TCM-Zentrum“563 assoziieren. Mithin gab es für den Kläger in der Praxis wenig Anreize, abstrahierende Anträge zu stellen und sich damit auf die Risiken der hohen Bestimmtheitsanforderungen einzulassen, weil das auf die konkrete Verletzungsform gerichtete Urteil ohnehin qua Abstraktion des Subsumtionsschlusses entsprechend erweitert wurde. Erforderlich war es allerdings, dass die materielle Beanstandung konkret benannt wurde. Es genügte also nicht die Bezugnahme auf die Verletzungshandlung, um damit alle möglichen materiellen Verstöße und entsprechende Unterlassungsansprüche zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.564 Diese Rechtsprechung hat ihren Höhepunkt im „TÜV I“-Beschluss565 gefunden, mit 210 dem der BGH die alternative Klagehäufung wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz für unzulässig erachtet hat, weil – gerade auf das Wettbewerbsrecht bezogen – der Kläger nicht dem Gericht die Auswahl zwischen verschiedenen zu tenorierenden Verbotsnormen, mit je nach zugrundeliegender materieller Verbotsnorm unterschiedlichen Umfang, überlassen könne. Insofern war der enge Streitgegenstandsbegriff, der auch bei einer natürlichen Verletzungshandlung unterschiedliche Streitgegenstände je nach Beanstandung annimmt oder jedenfalls annehmen kann, gerade die Kernprämisse der „TÜV“-Rechtsprechung und ist von deren Kernpetitum (der Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung) konzeptionell nicht trennbar.566 bb) Zweifel im Spektrum von „Markenparfümverkäufe“ bis zur Kritik am 211 „TÜV I“-Beschluss. Zweifel an diesem in der Sache etablierten System hatte im Jahr 2006 die Entscheidung „Markenparfümverkäufe“567 aufkommen lassen. In jener Entscheidung hatte der BGH die Auffassung vertreten, der Streitgegenstand (und damit die Rechtskraft) beziehe sich grundsätzlich auf die konkrete historische Verletzungshandlung, so dass die Benennung einer weiteren, zeitlich später liegenden historischen Verletzungshandlung, und sei sie auch kerngleich, stets, auch bei unverändertem Rechtsschutzziel (Klageantrag), einen anderen Streitgegenstand in das Verfahren einführe und

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561 BGH 29.6.2006 – I ZR 235/03, GRUR 2006, 960 f. – Anschriftenliste; vgl. dazu unter Rn. 341. 562 Vgl. zur Entwicklung auch Teplitzky GRUR 2011, 1091 m.w.N. 563 BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453 – TCM-Zentrum. 564 Dazu BGH 13.7.2006 – I ZR 222/03, GRUR 2007, 161 – dentalästhetika II und näher dazu unten Rn. 236 f. 565 BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 = GRUR 2011, 521 – TÜV I; BGH 17.8.2011 – I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 – TÜV II; vgl. dazu unter Rn. 150 f. 566 Zutreffend Ahrens WRP 2013, 129 Rn. 5, 16 ff. 567 BGH 23.2.2006 – I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 = GRUR 2006, 421 – Markenparfümverkäufe; vgl. unter Rn. 318.

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damit entweder eine Klageänderung sei (obiter dictum) oder, sofern eine weitere Klage unter Bezugnahme auf diese weitere Handlung zwischen den Parteien erhoben werde, jener nicht der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit oder, nach rechtskräftiger Entscheidung des Erstverfahrens, nicht die Rechtskraftsperre entgegenstehe (ratio decidendi).568 V. Ungern-Sternberg569 hat diese Linie über die Entscheidungsgründe hinaus ausführlich gerechtfertigt und dabei weitere Unterscheidungen gemacht, die jedoch die herrschende Auffassung570 nicht überzeugen konnten. Letztlich wurde die Linie aus „Markenparfümverkäufe“ in der instanzgerichtlichen Praxis nicht rezipiert; außerhalb des Marken- und Wettbewerbsrechts (etwa im Patentrecht, wo die Fragestellungen dieselben sind) noch nicht einmal erwähnt. Die dieser Entscheidung notwendig immanente Folge, dass nämlich der Klageabweisung letztlich überhaupt keine Bindungswirkung mehr zukäme, weil man sich für eine neue Klage immer auf eine neue, nach Schluss der mündlichen Verhandlung liegende Handlung berufen könnte, konnte letztlich nicht überzeugen. Der BGH hat deshalb diese Auffassung auch nicht wiederholt, sondern hat mit der 212 Entwicklung bis „TÜV I“ das genaue Gegenteil vertreten, wonach nicht die historische Verletzungshandlung, sondern die für das begehrte Verbot maßgeblichen Aspekte derselben für den Streitgegenstand konstitutiv sind.571 In diesem Kontext ist also die mit „TÜV I“ verbundene Linie im Vergleich zu „Markenparfümverkäufe“ eine deutlich breitere Bestimmung des Streitgegenstandes, weil nicht die Festlegung auf eine bestimmte Handlung entscheidet, sondern die Abstrahierung der für das erstrebte Verbot konstitutiven Kriterien. Wenn insofern Identität besteht, besteht auch Identität des Streitgegenstandes. Für „Markenparfümverkäufe“ war hingegen die Identität des zur Begründung der Wiederholungsgefahr in Bezug genommenen historischen Lebenssachverhalts das Entscheidende. Die weitere Diskussion hat darunter gelitten, dass diese Differenzierung vom BGH selbst nie beim Namen genannt wurde. „Markenparfümverkäufe“ wurde schlicht ignoriert. 213 Die Auffassung des BGH bis einschließlich „TÜV I“ wurde von der Literatur als zu enger Streitgegenstandsbegriff kritisiert,572 obwohl sie natürlich gegenüber dem Streitgegenstandsbegriff aus „Markenparfümverkäufe“ als breiter zu beurteilen ist.573 Die auf die materiell-rechtliche Sichtweise abstellende Betrachtung – also auf die materiell-rechtlich erheblichen, für das Verbot konstitutiven Merkmale der Verletzungshandlung – sei mit einer nach den allgemeinen prozessrechtlichen Lehren gebotenen natürlichen Betrachtungsweise des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts nicht vereinbar. Die gebotene natürliche Sichtweise führe zu einem breiteren Streitgegenstandsbegriff,574 der dann auch viele Folgeprobleme aus der vom BGH in „TÜV I“ für unzulässig gehaltenen alternativen Klagehäufung575 vermeide.

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568 BGH 23.2.2006 – Markenparfümverkäufe, a.a.O. S. 422 f. 569 v. Ungern-Sternberg GRUR 2009, 1009, 1016 f.; vgl. dazu auch unter Rn. 319 f. 570 Ahrens JZ 2006, 1184, 1186 f.; Kamlah/Ulmar WRP 2006, 967, 970; Büttner FS Doepner (2008) 107, 109; Grosch FS Schilling (2007) 207, 216 ff.; Teplitzky GRUR 2011, 1091, 1092 m.w.N. in Fn. 29. 571 Vgl. zu dieser Entwicklung die Nachweise bei Teplitzky Kap. 46 Rn. 2d in Fn. 60 und ders. GRUR 2011, 1091, 1093 in Fn. 31. 572 Ausführlich dazu unter Rn. 246 ff. 573 Das ist der Ansatz von Teplitzky GRUR 2011, 1092, 1095. Grundsätzlich ist mit verallgemeinernden Aussagen hinsichtlich der Enge oder Breite des Gegenstandsbegriffs sehr vorsichtig umzugehen. Die Diskussionsbeiträge gehen hier meist aneinander vorbei und bringen keinen Erkenntniswert. 574 Vgl. hierzu unter Rn. 229 a.E. und 246 ff. 575 Vgl. zur alternativen Klagehäufung unter Rn. 141 ff.

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cc) „Biomineralwasser“ – Grundsätzliche Umkehr des BGH. Der BGH hat nun- 214 mehr in seiner jüngsten Entscheidung „Biomineralwasser“ seine „engere“ Betrachtungsweise des Streitgegenstandes aufgegeben und sich damit der im Anschluss an die „TÜV I“-Rechtsprechung geäußerten Kritik an jener Streitgegenstandslehre für die auf die konkrete Verletzungsform gerichtete Klage angeschlossen.576 Diese Linie hatte sich deutlich in der Entscheidung „Branchenbuch Berg“577 und etwas versteckter bereits in der Entscheidung „Leistungspakete im Preisvergleich“578 angekündigt. Ein zu „feingliedriger“ Streitgegenstandsbegriff setze sich in Widerspruch zu den allgemeinen zivilprozessualen Lehren des Streitgegenstandes, nach denen es auf eine natürliche Betrachtungsweise hinsichtlich des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts ankomme. Der Streitgegenstand werde vielmehr durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren des Klägers beziehe.579 Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen und bedeutet eine grundsätzliche 215 Abkehr von einer ganz etablierten höchstrichterlichen Linie, vor allem von derjenigen, die „TÜV“ zugrundeliegt (hierzu bereits oben Rn. 157 ff., sowie unten Rn. 245 und 262 ff.). Die Bewährungsprobe dieser neuen Judikatur liegt in der praktisch und dogmatisch entscheidenden Frage, wie der BGH den Umfang eines solchen Rechtsschutzbegehrens und einer entsprechend tenorierten Verbotsnorm bestimmt. Wenn man sich hier strikt an dem natürlichen Lebenssachverhalt orientiert, so würde das letztlich im Wesentlichen die Anwendung der Kernbereichslehre für solche Urteile ausschließen, die auf die konkrete Verletzungshandlung bezogen sind. Damit käme man zwar zu einem prima facie breiten, im Ergebnis aber sehr engen, auf die historische Verletzungshandlung bezogenen Streitgegenstandsbegriff. Wollte man das nicht tun und an der Kernbereichslehre für diese Fälle festhalten, was der I. Zivilsenat unlängst obiter ausgesprochen hat,580 so ist dafür letztlich die Orientierung an den Merkmalen erforderlich, die für den Subsumtionsschluss des Klägers/Gerichts konstitutiv sind. Das ist aber nichts anderes als die Bezugnahme auf den als materiell-rechtlich geprägten und abgelehnten Streitgegenstandbegriff und damit (durch die „Hintertür“) genau die Reaktivierung dessen, was „TÜV I“ abgelehnt hatte, und was weiter gelten soll, nämlich die Auswahl der vom Kläger erstrebten Verbotsnorm dem Gericht zu überlassen. Rein formal wäre das in sich konsistent nur dann denk- und erklärbar, wenn man die vollstreckungsrechtliche Ebene von der des Streitgegenstandes trennen wollte und damit zumindest vordergründig Vereinbarkeit des Verbots der alternativen Klagehäufung mit der unveränderten Anwendung der Kernbereichslehre bei auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Urteilen hergestellt hätte. Das wäre dann in der Sache die Wiederbelegung von „Markenparfümverkäufe“,581 also jener Entscheidung, die weit überwiegend auf Ablehnung gestoßen war und vom BGH in den Kernsätzen auch nicht mehr zustimmend zitiert wurde. Wie hingegen umgekehrt bei Ablehnung dieser Trennung eine „natürliche Betrachtungsweise“ zu adäquaten, praktisch handhabbaren Abgrenzungskriterien führt, also die Vergleichbarkeit von Handlungen (der historischen Verletzungshandlung und der künftigen Zuwiderhandlung) herstellen kann, wurde in der bisherigen Diskus-

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576 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 19 ff. m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser. 577 BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 – Branchenbuch Berg, vgl. hierzu unter Rn. 262 sowie Rn. 157. 578 BGH 7.4.2011 – I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 f. – Leistungspakete im Preisvergleich. 579 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 26 m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser. 580 BGH 6.2.2013 – I ZB 79/11, GRUR 2013, 1071, 1072 Tz. 14 – Umsatzangaben. Vgl. hierzu ferner Rn. 860, 177 ff., 130 ff., 158. 581 BGH 23.2.2006 – I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 = GRUR 2006, 421 – Markenparfümverkäufe.

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sion kaum adressiert. Das ist zwingend erforderlich, wenn der vom BGH jetzt eingeschlagene Weg systematisch konsequent zu Ende beschritten werden soll. Beschritte man den von „Biomineralwasser“ aufgewiesenen Weg fort, so hätte das 216 den Vorteil einer systematisch klaren und praktisch sinnvollen Trennung zwischen den auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Anträgen einerseits und den abstrahierenden Anträgen andererseits. Wenn dem Kläger an einem Titel gelegen ist, der auch gegenüber Abwandlungen, die die jeweilige Beanstandung weiter in der charakteristischen Weise verkörpern, wirksam ist, so wird er in Zukunft mehr abstrahierende Anträge stellen und sich den damit verbundenen Mühen und (Bestimmtheits-)Risiken stellen müssen.582 Solche Mühen ergeben sich bei einem auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Urteil nicht; dafür hätte ein solches einen konsequent engen Schutzbereich, der im Wesentlichen nur gegen die Wiederholung der historischen Verletzungshandlung auf der Basis einer natürlichen Betrachtungsweise wirkt. Wie eng dieser Schutzbereich tatsächlich ist und was der Kläger demgegenüber durch einen abstrahierenden Antrag gewinnen kann, ist letztlich die zentrale Frage, deren Klärung sowohl für die praktische also auch für die dogmatische Qualität des Streitgegenstandsbegriffs entscheidend ist. Wenn hier nichts anderes als bisher gilt, es also letztlich gleich ist, welchen Antrag man stellt, dann waren die ganzen höchstrichterlichen Rechtsprechungsschwenke nur Trockenübungen und substanzlose Gedankenspiele. b) Allgemeine Lehren zum zivilprozessualen Streitgegenstand – der prozessuale Anspruch als klägerisches Rechtsschutzbegehren Um den Diskussionsstand des Wettbewerbsrechts nachzuvollziehen und einzuordnen, ist es erforderlich, sich in einem ersten Schritt einen Überblick über die Praxis und den Meinungsstand im allgemeinen Zivilprozessrecht zu verschaffen. Nach § 322 ZPO sind Urteile der Rechtskraft nur fähig, soweit über den mit der Kla218 ge oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. Als gesichert kann gelten, dass damit nicht der materielle Anspruch gemeint ist, sondern der prozessuale Anspruch.583 Mit Blick auf den prozessualen Anspruch formuliert der BGH treffend, dass es sich dabei um das klägerische Rechtsschutzbegehren oder die klägerische Rechtsfolgenbehauptung handelt.584 Das Gericht kann damit dieses prozessuale Rechtsschutzbegehren unter allen rechtlichen Aspekten würdigen (iura novit curia). Der Streitgegenstand ist also grundsätzlich nicht auf einen materiellen Anspruch begrenzt. Für dessen Abgrenzung ist es also nicht entscheidend, ob das materielle Recht unterschiedliche Anspruchs217

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582 Der BGH hat es allerdings – wenig konsequent und kaum noch nachvollziehbar – erst unlängst für „vielfach“ empfohlen erachtet, einen allein auf die konkrete Verletzungshandlung abzielenden, also nicht abstrahierenden Antrag zu stellen, weil diesem gleichwohl ein erweiterter Schutzbereich qua Kernbereichslehre zukäme, vgl. BGH 6.2.2013 – Umsatzangaben, a.a.O., sowie hier zu Büscher GRUR 2013, 969, 985 f. 583 Nach anfänglichen Unsicherheiten, vgl. nur RG 9.2.1891, RGZ 27, 385 (387), bereits vom RG judiziert: RG 2.5.1906, RGZ 63, 268 (269); RG 14.10.1927, RGZ 118, 209 (210); dazu Mühl NJW 1954, 1665. So auch st. Rspr. des BGH, vgl. nur BGH 18.11.1982 – IX ZR 91/81, NJW 1983, 388, 389; BGH 17.5.2001 – IX ZR 256/99, NJW 2001, 3713, 3713; BGH 21.10.2008 – XI ZR 466/07, NJW 2009, 56 Tz. 15; BGH 8.5.2007 – XI ZR 278/06, NJW 2007, 2560 Tz. 16; Stein/Jonas/Roth vor § 253 Rn. 30 ff. m.w.N.; MünchKommZPO/Becker-Eberhard Vor §§ 253 Rn. 32. 584 BGH 19.11.2003 – VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47 Tz. 9 = NJW 2004, 1252: „Streitgegenstand eines Rechtsstreits ist nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch, sondern der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung verstandene, eigenständige prozessuale Anspruch, der durch den Klageantrag (Rechtsfolge) und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kl. die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt wird (st. Rspr.; BGHZ 117, 1, 5 = NJW 1992, 1172 m.w. Nachw.).“

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grundlagen ausbildet, die vom Kläger für die Begründetheit seines Rechtsschutzbegehrens herangezogen werden. aa) Eingliedriger oder zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff. Nach der Lehre 219 vom eingliedrigen Streitgegenstandsbegriff585 bestimmt allein der Antrag den Streitgegenstand, so dass also bei einem Antrag grundsätzlich ein Streitgegenstand vorliegt. Hingegen ist nach der Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff neben dem Antrag zusätzlich der vom Kläger vorgetragene Lebenssachverhalt, aus dem die Rechtsfolgenbehauptung (das Rechtsschutzbegehren) abgeleitet und der auch als Klagegrund in Bezug genommen wird, ein selbständiges, den Streitgegenstand determinierendes Element.586 Die herrschende Auffassung und die gefestigte Judikatur folgen dem zweigliedri- 220 gen Streitgegenstandsbegriff.587 Auch die Lehre vom eingliedrigen Streitgegenstandsbegriff kommt allerdings nicht ohne Rekurs auf den zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt aus, der zur Auslegung des Antrages herangezogen wird, wenn der Antrag nicht eindeutig gefasst ist oder nicht eindeutig gefasst werden kann.588 Im Wettbewerbsrecht wäre dieser Rückgriff sicherlich auch für die Vertreter des eingliedrigen Streitgegenstandsbegriffs unausweichlich, gerade dann, wenn der Antrag nur auf die historische (konkrete) Verletzungshandlung Bezug nimmt (konkretes Rechtsschutzbegehren).589 In vielen Fällen macht diese dogmatische Distinktion deshalb keinen praktischen Unterschied.590 Zum Teil wird vertreten, dass unterschiedliche Streitgegenstandsbegriffe für unter- 221 schiedliche Zwecke einschlägig sein sollten (sog. „relative Theorie“).591 So sei etwa für die Rechtshängigkeitssperre (vgl. zu diesem Meinungsstreit auch Rn. 378 ff.) und die Klageänderung grundsätzlich ein weiterer Streitgegenstandsbegriff am Platze, um eine unnötige Dopplung von Prozessen zu vermeiden, wohingegen für die Fragen der Rechtskraft ein engerer Streitgegenstandsbegriff (nach der zweigliedrigen Lehre) indiziert sei:592

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585 Erstmals zum Eheprozess entwickelt von Bötticher Festgabe Rosenberg (1949) 73, 84 ff. und insbesondere vertreten von Schwab Der Streitgegenstand im Zivilprozess, passim; ders. JuS 1965, 81; JuS 1976, 69, 71; vgl. auch Schwab FS Lüke (1997) 793, 800 ff. 586 Stein/Jonas/Roth vor § 253 Rn. 17; MünchKommZPO/Becker-Eberhard Vor §§ 253 ff. Rn. 31; Saenger/ Saenger Einführung Rn. 109; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.23a; Fezer/Büscher § 12 Rn. 275 ff.; Harte/ Henning/Brüning Vorb. zu § 12 Rn. 18; Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 16; Büscher/Dittmer/Schiwy § 14 MarkenG Rn. 693 ff.; Ahrens WRP 2013, 1, 2; In der Rspr. anfangs noch uneinheitlich, vgl. BGH 9.2.1953 – VI ZR 249/53, BGHZ 9, 22 Tz. 20 = NJW 1953, 663, 664 (ein Streitgegenstand trotz vorliegen zweier Klageanträge); BGH 12.7.1962 – II ZR 161/61, BGHZ 37, 371, 372 f. = NJW 1962, 1616, 1617 (eingliedriger Streitgegenstandbegriff); BGH 2.5.1966 – II ZR 179/65, NJW 1967, 107, 109 (eingliedriger Streitgegenstandsbegriff) m. Anm. Schlechtriem; dann aber eindeutige und st. Rspr.: BGH 22.5.1981 – V ZR 111/80, NJW 1981, 2306, 2306; BGH 19.12.1991 – IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5 = NJW 1992, 1172, 1173; BGH 7.7.1993 – VIII ZR 103/92, BGHZ 123, 137, 139 f. = NJW 1993, 2684, 2685; BGH 27.3.1996 – IV ZR 185/95, BGHZ 132, 240 = NJW 1996, 1743, 1743; BGH 14.5.1997 – XII ZR 140/95, NJW-RR 1997, 1216, 1217; BGH 20.3.2000 – II ZR 250/99, NJW 2000, 1958, 1958; BGH 23.2.2006 – I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 = GRUR 2006, 421 Tz. 25 – Markenparfümverkäufe; BGH 23.7.2008 – XII ZR 158/06, NJW 2008, 2922 Tz. 20; BGH 16.9.2008 – IX ZR 172/07, NJW 2008, 3570 Tz. 9; BGH 21.10.2008 – XI ZR 466/07, NJW 2009, 56 Tz. 15; BGH 5.11.2009 – IX 239/07, BGHZ 183, 77, 80 = NJW 2010, 2210, 2211 Tz. 10. 587 Siehe Nachweise vorherige Fußnote. 588 Vgl. MünchKommZPO/Becker-Eberhard Vor §§ 253 Rn. 35 m.w.N.; Stein/Jonas/Roth vor § 253 Rn. 26; Musielak Einl. Rn. 74. 589 Dazu oben Rn. 67 und 79. 590 Wieczorek/Schütze/Prütting Einl. Rn. 68; Musielak Einl. Rn. 68. 591 U.a. Stein/Jonas/Roth vor § 253 Rn. 41; Wieczorek/Schütze/Prütting Einl. Rn. 67 ff.; Althammer ZZP 123 (2010), 178 ff.; Musielak Einl. Rn. 70, 74 a.E. 592 Baumgärtel JuS 1974, 69, 72 f.

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Ansonsten bestünde die Tendenz, dass der Prozessstoff ausgeweitet wird, um einer späteren Rechtskraftpräklusion vorzubeugen. Die herrschende Lehre geht hingegen von einem einheitlichen Streitgegenstands222 begriff für alle Zwecke aus.593 Das hat der I. Zivilsenat in der Entscheidung „Biomineralwasser“ explizit bestätigt und darauf hingewiesen, dass bei der Definition des Streitgegenstandes dem Sinn und Zweck aller Rechtsinstitute, die an diesen anknüpfen, also Rechtshängigkeit, Rechtskraft, die Klagehäufung und die Klageänderung, Rechnung zu tragen und deren gegenläufige Ziele auszubalancieren seien.594 Die einheitliche Bestimmung überzeugt. Der Prozess ist ein einheitliches System. 223 Man kann den Gegenstand des Urteils nicht anders verstehen als den Gegenstand der Klage. Nur über den Gegenstand des Streits zwischen den Parteien kann das Gericht entscheiden. Es wäre somit nicht konsistent, den Streitgegenstand mit Blick auf den anhängigen Rechtsstreit anders zu verstehen als mit Blick auf die Rechtskraftwirkung der Entscheidung. Aus demselben Grund heraus überzeugt es allerdings nicht, auf die Zwecke der vom Streitgegenstandsbegriff abhängigen Rechtsinstitute bei der Bestimmung des Umfangs des Streitgegenstands abzustellen, also diese Bestimmung gleichsam folgeorientiert vorzunehmen. Diese Rechtsinstitute knüpfen deshalb an den Streitgegenstand an, weil dieser zum Ausdruck bringt, was zwischen den Parteien in Streit steht und worüber das Gericht daher mit Bindungswirkung für die Parteien entscheiden kann und muss. Wenn man etwa – wie der BGH in „Biomineralwasser“ – sagt, ein weiter Streitgegenstandsbegriff liefe den Interessen des Beklagten zuwider, weil damit für den Kläger im Verfahren eine Änderung der „Angriffsrichtung“ leichter möglich wäre, da die Vorschriften der §§ 263, 264 ZPO keine Anwendung finden, so ist das eine eher formale Betrachtungsweise.595 Der Streitgegenstand wird nicht zu dem Zweck enger definiert, damit der Beklagte sich gegen eine Änderung im Verfahren wehren kann, sondern dem Beklagten steht die Möglichkeit, seine Einwilligung zu verweigern, dann und deshalb zu, weil und soweit sich durch die Veränderung der Angriffsrichtung das Programm des Rechtsstreits dergestalt ändert, dass das Rechtsschutzbegehren ein anderes ist, gegen das sich der Beklagte anders verteidigen können muss, weil der Inhalt der Streitentscheidung ein anderer wäre. 224

bb) Die Abgrenzung des Lebenssachverhaltes – natürliche Betrachtungsweise oder materiell-rechtlicher Maßstab? Die wesentliche Frage bei der Anwendung des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs ist, wie der zugrunde liegende Lebenssachverhalt abzugrenzen ist. Hier wird in der Rechtsprechung und nach der herrschenden Auffassung grundsätzlich auf eine „natürliche Betrachtungsweise“ abgestellt. So hat der BGH außerhalb des Wettbewerbsrechts etwa formuliert, dass der Streitgegenstand durch den „gesamten historischen Lebensvorgang“ bestimmt werde, auf den sich das klägerische Rechtsschutzbegehren beziehe und zwar unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen dieses Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragenen worden sind oder ob die Parteien diese Tatsachen überhaupt hätten vortragen können.596

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593 Überzeugend Büscher GRUR 2012, 16, 24; ebenso Wieczorek/Schütze/Büscher § 322, Rn. 115; BGH 19.11.2003 – VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50 = NJW 2004, 1252; BGH 22.5.1981 – V ZR 111/80, NJW 1981, 2306; MünchKommZPO/Gottwald § 322 Rn. 112 f.; Zöller/Vollkommer Vor § 322 Rn. 38, 39; vgl. auch Rosenberg/Schwab/Gottwald § 92 Rn. 10 ff. 594 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 21 – Biomineralwasser. 595 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 22. 596 St. Rspr. BGH 15.10.1986 – IVb ZR 78/85, BGHZ 98, 353 Tz. 30 f. = NJW 1987, 1201, 1202 f.; BGH 13.12.1989 – IVb ZR 19/89, NJW 1990, 1795, 1796; BGH 24. 6.1993 – III ZR 43/92, NJW 1993, 3204, 3204; BGH 18.7.2000 – X ZR 62/98, NJW 2000, 3492, 3493; BGH 15.10.1986 – IV b ZR 78/85, BGHZ 123, 137 Tz. 8 f.; BGH

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Diese Rechtsprechung hat insbesondere Relevanz für die Präklusion von im Erkennt- 225 nisverfahren nicht eingeführten, aber objektiv vor Schluss der mündlichen Verhandlung eingetretenen Tatsachen, sofern diese „bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozess vorgetragenen Lebenssachverhalt gehören“.597 Danach könnte also etwa ein Kläger, der durch rechtskräftiges Urteil mit dem Begehren, die Kaufsache Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises aufgrund einer behaupteten Wandlung wegen eines Unfallschadens der Kaufsache abgewiesen worden war, dieses Begehren nicht im Zweitprozess auf eine nunmehr behauptete arglistige Täuschung bei Abschluss desselben Kaufvertrages stützen.598 Die behauptete arglistige Täuschung über einen Unfallschaden der Kaufsache ist eine Tatsache, die während des Vorprozesses bereits vorgelegen haben musste. Diese gehöre bei „natürlicher Anschauung“ zu dem im Vorprozess vorgetragenen Lebensvorgang, weil sie in „engem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang“ mit der vom Kläger begehrten Wandlung wegen des Unfallschadens gestanden habe.599 Die Bezugnahme auf den „rechtlichen Zusammenhang“ zeigt aber schon, dass 226 die „natürliche Betrachtung“ ihre Grenzen hat. Ohne Bezugnahme auf das vom Kläger festgelegte materiell-rechtliche Programm, das sein Rechtsschutzbegehren stützen soll, lässt sich eine Abgrenzung von Lebenssachverhalten nicht leisten.600 In diesem Sinne hat der BGH in anderen Entscheidungen auch außerhalb des Wettbewerbsrechts darauf abgestellt, ob die jeweiligen materiell-rechtlichen Regelungen die zusammentreffenden Ansprüche erkennbar unterschiedlich ausgestaltet haben.601 In diesem Sinne hält es auch eine in der Literatur im vordringen befindliche Auffassung für unentbehrlich, rechtliche Maßstäbe für die Abgrenzung des Streitgegenstandes zur Anwendung zu bringen.602 Musielak formuliert insofern: „Zu dem Lebenssachverhalt, der für den Streitgegenstand maßgebend ist, gehören alle Tatsachen, die den Geschehensablauf bilden, auf den es für die Anwendung des den Klageantrag rechtfertigenden Rechtssatzes ankommt.“603 Das sei zutreffend, weil es auf den schlüssigen Vortrag dieser Tatsachen für den sachlichen Erfolg der Klage ankomme. Alle weiteren Tatschen, die lediglich in einem natürlich Zusammenhang mit diesen für die Schlüssigkeit erforderlichen Fakten stünden, aber dafür nicht erforderlich seien, lägen außerhalb des für den Streitgegenstand maßgeblichen Lebenssachverhalts.

_____ 19.11.2003 – VIII ZR 60/03, NJW 2004, 1252, 1253 m.w.N.; BGH 25.10.2012 – IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Tz. 14; MünchKommZPO/Gottwald § 322 Rn. 115 f.; Zöller/Vollkommer Vor § 322 Rn. 64; Rosenberg/Schwab/ Gottwald § 153 Rn. 2 f.; vgl. hierzu auch v. Ungern-Sternberg GRUR 2009, 901, 905 f.; Teplitzky Kap. 46 Rn. 2b und 2c (mit kritischen Einschränkungen). 597 St. Rspr. BGH 24. 9. 2003 – XII ZR 70/02, NJW 2004, 294, 295; BGH 19.11.2003 – VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47 Tz. 6 ff. = NJW 2004, 1252, 1253 f.; BGH 15.10.1986 – IVb ZR 78/85, BGHZ 98, 353 Tz. 30 f. = NJW 1987, 1201, 1202 f.; BGH 7.7.1993 – VIII ZR 103/92, BGHZ 123, 137, 139 f. = NJW 1993, 2684, 2685. 598 Auch wenn die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erst nach Rechtskraft des Ersturteils erfolgte, was allerdings wiederum ein Sonderproblem der zeitlichen Grenzen materieller Rechtskraft ist, vgl. BGH 19.11.2003 – VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47 = NJW 2004, 1252. 599 Entsprechend auch zuletzt in BGH 25.10.2012 – IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 f. 600 Ahrens betont dennoch, dass die richterliche Bestimmung des Streitgegenstands die natürliche Betrachtungsweise nicht gänzlich verlassen dürfe, dennoch aber stets der Streitgegenstand im Einzelfall die prozessuale Aufgabenerfüllung angemessen ermöglichen muss, Ahrens Anm. zu BGHZ 166, 253 – Markenparfümverkäufe, JZ 2006, 1184. 601 BGH 27.5.1993 – III ZR 59/92, BGHZ 122, 363 = NJW 1993, 2173; BGH 16.9.2008 – IX ZR 172/07, NJW 2008, 3570 Tz. 9; sowie neuerdings auch im Wettbewerbsrecht BGH 24.1.2013 – I ZR 60/11, GRUR 2013, 397 Tz. 13 – Peek & Cloppenburg III, dazu näher unten Rn. 287. 602 Schwab FS Lüke (1997) 793, 800 f.; Musielak Rn. 72, 76; Musielak NJW 2000, 3593, 3595 ff.; Teplitzky Kap. 46 Rn. 2b und 2c m. w. N. 603 Musielak Einl. Rn. 76.

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Die Bezugnahme auf die Schlüssigkeit lässt weiterhin die Frage aufkommen, inwiefern sich ein solcher Streitgegenstandsbegriffs noch vom materiellen Anspruchsbegriff unterscheidet.604 Auch stellt sich die Frage, aus wessen Perspektive sich entscheidet, ob es für die Anwendung des den Klageantrag rechtfertigenden Rechtssatzes auf den Geschehensablauf ankommt. In vielen Fällen ist es gerade streitig, ob bestimmte weitere Tatsachen rechtlich relevant sind oder nicht. Das wird sich gerade in den wettbewerbsrechtlichen Fällen zeigen.605 Sicherlich kann hier nicht die klägerische Perspektive den abschließenden Maßstab bilden, weil die Sicht des Klägers materiell-rechtlich nicht überzeugend sein mag. Auch die Perspektive des Gerichts kann nicht abschließend sein, weil es nicht darauf ankommen kann, welche materiell-rechtliche Auffassung aus Sicht des Gerichts letztlich zutrifft, ob also gewisse Sachverhaltskomplexe für den Rechtsschutzanspruch relevant sind oder nicht. Richtigerweise kann es nur darauf ankommen, ob durch eine Änderung des Sachverhalts ein abweichender Geschehensablauf identifiziert wird, wodurch eine selbständige rechtliche Beurteilung möglich erscheint, so dass ein neuer Streitstoff begründet wird. In diesem Sinne wird im Wettbewerbsrecht bei einem neuen Sachverhalt auch nicht darauf abgestellt, ob dieser für die Rechtsfolge im Ergebnis einen Unterschied macht, sondern ob er aufgrund seiner Besonderheiten eigenständig zu würdigen ist, ob also darüber gestritten und dieser Streit eigenständig entschieden werden muss. Daneben kann es nicht richtig sein, dass lediglich der Austausch bestimmter Sach228 verhaltselemente, die zu einer abweichenden Schlussfolgerung führen, bereits einen anderen Streitgegenstand begründet. Dann würde das Verfahren den Streit der Parteien über das klägerische Rechtsschutzbegehren regelmäßig nicht beenden. Musielak sagt deshalb auch zu Recht, dass die neuen Tatsachen den Geschehensablauf in seinem „Kerngehalt“ derart verändern müssen, dass sie einen der selbständigen rechtlichen Bewertung zugänglichen eigenständigen Geschehensablauf bilden.606 Eine solche Aufspaltung ist also etwa im immer wieder herangezogenen Schulbeispiel des „Straßenbahnfalls“,607 bei dem Ansprüche aus Vertrag, Delikt und Gefährdungshaftung in Betracht kommen, nicht möglich. Dies gilt, auch wenn sich die Tatbestandsmerkmale der materiell-rechtlichen Normen durchaus unterscheiden, weil vertragliche Ansprüche etwa die durch den Vertrag oder die Geschäftsanbahnung begründete Sonderbeziehung voraussetzten, der deliktische Anspruch das Verschulden, welches der Gefährdungstatbestand nicht benötigt, das aber wiederum abweichend von der vertraglichen Anspruchsgrundlage geregelt ist (§ 278 BGB im Gegensatz zu § 831 BGB). Stets liegt dem Rechtsschutzbegehren der Kernsachverhalt der Verletzung durch den Betrieb der Straßenbahn mit dem dadurch entstandenen Schaden zugrunde. Musielak sagt deshalb überzeugend, dass die materiell-rechtlichen Normen „Orientierungspunkte“ bilden.608

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604 Vgl. ausführlich zu den unterschiedlichen Ansätzen der zunehmenden Materialisierung des Streitgegenstandsbegriffs Stein/Jonas/Roth vor § 253 Rn. 30 ff. 605 Dazu sogleich c)–e), Rn. 229 ff., 252 ff., 265 ff. 606 Musielak Einl. Rn. 76; vgl. dazu auch die ausführliche Zusammenfassung bei Teplitzky Kap. 46 Rn. 2b und 2c zu und mit den Fn. 32–40. 607 So etwa von Georgiades § 13, Rn. 113 ff.; Schwab JuS 1965, 81, 82; Stein/Jonas/Roth vor § 253 Rn. 24; Lüke FS Schwab (1990) 310, 312. 608 Musielak Einl. Rn. 76; ders. NJW 2000, 3593, 3596; vgl. zum Problem auch Teplitzky Kap. 46 Rn. 2a–2c.

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

c) Wettbewerbsrechtliche Praxis und Meinungsstand vor „Biomineralwasser“ Die im Wettbewerbsrecht herrschende Praxis hatte sich ursprünglich deutlich stär- 229 ker als die vorstehend dargelegte herrschende Auffassung zu den allgemeinen zivilprozessualen Lehren zur Bestimmung des Streitgegenstandes an materiell-rechtlichen Kategorien orientiert, nämlich an der materiellen Beanstandung, die der Kläger mit Blick auf die Verletzungshandlung vorgebracht hat (hierzu aa), Rn. 230 ff.). Die dagegen geäußerte Kritik berief sich vornehmlich auf die Abweichung gegenüber der im allgemeinen Zivilprozessrecht herrschenden Definition unter Rekurs auf den natürlichen Lebenssachverhalt (hierzu bb), Rn. 246 ff.). aa) Herrschende Auffassung vor Biomineralwasser: Ausrichtung an der materiellen Beanstandung (1) Zusammenhang zwischen Urteilsnorm (Kernbereichslehre) und Streitge- 230 genstand – BGH Rechtsprechung bis „TÜV I“. Die herrschende Auffassung vom Streitgegenstand ist untrennbar mit dem Gegenstand des Antrages und dem Schutzbereichs eines entsprechend tenorierenden Verbots verbunden.609 Der BGH hat hierzu inzwischen klar ausgesprochen, dass der Schutzumfang des Unterlassungstenors, also der Bereich der Vollstreckung auf das beschränkt ist, was Prüfungsgegenstand des Erkenntnisverfahrens war.610 Die Frage des „Schutzbereichs“ des Urteilstenors richtet sich nach herrschender 231 Auffassung nach der Kernbereichslehre, die bei § 890 ZPO verortet wird. Insofern kann auf die oben im Kontext der Ausführungen zum Bestimmtheitsgrundsatz dargestellte ständige Rechtsprechung des BGH und die instanzgerichtliche Praxis verwiesen werden, wonach die Kernbereichslehre auch zur Anwendung kommt, wenn es sich um einen auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Tenor handelt.611 Danach sind auch Abwandlungen vom Schutzbereich des Unterlassungsurteils erfasst, sofern immer noch das Charakteristische der Verletzungshandlung in der beanstandeten Zuwiderhandlung gegeben ist. Das Charakteristische der Verletzungshandlung wurde dabei (jedenfalls vor „Biomineralwasser“) grundsätzlich mit Blick auf die materielle Beanstandung bestimmt, die dem Urteilstenor zugrunde liegt.612 Bleibt also eine bestimmte Irreführung, auf die sich die Verurteilung stützt, unverändert, so wäre es grundsätzlich unerheblich, ob die Werbeanzeige in anderen, damit nicht zusammenhängenden Punkten verändert wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Kläger sich im Erkenntnisverfahren nicht dezidiert auf bestimmte Ausführungsformen beschränkt hat und eine Ausweitung im Erkenntnisverfahren gerade ausgeschlossen werden sollte.613 Das ist die Linie, die der BGH auch in „TÜV I“ seiner Rechtsprechungsänderung zur 232 alternativen Klagehäufung zugrunde gelegt hat: „Nichts anderes gilt, wenn das Klagebegehren auf das Verbot einer bestimmten Werbung gerichtet ist, die der Kl. alternativ un-

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609 Vgl. hierzu neuerdings etwa Büscher GRUR 2013, 969, 985 a.E. 610 BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 10 ff. – Reichweite des Unterlassungsgebots; hierzu die ablehnende Anmerkung von Kleinemenke GRUR-Prax 2014, 238.; Teplitzky Kap. 46 Rn. 2e; Kap. 57 Rn. 11 ff.; Grosch FS Schilling (2007) 207, 224 f. 611 Siehe Rn. 116 ff., bes. Rn. 129 a.E. 612 H.L. vgl. Schwippert FS Loschelder (2010) 345, 348 f. sub c); Bergmann GRUR 2009, 224, 225 sub II. 3; Teplitzky Kap. 57 Rn. 12. 613 So etwa im Fall BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 10 ff. – Reichweite des Unterlassungsgebots; hierzu die ablehnende Anmerkungen von Kleinemenke GRUR-Prax 2014, 238; zum vorhergehenden BGH-Fall „marions-kochbuch.de“ oben Rn. 84 f.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

ter mehreren Gesichtspunkten, die selbständige prozessuale Ansprüche (Streitgegenstände) darstellen, als unlauter beanstandet. Auch in einem solchen Fall entscheidet das Gericht mit der Auswahl des Streitgegenstands über die Reichweite des Verbots. Denn je nachdem, auf welchen Streitgegenstand das Gericht das Verbot der einheitlichen Werbung stützt, beurteilt sich, was der Bekl. an der beanstandeten Werbung ändern muss, um nicht gegen das ausgesprochene Verbot zu verstoßen.“614 233 Auf dieser Linie der Differenzierung je nach der das Rechtsschutzziel tragenden materiellen Beanstandung lag auch im Wesentlichen die Rechtsprechung des BGH der vergangenen Dekade. Beispielhaft hierfür sind die beiden „dentalästhetika“-Entscheidungen615 sowie die „Saugeinlagen“-Entscheidungen.616 Beide sollen hier kurz dargestellt werden, weil der BGH sie in „Biomineralwasser“ ausdrücklich aufgegeben hat. (a) BGH „dentalästhetika“: Durch Sachvortrag begrenzte Verletzungsform. In „dentalästhetika“ beanstandete die Klägerin in dem hier interessierenden Teil eine Werbeanzeige als konkrete Verletzungsform, die die Beklagte in einer Illustrierten geschaltet hatte.617 Die Klägerin behauptete einen Verstoß i.S.d. § 3 Satz 2 Nr. 2 lit. a HWG der Beklagten durch ein unzulässiges Werben mit einem Erfolgsversprechen. In zweiter Instanz hatte das OLG Düsseldorf dem Unterlassungsbegehren entsprochen, die Verurteilung jedoch auch auf einen Verstoß gegen § 3 (irreführende Werbung) gestützt.618 Der BGH hob die Verurteilung auf, weil diese mit Blick auf die vom Kläger nicht 235 identifizierten Irreführungen über die gestellten Klageanträge hinausging (§ 308 ZPO). Bei einer auf Irreführung gestützten Klage setze sich der maßgebliche Lebenssachverhalt aus der beanstandeten Werbemaßnahme und der dadurch erzeugten Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise zusammen. Der Kläger müsse also bei einer Werbeanzeige genau identifizieren, welcher Aspekt in welcher Art geneigt ist, eine Irreführung zu begründen. Indem der Kläger eine solche Irreführung nicht vorgetragen habe, sondern einen Verstoß gegen § 3 Satz 2 Nr. 2 lit. a HWG, habe er den Streitgegenstand hierauf eingegrenzt. Die Verurteilung des Gerichts nach § 3 betreffe also einen nicht vom Kläger beantragten Streitgegenstand und verstoße deshalb gegen § 308 ZPO.619 Ferner nahm der BGH in „dentalästhetika II“ bei verspäteter Beanstandung einer 236 gesonderten Fehlvorstellung (durch den Kläger nach Zurückverweisung an das Berufungsgericht) Verjährung an, weil dieser prozessuale Anspruch noch nicht mit der auf eine andere Fehlvorstellung gestützten Klage rechtshängig geworden war.620 237 Der BGH hat ferner als weitere Begründungslinie angemerkt, dass der Tatrichter nicht schon deshalb über diese Fehlvorstellungen entscheiden könne, weil er zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört. Wenn die relevanten Sachverhaltsaspekte (die weiteren Fehlvorstellungen) vom Kläger nicht vorgetragen wurden, stelle sich die Beweisfrage gar nicht.621 Inwiefern das fort gilt, ist in der BGH Rechtsprechung nach „Biomineralwasser“ bisher offen geblieben und wird unten zu erörtern sein.

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614 BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 = GRUR 2011, 521 Tz. 10 – TÜV I. 615 BGH 8.6.2000 – I ZR 269/97, GRUR 2001, 181 = WRP 2001, 28 – dentalästhetika; bestätigt in BGH 13.7.2006 – I ZR 222/03, GRUR 2007, 161 – dentalästhetika II. 616 BGH 20.9.2007 – I ZR 171/04, GRUR 2008, 443 – Saugeinlagen. 617 BGH 8.6.2000 – I ZR 269/97, GRUR 2001, 181, 182 – dentalästhetika. 618 BGH 8.6.2000 – dentalästhetika, a.a.O. 182. 619 BGH 8.6.2000 – dentalästhetika, a.a.O. 182 f.; vgl. hierzu auch BGH 20.9.2007 – I ZR 171/04, GRUR 2008, 443 – Saugeinlagen, dazu sogleich. 620 BGH 13.7.2006 – I ZR 222/03, GRUR 2007, 161 Tz. 8 ff. – dentalästhetika II. 621 BGH 8.6.2000 – I ZR 269/97, GRUR 2001, 181, 183 – dentalästhetika.

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

(b) BGH „Saugeinlagen“. Im entschiedenen Fall vertrieben die Parteien Saugeinla- 238 gen für die Verpackungen von frischem Fleisch.622 Die Beklagte hatte an die Abnehmer der Klägerin geschrieben und die Vorteile ihres Produkts hervorgehobenen, sowie Nachteile des klägerischen Produkts deutlich gemacht.623 Das wurde von der Klägerin als unzulässiger Werbevergleich gesehen und sie begehrte für diese konkrete Handlung der Vergangenheit Schadensersatz.624 Das Berufungsgericht wies die Klage ab, weil der Vergleich nicht in unangemessener Weise abfällig, abwertend oder unsachlich gewesen sei, sondern die Empfänger nur über die Gefahren des Produkts der Beklagten habe aufklären wollen.625 Die Frage, ob die Behauptungen der Beklagten unrichtig gewesen seien, weil die Produkte der Klägerin lebensmittelrechtlich unbedenklich wären, sei nicht Streitgegenstand des entschiedenen Falles gewesen.626 Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben.627 Der BGH hat dabei allerdings die 239 Auffassung des Berufungsgerichts geteilt, dass die Schadensersatzansprüche wegen eines herabsetzenden Werbevergleichs einerseits (§§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 5) und einer irreführenden Werbung (§§ 3, 5) andererseits unterschiedliche Streitgegenstände seien.628 Der erste Senat bildet dabei denselben rechtlichen Obersatz wie der Kartellsenat in der Entscheidung „Lesezirkel II“,629 dass also der Streitgegenstand sich nach Antrag und Lebenssachverhalt bestimme und dass ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliege, wenn trotz neuen Tatsachenvortrages der Kern des in der Klage angeführten Sachverhalts unverändert bleibe.630 Je nachdem, ob durch eine abträgliche Wortwahl in dem beanstandeten Schreiben die Produkte der Klägerin herabgesetzt würden, oder ob in der Sache unzutreffend behauptet werde, von diesen Produkten ginge eine Gesundheitsgefahr aus, seien im Kern unterschiedliche Lebenssachverhalte betroffen.631 Deshalb lägen auch bei identischem Antrag unterschiedliche Lebenssachverhalte vor.632 Diese beiden Lebenssachverhalte hatte die Klägerin im entschiedenen Fall auch hinreichend deutlich zur Entscheidung gestellt, weil sie sich ausdrücklich darauf bezogen hatte, dass ihre Produkte entgegen der Behauptung der Beklagten in jeder Hinsicht lebensmittelrechtlichen Anforderungen genügten und gesundheitlich unbedenklich seien.633 (2) Herrschende Literaturauffassung. Auf dieser Linie hatte auch die in der Litera- 240 tur vorherrschende Auffassung verschiedene Streitgegenstände bei einem Angriff auf der Grundlage derselben konkreten Verletzungshandlung angenommen, wenn der Kläger eine einheitliche Werbung unter verschiedenen rechtlichen Aspekten beanstandete und zwar auch, wenn es um dieselbe Angabe innerhalb derselben Werbung ging, etwa einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot einerseits und gegen die Preisangabenverordnung andererseits.634 Durch die Bezugnahme auf verschiedene Beanstandungen beschränke der Kläger sein Rechtsschutzbegehren und damit auch den zur Begründung

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622 BGH 20.9.2007 – I ZR 171/04, GRUR 2008, 443, 444 – Saugeinlagen. 623 BGH 20.9.2007 – Saugeinlagen, a.a.O. 444. 624 BGH 20.9.2007 – Saugeinlagen, a.a.O. 444. 625 BGH 20.9.2007 – Saugeinlagen, a.a.O. 444. 626 BGH 20.9.2007 – Saugeinlagen, a.a.O. Tz. 11. 627 BGH 20.9.2007 – Saugeinlagen, a.a.O. Tz. 12. 628 BGH 20.9.2007 – Saugeinlagen, a.a.O. Tz. 21. 629 BGH 11.10.2006 – KZR 45/05, GRUR 2007, 172 Tz. 11 – Lesezirkel II; ebenso dann auch weitere Entscheidungen des I. Zivilsenats, vgl. dazu die Nachweise bei Teplitzky Kap. 46 Rn. 2d in Fn. 60. 630 BGH 20.9.2007 – Saugeinlagen, a.a.O. Tz. 22. 631 BGH 20.9.2007 – Saugeinlagen, a.a.O. Tz. 23. 632 BGH 20.9.2007 – Saugeinlagen, a.a.O. Tz. 23. 633 BGH 20.9.2007 – Saugeinlagen, a.a.O. Tz. 24. 634 Beispiel bei Bergmann GRUR 2009, 224, 225 sub d).

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des gegen dasselbe Verhalten gerichteten Verbots vorgetragenen Lebenssachverhalt dergestalt, dass das Gericht nach der Dispositionsmaxime gehindert sei, sich auf andere Sachverhaltsaspekte zu beziehen, die für die geltend gemachte rechtliche Beanstandung nicht erheblich sind. Es wird also insofern nur ein Teil des Sachverhalts, nämlich die für die Subsumtion des Klägers erheblichen Elemente, zur Entscheidung gestellt.635 Zwar wurde in der Literatur durchaus bemerkt, dass dies einen engeren Streitgegenstandsbegriff zur Folge hat, was aber gerechtfertigt oder jedenfalls nicht vermeidbar sei.636 Ich hatte mich dazu an verschiedenen Stellen schon ausführlich geäußert und diese 241 Linie ausführlich begründet.637 Entscheidend dabei ist, dass das Verbot der Handlung, sowie sie begangen worden ist, nicht möglich ist, weil sich dieselbe Handlung so nicht wiederholen wird, phänomenologisch nicht wiederholen kann; man steigt, wie Heraklit sagt, nicht zweimal in denselben Fluss (panta rhei). In diesem Sinne hatte bereits das Reichsgerichts formuliert, dass es „bei der Vielgestaltigkeit der Lebensvorgänge nicht zu erwarten [ist], dass es jemals zu einer sich unter denselben Umständen abspielenden neuen Verletzungshandlung kommen werde. Entscheidend für den Umfang eines Unterlassungsanspruchs kann nur sein, ob die Wiederholung eines Verhaltens wahrscheinlich ist, das in seiner das Wesen der beanstandeten Rechtsverletzung ausmachenden Bedeutung dem gleicht, was sich bereits zugetragen hat.“638 Das Ergebnis des Unterlassungsverfahrens kann also nur selbst eine Norm sein und kein klassischer Rechtsfolgenausspruch. Dass das Unterlassungsurteil eine Norm ist, zeigt sich im Vollstreckungsverfahren nach § 890 ZPO. Es ist ein Sachverhalt unter eine Norm zu subsumieren, nämlich den Tenor, zu dessen Auslegung die Gründe des Urteils heranzuziehen sind (hierzu unten Rn. 854 ff.). Diese Auffassung ist besonders im Kontext der Auseinandersetzung mit der BGH 242 Entscheidung „Markenparfümverkäufe“639 stark verteidigt und in ihrer Rechtfertigung gerade auch unter Bezugnahme auf die allgemeinen zivilprozessualen Lehren, etwa die Beiträge von Musielak und Larenz,640 vertieft worden.641 Der Wiederhall dieser Diskussion findet sich auch in der Auseinandersetzung mit 243 „TÜV I“.642 So hat etwa Teplitzky nach „TÜV I“ zur Handhabung der als praktisch nachteilig empfundenen Folgen der „TÜV“ Judikatur empfohlen, gerade unter diesem Blick einen nicht zu engen Streitgegenstandsbegriff zu sichern.643 Dieser „weitere“ Streitgegenstandsbegriff sei in Anwendung der Kernbereichslehre darin zu finden, dass durch die Festlegung auf die für den Subsumtionsschluss maßgeblichen Merkmale auch weitere Handlungen in den Streitgegenstand einbezogen werden, auch wenn diese nach Zeit und Ort oder anderen für den begehrten Subsumtionsschluss unerheblichen Aspekten von der vom Kläger benannten Verletzungshandlung unterschieden seien.644 Das ver-

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635 Hierzu ausführlich Teplitzky Kap. 46 Rn. 4 und 5, der sich im Ergebnis der Auffassung von der möglichen Mehrheit von Streitgegenständen bei unterschiedlichen materiellen Beanstandungen einer Verletzungshandlung anschließt. 636 Teplitzky spricht von hinnehmbar (die Rechtsprechung sei hinzunehmen). 637 Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 72 ff.; ders. FS Schilling 207, 223 ff. 638 RG 6.3.1936, GRUR 1936, 885, 889 – Fahrradreifen. 639 BGH 23.2.2006 – I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 = GRUR 2006, 421 – Markenparfümverkäufe. 640 Musielak NJW 2000, 3593; Larenz FS Schima (1969) 247. 641 Hierzu insbesondere Teplitzky, WRP 2007, 1, 3 f. und ders. Kap. 4 Rn. 2d m.w.N. in Fn. 55; ausführlich Grosch FS Schilling (2007) 207, 221 ff. 642 BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 = GRUR 2011, 521 – TÜV I. 643 Teplitzky GRUR 2011, 1091, 1095. 644 Teplitzky GRUR 2011, 1091, 1095 sub 3b.

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

steht Teplitzky als konkrete Verletzungsform im Unterschied zur konkreten Verletzungshandlung. Die Unterscheidung entspricht der bereits oben erörterten Terminologie von Nirk/Kurtze,645 nach der als konkrete Verletzungshandlung die konkrete historische Wettbewerbshandlung bezeichnet wird, die die Wiederholungsgefahr begründet. Als konkrete Verletzungsform wird demgegenüber die Summe derjenigen Merkmale dieses Sachverhalts bezeichnet, die nach der zugrunde gelegten materiellen Verbotsnorm die Rechtswidrigkeit der Handlung begründen. Es sind also diejenigen Merkmale, die für die Subsumtion hinsichtlich des geltend gemachten Wettbewerbsverstoßes konstitutiv sind.646 Wichtig für die Beurteilung ist insofern, dass Teplitzky diesen Streitgegenstands- 244 begriff als „weiter“ versteht, weil er sich von dem Streitgegenstandsbegriff aus „Markenparfümverkäufe“ abgegrenzt, wonach jede neue Handlung schon wegen deren historischer Unterscheidbarkeit von der benannten Verletzungshandlung einen eigenen Streitgegenstand begründe. Weitergehende Änderungen im Sinne einer Lösung von den durch den Kläger vorgegebenen materiellen Beanstandungen werden hingegen nicht konkret gefordert, wenn auch allgemein in den Raum gestellt wird, dass die „Aufsplitterung“ der Streitgegenstände schon vor „TÜV I“ eine unerwünschte Erscheinung gewesen sei.647 Bemerkenswert an der Einordnung von „TÜV“ durch Teplitzky – und repräsentativ 245 für die weiteren Bewertungen der Entscheidung – ist allerdings, dass nicht gesehen wird, dass der „TÜV“-Rechtsprechung das Verständnis von Teplitzky mit Blick auf den Streitgegenstand bereits zwingend immanent ist, weil nach „TÜV“ die Verbotsnorm hinsichtlich des einheitlichen Antrages auf der Basis derselben Verletzungshandlung je nach zugrunde gelegter Beanstandung unterschiedlich definiert wird. Es ist also nicht zutreffend, wenn man sagt, dass auf der Basis von „TÜV“ durch die Anpassung des Streitgegenstandsbegriffs bei Fällen der konkreten Verletzungsform unterschiedliche, aber mit „TÜV“ konsistente Ergebnisse erzielt werden könnten.648 Ändern könnte man allein die Prämissen von „TÜV“ zum Streitgegenstand bei der konkreten Verletzungsform. Das hat der BGH dann in „Biomineralwasser“649 getan, allerdings auch ohne diesen Widerspruch zu „TÜV“ auszusprechen. „TÜV“ wird bei dieser Sichtweise letztlich allein auf das Verbot der alternativen Klagehäufung reduziert, und es wird sodann mehr formal argumentiert, dass man mit diesem Verbot besser umgehen könne, wenn man dessen Tatbestandsmerkmal, nämlich das Vorliegen unterschiedlicher Streitgegenstände, adaptiere. bb) Enge Bestimmung der Verbotsnorm und enge Bestimmung des Streitge- 246 genstandes – Kritik an „TÜV I“. Die Kritiker der „TÜV I“-Rechtsprechung sprechen hingegen bei dem von „TÜV I“ zugrunde gelegten und von Teplitzky (gegenüber „Markenparfümverkäufe“) als „weiter“ bezeichneten Streitgegenstandsbegriff von einem engen Streitgegenstandsbegriff,650 weil nicht der gesamte Lebenssachverhalt, der die Verletzungshandlung bildet, als Streitgegenstand gesehen werde, sondern nur die für die jeweilige Beanstandung maßgeblichen Aspekte, deren Zusammenschau, wie bereits gesagt, von Teplitzky als konkrete Verletzungsform bezeichnet wird. Insofern richtet sich

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Nirk/Kurtze GRUR 1980, 645, 646 ff.; siehe dazu oben Rn. 79. Dazu ausführlich oben Rn. 79. Teplitzky GRUR 2011, 1092, 1094 a.E. Teplitzky GRUR 2011, 1091, 1094 f. BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser. Vgl. etwa Stieper GRUR 2012, 5, 13 sub V.

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diese Kritik an der „TÜV“-Entscheidung letztlich gegen deren Prämissen mit Blick auf den Streitgegenstand.651 Dabei wird allerdings der Zusammenhang zwischen dem Umfang der Verbotsnorm und dem abweichenden Streitgegenstandsbegriff auf der Basis einer natürlichen Betrachtungsweise erkannt: In diesem Sinne hat bereits Stieper, der nach „TÜV I“ und vor „Biomineralwasser“ und „Branchenbuch Berg“ der Rechtsprechung aus „TÜV I“ entgegengetreten ist, die Auffassung vertreten, dass nach der Rechtsprechung des BGH bei Titeln, die auf die konkrete Verletzungsform gerichtet sind, nur die identische Wiederholung des Verhaltens verboten und im Wesentlichen keine Erweiterung solcher Titel qua Kernbereichslehre zulässig sei. Ähnlich hat Ahrens in der Entscheidung „Branchenbuch Berg“ noch keinen Systemwechsel erkannt, wie er nun in „Biomineralwasser“ ausgesprochen wurde, weil es sich um einen Fotokopierantrag handelte, der die „engste Form, in der ein Lebenssachverhalt überhaupt Gegenstand eines Unterlassungsantrags sein kann“, bezeichne.652 Deshalb sei der Entscheidung keine weiter gehende Wirkung beizumessen und sie sei mit der früheren Rechtsprechung des BGH wie etwa aus „dentalästhetika“ vereinbar.653 Mit den Formulierungen „weiter“ und „enger“ mit Blick auf den Streitgegenstandsbegriff muss man mithin vorsichtig operieren. Wenn man den Umfang der Verbotsnorm durch die Beschränkung auf den Lebenssachverhalt in seiner Gesamtheit beschränkt und damit Handlungen, die nach der klassischen Kernbereichslehre vom Urteil erfasst worden wären, vom Schutzbereich des Tenors ausschließt, ist der Streitgegenstand insofern enger. Weiter wäre er insofern, als eine Beschränkung auf die klägerseits definierte materielle Beanstandung nicht mehr vorläge. Für ein engeres Verständnis der Verbotsnorm (und damit des Streitgegenstandes) und eine Orientierung an der Verletzungshandlung auf der Basis einer natürlichen Betrachtungsweise gaben bereits einige BGH-Urteile vor „TÜV I“ Anlass (hierzu auch unten Rn. 860): Beispielhaft ist etwa die BGH Entscheidung „0.00 Grundgebühr“.654 Der BGH hielt im entschiedenen Fall grundsätzlich die Kernbereichslehre für einschlägig und hat ausgeführt, dass ein einheitlicher Lebenssachverhalt ungeachtet unterschiedlichen Tatsachenvortrages im Detail vorliege, wenn der Kern des in der Klage angeführten Sachverhalts unverändert bleibt.655 Es könne aber offen bleiben, ob unterschiedliche Werbeträger den Kern des Sachverhalts unverändert ließen.656 Es lägen nämlich schon deshalb unterschiedliche Streitgegenstände vor, weil in den beiden in Rede stehenden Verfahren unterschiedliche Anträge gestellt worden waren, nämlich einmal gerichtet gegen eine Plakatwerbung und zum anderen gegen eine Werbung mit Handzetteln.657 „Die auf die konkrete Verletzungsform beschränkten Klageanträge erfassen nicht die jeweils andere Verletzungsform.“658

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651 So ausdrücklich Stieper a.a.O., wonach die Argumente gegen die Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung sich genauso gut gegen die Annahme einer Mehrheit von Streitgegenständen ins Feld führen ließen. 652 Ahrens WRP 2013, 129, 131 Rn. 24 ff.; a.A. Teplitzky WRP 2012, 261, 262 ff. 653 Ahrens a.a.O. Rn. 25. 654 BGH 22. 4. 2009 – I ZR 14/07, GRUR 2009, 1180 – 0,00 Grundgebühr. 655 BGH 22. 4. 2009 – 0,00 Grundgebühr, a.a.O. Tz. 15. 656 BGH 22. 4. 2009 – 0,00 Grundgebühr, a.a.O. Tz. 16. 657 BGH 22. 4. 2009 – 0,00 Grundgebühr, a.a.O. Tz. 16. 658 BGH 22. 4. 2009 – 0,00 Grundgebühr, a.a.O. Tz. 16.

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Die Entscheidung wird von den Befürwortern eines engen (aus deren Sicht weiten), 251 auf die historische Verletzungshandlung ausgerichteten Streitgegenstandsbegriffs für auf die konkrete Verletzungsform gerichtete Anträge herangezogen, um zu begründen, dass der BGH dieser Auffassung folge, weshalb sich in diesen Fällen je nach Beanstandung, auf die sich die Verurteilung stützt, keine unterschiedliche Verbotsnorm ergebe und damit auch das Verbot der alternativen Klagehäufung nicht greife.659 Hingegen würden Vertreter der Gegenauffassung – wie etwa Teplitzky – die Entscheidung für verfehlt halten müssen, weil sie den Streitgegenstand durch die Begrenzung der Verbotsnorm zu eng definiert. III. Unterlassungsklage A. Besonderheiten des Klageverfahrens Grosch d) Die aktuelle Rechtsprechung des BGH in Wettbewerbssachen aa) BGH „Biomineralwasser“. Mit der Entscheidung „Biomineralwasser“660 hat der 252 BGH die Bestimmung des Streitgegenstandes auf eine gänzlich661 neue Basis gestellt, um sich den vorstehend dargestellten, allgemeinen zivilprozessualen Lehren anzunähern und um die Folgen der „TÜV“-Rechtsprechung einfacher in den Griff zu bekommen. § 12 Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung (1) Der Sachverhalt. Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin die Verwendung der 253 Bezeichnung „Biomineralwasser“ angegriffen. Dieser Angriff nach dem Hauptantrag erfolgte unabhängig von der konkreten Art der Verwendung, also der konkreten Gestaltung der Bezeichnung und losgelöst vom konkreten wettbewerblichen Umfeld.662 Gestützt wurde dieser einheitliche Antrag auf drei unterschiedene rechtliche Aspekte:663 Erstens wurde die Bezeichnung als unzulässige Werbung mit einer Selbstverständlichkeit, also als Verstoß gegen das Irreführungsverbot angegriffen. Zweitens sei die Verwendung der Bezeichnung deshalb irreführend, weil sie den Eindruck einer amtlichen Zertifizierung erwecke. Drittens handle es sich um eine Verkehrsbezeichnung, die nicht den Vorgaben der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung entspreche, also gestützt auf §§ 3, 4 Nr. 11 i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 LMKV, § 8 MTVO als Anspruchsgrundlage. Rechtlicher Aufhänger der Prüfung war das Bestimmtheitsgebot. Der BGH hielt 254 den einheitlichen Antrag, bei dem die drei Angriffe nicht in eine Reihenfolge der Prüfung gestellt wurden, nicht für unbestimmt.664 Der Kläger sei auch nach der „TÜV I“-Rechtsprechung nicht gezwungen, die drei Anspruchsgrundlagen in ein Eventualverhältnis zu bringen, weil es sich um einen einheitlichen Streitgegenstand und nicht um drei verschiedene Streitgegenstände handle.665 (2) Rechtliche Würdigung des BGH (a) Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung und „Praktikabilitätserwä- 255 gungen“ als Impetus. Die Begründung des BGH in „Biomineralwasser“ geht weit über die konkreten Aspekte des entschiedenen Falles hinaus. Der BGH beruft sich zunächst auf die oben geschilderte natürliche Betrachtungsweise vom Standpunkt der Parteien, die nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff von der herrschenden Leh-

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659 Stieper GRUR 2012, 5, 8 r. Sp. unten. 660 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser. 661 Teplitzky WRP 2012, 261, 262 und Anm. zu BGH – Biomineralwasser GRUR 2013, 409, erkennt demgegenüber ein zumindest partielles Wiederanknüpfen an früher bereits Vertretenes. 662 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 26. 663 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 17. 664 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 16. 665 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 26 f.

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re zur Bestimmung des Lebenssachverhalts (Klagegrund) angewendet wird. Der BGH habe demgegenüber in Wettbewerbssachen in der Vergangenheit eine eher enge Sichtweise zugrundegelegt, nach der auch die Verwirklichung verschiedener Verbotsnormen, oder auch unterschiedlicher „Erscheinungsformen“ derselben Verbotsnorm, selbständige Klagegründe etablieren könnten.666 Daran halte der BGH nicht mehr fest.667 Der zu feingliedrige Streitgegenstandsbegriff entspräche nicht der gebotenen 256 „natürlichen Betrachtungsweise“ der herrschenden Auffassung zum allgemeinen zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff.668 Dieser Einwand war natürlich schon vorher bekannt. 257 Den eigentlichen Grund für die Revision der Rechtsprechung macht der BGH an der Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung fest, wie sie in der „TÜV“-Rechtsprechung ausgesprochen wurde.669 Hier will man dem Kläger offensichtlich nicht zu viel abverlangen, indem man ihn zwingt, die verschiedenen Beanstandungen als selbständige „Klagegründe“, also prozessuale Ansprüche, entsprechend in ein Hilfsverhältnis zu stellen oder kumulativ geltend zu machen. Hier ergäben sich „Abgrenzungsschwierigkeiten“.670 Der BGH bezieht sich dabei im Ausgangspunkt insbesondere auf die Rechtsprechung zu den Irreführungsfällen, wie sie in „dentalästhetika I und II“ etabliert worden war. Ausdrücklich behandelt wird das Beispiel „Original Kanchipur“,671 wo man auch mit Blick auf denselben konkreten Sachverhalt, nämlich die Gegenüberstellung von Einführungspreisen mit durchgestrichenen Preisen, zwei Streitgegenstände annehmen müsste, wenn diese Gegenüberstellung einerseits als Irreführung wegen der fehlenden zeitlichen Begrenzung der Einführungspreise und andererseits als Irreführung mit Blick auf die fehlende Angabe, wann die durchgestrichenen Preise gefordert werden, beanstandet wird. Der BGH hält das schon aus „Praktikabilitätserwägungen“ für nicht vertretbar.672 Es könne nicht jede auch nur geringfügige Abweichung im Verständnis einer Werbeaussage einen abweichenden Irreführungstatbestand und damit einen eigenständigen Streitgegenstand begründen.673 258

(b) Die historische Verletzungshandlung als einheitlicher Lebenssachverhalt. Die „Praktikabilitätserwägungen“ bilden dann die entscheidende und systembildende Argumentationsweiche des BGH in „Biomineralwasser“: Wenn man einmal erkannt habe, dass man eine Werbeaussage in den genannten Fällen auch mit Blick auf verschiedene Fehlvorstellungen zu einem Streitgegenstand zusammenziehen müsse, so ergäben sich – wohl als nicht lösbar eingestufte – Abgrenzungsprobleme, wenn mit Blick auf dieselbe Anzeige noch weitere Beanstandungen vorgebracht würden.674 Gemeint sind dann also die Fälle, in denen die Beanstandungen, anders als in „Original Kanchipur“, nicht unmittelbar zusammenhängen (dort die Preisgegenüberstellung, einmal mit Blick auf die Einführungspreise und einmal mit Blick auf gegenübergestellte durchgestrichene Preise).

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666 Für diese engere Sichtweise zitiert der BGH in Biomineralwasser die Entscheidungen BGH 20.9.2007 – I ZR 171/04, GRUR 2008, 443 Tz. 23 – Saugeinlagen; 8.6.2000 – I ZR 269/97, GRUR 2001, 181, 182 – dentalästhetika I; 13.7.2006 – I ZR 222/03, GRUR 2007, 161 Tz. 9 – dentalästhetika II. 667 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 20. 668 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 23 m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser. 669 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 20. 670 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 23. 671 BGH 17.3.2011 – I ZR 81/09, GRUR 2011, 1151 – Original Kanchipur. 672 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 23. 673 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 23. 674 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 23.

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(c) Konkrete Verletzungsform und abstrahierende Anträge. Deshalb sei in dem 259 Fall, in dem mit der Klage die konkrete Verletzungsform angegriffen werde, das konkret umschriebene Verhalten bei natürlicher Betrachtungsweise der für den Klagegrund bestimmende Lebenssachverhalt.675 Gemeint ist damit also die gesamte historische Verletzungshandlung. Wenn der Kläger in diesem Sinne eine konkrete Werbeanzeige angreift und unter verschiedenen Aspekten beanstandet, so überlasse es der Kläger (in zulässiger Weise) dem Gericht, auf welchen der Aspekte es das Verbot stützen wolle.676 Diese Ausführungen des BGH mit Blick auf den Angriff der konkreten Verlet- 260 zungsform sind obiter dicta, weil im entschiedenen Fall die konkrete Verletzungsform gar nicht angegriffen war.677 Nichts anderes gelte aber nach dem BGH, wenn, wie im entschiedenen Fall, auf der Basis der historischen Verletzungshandlung ein vom konkreten Umfeld losgelöstes Verbot (Verwendung der Bezeichnung „Biomineralwasser“) erstrebt werde. Auch in diesem Fall rechne der gesamte historische Lebensvorgang mit allen weiteren Umständen des Wettbewerbsauftritts und dessen gesamte Wahrnehmung (Irreführung) zum Streitgegenstand und zwar unabhängig davon, was von den Parteien hierzu vorgetragen wurde und ob die Parteien davon Kenntnis hatten oder hätten Kenntnis haben können.678 (d) Die Option des Klägers, über jede Beanstandung eine Entscheidung herbei- 261 zuführen. Wenn dem Kläger beim Angriff auf die konkrete Verletzungsform daran gelegen ist, dass das Gericht eine Entscheidung über jeden der beanstandeten Aspekte trifft, so muss der Kläger nach „Biomineralwasser“ verschiedene Anträge für jede der Beanstandungen stellen. Der Kläger kann dabei jeweils zum Zwecke der Verdeutlichung auf die konkrete Verletzungsform abstellen, in dem diese mit „wie geschehen in …“ in Bezug genommen wird. Der Spruchkörper muss dann jede dieser gesondert zur Entscheidung gestellten Beanstandungen prüfen. bb) Die Biomineralwasser vorbereitenden Entscheidungen: „TÜV II“ bis „Bran- 262 chenbuch Berg“. Im Sinne eines von der konkreten Beanstandung unabhängigen Streitgegenstandes beim Angriff auf die konkrete Verletzungsform hatte sich der BGH bereits in der Entscheidung „Branchenbuch Berg“679 geäußert (hierzu bereits oben Rn. 158). Im entschiedenen Fall wurde ein Werbeschreiben beanstandet und zwar zum einen deshalb, weil es suggerierte, dass zwischen den Parteien bereits ein Vertragsverhältnis bestand, dass es zu verlängern gelte,680 und zum anderen, weil die Angabe „89 Euro p.m.“ in dem Schreiben irreführend suggerierte, die Gebühren seien monatlich zu tragen, was nicht zutraf.681 Der BGH forderte, ebenso wie in „Biomineralwasser“, keine Differenzierung zwischen beiden Beanstandungen in Gestalt einer Eventualklagehäufung, weil es sich um einen Streitgegenstand handle. Durch die Bezugnahme auf nur eine Verletzungshandlung sei nur ein einziger Lebenssachverhalt zur Begründung des Unterlassungsbegehrens eingeführt worden.682 Dass dieser eine Lebenssachverhalt zugleich mehrere Verbotsnormen verwirkliche, sei für die Bestimmung des Streitgegenstandes

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BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 24. BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 24. BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 25. BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 26. BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 – Branchenbuch Berg. Weshalb der Werbecharakter des Schreibens verschleiert werde. BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 – Branchenbuch Berg. BGH 30.6.2011 – Branchenbuch Berg, a.a.O. Tz. 15.

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nicht relevant, weil die „rechtliche Würdigung der beanstandeten konkreten Verletzungshandlung Sache des Gerichts ist“.683 Das ist ein klares Bekenntnis zur Anwendung des Grundsatzes iura novit curia. So ist die Entscheidung auch überwiegend in der Literatur gedeutet worden.684 Und die obergerichtliche Rechtsprechung hatte sich dem bereits vor „Biomineralwasser“ angeschlossen.685 Ahrens hatte darin hingegen noch keine Abkehr von der etablierten Rechtsprechung sehen können, weil es sich im entschiedenen Fall um einen eng auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Antrag gehandelt habe, bei dem der Schutzbereich der Verbotsnorm dann eng auf diese Handlung beschränkt sei, also die Anwendung der Kernbereichslehre ausgeschlossen sei.686 263 Die dargestellte Linie aus „Biomineralwasser“ und „Branchenbuch Berg“ hatte sich bereits in einigen kurz vorher erlassenen Entscheidungen (nach „TÜV I“) angekündigt. So hatte der BGH, jedenfalls obiter, bereits im Urteil „TÜV II“687 verneint dass der zeichenrechtliche Identitätsschutz und der Verwechslungsschutz unterschiedliche Streitgegenstände begründen.688 Nachdem der BGH in „TÜV I“689 und „TÜV II“690 noch offen gelassen hatte, ob die zeichenrechtlichen Verletzungstatbestände der Verwechslungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und § 15 Abs. 2 MarkenG) einerseits und des Bekanntheitsschutzes andererseits (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG und 15 Abs. 3 MarkenG) unterschiedliche Streitgegenstände begründen, hat der BGH ferner in „OSCAR“691 ohne weitere Begründung entschieden, dass es sich um einen Streitgegenstand handele. Dem hatte sich bereits die obergerichtliche Judikatur für das Wettbewerbsrecht in Teilen schon vor „Biomineralwasser“ angeschlossen.692 264

cc) Post-„Biomineralwasser“: BGH „Peek & Cloppenburg III“ – Grenzen des einheitlichen Lebenssachverhalts. Der BGH hat inzwischen mit der Entscheidung „Peek & Cloppenburg III“693 wiederum die Grenzen dieser natürlichen Betrachtungsweise klargestellt. Im entschiedenen Fall war der Antrag auf die konkrete Verletzungshandlung bezogen, indem, wie üblich, der Zusatz „wenn dies wie in der Anlage 1 […] geschieht“ im Antrag vorgesehen war.694 Es ging um die Verwendung einer geschäftlichen Bezeichnung in zwei konkreten Anzeigen.695 Die Ansprüche wurden auf § 15 MarkenG, auf das Irreführungsverbot sowie auf eine vertragliche, zwischen den Parteien des Rechtsstreits geschlossene Abgrenzungsvereinbarung gestützt. 696 Der BGH hat zunächst klargestellt, dass die Ansprüche aus der geschäftlichen Bezeichnung und diejenigen aus dem wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbot zwei Streitgegenstände bilden.697 Das gelte

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683 BGH 30.6.2011 – Branchenbuch Berg, a.a.O. Tz. 15. 684 Stieper WRP 2013, 561, 563 Rn. 7; Krüger WRP 2013 140 f. Rn. 2 und 16; Teplitzky WRP 2012, 261, 262 ff. 685 Vgl. etwa OLG Hamburg, 3.5.2012 – 3 U 155/11, WRP 2012, 1594, 1595 Tz. 30 f. – Zustellung einer Beschlussverfügung. 686 Ahrens WRP 2013, 129 Rn. 24. 687 BGH 17.8.2011 – I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 – TÜV II. 688 BGH 17.8.2011 – TÜV II, a.a.O. Tz. 27. 689 BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 = GRUR 2011, 521 – TÜV I. 690 BGH 17.8.2011 – I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 – TÜV II. 691 BGH 8.3.2012 – I ZR 75/10, GRUR 2012, 621 f. – OSCAR; ebenso für die wettbewerbsrechtlichen Tatbestände des § 4 Nr. 9 lit. a) und b): BGH 24.1.2013 – I ZR 136/11, GRUR 2013, 951 f. Tz. 10 – Regalsysteme; ebenso BGH 17.7.2013 – I ZR 21/12, GRUR 2013, 1052, 1053 Tz. 10. – Einkaufswagen. 692 Vgl. für § 4 Nr. 9a) und b) sowie § 5 Abs. 2 UWG: OLG Köln 10. 8. 2012 – 6 U 17/12, GRUR-RR 2013, 24 f. – Gute Laune Drops. 693 BGH 24.1.2013 – I ZR 60/11, GRUR 2013, 397 – Peek & Cloppenburg III. 694 BGH 24.1.2013 – Peek & Cloppenburg III, a.a.O. 397. 695 BGH 24.1.2013 – Peek & Cloppenburg III, a.a.O. 397. 696 BGH 24.1.2013 – Peek & Cloppenburg III, a.a.O. 397. 697 BGH 24.1.2013 – Peek & Cloppenburg III, a.a.O. Tz. 14 f.

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im entschiedenen Fall entgegen der Regel aber auch für das Verhältnis zwischen dem gesetzlichen und dem vertraglichen Unterlassungsanspruch, weil dieser Unterlassungsanspruch vertraglich gegenüber dem gesetzlichen Anspruch erkennbar unterschiedlich ausgestaltet sei.698 Dabei berief sich der BGH auf die oben angeführte Rechtsprechung der allgemeinen Zivilsenate, die trotz der grundsätzlichen Deutungshoheit der „natürlichen Betrachtungsweise“ dem materiellen Recht das entscheidende Gewicht bei der Wertung für zwei Streitgegenstände einräumen würden, falls „die zusammentreffenden Ansprüche erkennbar unterschiedlich ausgestaltet“ sind.699 Wo die Grenzen dieser erkennbar unterschiedlichen Ausgestaltung zu ziehen sind, wird nicht angegeben, sondern einfach postuliert. Keine Begründung findet sich zur Abgrenzung von „Biomineralwasser“. e) Weitere Systembildung auf der Basis von „Biomineralwasser“ Wenn man die Folgen von „Biomineralwasser“ einordnen und auf der Basis des vom 265 BGH vorgegebenen Systems offene Fragen klären will, ist es erforderlich, den – wenn auch nur obiter angeführten – Kernpunkt dieses Systems, nämlich den auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Antrag, gesondert zu behandeln (hierzu aa), Rn. 266 ff.). Anschließend ist die Frage zu stellen, wie abstrahierende Anträge und deren Streitgegenstand zu behandeln sind (hierzu bb), Rn. 338 ff.). aa) Konkrete Verletzungsform (1) Beschränkung auf die Beanstandungen des Klägers oder iura novit curia? 266 Offen bleibt nach den Gründen von „Biomineralwasser“, ob bei einem auf die konkrete Verletzungsform bezogenen Angriff das Gericht die in Bezug genommene historische Verletzungshandlung unter allen Aspekten rechtlich zu prüfen hat, oder nur unter den vom Kläger beanstandeten Aspekten. Der BGH hat diese Frage in „Biomineralwasser“ nicht ausdrücklich beantwortet. Expressis verbis wird nur gesagt, dass es dem Gericht überlassen bleibe, auf welchen der vom Kläger beanstandeten Aspekte es das Verbot der konkreten Verletzungsform stützen wolle.700 Ob es das Verbot auch auf nicht beanstandete Aspekte stützen kann, bleibt damit offen. Konsequent zu Ende gedacht kann es aber nur so sein, dass das Gericht bei einem 267 solchen Angriff dann nach dem Grundsatz iura novit curia auch andere rechtliche Aspekte aufgreifen müsste, die der Kläger nicht adressiert hat, die sich aber aus dem vorgetragenen Sachverhalt ergeben und die das beantragte Verbot stützen.701 Das ergibt sich daraus, dass aus Sicht des BGH das klägerische Rechtsschutzbegehren auf die konkrete Verletzungsform gerichtet ist und diese nicht durch die für die Subsumtion jeweils relevanten Aspekte, sondern durch die Beschreibung des Vorgangs nach natürlicher Betrachtungsweise beschrieben ist. Der Kläger muss danach also nur sagen, dass er die konkrete Verletzungshandlung verbieten wolle und den entsprechenden Lebenssachverhalt vortragen. Das Gericht muss diesen Lebenssachverhalt dann auch ohne ausdrückliche konkrete Beanstandung in eine konkrete Richtung umfänglich auf seine Wettbewerbs-

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698 BGH 24.1.2013 – Peek & Cloppenburg III, a.a.O. Tz. 14. 699 BGH 24.1.2013 – Peek & Cloppenburg III, a.a.O. Tz. 13. 700 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 24 m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser. 701 OLG Köln 10.8.2012 – 6 U 27/12, WRP 2013, 95, 96 Tz. 15, 16 – Abbruch der Rabbataktion; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 2.23 f.

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widrigkeit hin prüfen.702 So wäre also etwa im Fall „TCM-Zentrum“703 das begehrte Verbot auch dann zu erlassen gewesen, wenn der Kläger nicht ausdrücklich beanstandet hätte, dass die dort abgebildeten Personen in Arztbekleidung zu sehen waren. 268 Für die gerichtliche Praxis in Wettbewerbssachen ist das eine fundamentale Umstellung. Schon eine relativ einfache Werbeanzeige kann, wie etwa „TCM-Zentrum“ zeigt, eine Vielzahl von möglichen Beanstandungen aufwerfen. Der Kläger muss diese nicht alle sehen, sondern nur den Sachverhalt verfügbar machen; das Gericht muss hingegen eine umfassende rechtliche Prüfung dieses Sachverhalts vornehmen. Es wäre insofern allerdings mit den Grundsätzen des rechtlichen Gehörs unvereinbar, wenn das Gericht auf einen zuvor vom Kläger nicht identifizierten rechtlichen Aspekt nicht hinweisen würde, bevor es eine Entscheidung auf einen solchen stützt. Der Beklagte wüsste ansonsten gar nicht, was das Gericht für rechtlich entscheidend hält. Das wäre ein prozessualer Blindflug, der an den Grundfesten des Verständnisses von einem fairen Verfahren und vom rechtlichen Gehör rütteln und diese letztlich aus den Angeln heben würde. Ansonsten würde es dem Beklagten obliegen, mögliche Angriffe zu antizipieren und damit zugleich die klägerische Rolle zu übernehmen, also sein eigenes Verhalten aus Gründen der Vorsicht zu inkriminieren. Das kann man nicht verlangen. 269

(2) Wie weit reicht die Prüfungspflicht des Gerichts? Gegenständliche Grenzen des Lebenssachverhalts bei natürlicher Betrachtungsweise. Daran schließt sich unmittelbar die Frage an, wie weit der für die Bestimmung des Sachverhalts maßgebliche Lebenssachverhalt tatsächlich reicht. Was fällt noch unter den „gesamten historischen Lebensvorgang […], auf den sich das Rechtsschutzbegehren des Unterlassungskläger bezieht“?704 Konkret beantwortet hat der BGH in „Biomineralwasser“ und in „Branchenbuch Berg“ mit Blick auf die konkrete Verletzungsform nur die Frage nach einer Werbeanzeige oder einem Werbeschreiben, die Anlass zur Beanstandung unter verschiedenen Aspekten bietet. Inwiefern muss der Kläger diesen Lebenssachverhalt eingrenzen, um dem Gericht eine Prüfung abzuverlangen?

(a) Literatur. Schwippert hat die Auffassung vertreten, dass man in Anwendung der Grundsätze aus „Branchenbuch Berg“ keine weitergehende Unterscheidung je nach Vielschichtigkeit, Umfang und Komplexität des betroffenen Werbeträgers mehr treffen könne. Ob ein beidseitig bedruckter Flyer, eine achtseitige Broschüre oder ein Katalog mit 60 Seiten betroffen sei, könne für diese Zwecke nicht mehr sinnvoll unterschieden werden.705 Es stellen sich also genau am anderen Ende der Skala die vom BGH für den „feingliedrigen“ Streitgegenstandsbegriff ausgemachen „Praktikabilitätserwägungen“.706 Wenn man den BGH mit Blick darauf beim Wort nehmen wollte, so wäre es in der Tat die Folge, zur Vermeidung von „Abgrenzungsschwierigkeiten“ keine weiteren Differenzierungen bei Vorliegen einer Handlung mehr zu treffen. 271 Krüger fragt demgegenüber im Anschluss an „Biomineralwasser“ unter Verweis auf das Beispiel eines tausendseitigen Versandhauskataloges, auf dem auf einer Seite ein Produkt unter Verstoß gegen die Preisangabenverordnung, auf einer anderen Seite eine irreführende Blickfangwerbung beanstandet wird, ob das „Bestimmungsrecht“ des Klägers „grenzenlos“ sei und ob man sich in einem solchen Fall nicht fragen müsse, ob

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Zu Branchenbuch Berg Schwippert WRP 2013 135, 136 Rn. 5 f. BGH 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453 – TCM-Zentrum. BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 26. Schwippert WRP 2013, 135, 136 Rn. 6. BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 23.

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dann „wirklich noch ein- und derselbe Streitgegenstand gegeben ist“.707 Das macht freilich keine dogmatisch konsistenten oder auch nur praktisch handhabbaren Kriterien verfügbar. Diese scheinen aber erforderlich. (b) Bewertung. Eine solch umfassende Prüfung, wie im Beispielsfall von Krüger 272 dargestellt, kann in der Tat kein Spruchkörper leisten. Man würde damit das Gericht gleichsam zum Sachwalter der klägerischen Interessen, letztlich zu seinem Berater machen. Das hat der BGH mit seiner „pragmatischen“ Orientierung am einheitlichen Lebenssachverhalt auf der Basis einer natürlichen Betrachtungsweise wohl auch nicht gemeint. Es ging offensichtlich darum, nicht jede Handlung auf der Basis materieller Beanstandungen abzuschichten, sondern einen für die Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt nicht nach rein rechtlichen Kriterien zu zergliedern. Verschiedene Werbeaussagen in einem einheitlichen Kontext eines bestimmten 273 Produkts und einer einheitlichen Werbeanzeige bilden danach regelmäßig eine natürliche Handlungseinheit. Werden aber in einem Werbeflyer verschiedene Produkte beworben, so ist grundsätzlich für jedes Produkt eine gesonderte Handlungseinheit gegeben, sofern nicht eine einheitliche Werbeaussage für all diese Produkt beanstandet wird. Gleiches gilt natürlich erst Recht für einen umfassenden Werbekatalog. Auch mit Blick auf ein Produkt können verschiedene natürliche Handlungen anzunehmen sein, wenn es sich um eine komplexe Darstellung mit abgrenzbaren Teilen handelt. Es bleibt damit also auch nach der neuen Rechtsprechung des BGH der Verant- 274 wortungsbereich des Klägers, anzugeben, auf welche Teile des Sachverhalts er sich bezieht. Insbesondere ist es damit auch nicht möglich, einen ganzen Katalog vorzulegen und eine umfassende gerichtliche Prüfung zu erwarten. Diejenigen Teile, die der Kläger identifiziert und für die er substantiiert vorträgt, sind Streitgegenstand, nicht mehr. Die Maßstäbe der Abgrenzung mögen keine eindeutigen sein, was unbefriedigend ist, aber das ist der Linie des BGH notwendig immanent. Ein Abstellen auf eine natürliche Betrachtungsweise ist stets mit diesen Unwägbarkeiten behaftet. (3) Grenzen zum Fehlen eines schlüssigen Vortrags. Die Frage, was Streitgegen- 275 stand ist, präjudiziert noch nicht, wann ein schlüssiger Vortrag des Klägers für die verschiedenen denkbaren Tatbestände vorliegt. Der BGH hat sich in „Biomineralwasser“ insbesondere auf die wettbewerbliche Irreführung bezogen und ausgeführt, dass es nicht überzeuge, wenn jede durch dieselbe Werbeaussage begründete, nur unerheblich abweichende Fehlvorstellung des Verbrauchers einen neuen Streitgegenstand begründe.708 Die Unterscheidung des Streitgegenstandes sagt allerdings noch nichts darüber aus, ob für die Schlüssigkeit der Klage ein entsprechender Tatsachenvortrag des Anspruchstellers hinsichtlich einer solchen Fehlvorstellung erforderlich ist. (a) Neuere obergerichtliche Rechtsprechung verlangt Klägervortrag. Das OLG 276 Frankfurt hat mit Beschluss vom 4.4.2013 entschieden, dass konkreter Klägervortrag zur jeweiligen Fehlvorstellung nach der Dispositionsmaxime erforderlich sei.709 Selbst wenn eine Tatsache offenkundig sei, sei es mit der Dispositionsmaxime des Zivilprozesses nicht vereinbar, diese Tatsache im Prozess auch ohne Parteivortrag zu berücksichtigen.

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Krüger WRP 2013, 140, 141 Rn. 5. BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 23. OLG Frankfurt 4.4.2013 – 6 W 85/12, GRUR-RR 2013, 302.

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Das OLG Frankfurt beruft sich insofern auch auf die Entscheidung „Leistungspakete im Preisvergleich“.710 Im Sinne des OLG Frankfurt hatte auch das OLG Hamburg bereits im September 277 2012 entschieden, dass eine im einstweiligen Verfügungsverfahren erst nachträglich benannte Fehlvorstellung dringlichkeitsschädlich sein kann. Die Rechtsprechung des BGH aus „Branchenbuch Berg“, wonach bei einer Werbeanzeige verschiedene Werbeangaben und verschiedene Fehlvorstellungen einen Streitgegenstand bilden, ändere nichts daran, dass der Anspruchsteller prozessual gehalten sei, den erheblichen Sachverhalt einschließlich der Fehlvorstellung vorzutragen, wenn er vom Gericht berücksichtigt werden soll.711 (b) Kritik der Literatur. Die Entscheidung des OLG Hamburg ist im Anschluss an „Biomineralwasser“ in der Literatur insbesondere von Krüger deutlich kritisiert worden.712 Die Linie des OLG Hamburg verstoße gegen die Grundsätze iura novit curia und da mihi facta, dabo tibi ius. Auch Stieper hat die Auffassung vertreten, dass ein konkreter Sachvortrag hinsicht279 lich der Fehlvorstellung nicht erforderlich sei. Es handle sich im Wesentlichen um eine Rechtsfrage, die einer Beweisaufnahme nicht zugänglich sei und deshalb auch keines Parteivortrages bedürfe.713 Stieper begründet diese Auffassung damit, dass nach der Rechtsprechung des BGH, wie sie etwa in der Entscheidung „Marktführerschaft“ artikuliert wurde, die Feststellung der Verkehrsauffassung keine Feststellung von Tatsachen sei, sondern eine auf speziellem Erfahrungswissen basierende Prognoseentscheidung darüber, wie der Verkehr eine bestimmte Aussage verstehen wird.714

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(c) Bewertung. Die Kritik von Krüger ist nicht schlüssig und beruht letztlich auf einer unzutreffenden Charakterisierung der Entscheidung des OLG Hamburg. Krüger meint nämlich, dass im entschiedenen Fall nach Ablauf der Dringlichkeitsfrist ein „neuer rechtlicher Aspekt für die Begründung des unverändert gebliebenen Verfügungsantrags“ eingeführt worden sei und dass dieser Aspekt den Prüfungsumfang des Gerichts aus Sicht des OLG Hamburg „erweitert“ habe. Das OLG Hamburg hat hingegen gerade darauf abgestellt, dass es sich um einen neuen tatsächlichen Aspekt handelt, nämlich die andere Fehlvorstellung, und dass deshalb vor Ablauf der Dringlichkeitsfrist eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers nicht möglich gewesen wäre, da es auch bei einem weiten Streitgegenstandsbegriff dabei bleibt, dass der Kläger die erheblichen Tatsachen vortragen muss. Mithin beruht die Kritik von Krüger auf einer unzutreffenden Prämisse und kann deshalb nicht durchgreifen. 281 Auch die Auffassung von Stieper überzeugt nicht. Wenn es sich bei der Feststellung der Verkehrsauffassung um eine Rechtsfrage handeln würde, dann müsste sie in der Revision einer umfassenden Prüfung zugänglich sein. Das hat der BGH stets und gerade auch in der von Stieper angeführten Entscheidung „Marktführerschaft“ verneint und in „Biomineralwasser“ bestätigt.715 Es handelt sich um eine dem Tatrichter vorbehaltene Feststellung, die in der Revision nur eingeschränkt überprüfbar ist, nämlich darauf, ob diese mangels Sachkunde des Tatrichters verfahrenswidrig im Sinne des § 286 ZPO ist

280

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710 711 712 713 714 715

BGH 7.4.2011 – I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 Tz. 18 – Leistungspakete im Preisvergleich. OLG Hamburg 13.9.2012 – 3 U 107/11, juris Tz. 59. Krüger WRP 2013, 140 Rn. 13 f. Stieper WRP 2013, 561, 564 Rn. 13. Stieper a.a.O. Rn. 13. BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 42 m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser.

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

oder ob die Feststellungen erfahrungswidrig sind.716 Der BGH hat auch nicht gesagt, dass die Verkehrsauffassung keine Tatsache ist, sondern dass sich deren Feststellung auf Erfahrungswissen stützt, das dem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist, sondern stattdessen dem Sachverständigenbeweis. Ferner erfolgt die Feststellung der Verkehrsauffassung mit Blick auf eine bestimmte (Fehl-)Vorstellung, die vom Kläger vorzutragen ist. Eine Werbeaussage kann und muss mit Blick auf ein bestimmtes Verständnis, also einen bestimmten Aspekt der Aussage in den Blick genommen werden, da eine Aussage verschiedenste Aspekte adressieren und transportieren kann. Eine umfassende Bewertung vorzunehmen, mit Blick auf verschiedenste Vorstellungen, die durch die Aussage hervorgerufen werden können, ist nicht Aufgabe des Gerichts. Die Dispositionsmaxime erfordert, dass der Kläger ein bestimmtes Fehlverständnis vorträgt, dass der Beklagte bestreiten kann und über welches das Gericht im Falle einer streitigen Tatsache dann entscheidet, entweder aufgrund eigener Sachkunde oder auf der Basis des Sachverständigenbeweises. Wenn man diesen Punkt anders beurteilen wollte, verschöbe sich die Aufgabenteilung des Zivilprozesses grundlegend: Der Kläger müsste nur noch eine Werbeanzeige oder Werbeangabe benennen und behaupten, diese sei irreführend, und das Gericht müsste dann den Bedeutungsgehalt der Aussage und die möglichen Fehlvorstellungen umfassend prüfen. Der Beklagte könnte sich gegen die pauschale Behauptung der Irreführung praktisch nicht verteidigen – ohne nicht selbst die eigentlich klägerische Aufgabe der Benennung möglicher Fehlvorstellungen zu erledigen –, sondern müsste auf entsprechende Hinweise des Gerichts warten, welche diese zu geben wiederum nach den Grundsätzen des rechtlichen Gehörs verpflichtet wäre. (4) Die konkrete Beanstandung als Streitgegenstand. Der BGH räumt dem Kläger 282 die Möglichkeit ein, gesonderte Entscheidungen über verschiedene Beanstandungen zu erlangen, wenn er diese zum Gegenstand separater Anträge macht. Die dogmatische und praktische Einordnung dieser Anträge muss dabei in Abgrenzung zu den bereits bekannten Anträgen mit abstrahierendem Einleitungsteil erfolgen. (a) Grundsätzliche Einordnung als abstrahierender Antrag. Die grundsätzliche 283 Möglichkeit von Anträgen mit einem abstrahierenden Einleitungsteil und einer anschließenden Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform durch „wenn das geschieht wie …“ ist in der Rechtsprechung schon lange anerkannt und wurde bereits im Zusammenhang mit dem Bestimmtheitsgrundsatz behandelt.717 Wie dort ausgeführt, wird in der bisherigen Rechtsprechung vor „Biomineralwasser“ die Formulierung „wie geschehen in …“ von einem „insbesondere“ Zusatz unterschieden. Diese Qualifizierung bringe die Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform zum Ausdruck, wohingegen letztere nur beispielhaft auf die Verletzungshandlung verweise.718 Das hat im Rahmen der Judikatur zur Bestimmtheit Relevanz, weil die konstitutive Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform qua „wenn das geschieht wie …“ den Klageantrag bestimmt macht, nicht aber der insbesondere-Zusatz.719 Ferner gilt nach der Rechtsprechung des

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716 BGH 2.10.2003 – I ZR 150/01, BGHZ 156, 250 = GRUR 2004, 244 ff. – Marktführerschaft. 717 Siehe Rn. 117 f. 718 BGH 7.4.2011 – I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 f. Tz. 17 – Leistungspakete im Preisvergleich; BGH 2.6.2005 – I ZR 252/02, GRUR 2006, 164 Tz. 14 = WRP 2006, 84 = NJW-RR 2006, 257 – Aktivierungskosten II; BGH 19.4.2007 – I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 18 = NJW 2008, 231 = WRP 2007, 1337 – 150% Zinsbonus; BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 36 = WRP 2010, 1030 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH 29.4.2010 – I ZR 99/08, GRUR 2011, 82 Tz. 34 = WRP 2011, 5 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09, GRUR 2011, 340 Tz. 21 = WRP 2011, 459 = NJW-RR 2011, 398 – Irische Butter. 719 Siehe Rn. 117.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

BGH, dass durch die Beschränkung auf die konkrete Verletzungshandlung auch noch weitere in der Klagebegründung genannte Beanstandungen vom Gericht für das Verbot herangezogen werden können, also keine Beschränkung im Sinne des § 308 ZPO auf die abstrakten Einleitungsteile des Antrages/Tenors einträte.720 Von diesem Verständnis muss sich die vom BGH eröffnete Option deutlich unter284 scheiden. Es handelt sich nach dem BGH bei der antragsgemäßen Festlegung auf verschiedene Beanstandungen um getrennte Klageziele und damit um eine kumulative Klagehäufung.721 Da es gerade darum gehen soll, dem Kläger die Möglichkeit zu eröffnen, eine konkrete Beanstandung zur selbständigen Entscheidung zu stellen, ist durch die Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform grundsätzlich nichts erreicht. Diese dient in diesen Fällen also nur, wie der BGH in „Biomineralwasser“ sagt, der „Verdeutlichung“. Das muss sich aber aus der Begründung eindeutig ergeben, weil ansonsten eine Unterscheidung zu den oben genannten Fällen nicht geleistet werden kann. Es besteht ferner kein Zweifel daran, dass aus Sicht des BGH in diesen Fällen verschiedene Streitgegenstände vorliegen. 285 Wenn es aber gerade um die konkrete Beanstandung geht, die das Gericht dann prüfen muss, handelt es sich letztlich um einen abstrahierenden Antrag, bei dem der Kläger keine Verbotsnorm begehrt, die ausschließlich auf die Wiederholung der historischen Verletzungshandlung, also der konkreten Verletzungsform, gerichtet ist, sondern auf Handlungen, die im Kern durch die für die geltend gemachten Beanstandungen relevanten Tatsachenaspekte geprägt sind. Die so durch die Unlauterkeitsmerkmale definierte Verletzungsform umschreibt hier den Streitgegenstand und den Schutzumfang der begehrten Verbotsnorm. Wollte man das anders sehen, also auch hier auf die historische Verletzungshandlung auf der Basis einer natürlichen Betrachtungsweise einheitlich für alle Anträge abstellen, so wäre eine Abgrenzung der verschiedenen Streitgegenstände für die je nach Beanstandung unterschiedlichen Anträge nicht möglich. Es wäre nur ein Streitgegenstand gegeben, für den der Kläger das Gericht nicht auf die Prüfung einer Beanstandung festlegen kann. Mithin ist es zwingend, entsprechend dem durch den Kläger festgelegten Streitprogramm auch den Umfang der Verbotsnorm abweichend festzulegen. Deshalb ist es auch gerechtfertigt, dass der Kläger insofern bei Abweisung ein gesondertes Kostenrisiko läuft, was der BGH in „Biomineralwasser“ ausdrücklich festgehalten hat. 286

(b) Mehrere Streitgegenstände auch bei einheitlichem Antrag? Im Anschluss an die Entscheidung „Biomineralwasser“ ist in der obergerichtlichen Judikatur die Frage aufgeworfen worden, ob eine kumulative Klagehäufung dieser Art auch bei einem einheitlichen Antrag möglich ist, wenn der Kläger in der Begründung verschiedene Begründungsaspekte ausdrücklich kumulativ nennt.722

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(aa) Abgrenzung der Problematik. Dass diese Frage grundsätzlich zu bejahen ist, ist inzwischen schon nach der Entscheidung „Peek & Cloppenburg“ (unausgesprochen) geklärt. Auch dort war die konkrete Verletzungsform betroffen und es wurde nur ein Antrag gestellt, allerdings mit Gesetz (geschäftliche Bezeichnung) und Vertrag verschieden begründet. Gleichwohl hat der BGH zwei Streitgegenstände angenommen, weil die materiellen Anspruchsgrundlagen „erkennbar unterschiedlich ausgestaltet“

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720 Zuletzt ausdrücklich BGH 7.4.2011 – Leistungspakete im Preisvergleich, a.a.O. Tz. 18. 721 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 25 m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 2.23j. 722 OLG Hamburg 18.4.2013 – 3 U 142/11 sub III [1].

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III. Unterlassungsklage

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

seien. Dieser Fall unterscheidet sich von der hier diskutierten Fragestellung letztlich dadurch, dass in den Konstellationen des entschiedenen Falles der Kläger die beiden materiellen Anspruchsgrundlagen nicht zu einem Streitgegenstand machen kann, gleich wie er seinen Antrag stellt, während dass bei den hier diskutierten Fällen grundsätzlich gerade möglich und die Regel sein soll. (bb) OLG Köln – Mehrere Streitgegenstände auch bei einheitlichem Antrag 288 möglich. Das OLG Köln723 hat die Auffassung vertreten, dass auch bei einem solchen einheitlichen Antrag, der ausdrücklich auf verschiedene Begründungsaspekte kumulativ gestützt ist, mehrere Streitgegenstände vorliegen. Die Situation sei nicht anders als bei einer „verdeckten Klagehäufung“, bei der objektiv mehrere Streitgegenstände vorliegen, ohne dass der Kläger das im Antrag zum Ausdruck bringt. Auch wenn der Kläger selbst nur von einem Streitgegenstand spricht, sei das mit Blick auf „Biomineralwasser“ lediglich eine unzutreffende rechtliche Beurteilung, die ohne Folgen sei. Mithin liege auch keine Klageänderung vor, wenn der Kläger auf Hinweis des Gerichts den einheitlichen Antrag dergestalt ändere, dass nunmehr die Beanstandungen zum Gegenstand separater Anträge gemacht würden. (cc) Stieper – Gesonderte Antragstellung erforderlich. Prima facie ist die Auffas- 289 sung des OLG mit den Äußerungen des BGH in „Biomineralwasser“ nicht vereinbar. Dort führt der BGH aus, dass der Kläger für den Fall, dass er im Wege der kumulativen Klagehäufung verschiedene Beanstandungen zu getrennten Klagezielen machen will, diese einzelnen Beanstandungen in verschiedenen Klageanträgen umschreiben muss.724 Stieper hat in diesem Sinne die Auffassung vertreten, dass der Kläger den rechtlichen Prüfungsumfang des Gerichts gar nicht durch seine Ausführungen in der Klagebegründung beschränken könne.725 Eine mehrfache Begründung eines einheitlichen Unterlassungsantrages sei also nicht geeignet, mehrere Streitgegenstände zu begründen.726 In der Begründung verweist Stieper auf BGH Urteile des IX. und des VIII. Zivilsenates in allgemeinen Zivilsachen.727 (dd) Bewertung – Verschiedene Streitgegenstände, aber Bestimmtheitsgrund- 290 satz erfordert verschiedene Anträge. Grundsätzlich überzeugt die Auffassung des OLG Köln. Es könnten also bei hinreichender Begründung auch bei Vorliegen eines mit Blick auf die konkrete Verletzungsform formulierten Antrages verschiedene Streitgegenstände vorliegen. Der Unterschied zu den von Stieper herangezogenen, allgemeinen Präjudizien liegt gerade darin, dass man in den dort behandelten zivilrechtlichen Fällen die unterschiedlichen materiellen Anspruchsgrundlagen – etwa deliktsrechtliche und vertragsrechtliche Ansprüche – gar nicht zu selbständigen Streitgegenständen machen kann, selbst wenn der Kläger das ausdrücklich wollte. Das Rechtsschutzziel und der zur Begründung vorgetragene Lebenssachverhalt sind dasselbe, so dass es nicht in der Hand des Klägers liegt, vom Gericht eine selbständige Entscheidung über die möglichen materiellen Ansprüche zu fordern. Eine solche Entscheidung ist prozessual nicht möglich. Aus Sicht des BGH in „Biomineralwasser“ soll sie aber für die Fälle verschiedener Bean-

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723 OLG Köln 17.5.2013 – 6 U 174/12, GRUR-RR 2013, 439 = MMR 2013, 652 m. Anm. Försterling. 724 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. Tz. 25. 725 Stieper WRP 2013, 561, 563 Rn. 7 a.E. 726 Stieper a.a.O. Rn. 8. 727 BGH 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 = NJW 2008, 1067; BGH 13.7.2011 – VIII ZR 215/10, NJW 2011, 3435.

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standungen der konkreten Verletzungsform für die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage gerade möglich sein. Wenn dem so ist, dann wäre das Fordern eines separaten Antrages zur Begründung unterschiedlicher Streitgegenstände aber eine reine Formalie. Der eine Antrag, gestützt auf die ausdrücklich kumulative Beanstandung, ist dann so auszulegen, dass er zwei Rechtsschutzbegehren repräsentiert. Das wäre nichts anderes als eine andere Schreibweise. Wie immer ist auch bei prozessualen Anträgen die Auslegung erforderlich, um festzustellen, was der Kläger begehrt. Wenn das mit Blick auf die Begründung eindeutig ist, dann liegen auch zwei Streitgegenstände vor. Der vom BGH ausdrücklich zugelassene Aspekt, jede Beanstandung zum selbständi291 gen Streitgegenstand zu machen, zeigt mithin gerade den wesentlichen Unterschied zur allgemeinen zivilprozessualen Dogmatik, an der sich der BGH orientieren will. Wenn es im vorliegenden Problemfeld nur um den einheitlichen Lebenssachverhalt und den Grundsatz iura novit curia ginge, wie es von den Vertretern der angeblich „kleinteiligen“ Streitgegenstandslehre angenommen wurde und vom BGH in seiner Begründung der Rechtsprechungsänderung übernommen worden ist, so könnte und dürfte es diese Ausnahme nicht geben. Es gibt sie aber deshalb, weil das Rechtsschutzziel letztlich auf eine Verbotsnorm gerichtet ist und nicht auf die konkrete Verletzungshandlung. Allerdings wird man in diesen Fällen annehmen müssen, dass der Klageantrag 292 nicht hinreichend bestimmt ist. Wie bereits oben im Zusammenhang mit dem Bestimmtheitserfordernis gesagt, kann natürlich grundsätzlich jeder Antrag unter Stützung auf die Begründung regelmäßig so ausgelegt werden, dass ein eindeutiges Verständnis möglich ist. Dieses Verständnis muss sich aber maßgeblich im Antrag manifestieren und Antrag und Begründung dürfen nicht in einem Widerspruch zueinander stehen. Werden voneinander unabhängige Verbote zur Entscheidung gestellt, so erfordert der Bestimmtheitsgrundsatz deshalb, dass dies auch in der Antragsformulierung zum Ausdruck kommt. In diesem Sinne kann und muss das Gericht – wie in der Rechtsprechung zu § 253 ZPO anerkannt – aufgrund der richterlichen Hinwirkungs- (§ 139 Abs. 1 ZPO) und Hinweispflicht auf die Stellung eines sachdienlichen Antrages hinwirken und den Kläger im Zuge dessen darauf hinweisen, dass der einheitliche Antrag mit den aus der Begründung ersichtlichen zwei Rechtsschutzzielen in Widerspruch steht. Das ist insbesondere bei einer Rechtsprechungsänderung, wie in „Biomineralwasser“ geschehen, erforderlich, wie das OLG Köln im entschiedenen Fall zu Recht festgestellt hat. Dann ist dieser Hinweis aus Gründen prozessualer Fairness auch in der Berufungsinstanz rechtlich geboten, auch wenn die Bestimmtheit erstinstanzlich von Beklagtenseite gerügt worden war, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich auf die aus Sicht des Spruchkörpers gegebene Rechtslage einzustellen. Das entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH.728 Im Übrigen ist dem Kläger diese Möglichkeit der Anpassung seines Antrages auch dann zu geben, wenn er selbst nicht Berufung eingelegt hat, was sich bereits aus der Rechtsprechung des BGH ergibt, der regelmäßig, unabhängig davon, welche Seite Berufung eingelegt hatte,729 eine Zurückverweisung zum Zwecke der Antragsänderung in Fällen der Verletzung des § 139 ZPO ausspricht. Die Situation ist insofern nicht anders als im Fall der Rechtsprechungsänderung zur alternativen Klagehäufung.730 Diese Unterscheidung hat auch praktische Konsequenzen: Wollte man in diesen 293 Fällen bei Änderung eines Antrages in zwei Anträge eine Änderung des Streitgegenstan-

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728 BGH 4.3.2004 – I ZR 221/01, BGHZ 158, 174 = GRUR 2004, 696, 699 – Direktansprache am Arbeitsplatz I; BGH 9.9.2004 – I ZR 93/02, GRUR 2005, 443, 445 – Ansprechen in der Öffentlichkeit II; BGH 9.2.2006 – I ZR 73/02, GRUR 2006, 426 Tz. 22 – Direktansprache am Arbeitsplatz II. 729 OLG Köln 17.5.2013 – 6 U 174/12. 730 BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 = GRUR 2011, 521 – TÜV I.

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des annehmen, also die Einführung zweier neuer Streitgegenstände (kumulative Klagehäufung) – was nach der hier vertretenen Auffassung nicht der Fall ist – so wären die prozessualen Folgen andere und schwieriger zu handhaben. Eine Klageänderung, mit der zwei neue Streitgegenstände etabliert werden, ist für den Kläger grundsätzlich nur im Wege der Anschlussberufung möglich, die aber nach neuem Recht nur noch innerhalb der Berufungserwiderungsfrist zulässig ist (§ 524 Abs. 2 ZPO). Selbst wenn man also die Sachdienlichkeit annehmen wollte, ergäben sich hier deutliche Begründungsschwierigkeiten. (5) „Erkennbar unterschiedliche Ausgestaltung der zusammentreffenden Ansprüche“ (BGH „Peek & Cloppenburg“) – Täter- und Störerhaftung als Beispiel. Wie bereits mehrfach gesagt, findet die natürliche Betrachtungsweise ihre Grenze darin, dass zwei erkennbar unterschiedlich ausgestaltete materielle Anspruchsgrundlagen auch bei einem einheitlich auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Antrag keinen einheitlichen Streitgegenstand bilden können. Damit ist man also doch wieder bei den materiellen Kriterien. Lediglich die Grenzen für deren Anwendbarkeit sind gröber gefasst worden. Ein lehrbuchmäßiger Anwendungsfall für die Bewährung dieser Dogmatik ist das Zusammentreffen von Ansprüchen aus Störerhaftung und täterschaftlicher Handlung. Es wurde bereits oben ausgeführt, dass der BGH mit Blick auf die Besonderheiten der Störerhaftung und der damit verbundenen Prüfpflichten die durch den Bestimmtheitsgrundsatz gesicherte Trennung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren in weiterem Umfang aufzugeben bereit ist. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, ob es sich um verschiedene Streitgegenstände handelt – handeln muss. Böhling731 hat hierzu unlängst die Auffassung vertreten, dass es sich um unterschiedliche Streitgegenstände handeln müsse, weil der „Verhaltensvorwurf“ in beiden Fällen in eine unterschiedliche Richtung gehe, nämlich einmal dahin, dass der Beklagte die Verletzung selbst als Täter verwirkliche und zum anderen dahin, dass er durch die unzureichende Erfüllung von Prüfpflichten zur täterschaftlichen Verletzung Dritter beigetragen habe. Die Entscheidung „Biomineralwasser“ wird dabei ebensowenig thematisiert wie „Peek & Cloppenburg“. Ob hier ein Streitgegenstand vorliegt, ist nach den Maßstäben von „Biomineralwasser“ an einer natürlichen Betrachtungsweise auszurichten. Wenn es um einen konkreten Lebenssachverhalt geht, also etwa das Bereitstellen von Programmen auf Servern zum Download für Dritte, dann kann das bei natürlicher Betrachtungsweise nur als ein Lebenssachverhalt gewertet werden. Ob dabei für die Beanstandung rechtlich darauf abgestellt wird, dass der Anbieter selbst als Täter anzusehen ist, weil er die Programme öffentlich zugänglich macht, oder darauf, dass der Anbieter als Störer einzuordnen ist, weil er es Dritten ermöglicht, Programme auf die Server hochzuladen, ohne eine hinreichende Prüfung auf Rechtsverletzungen gegenüber möglichen Betroffenen vorzunehmen, kann bei natürlicher Betrachtungsweise keinen Unterschied machen. Zieht man aber in Betracht, dass die Störerhaftung dem abweichenden Regime der Prüfpflichten unterliegt, dass sogar ins Vollstreckungsrecht übertragen wird, kann man wohl mit guten Gründen von einer erkennbar unterschiedlichen Ausgestaltung der materiellen Ansprüche sprechen, so dass die Annahme von zwei Streitgegenständen gerechtfertigt wäre. Abstrakt werden sich diese Grenzen nicht formulieren lassen. Im Ergebnis wird es

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Böhling GRUR 2013, 1092, 1095 sub III.

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darauf ankommen, ob der sachliche Streitpunkt der Parteien sich derart verlagert, dass ganz andere Tatsachenfeststellungen für die Ansprüche Bedeutung erlangen können. 298

(6) Streitgegenstand mit Blick auf nachfolgende Handlungen, die nicht zur historischen Verletzungshandlung rechnen – die zeitliche Dimension des Streitgegenstandsbegriffs. Der BGH hat in „Biomineralwasser“ festgehalten, dass zum Streitgegenstand der gesamte historische Lebenssachverhalt auf der Basis einer natürlichen Betrachtungsweise rechnet, und zwar unabhängig davon, ob die Parteien zu den Sachverhaltsaspekten vorgetragen haben oder nicht. Mit dieser Aussage ist für Unterlassungsurteile aber nur ein begrenzter Erkenntnisgewinn verbunden. Unterlassungsurteile richten sich in die Zukunft. Insofern muss festgelegt werden, über welche Handlungen, die per definitionem nicht zur historischen Verletzungshandlung rechnen können, weil sie zeitlich später liegen als die Entscheidung und sie deshalb weder das Gericht noch die Parteien kennen konnten, das Gericht mit Bindungswirkung für die Parteien entschieden hat. 299 Geprüft wird das zum einem beim Prozesshindernis der entgegenstehenden Rechtskraft und zum anderen bei dem Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Wie oben ausgeführt, gilt für beide derselbe Streitgegenstandsbegriff.732 Dieselbe Frage wie beim Prüfungspunkt der entgegenstehenden Rechtskraft und der anderweitigen Rechtshängigkeit stellt sich, wenn zu prüfen ist, ob eine Zuwiderhandlung vom Schutzbereich eines Unterlassungsurteils umfasst ist. Inwiefern diese Prüfungspunkte der Kernbereichslehre nach § 890 ZPO und des Streitgegenstandes systematisch zusammengehören, ist in Rechtsprechung und Lehre umstritten; es handelt sich um einen der dogmatisch zentralen Problempunkte des Streitgegenstandsbegriffs bei Unterlassungsurteilen. Die Problemstellung wird dabei deutlich, wenn man sich die eigentliche Änderung von „Biomineralwasser“ gegenüber „TÜV I“ mit Blick auf das Recht des Streitgegenstandes vergegenwärtigt:

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(a) Die Änderung von BGH „Biomineralwasser“ gegenüber BGH „TÜV I“. Bei „Biomineralwasser“ hat sich gegenüber „TÜV I“ geändert, dass bei einer einheitlichen Werbung, die mit einem einheitlichen Antrag angegriffen ist, stets ein Streitgegenstand vorliegt. Insofern folgt der BGH der im Anschluss an „TÜV“ geäußerten Kritik an einem „engen“ Streitgegenstandsbegriff. Da der BGH in „Biomineralwasser“ die Prämisse aus „TÜV I“, wonach die alternative Klagehäufung unzulässig sei, jedoch ausdrücklich nicht aufgegeben hat, kann die Rechtsprechung des BGH in „Biomineralwasser“ nur dann überzeugen, wenn entweder der Umfang der Verbotsnorm aus dem Begriff des Streitgegenstands ausgeklammert wird oder der Umfang der Verbotsnorm anders bestimmt wird als bisher. Ersteres wäre also letztlich die Trennung eines vollstreckungsrechtlichen Begriffs der Kernbereichslehre, letzteres wäre die Aufgabe der Kernbereichslehre im klassischen Sinne für die Urteile, die sich auf die konkrete Verletzungsform richten. Nach beiden Auffassung wäre dann in einem weiteren Schritt zu entscheiden, wie der Streitgegenstand nach der Befreiung von der vormals mit Blick auf die materielle Beanstandung definierten Kernbereichslehre zu verstehen ist, wie also zu ermitteln ist, ob zeitlich-historisch abweichende Handlungen mit der vom Gericht beurteilten historischen Verletzungshandlung eine Streitgegenstandseinheit bilden.

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Siehe dazu ausführlich unter Rn. 221 ff.

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(b) BGH „Leistungspakete im Preisvergleich“ – Enger Streitgegenstandsbegriff ohne Bezug auf den Umfang der Verbotsnorm. In der Entscheidung „Leistungspakete im Preisvergleich“733 hat der BGH schon im Vorgriff auf „Biomineralwasser“ deutlich gemacht, dass der Streitgegenstand eng am historischen Lebenssachverhalt zu verstehen sei und damit die Anwendung der Kernbereichslehre, die sich an der materiellen Beanstandung orientiert, jedenfalls zur Bestimmung des Streitgegenstandes ausgeschlossen. Die Prüfung des BGH lässt aber im Ergebnis offen, ob damit auch etwas über den Umfang der Verbotsnorm gesagt wird, ob also Rechtskraft und Vollstreckungsumfang des Unterlassungstitels eine Einheit bilden. In diesem Fall hatte der BGH über den typischen Fall eines auf die konkrete Verletzungsform bezogenen Antrages mit einem abstrakten Einleitungsteil zu entscheiden. Der abstraktere Teil des Klageantrages bezog sich lediglich auf das Verbot eines Vergleichs zwischen auf Kabelanschluss basierenden Paketangeboten mit solchen, die festnetzbezogen sind, „ohne auch den Grundpreis für den Kabelanschluss mit einzubeziehen“. Im zweiten Teil des Antrages hieß es dann „wenn das geschieht wie mit dem Preisvergleich der auf S. 3 der in Fotokopie in der Anlage K 1 beigefügten Werbung abgedruckt ist“. Diese konkrete Bewerbung wurde neben der fehlenden Benennung des Grundpreises für den Kabelanschluss in der Klagebegründung auch deshalb beanstandet, weil sie wegen Auslassung eines günstigeren Angebots der Beklagten gegen das Irreführungsverbot verstoßen habe (§ 5 Abs. 3); im Antrag hatte der letztere Aspekt keinen Niederschlag gefunden. Der BGH hat die Verurteilung nach dem genannten Antrag bestätigt. Gegenstand des klägerischen Begehrens sei dabei allerdings nicht der abstrakte Einleitungsteil der Verbotsnorm, sondern lediglich die konkrete Verletzungsform (hierzu bereits oben Rn. 117 f.).734 Gestützt wurde die Verurteilung sowohl auf den im abstrakten Teil des Klageantrages genannten Verstoß gegen die Preisangabenverordnung, als auch auf die lediglich in der Klagebegründung angeführte Irreführung durch Auslassung der Benennung des günstigeren Konkurrenzangebotes der Klägerin. Dass diese Irreführung mit Blick auf die Auslassung des günstigeren Angebots der Beklagten im Antragswortlaut keinen unmittelbaren Niederschlag gefunden hatte, sei nicht abträglich. Durch die Formulierung, „wenn diese geschieht wie“ in der konkreten Werbeanzeige (Kopierantrag), werde klargestellt, dass Gegenstand des Antrages allein die konkrete Werbeanzeige sei.735 Zum Gegenstand eines solchen Klageantrages gehöre auch der Lebenssachverhalt, mit dem das Klagebegehren begründet wird.736 Hierzu hat der BGH in dem entschiedenen Fall den Teil der Werbung gerechnet, der sich auf den irreführenden Vergleich wegen Auslassung eines günstigeren Angebots der Beklagten bezieht. Dass der BGH auch den Aspekt des Werbevergleichs prüft, obgleich der abstrakte Teil des Antrages diesen nicht erwähnt, ist mit der BGH-Rechtsprechung von „Biomineralwasser“ konsistent. Schließlich nimmt der Kläger in der Begründung ausdrücklich darauf Bezug.737 Der BGH ist zwar expressis verbis nicht darauf eingegangen, ob es sich um zwei Streitgegenstände handelt. Er hatte jedoch die Frage zu prüfen, ob wegen einer früheren Entscheidung zwischen denselben Parteien über eine Werbung, die ebenfalls unter

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733 BGH 7.4.2011 – I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 f. m. Anm. von der Decken/Heim – Leistungspakete im Preisvergleich. 734 BGH 7.4.2011 – Leistungspakete im Preisvergleich, a.a.O. Tz. 17. 735 BGH 7.4.2011 – Leistungspakete im Preisvergleich, a.a.O. Tz. 17. 736 BGH 7.4.2011 – Leistungspakete im Preisvergleich, a.a.O. Tz. 18. 737 Vgl. hierzu auch BGH 2.4.1992 – I ZR 146/90, GRUR 1992, 552 – Stundung ohne Aufpreis; BGH 20.9.2007 – I ZR 171/04, GRUR 2008, 443, 445 Tz. 24 – Saugeinlage; BGH 2.6.2005 – I ZR 252/02, GRUR 2006, 164 Tz. 15 – Aktivierungskosten II m.w.N.

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dem Aspekt der fehlenden Einbeziehung des Grundpreises des Kabelanschlusses angegriffen war und auch verboten wurde, der Klage im entschiedenen Verfahren der Einwand der Rechtskraft entgegenstünde. Im früheren Fall waren ebenfalls bestimmte Werbeanzeigen Gegenstand der Klage und der Verurteilung (nach dem dortigen Hilfsantrag),738 wobei es sich aber nicht um einen Werbevergleich handelte. Der BGH hat die entgegenstehende Rechtskraft verneint, weil es sich um unter305 schiedliche Streitgegenstände gehandelt habe. Der BGH führt aus, dass der Gegenstand der beiden Anträge nicht übereinstimme, weil beide sich auf die konkrete Verletzungsform gerichtet hätten und im entschiedenen Fall, anders als im Vorverfahren, neben der Einbeziehung der Grundkosten des Kabelanschlusses auch die Frage erfasst sei, ob das zum Vergleich herangezogene Angebot der Klägerin zutreffend und vollständig wiedergegeben wurde. Die Frage des Werbevergleichs hat zwar mit dem gesonderten Tatbestand der fehlenden Einbeziehung der Grundkosten des Kabelanschlusses materiellrechtlich nichts zu tun, gleichwohl soll aufgrund des abweichenden Lebenssachhalts ein unterschiedlicher Streitgegenstand gegeben sein, weil sich im entschiedenen Fall, anders als im Vorverfahren, auch die Frage stelle, ob der Werbevergleich zutreffend ist. Der BGH prüft die Zulässigkeit des Zweitverfahrens zwar grundsätzlich unter dem 306 Aspekt der Präklusion qua ne bis in idem und bejaht insofern die Zulässigkeit der Zweitklage, weil ein anderer Streitgegenstand gegeben sei. In einem weiteren Prüfungsschritt prüft der BGH allerdings auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Zweitklage. Hier führt der BGH aus, dass der Kläger möglicherweise gegen die jetzt angegriffene Handlung (den Werbevergleich) auch aufgrund des Ersttitels hätte vollstrecken können, also ein Ordnungsmittelantrag nach § 890 ZPO insofern erfolgreich gewesen wäre.739 Da die Erfolgsaussichten wegen der Unterschiede der Werbeanzeigen allerdings ungewiss seien, könne man den Kläger wegen der drohenden Verjährung nicht auf den Weg des Ordnungsmittelantrages gestützt auf das erste Urteil verweisen. Ferner könne man das Rechtsschutzbedürfnis schon deshalb nicht verneinen, weil der Kläger nunmehr das Verbot nicht nur wegen der fehlenden Angabe der Kosten des Kabelanschlusses, sondern auch wegen des fehlenden günstigeren Angebots der Klägerin im Werbevergleich angegriffen habe. 307 Diese Prüfung ist systematisch nicht stimmig. Teplitzky740 liest die Entscheidung so, dass der BGH sich seiner Auffassung systematisch anschließe, wonach die Kernbereichslehre, die den Umfang des Unterlassungsanspruchs und den Umfang des Unterlassungsurteils bestimmt, „selbstverständlich“741 auch bei der Ermittlung des Streitgegenstandes zu berücksichtigen sei. Wenn dem so wäre, so wäre das Rechtsschutzbedürfnis aber gar nicht zu prüfen (so, wie das auch hier vertreten wird, vgl. Rn. 328 ff., 862 ff.). Wenn nämlich der Zweitklage nicht der Einwand der rechtskräftigen Entscheidung über den Streitgegenstand des Zweitverfahrens entgegensteht, dann müsste dem Kläger für die Zweitklage stets und notwendigerweise das Rechtsschutzbedürfnis zugebilligt werden. Auch sind die Äußerungen des BGH, dass der Kläger die im Zweitverfahren angegriffene Handlung möglicherweise aufgrund Vollstreckung aus dem Ersturteil hätte erfassen können, nur schwer mit diesem systematischen Ansatz zu vereinbaren. Berücksichtigt man allerdings, dass der BGH in der Sache sagt, dass das Rechtsschutzbedürfnis schon des-

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738 Der im Erstverfahren abgewiesene Hauptantrag war abstrahierend gestellt und wird unter Rn. 352 behandelt. 739 BGH 7.4.2011 – I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 Tz. 20 m. Anm. von der Decken/Heim – Leistungspakete im Preisvergleich. 740 Teplitzky Kap. 57 Rn. 16a mit Fn. 65. 741 Teplitzky Kap. 57 Rn. 16.

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halb gegeben sei, weil der Kläger mit der Zweitklage auch den irreführenden Werbevergleich beanstande, also das Element, das aus Sicht des BGH für den neuen Streitgegenstand konstitutiv ist, dann könnte man sagen, dass die Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses schlicht ein in der Sache nicht erheblicher dogmatischer Schlenker ist. Für Letzteres könnte auch sprechen, dass der BGH für seinen Prüfungspunkt des 308 Rechtsschutzbedürfnisses auf die Entscheidung „Folienrollos“742 Bezug nimmt. Dort ging es um die Frage, inwiefern eine Abschlusserklärung der Zulässigkeit einer nachfolgenden Hauptsacheklage entgegensteht. Eine Abschlusserklärung soll eine Unterlassungsverfügung mit den Wirkungen einer Hauptsacheentscheidung versehen. Diese Wirkung baut aber natürlich auf der Erklärung des Schuldners auf und kann deshalb nicht wie ein Urteil eine rechtskräftige Sachentscheidung für prozessuale Zwecke ersetzen. Allein deshalb ist der Prüfungspunkt bei einer vorangegangenen Abschlusserklärung das Rechtsschutzbedürfnis.743 Da im entschiedenen Fall „Leistungspakete im Preisvergleich“ ein Urteil im Erstverfahren vorlag, wäre insofern das Rechtsschutzbedürfnis schon deshalb gar nicht betroffen gewesen. Diese Unterscheidung ist dem BGH natürlich bewusst. Die Tatsache, dass er in „Leistungspakete im Preisvergleich“ trotzdem das Rechtsschutzbedürfnis geprüft hat, kann man bei strikter systematischer Sichtweise nur so deuten, dass er die Kernbereichslehre vom Streitgegenstand unterscheiden will. Dafür könnte sprechen, dass gerade in „Folienrollos“ das Rechtsschutzbedürfnis verneint wurde, interessanterweise mit Blick auf eine Konstellation, die derjenigen in „Leistungspakete im Preisvergleich“ durchaus vergleichbar ist. Auch in „Folienrollos“ lag eine auf die konkrete Verletzungsform bezogene Unterlassungsverfügung vor, die sich auf das Verbot eines bestimmten Schreibens mit bestimmten nachteiligen Äußerungen richtete. Das mit der Hauptsacheklage beanstandete Schreiben (E-Mail) enthielt Äußerungen, die denen, welche Gegenstand des verbotenen Schreibens waren, im Kern vergleichbar waren; der Wortlaut war verschieden, der Aussagegehalt nach Auffassung des BGH aber derselbe. Daneben wurden aber in dem Schreiben noch weitere nachteilige Aussagen über die Angebote der Klägerin aufgestellt, die als unzulässige vergleichende Werbung beanstandet waren. Letzteres sei jedoch aus Sicht des BGH für die Frage, ob der Kläger aus der Unterlassungsverfügung das neue Schreiben hätte beanstanden können, nicht erheblich, weil die Klägerin nicht das isolierte Verbot dieser anderen Aussagen, sondern des ganzen Schreibens begehrt habe. Diese Feststellung scheint mir mit den tragenden Gründen aus „Leistungspakete im Preisvergleich“ in jedem Fall unvereinbar, weil dort gerade gesagt wurde, dass das Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls bestehe, weil die zweite Handlung auch mit Blick auf den Werbevergleich beanstandet wurde, der noch nicht Gegenstand des Erstverfahrens war. Auch hier war die Konstellation die, dass sich inhaltlich an der Beanstandung der Irreführung mit Blick auf die Auslassung der Grundkosten des Kabelanschlusses nichts geändert hatte. Allerdings stellen sich inhaltlich im Falle des Rechtsschutzbedürfnisses bei voran- 309 gegangenen Abschlussschreiben natürlich dieselben Fragen, die auch bei der Ermittlung des Gegenstandes der Rechtskraft zu prüfen sind, weil das Abschlussschreiben die Unterlassungsverfügung einem rechtskräftigen Hauptsacheurteil gleichstellen soll. Inso-

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742 BGH 19.5.2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855 Tz. 17 = LMK 2010, 306927 m. Anm. Teplitzky – Folienrollos. 743 Weil es anders als bei einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die Gleichstellung mit den Wirkungen des Hauptsacheurteils gibt und der Kläger aus der Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung gemäß § 890 ZPO vorgehen kann, also über einen gerichtlichen Vollstreckungstitel verfügt, fällt nicht nur der Unterlassungsanspruch weg, was zur fehlenden Begründetheit führen würde (so im Fall der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung), sondern es fehlt nach herrschender Auffassung bereits am Rechtsschutzbedürfnis für eine neuerliche Klage.

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fern ist die Entscheidung „Folienrollos“ deshalb beachtlich, weil es auch dort um die Frage ging, ob und inwiefern das Rechtsschutzbedürfnis für eine Hauptsacheklage wegen kerngleicher Abwandlungen zu verneinen ist, weil der Kläger aus der Unterlassungsverfügung die Zwangsvollstreckung betreiben kann. (c) Enges Verständnis der Verbotsnorm nach BGH „Biomineralwasser“. Anknüpfend an seinen kritischen Beitrag gegenüber BGH „TÜV I“ hat sich Stieper nach „Biomineralwasser“ mit Blick auf die Grenzen der Rechtskraft im Sinne einer engen Bestimmung der Verbotsnorm geäußert.744 Wenn der Kläger eine bestimmte Werbeanzeige wegen dreier Aspekte (A, B, C) als irreführend beanstande und das Gericht das Verbot wegen A für begründet erachtet, so könne der Kläger aus dem Unterlassungsurteil gleichwohl nicht gegen eine Abwandlung vorgehen, bei der zwar A vorliegt, aber nicht auch B und C. Hierbei handle es sich um eine neue konkrete Verletzungsform. Die Rechtskraft des Urteils sei eng an der tatsächlich beurteilten konkreten Verletzungsform auszurichten. Das hieße dann im Umkehrschluss, dass eine auf den Aspekt A gestützte Klage einen anderen Streitgegenstand haben muss, als eine Klage, die sich auf einen Sachverhalt stützt, bei dem zusätzlich die Merkmale B und C vorliegen. Damit stünde, wie nach der Entscheidung „Leistungspakete im Preisvergleich“, die Rechtskraft der Entscheidung einer auf die Beanstandung A gerichteten Klage einer weiteren Klage nicht im Wege, die sich auf einen Sachverhalt bezieht, bei dem zusätzlich zum Punkt A auch der Punkt B vorliegt (dort der Werbevergleich). 311 Das sei nach Stieper die notwendige Folge der Prämisse des BGH, dass bei einer Klageabweisung eine neue Klage gestützte auf dieselbe konkrete Verletzungsform unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr möglich sei, weil sich der Streitgegenstand nach „Biomineralwasser“ unabhängig davon bestimme, unter welchem Aspekt der Kläger die angegriffene konkrete Verletzungsform beanstande.

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(d) Streitgegenstandsbegriff orientiert an weiterer Verbotsnorm auch nach „Branchenbuch Berg“ 312

(aa) OLG Hamburg. Das OLG Hamburg hat in seinem bereits zitierten Urteil vom 13.9.2012 die Auffassung vertreten, dass sich an diesen Grundsätzen nichts ändert. Danach ist für die Feststellung kerngleicher Verletzungshandlungen darauf abzustellen, welche Beanstandungen das Gericht für begründet erachtet hat, auch wenn die Werbung in ihrer Gänze als konkrete Verletzungsform Gegenstand des Verbotes ist. Vom Gericht für nicht durchgreifend erachtete Beanstandungen bleiben danach für die Ermittlung kerngleicher Abwandlungen außer Betracht, sprich es ist unerheblich, ob diese Aspekte unverändert fortbestehen.

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(bb) Schwippert – Möglichkeit einer Teilklage. Schwippert hat die Auffassung vertreten, dass auch nach „Branchenbuch Berg“ eine (verdeckte) Teilklage dergestalt möglich sei, dass der Kläger zunächst nur die konkrete Verletzungsform auf der Basis einer Beanstandung angreift und dann eine spätere, weitere Klage gestützt auf denselben historischen Sachverhalt gegen dieselbe Verletzungsform richtet. Das sei auch im Wege der verdeckten Teilklage möglich. Diese sei dann gegeben, wenn wie im Fall „Branchenbuch Berg“ ein teilbarer Streitgegenstand vorliege, über den ein Teilurteil ergehen könnte, weil es sich um einen individualisierten, abgrenzbaren Teil des Streitge-

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Stieper WRP 2013, 561, 564 Rn. 21.

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genstandes handelt. Da nach der neueren Rechtsprechung des BGH auch ein Urteil über eine verdeckte Teilklage einer nachfolgenden Klage, gestützt auf den nicht geltend gemachten Teil des einen Streitgegenstandes, nicht im Wege stehe, habe sich in der wettbewerbsrechtlichen Praxis nicht viel geändert. Soweit nach der bisherigen Rechtsprechung in verschiedenen Beanstandungen (etwa verschiedenen Werbeaussagen in einem Werbeschreiben) verschiedene Streitgegenstände liegen konnten, müssten diese per definitionem auch hinreichend individualisierbar sein, um einen selbständigen Teil des Streitgegenstandes zu begründen, über den ein Teilurteil möglich ist. (e) Enger Streitgegenstandsbegriff und Trennung des vollstreckungsrechtli- 314 chen Umfangs der Verbotsnorm von der Rechtskraft. Im Zuge der Bestimmung des Streitgegenstandes stellt sich ferner die Frage, ob diese von einer rein vollstreckungsrechtlichen Kernbereichslehre unterscheidbar ist, ob also die Bindungswirkung eines Unterlassungsurteils weiter gehen kann als der Streitgegenstand. Auf dieser Basis wird regelmäßig ein noch deutlich engerer Streitgegenstandsbegriff vertreten als er oben ausgeführt wurde, nämlich tatsächlich beschränkt auf die konkrete zeitliche Verletzungshandlung. Wie der BGH sich zu dieser Frage verhält, ist nicht mit Eindeutigkeit auszumachen. Ob die Linie aus „Markenparfümverkäufe“ tatsächlich überwunden ist, ist nach der neusten Rechtsprechung nicht eindeutig. (aa) OLG Frankfurt und Köhler. Der 6. Zivilsenat des OLG Frankfurt hat in einem 315 Urteil vom 14.3.2013745 eine enge Auffassung vertreten, wonach in Anwendung der „Biomineralwasser“-Judikatur unterschiedliche Streitgegenstände schon vorliegen, weil der Kläger unterschiedliche Anzeigen auf unterschiedlichen Werbeträgern als konkrete Verletzungsform in verschiedenen Verfahren angegriffenen hat. Dem zeitlich nachfolgenden Verfahren stehe schon deshalb nicht der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen. Das OLG Frankfurt hat nach Verneinung der anderweitigen Rechtshängigkeit allerdings das Rechtsschutzbedürfnis für den zeitlich späteren Antrag verneint, weil der im zweiten Verfahren angegriffene, in einem Shop platzierte Aufsteller inhaltlich identisch sei mit der durch die vorangegangene Verfügung des Landgerichts verbotenen Zeitungs-(werbe-)anzeige. Es lägen kerngleiche Verletzungshandlungen vor, die in ihrer Zielrichtung und ihrem Aussagewert nur unbedeutend voneinander abwichen und beide Teil einer breit angelegten Werbekampagne seien. Auch läge bei den beiden Werbemedien keine völlig unterschiedliche Wahrnehmungssituation vor, wie das von der Antragstellerin behauptet worden war. Damit würden also kerngleiche Verstöße nicht als vom Streitgegenstand erfasst und folglich als Gegenstand der Entscheidung angesehen. Dass das im Ergebnis nicht besonders befriedigend ist, liegt auf der Hand. Deshalb weichen die Vertreter dieser Auffassung auch regelmäßig auf das Rechtsschutzbedürfnis aus – wie auch das OLG Frankfurt im entschiedenen Fall. Inhaltlich auf der Linie des OLG Frankfurt vertritt Köhler in der 32. Auflage (2014) 316 seiner Kommentierung im Köhler/Bornkamm746 die Auffassung, dass bei einer auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Verurteilung eine nachfolgende Klage, die auf eine andere konkrete Verletzungsform gerichtet sei, einen anderen Streitgegenstand betreffe. Einer solchen Klage stehe die Rechtskraft oder die anderweitige Rechtshängigkeit nicht entgegen. Gleichwohl könne dieser neuen Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn die (neue) Verletzungsform kerngleich mit der früheren sei, über

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OLG Frankfurt a.M. 14.3.2013 – 6 U 227/12, WRP 2014, 101. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.23g.

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die bereits entschieden wurde oder die Gegenstand eines anhängigen Verfahrens ist.747 Diese Ausführungen zum Streitgegenstand sind allerdings nicht konsistent mit den Ausführungen von Köhler zur Rechtskraft in derselben Kommentierung, wo vertreten wird, dass die Rechtskraftwirkung sich auch auf kerngleiche Abwandlungen erstrecke.748 Der enge Streitgegenstandsbegriff und die Lösung über das Rechtsschutzinte317 resse wurden vom BGH in „Markenparfümverkäufe“ vertreten;749 damit hatte sich der BGH allerdings in Widerspruch zur herrschenden Auffassung gesetzt.750 Das OLG Frankfurt hat sich darauf nicht berufen. Auch Köhler beruft sich darauf in den neuen Passagen seiner Kommentierung nicht, sondern zitiert für seine Auffassung (wohl) 751 den BGH mit seiner Entscheidung „Klassenlotterie“.752 Eine weitere Begründung für die Auffassung wird nicht gegeben. An anderer Stelle wird allerdings unter Berufung auf „Markenparfümverkäufe“ gesagt, dass dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis für eine weitere Klage fehle, wenn er schon einen vollstreckbaren Titel erlangt habe.753 Das steht allerdings im Kontext der Aussage, dass einer Klage gegen kerngleiche Abwandlungen bereits die Rechtskraft des Ersturteils entgegenstehe und ist insofern ein nicht auflösbarer Widerspruch. 318

(bb) BGH „Markenparfümverkäufe“. Die Entscheidung „Markenparfümverkäufe“754 ist ein Fremdkörper in der Rechtsprechung und Praxis geblieben. Sie unterscheidet sich im Ausgangspunkt von der hier zu adressierenden Problematik des Streitgegenstandes bei der konkreten Verletzungsform dadurch, dass es im entschiedenen Fall um einen von der konkreten Verletzungsform abstrahierenden Antrag ging. Der Kläger hatte im entschiedenen Fall in zwei Verfahren denselben Antrag mit Blick auf dieselben Klagemarken gestellt, aber auf zwei zeitlich auseinander liegende Verletzungshandlungen gestützt. Der BGH hat insofern in „Markenparfümverkäufe“ angenommen, dass die Verletzungshandlung, auf die sich der Unterlassungsantrag stützt, den Streitgegenstand im Sinne des zweigliedrigen Lebenssachverhalts begrenze. Eine nach Rechtshängigkeit in das Verfahren eingeführte neue Verletzungshandlung begründe deshalb stets eine Klageänderung, auch wenn das Rechtsschutzziel identisch bleibe. Der BGH schließt, dass das „Verbot kerngleicher Abweichungen von der konkreten Verletzungsform sich jedoch nur auf die mit dem Klageantrag begehrte Rechtsfolge“ beziehe und mit der Abgrenzung des Klagegrunds, aus dem die Rechtsfolge hergeleitet werde, nichts zu tun habe. Dieser konkrete Lebenssachverhalt sei auch dann entscheidend, wenn von diesem mit dem Antrag „abstrahiert“ werde.755 Die Abstraktion beziehe sich nur auf die mit dem Klageantrag begehrte Rechtsfolge und nicht auf den Klagegrund, aus dem diese hergeleitet wird. Der in die Zukunft gerichtete Verbotsanspruch erwachse nicht als solcher, sondern nur in Bezug auf die vom Gericht festgestellte(n) Verletzungshandlung(en) in Rechtskraft. Als Korrektiv steht aus Sicht des BGH mithin allein das Rechtschutzbedürfnis zur Verfügung. Besitze der Kläger bereits einen vollstreckbaren Titel gegen den nämlichen Beklagten, so könne ihm für eine Klage mit identischem Antrag, also demselben Rechtschutzziel, das Rechtsschutzinteresse fehlen. Das wurde im

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Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.23g. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.113. BGH 23.2.2006 – I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 = GRUR 2006, 421 Tz. 22–32 – Markenparfümverkäufe. Dazu sogleich unter Rn. 318 ff. sowie Rn. 322 ff. Deutlich ist es nicht, wofür genau der BGH zitiert wird. BGH 22.10.2009 – I ZR 58/07, GRUR 2010, 454 Tz. 12 – Klassenlotterie. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.113 a.E. BGH 23.2.2006 – I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 = GRUR 2006, 421 – Markenparfümverkäufe. BGH 23.2.2006 – Markenparfümverkäufe, a.a.O. Tz. 28.

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entschiedenen Fall verneint, weil das Urteil des ersten Verfahrens im Stadium der Revision gegen das Urteil des zweiten Verfahrens rechtskräftig geworden war.756 Man kann die Ausführungen des BGH, dass das Verbot kerngleicher Abweichungen von der konkreten Verletzungsform sich „jedoch nur auf die mit dem Klageantrag begehrte Rechtsfolge“ beziehe757 wohl nur dahin sinnvoll verstehen, dass die Vollstreckungswirkung der Verbotsnorm unterschieden wird vom Streitgegenstand, über den rechtskräftig entschieden wird. Sofern die Verbotsnorm auch kerngleiche Abwandlungen erfasse, diese sich also von der benannten und im Erkenntnisverfahren festgestellten Verletzungshandlung unterscheide (was bei neuen Handlungen stets per Definition der Fall sein soll), so wäre mit Blick auf diese demnach keine rechtskräftige Entscheidung möglich. Das hat v. Ungern-Sternberg auch in der Tat so zum Ausdruck gebracht, wenn er in seiner Würdigung der Entscheidung, an der er als Mitglied und Berichterstatter des I. Zivilsenats beteiligt war, sagt, dass von einer Identität der Streitgegenstände, wie sie für den Einwand der Rechtskraft erforderlich wäre, dann nicht die Rede sein könne, wenn ein Sachverhalt vorgetragen würde, der im Vorprozess „eindeutig nicht Gegenstand war“ und erst recht dann nicht, wenn die weiteren Verletzungshandlungen nach Schluss der mündlichen Verhandlung begangen worden seien.758 Welcher Zeitpunkt insofern der maßgebliche sein soll, ist allerdings in dieser, der 319 Entscheidung „Markenparfümverkäufe“759 zustimmenden Argumentationslinie zunächst nicht eindeutig zu erkennen. In dem Urteil selbst wird mit Blick auf die Bejahung der Klageänderung nach § 263 ZPO nur darauf abgestellt, dass die Handlung überhaupt erst nach Klageerhebung in den Prozess eingeführt wird,760 unabhängig davon also, wann die Handlung vorgenommen wurde. In der Verteidigung der Entscheidung stellt v. UngernSternberg in der Überschrift der entsprechenden Passage auf „neue Verletzungshandlungen nach Rechtskraft eines Unterlassungsurteils“ ab,761 hingegen in seinen weiteren Ausführungen auf Sachverhalte, die im Erstverfahren nicht vorgetragen waren, aber jedenfalls als Handlungen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingetreten sind.762 Handlungen nach Rechtskraft dürften wohl nicht gemeint sein, sondern Handlungen nach dem für die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft nach § 767 Abs. 2 ZPO grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt. Diese Auffassung führt natürlich zwingend dazu, dass es überhaupt keine Rechts- 320 kraftwirkung für die Zukunft gäbe, also keine Rechtskraftwirkung einer Entscheidung über einen Unterlassungsantrag. Als Korrektiv stehe nach v. Ungern-Sternberg, wie bereits im Urteil „Markenparfümverkäufe“763 gesagt, das Rechtsschutzbedürfnis zur Verfügung.764 Das sei auch interessengerechter, weil dem Kläger sonst das Risiko aufgebürdet würde, zunächst in einem Ordnungsmittelverfahren den Umfang der Rechtskraft wegen einer neuen Handlung zu testen und er mit einer weiteren Hauptsacheklage, die

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756 BGH 23.2.2006 – Markenparfümverkäufe, a.a.O. Tz. 32. 757 BGH 23.2.2006 – I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 = GRUR 2006, 421 Tz. 27 – Markenparfümverkäufe; dazu bereits Grosch FS Schilling (2007) 207, 217; Teplitzky WRP 2010, 181, 184 f. 758 v. Ungern-Sternberg GRUR 2009, 1009, 1015 Fn. 70 a.E. 759 BGH 23.2.2006 – Markenparfümverkäufe a.a.O. 760 BGH 23.2.2006 – Markenparfümverkäufe, a.a.O. Tz. 26. 761 v. Ungern-Sternberg GRUR 2009, 1009, 1012; (dagegen mehrfach dezidiert Teplitzky GRUR 2011, 1095 m.w.N. in Fn. 60). 762 Auch Berneke spricht davon, dass Handlungen nach Urteilsverkündung einen neuen Streitgegenstand begründeten, Berneke WRP 2007, 579, 583. 763 BGH 23.2.2006 – I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 = GRUR 2006, 421 – Markenparfümverkäufe. 764 So auch Lehment WRP 2007, 237, 240; gegen dessen Prämisse für diese Meinung schon Teplitzky WRP 2007, 397, 399.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

einzureichen er wegen der kurzen Verjährungsfrist oft gezwungen sein wird, wegen des Rechtskrafteinwandes scheitern könnte. Die Tragweite dieser Auffassung wird offensichtlich mit Blick auf den Fall der Klageabweisung deutlich, weil hier überhaupt kein Korrektiv zur Verfügung stünde, also die fehlende Rechtskraftwirkung nicht ausgeglichen werden könnte.765 Das hält v. Ungern-Sternberg für unproblematisch, weil der Kläger bei rechtskräftiger Klageabweisung eine erneute Klage mit dem gleichen Antrag wegen des Kostenrisikos scheuen würde.766 Ähnlich wie „Markenparfümverkäufe“ hatte bereits das OLG Düsseldorf in einer 321 Entscheidung aus dem Jahre 1992 die Auffassung vertreten, dass die Kernbereichslehre allein dazu diene, eine als „unerträglich empfundene“ Möglichkeit der „Umgehung eines gerichtlichen Titels“ bei lediglich unwesentlichen Abweichungen von der vormals konkret angegriffenen Verletzungshandlung zu verhindern.767 Sie sei deshalb von „Sinn und Zweck her ein allein das Zwangsvollstreckungsrecht betreffendes Instrument“ und diene nicht der „Erweiterung der Rechtskraft“.768 Mithin könne man gegen eine Zuwiderhandlung sowohl im Wege des § 890 ZPO vorgehen, also auch im Wege einer neuen Klage oder eines neuen Verfügungsantrages, was auch nicht systemwidrig sei, weil es im Ordnungsmittelverfahren um die Ahndung einer vergangenen Zuwiderhandlung und im neuen Erkenntnisverfahren um ein Verbot gegen künftige Handlungen gehe.769 Verteidigt wurde diese Linie ferner von Lehment, dessen Behauptung, andere Obergerichte würden in derselben Weise eine solche systematische Trennung vornehmen, jedoch nicht zutreffend ist.770 Die überwiegende Auffassung auch nach „Markenparfümver-

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765 Nur noch schwer nachvollziehbar sind die Ausführungen von Lehment a.a.O. S. 239, zu diesem Punkt. Lehment meint in diesen Fällen der Klageabweisung und einer neuen Klage gestützt auf eine kerngleiche Abwandlung sei eine erneute Klage aus dem Grundsatz „ne bis in idem“ wegen „übergeordneter rechtlicher Gesichtspunkt“ unzulässig „und nicht deshalb, weil so getan wird, als sei über den zweiten Anlasssachverhalt bereits entschieden worden“. Es genüge in diesen Fällen für den Rechtskrafteinwand, dass „über die Rechtsfrage bereits abschlägig entschieden worden sei.“ Wurde hingegen der ersten Klage stattgegeben, greife der Einwand der Rechtskraft nur durch, wenn der Anlasssachverhalt „sachlich identisch ist und unter demselben rechtlichen Gesichtspunkt beanstandet wird.“ Sachlich identisch sei die Lieferung derselben Markenware aus demselben Land. Es wird aber nicht angenommen werden können, die Rechtskraft unterscheide sich je nachdem, ob der Klage stattgegeben oder die Klage abgewiesen wurde (kritisch dazu auch Teplitzky WRP 2007, 397, 398 unter III, 1. c). Was es heißen soll, dass der Grundsatz „ne bis in idem“ aus übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten die Klage unzulässig mache, ist auch nicht ersichtlich. Es gibt keine Rechtskraft, wenn man nicht den Bezug der kerngleichen Handlungen zur rechtskräftigen Entscheidung dergestalt herstellen kann, dass man aufgrund der Gründe davon ausgehen muss, dass das Prozessgericht die Abwandlung genauso entschieden hätte und deshalb auch mitentschieden hat (vgl. dazu für abstrahierende Anträge Rn. 322, 328, 357 und 862). 766 v. Ungern-Sternberg GRUR 2009, 1009, 1015 a.E. 767 OLG Düsseldorf 10.12.1992 – 2 U 149/92, WRP 1993, 487, 488. 768 OLG Düsseldorf 10.12.1992 – 2 U 149/92, WRP 1993, 487, 488. 769 OLG Düsseldorf 10.12.1992 – 2 U 149/92, WRP 1993, 487, 488. 770 Lehment beruft sich etwa auf OLG Frankfurt 22.9.1983 – 6 U 34/80, OLGZ 1985, 206. Im entschiedenen Fall war von der Vorinstanz eine Werbung mit einer 10-Jahresgarantie wegen Irreführung verboten worden, weil innerhalb dieses Zeitraums technische Mängel auftreten konnten, für die die Beklagte nicht haften wollte. Diese Garantie wurde mit der neuen Werbung so abgewandelt, dass darin deutlich zum Ausdruck kam, welche Wartungsarbeiten erforderlich werden würden und wofür die vormalige Beklagte nicht haften wolle. Hier hat das OLG Frankfurt in Anwendung der Kernbereichslehre vereint, dass der neuen Klage (wohl eine Feststellungsklage der vormaligen Beklagten) die Rechtskraft des ersten Urteils entgegenstehe: „Das OLG H. hatte seinerzeit nicht über das streitige Rechtsverhältnis der Streitteile und damit über den Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens entschieden; denn die zur Beurteilung des Senats gestellte geänderte Werbeaussage der Klägerin fällt nicht in den Schutzbereich des rechtskräftigen Unterlassungsurteils. Die Grenzen der Rechtskraft eines Unterlassungstitels werden bestimmt durch seinen Schutzumfang; dieser umfaßt alle Handlungen, die mit der konkreten Verletzungshandlung identisch sind, sowie alle darüber hinausgehenden Handlungen, die den Kern der

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

käufe“ geht vielmehr dahin, dass die Kernbereichslehre die Ermittlung des Gegenstandes der Entscheidung für die Zwecke der Rechtskraft betrifft.771 (f) Bewertung (aa) Keine Beschränkung des Streitgegenstands auf den historischen Lebens- 322 sachverhalt unter Ausschluss künftiger Handlungen. Die Entscheidung „Markenparfümverkäufe“ ist mit Blick auf diese Trennung von Streitgegenstand und Rechtskraft einerseits und Vollstreckungswirkung andererseits überwiegend auf Ablehnung gestoßen.772 Sie setze sich in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des BGH, wonach die Abgrenzung des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts auch nach materiell-rechtlichen Kriterien erfolgen müsse. Diese Kritik wurde insbesondere von Teplitzky vertreten.773 Sie lässt sich wohl mit Blick auf die konkrete Verletzungsform nicht mehr vollständig aufrechterhalten, da der BGH in „Biomineralwasser“ den Streitgegenstandsbegriff von materiell-rechtlichen Erwägungen frei halten will. Es bleibt aber die Kritik, dass diese Auffassung letztlich dazu führt, dass dem Unterlassungsurteil jedenfalls für Handlungen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung keine Bindungswirkung mehr zukäme774 und das Urteil insofern eine rechtskraftlose Vollstreckungshülse wäre. Die Beschränkung des Streitgegenstandes auf den historischen Lebenssachver- 323 halt im engsten Sinne, also ohne Ausdehnung auf zeitlich spätere Handlungen, wäre auf den ersten Blick mit „Biomineralwasser“ noch vereinbar. Zu diesem Aspekt ist in der Entscheidung schlicht nichts gesagt. Die Entscheidung „Leistungspakete im Preisvergleich“ zeigt aber in engem zeitlichen Kontext mit der Entscheidung „Biomineralwasser“, dass der BGH nicht bereit ist, den Streitgegenstand so eng zu verstehen. Es gibt zeitlich spätere Handlungen, die das Gericht im Erkenntnisverfahren nicht behandelt und auf die sich der Kläger nicht berufen hat, über die das Gericht jedoch gleichwohl rechtskräftig entschieden hat. Das überzeugt auch. Anderenfalls wäre eine Streitentscheidung überhaupt nicht 324 gegeben. Der Prozess muss den Rechtsstreit zwischen den Parteien aber entscheiden und er muss ein Ende in der Zeit haben. Das erfordert schon verfassungsrechtlich nicht nur ein formelles Ende des Verfahrens, also die fehlende weitere Anfechtbarkeit der Entscheidung (formelle Rechtskraft), sondern als notwendiges Korrelat auch die mate-

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konkreten Verletzungshandlung unberührt lassen (BGH GRUR 1957, 606 – Heilmittelvertrieb; GRUR 1963, 218 – Mampe halb und halb II; GRUR 1979, 859 – Hausverbot II; Pastor Der Wettbewerbsprozeß 3. Aufl. S. 829/830, 851 m.w.N.). Entsprechend erstreckt sich die materielle Rechtskraft eines Unterlassungstitels auf alle neuen Formen des Schuldnerverhaltens, sofern sie die „Quintessenz“ nicht berühren. Ob dies der Fall ist, ist aus der Urteilsformel unter Berücksichtigung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe durch Auslegung zu ermitteln.“ Das spricht für sich. 771 Vgl. etwa OLG Stuttgart 13.11.2008 – 2 U 39/08, juris Tz. 43: „Nach diesen Grundsätzen reicht die Rechtskraftwirkung der Präklusion eines erneuten Verfahrens so weit, wie über den Anspruch entschieden worden ist. Erfasst der Anspruch des Gläubigers von vornherein alle kerngleichen Formen, so ist – wenn er ohne eindeutige Beschränkung des Klagebegehrens (durch zulässigen Ausschluss der Einbeziehung anderer Formen als der konkreten) geltend gemacht worden ist – mit dem Urteil auch das Gebot der Unterlassung aller kerngleichen Formen ausgesprochen (…). Denn die Rechtskraftwirkung erstreckt sich auf Änderungen der Verletzungsform, soweit sie den Kern der Verbotsform unberührt lassen.“ m.w.N. 772 Ahrens JZ 2006, 1184; Kamlah/Ulmar WRP 2006, 967; Götz GRUR 2008, 401; Teplitzky WRP 2007, 1 und 397; ders. GRUR 2011, 1091 m.w.N. in Fn. 29; Grosch FS Schilling 207, 215 ff.; Ann/Loschelder/Grosch Praxishandbuch Know-how-Schutz, Kap. 6 Rn. 61 ff.; a.A. Lehment WRP 2007, 237; v. Ungern-Sternberg GRUR 2009, 1009, 1016. 773 Teplitzky Kap. 46 Rn. 2b f. m.w.N.; ders. GRUR 2011, 1091, 1092 f. 774 v. Linstow/Büttner WRP 2007, 169; vgl. auch Teplitzky Kap. 46 Rn. 18; ders. WRP 2010, 181, 185 m.w.N. in Fn. 53.

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rielle Rechtskraft im Sinne der Bindungswirkung dieser Entscheidung auch für folgende Verfahren, die dann entweder nicht mehr zulässig sind, oder die im Sinne der der Präjudizialität an die Entscheidung gebunden sind. Die so verstandene Rechtskraft hat Verfassungsrang und ist dem Begriff des Prozesses immanent (dazu ausführlich Rn. 578 f. sowie Rn. 636 ff.). Rein praktisch darauf zu vertrauen, der Kläger werde das Kostenrisiko schon scheuen, genügt diesen Anforderungen unter keinen Umständen. Es ist im Übrigen auch unzutreffend. Man mag an einem Gerichtsstand gescheitert sein, es können aber in einem anderen OLG Bezirk inzwischen neue Entscheidungen vorliegen, die die Aussicht für ein dortiges Verfahren erfolgversprechender machen. Diese Auffassung kann also jedenfalls nicht überzeugen. Auch die Entscheidung über in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanträge muss rechtskraftfähig sein.775 Es besteht auch kein Widerspruch zur sonstigen Rechtsprechung des BGH. v. Ungern325 Sternberg zitiert für seine Auffassung, dass die Identität des Streitgegenstandes für Handlungen nach Schluss der mündlichen Verhandlung nie vorliegen könne,776 die Entscheidung BGHZ 145, 316, 320.777 Dort werden in der Tat die zeitlichen Grenzen materieller Rechtskraft behandelt. Die Entscheidung bestätigt aber die von v. Ungern-Sternberg vertretene Auffassung nicht, sondern widerlegt sie. In der zitierten Entscheidung778 ging es um die rechtskräftige Feststellung der aus326 schließlichen Berechtigung des Klägers (einer Pächterin der Bergwerkseigentümerin) zur Gewinnung von Marmor in bestimmten Kalksteinbrüchen.779 In dem dann vom BGH entschiedenen Fall wurde mit umgekehrten Parteirollen letztlich derselbe Gegenstand, nämlich die Abbauberechtigung der früheren Klägerin und jetzigen Beklagten zur Entscheidung gestellt. Der BGH verneinte die entgegenstehende Rechtskraft der früheren Entscheidung. Er bezog sich dafür aber nicht lediglich darauf, dass es sich um neu entstandene Tatsachen, also um die heutige Berechtigung handle. Vielmehr erkannte der BGH ausdrücklich an, dass sich die vormalige Feststellung des Erstgerichts in die Zukunft richtete, weil es sich um eine „in die Zukunft greifende Feststellung eines dauernden Rechtsverhältnisses“ handelte. In einem solchen Fall könne es der unterlegenen Partei jedenfalls nicht verwehrt sein, in einem Zweitprozess geltend zu machen, „die Rechtslage habe sich seitdem wesentlich geändert“. Insofern war nämlich zwischen den Parteien unstreitig, dass das seit dem 1.1.1982 in Kraft getretene Bundesberggesetz den Konflikt zwischen Grundstückeigentümer und Bergwerkseigentümer nunmehr anders regelte, als vom Reichsgericht zugrunde gelegt. Entscheidend für den BGH war also, anders als nach v. Ungern-Sternberg, gerade nicht der Eintritt neuer Tatsachen, sondern die Änderung der materiellen Rechtslage. Damit wird anerkannt, dass die für § 767 ZPO erforderliche Änderung der materiellen Rechtslage bei Zukunftsurteilen auch in einer Änderung der Gesetzeslage liegen kann (hierzu Rn. 634 ff.). Auch bei klassischen Urteilen genügt ja nicht der Eintritt neuer Tatsachen, sondern es muss sich daraus eine rechtsvernichtende oder rechthemmende materiell-rechtliche Einwendung gegen den vom Erstgericht festgestellten materiellen Anspruch ergeben, was sich nur anhand der materiellen Subsumtion des Erstgerichts feststellen lässt (hierzu Rn. 622 ff.). Es wird also zur Sicherung der materiellen Rechtskraft die vom Erstgericht erkannte materielle Rechtslage fortgeschrieben. Das erfordert für die Zukunftsurteile eine Anpassung, die darin liegt, dass jedenfalls auch Gesetzesänderungen beachtlich sind. Es wird

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Vgl. hierzu auch v. Linstow/Büttner WRP 2007, 169, 170 f. v. Ungern- Sternberg GRUR 2009, 1009. BGH 12.10.2000 – III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 320 = NJW-RR 2001, 447, 448. BGH 12.10.2000 – III ZR 242/98, BGHZ 145, 316 = NJW-RR 2001, 447. Der erste Prozess war der erste sogenannte „Marmorprozess“ RGZ 147, 161.

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also vielmehr implizit anerkannt, dass eine in die Zukunft greifende Feststellung rechtskraftfähig ist, dass aber weiter gehende Einwendungen, nämlich hier die Änderung der zugrundeliegenden Rechtslage, gegenüber einem solchen Urteil zulässig sein müssen. Es wird gerade nicht gesagt, dass es überhaupt keine Bindungswirkung gebe, weil die künftigen Tatsachen sich stets vom festgestellten Sachverhalt als Grundlage des Streitgegenstandes und der Entscheidung unterschieden. Diese grundsätzliche Rechtskraftfähigkeit von Zukunftsurteilen ist auch ganz 327 herrschende Auffassung, wenn auch über die Intensität derselben gestritten und teilweise eine abweichende Terminologie verwendet wird.780 Ob Unterlassungsurteile und andere Urteile auf künftige Leistung nach § 258 ZPO für die Zwecke der Rechtskraft und der Rechtsbehelfe gegen das rechtskräftige Urteil gleich zu behandeln sind, ist zwar streitig.781 Es ist aber für beide Fälle allgemein anerkannt, dass eine bloße Änderung der Bewertung, etwa neuer Präjudizien, nicht dazu führen kann, die Bindungswirkung des Urteils zu verneinen (hierzu ausführlich unten Rn. 636 ff.). Nur in den Fällen der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein tauglicher Abänderungsgrund im Sinne des § 323 ZPO782 oder eine taugliche Einwendung im Sinne des § 767 ZPO gegeben.783 (bb) Keine Trennung zwischen Rechtskraft und Vollstreckung – BGH „Reich- 328 weite des Unterlassungsgebots“. Auf dieser Linie ist auch eine Trennung von Rechtskraft und Vollstreckung ausgeschlossen. Der vollstreckungsfähige Inhalt des Unterlassungsurteils, also der Umfang der Verbotsnorm, rechtfertigt sich prozessual und verfassungsrechtlich allein dadurch, dass dieser Inhalt auch Streitgegenstand war.784 Das hat der BGH inzwischen in einer jüngeren Entscheidung ausdrücklich bestätigt.785 Auch die Kernbereichslehre rechtfertige keine Erstreckung auf Handlungen, die nicht als Gegenstand der Erkenntnis des rechtskräftigen Urteils angesehen werden können: „Das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung maßgeblich ist, ist daher auf das beschränkt, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen ist.“786 Im entschiedenen Fall

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780 Ich bin hier für die Verwendung der Terminologie der rechtskraftfremden Präklusion eingetreten, vgl. Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 95, 356 ff.; weitere Nachweise insbesondere zur Rechtskraftlehre Brauns unten Rn. 645 ff. 781 So hat der V. Zivilsenat, BGH 14.3.2008 – V ZR 16/07, BGHZ 176, 35 = NJW 2008, 1446 Tz. 9 (hierzu unten Rn. 644), etwa die Anwendung von § 323 ZPO auf Unterlassungsurteile verneint, weil dort § 767 ZPO zur Verfügung stünde und das Unterlassungsurteile nicht auf der für § 258 ZPO kennzeichnenden Prognoseentscheidung basiere, es also hier keine Rechtskraft zu durchbrechen gelte. § 767 ZPO schränke bei Unterlassungsurteile nicht in gleicherweise wie bei einem Urteil auf wiederkehrende Leistung das Vorbringen neuer Tatsachen ein. Dass es aber auch bei Unterlassungsurteilen eingeschränkt ist und sein muss, legt auch der BGH in dieser Entscheidung zugrunde, wenn er auch nicht spezifiziert, wie und inwieweit das der Fall sein soll. 782 Das hat für § 323 ZPO inzwischen auch Eingang in den Gesetzeswortlaut gefunden, der in § 323 Abs. 1 Satz 2 eine Änderung nicht nur der tatsächlichen, sondern auch der rechtlichen Verhältnisse für die Zulässigkeit der Abänderungsklage genügen lässt. 783 Für den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch BGH 2.7.2009 – I ZR 146/07, GRUR 2009, 1096, 1097 Tz. 22 und 23 – Mescher weis, unter Verweis auf die Rechtsprechung des XII. Senats zum Familienrecht und § 323 ZPO sowie unter Beschränkung auf die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Hierzu auch unten Rn. 636. 784 Vgl. dazu auch schon Teplitzky Kap. 46 Rn. 2e m.w.N. in Fn. 75; Grosch FS Schilling (2007) 207, 217 ff. 785 BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 10 ff. – Reichweite des Unterlassungsgebots; hierzu die ablehnende Anmerkungen von Kleinemenke GRUR-Prax 2014, 238. 786 BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 13 – Reichweite des Unterlassungsgebots.

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ging es zwar um die Sonderproblematik der Erweiterung der Erkenntnis auf die gleichartige Verletzung weiterer Schutzrechte (Urheberrechte), welche zum Zeitpunkt des Erkenntnisverfahrens noch nicht entstanden waren. Gleichwohl ist diese Aussage allgemeingültig – und vom BGH auch so formuliert. Der Beklagte musste wissen, gegen welches Rechtsschutzbegehren er sich im Erkenntnisverfahren verteidigt. Das Rechtsschutzbegehren ist aber auf eine Verbotsnorm gerichtet und ohne deren Inhalt zu kennen, kann es mithin keine dem rechtlichen Gehör genügende Streitentscheidung geben. Ferner käme es zur oben bereits adressierten Ungleichbehandlung der Parteien: Der obsiegende Kläger könnte mit Blick auf solche Handlungen vollstrecken – weil diese qua Kernbereichslehre in den Schutzbereich der Verbotsnorm fallen –, wohingegen im Fall der Klageabweisung keine Rechtskraftwirkung zugunsten des Beklagten bestünde, der Kläger also von neuem klagen könnte.787 Jede Trennung von vollstreckungsrechtlicher Kernbereichslehre und Streitgegenstand führt also definitionsgemäß zu einem strukturellen Ungleichgewicht und einer Ungleichbehandlung der Parteien in dem zentralen Punkt des Prozesses, nämlich der Streitentscheidung. Die Streitentscheidung wäre faktisch allein zugunsten des Klägers erweitert und das ausschließlich aufgrund eines rein formalen Arguments, nämlich der Trennung von Vollstreckung und Rechtskraft, dem insofern keine materiellen Wertungserwägungen zugrundeliegen. Es wäre bloßer Formalismus. Die Unterscheidung zwischen Streitgegenstand und vollstreckungsrechtlicher Kern329 bereichslehre überzeugt insofern auch aus einem weiteren Grund nicht: Wenn der Kläger zwar ein vollstreckbares Urteil für kerngleiche Handlungen hätte, über diese aber nicht mit Rechtskraft entschieden wäre, so könnte man zwar noch eine weitere Leistungsklage mit dem Instrumentarium des Rechtsschutzbedürfnisses abwenden, jedoch könnte man dem Beklagten nicht die Möglichkeit nehmen, eine rechtskräftige Klärung im Wege einer negativen Feststellungsklage herbeizuführen. Wenn die Unterscheidung zwischen dem Vollstreckungstitel ohne Rechtskraft mit Blick auf kerngleiche Handlungen überhaupt einen dogmatischen „Realitätskern“ haben sollte, dann wäre nichts gegen eine solche Klage einzuwenden. Der Widerspruch zwischen einem möglichen Feststellungsurteil, nach dem Ansprüche insofern nicht bestehen, und einem vollstreckbaren Unterlassungsurteil nach dessen Inhalt auch solche kerngleichen Handlungen erfasst wären, wäre dann nicht auflösbar. Dass das nicht richtig sein kann, zeigt, dass eine solche Argumentation den eigentlichen prozessual-verfassungsrechtlichen Kern der Rechtskraft,788 den auch die Kernbereichslehre beachten muss, nicht erfasst. Die Anwendung der Kernbereichslehre ist nichts anderes als die Bestimmung 330 des Streitgegenstands im Unterlassungsverfahren. Sie ist kein vollstreckungsrechtliches Instrumentarium durch das die „Umgehung“ des Unterlassungsurteils verhindert werden soll, sondern sie dient der Bestimmung dessen, worüber im Verfahren gestritten wird.789 Insofern kann es nicht richtig sein, dass dem Unterlassungsurteil keine Bindungswirkung zukommt, dass also die bloße Tatsache, dass eine neue historische Handlung vorliegt, schon deshalb einen neuen Streitgegenstand begründet. Weil dem so ist, überzeugt auch die „TÜV I“-Rechtsprechung des BGH. Es kann dem Gericht nicht überlassen bleiben, den Streitgegenstand auszuwählen.

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787 Vgl. Ann/Loschelder/Grosch Praxishandbuch, Know-how-Schutz, Kap. 6 Rn. 63. 788 Dazu ausführlich Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 266 ff. 789 Teplitzky Kap. 46 Rn. 2e; Büscher/Dittmer/Schiwy § 14 MarkenG, Rn. 708 a.E.; Grosch FS Schilling (2007) 207, 216 ff.

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(cc) Keine Anwendung der Kernbereichsehre auf der Basis einer materiell aus- 331 gerichteten Abstrahierung. Die „Biomineralwasser“-Linie kann nur dann überzeugen, wenn der Inhalt der Verbotsnorm unabhängig von der Beanstandung ist, auf die sich das Gericht für das Verbot letztlich stützt. Anderenfalls würde das Gericht durch den Rückgriff auf eine möglicherweise gar nicht geltend gemachte Beanstandung das Rechtsschutzbegehren erst definieren, was mit der Dispositionsmaxime des Zivilprozesses unvereinbar ist. Die Auffassung des OLG Hamburg, dass die Kernbereichslehre bei auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Urteilen unverändert Anwendung fände, kann mithin nach „Biomineralwasser“ nicht mehr überzeugen. Wenn die materielle Beanstandung keine Bedeutung für die Bestimmung des Streitgegenstandes haben darf, dann muss man insofern auch konsequent sein und kann nicht für die Bemessung der Reichweite der Verurteilung auf die jeweils zugrunde gelegte Beanstandung rekurrieren. Das wäre genau der Grundsatz aus „TÜV I“, mit dem der BGH in „Biomineralwasser“ dezidiert gebrochen hat. Durch die Wahl, auf welche Beanstandung das Gericht das Verbot der konkreten Verletzungsform stützt, entscheidet es nicht über den zur Entscheidung gestellten Streitgegenstand (prozessualer Anspruch). Dann kann dieser Streitgegenstand aber auch nicht je nach zugrunde gelegter Beanstandung eine andere Gestalt oder Form haben. Aber auch die von Stieper geäußerte Auffassung790 überzeugt insofern nicht voll- 332 ständig: Mit Blick auf den Schutzumfang des Verbots argumentiert er, wie bereits gesagt, dass es genüge, wenn die Handlung mit Blick auf nur einen vom Kläger beanstandeten Punkt geändert werde. Diese Auffassung überzeugt allerdings ebenfalls nicht. Nach der Linie aus „Biomineralwasser“ soll es gerade keine Rolle spielen, unter welchem Aspekt eine Handlung beanstandet wird. Das Gericht hat, wenn das Verbot auf die konkrete Verletzungsform gerichtet ist, den vorgelegten Sachverhalt unter allen möglichen Aspekten zu untersuchen, die das Verbot tragen können. Der Kläger muss sich also auf keine bestimmte Beanstandung berufen. Warum sich dann der Schutzbereich des Verbots mit Blick auf die klägerischen Beanstandungen bestimmen soll, ist nicht erklärlich. (dd) Umfang der Verbotsnorm muss sich ebenfalls nach der natürlichen Be- 333 trachtungsweise bestimmen. Sinnvoll kann man das vom BGH in „Biomineralwasser“ angelegte System nur verstehen, wenn man versucht, eine „natürliche Betrachtungsweise“ zur Bestimmung der Verbotsnorm als dem Gegenstand des klägerischen Rechtsschutzbegehrens anzuwenden. Es wäre also zu klären, ob die neue Handlung bei einer „vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise“791 als derselbe Tatsachenkomplex zu werten wäre. Diese Frage wird man, wenn man sich in dem vom BGH gewählten System bewegen will, unabhängig von den tatsächlichen Beanstandungen des Klägers und unabhängig von der vom Gericht als Begründung herangezogenen Rechtsverletzung beantworten müssen. Im Zweifel wird man hier in der Tat eine sehr enge Betrachtung anwenden müssen, weil für den Beklagten ansonsten im Prozess nicht erkennbar ist, gegen welches Verbot mit welcher Tragweite er sich verteidigt. Ansonsten ist der Satz des BGH, der oben schon bei der Bestimmtheit kritisiert wurde, dass nämlich der Beklagte bei einem auf die konkrete Verletzungsform bezogenen Angriff nicht im Unklaren darüber sein könne, was verboten werde(n solle), inhaltsleer. Bei unterschiedlichen Werbeträgern muss deshalb regelmäßig von einem neuen Streitgegenstand ausgegangen werden. Gleiches gilt für die Änderung des Aussagegehalts

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790 Stieper WRP 2013, 561, 566 Rn. 21, dazu bereits ausführlich unter Rn. 310 f. 791 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 = GRUR 2013, 401 Tz. 24 m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser.

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einer Werbeanzeige, auch wenn Aspekte betroffen sind, die der Kläger gar nicht beanstandet hat. Das ist prozessökonomisch sicherlich keine befriedigende, aber eine unausweichliche Konsequenz, wenn man den Streitgegenstandsbegriff von den materiellrechtlichen Beanstandungen des Klägers befreien und eine „natürliche Betrachtungsweise“ zum Tragen kommen lassen will. Diese Maßstäbe müssen dann genauso auch bei der Vollstreckung des entsprechend tenorierenden Urteils nach § 890 ZPO gelten (hierzu ausführlich Rn. 860 ff.). Eine Erweiterung qua Kernbereichslehre wäre also nicht möglich, weil diese nicht über den Gegenstand des Erkenntnisverfahrens hinausgehen kann. 334

(ee) Keine weitere Differenzierung innerhalb der Gruppe der auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Anträge. Insofern überzeugt es auch nicht bei Anträgen, die auf die konkrete Verletzungsform gerichtet sind, weiter danach zu differenzieren, ob es sich um Anträge handelt, die unter dem Stichwort „Fotokopieranträge“ als engste Form des auf die historische Verletzungshandlung bezogenen Streitgegenstandes zu verstehen sind, oder um andere, weitere Angriffe, wie das von Ahrens in der Würdigung von „Branchenbuch Berg“ vertreten wurde.792 Für die Fälle des Angriffs auf die konkrete Verletzungsform ist es gerade konstitutiv, dass eine natürliche Betrachtungsweise des zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalts im Sinne der gesamten historischen Verletzungshandlung maßgeblich sein soll. Das ist der Maßstab, der diese Fallgruppe konstituiert und eine weitere Differenzierung ausschließt. Nach dem oben bereits in Rn. 130 ff. Gesagten, ist die Linie des BGH für die Bestim335 mung des Schutzumfangs der Verbotsnorm bei abstrakten Einleitungsteilen eines auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Antrages nicht mehr vertretbar. Eine entsprechende Tendenz, den Schutzumfang auf das konkrete Unterlassungsbegehren zu beschränken, ist in der neueren Rechtsprechung des BGH auch erkennbar.793 Wenn man diese Teile, die eine bestimmte Beanstandung in ihren subsumtionserheblichen Merkmalen verdeutlichen sollen, bei der Bestimmung des Schutzumfangs der Verbotsnorm qua Kernbereichslehre berücksichtigen will, dann läge letztlich ein abstrahierender Tenor vor (hierzu Rn. 860 ff.). So wäre es etwa im Fall „Leistungspakete im Preisvergleich“: Dort wurde, wie oben gesagt, im Zweitverfahren ein abstrahierender Einleitungsteil hinsichtlich der Werbung ohne Einbeziehung der Grundkosten für den Kabelanschluss gestellt, der mit einem Bezug „wenn das geschieht wie“ auf die konkrete Verletzungsform beschränkt wurde. Wie oben ausgeführt, hat der BGH angenommen, dass aufgrund der Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform auch der Aspekt des unrichtigen Werbevergleichs (wegen Auslassung eines günstigeren Angebots des Klägers) als Element des vorgetragenen Lebenssachverhalts als Stütze für das Verbot herangezogen werden kann, also keine Beschränkung auf den Irreführungstatbestand hinsichtlich der fehlenden Einbeziehung der Grundkosten des Kabelanschlusses durch den Antrag gegeben sei. Wenn man auf einen solchen Tenor nunmehr die Kernbereichslehre dergestalt anwenden wollte, dass der abstrakte Einleitungsteil, wie es der BGH in einigen Entscheidungen gesagt hat, die kerngleichen Abwandlungen spezifizieren würde, so wäre der Tenor auch für solche Abwandlungen tragend, die ohne den Werbevergleich die Grundkosten des Kabelanschlusses nicht angeben. Das wäre allerdings nicht überzeugend. Die Tatsache, dass es sich um einen Werbevergleich handelte, war für den BGH gerade der Ansatz, um den Streitgegenstand von dem bereits rechtskräftig entschiedenen Gegenstand abzugrenzen und mithin im entschiedenen Fall das Prozesshindernis der entgegenstehenden

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792 Ahrens WRP 2013, 129, 131 Rn. 24. 793 BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 13 – Reichweite des Unterlassungsgebots; hierzu die ablehnende Anmerkungen von Kleinemenke GRUR-Prax 2014, 238.

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Rechtskraft zu verneinen. Wollte man nunmehr den Tenor des Urteils aufgrund des abstrakten Einleitungsteils anders verstehen, so bedeutete dies entweder die Trennung von Vollstreckung und Rechtskraft, oder es bedeutete eine Ausweitung des Streitgegenstandes unter abstrahierender Bezugnahme auf die für den Irreführungstatbestand erheblichen Umstände (fehlende Einbeziehung der Grundkosten). Ersteres wird, wie oben ausgeführt (vorstehend Rn. 328) auch vom BGH abgelehnt.794 Nähme man Letzteres an, so wären die Anträge mit abstrahierenden Einleitungsteilen hinsichtlich ihres Streitgegenstandes anders zu behandeln als sonstige Anträge, die auf die konkrete Verletzungsform gerichtet sind. Würde das Gericht die dem abstrakten Einleitungsteil zugrunde liegende Beanstandung bejahen, so wäre der Umfang der Verbotsnorm ein anderer, als wenn eine andere Beanstandung angenommen würde. Das bedeutet aber, dass verschiedene Rechtsschutzbegehren im Sinne der „TÜV I“-Rechtsprechung zur Auswahl gestellt wären. Mithin handelte es sich hier um einen Fall der alternativen Klagehäufung. Das Rechtsschutzbegehren wäre dann so zu verstehen, dass der Kläger primär das Verbot mit Blick auf den abstrahierenden Einleitungsteil zur Entscheidung stellt und hilfsweise das Verbot der konkreten Verletzungsform. Wie der Antrag zu verstehen ist, ist vom Gericht durch einen entsprechenden Hinweis zu ermitteln. Ferner ist bei einem solchen Verständnis, wie oben bereits ausgeführt (Rn. 140) auch den Bestimmtheitsanforderungen an den abstrakten Einleitungsteil bis zu einem gewissen Grade Rechnung zu tragen. Damit ist im Übrigen auch eine Korrelation zwischen der Verantwortung des Klägers (und dem entsprechenden Risiko) für den Antragswortlaut und der Möglichkeit einer größeren Reichweite des entsprechenden Tenors hergestellt (hierzu Rn. 861). (ff) Seitenblick auf den Patentverletzungsprozess (hierzu auch Rn. 90 und 138). 336 Konzeptionelle Ähnlichkeiten der hier vertretenen Auffassung sind auch mit Blick auf den Patentverletzungsprozess zu erkennen: Zigann vertritt hierzu die Auffassung, dass bei einem Tenor nach dem Anspruchswortlaut nur Abweichungen gegenüber dem vormals angegriffenen Produkt unschädlich seien, die nicht erfindungswesentliche Merkmale (also wohl anspruchsgemäße Merkmale) betreffen.795 Hingegen sei bei einem „Blasfolien-Antrag“, der nach der Blasfolien-Rechtsprechung des BGH796 den Wortlaut des Anspruchs auf die Merkmale der angegriffenen Ausführungsform, die für die Realisierung relevant sind, konkretisiert, auf die Identität mit den tenorierten Merkmalen abzustellen. Insofern kann also bei einem Blasfolien-Tenor auch bei Abweichungen mit Blick auf die Merkmale des vormals angegriffenen Produkts „Identität“ bestehen, wenn das tenorierte Merkmale hinreichend abstrahiert ist.797 Damit ist der Antrag nach dem Wortlaut enger mit Blick auf den Schutzbereich eines entsprechend tenorierten Urteils, als ein konkretisierender „Blasfolien-Antrag“, der durch eine entsprechende Antragsfassung, für die der Kläger grundsätzlich die Verantwortung trägt, das Potential für eine größere Reichweite hat. Das ist insofern der hier vertretenen Argumentation strukturell ähnlich, weil auch beim Antrag nach dem Anspruchswortlaut der Antrag/Tenor nichts für den Subsumtionsschluss hergibt und der Kläger insofern die Verantwortung abgibt. Dieser Antrag entspricht insofern funktional dem Angriff unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung (konkretes Unterlassungsbegehren) in Fällen des Wettbewerbsprozesses. Nicht zuzustimmen wäre allerdings einer Gleichbehandlung eines (praktisch in Patentverletzungssachen nicht vorkommenden) „Kopierantrags“ mit dem

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BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 13 – Reichweite des Unterlassungsgebots. Haedicke/Timmann/Zigann § 11 Rn. 408 (sowie § 11 Rn. 115). BGH 30.3.2005 – X ZR 126/01, BGHZ 162, 365, 368 ff. = GRUR 2005, 569 – Blasfolienherstellung. Zigann a.a.O. Rn. 115.

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„Blasfolienantrag“,798 weil auch hier nur aus den Gründen und nicht aus der Urteilsformel überhaupt bestimmt werden kann, was unter welchem Aspekt angegriffen wird.799 Problematisch an der Rechtsprechung zum Patentverletzungsprozess ist insofern aber, dass das Gericht (anders als im Wettbewerbsprozess, dazu oben Rn. 71) als berechtigt angesehen wird, Änderungen des Tenors gegenüber dem nach dem Anspruchswortlaut formulierten Antrag zur Beschreibung der angegriffenen Ausführungsform vorzunehmen.800 Solchen Änderung des Gerichts kann für die Reichweite des Schutzbereichs eines entsprechenden Unterlassungstenors wegen § 308 ZPO keine Relevanz zukommen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger nach dem gegenwärtigen Stand der Judikatur mit seinem zur Entscheidung gestellten Rechtsschutzbegehren, das es durch Auslegung des Tenors anhand der Beschreibung zu ermitteln gilt801 (vgl. hierzu Rn. 828 sowie Rn. 854 f.), in der Regel einer unterschiedlichen Reichweite des Schutzbereichs des Tenors je nach Antragsfassung nicht bewusst sein wird. 337

(7) Zusammenfassung. Zusammenfassend ist mithin zu sagen, dass die Linie aus „Biomineralwasser“ nur dann überzeugen kann, wenn man bei konkreten Unterlassungsbegehren/verboten bei der Bestimmung des Umfangs der entsprechenden tenorierten Verbotsnorm (anders als bei abstrahierenden Anträgen/Verboten) allein auf die natürliche Betrachtungsweise des Lebenssachverhalts, nämlich der Verletzungshandlung, abstellt. Die Verbotsnorm hat mithin einen von der vom jeweiligen Kläger geltend gemachten oder vom Gericht angenommenen (iura novit curia) Beanstandung unabhängigen Umfang. Ob künftige Handlungen unter die Verbotsnorm fallen, ist mithin nach Kriterien zu beurteilen, die für die Parteien allein auf der Grundlage des vorgelegten Sachverhalts erkennbar sein müssen. Die materielle Beanstandung kann hierfür nicht herangezogen werden; schon deshalb nicht, weil das Gericht bei dieser Beurteilung vom Klägervortrag gar nicht abhängig ist und ansonsten dem Kläger etwas zugesprochen werden könnte, was er nicht beantragt hat, nämlich eine Verbotsnorm anderen oder weiteren Umfangs. Das wäre ein Verstoß gegen § 308 ZPO und würde den Beklagten in einer grundsätzlichen und mit dem rechtlichen Gehör nicht vereinbaren Weise benachteiligen. Diese Urteile werden für den Kläger deshalb regelmäßig nicht von besonderem Nutzen sein, weil im Zweifel eine sehr enge Bestimmung des Streitgegenstandes indiziert sein wird. Das ist aber auch nicht unbillig, weil der Kläger sich gerade nicht die Mühe macht und sich nicht dem Risiko aussetzt, das mit abstrahierenden Anträgen verbunden ist und dessen Lohn das weitergehende, weil abstrahierende Verbot wäre. Will man die Anträge mit abstrahierenden Einleitungsteilen insofern mit dem BGH dergestalt behandeln, dass der abstrahierende Einleitungsteil auch für die Bestimmung des Schutzbereichs qua Kernbereichslehre Bedeutung hat (hierzu Rn. 117), dann handelt es sich strukturell nicht mehr um ein konkretes, sondern um ein abstrahierendes Unterlassungsbegehren, so dass hier ein anderer Streitgegenstand vorliegt, der den Bestimmtheitsanforderungen genügen muss, wozu auch die Anforderungen aus der TÜV-Linie des

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798 So aber wohl Zigann a.a.O. § 11 Rn. 408, wobei allerdings in § 11 Rn. 111 zutreffend gesagt wird, dass der Kläger mit einem solchen Antrag zum Ausdruck bringt, dass er nur das Verbot der Benutzung des ganz konkret beschriebenen Gegenstandes erstrebt und auf ein eventuell erreichbares abstrakteres und damit weitergehendes Verbot bewusst verzichtet. 799 BGH 25.10.2005 – X ZR 136/03, GRUR 2006, 311 – Baumscheibenabdeckung. 800 BGH 11.10.2005 – X ZR 76/04, BGHZ 164, 261 = GRUR 2006, 131 f. Tz. 37 – Seitenspiegel; Haedicke/ Timmann/Zigann § 11 Rn. 113; Benkard/Rogge/Grabinski § 139 Rn. 32. 801 BGH 21.2.2012 – X ZR 111/09, GRUR 2012, 485 Tz. 11, 23 – Rohrreinigungsdüse II.

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

BGH rechnen. Diese sind aber insofern zurückhaltender zu handhaben (vgl. Rn. 140 und 335). bb) Abstrahierende Anträge (abstrahierendes Unterlassungsbegehren) (1) BGH „Biomineralwasser“ zu abstrahierenden Anträgen. Der BGH hat in „Bio- 338 mineralwasser“ in den tragenden Gründen ausgeführt, dass nichts anderes gelte, wenn nicht die konkrete Verletzungsform, sondern eine Bezeichnung losgelöst vom wettbewerblichen Umfeld angegriffen wird. Entscheidend sei, dass die Auslegung des klägerischen Unterlassungsbegehrens unter Berücksichtigung der Klagebegründung ergebe, dass die Unterlassung der Bezeichnung „als solche“ begehrt worden sei und nicht nur hinsichtlich bestimmter Unlauterkeitsumstände.802 In diesem Fall sei die Verwendung der Bezeichnung Biomineralwasser für ein natürliches Mineralwasser ein Streitgegenstand, gleich unter welchem Gesichtspunkt das Verhalten beanstandet worden sei oder beanstandet werden könne. Der gesamte Tatsachenkomplex bilde mithin den maßgeblichen Lebenssachverhalt, unabhängig davon, ob er vorgetragen werde oder nicht. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines wettbewerblichen Verhaltens lassen sich nach dem BGH seine Erkennbarkeit und Wahrnehmung im Wettbewerb nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufteilen. Auch hier habe es der Kläger in der Hand, verschiedene Aspekte des Geschehens, unter denen er die fragliche Bezeichnung beanstanden wolle, in gesonderte (kumulative) Anträge zu fassen. Wenn hingegen ein Unterlassungsbegehren gestützt auf verschiedene Begründungen formuliert werde, müsse man davon ausgehen, dass der Streitgegenstand die Verwendung der Bezeichnung für das bezeichnete Produkt schlechthin erfasse. Das überzeugt für den entschiedenen Fall auch grundsätzlich. Die Verwendung 339 der Bezeichnung wird schlechthin angegriffen. Damit ist die erstrebte Verbotsnorm hinreichend klar bestimmt. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, wann sich der Streitgegenstand ändert. Die Frage ist also, welche Änderungen eintreten müssen, damit ein neuer Streitgegenstand vorliegt. (2) Unterscheidung zwischen konkreter Verletzungsform und abstrahierenden 340 Anträgen (konkrete und abstrahierende Verbotsbegehren). Insofern kann man letztlich nur darauf abstellen, welche Tatbestandsmerkmale für die abstrahierende Verbotsnorm entscheidend sind. Hier liegt gerade der Unterschied zu den Fällen des Angriffes auf die konkrete Verletzungsform (konkretes Verbotsbegehren): Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass es sich um einen einheitlichen Antrag handelt, der auf die konkrete Verletzungsform gerichtet ist und der dadurch mit Blick auf das Rechtsschutzziel auch definiert ist. Gleich wie der Antrag gefasst ist oder was zur Begründung vorgetragen wird, ändert sich die enge Ausrichtung an der konkreten Verletzungsform nicht. Insofern sind also weder die Antragsänderung noch Änderungen zum vorgetragenen Lebenssachverhalt für den Streitgegenstand letztlich relevant, wenn klar ist, dass sich das Rechtsschutzbegehren gegen die konkrete Verletzungsform richtet. Der Streitgegenstand ist dann auf das Verbot der Wiederholung der historischen Verletzungshandlung gerichtet. Damit soll ein simples Programm zur Verfügung gestellt werden, bei dem der Kläger nicht viel denken muss. Dass damit im Zweifel nur ein Tenor mit einem

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802 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 = GRUR 2013, 401 Tz. 27 m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser.

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sehr engen Schutzbereich erwirkt werden kann, wurde bereits dargelegt. Das ist beim abstrahierenden Antrag gerade anders. Hier geht es nicht um das Verbot der Wiederholung einer eng definierten, deskriptiv zu fassenden Handlung, sondern um das Verbot von Handlungen bestimmter Art, deren Merkmale durch die Verbotsnorm tenoriert werden. Genau das liegt auch auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des BGH, die der BGH in „Biomineralwasser“ nicht einmal angedeutet hat, aufzugeben. (3) Rechtsprechung des BGH vor „Biomineralwasser“ 341

(a) BGH „Anschriftenliste“: Abwandlung der konkreten Verletzungsform. Im entschiedenen Fall803 hatte der Kläger beantragt, den beklagten Rechtsanwälten zu verbieten, Personen ohne deren Zustimmung anzuschreiben. Hierin sah die Klägerin einen Verstoß gegen das Verbot, für die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall zu werben, § 43b BRAO. Das Berufungsgericht hat diesen Verstoß abgelehnt, aber eine wettbewerbswidrige Handlung deshalb angenommen, weil die Anschreiben eine Anschriftenliste vorausgesetzt haben müssten, die von der betroffenen Fondsgesellschaft erstellt und unter Verstoß gegen das BDSG an die Beklagten übermittelt worden sein müsse. Mit dieser Einschränkung hinsichtlich der Anschriftenliste hat das Berufungsgericht die Beklagten verurteilt. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht habe unter Verletzung von § 308 ZPO dem Kläger etwas anderes zugesprochen, als dieser mit seinem Rechtsschutzbegehren geltend gemacht habe. Die Änderung des Streitgegenstandes liege darin, dass die Verletzungsform durch Einfügung zusätzlicher Merkmale abgewandelt worden sei. Zur Beurteilung der getroffenen Einschränkungen auf bestimmte Verhaltensweisen sei die Prüfung weiterer Sachverhaltselemente erforderlich gewesen. Diese Sachverhaltselemente waren für den ursprünglichen Antrag des Klägers jedoch nicht von Relevanz. In dieser Hinzufügung von Merkmalen liege zwar gedanklich ein Minus, nicht aber unter prozessualen Gesichtspunkten.804 Damit liege also kein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO805 vor, sondern der eines Aliuds. Da der Kläger im entschiedenen Fall Art und Weise der Anschriftenbeschaffung nicht zum Gegenstand seines Klagebegehrens gemacht habe, sei § 308 ZPO verletzt.806

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(b) BGH „Reinigungsarbeiten“. Auf dieser Linie hatte der BGH bereits in „Reinigungsarbeiten“ 807 entschieden. Die dortige Beklagte 1 war von der Beklagten 2 (der Stadt D) sowie der Beklagten 3, einem Privatunternehmen, gegründet worden und führte fortan Reinigungsdienstleistungen für die Beklagte 2 durch, wobei sie diese Aufträge ohne die Durchführung von Vergabeverfahren erhalten hatte. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass die Gründung der Beklagten 1 wegen Verstoßes gegen kartellrechtliche und gemeinderechtliche Vorschriften unwirksam war und beantragte zudem, der Beklagten ihre geschäftliche Tätigkeit im Rahmen ihres Gesellschaftsvertrages zu untersagen.

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803 BGH 29.6.2006 – I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 = GRUR 2006, 960 f. – Anschriftenliste. 804 So auch Teplitzky WRP 2007, 1, 2. 805 Vgl. zur Klageänderung und § 264 Nr. 2 ZPO ausführlich unter Rn. 412 ff. 806 Ebenso bereits in BGH 3.4.2003 – I ZR 1/01, BGHZ 154, 342 = GRUR 2003, 716 f. – Reinigungsarbeiten. Hier soll der Grund für die Unterschiedlichkeit der Streitgegenstände darin gelegen haben, dass die zugrundeliegenden Verbotsnormen unterschiedliche materiell-rechtliche Schutzrichtungen verfolgten. Dies soll darin begründet liegen, dass die andere Verbotsnorm auf ein anderes materiell-rechtliches Ziel gerichtet ist, Götz GRUR 2008, 401, 401. 807 BGH 3.4.2003 – I ZR 1/01, BGHZ 154, 342 = GRUR 2003, 716 f. – Reinigungsarbeiten.

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Das Berufungsgericht verneinte diese grundlegenden Verstöße, sah aber ein wett- 343 bewerbswidriges Verhalten der Beklagten 1 (Verstoß gegen § 1 UWG a.F.), insofern sich diese den Rechtsbruch der Beklagten 2, der in der fehlenden Beachtung vergaberechtlicher Bestimmungen lag, zunutze mache. Mithin „beschränkte“ es das Verbot mit dem weiteren Merkmal, dass dieses nur für das Durchführen von Dienstleistungen gelte, sofern vorher kein öffentlich-rechtliches Vergabeverfahren durchgeführt worden war. Der BGH hat das Berufungsurteil zu Recht aufgehoben. Auch hier sei das eingeschränkte Verbot zwar gedanklich ein Minus, weil es sich auf einen Teil der umfassenderen Geschäftstätigkeit der Beklagten gegenüber Gebietskörperschaften beziehe, nicht aber rechtlich, weil das Verbot von weiteren Voraussetzungen abhänge, die eigenständig zu prüfen seien und vom Kläger nicht zum Gegenstand seines Klagebegehrens gemacht worden waren. (c) BGH „Freundschaftswerbung im Internet“: Verfolgen eines neuen Anspruchs. 344 An dieser Rechtsprechung hat der BGH in „Freundschaftswerbung im Internet“808 festgehalten. Das ursprünglich beantragte Verbot ging dahin, der Beklagten zu untersagen, Dritten eine Produktempfehlung zu senden.809 Damit war der Kläger erstinstanzlich unterlegen, die Klage wurde abgewiesen. Mit ihrer Berufung beantragte die Klägerin, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf Empfehlung eines Dritten und auf Grund der von diesem in der Internet-Seite der Beklagten eingetragenen Empfängerangaben eine persönliche Nachricht des Dritten mit einer Produktempfehlung und Werbung der Beklagten über ihren Server an Internet-Nutzer ohne deren vorherige Einwilligung per E-Mail zu versenden. Der BGH hielt die Berufung der Klägerin für unzulässig, weil die Klageänderung 345 nicht das alleinige Rechtsschutzziel der Berufung sein kann. Verfolgt der Kläger vielmehr mit der Berufung einen anderen Anspruch als den, der bisher Gegenstand des Verfahrens war, so ist die Berufung unzulässig. Der Kläger erstrebe damit nicht die Beseitigung der in der Abweisung liegenden Beschwer, stelle also nicht die Richtigkeit des abweisenden Urteils in Frage; vielmehr verfolge er einen neuen prozessualen Anspruch. In der Aufnahme des Elements „und Werbung der Beklagten“ liege damit eine Klageänderung. Zwar hat der BGH offengelassen, in welchem Umfang die Klägerin den Inhalt der zu Beweiszwecken eingereichten E-Mail gemäß Anlage zum Gegenstand ihres Sachvortrags erster Instanz gemacht hatte: Dieser E-Mail war nicht nur eine Produktempfehlung zu entnehmen, sondern auch eine entsprechende Werbung der Beklagten angehängt. Jedenfalls habe die Klägerin auf den aus der E-Mail ersichtlichen Werbeanhang ihr Unterlassungsbegehren in erster Instanz nicht, auch nicht zumindest hilfsweise, gestützt. Die Vorlage der E-Mail habe lediglich dem Zweck gedient, die behauptete und durch den Klageantrag und dessen Begründung umschriebene Verletzungshandlung zu belegen. Sowohl nach dem Klageantrag als auch nach dessen Begründung sollten sich die beanstandete Verletzungshandlung sowie das darauf bezogene Unterlassungsbegehren nicht auf den Anhang der E-Mail erstrecken. Mithin lag der Fall für den BGH nicht anders, als wenn mit Antrag und Begründung der Klage nur eine bestimmte Werbeanzeige aus einem mehrseitigen Werbeprospekt beanstandet wird. In diesem Fall beschränke

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808 BGH 29.5.2008 – I ZR 189/05, GRUR 2008, 1121 – Freundschaftswerbung im Internet. 809 Vgl. dazu Tz. 4: Erstinstanzlich war beantragt, der Beklagten zu verbieten „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf Empfehlung eines Dritten auf Grund dessen in der Internet-Seite der Bekl. eingetragenen Empfängerangaben von diesem eine persönliche Nachricht mit einer Produktempfehlung zu Gunsten der Bekl. über den Server der Bekl. an Internet-Nutzer ohne deren vorherige Einwilligung zu versenden.“

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sich der Streitgegenstand auch dann auf diese bestimmt bezeichnete Werbeanzeige, wenn zu deren Beweis der gesamte Prospekt mit weiteren, möglicherweise wettbewerbswidrigen Anzeigen vorgelegt wird. 346

(d) BGH „Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II“: Einschränkungslose Verbote. In bestimmten Fällen hat der BGH bei Irreführung „Schlechthin-Verbote“ gebilligt, also etwa das Verbot der Führung eines Professorentitels im Rahmen der beruflichen Tätigkeit, unabhängig von der Führung in Alleinstellung.810 Es sei dann Sache des Beklagten im Vollstreckungsverfahren zu zeigen, ob aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls eine Irreführung nicht vorliege.811 Das impliziert, dass durch eine solche Änderung der konkrete Umstände ein anderer Streitgegenstand vorliegt, der von dem des abstrakten Rechtsschutzbegehrens nicht erfasst ist. (4) Bewertung

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(a) Änderung der begehrten Verbotsnorm als Maßstab. Die Rechtsprechung des BGH aus „Anschriftenliste“, „Reinigungsarbeiten“ und „Freundschaftswerbung im Internet“ überzeugt und hat zu Recht auch Zustimmung in der Literatur gefunden.812 Der BGH prüft in diesen Fallgruppen, ob in der Änderung des Wortlauts des Antrages813 oder des Tenors gegenüber dem Antrag,814 eine Änderung des Streitgegenstandes liegt. Zu diesem Zwecke hat der BGH in den genannten Entscheidungen konsequent ermittelt, ob das Verbot von der Prüfung weiterer Voraussetzungen abhängig gemacht wird, also letztlich, ob die begehrte Verbotsnorm durch die Abweichung einen anderen Regelungsgehalt erhält. Auch wurde hier der Rückbezug auf den Lebenssachverhalt hergestellt, weil die Prüfung weiterer Sachverhaltsmerkmale erforderlich gemacht wurde, von denen der bisherige Antrag nicht abhängig war. Das gilt auch dann, wenn man den geänderten Antrag oder das vom Gericht tenorierte Verbot als gedankliches Minus, also als eine Beschränkung durch die Aufnahme weiterer Merkmale, verstehen kann. Darin liege gleichwohl kein Minus im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO, sondern ein Aliud. Nichts anderes würde gelten, wenn allein der neue Sachvortrag zu beurteilen wäre, also der Antrag unverändert bliebe. Eine solche Änderung des Sachverhalts liegt in den Fällen vor, in denen ein „Schlechthin-Verbot“ erlassen wurde und der Beklagte jetzt durch neue Hinweise und Zusätze die Irreführung auszuräumen sucht, wie das etwa in der Entscheidung „Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II“ adressiert wurde.815 Solche Änderungen können einen neuen Streitgegenstand begründen, wenn sie eine materiell-rechtliche Bewertung der Irreführung erforderlich machen. Auch hier wäre zu prüfen, ob

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810 BGH 9.4.1992 – I ZR 240/90, GRUR 1992, 525 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II. Zur Frage wann ein solches Verbot zu weit geht, also materiell nicht begründet ist, vgl. oben Rn. 185 ff. 811 BGH 9.4.1992 – I ZR 240/90, GRUR 1992, 525, 526 Abs. 2 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II. 812 Teplitzky WRP 2007, 1, 2; Preuß JR 2004, 204; Walker LMK 2003, 157. 813 BGH 4.2.1993 – I ZR 42/91, BGHZ 121, 242 = GRUR 1993, 556, 557 – TRIANGLE; BGH 29.5.2008 – I ZR 189/05 = GRUR 2008, 1121 – Freundschaftswerbung im Internet; BGH 29.4.2010 – I ZR 99/08, GRUR 2011, 82, 85 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; OLG Braunschweig 7.3.2012 – 2 U 90/11, GRUR-RR 2012, 431, 432 – Kernspinresonanztherapie. 814 BGH 29.6.2006 – I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 = GRUR 2006, 960 – Anschriftenliste; BGH 3.4.2003 – I ZR 1/01, BGHZ 154, 342 = GRUR 2003, 716 – Reinigungsarbeiten; BGH 11.7.1991 – I ZR 33/90, GRUR 1992, 117, 120 – IEC-Publikation; BGH 12.3.1992 – I ZR 58/90, GRUR 1992, 527, 529 – Plagiatsvorwurf II; BGH 2.4.1992 – I ZR 146/90, GRUR 1992, 552, 554 – Stundung ohne Aufpreis. 815 BGH 9.4.1992 – I ZR 240/90, GRUR 1992, 525, 526 Abs. 2 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II.

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dadurch der Inhalt der begehrten Verbotsnorm geändert würde, also diese von anderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden soll. Hier geht es allerdings systematisch zu weit, wenn der BGH ausführt, dass der Beklagte im Vollstreckungsverfahren zu beweisen hätte, dass die Irreführung ausgeräumt sei. Im Vollstreckungsverfahren ist eine abschließende materiell-rechtliche Erkenntnis nicht zulässig. Entscheidend ist, ob die Änderungen sich so darstellen, dass eine abweichende materiell-rechtliche Beurteilung im Erkenntnisverfahren ernsthaft möglich erscheint. Dann liegt ein neuer Streitgegenstand vor, der in einem möglichen neuen Erkenntnisverfahren mit den dort verfügbaren Mitteln zu beurteilen wäre. Das zeigt im Übrigen, dass die Frage des Schlechthin-Verbots nicht derart apodiktisch ist, dass ein Schlechthin-Verbot immer umfassend und ausnahmslos ist. Auch das so abstrahierende Verbot bleibt an den Klagegrund gekoppelt. Deshalb ist es auch nicht überzeugend, wenn der BGH solche Anträge generalisierend als zu weit gehend bezeichnet, weil sie (theoretisch) auch Fallgestaltungen erfassen, in denen die Irreführung durch konkrete Hinweise ausgeräumt würde.816 Das kann dem Erlass nur dann entgegenstehen, wenn solche Konstellationen im Erkenntnisverfahren konkret aufgezeigt wurden. (b) Übereinstimmung mit dem allgemeinen zivilrechtlichen Streitgegenstands- 348 begriff. Die vorstehenden Grundsätze setzen sich auch nicht in Widerspruch zu den allgemeinen zivilprozessualen Lehren. Das lässt sich gut anhand der Entscheidung „Lesezirkel II“ des Kartellsenats verdeutlichen. Im entschiedenen Fall817 war nach dem klägerischen Rechtsschutzbegehren darüber zu entscheiden, ob ein kartellrechtlicher Belieferungsanspruch zu den Bedingungen der Beklagten für Lesezirkel gegeben ist. Entscheidungsgegenstand war also, ob ein Anspruch mit Blick auf eine bestimmte Fallgruppe – Lesezirkel bestimmter Art – gegeben ist und nicht lediglich ein Anspruch auf Annahme eines bestimmten konkretisierten Angebots für eine bestimmte Belieferung. Damit teilt das Streitprogramm das für abstrahierte Unterlassungsurteile signifikante Programm der Entscheidung über Verhalten bestimmter Art, das nicht durch Bezugnahme auf einen konkreten Sachverhalt abschließend beschrieben werden kann, sondern nur nach den für solches Verhalten charakteristischen Merkmalen. (aa) BGH „Lesezirkel II“: Sachverhalt und Entscheidung. Im entschiedenen Fall818 349 ging es um einen kartellrechtlichen Belieferungsanspruch. Die Klägerin begehrte von dem beklagten Verlag die Belieferung mit bestimmten Zeitschriften für einen Lesezirkel. Dabei wurde der A-Lesezirkel in der ersten Instanz als Beispiel eingeführt. In der Berufungsinstanz stützt sich die Klägerin auch auf den B-Lesezirkel. Das Berufungsgericht hatte im B-Lesezirkel einen „ganz neuen Sachverhalt“ gesehen, weil für die Rechtsfragen der Diskriminierung der A-Lesezirkel abweichend zu behandeln sei. Während der A-Lesezirkel ein abweichendes Modell betreibe und ihm eher die Funktion eines „Sponsors“ zukomme, handele es sich bei dem B-Lesezirkel um einen „normalen Lesezirkel“. Der BGH hat das Urteil aufgehoben. Das Berufungsgericht habe durch die fehlende Prüfung des B-Lesezirkel-Sachverhalts das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt. Die Klägerin habe auch in erster Instanz keine Belieferung für den A-Lesezirkel beansprucht.819

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816 Dazu oben Rn. 185. 817 BGH 11.10.2006 – KZR 45/05, GRUR 2007, 172 – Lesezirkel II. 818 BGH 11.10.2006 – Lesezirkel II, a.a.O. 819 Allerdings hatte die Klägerin erst in der Berufungsinstanz klargestellt, dass der geplante Lesezirkel nicht als A-Lesezirkel bezeichnet werden sollte. Damit sei die Basis für die Annahme wegfallen, dass A als Träger oder Sponsor des Lesezirkels in Erscheinung träte, BGH 11.10.2006 – Lesezirkel II, a.a.O. Tz. 15.

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Die Bezeichnung sei lediglich in den Werbeunterlagen, nicht aber im Klagevorbringen gewählt. Ferner habe die Klägerin entgegen der Feststellung des Berufungsgerichts auch in erster Instanz die Auslieferung nicht durch den Außendienst der A-AG vorgetragen, sondern durch dasselbe Logistikunternehmen wie beim B-Lesezirkel. Durch das Vorbringen zum B-Lesezirkel sei lediglich eine weitere Erläuterung des in seinem Kern gleichgebliebenen Sachverhalts hinzugefügt worden. Dieser Kern sei dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin Lesezirkel betreiben möchte, die „von bestimmten Unternehmen wie A oder B als Werbemittel eingesetzt und dementsprechend insbesondere durch Teilnehmerakquisition aus deren Abnehmerkreis gefördert werden sollen.“820 In der ersten Instanz habe die Klägerin darin nur eine unbeachtliche Abweichung zu den „herkömmlichen Lesezirkeln“ gesehen. Dahingegen wurde in zweiter Instanz gesagt, dass dies in keinem Widerspruch zu dem Betrieb eines herkömmlichen Lesezirkels stehe, weil es auch dort seit Jahren üblich sei, die Lesezirkelumschläge als Anzeigeflächen zu vermarkten. Mit der Zurückverweisung hat der BGH dem Berufungsgericht insbesondere die Feststellung dazu aufgetragen, welche Anforderungen der beklagte Verlag üblicherweise an die von ihm belieferten Lesezirkel stelle. Dabei sollte ein besonderer Fokus auf die Frage gerichtet werden, ob der Lesezirkel nur Unternehmen beliefere, die sich nicht an einen bestimmten Vertragspartner binden821 und welche Anforderungen an die Akquisitionstätigkeit des Lesezirkels gestellt werden.822 (bb) BGH „Lesezirkel II“: Bewertung. Der Fall zeigt paradigmatisch die Fragestellungen, mit denen man es auch bei der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage zu tun hat:823 Die Klägerin begehrt die Belieferung nicht für einen bestimmten Lesezirkel, sondern für Lesezirkel einer bestimmten Art. Es sind also die Sachverhaltskriterien zu ermitteln, auf die es für die rechtliche Beurteilung grundsätzlich ankommt. Darunter können dann eine unbestimmte Vielzahl von Projekten fallen, auch wenn diese sich in anderen Aspekten unterscheiden, solange nur die Kernaspekte, die vom BGH hierfür formuliert wurden, dieselben seien, nämlich dass der Lesezirkel von einem Vertragspartner der Klägerin als Werbemittel zur Bindung von dessen Kunden eingesetzt wird und sich der Lesezirkel deshalb Abonnenten aus diesem Kundenkreis rekrutieren soll. Das sei der Kern, über den gestritten werde. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass ohne Rückgriff auf die materiellen An351 spruchsgrundlagen und die Frage, welche Elemente für die materiell-rechtliche Prüfung entscheidend sind, überhaupt kein tauglicher Maßstab vorliegt.824 Eine natürliche Betrachtungsweise hätte im vorliegenden Fall sogar eher dazu geführt, dass man unterschiedliche Lebenssachverhalte annehmen könnte. Aber darum geht es rechtlich nicht, wenn die Belieferung für in bestimmter Weise charakterisierte Lesezirkel begehrt wird.

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820 BGH 11.10.2006 – Lesezirkel II, a.a.O. Tz. 10. 821 BGH 11.10.2006 – Lesezirkel II, a.a.O. Tz. 19. 822 Weil ansonsten die angeblich fehlende Flächendeckung beim A-Lesezirkel kein Argument sei, BGH 11.10.2006 – Lesezirkel II, a.a.O. Tz. 16. 823 Aus diesem Grund wird die Lesezirkel II-Entscheidung des Kartellsenats auch regelmäßig im Zusammenhang mit Fragen des Streitgegenstands der wettbewerblichen Unterlassungsklage diskutiert und zitiert, vgl. nur v. Ungern-Sternberg GRUR 2009, 901, 906; Teplitzky GRUR 2007, 177, 182; Teplitzky WRP 2007, 1, 3 f.; Teplitzky GRUR 2011, 1091, 1093; v. Ungern Sternberg GRUR 2009, 1009, 1013; Bergmann GRUR 2009, 224, 226; oder auch allgemein zu Fragen des Streitgegenstands im Unterlassungsprozess: Götz GRUR 2008, 401, 404 ff.; Teplitzky Kap. 46 Rn. 2. 824 Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 63 f.; Ann/Loschelder/Grosch Praxishandbuch, Know-how-Schutz, Kap. 6 Rn. 65; Teplitzky Kap. 46 Rn. 2b m.w.N.

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(5) BGH „Leistungspakete im Preisvergleich“ – Unterschiedlicher Streitgegenstand zwischen abstrahierendem und auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Antrag? (a) Position des BGH. Der BGH hat sich insofern in der Entscheidung „Leistungspa- 352 kete im Preisvergleich“ geäußert. Im entschiedenen Fall, der bereits oben bei Rn. 301 ff. ausführlich dargestellt wurde, hatte der Kläger im Erstverfahren mit einem abstrahierenden Antrag ein Verbot begehrt, wonach dem Beklagten untersagt werden sollte, für Paketangebote (Telefon- und Internetzugang) ohne die Angabe der Grundkosten des Kabelanschlusses zu werben. Der Antrag wurde abgewiesen, weil eine solche Werbung dann nicht irreführend sei, wenn sie sich ausschließlich an Inhaber eines Kabelanschlusses richte. Der BGH meint in „Leistungspakete im Preisvergleich“, dass es auf der Hand liege, dass der Gegenstand nicht mit dem Gegenstand des Zweitverfahrens identisch sei, weil der vormalige Antrag sich auf ein generelles Verbot gerichtet habe und der jetzige Antrag auf die konkrete Verletzungsform, bei der die irreführende Werbung ohne die Angabe der Grundkosten des Kabelanschlusses im Rahmen einer Werbung erfolgte, die auch einen damit inhaltlich nicht notwendig zusammenhängenden Werbevergleich enthalte. (b) Bewertung. Die Ausführungen des BGH überzeugen nicht. Wenn die Wer- 353 bung ohne die Angaben der Grundkosten per se verboten werden soll, also gerade ohne Rücksicht auf die Umstände, so wäre von einem solchen Verbot grundsätzlich jede Form erfasst, in der die Werbung des Anschlusspakets ohne Angaben der Grundkosten erfolgt. Wenn das anders wäre, so hätte ein entsprechendes, abstrahierendes Urteil keinen Wert. Dann muss aber auch die Klageabweisung eine entsprechende Wirkung haben und der Kläger kann mit einer neuerlichen Beanstandung nicht mehr gehört werden. Das gilt natürlich nur dann, wenn die neuerliche Beanstandung mit derjenigen des Erstverfahrens identisch ist: Das war sie im entschiedenen Fall aber gerade nicht. Der entscheidende Unterschied lag darin, dass die vormals begehrte generalisierende Verbotsnorm auch die Fälle erfasste, in denen die Werbung ausschließlich an Inhaber eines Kabelanschlusses gerichtet war. Das war die im Zweitverfahren angegriffene Werbung nicht. Deshalb erachtete der BGH diese auch als Verstoß gegen die Preisangabenverordnung sowie als irreführend, weil es sich um eine zur Täuschung über den Preis geeignete Angabe handelte. Das wurde vom BGH ausdrücklich behandelt, sowohl mit Blick auf die Bewertung des im Zweitverfahren angegriffenen Verhaltens,825 als auch mit Blick auf den im Erstverfahren abgewiesenen generalisierenden Antrag.826 Allein in der Bewertung dieses Unterschiedes für die Zwecke der Rechtskraftpräklusion fehlt der BGH. (6) Fälle der Störerhaftung und der Prüfpflichten. Diese Systematik kann auch 354 auf die oben angesprochenen Fälle der Störerhaftung angewendet werden. Es wurde im Zuge der Diskussion der Bestimmtheitsanforderungen bereits kritisch angemerkt, dass eine Auflösung der Unterteilung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren nicht sachgerecht ist (oben Rn. 182). Was im Erkenntnisverfahren materiell-rechtlich nicht mit Blick auf den konkreten Fall geprüft wurde, kann im Vollstreckungsverfahren nicht nachgeholt werden. Das Vollstreckungsgericht kann nur nachvollziehen,

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825 BGH 7.4.2011 – I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 f. m. Anm. von der Decken/Heim Tz. 26 ff. – Leistungspakete im Preisvergleich. 826 BGH 7.4.2011 – Leistungspakete im Preisvergleich, a.a.O. Tz. 19.

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was im Erkenntnisverfahren geprüft wurde, nicht aber neue Sachverhaltskonstellationen eigenständigen materiellen Wertungen unterziehen. Wenn also der Kläger seinen Antrag auf die konkrete Verletzungsform richtet, dann sind Sachverhaltsänderungen, also neu etablierte Prüfmaßnahmen, schon dann relevant, wenn sie nach den tragenden Entscheidungsgründen einen Unterschied in der rechtlichen Bewertung des Erkenntnisgerichts hätten machen können. Das ist dann eine wesentliche Änderung des Sachverhalts. Das kann im Übrigen auch nicht dadurch umgangenen werden, dass das Gericht im Erkenntnisverfahren weitergehende Anmerkungen als obiter dicta macht. Wenn also der BGH in „File-Hosting-Dienst“827 sagt, dass die Prüfung allgemeiner Linksammlungen wie google, yahoo, twitter, erforderlich sei, so ist damit nicht bindend festgelegt, dass genau diese auch zur Erfüllung der Prüfpflichten erforderlich sind. Diese Aussagen haben natürlich ihr Gewicht, aber sie haben dieses nur als Präjudiz des BGH und damit als höchstrichterliche Rechtsprechung, nicht als bindende Entscheidung des Einzelfalls. Wenn der Kläger hier eine bindende Festlegung will, muss er im Antrag abstrahieren. Er muss im Unterlassungsantrag festlegen, dass das Verbot gilt, wenn nicht bestimmte, konkret zu benennende Maßnahmen (Bestimmtheit) getroffen werden. Das ist dann ein konstitutives Element des Verbots und verbreitert im Sinne einer Abstrahierung den Schutzbereich der Norm. Der Beklagte weiß dann, gegen was er sich verteidigen muss und was ihm verboten wird. Ob die Spezifizierung solcher Prüfmaßnahmen auch begründet ist, ist eine Frage der Wiederholungsgefahr. Diese wird wohl nur dann gegeben sein, wenn es im entscheidungserheblichen Verletzungssachverhalt gerade um die Prüfung von Linksammlungen ging und ob diese materiellrechtlichen Anforderungen genügt. Wenn es um die konkrete Verletzungsform geht, kann nur gesagt werden, ob diese konkreten Maßnahmen hinreichend sind oder nicht. Die Abstrahierung kann diese Prüfung und die entsprechende Tenorierung erweitern. Darauf muss sich der Kläger dann aber auch festlegen und die Abstrahierung durch entsprechende Anträge zum Ausdruck bringen. f) Zusammenfassung: Das neue Systems aus konkreter Verletzung unter Ausschluss der klassischen Kernbereichslehre einerseits (konkretes Unterlassungsbegehren) und den abstrahierenden Anträgen andererseits (abstrahierendes Unterlassungsbegehren) 355

Der BGH formuliert mit Blick auf die Definition des Streitgegenstandes zutreffend: „Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kl. begehrte Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kl. diese Rechtsfolge herleitet […]. Bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot gerade der bestimmten – als rechtswidrig angegriffenen – Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kl. in seinem Antrag und seiner zur Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat […] Die so umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt damit den Inhalt des Klagebegehrens.“828 Das beschreibt treffend den prozessualen Anspruch im Sinne des klägerischen Rechtsschutzbegehrens, welches auf Erlass einer Verbotsnorm gerichtet ist („die begehrte Rechtsfolge [besteht] in dem Verbot“). Wenn die Verbotsnorm konkret auf die Wiederholung der historischen Verletzungshandlung gerichtet ist (konkretes Un-

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BGH 15.8.2013 – I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 Tz. 56 ff. – File-Hosting-Dienst. BGH 29.5.2008 – I ZR 189/05, GRUR 2008, 1121 – Freundschaftswerbung im Internet.

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terlassungsbegehren, dazu oben Rn. 115 ff.), dann gilt die in „Biomineralwasser“ postulierte natürliche Betrachtungsweise und es sind nur geringfügige Abwandlungen erfasst, ohne dass es auf die vom Gericht oder dem Kläger zugrunde gelegte materielle Beanstandung ankäme. Ein solches Urteil hat definitionsgemäß und gewollt einen engen Schutzbereich. Handelt es sich hingegen um einen abstrahierenden Antrag (abstrahierendes Unterlassungsbegehren, dazu oben Rn. 162 ff.) und einen entsprechenden Tenor, so sind für den Sachverhalt die Elemente der Handlung entscheidend, auf deren Subsumtion der Kläger die Wettbewerbswidrigkeit stützt und die er im Antrag bestimmt benennen muss. Insofern trägt der Kläger die Verantwortung, die für die Subsumtion erheblichen Elemente im Antrag zutreffend zu benennen, sprich das Charakteristische der konkreten Verletzungshandlung, das den Umfang der materiellen Wiederholungsgefahr festlegt, zutreffend zu artikulieren. Diese Systematik vermeidet den Nachteil der bisherigen Praxis, nach der ein Kläger, der es sich im Erkenntnisverfahren einfach macht und einen auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Antrag stellt, ohne sich der Mühe der Abstrahierung zu unterziehen, im Vollstreckungsverfahren qua Kernbereichslehre ein ex-post-Destillat dessen zur Verfügung gestellt bekommt, was er im Erkenntnisverfahren bereits hätte beantragen können. Die bisherige Judikatur ändert sich mithin dergestalt, dass die auf die konkrete 356 Verletzungsform gerichteten Anträge und Urteile streng mit Blick auf die natürliche Betrachtungsweise der historischen Verletzungshandlung ausgerichtet werden (vgl. hierzu auch Rn. 862 ff., 205 ff.). Das hat Vorteile für den Kläger, insbesondere den der umfassenden gerichtlichen Prüfung auf der Basis des vorgelegten Sachverhalts (iura novit curia) sowie des fehlenden Erfordernisses der Festlegung mit Blick auf die Reihenfolge der Prüfung der Beanstandungen (keine Mehrheit von Streitgegenständen), was zur Unanwendbarkeit der Grundsätze über die alternative Klagehäufung führt. Es hat aber die damit korrespondierenden Nachteile des Verzichts auf die Abstrahierung, nämlich die definitionsgemäße Verengung des Streitgegenstandes und damit der begehrten Verbotsnorm. Mit Blick auf abstrahierende Anträge bleibt es genau bei der vom BGH bisher 357 vertretenen Linie: Wenn eine abstrahierende Verbotsnorm erstrebt wird, dann liegt insofern ein eigenständiger Streitgegenstand vor, der sich von dem der konkreten Verletzungsform unterscheidet, weil er aufgrund der Abstrahierung den Streitgegenstand auch mit Blick auf den maßgeblichen Lebenssachverhalt auf die subsumtionsrelevanten Tatsachen eingrenzt. Das ist ein weiterer Streitgegenstand, weil die anderen, für die materielle Einordnung nicht relevanten Tatsachen von vornherein nicht erheblich sind und dergestalt regelmäßig ein weiterer Schutzumfang der erstrebten Verbotsnorm begründet wird. Die Nachteile des Klägers liegen darin, dass eine Klageabweisung zu einer seiner abstrakten Verbotsnorm entsprechenden Bindungswirkung qua Rechtskraft führt. Ferner muss der Kläger solche unterschiedlichen Verbotsnormen als unterschiedliche Streitgegenstände in eine prozessuale Reihenfolge bringen, also die „TÜV I“-Rechtsprechung beachten. Zudem kann das Gericht dann das Verbot nicht auf eine andere Beanstandung stützen, auch wenn dieselbe Verletzungshandlung betroffen ist. Die Verletzungshandlung bildet hier nur das tatsächliche Substrat, von dem die relevanten Kriterien für die Verbotsnorm abstrahiert werden. Wenn das Gericht ein Verbot gestützt auf eine andere materielle Beanstandung zuspricht, spricht es ein anderes als das beantragte Verbot zu und verstößt damit gegen § 308 ZPO. Das ist ein für den Beklagten unabdingbarer und für den Prozess schlechthin konstitutiver Schutzmechanismus, weil der Beklagte ansonsten nicht weiß, gegen welches Verbotsbegehren er sich eigentlich verteidigen soll. Insgesamt gesehen wäre eine solche klare Unterscheidung auf der Basis von 358 „Biomineralwasser“ sehr zu begrüßen. Es wurde schon bisher moniert, dass die Kern533

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bereichslehre bei Urteilen, die auf die konkrete Verletzungsform gerichtet sind, ungebührlich ausgeweitet würde und dass das mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar sei, weil § 890 ZPO strafähnlicher Charakter zukomme.829 Ferner würde dem Schuldner sein Handlungsspielraum nicht aufgezeigt, also letztlich das Verbot nicht klar definiert. Auch diejenigen, die diese Kritik ablehnen, weil die Kernbereichslehre die Verbotsnorm nicht erweitere, sondern nur genau bestimme, appellieren, wie etwa Teplitzky,830 an die Instanzgerichte, im Tenor bereits das Charakteristische der Verletzungshandlung, das letztlich für die Verbotsnorm kennzeichnend wäre, zu formulieren. Auf der Basis der bisherigen Rechtsprechung gäbe es für diesen „Appell“ aber keine rechtliche Handhabe. Es würde auch bei einem auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Urteil aus den Gründen extrahiert, was für die Entscheidung tragend ist und auf dieser Basis der Umfang der Verbotsnorm bestimmt. Das würde aufgrund der neuen Systematik vermieden: Entweder der Kläger formuliert abstrakt, dann muss das auch den Bestimmtheitsanforderungen genügen und die Merkmale benennen, die für die Definition der Verbotsnorm tatsächlich tragend, also unabdingbar sind. Anderenfalls wäre der Antrag entweder unbestimmt, also unzulässig, oder unbegründet. Die Alternative liegt im Angriff auf die konkrete Verletzungsform, für die es dann keine Kernbereichslehre im Sinne der materiell-rechtlich geprägten Ermittlung der Verbotsnorm mehr gibt. g) Unterschiedliche materielle Ansprüche und Schutzrechte 359

aa) Zediertes und eigenes Recht. Nach der Rechtsprechung des BGH sind unterschiedliche Streitgegenstände trotz einheitlichem Klageziel auch dann gegeben, wenn der Kläger dieses auf originäres eigenes Recht und auf zediertes Recht stützt.831 Das hat der III. Zivilsenat unlängst in einem Hinweisbeschluss für den Fall eines auf einen Lizenzvertrag gestützten eigenen Anspruch des Lizenznehmers (es muss sich also um eine ausschließliche Lizenz handeln, bei der eigene Ansprüche des Lizenznehmers entstehen; bei der einfachen Lizenz ist das nicht der Fall)832 im Verhältnis zu einem vom Schutzrechtsinhaber zedierten Anspruch entschieden.833 Bei zutreffender Antragsfassung ist dieser Unterschied auch unmittelbar im Antrag zu erkennen, weil für den Schadensersatzfeststellungsantrag danach zu differenzieren ist, wem der Schaden entsteht: Macht der ausschließliche Lizenznehmer eigene Schadensersatzansprüche geltend, was nur für den Zeitraum nach Erteilung der Lizenz möglich ist, so begehrt er Ersatz des Schadens, der ihm entstanden ist und noch entsteht, wohingegen er bei einem vom Schutzrechtsinhaber zedierten Anspruch Ersatz des Schadens (an den Kläger selbst, also keine Prozessstandschaft) begehrt, der dem Schutzrechtsinhaber entstanden ist und noch entsteht.834 Ob dasselbe gilt, wenn ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend gemacht wird 360 (Prozessstandschaft) und dann auf eine Abtretung gestützt wird, ist zweifelhaft, weil es sich jeweils um dasselbe materielle Recht handelt. Diese Unterscheidungen können durchaus von Relevanz sein. So mag der Kläger, gestützt auf eine gewillkürte Prozess-

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829 Borck WRP 1979, 180 ff.; Scharen FS Erdmann (2002) 877 ff. Dazu auch unten Rn. 861 f. 830 Vgl. etwa Teplitzky Kap. 57 Rn. 14 ff. m.w.N. in Fn. 58. 831 BGH 27.9.2006 – VIII 19/04, NJW 20017, 2014 f. Tz. 8; BGH 17.11.2005 – IX ZR 8/04, NJW-RR 2006, 275, Tz. 15; BGH 4.5.2005 – VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004 (sub II 3); BGH 13.4.1994, NJW-RR 1994, 1143 (sub unter II 1); BGH 29.11.1990, NJW 1991, 1683 (sub unter I 2a). 832 Hierzu Ann/Loschelder/Grosch Praxishandbuch, Know-how-Schutz, Kap. 6 Rn. 138. 833 BGH 27.11.2013 – III ZR 371/21, BeckRS 2014, 01621 (GRUR-Prax 2014, 117); so auch bestätigt durch das Urteil in demselben Verfahren: BGH 8.5.2014 – III ZR 371/12, Tz. 17, BeckRS 2014, 11030. 834 Hierzu Ann/Loschelder/Grosch Praxishandbuch, Know-how-Schutz, Kap. 6 Rn. 69 ff.

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standschaft, erstinstanzlich gewonnen haben und das Urteil vom Gegner mit der Berufung angefochten worden sein, unter anderem mit der Begründung, dass die Prozessstandschaft wegen der Möglichkeit einer Abtretung nicht zulässig sei. Wenn der Kläger sich der Berufung nicht innerhalb der Berufungserwiderungsfrist anschließt (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), so wäre eine später erfolgende Klageänderung in Gestalt der Umstellung auf einen zedierten Anspruch wohl nicht mehr zulässig; die Klage müsste abgewiesen und der zedierte Anspruch eigenständig eingeklagt werden. bb) Absolute Rechte und Wettbewerbsrecht (1) Herrschende Auffassung (a) Unterschiedliche Schutzrechte. Unterschiedliche Schutzrechte begründen nach 361 der Rechtsprechung des BGH stets eigene Streitgegenstände, auch wenn sie als Begründung eines einheitlichen Antrages (Klageziels) geltend gemacht werden.835 Das war auch die Prämisse in der „TÜV I“-Entscheidung des BGH.836 Es kann insofern nicht offen bleiben, ob die Schutzrechte kumulativ geltend gemacht werden sollen oder in einem Eventualverhältnis sowie, wenn Letzteres zutrifft, in welcher Reihenfolge über die Schutzrechte zu erkennen ist.837 Das entspricht auch der ständigen Praxis in Patentverletzungssachen. Unabhängig 362 davon, ob verschiedene Schutzrechte wortlautidentische Ansprüche haben, werden sie als eigenständige Streitgegenstände betrachtet, so dass der Kläger sich (auch bei einheitlichem Antrag) auf die kumulative oder eventuelle Geltendmachung festlegen muss und eine alternative Geltendmachung unzulässig, weil unbestimmt ist.838 Auch ist die Abtrennung nach § 145 ZPO möglich und wird regemäßig bei Geltendmachung verschiedener Schutzrechte vorgenommen, auch wenn es gemäß § 145 PatG erforderlich war, diese in einer Klage geltend zu machen. (b) Schutzrechte und UWG-Ansprüche. Gleiches gilt, wenn ein Schutzrecht (Urhe- 363 berrecht, Marke oder technisches Schutzrecht) neben Ansprüchen wegen ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz geltend gemacht wird,839 was in der Praxis häufiger vorkommt, aber auch wenn Schutzrechte (insbesondere Marken) neben wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen unter dem Gesichtspunkt der Irreführung (§ 5 Abs. 2) geltend gemacht werden.840 (c) Betriebsgeheimnisse und andere wettbewerbsrechtliche Ansprüche. Das- 364 selbe muss meines Erachtens auf dieser Linie gelten, wenn der Kläger Ansprüche wegen Verletzung eines technischen Betriebsgeheimnisses (§ 17 i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB bzw. § 4 Nr. 11) neben Ansprüchen wegen ergänzendem Leistungsschutz geltend macht.841 Beim Schutz des technischen Betriebsgeheimnisses842 geht es um die Verletzung durch die

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835 BGH 15.3.2012 – I ZR 137/10, GRUR 2012, 630, 631 Tz. 14 – CONVERSE II; BGH 7.12.2000 – I ZR 146/98, GRUR 2001, 755, 756 f. – Telefonkarte; BGH 20.9.2007 – I ZR 6/05, GRUR 2007, 1071 Tz. 56 – Kinder II; BGH 9.11.2011 – I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 Tz. 18 – Basler Haarkosmetik. 836 BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56, 59 ff. = GRUR 2011, 521, 523 Tz. 10, 11 – TÜV I. 837 BGH 15.3.2012 – I ZR 137/10, GRUR 2012, 630, 631 Tz. 15 – CONVERSE II. 838 Vgl. nur Kühnen Handbuch, Rn. 878 ff. 839 BGH 7.12.2000 – I ZR 146/98, GRUR 2001, 755, 756 f. – Telefonkarte. 840 BGH 2.4.2009 – I ZR 78/06, GRUR 2009, 672, 678 – OSTSEE-POST. 841 Ann/Loschelder/Grosch Praxishandbuch Know-how-Schutz, Kap. 6 Rn. 2 ff. 842 Zum Folgenden ausführlich Ann/Loschelder/Grosch a.a.O. Kap. 6 Rn. 2 bis 27.

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Verwertung der „Grundelemente“ des Betriebsgeheimnisses, auf die es sich reduzieren lässt.843 Entscheidend ist, ob die angegriffene Ausführungsform eine Verwertung des technischen Betriebsgeheimnisses begründet.844 Darauf ist der Antrag zu richten und diese Merkmale sind in den angegriffenen Handlungen zu identifizieren. Das ist die „Schutzbereichsbestimmung im Know-How-Schutz“.845 Damit ist diese Prüfung ähnlich der bei der Verletzung technischer Schutzrechte, nur dass die Merkmale nicht anspruchsgemäß definiert sind. Hier ist die antragsgemäße Festlegung der Merkmale die zentrale Stellschraube.846 Davon unterscheidet sich die Prüfung von Ansprüchen aus § 4 Nr. 9 nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen grundlegend. Ansprüche nach § 4 Nr. 9 sind auf das Marktverhalten ausgerichtet. Es kann nur das Anbieten, nicht wie bei § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 17 ff. auch das Herstellen und Gebrauchen verboten werden.847 Ferner werden die die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale in der Regel ganz andere sein, weil es bei ihnen (gemäß der Ratio des Marktverhaltensrechts) darauf ankommt, ob diese geeignet sind, auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Originalprodukts hinzuweisen.848 Da es sich hierbei regelmäßig um sichtbare Merkmale handeln muss, die für die Kaufentscheidung von Bedeutung sein können,849 sind hier Überlappungen mit dem Betriebsgeheimnis strukturell ausgeschlossen. Anderes würde für § 4 Nr. 9 lit. c (unredliche Erlangung von Vorlagen) gelten, wenn man mit Blick auf diesen Tatbestand die wettbewerbliche Eigenart als Tatbestandsvoraussetzung ablehnte.850 Für die § 4 Nr. 9 lit. a (Herkunftstäuschung) und lit. b (Rufausbeutung) sind jedenfalls auch die die Unlauterkeit begründenden Merkmale materiell-rechtlich derart abweichend gestaltet, dass man aufgrund dieser Unterschiede zum Schutz des Betriebsgeheimnisses von unterschiedlichen Streitgegenständen ausgehen muss. Die grundlegend abweichende materiell-rechtliche Ausgestaltung rechtfertigt auch nach der Entscheidung „Biomineralwasser“ einen eigenständigen Streitgegenstand (dazu oben Rn. 287).851 365

(2) Kritik der Literatur. Diese Auffassung ist in jüngster Zeit (aber noch vor BGH „Biomineralwasser“) kritisiert worden. Sie überzeuge jedenfalls für die Fälle des Angriffs auf die konkrete Verletzungsform nicht.852 Bei einem einheitlichen Klagebegehren sei auch bei Begründung mit unterschiedlichen Schutzrechten ein einheitlicher Streitgegenstand gegeben. Mithin sei in diesen Fällen eine alternative Klagebegründung möglich; es gelte der Grundsatz „iura novit curia“. Ferner seien alle zur Begründung desselben Klageantrages geeigneten Schutzrechte durch die rechtskräftige Entscheidung „ver-

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843 Ann/Loschelder/Grosch a.a.O. Kap. 6 Rn. 26 a.E. 844 Ann/Loschelder/Grosch a.a.O. Kap. 6 Rn. 26. Das wird dort im Kontext möglicher Abwandlungen anhand der Prüfung des BGH in der Entscheidung BGH 19.12.1984, GRUR 1985, 294, 296 – Füllanlage, erläutert. 845 Ann/Loschelder/Grosch a.a.O. Kap. 6 Rn. 26 a.E. 846 Ann/Loschelder/Grosch a.a.O. Kap. 6 Rn. 17. 847 Ann/Loschelder/Grosch a.a.O. Kap. 6 Rn. 32. 848 BGH 28.10.2004 – I ZR 326/01, GRUR 2005, 166, 167 – Puppenausstattung; Ann/Loschelder/Grosch a.a.O. Rn. 37 ff., 40. 849 BGH 7.2.2002 – I ZR 289/99, GRUR 2002, 820, 822 – Bremszangen; Ann/Loschelder/Grosch a.a.O. Rn. 43. 850 So etwa Ohly/Sosnitza § 4 Rn. 9/33; Eickmeier/Fischer-Zernin GRUR 2008, 755, 761 f.; in diese Richtung auch Ann/Loschelder/Grosch a.a.O. Rn. 41 f. 851 Vergl. BGH 24.1.2013 – I ZR 60/11, GRUR 2013, 397 Tz. 13 – Peek & Cloppenburg III; Musielak NJW 2000, 3593, 3595 f. Speziell für den Fall verschiedener Schutzrechte (aber vor Biomineralwasser) Büscher GRUR 2012, 16. 852 Stieper GRUR 2012, 5, 14 f.

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

braucht“, was „im Interesse künftigen Rechtsfriedens“ liege. Für eine Klagekonzentration spreche ferner § 145 PatG, der bei verschiedenen technischen Schutzrechten, selbst bei gleichartigen Verletzungshandlungen, eine Klagekonzentration vorschreibt, was dann erst recht bei identischen Handlungen gelten müsse.853 Für Teplitzky kann diese Linie der h.L. zumindest „hingenommen“ werden. Diese Auffassung beruht aber primär auf dem vom BGH vor „Biomineralwasser“ angenommenen, an der materiell-rechtlichen Beanstandung orientierten Streitgegenstandsbegriff. Insofern sei die Annahme von unterschiedlichen Streitgegenständen bei unterschiedlichen Schutzrechten „unvermeidbar“, weil die für den Subsumtionsschluss maßgeblichen Tatbestandsmerkmale verschiedener Schutzrechte grundsätzlich verschieden seien.854 Zweifelhaft sei dieses Ergebnis aber, wenn es sich um verschiedene Schutzrechte derselben Kategorie handle (also etwa Marken und Geschmacksmuster), weil das die „missliche“ Folge einer Vervielfältigung von Streitgegenstände habe.855 (3) BGH „Feuerzeugbenzinbehälter“ – Erfordernis eigenständiger Anträge. Kaum 366 beachtet wird in diesem Kontext eine ältere Rechtsprechung des ersten Zivilsenates, die im Kontext der Zulässigkeit eines Teilurteils nach § 301 ZPO unter dem Stichwort „Feuerzeugbenzinbehälter“ ergangen ist.856 In der Entscheidung hat der BGH die Zulässigkeit eines Teilurteils mit Blick auf verschiedene Schutzrechte (Patent und Gebrauchsmuster) sowie mit Blick auf ein technisches Schutzrecht und die auf ergänzenden Leistungsschutz gestützte Begründung verneint, wenn ein einheitlicher Klageantrag vorliegt, der sich zur Begründung auf die Schutzrechte bzw. auf ein Schutzrecht und wettbewerbsrechtliche Ansprüche stützt. In diesem Fall sei auch eine Abtrennung nach § 145 ZPO unzulässig, weil keine verschiedenen prozessualen Ansprüche vorliegen, sondern lediglich ein prozessualer Anspruch, der auf verschiedene Begründungen gestützt wird. Diese Rechtsprechung wird teilweise noch zustimmend zitiert, so etwa in der Kom- 367 mentierung von Rogge/Grabinski im Benkard.857 Das entspricht nach meiner Erfahrung allerdings nicht dem gegenwärtigen Stand der Praxis des Patentverletzungsprozesses, wonach auch bei einheitlichem Antrag eine kumulative Klagehäufung vorliegt, die sich dann aus den Gründen des Urteils ergibt,858 und dem Gericht nicht die Auswahl verschiedener Patente als Klagegründe für die Begründung des einheitlichen Antrages überlassen werden darf (unzulässige alternative Klagehäufung).859 (4) Gegenpositionen zur Kritik der BGH-Rechtsprechung. Dieser Kritik an der 368 Rechtsprechung des BGH ist unter anderem Büscher entgegengetreten. 860 Selbst bei Schutzrechten derselben Art, wie bei mehreren Marken, unterliegen Entstehung und Fortbestand sowie Schutzumfang der Schutzrechte einem gesonderten Schicksal. Selbst identische Markenrechte sind mit Blick auf Priorität, Verfall mangels rechtserhaltender Benutzung oder räumlichem Schutzbereich bei identischen Gemeinschafts- und nationalen Marken oder IR-Marken eigenständig zu beurteilen und können insofern ein abwei-

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853 McGuire, GRUR 2011, 767, 773. 854 Teplitzky Kap. 46 Rn. 5a. 855 Teplitzky Kap. 46 Rn. 5a a.E. 856 BGH 20.9.1960, GRUR 1961, 79, 80 f. m. Anm. Moser v. Filseck. 857 Benkard/Rogge/Grabinski § 145 Rn. 3 („ein einheitliches Klagebegehren, das nur auf mehrere Patente als mehrere Klagegründe“ gestützt wird, bilde keine mehreren prozessualen Ansprüche im Sinne des § 322 ZPO). 858 So ausdrücklich Kühnen Handbuch, Rn. 878. 859 Kühnen Handbuch, Rn. 880. 860 Büscher GRUR 2012, 16, 25 ff.; ebenso Teplitzky Kap. 46 Rn. 5.

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chendes Schicksal haben.861 § 145 PatG spricht nach Büscher für und nicht gegen diese Auffassung, weil er gerade voraussetze, dass bei Klagen aus verschiedenen Patenten nicht derselbe Streitgegenstand vorliege. Auch diese Auffassung von Büscher erfolgt allerdings noch auf dem Boden des Streitgegenstandsbegriffs vor der durch „Biomineralwasser“ begründeten Rechtsprechungsänderung.862 369

(5) Bewertung post BGH-„Biomineralwasser“. Im Ergebnis überzeugt die herrschende Auffassung. Sie ist allerdings im Lichte der neueren Rechtsprechung aus „Biomineralwasser“ für die konkreten Unterlassungsbegehren in der Tat zu überprüfen, weil sich danach der Schutzumfang dieses konkreten Verbots gerade unabhängig von der materiellen Beanstandung bestimmt (vgl. dazu Rn. 205 f., 331 ff., 862 ff.). Man kann sich insofern also – unter Zugrundelegung der Prämisse eines Angriffs auf die identische konkrete Handlung, die sich auf der Basis einer natürliche Betrachtungsweise bestimmt – auf die materiell unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale beziehen, die für den Subsumtionsschluss tragend sind. Gleichwohl bleibt es dabei, dass bei einem Schutzrecht als Klagegrund die Basis der materiellen Verpflichtung einem eigenständigen Schicksal unterliegt, das durch den Bestand und die zeitlichen Grenzen des Schutzrechts bestimmt wird. Wenn der Kläger hier dem Gericht überlassen kann, auf welches Schutzrecht es das begehrte Verbot stützt, so wären die Grenzen des Verbots durch die Auswahl des Gerichts und nicht die des Klägers bestimmt. Fiele das Schutzrecht, auf das das Verbot gestützt wird, nachträglich weg, so wäre das Verbot hinfällig, fiele ein anderes der geltend gemachten Schutzrecht weg, so bestünde es fort. Wollte man hier den Grundsatz iura novit curia strikt anwenden, wäre es ferner so, dass das Gericht eigenständig prüfen müsste, welche Schutzrechte noch bestehen, auch wenn diese gar nicht ausdrücklich geltend gemacht worden sind, genau wie es eine materielle Anspruchsgrundlage für einen prozessualen Anspruch bejahen könnte, auch wenn diese vom Kläger nicht ausdrücklich benannt worden ist. Das ist aber kein vertretbares Ergebnis. Der Kläger muss die Entscheidung, welches Schutzrecht er geltend machen will, in der Hand haben. Diese Entscheidung muss er dann auch treffen und sich dazu erklären, ob er die benannten Schutzrechte kumulativ oder in einem (und welchem) Hilfsverhältnis entschieden sehen will.863 Mit dieser Begründung gilt dieses Ergebnis mithin auch für Schutzrechte gleicher Kategorie. Insbesondere kann diese Einordnung auch nicht, wie dass die Entscheidung „Feuer370 zeugbenzinbehälter“ wohl sieht, von der formalen Stellung verschiedener Anträge abhängen. Es ist dem Kläger zwar in der Praxis zu empfehlen, gesonderte Anträge zu stellen, auch wenn diese sich (wie etwa bei parallelem Patent und Gebrauchsmuster) ihrem Wortlaut nach nicht unterscheiden mögen (das dient der Klarheit, gerade für die Fälle einer Abtrennung). Zwingend ist das aber nicht. Es wäre ein reiner Formalismus, die rechtlichen Folgerungen für den Streitgegenstand davon abhängig zu machen. Die gesonderte Antragsstellung verdeutlicht nur, dass man es auch bei einem Antrag/Tenor mit unterschiedlichen Rechtsschutzbegehren/Verboten zu tun hat. Allerdings ist die getrennte Antragstellung in vielen Fällen für den Kläger wünschenswert und vermeidet Ergebnisse wie etwa im Fall „Schweißmodulgenerator“, wo ein Antrag gestellt war und dieser neben § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 17 auch auf § 4 Nr. 9 gestützt wurde, das Beru-

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861 Büscher GRUR 2012, 16, 25. 862 Büscher GRUR 2012, 16, 24 f. 863 Zutreffend Teplitzky Kap. 46 Rn. 5, der dieses „Bestimmungsrecht“ des Klägers als wesentlich sieht und die damit korrelierende „Aufklärungs- und Festlegungslast“ im Kontext der TÜV-Rechtsprechung des BGH benennt.

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IV. Anderw. R.-Hängigk. u. Klageänd.

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

fungsgericht Letzteres jedoch nicht mehr geprüft hatte, weil es der (vom BGH für unzutreffend erkannten) Auffassung war, der Kläger hätte diese Ansprüche in der Berufungsinstanz nicht mehr geltend gemacht.864 Entscheidend ist also lediglich, ob nach dem Vortrag des Klägers jeder der Klage- 371 gründe für sich genommen die begehrte Rechtsfolge eigenständig begründen soll, also letztlich mehrere Verbote begehrt werden. Ist das der Fall, so liegt je ein Streitgegenstand vor, auch wenn nur ein Antrag gestellt wird. Bei dieser Konstellation könnte der Kläger genauso gut gesonderte (identische) Anträge für jeden Klagegrund formulieren. Es würde am sachlichen Ergebnis nichts ändern. Anderes gilt, wenn zur Begründung des einen Klageantrages auf zwei Klagegründe in ihrer Gesamtheit Bezug genommen wird. Das ist möglich und vom Gericht zu beachten. Es handelt sich nicht – obwohl es begrifflich auch passen würde – um eine kumulative Klagehäufung. Bei jener sind die beiden Klagegründe selbständig und nebeneinander zu prüfen. Hier ist es hingegen so, dass die beiden Klagegründe in ihrer Verbindung den Rechtsfolgenausspruch tragen sollen. Das lässt sich am besten anhand eines Patentbeispiels zeigen: Wenn das Klagepatent die Merkmale a bis d hat und das Klagepatent 2 die Merkmale e) bis h) und der Antrag die Unterlassung mit Blick auf eine Ausführungsform mit den Merkmalen a) bis h) verlangt, dann liegt ein Rechtsfolgenausspruch vor, der auf zwei Schutzrechte gestützt wird. Das kann nur ein Streitgegenstand sein, weil beide Schutzrechte zur Bejahung der Rechtsfolge erforderlich sind. IV. Anderw. R.-Hängigk. u. Klageänd. IV. Anderweitige Rechtshängigkeit und Klageänderung Grosch

Schrifttum Bettermann Rechtshängigkeit und Rechtsschutzform (1949); Bosch Rechtskraft und Rechtshängigkeit im Schiedsverfahren (1991); Gruber Das Verhältnis der negativen Feststellungsklage zu den anderen Klagearten im deutschen Zivilprozeß – Plädoyer für eine Neubewertung, ZZP 117 (2004), 133; Habscheid Der Streitgegenstand im Zivilprozess und im Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (1956); Haas Rechtshängigkeitssperre und Sachzusammenhang, FS Ishikawa (2001) 165; Kleinbauer Rechtshängigkeit im Zivilprozess, JA 2007, 416; Leitzen Comeback des „Torpedo“, GRUR Int. 2004, 1010; Reuß Internationale Rechtshängigkeit im Zivilprozess, Jura 2008, 1; Rüßmann Die Streitgegenstandslehre und die Rechtsprechung des EuGH – nationales Recht unter gemeineuropäischem Einfluß? ZZP 111 (1998), 399; Schwab Besprechung von J. Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß und im Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZZP 71 (1958), 155; Teplitzky Zum Verhältnis von Feststellungs- und Leistungsklage im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und des Wettbewerbsrechts, FS Lindacher (2007) 185; Thiele Anderweitige Rechtshängigkeit im Europäischen Zivilprozessrecht – Rechtssicherheit vor Einzelfallgerechtigkeit, RIW 2004, 285; Thode Windhunde und Torpedos – Anderweitige Rechtshängigkeit im europäischen Zivilprozess, BauR 2005, 1533; Walker Die Streitgegenstandslehre und die Rechtsprechung des EuGH – nationales Recht unter gemeineuropäischem Einfluß, ZZP 111 (1998), 429; Zeuner Zum Verhältnis zwischen internationaler Rechtshängigkeit nach Art. 21 EuGVÜ und Rechtshängigkeit nach den Regeln der ZPO, FS Lüke (1997) 1003.

1. 2.

Systematische Übersicht Einleitung ____ 372 Anderweitige Rechtshängigkeit ____ 373 a) Allgemeines ____ 373 b) Parteiidentität ____ 374 c) Artt. 27, 28 EuGVVO ____ 376

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d)

Besondere Problematik zur Rechtshängigkeitssperre: Zusammenspiel von Feststellungs- und Leistungsklage ____ 378 aa) Herrschende Meinung ____ 379

864 BGH 13.12.2007 – I ZR 71/05, GRUR 2008, 727 f. Hierzu Ann/Loschelder/Grosch Praxishandbuch Know-how-Schutz, Kap. 6 Rn. 59.

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3.

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

bb) Andere Ansichten in der Literatur ____ 380 cc) Stellungnahme ____ 382 Klageänderung ____ 384 a) Allgemeines ____ 384 aa) Bedeutung für den Wettbewerbsprozess ____ 384 bb) Der gesetzliche Regelungskontext ____ 385 cc) Historie, Regelungszweck und Rechtsfolgen ____ 387 dd) Systematische Unterteilung ____ 393 b) Nachträgliche objektive Klagehäufung ____ 394 aa) Objektive Klagehäufung ____ 395 bb) Nachträgliche Klagehäufung und Anwendung des § 263 ZPO ____ 400 c) Streitgegenstandsänderung als Klageänderung ____ 402 aa) Grundsätze ____ 402 bb) Konkretes Rechtsschutzbegehren ____ 403

cc)

d)

e)

f)

g) h)

Abstrahierende Rechtsschutzbegehren ____ 408 § 264 ZPO ____ 409 aa) § 264 Nr. 1 ZPO – Gesetzliche Klarstellung, wann keine Klageänderung vorliegt ____ 409 bb) § 264 Nr. 2 ZPO – Privilegierte Klageänderung ____ 412 Anforderungen an die zulässige Klageänderung ____ 416 aa) Einwilligung, § 267 ZPO ____ 417 bb) Sachdienlichkeit ____ 418 Form, Zeitpunkt und Folgen der Klageänderung ____ 420 aa) Form und Rechtsnatur der Erklärung ____ 420 bb) Zeitpunkt und Präklusion ____ 421 cc) Berufungsinstanz ____ 422 dd) Revisionsinstanz ____ 424 ee) Folgen ____ 425 Entscheidung über die Zulässigkeit der Klageänderung ____ 430 Anfechtbarkeit ____ 432

1. Einleitung 372

Sowohl für die anderweitige Rechtshängigkeit (hierzu Rn. 373 ff.) als auch für die Klageänderung (hierzu Rn. 384 ff.) ist der Streitgegenstandsbegriff die zentrale Stellschraube. Insofern wird für den Großteil der folgenden Darstellung auf die obigen Ausführungen zum Streitgegenstand (hierzu Rn. 208–371) verwiesen werden. Der dritte Aspekt, mit Blick auf den der Streitgegenstand die zentrale Rolle spielt, ist der der Rechtskraft, welche in Rn. 576–655 gesondert behandelt wird. Den genannten Rechtsinstituten ist es gemein, dass sie alle sicher einen gewissen inhaltlichen Gleichlauf zwischen dem aktenzeichenmäßig identifizierten Verfahren (Prozess) und seinem Gegenstand (Streitgegenstand) etablieren. Die anderweitige Rechtshängigkeit stellt sicher, dass während der Dauer des Prozesses der dort zur Entscheidung gestellte Gegenstand nicht zum Gegenstand eines anderen Verfahrens gemacht wird. Die Rechtskraft stellt sicher, dass nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens die rechtskräftige Entscheidung zwischen den Parteien auch für weitere Prozesse maßgeblich ist, indem kein weiteres Verfahren mit diesem Gegenstand zulässig ist (ne bis in idem, Wiederholungsverbot) und auch eine von der rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge abweichende Entscheidung in einem Verfahren mit einem anderen Gegenstand nicht zulässig ist (Präjudizialität). Die Klageänderung sieht besondere Anforderungen vor, wenn der einmal rechtshängig gemachte Streitgegenstand vom Kläger geändert wird. Damit wird ein gewisser inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand und dem aktenzeichenmäßigen Verfahren hergestellt, so dass der Kläger nicht willkürlich einen gänzlich anderen Gegenstand in das Gewand eines anhängigen Verfahrens kleiden kann.

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2. Anderweitige Rechtshängigkeit a) Allgemeines Die in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO geregelte anderweitige Rechtshängigkeit ist eine nega- 373 tive Prozessvoraussetzung, deren Fehlen also Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage ist.865 Es handelt sich mithin nach ganz h.L. nicht um eine prozessuale Einrede, sondern um eine von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens (auch in der Revisionsinstanz) zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung. Voraussetzung ist die doppelte Rechtshängigkeit, also Rechtshängigkeit beider Verfahren. Die Klage wird mit deren Erhebung, also mit Zustellung (§ 253 ZPO), rechtshängig (§ 261 Abs. 1 ZPO). Für während der Dauer eines Verfahrens erhobene Ansprüche gilt § 261 Abs. 2 ZPO, die Rechtshängigkeit tritt also mit Antragsstellung in der mündlichen Verhandlung oder mit der Zustellung eines Schriftsatzsatzes gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ein (Klageerweiterung, Klageänderung, nachträgliche Klagehäufung, Widerklage). Die prozessualen Wirkungen der Rechtshängigkeit treten unabhängig davon ein, ob die Prozessvoraussetzungen gegeben sind. Die Zuständigkeit des Gerichts, die Prozessfähigkeit oder die Vertretungsmacht spielen also keine Rolle.866 Inhaltlich ist die Identität des Streitgegenstandes beider Verfahren erforderlich. Bezüglich des Streitgegenstands kann insofern grundsätzlich auf die obigen Ausführungen verwiesen werden (Rn. 208 ff.). b) Parteiidentität Voraussetzung ist grundsätzlich Parteiidentität, wobei es auf die Parteirolle (Kläger 374 oder Beklagter) nicht ankommt. Erfasst werden aber nicht nur die nämlichen Parteien des Verfahrens, sondern auch diejenigen Personen, auf die sich die Rechtskraft nach §§ 325 ff. ZPO erstreckt.867 Es wird also auch die Person des Rechtsträgers erfasst, dessen Recht in (gesetzlicher oder gewillkürter) Prozessstandschaft in einem anderen Verfahren geltend gemacht wird.868 Das wahrt Konsistenz mit dem Umfang der Rechtskraft der Entscheidung. Insofern kann grundsätzlich auf die allgemeinen Kommentare zur ZPO verwiesen werden. Ergänzend anzumerken ist aber, dass nach einer jüngeren Entscheidung des BGH 375 (X. Zivilsenat) §§ 265 Abs. 2 Satz 1, 325 ZPO, also der Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft bei Veräußerung des streitbefangenen Gegenstandes während der Dauer des Verfahrens, auch dann einschlägig sein soll, wenn der Schutzrechtsinhaber während der Dauer eines Verletzungsverfahrens einem Dritten eine ausschließliche Lizenz erteilt.869 Wenn dieser ausschließliche Lizenznehmer also während der Dauer des Verletzungsverfahrens des Schutzrechtsinhabers eine Verletzungsklage aus eigenem Recht rechtshängig macht, so steht dem nach der BGH-Entscheidung „Wundverband“ der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO entgegen. Zwar gerät durch die Erteilung der ausschließlichen Lizenz die Aktivlegitimation des Schutzrechtsinhabers nicht in Wegfall, weil dem ausschließlichen Lizenznehmer eigene Rechte

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865 Stein/Jonas/Roth § 261 Rn. 22; MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 261 Rn. 42. Der BGH verwendete teilweise den Begriff „Prozesshindernis“ (vgl. etwa BGH 3.7.1997, NJW 1998, 231; BGH 17.5.2001 – IX ZR 256/99, NJW 2001, 3713), der aber hier nicht zutrifft, weil es kein echtes Prozesshindernis ist, das der Durchführung des Verfahrens entgegenstünde, vgl. Becker-Eberhard a.a.O. Fn. 68; Roth a.a.O. 866 Stein/Jonas/Roth § 261 Rn. 17 m.w.N. 867 H.L. vgl. nur MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 261 Rn. 51. 868 MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 261 Rn. 51. 869 BGH 19.2.2013 – X ZR 70/12, GRUR 2013, 1269 f. Tz. 13 – Wundverband.

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aus seiner verdinglichten Rechtsposition zustehen870 und der Schutzrechtsinhaber weiter aus seinem Recht Ansprüche herleiten kann,871 jedenfalls dann, wenn ein eigenständiger Schaden möglich ist,872 was etwa bei der Vergabe einer Umsatzlizenz der Fall ist.873 Insofern sind die Rechtspositionen von Schutzrechtsinhaber und ausschließlichem Lizenznehmer also voneinander unabhängig. Gleichwohl sei der ausschließliche Lizenznehmer für diese Zwecke Rechtsnachfolger des Schutzrechtsinhabers, weil seine Position von dem Schutzrechtsinhaber abgeleitet sei und ihm durch die Einräumung der Lizenz gegenüber Dritten keine Rechtsposition verschafft werden könne, die nicht zuvor dem Schutzrechtsinhaber zugestanden hätte.874 Das bedeutet wohl einen Bruch mit der bisher herrschenden Auffassung, 875 wonach der ausschließliche Lizenznehmer nicht Rechtsnachfolger des Schutzrechtsinhabers ist, sondern eine eigenständige originäre Rechtsposition erwirbt, und § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann zur Anwendung kommt, wenn die Aktivlegitimation des Klägers durch die Übertragung in Wegfall gerät.876 Dem wird auf der Begründungslinie des BGH entgegengehalten, dass § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch die Vervielfältigung der Aktivlegitimation erfassen sollte.877 Problematisch an diesem Ergebnis des BGH ist, dass für den Fall der Einräumung vor Rechtshängigkeit zwei voneinander unabhängige Verfahren möglich sind, was ansonsten in den Fällen der Übertragung gerade nicht der Fall ist, weil die Aktivlegitimation durch die Übertragung wegfällt. Die Vervielfältigung der Rechtspositionen ist insofern der Erteilung der ausschließlichen Lizenz immanent. Als problematisch an der Gegenauffassung wird eine unterschiedliche Behandlung der Rechtskrafterstreckung und der Parteiidentität nach § 261 Abs. 1 ZPO gesehen.878 Der Unterschied liegt hier allerdings darin, dass bei einer rechtskräftigen Entscheidung vor Erteilung der ausschließlichen Lizenz die Ansprüche des Schutzrechtsinhabers insgesamt Gegenstand der Entscheidung waren, wohingegen bei Erteilung während des Verfahrens eine Entscheidung mit Blick auf den Patentinhaber nur noch ergeht, soweit dieser in seiner Rechtsposition trotz der Erteilung der ausschließlichen Lizenz noch betroffen ist.879 c) Artt. 27, 28 EuGVVO 376

Art. 27 der EU Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO, VO 44/2011) verdrängt in seinem Anwendungsbereich § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. 880 Gemäß Art. 27 Abs. 1 EuGVVO setzt das später angerufene Gericht das Verfahren aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht; letzteres ist erst mit einer rechtskräftigen Entscheidung der Fall, mit der das zuerst angerufene Gericht (oder ein im

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870 Hierzu BGH 20.5.2008 – X ZR 180/05, BGHZ 176, 311 Tz. 35 = GRUR 2008, 896 – Tintenpatrone. 871 BGH 20.5.2008 – Tintenpatrone, a.a.O. Tz. 24: „Als Inhaberin des Klagegebrauchsmusters steht der Kl. ohne Weiteres der Unterlassungsanspruch nach § 24 I GebrMG zu.“ 872 BGH 19.2.2013 – X ZR 70/12, GRUR 2013, 1269 f. Tz. 12 – Wundverband; BGH 24.1.2012 – X ZR 94/10, BGHZ 192, 245 Tz. 15 f. = GRUR 2012, 430 – Tintenpatrone II; BGH 5.4.2011 – X ZR 86/10, BGHZ 189, 112 Tz. 13 = GRUR 2011, 711 – Cinch-Stecker. 873 Ausführlich dazu Kühnen FS Schilling (2007) 311 ff. 874 BGH 19.2.2013 – X ZR 70/12, GRUR 2013, 1269 f. Tz. 13 – Wundverband. 875 Auf dieser Linie noch die Vorinstanz OLG Düsseldorf 26.4.2012 – I-2 U 18/12, BeckRS 2013, 07800. 876 Hierzu Nieder GRUR 2013, 1195 f. m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur. 877 Nieder GRUR 2013, 1195, 1197. 878 Hierzu Nieder GRUR 2013, 1195, 1196 sub III; das OLG Düsseldorf hatte in der Vorinstanz für den hypothetischen Fall einer Erteilung nach Rechtskraft eine Bindung des ausschließlichen Lizenznehmers qua § 325 ZPO bejaht (obiter dictum), OLG Düsseldorf 26.4.2012 – I-2 U 18/12, BeckRS 2013, 07800 Tz. 41. 879 OLG Düsseldorf 26.4.2012 – I-2 U 18/12, BeckRS 2013, 07800 Tz. 41. 880 Vgl. OLG Köln 31.3.2004 – 6 U 135/03, GRUR-RR 1995, 36 f. – Fußballwetten.

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Rechtsmittelzug diesem übergeordnetes Gericht) die Zuständigkeit bejaht. Steht die Zuständigkeit dergestalt fest, so hat sich das später angerufene Gericht für unzuständig zu erklären (Art. 27 Abs. 2 EuGVVO). Unterschiede zum nationalen Recht ergeben sich hier insbesondere deshalb, weil der Begriff „desselben Anspruchs“ autonom zu interpretieren ist.881 Danach ist für die Bestimmung „desselben Anspruchs“ insbesondere die Orientierung daran maßgeblich, Parallelprozesse zu vermeiden, die zu miteinander „unvereinbaren“ Entscheidungen im Sinne des Art. 34 Nr. 3 EuGVVO führen.882 Das führt zu einem weiten Gegenstandsbegriff, der unvereinbare Entscheidungen möglichst vermeiden soll.883 Insbesondere soll es danach nicht auf die Identität der Klageanträge ankommen, sondern darauf abzustellen sein, ob die Kernpunkte beider Verfahren identisch sind.884 Anders als nach nationalem Recht ist danach die Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage nicht nachrangig885 (dazu auch sogleich unten Rn. 378 ff.). Den Zeitpunkt der Anhängigkeit regelt Art. 30 EuGVVO nunmehr autonom, nämlich unabhängig vom Zeitpunkt der Begründung der Rechtshängigkeit nach nationalem Recht (dazu unten Rn. 382 f.). Ferner kann das später angerufene Gericht den Rechtsstreit gemäß Art. 28 Art. 1 377 EuGVVO aussetzen, wenn die Klage mit einer früheren Klage vor einem anderen Gericht der Gemeinschaft in Zusammenhang steht. Dieser Zusammenhang ist in Art. 28 Abs. 3 EuGVVO dahingehend legal definiert, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheinen muss, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen können. Anzumerken ist hier, dass der Begriff „widersprechend“ nicht identisch mit dem Begriff „unvereinbar“ im Sinne von Art. 34 Nr. 3 EuGVVO zu verstehen ist (obwohl in der englischen Fassung für beide „irreconcilable“ verwendet wird).886 Bei Art. 28 Abs. 1 EuGVVO gehe es um die bessere Koordinierung der Rechtsprechungstätigkeit innerhalb der Gemeinschaft und um die Vermeidung von Inkohärenz und Widersprüchen zwischen Entscheidungen, auch wenn diese getrennt vollstreckt werden können.887 Insgesamt wird der „Zusammenhang“ deshalb also weit ausgelegt.888 Es handelt sich aber, anders als bei Art. 27 EuGVVO, um eine Ermessensentscheidung. Es ist deshalb erforderlich, die Interessen der Parteien umfassend gegeneinander abzuwägen. Das ermöglicht es, in den Torpedo-Sachverhalten (dazu sogleich weiter unten Rn. 383) von einer Aussetzung abzusehen.889 Erforderlich ist jedenfalls eine Identität der Lebenssachverhalte dergestalt, dass die Ergebnisse der Verfahren im jeweils anderen verwertet werden können.890 In Patentverletzungssachen wurde die Anwendbarkeit etwa dann bejaht, wenn Art. 27 mangels Parteiidentität nicht anwendbar war, weil im zuerst anhängig gemachten negativen Feststellungsverfahren (dort vor einem schwedischen Gericht) die Gesellschaft Kläger war und im nachfolgenden Leistungsverfahren (vor einem deutschen Gericht) der Patentinhaber/ausschließliche Lizenznehmer

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881 EuGH 6.12.1994 – Rs. C-406/92, EuZW 1995, 309 ff. Tz. 47 – Tatry. 882 EuGH 8.12.1987, Slg. 1987, 4861 = NJW 1989, 665 Tz. 8, 13 – Gubisch Maschinenfabrik; BGH 6.2.2002 – VIII ZR 106/01, NJW 2002, 2795 f. 883 Zöller/Geimer Anh I, Art. 27 EuGVVO Rn. 20; Kühnen Handbuch, Rn. 1361. 884 EuGH 8.12.1987, Slg. 1987, 4861 = NJW 1989, 665 Tz. 16 f. – Gubisch Maschinenfabrik; BGH 6.2.2002 – VIII ZR 106/01, NJW 2002, 2796; OLG Köln 31.3.2004 – 6 U 135/03, GRUR-RR 1995, 36 f. – Fußballwetten. 885 EuGH 6.12.1994 – Rs. C-406/92, EuZW 1995, 309 ff. Tz. 45 – Tatry. 886 EuGH 6.12.1994 – Tatry, a.a.O. Tz. 55 ff. 887 EuGH 6.12.1994 – Tatry, a.a.O. Tz. 55. 888 Kühnen Handbuch, Rn. 1371. 889 Kühnen Handbuch, Rn. 1373. 890 Zöller/Geimer Anh I, Art. 28 EuGVVO Rn. 4 und 9 f.; Kühnen Handbuch, Rn. 1373.

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die Geschäftsführer verklagt hatte.891 Das gilt jedenfalls dann, wenn der Geschäftsführer nicht außerhalb seines am Erstprozess als Partei beteiligten Unternehmens am Markt tätig ist, also mit dem Titel für den Kläger des Zweiverfahrens kein eigenständiger Vorteil gegenüber der zu erwartenden Entscheidung des Erstverfahrens verbunden ist.892 d) Besondere Problematik zur Rechtshängigkeitssperre: Zusammenspiel von Feststellungs- und Leistungsklage 378

Im Hinblick auf die Streitgegenstandsidentität wird – wie bereits oben ausgeführt (Rn. 221 mit weiteren Nachweisen) – teilweise vertreten, dass aufgrund der Ratio der Rechtshängigkeitssperre, nämlich der Vermeidung einer Vervielfältigung von Verfahren, die sich mit demselben Gegenstand befassen, ein breiteres Verständnis des Streitgegenstandes in Anwendung des eingliedrigen Streitgegenstandsbegriffes für die Zwecke des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erforderlich sei (relativer Streitgegenstandsbegriff).893 Nach dieser Auffassung soll insbesondere die Rechtsschutzform aus dem Streitgegenstandsbegriff ausgegliedert werden.894 Nach herrschender Auffassung ist hingegen von einem einheitlichen Streitgegenstandsbegriff für alle Zwecke auszugehen, bei dessen Bestimmung die Ratio der verschiedenen von ihm abhängigen Rechtsinstitute insgesamt zu berücksichtigen ist.895 Diese unterschiedliche Betrachtung ist vor allem für das Zusammenspiel von Feststellungsklage und Leistungsklage relevant, dem in der Praxis des gewerblichen Rechtsschutzes besondere Bedeutung zukommt. In diesem Fall macht der Kläger eine negative Feststellungsklage in einem Forum geltend und der dortige Beklagte erhebt seine Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche dann später in einem anderen Forum.

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aa) Herrschende Meinung. Nach herrschender Auffassung steht der nachfolgenden Leistungsklage nicht die Rechtshängigkeit der vorher anhängig gemachten Feststellungsklage entgegen.896 Aufgrund der Zieldivergenz von Feststellungs- und Leistungsklage bestehe keine Streitgegenstandsidentität.897 Dies gelte aber nicht als allgemeiner Grundsatz, sondern nur für den Fall der nachfolgenden Leistungsklage, weil deren Rechtsschutzziel über das der Feststellungsklage hinausgehe, diese also mit umfasse. Für den umgekehrten Fall, nämlich den einer nachfolgenden Feststellungsklage, sei Streitgegenstandsidentität gegeben und somit die Rechtshängigkeitssperre für die nachfolgende Feststellungsklage zu bejahen.898 Der Kläger der zuerst erhobenen nega-

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891 Vgl. LG Düsseldorf 19.4.2011 – 4a O 153/10 sowie LG Mannheim 26.10.2010 und 10.1.2011 – 2 O 234/ 09. Das betrifft den Verfahrenskomplex, der im weiteren Instanzenzug in Teilen beim BGH endete (BGH 19.2.2013 – X ZR 70/12, GRUR 2013, 1269 f. – Wundverband). 892 Kühnen Handbuch, Rn. 1373. 893 Stein/Jonas/Roth Vor § 253 Rn. 60. 894 Stein/Jonas/Roth § 261 Rn. 28. 895 Vgl. BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 Tz. 21 – Biomineralwasser; Büscher GRUR 2012, 16, 24; weitere Nachweise oben Teil C III Rn. 161. 896 Vgl. BGH 28.11.1961, GRUR 1962, 360, 361 m. Anm. v. Falck – Trockenrasierer; BGH 21.12.2005, GRUR 2006, 217 Tz. 12 – Detektionseinrichtung I; Teplitzky Kap. 52 Rn 20 f. m.w.N. 897 BGH 10.10.1952, NJW 1952, 1375; BGH 7.7.1994, GRUR 1994, 823, 824 unter II, 1 – Preisrätselgewinnauslobung II m.w.N.; h.L., vgl. Wieczorek/Schütze/Assmann § 256 Rn. 252; Teplitzky FS Lindacher (2007) 185, 189 f.; so auch für die Rechtskraft BGH 17.2.1983, NJW 1983, 2032 sub III 1. 898 BGH 20.1.1989, NJW 1989, 2064, 2065; BGH 11.12.1986, NJW-RR 1987, 683; BGH 7.7.1994, GRUR 1994, 823, 824 unter II, 1 – Preisrätselgewinnauslobung II; BGH 7.7.1994, GRUR 1983, 846, 848 – Parallelverfahren II; Habscheid 261, 270 ff.; Schwab ZZP 71 (1958), 155, 170; Teplitzky FS Lindacher (2007) 185, 189 m.w.N. in Fn. 22.

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tiven Feststellungsklage verliert allerdings sein Feststellungsinteresse, sobald der Kläger der nachfolgenden Leistungsklage diese nicht mehr einseitig, also ohne Zustimmung des Beklagten, zurücknehmen kann899 (wenn also gemäß § 269 Abs. 1 ZPO bereits zur Hauptsache mündlich verhandelt wurde); es gilt also praktisch der Vorrang der Leistungsklage.900 Ausnahmen gelten dann, wenn das negative Feststellungsverfahren bereits entscheidungsreif ist oder im Wesentlichen zur Entscheidungsreife fortgeschritten ist und zu diesem Zeitpunkt die Entscheidungsreife im Verfahren der Leistungsklage noch nicht eingetreten ist.901 Das Feststellungsinteresse kann aber jedenfalls dann nicht mehr bestehen, wenn eine Entscheidung über die Leistungsklage bereits ergangen ist, nicht aber über die Feststellungsklage.902 Prozessuale Folge ist, dass der Feststellungskläger den Rechtsstreit wegen nachträglichen Wegfalls des Feststellungsinteresses für erledigt erklären muss, um der Abweisung der Klage als unzulässig zu entgehen.903 bb) Andere Ansichten in der Literatur. Dieser Auffassung ist entgegenhalten wor- 380 den, dass sie einseitig die Interessen des Leistungsklägers im Blick habe und insbesondere dazu führe, dass das bisherige Prozessergebnis des Feststellungsverfahrens nicht verwertbar sei.904 Teilweise ist deshalb vertreten worden, dass der nachfolgende Leistungsprozess gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Feststellungsverfahrens auszusetzen sei und dann bei dessen Fortführung qua materieller Rechtskraft das Ergebnis des Feststellungsverfahrens auch die Erkenntnis im Leistungsverfahren präjudiziere.905 Nach der Auffassung Roths soll auch hier Streitgegenstandsidentität anzuneh- 381 men sein, so dass die nachfolgende Leistungsklage unzulässig sei.906 Dabei wird aber eine weitere Differenzierung vorgenommen. Unzulässig sei nur die Leistungsklage „vor einem anderen Gericht“.907 Bei einer Leistungsklage vor demselben Gericht könne man die Verfahren nach § 147 ZPO verbinden.908 Hingegen sei die Leistungswiderklage (§ 33 ZPO) stets zulässig, trotz des identischen Streitgegenstandes.909 Deshalb schreibt Roth in der Kommentierung zu § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, dass seine Auffassung dazu zwinge, die nachfolgende Leistungsklage „im Forum der negativen Feststellungsklage zu

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899 BGH 21.12.2005 – X ZR 17/03, GRUR 2006, 217 f. Tz. 12 – Detektionseinrichtung I; BGH 4.4.1984, BGHZ 91, 37, 41 = NJW 1984, 1754; BGH 22.1.1987, BGHZ 99, 340. 341 f. = GRUR 1987, 402 = NJW 1987, 2680 – Parallelverfahren I; BGH 20.6.1984, GRUR 1985, 41, 44 – REHAB; BGH 13.5.1987, GRUR 1987, 938 = NJW-RR 1987, 1522 – Videorechte; BGH 21.12.1989, NJW-RR 1990, 1532 = WM 1990, 695; BGH 7.7.1994, GRUR 1994, 846, 847 = NJW 1994, 3107 – Parallelverfahren II; h.L.; vgl. die Nachw. bei Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.20. 900 BGH 21.12.2005 – X ZR 17/03, GRUR 2006, 217 f. Tz. 12 – Detektionseinrichtung I; BGH 22.1.1987, BGHZ 99, 340, 342 f. = GRUR 1987, 402 = NJW 1987, 2680 – Parallelverfahren I; Haedicke/Timmann/Zigann Handbuch § 11 Rn. 373. 901 BGH 21.12.2005 – X ZR 17/03, GRUR 2006, 217 f. Tz. 12 – Detektionseinrichtung I; BGH 22.1.1987, BGHZ 99, 340 = GRUR 1987, 402 = NJW 1987, 2680 – Parallelverfahren I; BGH 11.12.1996, BGHZ 134, 201, 209 = NJW 1997, 870; BGH 21.6.1955, BGHZ 18, 22, 41 f. = NJW 1955, 1437 m.w.N.; BGH 21.12.1989, NJW-RR 1990, 1532 = WM 1990, 695; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.20; Teplitzky Kap. 52 Rn. 20a. 902 BGH 21. 12. 2005 – X ZR 17/03 GRUR 2006, 217 f. Tz 12 Detektionseinrichtung I. 903 Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 91; zur Erledigungserklärung im Wettbewerbsprozess siehe die Kommentierung unten Rn. 656 ff., bes. Rn. 679. 904 Stellvertretend für viele Stein/Jonas/Roth § 256 Rn. 97; Gruber ZZP 117 (2004) 133, 142. 905 OLG Stuttgart 24.1.1992, WRP 1992, 513, 516; Walker ZZP 111 (1998), 429, 440 f. 906 Stein/Jonas/Roth § 261 Rn. 29 a.E. 907 Stein/Jonas/Roth § 256 Rn. 95 f. 908 Roth a.a.O. 909 Roth a.a.O.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

erheben“.910 Diese „Konzentrationslast des Beklagten des Erstprozesses“ wird primär mit Gründen der Prozessökonomie gerechtfertigt.911 cc) Stellungnahme. Die Auffassung Roths ist nicht überzeugend (vgl. auch oben Rn. 223). Die Rechtshängigkeitssperre ist zunächst nicht davon abhängig, ob die zweite Klage in demselben Gericht oder einem anderen geltend gemacht wird.912 Wenn es im Gesetzestext heißt „anderweitig geltend gemacht werden“, dann meint das nicht an anderen Orten, was sprachlich auch möglich ist, sondern in sonstiger Art oder Form. Es geht bei § 261 ZPO darum, zu verhindern, dass derselbe prozessuale Anspruch noch einmal geltend gemacht wird. Dabei steht nicht abstrakt die Vermeidung der Doppelbeschäftigung der Gerichte und die Schonung judizieller Ressourcen per se im Vordergrund. Es wird vielmehr durch die gesetzliche Regelung in § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO die Zufälligkeit des Zeitpunkts des zuerst erfolgenden Eintritts der Rechtskraft für die Maßgeblichkeit des Urteilsspruchs einer der beiden Verfahren aus der Gleichung eliminiert. Abgestellt wird stattdessen auf den definitiven und von den Parteien (im Wesentlichen) steuerbaren Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit. Es gibt kein arbiträres und nicht kontrollierbares „Rennen“ um den zuerst erfolgenden rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens und zudem werden auf diesem Weg auch Ressourcen gespart. Insofern ist die Ratio der Rechtshängigkeitssperre streng auf die Rechtskraft als Verfahrensziel bezogen. Mithin wäre auch eine abweichende Behandlung des Streitgegenstandsbegriffes für diese beiden Kategorien systemwidrig. 383 Der h.L. ist auch hinsichtlich der Behandlung der später erhobenen Leistungsklage zuzustimmen. Wenn der negativen Feststellungsklage bei früherer Einreichung Priorität eingeräumt würde, wie das etwa im Rahmen der Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO, VO 44/2011) – und dort auch schon mit Folgen wie der berüchtigten „Torpedo“-Problematik913 – getan wird (Art. 27 EuGVVO),914 dann käme es regelmäßig zu einem „Belauern“ der Parteien in der vorgerichtlichen Phase, weil beide verhindern wollen, dass der zuerst aktiv werdende Kläger das Forum abschließend bestimmen kann. Das hatte im Anwendungsbereich der EuGVVÜ (vor der EuGVVO) schon zu absurden Situation geführt, etwa der Einreichung von Zivilklagen vor dem Verwaltungsgericht, um sich den früheren Rechtshängigkeitszeitpunkt zu sichern (§ 90 VwGO).915 Die praktischen Probleme stellen sich auch in den US-amerikanischen Verfahren, wo streng darauf geachtet werden muss, ab wann der mögliche Verletzer ein Feststellungsinteresse hat und deshalb seinerseits eine Klage (declaratory judgment action) vor einem Bundesgericht mit Sitz in einem ihm möglicherweise geneigteren Staat der Union (oder auch eines entsprechenden Districts in demselben) anhängig machen könnte, wodurch wiederum der Leistungskläger blockiert wäre. Das sind alles sachfremde Erwägungen, die die Entscheidung dieser Fragen nicht kontrollieren sollten. Der Leistungs382

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910 Stein/Jonas/Roth § 261 Rn. 32 mit Fn. 126; Zeuner in FS Lüke (1997) 1003, 1013 ff.; Haas in FS Ishikawa (2001) 165, 177 f. 911 Stein/Jonas/Roth Vor § 253 Rn. 54. 912 Vgl. etwa MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 261 Rn. 42. 913 Vgl. dazu ausführlich Kühnen Handbuch, Rn. 738 ff.; Teplitzky Kap. 45 Rn. 21a m.w.N.; Leitzen GRUR Int. 2004, 1010 ff.; Thode BauR 2005, 1533 ff. 914 Die Feststellungsklage ist hier also nicht nachrangig, sondern betrifft denselben Gegenstand wie die Leistungsklage, vgl. EuGH, 6.12.1994 – Rs. C-406/92, EuZW 1995, 309 ff. Tz. 45 – Tatry. 915 Hierzu Kühnen Handbuch, Rn. 739 mit Fn. 895; BVerwG 5.2.2001 – 6 B 8/01, NJW 2001, 1513 = MittdtPatA 2001, 136. Heute ist das gelöst durch Art. 30 EuGVVO, nach dem es einheitlich immer auf die Einreichung ankommt, unabhängig davon, wie die nationalen Prozessordnungen die Rechtshängigkeit gestalten (dazu Kühnen a.a.O.).

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kläger sollte immer Vorrang haben. Die negative Feststellungsklage ist letztlich nur das Mittel, um dem Feststellungskläger die Einleitung eines Verfahrens und eine Klärung einer ungewissen Rechtslage überhaupt zu ermöglichen, wenn der potentielle Leistungskläger sich nicht rührt. Diesem Zweck wird man auch gerecht, wenn die Feststellungsklage für erledigt erklärt werden muss, sobald die Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann. Dann muss auf jeden Fall entschieden werden und der Leistungsbeklagte ist hierfür nicht mehr vom Willen des Leistungsklägers abhängig. Die negative Feststellungsklage hat insofern ihren Zweck erfüllt. Die herrschende Auffassung überzeugt mithin. 3. Klageänderung a) Allgemeines aa) Bedeutung für den Wettbewerbsprozess. Fragen der Klageänderung und ihrer 384 Abgrenzung sind im Wettbewerbsprozess häufig von praktischer Relevanz, weil sowohl der Unterlassungsantrag als auch der zugrundegelegte Sachverhalt und die rechtliche Begründung für den geltend gemachten prozessualen Anspruch Änderungen während der Dauer des Verfahrens unterworfen sind, die zur bestimmteren Fassung des Klageantrages (Rn. 67 ff. und 115 ff.) sowie zur vollständigen Ausschöpfung des materiellen Unterlassungsanspruchs oder zur klareren Konkretisierung des Rechtsschutzbegehrens (hierzu Rn. 93 ff. und 208 ff.) erforderlich sind.916 Die Zulässigkeit und Grenzen der Klageänderung richten sich dabei nach den allgemeinen zivilprozessualen Maßstäben.917 bb) Der gesetzliche Regelungskontext. Die Klageänderung ist Gegenstand des 385 § 263 ZPO. Danach ist nach Eintritt der Rechtshängigkeit die Klageänderung nur zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder die Klageänderung sachdienlich ist. Anders als bei der Klagerücknahme ist die Einwilligung also nicht erst nach mündlicher Verhandlung zur Hauptsache erforderlich.918 § 263 ZPO ist im Zusammenhang mit § 264 ZPO zu lesen, der die Grenzen der Klageänderung klarstellt (§ 264 Nr. 1 ZPO) und bestimmte Klageänderungen von den Voraussetzungen des § 263 ZPO befreit (§ 264 Nr. 1 und 2 ZPO); dazu unten Rn. 409 ff. Die Regelungen der Klageänderung werden ergänzt durch die Spezifizierung der Einwilligung (§ 267 ZPO), hierzu unter Rn. 416 ff., und die Privilegierung der änderungsfreundlichen Entscheidung mit Blick auf deren Anfechtung (§ 268 ZPO), hierzu Rn. 420 ff. Für die Klageänderung hat bei Beschränkungen des Rechtsschutzbegehrens ferner noch § 269 ZPO Bedeutung, auch hierzu Rn. 409 ff., bes. Rn. 414. Für die Berufungsinstanz gilt § 533 ZPO, der die Regelung des § 263 ZPO dahin er- 386 gänzt, dass die Klageänderung nur auf solche Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht überhaupt nach § 529 ZPO zu berücksichtigen hat (hierzu Rn. 422). Für die Revisionsinstanz ist § 559 ZPO zu beachten (hierzu Rn. 424). cc) Historie, Regelungszweck und Rechtsfolgen. Die Ratio der Klageänderung 387 (hierzu (3)) kann man nur vor dem Hintergrund der Folgen einer zulässigen Klageänderung (hierzu (2)) beurteilen; ferner ist die geschichtliche Entwicklung für diese Fragen erhellend (hierzu (1)).

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Vgl. etwa Ahrens/Jestaedt Kap. 23 Rn. 1; Teplitzky Kap. 46 Rn. 11. Allgemeine Meinung, vgl. etwa Ahrens/Jestaedt Kap. 23 Rn. 1. BGH 22.4.1960, NJW 1960, 1950.

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(1) Historische Entwicklung. In der ursprünglichen Fassung der CPO von 1877 war ein uneingeschränktes Verbot der Klageänderung ohne Einwilligung des Beklagten vorgesehen. Durch die grundlegende Novelle des Jahres 1898 konnte erstmals das Gericht die Klageänderung auch ohne Einwilligung zulassen, wenn dadurch die Verteidigung des Beklagten nicht wesentlich erschwert wurde. Die Sachdienlichkeit als die Einwilligung ersetzende Zulässigkeitsalternative wurde durch die Novelle des Jahres 1924 eingeführt. Für die Berufungsinstanz entsprach die Regelung seit 1950 der Regelung für die erste Instanz. Das wurde im Zuge der Änderung des Berufungsrechts durch das ZPO-RG des Jahres 2002 (und der damit verbundenen Beschränkung der Funktion als voller zweiter Tatsacheninstanz hin zu einer Fehlerkorrektur) durch § 533 und den Verweis auf § 529 ZPO systematisch stimmig beschränkt.919 Insgesamt wurden die Anforderungen an eine zulässige Klageänderung also immer 389 geringer. Im diesem Sinne wurde auch Handhabung und Auslegung der Vorschriften zugunsten der Zulässigkeit der Klageänderung großzügiger.920 Dabei ist auch zu beachten, dass die schon in der ursprünglichen CPO von 1877 enthaltene Vorschrift des § 268 ZPO (dort § 242 CPO, neugefasst durch die Novelle von 1898) durch die Änderungen dieser Vorschriften ebenfalls einen neuen Sinngehalt erfahren wird, weil trotz der Möglichkeit der Zulässigkeit der Klageänderung auch ohne Einwilligung des Beklagten eine Anfechtung der änderungsfreundlichen Entscheidung nicht stattfindet. (2) Folgen der Klageänderung

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(a) Keine Einleitung eines neuen Verfahrens erforderlich. Die grundsätzlichste Folge einer zulässigen Klageänderung besteht darin, dass der Kläger für den geänderten Gegenstand kein neues, eigenständiges Verfahren rechtshängig machen muss. Ohne die Möglichkeit der Klageänderung müsste der Kläger das nämlich tun. Das mag selbstverständlich klingen und wird gemeinhin nicht als besonderer Vorteil erwähnt. Es gibt allerdings verschiedene Konstellationen, in denen schon das Ingangbringen des Verfahrens, insbesondere die Erwirkung der Zustellung im Ausland mit großem Aufwand verbunden und mit Unwägbarkeiten behaftet ist. Insofern ist jede Klageänderung in einem anhängigen Verfahren für den Kläger ein klarer Effizienzgewinn. Die Zustellung kann (und muss) direkt an die Prozessbevollmächtigten des Beklagten erfolgen und kann von den Anwälten des Klägers auch direkt im Wege der Zustellung von Anwalt zu Anwalt vorgenommen werden.921

391

(b) Verwertbarkeit des bisherigen Prozessergebnisses. Der zweite Aspekt ist die Verwertbarkeit des bisherigen Prozessergebnisses. Bei zulässiger Klageänderung bleibt das gesamte bisherige Prozessergebnis verwertbar, also Beweiserhebungen, prozessuale Erklärungen (Geständnisse) oder Zwischenentscheidungen bleiben erhalten. Das dient auch dem Schutz des Beklagten, weil der Kläger durch eine Klageänderung nicht das bisherige Prozessergebnis obsolet machen kann.922 Das ist nur sinnvoll, wenn überhaupt ein Sachzusammenhang besteht, als Voraussetzung dafür, die Verwertbarkeit nutzen zu können. Deshalb kann es ein Aspekt gegen die Zulässigkeit der Klageänderung sein, wenn eine Verwertbarkeit überhaupt nicht in Betracht kommt (dazu unten Rn. 418). Prozesshandlungen, die gerade mit Blick auf den ursprünglichen Streitgegenstand erfolg-

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919 920 921 922

Zur historischen Entwicklung auch ausführlich Stein/Jonas/H. Roth § 263 Rn. 19. Stein/Jonas/H. Roth § 263 Rn. 1 mit Nachweisen aus der reichsgerichtlichen Judikatur. St. Rspr., vgl. nur BGH 27.2.1992, NJW 1992, 2235 f. MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 263 Rn. 50.

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ten, insbesondere etwa ein Anerkenntnis (§ 307 ZPO) oder ein Verzicht (§ 306 ZPO), können jedoch regelmäßig keinen Bestand haben.923 (3) Ratio im Kontext der Folgen und der Sachdienlichkeit. Grundsätzlich be- 392 stimmt der Kläger den Streitgegenstand. Dem werden allerdings zum Schutz des Beklagten Grenzen gesetzt, wenn der Kläger den Streitgegenstand bereits rechtshängig gemacht hat, wenn die Klage dem Beklagten also zugestellt wurde. Dann hat der Beklagte grundsätzlich einen Anspruch auf die Entscheidung über den gegen ihn vorgebrachten prozessualen Anspruch und er soll sich nicht gegen einen erst im Laufe des Verfahrens geänderten Streitgegenstand ohne weiteres verteidigen müssen.924 Wenn der Beklagte sich also auf den so zur Entscheidung gestellten Gegenstand einmal einlassen muss, dann kann der Kläger diesen im Laufe des Verfahrens nicht mehr beliebig, also willkürlich ändern. Es ist die Einwilligung des Beklagten erforderlich, oder das Gericht muss die Klageänderung als sachdienlich befinden. Insofern wird vermieden, dass der Kläger den Streitgegenstand im Extremfall schlicht austauscht. Der Kläger verdient eine Privilegierung dann, wenn die Änderung aus prozessökonomischen Gründen geboten erscheint, um den Streitstoff zwischen den Parteien auszuräumen und damit weiteren Verfahren vorzubeugen.925 Das wird äußerst großzügig gehandhabt (dazu unten Rn. 418 a.E.). Der Prozesswirtschaftlichkeit wird Vorrang eingeräumt vor den Interessen des Beklagten (hierzu ausführlich unten Rn. 418 f.). Hier liegt auch ein wesentlicher Unterschied der gesetzgeberischen Konzeption der Klageänderung zu der der Klagerücknahme, bei der nach mündlicher Verhandlung stets die Einwilligung des Beklagten in die Klagerücknahme erforderlich ist (§ 269 ZPO). Insofern stellen sich hier auch grundlegende Fragen der parallelen Anwendbarkeit von § 269 ZPO neben § 263 ZPO und § 264 Nr. 2 ZPO. dd) Systematische Unterteilung. Die Klageänderung wird zumeist in die objektive 393 und die subjektive Klageänderung unterteilt. Die objektive Klageänderung926 ist die Änderung des Streitgegenstandes ohne Ansehung der Parteien, wohingegen die subjektive Klageänderung (gewillkürter Parteiwechsel oder Parteiänderung) eine Änderung mit Blick auf die Parteien des Rechtsstreits erstrebt. Vorliegend wird nur die objektive Klageänderung behandelt, welche in einer Änderung des Streitgegenstandes (hierzu Rn. 402 ff.) oder im Hinzufügen eines weiteren Streitgegenstandes (hierzu Rn. 394) liegen kann. Inwiefern und wieweit die subjektive Klageänderung den Vorschriften des § 263 ZPO unterliegt ist streitig; jedenfalls gelten hier weitgehende Sonderregelungen, für die auf die allgemeinen zivilprozessualen Kommentare verwiesen werden kann, da sich hier keine Besonderheiten für den Wettbewerbsprozess ergeben. b) Nachträgliche objektive Klagehäufung Das Verständnis und die Behandlung der nachträglichen objektiven Klagehäufung 394 im Anwendungsbereich des § 263 ZPO (hierzu (bb)) erfordert die Befassung mit den Grundsätzen der objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO (hierzu (aa)):

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923 Zutreffend MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 263 Rn. 50 a.E.; Stein/Jonas/H. Roth § 263 Rn. 35 a.E. 924 BGH 11.7.1996, NJW 1996, 2869 f.; MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 263 Rn. 1. 925 Grundlegend BGH 17.1.1951, BGHZ 1, 65, 71 (juris Tz. 22). 926 Die Begrifflichkeit wird auch in der Rechtsprechung des BGH verwendet, vgl. nur BGH 27.1.2012 – V ZR 92/11, BeckRS 2012, 05392 Tz. 11.

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aa) Objektive Klagehäufung 395

(1) Mehrere prozessuale Ansprüche. Gemäß § 260 ZPO können mehrere Ansprüche gegen denselben Beklagten, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für diese Ansprüche das Prozessgericht zuständig ist und dieselbe Prozessart zulässig ist. Das wird als objektive Klagehäufung, als eine Mehrheit von prozessualen Ansprüchen (§ 322 ZPO), die sich nach ihrem objektiven Gegenstand, nicht nach dem Anspruchsgegner unterscheiden, bezeichnet. Die objektive Klagehäufung ist insofern als kumulative oder eventuale Klagehäufung möglich, die Ansprüche können also nebeneinander geltend gemacht werden (kumulativ) oder in einem Hilfsverhältnis stehend (eventual). Die alternative Klagehäufung, bei der der Kläger offen lässt, auf welchen Klagegrund das Gericht den geltenden Rechtsfolgenausspruch stützt, ist, wie bereits oben ausgeführt (Rn. 141 ff.), unzulässig, weil den Bestimmtheitsanforderungen nicht genügend.

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(2) Anfängliche und nachträgliche Klagehäufung. Möglich ist die anfängliche Klagehäufung, die durch die Geltendmachung der mehreren prozessualen Ansprüche in einer Klage begründet wird, oder die für die Fragen der Klageänderung interessierende nachträgliche Klagehäufung, die durch eine Zustellung des erweiternden Schriftsatzes begründet wird (§ 261 Abs. 2 ZPO). Letzteres wird in der Praxis regelmäßig als „Klageerweiterung“ bezeichnet,927 was terminologisch nicht ganz korrekt ist, weil das Gesetz diesen Begriff in § 264 Nr. 2 ZPO gerade für einen Sachverhalt belegt hat, der nicht die Fälle der Ergänzung um einen selbständigen Streitgegenstand erfasst. Gleichwohl ist der Begriff ganz üblich. § 260 ZPO nennt ausdrücklich nur die anfängliche Klagehäufung, da von einer Verbindung in einer „Klage“ die Rede ist, erfasst also in unmittelbarer Anwendung nicht die Fälle der nachträglichen Klagehäufung. Die nachträgliche Klagehäufung ist im Anwaltsprozess auch im Wege der Zustel397 lung von Anwalt zu Anwalt möglich (§ 195 ZPO), da hier keine gesonderte Terminierung erforderlich ist (§ 195 Abs. 1 Satz 1 ZPO, keine „gerichtliche Anordnung“). Das ist in der Praxis häufig, weil die Zustellung damit schneller vonstattengeht, ist allerdings auch mit gewissen Risiken verbunden, wenn ein nachlässiger Vertreter des Beklagten das Empfangsbekenntnis – trotz seiner standesrechtlichen Verpflichtung – nicht zeitnah unterschreibt. Das schriftliche Empfangsbekenntnis ist nämlich nach einer Auffassung auch nach dem Zustellungsreformgesetz entgegen dem Wortlaut des § 195 Abs. 2 ZPO nicht nur eine Urkunde zum Nachweis der Zustellung, sondern integraler und notwendiger Bestandteil des Zustellungsvorgangs.928 Dieselbe Problematik stellt sich allerdings wohl auch für die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis durch das Gericht gemäß § 174 ZPO. Für den Streitstand kann hier auf die allgemeine zivilprozessuale Literatur verwiesen werden.929

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(3) Ratio des § 260 ZPO im Kontext des § 145 ZPO. § 260 ZPO verlangt keinen rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen prozessualen Ansprüchen. Die Möglichkeit der gemeinsamen Geltendmachung dient gleichwohl der Prozessökonomie, soll also eine gemeinsame Verhandlung und Entschei-

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927 Vgl. etwa BGH 10.4.2003 – I ZR 291/00, GRUR 2003, 890 = WRP 2003, 1217, 1220 – BuchclubKopplungsangebot. 928 Vgl. Zöller/Stöber § 195 Rn. 11; Musielak/Wittschier § 195 Rn. 5. 929 Ausführlich etwa MünchKommZPO/Häublein § 174 Rn. 8, der sich für eine reine Nachweisfunktion des Empfangsbekenntnisses ausspricht. Dagegen nach neuer Rechtslage Zöller/Stöber § 174 Rn. 6.

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dung ermöglichen, wenn das praktisch sinnvoll ist. Ist das nicht der Fall, bestehen also sachliche Gründe für die getrennte Verhandlung und Entscheidung, kann das Gericht nach seinem Ermessen gemäß § 145 ZPO die verschiedenen Ansprüche abtrennen. Ein solcher sachlicher Grund ist regelmäßig dann gegeben, wenn eine schnellere Entscheidung in einem der abgetrennten Verfahren zu erwarten steht. (4) Keine selbständige Anfechtbarkeit. Weder gegen den Abtrennungsbeschluss 399 noch gegen die Verweigerung der Abtrennung ist ein Rechtsmittel gegeben. Die Prozesstrennung ist eine Maßnahme der sachlichen Prozessleitung, die nicht selbständig anfechtbar ist,930 auch dann nicht, wenn prozessrechtswidriger Weise kein rechtliches Gehör gewährt wurde.931 Besonderer Gegenvorstellungen bedarf es schon aus praktischen Gründen nicht, weil das Gericht eine Verfahrenstrennung jederzeit gemäß § 150 ZPO wieder aufheben kann. Überprüfbar ist die Abtrennung mit dem Rechtsmittel gegen das Urteil, auch im Revisionsverfahren bei Abtrennung in der Berufungsinstanz.932 Das spielt allerdings in der Praxis keine wesentliche Rolle. Das Rechtsmittelgericht kann die Verfahren letztlich auch nur wiederverbinden, wenn alle Verfahren beim Rechtsmittelgericht anhängig sind oder ein Urteil aufheben und zum Zweck der Verbindung zurückverweisen.933 bb) Nachträgliche Klagehäufung und Anwendung des § 263 ZPO (1) Meinungsstand. Die herrschende Auffassung und die ständige Rechtsprechung 400 des BGH unterstellen die nachträgliche objektive Klagehäufung den Vorschriften über die Klageänderung, wobei teilweise von einer entsprechenden Anwendung gesprochen wird,934 teilweise nicht klar differenziert wird („wie eine Klageänderung zu behandeln“),935 im Ergebnis aber doch Einigkeit besteht.936 Dem wird entgegengehalten, dass die Hinzufügung von weiteren Streitgegenständen keine Änderung des anhängigen Streitgegenstandes sei und eine analoge Anwendung des § 263 ZPO wegen des für diese Situation nicht einschlägigen Regelungszwecks nicht möglich sei.937 (2) Stellungnahme. Grundsätzlich ist die Frage praktisch nicht von wesentlicher 401 Bedeutung, weil jedenfalls die erste Instanz das Verfahren bei fehlendem Zusammenhang unmittelbar abtrennen kann, § 145 ZPO. Das ist allerdings in der Berufungsinstanz nicht mehr so unproblematisch, weil damit eine Instanz verloren ginge, würde der abgetrennte Gegenstand nicht zurückverwiesen. Insofern wäre es bedenklich, für die nach-

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930 OLG München 15.6.1984, NJW 1984, 2227; MünchKommZPO/Wagner § 145 Rn. 10; Zöller/Greger § 145 Rn. 6a. 931 OLG Stuttgart 23.3.2011 – 3 W 12/11, Die Justiz 2011, 289. 932 BGH 6.7.1995 – I ZR 20/93, NJW 1995, 3120 f. 933 Im entschiedenen Fall, BGH 6.7.1995, a.a.O., war die nach altem Recht einschlägige Revisionssumme von 60.000 DM für die Einzelverfahren nicht mehr erreicht. Das wertete der BGH als einschneidende Folge, die durch keine verfahrensökonomischen Vorteile des entschiedenen Falles gerechtfertigt war. Deshalb wurde die Revisionssumme als erreicht angesehen und vom BGH nach Verbindung der Verfahren eine Sachprüfung vorgenommen, die zur Zurückverweisung wegen fehlender Tatsachenfeststellungen führte. 934 Zöller/Greger § 263 Rn. 2. 935 BGH 27.9.2006 – VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Tz. 8. 936 Vgl. nur BGH 27.9.2006 – VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Tz. 8; BGH 19.3.2004 – V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 305 = NJW 2004, 2152; BGH 15.6.2005 – VIII ZR 74/04, NVwZ-RR 2006, 109 (unter II 5, juris Tz. 34); BGH 10.1.1985, NJW 1985, 1841 (unter 4). 937 Musielak/Foerste § 263 Rn. 4; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 97 Rn. 6.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

trägliche Klagehäufung keine Anforderungen an die Zulässigkeit zu stellen. Richtigerweise sollte man mithin die Vorschriften über die Klageänderung anwenden, aber jedenfalls bei möglicher Abtrennung besonders großzügig handhaben. c) Streitgegenstandsänderung als Klageänderung 402

aa) Grundsätze. Eine Klageänderung liegt bei einer Änderung des Streitgegenstandes vor.938 Insofern kann auf die obigen Ausführungen zum Streitgegenstand verwiesen werden (Rn. 208 ff.). Eine Klageänderung kann also nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff sowohl in einer Änderung des Antrages also auch in einer Änderung des Lebenssachverhalts liegen. Insofern ist hier wiederum zwischen konkreten und abstrahierenden Unterlassungsbegehren zu differenzieren (vgl. zur Terminologie Rn. 75 und 79 sowie Rn. 265 ff.). Mit Blick auf die konkreten Unterlassungsbegehren wird es regelmäßig auf die Änderungen des Lebenssachverhalts im Sinne des Klagegrundes ankommen, wohingegen es bei den abstrahierenden Unterlassungsbegehren in der Regel um Änderungen des begehrten abstrahierenden Verbots geht, die oftmals in einer Änderung des Antrages liegen werden. Das liegt daran, dass bei konkreten Unterlassungsbegehren der Antrag direkt unter Anknüpfung an die historische Verletzungshandlung formuliert wird („wenn das geschieht wie ...“), wohingegen beim abstrahierenden Rechtsschutzbegehren eine definitionsgemäß von der Verletzungshandlung und Orientierung an der materiell-rechtlichen Beanstandung abstrahierende Verbotsnorm Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens ist. Ganz in diesem Sinne wurde auch schon oben bei der Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO festgestellt, dass sich die Fragen der Bestimmtheit mit Blick auf den Klagegrund regelmäßig bei den konkreten Unterlassungsbegehren stellen, wohingegen die Fragen der Bestimmtheit des Klageantrages nach herrschender Auffassung und ständiger Rechtsprechung nur bei abstrahierenden Klageanträgen relevant werden (Rn. 75). Wie oben gesagt, dient die Bestimmtheitsanforderung der Bestimmtheit des Streitgegenstandes, der sich wiederum aus den beiden Elementen Klagegrund und Klageantrag zusammensetzt und bei dessen Änderung mithin beide Elemente zu beachten sind (oben Rn. 74 ff.). Nach der herrschenden Systematik ist deshalb für konkrete und abstrahierende Anträge regelmäßig auch jeweils an den beiden Punkten anzuknüpfen. bb) Konkretes Rechtsschutzbegehren

(1) Lebenssachverhalt bei natürlicher Betrachtungsweise. Wenn es um ein konkretes Unterlassungsbegehren geht, kommt es auf den Lebenssachverhalt bei natürlicher Betrachtungsweise an, wie er zum Gegenstand des Unterlassungsbegehrens gemacht wird (hierzu Rn. 259, 298 sowie 331 ff.). Hier kann also auch neuer Sachvortrag zu einer Klageänderung führen, wenn die rechtliche Bewertung des klägerischen Subsumtionsschlusses sich nicht grundsätzlich ändert (oben Rn. 310 sowie Rn. 860 f. und 862 f.). Insofern darf man sich von der Argumentation zur Begründung der Lösung von der 404 „kleinteiligen“ Streitgegenstandslehre, wie sie im Kontext der Entscheidung „Biomineralwasser“939 vorgebracht wird, nicht täuschen lassen (hierzu bereits oben Rn. 246 ff.). Zwar ist bei einem konkreten Unterlassungsbegehren, also bei einem auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Unterlassungsbegehren, nur ein einziger Streitgegenstand 403

_____ 938 939

Ganz h.L., vgl. nur Stein/Jonas/Roth § 263 Rn. 4 ff. BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser.

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gegeben, gleich auf welche materiell-rechtliche Beanstandung sich das Begehren richtet; insofern wird eine Aufteilung des Streitgegenstandes vermieden. Dieser Streitgegenstand ist allerdings genau wie die Verbotsnorm, auf die er sich richtet, deutlich enger als bei einer abstrahierenden, sich an der materielle Beanstandung orientierenden Betrachtung. Weil die materielle Beanstandung für die Bemessung des Streitgegenstandes nicht erheblich ist, können also schon geringfügige Änderungen des Lebenssachverhalts, die für die materielle Subsumtion unter die die Beanstandung tragende Norm nicht erheblich sind, einen neuen Streitgegenstand begründen. Den Übergang von der alternativen zur kumulativen Klagehäufung sieht die Rechtsprechung des BGH als Klageänderung an.940 Hingegen ist der Übergang von der alternativen zur eventuellen Klagehäufung nicht als Klageänderung zu werten. Der Kläger kann also auch erstmalig in der Revisionsinstanz eine bestimmte Prüfungsreihenfolge angeben.941 Einschränkungen des Wahlrechts können sich aber aus Treu und Glauben ergeben, wenn der Kläger sich in der Revisionsinstanz primär auf einen Streitgegenstand stützt, den das Berufungsgericht nicht geprüft hat.942 Ändert hingegen der Kläger bei der eventuellen Klageänderung die Reihenfolge, macht er einen Hilfsantrag zum Hauptantrag, so stellt das eine Klageänderung dar.943 Änderungen des Antrages zur besseren Beschreibung der konkreten Verletzungs- 405 form werden von der Rechtsprechung regelmäßig in Anwendung des § 264 Nr. 1 ZPO nicht als Klageänderung angesehen (dazu sogleich Rn. 409), was auf der hier vertretenen Linie liegt. (2) Dieselben Maßstäbe wie bei der Bestimmung der Reichweite des Unterlas- 406 sungstenors. Hier gelten dieselben Maßstäbe, die für die Reichweite des beantragten Unterlassungstenors gelten (hierzu ausführlich mit Nachweisen Rn. 860 ff.): Wenn es sich um eine Änderung handelt, die aus dem Schutzbereich des beantragten Unterlassungstenors herausführen würden, so handelt es sich bei Einführung solcher Änderungen oder Ergänzungen um eine relevante Änderung des Streitgegenstandes während der Dauer des Erkenntnisverfahrens. Zwischen der Reichweite des Streitgegenstandes und der Reichweite des Unterlassungstenors für die Zwecke der Vollstreckung und der Rechtskraft kann es keine Unterschiede geben (vgl. Rn. 330 f.). Da nach dem neuen Streitgegenstandsbegriff aus „Biomineralwasser“ die Reichweite eines entsprechenden Unterlassungstenors eng wäre, ist es notwendigerweise der Streitgegenstand auch (vgl. Rn. 333 ff.). (3) Keine Anwendung von BGH „Markenparfümverkäufe“. Das heißt allerdings 407 noch nicht, dass damit die Einführung jeder neuen Verletzungshandlung in das Erkenntnisverfahren eine Klageänderung begründete, wie es der BGH in der Entscheidung „Markenparfümverkäufe“944 noch angenommen hatte (zur Linie aus „Markenparfümverkäufe“ oben Rn. 318 ff.). Wenn sich der neue Verletzungssachverhalt auch bei natürlicher Betrachtungsweise nicht von dem bereits vorgelegten unterscheidet, dann liegt auch kein neuer Streitgegenstand vor (hierzu Rn. 322 ff. und 328 ff.). Die bloße Unterscheidung

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940 BGH 6.12.2006 – XII ZR 97/04, BGHZ 170, 152 Tz. 30 = NJW 2007, 909; BGH 17.8.2011 – I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Tz. 32 – TÜV II. 941 BGH 3.12.1953, BGHZ 11, 192, 195 = NJW 1954, 757; BGH 21.12.1959, ZZP 78 (1960), 463, 465; BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09, GRUR 2011, 521 Tz. 13 – TÜV I. 942 Vgl. Büscher GRUR 2012, 16, 21. 943 BGH 18.9.1958, BGHZ 28, 131, 136 f. = NJW 1958, 1867; BGH 6.12.2006 – XII ZR 190/06, BGHZ 170, 176 Tz. 15 = NJW 2007, 913. 944 BGH 23.2.2006 – I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 = GRUR 2006, 421 – Markenparfümverkäufe.

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nach Zeit und Ort kann hierfür nicht genügen, weil ansonsten dem Unterlassungsurteil oder der Klageabweisung überhaupt keine Rechtskraft zukäme und man die Vollstreckungswirkung des Unterlassungsurteils von seiner Rechtskraftwirkung trennen müsste, was bereits mit der herrschenden Auffassung abgelehnt wurde (Nachweise oben Rn. 322 und 328). 408

cc) Abstrahierende Rechtsschutzbegehren. Bei abstrahierenden Verbotsanträgen kommt es hingegen wesentlich auf den klägerischen Subsumtionsschluss an, der für die begehrte Verbotsnorm mit ihren Merkmalen tragend ist. Ändert sich mithin diese Verbotsnorm durch neuen Vortrag, so liegt eine Klageänderung vor (hierzu Rn. 338 ff., bes. Rn. 347) mit weiteren Nachweisen); die Rechtsprechung des BGH vor „Biomineralwasser“ (Rn. 341 ff.) hat hier also weiter ihre Berechtigung. d) § 264 ZPO aa) § 264 Nr. 1 ZPO – Gesetzliche Klarstellung, wann keine Klageänderung vorliegt

409

(1) Präzisierungen oder Akzentverschiebungen zum Klagegrund. Nach den vorstehenden Grundsätzen ergibt sich auch die Abgrenzung zur Ergänzung oder Berichtigung der tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen im Sinne von § 264 Nr. 1 ZPO.945 Hierbei handelt es sich lediglich um eine gesetzliche Klarstellung, dass in den dort genannten Änderungen keine Klageänderungen zu sehen sind.946 Für eine Änderung des Streitgegenstandes ist bei neuem Tatsachenvortrag erforderlich, dass der Kern des in der Klage angeführten Lebenssachverhalts verändert wird; es muss sich um eine wesentliche Abweichung handeln. Bloße Akzentverschiebungen der rechtlichen Bewertung genügen nicht, Änderungen des Tatsachenvortrages im Detail gleichfalls nicht. Für die Aufhebung des Klagegrundes ist es erforderlich, dass neuer Sachvortrag zu einer anderen rechtlichen Bewertung führt (dazu oben Rn. 347).

410

(2) Fälle der Antragsänderung. Unter § 264 ZPO hat der BGH (X. Zivilsenat) auch den Fall gefasst – ohne allerdings eine genaue Zuordnung zum Fall Nr. 1 vorzunehmen947 –, dass aus dem Klagevorbringen erkennbar war, dass der Kläger auch den Fall der mittelbaren Patentverletzung erfasst sehen wollte, aber der Antrag nicht zutreffend gefasst war und nunmehr auf Hinweis des Gerichts geändert wurde.948 Ferner hat der BGH (I. Zivilsenat) die Fälle, in denen der Kläger Bestimmtheitsmängel durch eine neue Antragsfassung beseitigt, als Fall des § 264 Nr. 1 ZPO eingeordnet.949 Gleiches wird angenommen bei Konkretisierung des Antrages zur Anpassung an die konkrete Verletzungsform,950 wenn dieser Antrag in einem (materiell-rechtlich) zu weitgehenden Hauptantrag

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945 Vgl. nur BGH 11.10.2006 – KZR 45/05, GRUR 2007, 172 – Lesezirkel II; BGH 3.4.2003 – I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 348 f. = GRUR 2003,716 – Reinigungsarbeiten; BGH 19.9.1996 – I ZR 76/95, GRUR 1997, 141 – Kompetenter Fachhändler. 946 Ganz h.L., vgl. nur MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 264 Rn. 7; Thomas/Putzo/Reichold § 264 Rn. 1. 947 So allerdings Stein/Jonas/H. Roth § 264 Rn. 4, ohne weitere Begründung, warum diese Fallgruppe hier einschlägig sein soll. 948 BGH 11.1.2005 – X ZR 233/01, GRUR 2005, 407, 409 – T-Geschiebe. 949 BGH 23.1.2003 – I ZR 18/00, GRUR 2003, 786, 787 – Innungsprogramm. 950 Ahrens/Jestaedt Kap. 23 Rn. 6 (aber jeweils ohne die Einschränkung, dass das konkrete Unterlassungsbegehren bereits als Minus des abstrahierenden Begehrens zu sehen sein müsste); Teplitzky Kap. 46 Rn. 20; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 a.F. D Rn. 257; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 93.

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bereits als Minus erfasst war; dann kann das auch noch in der Revisionsinstanz geschehen951 und ein entsprechender „Hilfsantrag“ führt keinen neuen Streitgegenstand ein (dazu bereits oben Rn. 68 f. sowie Rn. 119). Dem ist insofern zuzustimmen, als bei fehlender Änderung des Streitgegenstandes 411 bereits keine Klageänderung vorliegt. Das kann auch bei Änderungen des Antragswortlauts der Fall sein, was etwa im Wettbewerbsprozess regelmäßig gelten wird, wenn der Kläger auf einen Hinweis des Gerichts gemäß § 139 ZPO Mängel der bestimmten Antragsfassung durch eine Neufassung der Antragsformel ausräumt. Darin liegt aber regelmäßig keine Änderung des Streitgegenstandes, so dass eine Klageänderung deshalb ausscheidet. Eines Rückgriffs auf § 264 ZPO bedarf es hier nicht. Die Fälle des § 264 ZPO passen nicht auf diese Fallgestaltung. Der Fall des § 264 Nr. 1 ZPO erfasst lediglich die Fälle des Klagegrundes. Für eine analoge Anwendung besteht kein Bedürfnis. bb) § 264 Nr. 2 ZPO – Privilegierte Klageänderung (1) Quantitative und qualitative Änderungen. In den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO 412 liegt eine privilegiert Klageänderung vor. Es gilt also nicht als Klageänderung und bedarf insofern keiner Einwilligung des Beklagten, wenn der Kläger den Klageantrag erweitert oder beschränkt, obwohl das regelmäßig wegen der Antragsänderung eine Änderung des Streitgegenstandes ist. Die Erweiterung oder Beschränkung kann in einer quantitativen Erhöhung oder Ermäßigung ebenso wie in einem qualitativen Mehr oder Weniger liegen.952 Letzteres ist etwa beim Übergang zwischen Leistungs- und Feststellungsklage gegeben,953 aber auch beim Übergang von der Rechnungslegungs- (oder Auskunfts-) klage zur Leistungs- oder Feststellungsklage.954 (2) Einschränkung abstrahierender Verbotsbegehren. Bei Änderungen eines abs- 413 trahierenden Antrages, infolge derer das Verbotsbegehren enger wird, liegt nach der Rechtsprechung des BGH kein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO vor. Es handelt sich zwar um ein gedankliches Minus, aber nicht um ein prozessuales Minus, weil die Begründung des Verbots nunmehr von tatsächlichen Voraussetzungen abhängt, die vorher nicht Gegenstand des Verfahrens waren955 (zu diesen Fällen ausführlich oben Rn. 341 ff. sowie Rn. 347). Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Sie hat den Vorteil, dass damit die Anwendung 414 des § 269 ZPO, der nach mündlicher Verhandlung die Einwilligung des Beklagten in die Klagerücknahme verlangt, ebenfalls ausgeschlossen ist. Die h.L. geht nämlich von der parallelen Anwendbarkeit des § 269 ZPO in den Fällen einer privilegierten Klagebeschränkung aus und zwar sowohl für die quantitative als auch für die qualitative Klagebeschränkung (Kumulationstheorie);956 nach anderer Auffassung gilt das nicht für den

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951 BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Tz. 33 – Internetversteigerung III; Teplitzky Kap. 46 Rn. 20. 952 Thomas/Putzo/Reichold § 264 Rn. 3. 953 BGH 12.5.1992 – VI ZR 118/91, NJW 1992, 2296 f.; vgl. Teplitzky Kap. 46 Rn. 23 m.w.N. 954 RG 16.10.1897, RGZ 40, 7, 9; RG 2.3.1934, RGZ 144, 71, 74; BGH 22.4.1960, NJW 1960, 1950; BGH 2.6.1969, BGHZ 52, 169 = NJW 1969, 1486; BGH 8.11.1978, NJW 1979, 925; Zöller/Greger § 264 Rn. 3–3b und Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.29; Teplitzky Kap. 46 Rn. 23. 955 BGH 29.6.2006 – I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 = GRUR 2006, 960 f. Rn. 16– Anschriftenliste; BGH 3.4.2003 – I ZR 1/01, BGHZ 154, 342 = GRUR 2003, 716 f. – Reinigungsarbeiten; ebenso die Literatur vgl. etwa Ahrens/Jestaedt Kap. 23 Rn. 7. 956 Zöller/Greger § 264 Rn. 4a.

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Fall der qualitativen Klagebeschränkung.957 Diesen Meinungsstreit kann man mithin dahinstehen lassen, wobei die Beschränkung der Anwendung des § 269 ZPO auf die Fälle der quantitativen Klageänderung sinnvoller erscheint, da die Privilegierung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO ansonsten praktisch überwiegend leer laufen würde. Zwar bliebe noch der Anwendungsbereich für den Zeitraum bis zur mündlichen Verhandlung. Allerdings wird in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO die Sachdienlichkeit ohnehin praktisch immer zu bejahen sein. Anderes würde hingegen nach der strengen Kumulationstheorie gelten, die § 269 ZPO immer in den Fällen des § 263 ZPO mit Blick auf den ursprünglichen Streitgegenstand zur Anwendung bringen will.958 Das wird von der h.L. zu Recht abgelehnt.959 415

(3) Erledigung der Hauptsache. Widerspricht der Beklagte der vom Kläger erklärten Erledigungserklärung, so entfällt die Rechtshängigkeit nicht wie bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung, sondern es liegt eine Klageänderung vor, nach der der Kläger nunmehr die Feststellung begehrt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Das wird von der herrschenden Auffassung als gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung eingeordnet (dazu ausführlich Rn. 666). e) Anforderungen an die zulässige Klageänderung

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Die Klageänderung ist zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder wenn das Gericht die Klageänderung für sachdienlich hält.

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aa) Einwilligung, § 267 ZPO. Die Einwilligung wird angenommen, wenn der Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung rügelos auf die Klage eingelassen hat. Es handelt sich um eine Prozesshandlung (Bewirkungshandlung), die nach den allgemeinen Grundsätzen deshalb bedingungsfeindlich ist, weil sonst nicht klar wäre, ob der neue Streitgegenstand rechtshängig geworden ist.960 Ferner ist die einmal erklärte Einwilligung unwiderruflich. Rügeloses Einlassen kann bereits in der Antragstellung liegen,961 wenn der Beklagte damit nicht implizit auf seine schriftsätzlich erklärte Rüge Bezug nimmt.962

418

bb) Sachdienlichkeit. Die Beurteilung der Sachdienlichkeit erfordert eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen.963 Nach ständiger Rechtsprechung964 kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit allein auf eine objektive Beurteilung an, nämlich auf die Prozessökonomie, und nicht auf die subjektiven Interessen der Parteien.965 Entscheidend ist, ob die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und so ein möglicher

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957 MünchKommZPO/Becker-Eberhardt § 264 Rn. 23; Pawlowski FS Rowedder (1994) 310, 318 ff. 958 Stein/Jonas/Roth § 263 Rn. 17 und 31. 959 MünchKommZPO/Becker-Eberhardt § 263 Rn. 47. 960 H.L. vgl. Stein/Jonas/Roth § 263 Rn. 22. 961 BGH 21.12.1989 – VII ZR 84/89, NJW-RR 1990, 505, 506. 962 Zöller/Greger § 267 Rn. 2. 963 BGH 19.10.1999 – XI ZR 308/98, NJW 2000, 143 (unter II 2a); BGH 27.9.2006 – VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Tz 11. 964 BGH 15.6.2005 – VIII ZR 74/04, NVwZ-RR 2006, 109 (unter II 5a, juris Tz. 36); BGH 30.11.1999 – VI ZR 219/98, BGHZ 143, 189, 197 f. = NJW 2000, 800 m.w.N. 965 Grundlegend BGH 17.1.1951, BGHZ 1, 65, 71 (juris Tz. 22); st. Rspr. BGH 27.9.2006 – VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Tz 11; BGH 11.1.2005 – X ZR 233/01, GRUR 2005, 407, 409 – T-Geschiebe; BGH 21.2.1975, NJW 1975, 1228, 1229 (juris Tz. 19); BGH 10.1.1985, NJW 1985, 1841, 1842; Zöller/Greger § 263 Rn. 13; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 264.

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weiterer Rechtsstreit vermieden wird.966 Die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien hat dabei Vorrang vor der Beschleunigung des anhängigen Verfahrens. Deshalb steht es der Sachdienlichkeit nicht entgegen, dass im Falle der Zulassung der Klageänderung Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Prozesses verzögert wird.967 Die Sachdienlichkeit kann deshalb im Allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann.968 Diese Maßstäbe gelten auch im Anwendungsbereich des § 533 Nr. 1 ZPO für die Be- 419 rufungsinstanz; daran hat sich durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) nichts geändert, da der Gesetzgeber die bereits nach bisherigem Recht (§ 523 ZPO a.F. i.V. mit § 263 ZPO) geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen einer zweitinstanzlichen Klageänderung übernehmen wollte.969 Insofern entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass der Verlust einer zweiten Tatsacheninstanz keine gesonderte Erwägung ist, die für die Frage der Prozesswirtschaftlichkeit von Bedeutung wäre.970 Das wird grundsätzlich auch für den Wettbewerbsprozess so gesehen,971 allerdings abgeschwächt, indem darauf hingewiesen wird, dass in Einzelfällen der Verlust der ersten Instanz (etwa bei einer Kammer für Handelssachen in erster Instanz oder einer Verlagerung einer umfangreichen Beweisaufnahme) doch bei der Prozessökonomie zu berücksichtigen sein könne.972 Ich sehe diese gesonderte Behandlung des Wettbewerbsprozesses nicht als gerechtfertigt, da diese Punkte nicht auf den Wettbewerbsprozess beschränkt sind. f) Form, Zeitpunkt und Folgen der Klageänderung aa) Form und Rechtsnatur der Erklärung. Die Klageänderung kann entweder 420 durch Antragstellung in der mündlichen Verhandlung oder durch Zustellung eines Schriftsatzes erfolgen (§ 261 Abs. 2 ZPO), die auch im Wege der Zustellung von Anwalt zu Anwalt vorgenommen werden kann973 (dazu oben Rn. 390). Die Klageänderung ist eine Parteiprozesshandlung. Insofern ist sie bedingungsfeindlich und unwiderruflich. Wird die Klageänderung unter eine Bedingung gestellt, so ist sie unwirksam. bb) Zeitpunkt und Präklusion. Die Klageänderung kann nicht mehr nach Erlass 421 des Urteils erfolgen, weil damit die Instanz abgeschlossen ist und die Selbstbindung gemäß § 318 ZPO besteht.974 Sie ist aber auch nach Schluss der mündlichen Verhandlung

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966 BGH 17.1.1951, BGHZ 1, 65, 71 (juris Tz. 22) = NJW 1951, 311; BGH 13.4.1994, NJW-RR 1994, 1143; BGH 21.12.1989, NJW-RR 1990, 505; BGH 10.1.1985, NJW 1985, 1841, 1842; BGH 30.11.1999 – VI ZR 219/98, NJW 2000, 800, 803; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 262. 967 BGH 30.11.1999, NJW 2000, 800, 803; Zöller/Greger § 263 Rn. 13. 968 BGH 27.9.2006 – VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Tz. 10; BGH 30.11.1999, NJW 2000, 800, 803; BGH 10.1.1985, NJW 1985, 1841, 1842 m.w.N.; Stein/Jonas/Roth § 263 Rn. 24; Zöller/Greger § 263 Rn. 13. 969 BGH 27.9.2006 – VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Tz. 11. 970 Grundlegend BGH 17.1.1951, BGHZ 1, 65, 71 (juris Tz. 22) = NJW 1951, 311; so bereits RG Seuff Arch 92 Nr. 104; Rosenberg SJZ 1949, 124. 971 Vgl. etwa BGH 14.6.1963, BGHZ 40, 135 = GRUR 1964, 154, 156 – Trockenrasierer II; Vorauflage/ Jacobs Vor § 13 D Rn. 264. 972 Teplitzky Kap. 46 Rn. 26; Ahrens/Jestaedt Kap. 23 Rn. 10; in diese Richtung bereits Pastor Der Wettbewerbsprozess, 3. Auflage (1980), 705. 973 St. Rspr., vgl. nur BGH 27.2.1992 – I ZR 35/90, NJW 1992, 2235 f. 974 Stein/Jonas/Roth § 263 Rn. 17.

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unbeachtlich. Zwar handelt es sich nicht um ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel, so dass § 296a ZPO nicht unmittelbar zur Anwendung kommt.975 Jedoch müssen Anträge in der mündlichen Verhandlung verlesen werden (§ 297 ZPO) oder im schriftlichen Verfahren bis zum maßgeblichen Zeitpunkt nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO schriftlich eingereicht werden. Belegt wird das ferner durch § 261 Abs. 2 ZPO und § 256 ZPO, die für die Erhebung eines weiteren prozessualen Anspruchs bzw. einer Zwischenfeststellungsklage auf die Dauer der mündlichen Verhandlung abstellen. Der BGH hat das im Kontext der Widerklage ausdrücklich als allgemeinen zivilprozessualen Grundsatz bestätigt.976 Da es sich nicht um ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel, sondern um den „Angriff“ selbst handelt, ist eine Präklusion nach § 296 ZPO hingegen ausgeschlossen.977 Das gilt im Übrigen auch dann, wenn es sich lediglich um eine aus Bestimmtheitsgründen erforderliche Umformulierung des Antrags handelt, die mangels Änderung des Streitgegenstandes keine Klageänderung ist.978 cc) Berufungsinstanz. Für die Berufungsinstanz gilt, wie bereits mehrfach ausgeführt, § 533 ZPO (oben Rn. 386 und 419). Für § 533 Nr. 1 gelten dieselben Grundsätze zur Sachdienlichkeit, die bereits für § 263 ZPO ausgeführt wurden (oben Rn. 418 f.). Ferner kommt hinzu, dass es sich um Tatsachen handeln muss, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung nach § 529 ZPO überhaupt stützen darf. Für die Praxis wichtig ist der Grundsatz, dass die Klageänderung nicht das alleinige 423 Rechtsschutzziel einer Berufung sein kann; eine solche Berufung ist unzulässig,979 was auch im Wettbewerbsprozess durchaus vorkommt, wenn der Kläger den Klagegrund oder den Antrag mit seiner Berufung anpasst.980 Die Berufung dient nämlich wie jedes Rechtsmittel der Beseitigung einer Beschwer, so dass also der erstinstanzlich abgewiesene prozessuale Anspruch zumindest teilweise weiterverfolgt werden muss. Die Gegenauffassung981 hat der BGH zu Recht abgelehnt.982 422

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dd) Revisionsinstanz. In der Revisionsinstanz ist die Klageänderung wegen § 559 ZPO grundsätzlich unzulässig,983 weil die Anträge, wie bereits gesagt, in der mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz zu stellen sind. Ausnahmen werden allerdings für den Fall der Erledigung gemacht (dazu Rn. 667). Handelt es sich hingegen nur um Modifikationen oder Beschränkungen des Antrages, die auf tatrichterlich bereits gewürdigte Sachverhalte gestützt werden, so liegt darin keine unzulässige Klageänderung.984 Damit ist insbesondere der Fall erfasst, dass der bereits im abstrahierenden Hauptantrag als Minus enthaltene Angriff auf die konkrete Verletzungsform in der Revision im Wege

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975 Stein/Jonas/Leipold § 296a Rn. 26. 976 BGH 12.5.1992 – XI ZR 251/91, NJW-RR 1992, 1085. 977 St. Rspr., vgl. nur BGH 14.1.1993 – VII ZR 118/91, NJW 1993, 1393 f.; BGH 23.4.1986 – VIII ZR 93/85, NJW 1986, 2257, 2258; BGH 18.1.1955, NJW 1955, 707; für die Literatur: Stein/Jonas/Leipold § 296 Rn. 46. 978 BGH 14.1.1993 – VII ZR 118/91, NJW 1993, 1393 f. 979 BGH 6.5.1999 – IX ZR 250–98, NJW 1999, 2118 f.; BGH 12.7.1994, NJW-RR 1994, 1404; BGH 9.11.1995, NJW 1996, 320; BGH 14.2.1996, NJW-RR 1996, 765; BGH 13.6.1996, NJW-RR 1996, 1276; BGH 18.6.1996, NJWRR 1996, 1210, 1211; BGH 13.11.1997, NJW-RR 1998, 1006. 980 Vgl. etwa BGH 29.5.2008 – I ZR 189/05, GRUR 2008, 1121 – Freundschaftswerbung im Internet. 981 Stein/Jonas/Althammer Einl. vor § 511 Rn. 72 f.; Altmeppen ZIP 1992, 449, 454, 459 und ders. ZIP 1993, 65, 66 f.; Oellers EwiR 1992, 407, jew. m.w.N. 982 BGH 9.11.1995, NJW 1996, 320. 983 Vgl. etwa BGH 10.4.2003 – I ZR 291/00, GRUR 2003, 890 = WRP 2003, 1217, 1220 – BuchclubKopplungsangebot; Teplitzky Kap. 46 Rn. 12; Zöller/Greger § 559 Rn. 10. 984 BGH 28.9.1989, NJW-RR 1990, 122 = WM 1989, 1873, 1874 f.

Grosch

558

IV. Anderw. R.-Hängigk. u. Klageänd.

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

eines unechten Hilfsantrages explizit gemacht wird985 (vgl. dazu oben Rn. 413 f. sowie Rn. 347). ee) Folgen. Bei den Folgen der Klageänderung wird zwischen zulässiger und unzu- 425 lässiger Klageänderung unterschieden: (1) Zulässige Klageänderung. Der geänderte Streitgegenstand ersetzt den ursprüng- 426 lichen Streitgegenstand, über den nicht mehr entschieden werden kann. Einzelfragen ergeben sich zum Zeitpunkt des Anspruchswechsels: Bereits mit schriftsätzlicher Einwilligung tritt der Anspruchswechsel ein.986 Ansonsten gilt grundsätzlich der Zeitpunkt der rechtskräftigen Bejahung der Zulässigkeit wegen Sachdienlichkeit;987 bei Bejahung durch (wegen § 268 ZPO nicht anfechtbares) Zwischenurteil sei auf diesen Zeitpunkt abzustellen.988 Anderes wird unter dem Stichwort der „strengen Kumulationstheorie“ angenom- 427 men. Danach ist für den ursprünglichen Streitgegenstand auch bei zulässiger Klageänderung eine Klagerücknahme erforderlich, um dessen Rechtshängigkeit zu beenden. Mithin ist also nach erfolgter mündlicher Verhandlung die Einwilligung des Beklagten erforderlich, welche nicht durch Sachdienlichkeit ersetzbar ist.989 Nach herrschender Lehre ist § 269 ZPO hingegen neben § 263 ZPO nur in den Fällen der Klagebeschränkung nach § 264 Nr. 2 ZPO anwendbar (dazu oben Rn. 414). Bis zum Anspruchswechsel bleibt der ursprüngliche Streitgegenstand rechtshängig und die Rechtshängigkeit des neuen Antrages ist durch die Unzulässigkeit der Klageänderung auflösend bedingt.990 (2) Unzulässige Klageänderung. Verneint das Gericht die Zulässigkeit der Klage- 428 änderung, so endet die eingetretene Rechtshängigkeit ex tunc mit der (rechtskräftigen) Verneinung der Zulässigkeit und es ist über den ursprünglichen Streitgegenstand zu entscheiden, dessen Rechtshängigkeit noch fortbesteht. Anderes gilt, wenn der Kläger den ursprünglichen Streitgegenstand/Antrag nicht aufrechterhalten will, was nach § 139 ZPO zu klären ist. Möglich ist es, den ursprünglichen Antrag hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit der Klageänderung zu stellen,991 so dass also im Falle der Unzulässigkeit der Klageänderung über den ursprünglichen Streitgegenstand zu entscheiden ist, was der Regelfall sein wird.992 Jedoch kann der Kläger sich nicht durch eine unzulässige Klageänderung der Ent- 429 scheidung über den ursprünglichen Streitgegenstand entgegen der Wertungen des § 269 ZPO ohne Einwilligung des Beklagten entziehen. Der Kläger muss also die Klage zurücknehmen; verweigert der Kläger die Rücknahme, so hat das Gericht die Klage insgesamt als unzulässig durch Prozessurteil abzuweisen, womit das ursprüngliche Rechtsschutzbegehren abgesprochen wird und die geänderte Klage als unzulässig abgewiesen wird.993 Als unzulässig durch Prozessurteil ist die Klageänderung auch abzuweisen, wenn die

_____ 985 986 987 988 989 990 991 992 993

559

BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Tz. 33 – Internetversteigerung III. BGH 27.2.1992 – I ZR 35/90, NJW 1992, 2235 f. BGH 1.6.1990, NJW 1990, 2682; Zöller/Greger § 263 Rn. 16. MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 263 Rn. 48 a.E. Stein/Jonas/Roth § 263 Rn. 31. MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 263 Rn. 48. MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 263 Rn. 55. Vgl. etwa BGH 24.9.1987 – VII ZR 187/86, NJW 1988, 128. Zöller/Greger § 263 Rn. 17.

Grosch

§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Rechtshängigkeit des ursprünglichen Streitgegenstandes durch Klagerücknahme oder übereinstimmende Erledigungserklärung endet.994 g) Entscheidung über die Zulässigkeit der Klageänderung Es handelt sich um eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die vorrangig und von Amts wegen zu prüfen ist. Erst danach ist auf weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen einzugehen.995 Wäre die geänderte Klage aber aus anderen Gründen unzulässig, so ist die Sachdienlichkeit zu verneinen, weil der Streitstoff nicht durch eine rechtskräftige Entscheidung beseitigt werden könnte.996 Die positive Entscheidung über die Zulassung der Klageänderung kann durch ein 431 nicht selbständig anfechtbares Zwischenurteil gemäß § 303 ZPO getroffen werden oder schlicht in den Gründen des Endurteils, was der Regelfall ist. Das Gericht kann aber auch über den geänderten Streitgegenstand entscheiden, ohne sich zur Zulässigkeit zu äußern. Bei der Verneinung der Zulässigkeit ist ebenfalls durch Zwischenurteil oder in den Gründen des Endurteils zu entscheiden, wenn über den ursprünglichen Streitgegenstand noch zu entscheiden ist. Ist Letzteres nicht der Fall, so ist die Klage durch Prozessurteil abzuweisen.

430

h) Anfechtbarkeit 432

Die änderungsfreundliche Entscheidung ist gemäß § 268 ZPO nicht anfechtbar. Lediglich die die Zulässigkeit verneinende Entscheidung kann mit dem Endurteil angefochten werden. Für die Berufung spielt das keine Rolle, weil das Berufungsgericht die Klageänderung selbst zulassen kann. Das Revisionsgericht muss hingegen prüfen, ob die Tatsacheninstanz (letztlich also immer das Berufungsgericht) den Begriff der Sachdienlichkeit verkannt oder die Grenzen seines Ermessens überschritten hat.997 Das ist der Fall, wenn das Berufungsgericht für die Beurteilung wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat oder Gesichtspunkte in die Abwägung eingeflossen sind, die so nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. V. Besondere Klagearten Grosch/Herrmann V. Besondere Klagearten Schrifttum Beyerlein Gaby ./. Nicola – Keine zeitliche Begrenzung von Schadensersatz- und Auskunftsanspruch durch die vom Gläubiger nachgewiesene erste Verletzungshandlung, WRP 2007, 1310; Borck Die Vollziehung und die Vollstreckung von Unterlassungstiteln, WRP 1993, 374; Fezer Markenschutz durch Wettbewerbsrecht – Anmerkungen zum Schutzumfang des subjektiven Markenrechts, GRUR 1986, 485; Grosch/ Schilling Schadensersatzfeststellung und Rechnungslegung für die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung? FS Eisenführ (2003) 131; H. Köhler Die wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüche (Unterlassung, Beseitigung, Widerruf), NJW 1992, 137; H. Köhler Die Begrenzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, GRUR 1996, 82; Lindacher Das Verhältnis der wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüche im Spiegel des Erkenntnisverfahrens-, Vollstreckungs- und Verjährungs-

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994 MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 263 Rn. 55. 995 Stein/Jonas/Roth § 263 Rn. 3 und 21. 996 Stein/Jonas/Roth § 263 Rn. 26. 997 BGH 27.9.2006 – VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 f. Tz. 11; BGH 15.6.2005 – VIII ZR 74/04, NVwZ-RR 2006, 109; BGH 19.10.1999, NJW 2000, 143 (unter II 2b, juris Tz. 12); BGH 7.7.1993, BGHZ 123, 132, 137 = NJW 1993, 3072.

Grosch/Herrmann

560

V. Besondere Klagearten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

rechts, GRUR 1985, 423; Nemeczek Gibt es einen unmittelbaren Leistungsschutz im Lauterkeitsrecht? WRP 2010, 1204; ders. Rechtsübertragungen und Lizenzen beim wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz – Zugleich ein Beitrag gegen den unmittelbaren Leistungsschutz, GRUR 2011, 292; Nirk Zur Rechtsfigur des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, GRUR 1993, 247; Ohly Hartplatzhelden.de oder: Wohin mit dem unmittelbaren Leistungsschutz? GRUR 2010, 487; Pastor Die Wiederholungsgefahr beim wettbewerblichen Unterlassungsanspruch, GRUR 1969, 331; Picker Der negatorische Beseitigungsanspruch (1972); ders. Positive Forderungsverletzung und culpa in contrahendo – Zur Problematik der Haftungen „zwischen“ Vertrag und Delikt, AcP 183 (1983), 369; Schröer Der unmittelbare Leistungsschutz, (2010); Steinbeck „Windsor Estate“ – eine Anmerkung, GRUR 2008, 110; Teplitzky Das Verhältnis des objektiven Beseitigungsanspruchs zum Unterlassungsanspruch im Wettbewerbsrecht, WRP 1984, 365; ders. Die Durchsetzung des Schadensersatzzahlungsanspruchs im Wettbewerbsrecht, GRUR 1987, 215; ders. Anmerkung zu BGH, Urt. vom 13.9.2012 – I ZR 230/11 – GRUR 2013, 408.

1.

Systematische Übersicht Beseitigungsklage ____ 433 a) Einführung und Rechtsgrundlage ____ 433 aa) Entwicklung der Beseitigungsklage in der Rechtsprechung ____ 433 bb) Verhältnis zum Unterlassungsanspruch ____ 435 cc) Abgrenzung zum Schadensersatzanspruch ____ 440 b) Voraussetzungen und Rechtsfolgen ____ 443 aa) Voraussetzungen ____ 443 bb) Rechtsfolge und Abgrenzung zur Unterlassungsklage ____ 447 cc) Vorbeugende Beseitigungsklage ____ 452

Prozessuale Behandlung ____ 454 aa) Antragsformulierung ____ 454 bb) Insbesondere: Die Widerrufsklage ____ 455 cc) Vollstreckung ____ 459 dd) Kein Einfluss auf rechtlich verobjektivierte Verfahren ____ 468 Feststellungsklage ____ 469 Leistungsklage auf Schadensersatz ____ 478 Klage auf Auskunft und Rechnungslegung ____ 480 a) Einführung und Rechtsgrundlage ____ 481 b) Voraussetzungen und Rechtsfolgen ____ 487 c) Prozessuale Behandlung ____ 494 c)

2. 3. 4.

1. Beseitigungsklage Herrmann

a) Einführung und Rechtsgrundlage aa) Entwicklung der Beseitigungsklage in der Rechtsprechung. Aus der Perspek- 433 tive des materiellen Rechts soll der Unterlassungsanspruch den Gläubiger vor künftigen Beeinträchtigungen schützen. Diese Abwehrmöglichkeit bliebe jedoch unvollkommen, wenn der Gläubiger nicht zusätzlich die Möglichkeit erhielte, unmittelbar gegen die Ursache künftiger Beeinträchtigungen vorzugehen. Der Schadensersatzanspruch, der zudem Verschulden voraussetzt, ist kein Abwehranspruch im eigentlichen Sinne, da er auf die Beseitigung der Folgen eines zum Ersatz verpflichtenden Verhaltens für den Geschädigten abzielt und nicht auf den Schutz vor künftigen Verletzungshandlungen. Freilich kann die Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) als regelmäßige Folge des zum Schadensersatz verpflichtenden Verhaltens mit der Beseitigung der Ursache des Schadens zusammenfallen.998 Wenn der Schuldner beispielsweise fahrlässig die Fassade seines Verkaufslokals in wettbewerbswidriger Weise mit demselben ornamentalen Design aus-

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561

Teplitzky Kap. 22 Rn. 1.

Herrmann

§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

gestattet hat wie der Gläubiger,999 umfasst die geschuldete Naturalrestitution die Beseitigung der fahrlässig hergestellten Fassadengestaltung. Das Zusammenfallen von Schadensfolgen und -ursache bleibt jedoch bei einem allein dem Integritätsinteresse verpflichteten Schadensersatzrecht1000 zufällig. Wiederherzustellen ist der ohne das schädigende Ereignis (hypothetisch) bestehende Vermögenszustand des Geschädigten.1001 Bezugspunkt der erforderlichen Differenzbetrachtung ist notwendig der Geschädigte und dessen Vermögen, nicht ein von dem Schädiger zu verantwortender Zustand, der zu weiteren (künftigen) Beeinträchtigungen führen kann. Die Beseitigung der Ursache (möglicher) künftiger Beeinträchtigungen ist daher als Anspruchsinhalt von dem Schadensersatzanspruch prinzipiell zu unterscheiden. Die Wahrung des Integritätsinteresses des Gläubigers ist Gegenstand und Ziel des Schadensersatzanspruches, aber nur Rechtsreflex des Beseitigungsanspruches. 434 Wenn die ältere Rechtsprechung des RG1002 Beseitigungsansprüche nur unter den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches gewährt hat,1003 muss dies als Annäherung an das Phänomen quasi-negatorischer Ansprüche verstanden werden, deren vom Schadensersatzrecht unabhängige Funktion zu diesem Zeitpunkt noch nicht juristisches Allgemeingut geworden war. Mit der Erkenntnis, dass Schadensersatzansprüche in der Vergangenheit abgeschlossene Ereignisse betreffen, die nach der Differenzhypothese zu einer Vermögensbeeinträchtigung des Geschädigten geführt haben, während eine verschuldensunabhängige Störungsbeseitigung bei einer gegenwärtigen und fortwirkenden Störungsursache – unabhängig von einem gegenwärtigen Vermögensschaden des Betroffenen – anknüpfen muss, setzte sich die Verortung des (wettbewerblichen) Beseitigungsanspruches bei dem Rechtsgedanken des § 1004 BGB (als quasi-negatorischer) Anspruch durch.1004 Damit war der Beseitigungsanspruch als Teil der wettbewerblichen Abwehransprüche1005 und von dem Schadensersatzanspruch getrennter Anspruch dogmatisch zutreffend erfasst. Die Anlehnung an § 1004 BGB als einer dem Schutz des Sacheigentums dienenden Vorschrift war jedoch nicht als Herauslösung des Beseitigungsanspruches aus dem wettbewerbsrechtlichen Kontext (und der hier geltenden Sonderverjährung), sondern vorrangig als dogmatische Einordnungshilfe zu verstehen.1006 Entscheidend war, dass der Achtungsanspruch der Schutzgüter des Wettbewerbsrechts neben dem Unterlassungs- auch einen verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch erforderte. Dessen gewohnheitsrechtliche Anerkennung1007 auch vor der ausdrücklichen Positivierung entsprach deshalb dem allgemeinen Verständnis der Systematik wettbewerblicher Abwehransprüche.1008

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999 Wie im Fall BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 616 – Gebäudefassade. 1000 HK-BGB/Schulze § 249 Rn. 1; Jauernig/Teichmann § 249 Rn. 1. 1001 BGH 4.12.1984 – VI ZR 225/82 – NJW 1985, 793; Palandt/Grüneberg § 249 Rn. 2; HK-BGB/Schulze § 249 Rn. 1. 1002 RG 28.9.1911 – VI 407/10 – RGZ 77, 217, 218 ff. 1003 Hierzu auch Teplitzky Kap. 22 Rn. 1. 1004 RG 15.11.1935 – II 110/35 – JW 1936, 806, 807; BGH 13.11.1953 – I ZR 79/52 – GRUR 1954, 163, 165; BGH 12.3.1954 – I ZR 201/52 – GRUR 1954, 337, 342 – Radschutz; BGH 10.5.1955 – I ZR 177/53 – GRUR 1955, 487, 488 – Alpha; BGH 31.5.1960 – I ZR 16/59 – GRUR 1960, 563, 566 f. – Sektwerbung; zur rechtlichen Entwicklung z.B. Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 2; Teplitzky Kap. 22 Rn. 2. 1005 BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99, 100 – Brünova; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.69; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 127; Harte/Henning/Seitz § 8 Rn. 145. 1006 In diese Richtung BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99, 100 – Brünova. 1007 Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 125; Teplitzky Kap. 22 Rn. 2. 1008 BTDrucks. 15/1487, S. 22 zu Abs. 1; Köhler/Piper Vor § 13 Rn. 33.

Herrmann

562

V. Besondere Klagearten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

bb) Verhältnis zum Unterlassungsanspruch. § 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 UWG enthält 435 nunmehr einen neben den Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) tretenden (quasi-)negatorischen Beseitigungsanspruch. Diese Positivierung des Beseitigungsanspruches als eines von dem Unterlassungsanspruch verschiedenen materiellen Anspruches scheint die in der Vergangenheit intensiv geführte Diskussion um eine dogmatisch überzeugende Abgrenzung beider Ansprüche durch den berühmten Federstrich des Gesetzgebers obsolet zu machen.1009 § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG regelt zwei Ansprüche, die sich in ihren Voraussetzungen unterscheiden, da nur der Unterlassungsanspruch eine Begehungsgefahr voraussetzt. Versteht man das Merkmal der Begehungsgefahr als zusätzliche materiell-rechtliche Voraussetzung des Unterlassungsanspruches,1010 ergeben sich für Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch notwendig unterschiedliche Streitgegenstände. Der die Unterlassungsklage tragende Lebenssachverhalt umfasst bei dieser Sichtweise ein zusätzliches Merkmal (die Begehungsgefahr), so dass sich selbst dann, wenn man eine identische Antragsfassung zuließe,1011 ein anderer Streitgegenstand ergeben muss. Wie an anderer Stelle dargelegt,1012 ist die Einordnung der Begehungsgefahr als mate- 436 riell-rechtliche Voraussetzung des Unterlassungsanspruches indes nicht zweifelsfrei.1013 Denn die grundsätzliche Verpflichtung, ein wettbewerbswidriges Verhalten zu unterlassen, ist bereits im Normbefehl der wettbewerblichen Verhaltensnormen enthalten und die Begehungsgefahr konkretisiert lediglich die wettbewerblichen Jedermannspflichten zu einer klageweise durchsetzbaren Anspruchsbeziehung. Nicht von ungefähr haben Rechtsprechung und hL bereits vor der Positivierung der Beseitigungsklage in § 8 Abs. 1 UWG den zugrundeliegenden Abwehranspruch unmittelbar aus den wettbewerblichen Verhaltensnormen abgeleitet.1014 In gleicher Weise ließe sich aus den wettbewerblichen Verhaltensgeboten auch ein Unterlassungsanspruch ableiten, der die Begehungsgefahr nur als Kriterium zur Vermeidung von Popularklagen begreift. Prozessual verstanden ermöglicht die Begehungsgefahr hingegen die Konkretisie- 437 rung der gesetzlichen Verhaltensnorm zu einem zukunftsgerichteten, vollstreckbaren Gebot an den Schuldner.1015 Die Begehungsgefahr, also die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer künftigen Zuwiderhandlung gegen wettbewerbliche Verhaltenspflichten, legitimiert die in der Schaffung eines zukunftsgerichteten Unterlassungstitels liegende Rechtsschutzverkürzung. Das Unterlassungsurteil ist somit sachlich ein Urteil auf künftig wiederkehrende Leistungen (§ 258 ZPO)1016 und die Begehungsgefahr eröffnet durch die hieraus folgende besondere Schutzbedürftigkeit des Gläubigers den Zugang zu einer entsprechenden Zukunftsklage.

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1009 Teplitzky Kap. 22 Rn. 3. 1010 So die h.M.: BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin; BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127, 128 – Vertragsstrafeversprechen; BGH 10.2.1994 – I ZR 16/92 – GRUR 1994, 443, 445 – Versicherungsvermittlung im öffentlichen Dienst; Harte/Henning/Bergmann § 8 Rn. 10, 34 f.; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.10; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 6; Teplitzky Kap. 6 Rn. 7 m.w.N. 1011 Was die h.M. konsequent ablehnt, vgl. Harte/Henning/Seitz § 8 Rn. 148; Teplitzky Kap. 22 Rn. 8. 1012 Vgl. hierzu die Kommentierung des Rechtsschutzbedürfnisses für Unterlassungsklagen, § 12 Rn. 36 ff. 1013 So z.B. BGH 12.7.1963 – Ib ZR 174/61 – GRUR 1964, 82, 86 f. – Lesering; BGH 25.5.1965 – VI ZR 19/64 – GRUR 1966, 157, 159 – Wo ist mein Kind?. 1014 BGH 4.2.1993 – I ZR 42/91 – BGHZ 121, 242 = GRUR 1993, 556, 558 – TRIANGLE; BGH 25.1.2001 – I ZR 120/98 – GRUR 2001, 420, 422 – SPA; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 125; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 2; Teplitzky Kap. 22 Rn. 2. 1015 So auch Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.9. 1016 Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 149 ff.

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Herrmann

§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

438

Für eine Beseitigungsklage müssen die zusätzlichen Voraussetzungen gerichtlichen Zukunftsrechtsschutzes nicht erfüllt sein. Das Klägervorbringen und sein entsprechendes Rechtsschutzbegehren beschränken sich auf den gegenwärtigen Störungszustand (als Folge wettbewerbswidrigen Verhaltens des Beklagten) und die angestrebte Verurteilung des Schuldners zu dessen Beseitigung.1017 Ob ein zu beseitigender Störungszustand besteht, ist – anders als die Verpflichtung zur Unterlassung künftiger Wettbewerbsverstöße – ein im Erkenntnisverfahren feststellbarer Sachverhalt, an den sich die gesetzliche Rechtsfolge der Beseitigungspflicht knüpft. Anders als die Unterlassungsklage ist die Beseitigungsklage damit prozessual kein Fall des Zukunftsrechtsschutzes. Der Beseitigungsanspruch ist jedoch inhaltlich zukunftsbezogen, da er auf die Beseitigung eines fortwirkenden Zustandes gerichtet ist.1018 Obschon somit sowohl Beseitigungs- wie Unterlassungsklage an einen begangenen 439 Wettbewerbsverstoß als materieller Anspruchsvoraussetzung anknüpfen (können), unterscheiden sich die Rechtsschutzziele und dementsprechend die nach § 253 Abs. 2 ZPO zu fordernden, inhaltlich bestimmten Antragsfassungen, die bei der Unterlassungsklage auf künftiges Schuldnerverhalten und bei der Beseitigungsklage auf die Beseitigung der fortdauernden Folgen vergangenen Schuldnerverhaltens gerichtet sind. Bei gleichem Lebenssachverhalt ergibt sich aus den unterschiedlichen Rechtsschutzzielen/Antragsfassungen ein abweichender Streitgegenstand.1019 cc) Abgrenzung zum Schadensersatzanspruch. Von dieser prozessualen ist die materiell-rechtliche Einordnung des Beseitigungsanspruches zu unterscheiden. Um eine Abgrenzung zu (verschuldensabhängigen) Schadensersatzansprüchen (§ 9 UWG) zu gewährleisten, kann Gegenstand eines wettbewerblichen Beseitigungsanspruches nur eine fortwirkende Störung sein. 1020 Der Beseitigungsanspruch ist verschuldensunabhängig.1021 Diese begrenzte Legitimation schließt es aus, mit dem Beseitigungsanspruch die dem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch vorbehaltene Restitution zum Schutz des Integritätsinteresses zu betreiben. Möglich bleibt allein, ein Abwehrziel zu verfolgen. Der Gläubiger wehrt mit dem Beseitigungsanspruch Rechtsbeeinträchtigungen auf Grund eines von dem Schuldner durch einen Wettbewerbsverstoß geschaffenen, rechtswidrigen Störungszustandes ab. Die Abgrenzung zwischen (quasi-)negatorischem Beseitigungsanspruch und der 441 Restitution dienenden Schadensersatzansprüchen ist im eigentlichen Anwendungsbereich der Negatoria einer fallweisen Konkretisierung vorbehalten geblieben.1022 Den manifesten Schutzbedürfnissen des faktisch aufgrund des Schuldnerverhaltens beeinträchtigten Eigentümers trägt dies oft entsprechend einer weit verstandenen Billigkeit

440

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1017 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.51; Melullis Rn. 1000. 1018 Fezer/Büscher § 8 Rn. 9; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 126; Harte/Henning/Seitz § 8 Rn. 147; Teplitzky Kap. 22 Rn. 3 m.w.N.; Teplitzky WRP 1984, 366. 1019 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.51; Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 135; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 1; Teplitzky Kap. 22 Rn. 7. 1020 BGH 4.2.1993 – I ZR 319/90 – WRP 1993, 396, 397 – Maschinenbeseitigung; BGH 23.2.1995 – I ZR 15/93 – GRUR 1995, 424, 426 – Abnehmerverwarnung; BGH 26.11.1997 – I ZR 109/95 – GRUR 1998, 415, 416 – Wirtschaftsregister; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.51; Gloy/Loschelder/Erdmann/Fritzsche § 79 Rn. 59; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 129; vgl. auch Melullis Rn. 1001. 1021 BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53 – BGHZ 14, 163 = GRUR 1955, 97, 99 – Constanze II; BGH 23.2.1995 – I ZR 75/93 – GRUR 1995, 427, 428 – Schwarze Liste; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.69; Fezer/Büscher § 8 Rn. 12; Gloy/Loschelder/Erdmann/Fritzsche § 79 Rn. 59; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 131; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 1; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 69; Harte/Henning/Seitz § 8 Rn. 182; Teplitzky Kap. 22 Rn. 2. 1022 Vgl. RG 5.1.1905 – VI 38/04 – RGZ 60, 6, 7.

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564

V. Besondere Klagearten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Rechnung. Demgegenüber hat der von Picker1023 und Gursky1024 vertretene Ansatz, der negatorische Beseitigungsansprüche auf rechtliche Beeinträchtigungen des Eigentums beschränken und bloße Folgen eines beeinträchtigenden Handelns ausschließen will, den Vorteil einer dogmatisch klaren Abgrenzung zum Schadensersatz. Auf negatorischem Weg kann nach dieser Sichtweise nur verlangt werden, dass der Anspruchsgegner die fortgesetzte Inanspruchnahme geschützter Rechtspositionen des Gläubigers aufgibt. Die relevante Beeinträchtigung liegt – im Unterschied zum Schaden – darin, dass der Beseitigungsschuldner durch sein Verhalten einen Teil einer dem Gläubiger zugeordneten Rechtsposition für sich beansprucht und der Gläubiger zur Wiederherstellung der dem materiellen Recht entsprechenden Güterordnung seinerseits einer rechtlichen Legitimationsgrundlage bedarf.1025 Ein (deliktischer) Schädiger beansprucht hingegen nicht eine dem Geschädigten gebührende Rechtsposition für sich. Sein Verhalten hat sich in der Missachtung dieser Rechtsposition erschöpft, wirkt aber nicht im Sinne einer fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung fort. Ob dem Ansatz Pickers für den Gesamtbereich negatorischer Ansprüche zu folgen 442 ist, kann an dieser Stelle dahinstehen. Im Wettbewerbsrecht ist indes für jeden Beseitigungsanspruch eine fortwirkende rechtliche (und nicht nur faktische) Beeinträchtigung unverzichtbar. Denn die zu beseitigende Beeinträchtigung muss in einer Überschreitung wettbewerbsrechtlicher Verhaltensgrenzen bestehen (sonst bestünde keine wettbewerbliche Veranlassung, sie zu beseitigen). Mit der Beseitigungsklage wehrt der Gläubiger künftige Wettbewerbsverstöße ab, die aus der erfolgten Wettbewerbsverletzung resultieren würden. Dies kann nur anhand einer rechtlichen Bewertung des in Frage kommenden Störungszustands am Maßstab der wettbewerblichen Verhaltensnormen entschieden werden. Nur dann, wenn künftige Wettbewerbsverstöße drohen, besteht ein wettbewerblicher Beseitigungsanspruch. Der Beseitigungsschuldner nimmt somit notwendig ihm wettbewerbsrechtlich nicht gebührende Handlungsfreiheit für sich in Anspruch, indem er einen von ihm zu verantwortenden Störungszustand nicht beseitigt. Jedenfalls in dem Spezialfall des wettbewerblichen Beseitigungsanspruches ist danach eine rechtliche Beeinträchtigung des Gläubigers durch eine fortdauernde Usurpation von dessen wettbewerblicher Schutzposition vorausgesetzt. Wo es hieran fehlt, bleibt nur der (verschuldensabhängige) Schadensersatzanspruch. b) Voraussetzungen und Rechtsfolgen aa) Voraussetzungen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Beseitigungsanspru- 443 ches im Einzelnen werden im Rahmen der Kommentierung zu § 8 UWG behandelt. Hierauf kann und muss an dieser Stelle verwiesen werden.1026 Anstelle einer Parallelkommentierung der eigentlichen Anspruchsvoraussetzungen werden nachstehend nur die für die Beseitigungsklage wesentlichen Aspekte aufgegriffen. Wie dargelegt erfordert die wettbewerbliche Beseitigungsklage (§ 8 Abs. 1 Satz 1 444 Alt. 1 UWG) die fortgesetzte Inanspruchnahme (Usurpation) einer dem Anspruchsgegner nach der Rechtsordnung nicht gebührenden Rechtsposition.1027 Im unmittelbaren

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1023 Picker S. 49 ff.; Picker AcP 183 (1983), 513. 1024 Staudinger/Gursky § 1004 Rn. 4 ff., 135 ff. 1025 Picker S. 49 ff. 1026 § 8 Rn. 67 ff. 1027 Picker S. 49 ff. sowie BTDrucks. 15/1487, S. 22 zu Absatz 1, wonach eine Änderung der Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs mit der in § 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 UWG eingeführten ausdrücklichen Regelung nicht bezweckt war.

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§ 12

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Anwendungsbereich der allgemeinen zivilrechtlichen Beseitigungsklage (§ 1004 BGB) beeinträchtigt der Anspruchsgegner durch sein Verhalten das Eigentum oder ein sonstiges absolut geschütztes Rechtsgut des Klägers.1028 Die geschuldete Unterlassung unlauteren Verhaltens begründet zwar kein absolut geschütztes Recht eines Wettbewerbers oder klagebefugten Verbandes, da es sich hierbei lediglich um Marktverhaltensregelungen handelt.1029 Auch (bloße) Marktverhaltensregeln grenzen jedoch den jedem Marktteilnehmer zukommenden Verhaltensspielraum ein. Wer sich wettbewerbswidrig verhält, überschreitet diesen Spielraum und nimmt damit eine Position ein, die das materielle Recht ihm gerade verwehrt. Der in § 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 UWG geregelte Beseitigungsanspruch, der zuvor bereits gewohnheitsrechtlich anerkannt war,1030 schafft ein mit der objektiven Marktverhaltensregelung korrespondierendes subjektives Recht, das dem Gläubiger die Abwehr der Usurpation einer jedenfalls nicht dem Beseitigungsschuldner zukommenden wettbewerblichen Rechtsposition ermöglicht. Die Anspruchsinhalte von Beseitigungs- und Unterlassungsklage sind auf der Ebene 445 des materiellen Rechts parallel gelagert. Es wird jeweils von dem Anspruchsgegner verlangt, dass er von einem als wettbewerbswidrig erkannten Verhalten Abstand nimmt. Bei der Beseitigungsklage begehrt der Kläger jedoch nicht einen Titel zur Abwehr künftig drohenden Verhaltens, sondern Folgenbeseitigung in Form der Beseitigung eines vom Schuldner geschaffenen und fortdauernden Störungszustandes.1031 Die Fortwirkung des bestehenden Störungszustandes ist materielle Anspruchsvoraussetzung, nicht Sachentscheidungsvoraussetzung. Fehlt es an einem fortwirkenden Störungszustand, bleibt die Beseitigungsklage gleichwohl zulässig; sie wäre allerdings unbegründet. Die Fortdauer des Störungszustandes unterscheidet sich insoweit von der Wiederholungsgefahr, die als prozessuales Merkmal den Zugang zum gerichtlichen Zukunftsrechtsschutz eröffnet.1032 Fällt der einer Beseitigungsklage zugrundeliegende Störungszustand weg, wird die Klage unbegründet.1033 Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beseitigungskläger durch sein Prozessverhalten zu einem Wegfall des Störungszustandes durch Zeitablauf beigetragen hat.1034 Der Störungszustand, der Veranlassung für eine Beseitigungsklage gibt, muss rechts446 widrig sein, d.h. der Gläubiger darf nicht zur Duldung verpflichtet sein.1035 Hingegen ist

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1028 BGH 13.3.1998 – V ZR 190/97 – NJW 1998, 2058, 2059; MünchKommBGB/Baldus § 1004 Rn. 6 ff.; Palandt/Bassenge § 1004 Rn. 4; Staudinger/Gursky § 1004 Rn. 14 ff. m.w.N. 1029 Vgl. Fezer/Fezer Einleitung E Rn. 223; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 9.4; Piper/Ohly/Sosnitza Einführung Rn. 1; speziell beispielsweise für § 4 Nr. 9 UWG siehe Nirk GRUR 1993, 249 ff. 1030 RG 5.6.1935 – II 332/34 – RGZ 148, 114, 123 – Gummi-Waren m.w.N.; BGH 4.2.1993 – I ZR 42/91 – BGHZ 121, 242 = GRUR 1993, 556, 558 – TRIANGLE; BGH 25.1.2001 – I ZR 120/98 – GRUR 2001, 420, 422 – SPA: Beseitigungsanspruch wird unmittelbar aus der wettbewerbsrechtlichen Verbotsnorm abgeleitet; Gloy/Loschelder/Erdmann/Fritzsche § 79 Rn. 59; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 125; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 2; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 67. Noch auf eine Analogie zu § 1004 BGB abstellend: BGH 10.5.1955 – I ZR 177/53 – GRUR 1955, 487, 488 – Alpha; BGH 31.5.1960 – I ZR 16/59 – GRUR 1960, 563, 567 – Sektwerbung. 1031 BGH 14.11.1958 – I ZR 91/57 – GRUR 1959, 143, 144 – Blindenseife; BGH 4.2.1993 – I ZR 42/91 – BGHZ 121, 242 = GRUR 1993, 556, 558 – TRIANGLE; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.51; Fezer/Büscher § 8 Rn. 9. 1032 A.A. ist freilich die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und h.L. – vgl. § 12 Rn. 37 ff. 1033 BGH 4.2.1993 – I ZR 319/90 – WRP 1993, 396, 398 – Maschinenbeseitigung; BGH 3.4.2008 – I ZR 49/05 – GRUR 2008, 1002, 1005 – Schuhpark; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.79; Fezer/Büscher § 8 Rn. 13; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 3; Harte/Henning/Seitz § 8 Rn. 167; Teplitzky Kap. 22 Rn. 18. 1034 KG 11.5.2001 – 5 U 9292/00 – GRUR-RR 2002, 337, 339 – T-offline. 1035 BTDrucks. 15/1487 S. 22 zu Absatz 1; BGH 12.1.1960 – I ZR 30/58 – GRUR 1960, 500, 502 f. – Plagiatsvorwurf; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.78; Fezer/Büscher § 8 Rn. 12; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 132; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 3; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 76; Teplitzky Kap. 22 Rn. 14 m.w.N.

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V. Besondere Klagearten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

unerheblich, ob die vorangegangene Verletzungshandlung selbst rechtswidrig1036 oder schuldhaft1037 war. Ferner muss die begehrte Störungsbeseitigung erforderlich und verhältnismäßig sein.1038 Versteht man die zu beseitigende Beeinträchtigung als rechtswidrige Inanspruchnahme (Usurpation) einer dem Beseitigungsschuldner nicht gebührenden wettbewerblichen Rechtsposition, wird aus Zumutbarkeitsgründen nur ausnahmsweise eine Einschränkung durch die Gewährung einer Beseitigungsfrist in Frage kommen.1039 Wie sonst auch kommt es darauf an, ob der Gläubiger in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 904 BGB verpflichtet ist, eine vorübergehende Fortdauer der Beeinträchtigung hinzunehmen. bb) Rechtsfolge und Abgrenzung zur Unterlassungsklage. Mit einer erfolgrei- 447 chen Unterlassungsklage erreicht der Kläger zwei Rechtsschutzziele: Das Gericht stellt zum einen das im Verhältnis der Parteien gegenwärtig geltende Recht fest.1040 Zum anderen gibt der Unterlassungstitel dem Kläger die Möglichkeit, bei künftigen Zuwiderhandlungen unmittelbar, d.h. ohne vorhergehendes (weiteres) Klageverfahren Vollstreckungszwang anzuwenden.1041 Damit kann der Kläger zwar künftige Rechtsverletzungen abwenden. Die Beseitigung eines bestehenden wettbewerbswidrigen Zustandes im Sinne einer Folgenbeseitigung ermöglicht indessen erst die Beseitigungsklage.1042 Sie ist ein Spezialfall der negatorischen Klage (§ 1004 BGB)1043 und zielt darauf ab, den Beklagten zur Beseitigung einer fortdauernden Überschreitung wettbewerblicher Grenzen durch aktives Tun anzuhalten. Durch einen erfolgreichen Unterlassungsantrag wird dem Schuldner zwar auch untersagt, durch sein Verhalten wettbewerbswidrige Zustände neu zu schaffen oder aufrecht zu erhalten, was im Einzelfall ebenso ein aktives Tun erfordern kann.1044 Diese faktische Überschneidung in den Folgen eines Unterlassungs- wie eines Beseitigungsurteils ändert aber nichts an der prinzipiellen Unterscheidung der jeweils zugrunde liegenden Titel. Das Unterlassungsurteil beinhaltet eine vollstreckbare Fallnorm,1045 deren Subsum- 448 tionsschluss sich der Schuldner je nach Lage des Falles nur durch eine Verhaltensänderung entziehen kann. Der Gläubiger soll die Fortsetzung des wettbewerbswidrigen Verhaltens, das den Anlass für die Schaffung des zukunftsgerichteten Unterlassungstitels gegeben hat, notfalls durch Vollstreckungszwang unterbinden können. Die Verhaltensänderung des Schuldners, der vor Erlass des Unterlassungstitels zu erkennen gegeben hat, dass er die wettbewerblichen Spielregeln (auch) künftig missachten wird, ist gerade

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1036 Fezer/Büscher § 8 Rn. 12; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 76; Harte/Henning/Seitz § 8 Rn. 178; Teplitzky Kap. 22 Rn. 14. 1037 Fezer/Büscher § 8 Rn. 12; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 131; juris-PK/Seichter § 8 Rn. 87; Harte/Henning/Seitz § 8 Rn. 182. 1038 BGH 29.9.1964 – Ib ZR 88/63 – GRUR 1966, 35, 38 – multikord; BGH 26.9.1980 – I ZR 69/78 – GRUR 1981, 60, 64 – Sitex; BGH 23.2.1995 – I ZR 15/93 – GRUR 1995, 424, 426 – Abnehmerverwarnung; BGH 26.11.1997 – I ZR 109/95 – GRUR 1998, 415, 417 – Wirtschaftsregister; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 134; Köhler GRUR 1996, 85 ff.; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 4; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 79; Teplitzky Kap. 22 Rn. 16. 1039 Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 4. 1040 Grosch S. 49 f., 347; Pastor GRUR 1969, 332. 1041 Borck WRP 1993, 376 f.; Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 286; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 238. 1042 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.51. 1043 BGH 10.5.1955 – I ZR 177/53 – GRUR 1955, 487, 488 – Alpha; BGH 12.7.1963 – Ib ZR 174/61 – GRUR 1964, 82, 87 – Lesering; Gloy/Loschelder/Erdmann/Fritzsche § 79 Rn. 59; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 2; Melullis Rn. 1001; Harte/Henning/Seitz § 8 Rn. 162; Teplitzky Kap. 22 Rn. 2. 1044 BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53 – GRUR 1955, 97, 99 f.; Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 135; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 2.51. 1045 Grosch S. 72 ff.

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Ziel und Legitimation dieser Form des wettbewerblichen Zukunftsrechtsschutzes. Soweit die Umsetzung dieser Verhaltensänderung eine Veränderung bereits bei Titelerlass bestehender Umstände erfordert (weil es sonst notwendig zu erneuten Wettbewerbsverstößen käme), handelt es sich um eine nur im Phänomen besondere Form des Unterlassungsrechtsschutzes. Der Gläubiger muss sich entscheiden, ob er neben dem zukunftsgerichteten Unterlassungsrechtsschutz auch eines „gewöhnlichen“ Leistungstitels auf Beseitigung eines konkreten existierenden Störungszustandes bedarf. In der Rechtsprechung wurden Fälle scheinbaren Gleichlaufes zwischen Unterlas449 sungs- und Beseitigungsanspruch als Frage des Rechtsschutzbedürfnisses behandelt.1046 Wenn das Rechtsschutzziel des Beseitigungsanspruches (zufällig) auch durch die Vollstreckung eines vorhandenen Unterlassungstitels erreicht werden kann, soll es an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse für eine parallele oder spätere Beseitigungs(leistungs)klage fehlen.1047 Auch wenn das so gefundene Ergebnis zunächst den Anforderungen der Praxis zu entsprechen scheint, ist dies letztlich nicht überzeugend. Es mag sein, dass im Einzelfall die Vollstreckung eines Unterlassungsurteils zu demselben Ergebnis führen kann wie die Vollstreckung aus einem zu erwirkenden Beseitigungsurteil.1048 Allerdings schließt Ergebnisidentität nach allgemeinen Regeln ein Rechtsschutzinteresse nur aus, wenn ein bestehender Titel bei einer Gesamtwürdigung tatsächlich gleichwertig ist.1049 Das ist bei einem Unterlassungsurteil im Vergleich zu einem Beseitigungstitel strukturell nie der Fall. 450 Der Unterlassungstitel gibt dem Gläubiger gegenüber künftigen Wettbewerbsverstößen eine Vollstreckungsmöglichkeit. Er erwächst indessen, wie andere Titel über künftig wiederkehrende Leistungen auch, nach sehr streitiger Ansicht nicht in materielle Rechtskraft.1050 Der Unterlassungstitel schließt deshalb schon mangels gleichwertiger Rechtskraftwirkung das Rechtsschutzbedürfnis für eine separate oder parallele Beseitigungsklage nicht aus. 451 Hinzu kommt, dass ein Unterlassungsurteil (nur) nach § 890 ZPO vollstreckt werden kann,1051 während bei Beseitigungsurteilen die Möglichkeit der Ersatzvornahme (§ 887 ZPO) und, bei unvertretbaren Handlungen, der Erzwingung über § 888 Abs. 1 ZPO besteht.1052 Dem Gläubiger ist es gegenüber einem renitenten Schuldner nicht zuzumuten, gegebenenfalls mehrfach ein Ordnungsgeldverfahren durchlaufen zu müssen.

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1046 So noch BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53 – BGHZ 14, 163 = GRUR 1955, 97, 100 – Constanze II; BGH 15.1.1957 – I ZR 190/55 – GRUR 1957, 278, 279 – Evidur; OLG Hamburg 18.9.1997 – 3 U 39/97 – BeckRS 1997, 08184; vgl. auch Teplitzky Kap. 22 Rn. 7. 1047 Fezer/Büscher § 8 Rn. 9; vgl. auch Teplitzky Kap. 22 Rn. 7, der dies als Ausnahme ansieht unter Hinweis darauf, dass dies jedoch auf dem allgemeinen Grundsatz beruht, dass es an einem Rechtsschutzbedürfnis mangelt, sollte das Ziel auf einem anderen Weg einfacher erreichbar sein; vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch BGH 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208, 209 m. Anm. Storch; BGH 4.2.1993 – I ZR 42/91 – GRUR 1993, 556, 558 – TRIANGLE. 1048 BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 616 – Gebäudefassade; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 73. 1049 BGH 23.5.1962 – V ZR 187/60 – NJW 1962, 1392; BGH 9.10.1975 – 10 U 140/75 – NJW 1976, 246; BGH 14.3.1979 – IV ZR 98/78 – NJW 1979, 1508; BGH 24.2.1994 – IX ZR 10/93 – NJW 1994, 1351, 1352; Zöller/ Greger Vor § 253 Rn. 18 ff. 1050 Anders die im Wettbewerbsrecht h.M. – vgl. § 12 Rn. 51. Im hier vertretenen Sinn – allerdings nicht zum Wettbewerbsrecht – BGH 18.1.1985 – V ZR 233/83 – BGHZ 93, 287 = NJW 1985, 1711, 1712 sowie ausführlich Grosch S. 82 ff., 324 ff., 347 ff., 356 ff., 379 ff.; Musielak § 322 Rn. 9. 1051 Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 136; Köhler NJW 1992, 139; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 1. 1052 Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 136; Fezer/Büscher § 8 Rn. 44; Köhler NJW 1992, 139; Ahrens/ Loewenheim Kap. 73 Rn. 1; Teplitzky Kap. 58 Rn. 6 ff.

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V. Besondere Klagearten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

cc) Vorbeugende Beseitigungsklage. Teilweise wird zusätzlich zur Beseitigungs- 452 klage – und anstelle einer Unterlassungsklage – auch eine vorbeugende Beseitigungsklage für möglich gehalten.1053 Das erscheint allerdings zweifelhaft.1054 Ein bereits bestehender fortwirkender Störungszustand ist materielle Anspruchsvoraussetzung des Beseitigungsanspruches. Liegt noch keine Störung vor, ist der Bestand des Beseitigungsanspruches selbst (und nicht nur dessen Fälligkeit) ungewiss. Für eine vorbeugende Beseitigungsklage kann zwar nach allgemeinen Regeln ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Eine solche Klage kann jedoch als Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO nur in der Sache erfolgreich sein, wenn der Bestand des geltenden Anspruches sicher ist.1055 Bevor es zu einem Störungszustand gekommen ist, kann dies aber nicht angenommen werden. Ansonsten würde der drohende Störungszustand einer eingetretenen Störung gleichgesetzt werden, was die Grenzen des zugrundeliegenden materiell-rechtlichen Anspruches verschiebt. Die Klagen nach §§ 257, 259 ZPO enthalten einen „prozessualen Überschuss“,1056 indem sie dem Kläger ermöglichen, noch nicht fällige Ansprüche geltend zu machen. Allerdings wird vorausgesetzt, dass die Leistungspflicht bei Erlass des Urteils feststeht und nur die Fälligkeit von einem künftigen Ereignis oder dem Eintritt einer Bedingung abhängt.1057 Die Klagen nach §§ 257, 259 ZPO schaffen indessen – anders als die Unterlassungsklage, die sachlich – nach streitiger Ansicht – eine Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 258 ZPO darstellt – keinen Titel für erst künftig entstehende Ansprüche. Wie jedes Leistungsurteil stellt auch ein Urteil nach §§ 257, 259 ZPO das gegenwärtig geltende Recht im Verhältnis der Parteien fest.1058 Hierauf erstreckt sich die materielle Rechtskraft. Dies würde für eine vorbeugende Beseitigungsklage – wenn man sie zuließe – ebenso gelten. Die unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen von Unterlassungs- und Beseitigungs- 453 klage schließen es danach aus, unter dem Gesichtspunkt des (fehlenden) Rechtsschutzinteresses der Unterlassungsklage Vorrang vor der vorbeugenden Beseitigungsklage einzuräumen.1059 Nur die (vorbeugende) Beseitigungsklage als Leistungsklage nach §§ 257, 259 ZPO vermag materielle Rechtskraft zu schaffen. Sie kann daher nicht deshalb mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sein, weil der Gläubiger Unterlassungsklage erheben könnte. Jedoch muss eine vorbeugende Beseitigungsklage nach der Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 UWG mangels materiell-rechtlichen Beseitigungsanspruches notwendig in der Sache ohne Erfolg bleiben. Ließe man sie zu, wäre sie mangels zu beseitigendem Störungszustand in aller Regel als unbegründet abzuweisen. Sinnvoll erscheint die Zulassung einer solchen Klage deshalb nicht.

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1053 BGH 4.2.1993 – I ZR 42/91 – BGHZ 121, 242 = GRUR 1993, 556, 558 – TRIANGLE; Harte/Henning/ Brüning Vorb. § 12 Rn. 136; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 130; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.51; Lindacher GRUR 1985, 424; Melullis Rn. 1003; Teplitzky Kap. 22 Rn. 14. 1054 Kritisch auch Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.72 und 1.77; differenzierend Fezer/Büscher § 8 Rn. 11, der eine vorbeugende Beseitigungsklage im Fall einer Zeichenanmeldung, die noch nicht zu einer Registereintragung geführt hat, zulassen möchte, einen umfassenden vorbeugenden Beseitigungsanspruch hingegen ablehnt; eingehend hierzu Gloy/Loschelder/Erdmann/Fritzsche § 79 Rn. 62. 1055 RG 14.8.1941 – II 49/41 – RGZ 168, 321, 325; BGH 16.12.1964 – VIII ZR 47/63 – NJW 1965, 440, 441; BGH 13.3.2003 – IX ZR 181/99 – NJW-RR 2003, 850, 856; BGH 12.7.2006 – VIII ZR 235/04 – NJW-RR 2006, 1485, 1486; MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 259 Rn. 4; Musielak/Foerste § 259 Rn. 2. 1056 Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 143. 1057 BGH 14.12.1998 – II ZR 330/97 – NJW 1999, 954, 955; Musielak/Foerste § 259 Rn. 2. 1058 Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 147. 1059 Vgl. hierzu Rn. 51 ff.

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c) Prozessuale Behandlung1060 454

aa) Antragsformulierung. Wie für jede Klage ist auch für die Beseitigungsklage ein bestimmter Antrag (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Neben den allgemeinen Bestimmtheitsfragen im Wettbewerbsprozess1061 ist beim Beseitigungsanspruch die Konkretisierung der von dem Anspruchsgegner verlangten Beseitigungshandlung von besonderer Bedeutung. Regelmäßig wird es mehr als eine Handlungsmöglichkeit für den Beseitigungsschuldner geben. Ein wettbewerbswidriger Prospekt kann beispielsweise insgesamt vernichtet oder lediglich in den als problematisch erkannten Abschnitten geschwärzt werden.1062 Entscheidend für die erforderliche Antragsfassung ist hier das materielle Recht.1063 Richtet sich der Anspruch – wie regelmäßig – auf die Beseitigung eines wettbewerbswidrigen Zustandes schlechthin, muss dem Schuldner die Art und Weise der Beseitigung selbst überlassen bleiben.1064 Die Rechtsprechung1065 entscheidet hier freilich anders und gibt vielfach eine oder mehrere in Betracht kommende Beseitigungsmaßnahmen vor.1066 In der Entscheidung Radschutz1067 hatte der I. Zivilsenat eine Verurteilung akzeptiert, die dem Beklagten konkret aufgegeben hatte, bestimmte Passagen eines Prospekts nach seiner Wahl unkenntlich zu machen, den Prospekt zu vernichten oder die getroffenen Sachaussagen zu widerrufen. Hierüber noch hinausgehend verlangte der BGH in einer späteren Entscheidung1068 aus Bestimmtheitsgründen eine Festlegung der konkret begehrten Beseitigungsmaßnahme in Klageantrag und Urteil. Dem entspricht es, wenn für die Fassung eines Widerrufstenors die Bindung des Gerichts an die Antragsfassung (§ 308 Abs. 1 ZPO) betont und eine möglichst exakte Bestimmung der zu widerrufenden Aussage verlangt wird.1069 Eine Konkretisierung auf eine bestimmte Beseitigungshandlung wäre zwar bei abstrakter Betrachtung wünschenswert, da sie vermeidet, den Streit über die geschuldete Handlung in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern. Das Prozessrecht dient jedoch allein der Verwirklichung des materiellen Rechts und kann keine zusätzlichen Anspruchspositionen für den Kläger schaffen oder den Handlungsspielraum des Beklagten über das materielle Recht hinaus einschränken.1070 Es ist nicht zu verkennen, dass bei einem Beseitigungsantrag, der dem Beklagten die Auswahl des geeigneten Mittels bzw. der Art und Weise der Beseitigung überlässt, leicht Streit darüber entstehen kann, ob der Schuldner vollständig erfüllt hat. Aus diesem Grund die in Betracht kommenden Beseitigungshandlungen nach Haupt- und Hilfsanträgen zu staffeln,1071 würde zwar das Bestimmtheitsproblem lösen, aber zugleich den Spielraum des Schuldners ohne Grundlage im materiellen Recht einschränken.1072 Die Angabe eines konkreten Beseitigungsmittels ist danach nur zu verlangen, wenn es auch materiell-rechtlich lediglich einen Weg zur

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1060 Zu vollstreckungsrechtlichen Fragen vgl. § 12 Rn. 898 ff. 1061 Vgl. hierzu Rn. 67 ff. 1062 BGH 12.3.1954 – I ZR 201/52 – GRUR 1954, 337, 342 – Radschutz. 1063 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.84; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 5. 1064 OLG Stuttgart 6.8.1998 – 2 W 6/98 – NJW-RR 1999, 792; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.81; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Fritzsche § 79 Rn. 70; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 81 m.w.N.; Melullis Rn. 1005; a.A. Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 210 f.; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 5. 1065 Nachweise bei Teplitzky Kap. 24 Rn. 7 mit Fn. 16. 1066 In diesem Sinne auch § 12 Rn. 899. 1067 BGH 12.03.1954 – I ZR 201/52 – GRUR 1954, 337, 342. 1068 BGH 31.05.1957 – I ZR 163/55 – GRUR 1958, 30, 32 – Außenleuchte. 1069 BGH 12.03.1992 – I ZR 58/90 – GRUR 1992, 527, 529 – Plagiatsvorwurf II. 1070 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.84 f. 1071 Teplitzky Kap. 24 Rn. 8. 1072 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.52.

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Beseitigung der Störung gibt.1073 Im Einzelfall kann es erforderlich sein, mehrere Beseitigungsmöglichkeiten mit dem Zusatz, dass der Beklagte das Wahlrecht zwischen diesen hat, im Antrag ausdrücklich zu nennen, wenn dies die einzigen vernünftigerweise in Betracht kommenden Beseitigungshandlungen sind und die Wahlfreiheit des Schuldners nicht über das materielle Recht hinaus eingeschränkt wird.1074 Es wäre allerdings verfehlt, wenn man von den dargestellten Sonderfällen einer ausnahmsweise erforderlichen Konkretisierung der begehrten Beseitigungshandlung ableiten wollte, dass der Kläger regelmäßig zu einer solchen Konkretisierung auch verpflichtet sei. Das ist gerade nicht der Fall.1075 Grundlage der ausnahmsweise bestehenden Pflicht, die begehrte Beseitigung näher zu konkretisieren, ist § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der einen bestimmten Klageantrag verlangt, um den Streitgegenstand festzulegen. Der Streitgegenstand wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes1076 auch im Wettbewerbsprozess durch den wesentlichen Kern1077 des historischen Lebensvorgangs bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren der Klagepartei bezieht, unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen dieses Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs kannten und hätten vortragen können. Eine Mehrzahl von Streitgegenständen, die angesichts des Verbots der alternativen Klagebegründung1078 durch eine entsprechend bestimmte Antragsfassung voneinander abgegrenzt werden müssten, liegt deshalb nur dann vor, wenn das materielle Recht die aus dem historischen Lebenssachverhalt folgenden Ansprüche unterschiedlich ausgestaltet und dadurch auch die einzelnen Lebensvorgänge rechtlich verselbständigt.1079 Bei der Beseitigungsklage wird das Rechtsschutzbegehren des Klägers durch den fortdauernden Störungszustand geprägt. Hieran knüpft das materielle Recht einen einheitlichen Beseitigungsanspruch (§ 8 Abs. 1 UWG), der solange allein mit dem angestrebten Beseitigungserfolg hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) beschrieben ist, wie nicht die in Betracht kommenden Beseitigungshandlungen so unterschiedlich ausgestaltet sind, dass die Identität des weit verstandenen Lebenssachverhaltes zerstört wird. Wenn es nach materiellem Recht nur eine Möglichkeit gibt, den Störungszustand zu beseitigen, wird die Identität des anspruchsbegründenden Lebenssachverhaltes durch die hieraus abgeleitete Rechtsfolge mitbestimmt. Erst die bestimmte Angabe auch der Rechtsfolge ergibt dann einen bestimmten Antrag. Hier ist deshalb zu verlangen, dass der Kläger die begehrte Beseitigungshandlung in den Antrag mit aufnimmt. Das trifft insbesondere für den Widerrufsanspruch gegenüber unrichtigen Tatsachenbehauptungen zu. Bei einem komplexen Text, der rechtsverletzende Aussagen enthält, muss der

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1073 Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 139; Fezer/Büscher § 12 Rn. 41; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.52; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 81; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 74; im Rahmen einer Unterlassungsklage ist nicht anzugeben, welches positive Tun notwendig ist: BGH 4.2.1993 – I ZR 42/91 – GRUR 1993, 556, 557; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 5; Teplitzky Kap. 24 Rn. 8. 1074 BGH 12.3.1954 – I ZR 201/52 – GRUR 1954, 337, 338 – Radschutz; Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 139; Gloy/Loschelder/Erdmann/Fritzsche § 79 Rn. 70; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.52; Ahrens/ Loewenheim Kap. 73 Rn. 5; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 81; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 75; Teplitzky Kap. 24 Rn. 8. 1075 A.A. § 12 Rn. 899. 1076 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11 – GRUR 2013, 401 Tz. 19 mit Anm. Teplitzky – Biomineralwasser. 1077 Die Formulierung des BGH (Urteil vom 13.9.2012 – I ZR 230/11 – GRUR 2013, 401 Tz. 19 – Biomineralwasser) ist insoweit missverständlich, als der I. Zivilsenat dort auf den „gesamten“ historischen Geschehensablauf abstellt. Aus dem Kontext der Entscheidungsgründe ergibt sich jedoch, dass der „wesentliche Kern“ des Lebenssachverhalts gemeint gewesen sein muss, vgl. Teplitzky GRUR 2013, 408. 1078 BGH 17.8.2011 – I ZR 108/09 – GRUR 2011, 1043 Tz. 37 – TÜV II. 1079 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11 – GRUR 2013, 401 Tz. 20 mit Anm. Teplitzky – Biomineralwasser.

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§ 12

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Kläger konkret angeben, hinsichtlich welcher Aussagen er einen Widerruf beansprucht. Denn der Umfang des begehrten Widerrufs bestimmt, welche Aussagen und damit auch welcher Aussagetenor vom Beklagten weiter verwendet werden darf. Der Umfang und die Art und Weise des begehrten Widerrufs bedingt in diesen Fällen eine Separierung des streitgegenständlichen Lebenssachverhaltes. Von dieser Konstellation einer rechtlich notwendigen Konkretisierung der geschuldeten Beseitigungshandlung sind die Fälle zu unterscheiden, in denen eine solche Angabe zweckmäßig sein kann. Wird der Streitgegenstand – wie regelmäßig – durch die geschuldeten Beseitigungshandlung nicht mitbestimmt, kann es für den Kläger dennoch sinnvoll sein, konkrete Angaben zu machen. Genauso wie es dem Unterlassungskläger freisteht,1080 mehrere in einem Lebenssachverhalt verwirklichte Rechtsverletzungen im Wege der kumulativen Klagehäufung gesondert anzugreifen oder den Umfang des Klageangriffs entsprechend einzuschränken, muss es auch möglich sein, auf der Rechtsfolgenseite Einschränkungen vorzunehmen und beispielsweise nur zwei in Betracht kommende Beseitigungshandlungen konkret geltend zu machen. bb) Insbesondere: Die Widerrufsklage. Wird der Widerruf einer Äußerung verlangt, muss der Adressatenkreis der Widerrufserklärung aus Bestimmtheitsgründen benannt werden.1081 Der Inhalt der Widerrufserklärung als solcher muss im Antrag nur dann benannt werden, wenn es lediglich einen möglichen Weg zur Erfüllung der Widerrufsverpflichtung gibt oder die Art und Weise des Widerrufs den Streitgegenstand bestimmt. Ansonsten muss die Art und Weise der Erfüllung der Wahl des Schuldners überlassen bleiben. Soweit dies zweifelhaft sein kann, ist im Antrag klarzustellen, dass Werturteile ausgenommen sind.1082 Der Beseitigungstenor darf nicht weiter reichen als die materiellrechtliche Beseitigungspflicht des Schuldners.1083 Ergibt sich als Ergebnis eines beantragten Widerrufs als unwahr eine Unsicherheit über den Inhalt der betroffenen Äußerung, sind ergänzende Zusätze des Schuldners gestattet.1084 456 Die Durchsetzung eines uneingeschränkten Widerrufs setzt eine Verhältnismäßigkeitsabwägung voraus.1085 Nur dann, wenn mildere Mittel nicht ausreichen, kann der Gläubiger verlangen, dass der Schuldner eine Äußerung durch Widerruf zurücknimmt. Eine vermeidbare und erst recht eine als Selbstzweck angestrebte Demütigung des Schuldners sind jedoch niemals erforderlich, um einen fortdauernden Störungszustand zu beseitigen. Die Demütigung des Schuldners geht über den legitimen Inhalt eines Beseitigungsanspruchs hinaus und kann daher auch nicht verlangt werden. Bedenkt man, dass der Gläubiger nur die Beendigung eines fortdauernden Stö457 rungszustandes verlangen kann, erscheint der eingeschränkte Widerruf und die mit ihm verbundene Klarstellung der Sachlage als nachgerade prototypische Beseitigungshandlung. Wenn der Schuldner erklärt, er halte eine bestimmte Äußerung nicht aufrecht, gibt er von ihm – zu Unrecht – beanspruchten wettbewerblichen Handlungsspielraum frei. Eine fortwirkende Inanspruchnahme solchen Handlungsspielraums ist aber nach der hier vertretenen Auffassung für einen (quasi-negatorischen) Beseitigungsan455

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1080 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11 – GRUR 2013, 401 Leitsatz 1 – Biomineralwasser. 1081 BGH 1.12.1965 – Ib ZR 155/63 – GRUR 1966, 272, 273 f. – Arztschreiber; Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 140; Ahrens/Loewenheim Kap. 73 Rn. 13. 1082 BGH 12.3.1992 – I ZR 58/90 – GRUR 1992, 527, 529 – Plagiatsvorwurf II; Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 141. 1083 BGH 29.9.1965 – Ib ZR 88/63 – GRUR 1966, 35, 38 – multikord; BGH 26.9.1980 – I ZR 69/78 – GRUR 1981, 60, 64 – Sitex; Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 141; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.53. 1084 HansOLG Hamburg 27.3.2002 – 5 U 206/01 – GRUR-RR 2002, 298, 299 – PC-Spiele-Magazin. 1085 Teplitzky Kap. 26 Rn. 10.

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spruch vorausgesetzt. Freilich kommt ein eingeschränkter Widerruf nur gegenüber Tatsachenbehauptungen in Betracht.1086 Bei Werturteilen ist es ausgeschlossen, die Sachlage richtigzustellen. Zudem kann ein eingeschränkter Widerruf nur vom Schuldner selbst ausgesprochen und nicht durch das Urteil1087 ersetzt werden.1088 Aus dem Presserecht ist neben dem eingeschränkten Widerruf die Gegendarstel- 458 lung geläufig. An die Stelle einer Korrektur durch den in Anspruch genommenen Verletzer tritt hier die Veröffentlichung einer entgegengesetzten Aussage des Verletzten selbst. Die zunehmende Bedeutung der Gegendarstellung als Spielart des quasi-negatorischen Beseitigungsrechtsschutzes erscheint außerhalb des Presserechts jedoch intuitiv unrichtig. Im Presserecht eröffnet der Anspruch auf Gegendarstellung dem Betroffenen einen gesicherten Zugang zu dem Medium, mit dem die ihn beeinträchtigende Äußerung verbreitet worden war. Er kann so mit seiner Gegenäußerung denselben Adressatenkreis erreichen. Presserechtlich kann durch die Gegendarstellung ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen den prinzipiell gleichrangigen und jeweils verfassungsrechtlich verbürgten Freiheitsrechten von Presse und Betroffenem gewährleistet werden. Bei einer Störung des Leistungswettbewerbs durch Äußerungen ist ein Gegendarstellungsanspruch zunächst nicht deshalb erforderlich, um dem Betroffenen den Zugang zu einem bestimmten Äußerungsmedium zu eröffnen. Jeder Betroffene kann auch ohne materiell-rechtliche oder gerichtliche Ermächtigung seine Sicht der Dinge in der ihm geeignet erscheinenden Art und Weise darstellen. Dementsprechend werden die Adressaten der Gegendarstellung des Betroffenen auch keine der richtigzustellenden Äußerung überlegene Richtigkeitsgewähr beimessen. Allerdings scheint die Rechtsprechung – jedenfalls unter Schadensersatzgesichtspunkten – ein Stufenverhältnis zwischen Widerruf, eingeschränktem Widerruf und Gegendarstellung anzunehmen, wobei die Gegendarstellung den Rechtsbehelf mit der geringsten Eingriffsintensität bildet.1089 Die Übertragung dieses eigens presserechtlichen Instrumentariums auf das Wettbewerbsrecht wäre nicht sachgerecht. Die Gegendarstellung beseitigt die von einer wettbewerbswidrigen Behauptung ausgehenden Störungen überhaupt nicht und ist daher als Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs ungeeignet. Denn die fortdauernde Störung besteht gerade darin, dass der Störer eine ihm rechtlich nicht zukommende wettbewerbliche Handlungsfreiheit beansprucht. Ohne hoheitliche Zurückweisung dieser Grenzüberschreitung besteht die Störung fort und dem eine Gegendarstellung abgebenden Betroffenen bliebe nur die Hoffnung, dass sich seine Position durchsetzt. Aus anwaltlicher Vorsicht dürfte es sich regelmäßig empfehlen, wegen der Gegendarstellungsansprüche als Ausweg begünstigenden Rechtsprechung neben einem (ggf. eingeschränkten) Widerruf eine Verurteilung zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung im Wege eines Hilfsantrages zu verlangen. Dies mag psychologisch die Neigung des Gerichts fördern, als eine Art Kompromiss unter Zurückweisung weitergehender Anträge die Gegendarstellung zuzusprechen. Rechtlich fassbar wäre eine solche Ausweichtendenz indessen nicht. cc) Vollstreckung.1090 Die Vollstreckung eines Beseitigungstitels richtet sich zu- 459 nächst nach dem Inhalt der geschuldeten Beseitigungshandlung. Der Gläubiger kann die

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Teplitzky Kap. 26 Rn. 18. Zur Vollstreckung von Widerrufsansprüchen vgl. allgemein auch § 12 Rn. 906. Teplitzky Kap. 26 Rn. 18. Nachweise bei Teplitzky Kap. 26 Rn. 20, Fn. 60 und 63. Hierzu allgemein § 12 Rn. 894 ff.

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verlangte Beseitigungshandlung in seinem Antrag bezeichnen, er muss dies aber nur dann tun, wenn die Beseitigungshandlung zur Bestimmung des Streitgegenstandes erforderlich ist. 1091 Grundsätzlich genügt für das Erkenntnisverfahren die Angabe des Rechtsschutzziels, sofern nicht aus Gründen des materiellen Rechts eine bestimmte Beseitigungshandlung als Rechtsfolge zu einer erkennbaren Differenzierung der Sachverhaltsgrundlagen (Lebenssachverhalt) führt.1092 Wenn ein nur das Beseitigungsziel benennender Antrag den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt, muss er auch taugliche Grundlage für ein hieraus zu betreibende Zwangsvollstreckung sein. Hiervon zu unterscheiden sind die Anforderungen, die an Anträge des Gläubigers im Vollstreckungsverfahren zu stellen sind.1093 Das Vollstreckungsgericht kann beispielsweise über den Antrag auf eine Ermächtigung zur Ersatzvornahme und Kostenvorschuss (§ 887 Abs. 2 ZPO) nur dann sachgerecht entscheiden, wenn die konkrete Maßnahme, zu deren Vornahme der Gläubiger ermächtigt werden soll, im Vollstreckungsantrag bezeichnet wird.1094 Auch kann nur anhand eines konkreten, bestimmten Antrags beurteilt werden, ob die Handlung, deren Vornahme der Gläubiger erzwingen will, vertretbar oder unvertretbar ist. Das bedeutet nicht, dass an Anträge im Vollstreckungsverfahren „höhere“ Anforderungen als im Erkenntnisverfahren zu stellen wären.1095 Die Bestimmtheitsanforderungen sind vielmehr je nach Verfahrensstadium unterschiedlich. Ein Schuldner, der materiell die Beseitigung einer fortwirkenden Störungsursache schuldet, kann im Erkenntnisverfahren regelmäßig nicht gezwungen werden, eine bestimmte von mehreren in Betracht kommenden und für das Klägerinteresse gleichwertigen Maßnahmen zu wählen, weil der Gläubiger materiell-rechtlich keinen Anspruch auf eine konkrete Beseitigungshandlung, sondern nur auf den Beseitigungserfolg hat. Das grundsätzlich bestehende Wahlrecht des Schuldners unter mehreren gleich geeigneten Beseitigungsmitteln geht bei einer vertretbaren Handlung erst dann auf den Gläubiger über, wenn er einen bestimmten Antrag auf Ermächtigung zur Ersatzvornahme stellt. Da dieser Antrag den Titelinhalt für die Zwecke der Vollstreckung konkretisiert, muss er die betroffene Maßnahme genau bezeichnen. Besteht die erforderliche Beseitigungshandlung in einer rechtsgeschäftlichen Erklä460 rung des Schuldners oder in einer Verfahrenshandlung (z.B. Zustimmung zur Löschung einer Registereintragung), erfolgt die Vollstreckung nach § 894 ZPO. Da die Vollstreckung im Rahmen des § 894 ZPO ohne zusätzliche Verfahrenshandlung des Vollstreckungsgerichts über eine Abgabefiktion erfolgt, muss die Schuldnererklärung bereits im Erkenntnisverfahren konkret bezeichnet werden. Der Beseitigungserfolg kann hier nur auf einem Wege (bestimmte Erklärung des Schuldners) erreicht werden. Damit wirken die vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen in das Erkenntnisverfahren hinein und müssen bereits bei der Antragstellung beachtet werden. Die Verurteilung zur Beseitigung muss im Tenor die zu beseitigende Störung eindeu461 tig beschreiben. Die Vollstreckung erfolgt grundsätzlich nach § 888 Abs. 1 ZPO. Der Widerruf ist eine nicht vertretbare Handlung, da nur eine Gegenäußerung gerade des Schuldners die fortdauernde Störung beseitigen kann. Anders als im Rahmen der Unterlassungsvollstreckung (§ 890 ZPO) findet eine Androhung des Zwangsmittels nicht statt.1096

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1091 1092 1093 1094 1095 1096

Vgl oben Rn. 454. BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11 – GRUR 2013, 401 Tz. 19 f. mit Anm. Teplitzky – Biomineralwasser. OLG Stuttgart 6.8.1998 – 2 W 6–98 – NJW-RR 1999, 792. OLG Stuttgart 6.8.1998 – 2 W 6–98 – NJW-RR 1999, 792. Vgl. die Nachweise bei Teplitzky Kap. 58 Rn. 5 mit Fn. 11. Musielak/Lackmann § 888 ZPO Rn. 10.

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Aus pragmatischen Erwägungen wurde vielfach vertreten,1097 dass eine Vollstre- 462 ckung des Widerrufstenors über § 894 ZPO (in analoger Anwendung) vorzugswürdig sei. Zwar erspart die Erklärungsfiktion des § 894 ZPO dem Schuldner die in der persönlichen Abgabe der Erklärung häufig liegende Unannehmlichkeit. Allerdings korrespondiert der Erleichterung für den Schuldner eine verringerte Rechtsschutzintensität für den Gläubiger. Anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 894 ZPO ist die Fiktion der Abgabe der verlangten Erklärung nicht notwendig gleichbedeutend mit deren Abgabe gerade durch den Schuldner. Während beispielsweise ein Anspruch auf Abgabe einer grundbuchrechtlichen Eintragungsbewilligung ohne Rechtsverlust für den Gläubiger nach § 894 ZPO vollstreckt werden kann, ist die Beseitigungswirkung einer nur fingierten Widerrufserklärung mangels unmittelbarer Distanzierung des Verrufers geringer.1098 Neben der Zurücksetzung der Gläubigerinteressen spricht gegen die Heranziehung des § 894 ZPO, dass es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Das Gesetz sieht eine Vollstreckung unvertretbarer Handlungen in § 888 Abs. 1 ZPO vor. Der Ausweg über die für rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen gedachten Bestimmung des § 894 ZPO ist deshalb versperrt. Eine Vollstreckung über § 894 ZPO könnte zudem nur die eigentliche Widerrufserklärung erfassen. Sofern der Widerruf in einer bestimmten Weise oder gegenüber bestimmten Adressaten erfolgen muss, um die fortwirkende Störung zu beseitigen, scheidet eine Vollstreckung nach § 894 ZPO von vornherein aus. Schließlich könnte eine in einem Prozessvergleich vereinbarte Widerrufserklärung keinesfalls nach der nur für Urteile geltenden Vorschrift des § 894 ZPO vollstreckt werden. Der Gläubiger müsste dann einen erneuten Leistungsprozess führen, nur um eine Vollstreckungsmöglichkeit über § 894 ZPO zu erlangen. Das würde den Gläubiger aber grundlos weiter benachteiligen. Es sollte daher bei der Vollstreckung von Widerrufstiteln über § 888 ZPO bleiben.1099 Das Vollstreckungsverfahren unterscheidet sich sodann danach, ob die von dem 463 Schuldner vorzunehmende Handlung vertretbar ist oder nicht (§§ 887, 888 ZPO).1100 Die Handlung ist nach allgemeinen Grundsätzen vertretbar, wenn sie ein Dritter mit gleichem wirtschaftlichem Ergebnis, d.h. ohne Nachteil für das Gläubigerinteresse vornehmen kann.1101 Vor der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts ist der Schuldner zu hören (§ 891 Abs. 1 Satz 2 ZPO). In Zweifelsfällen gibt das Gläubigerinteresse den Ausschlag.1102 Ist eine Mitwirkung des Schuldners erforderlich, zwingt dies nicht stets zur Annahme einer unvertretbaren Handlung, da auch die Anordnung von Maßnahmen nach § 892 ZPO in Betracht kommt, um den Widerstand des Schuldners zu brechen. Schuldet der Schuldner beispielsweise die Beseitigung einer als wettbewerbswidrig erkannten Fassadengestaltung,1103 ist zwar die Mitwirkung des Schuldners (Dulden der Einwirkung, Betreten seines Grundstücks etc.) erforderlich. Dies führt indessen nicht zur Annahme einer unvertretbaren Handlung, da die Mitwirkung des Schuldners durch § 892 ZPO ersetzt bzw. dessen Widerstand gebrochen werden kann. Die Vollstreckung erfolgt daher durch Ermächtigung des Gläubigers zur Ersatzvornahme. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

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1097 1098 1099 1100 1101 1102 1103

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Nachweise in der Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 183. Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.109; Teplitzky Kap. 26 Rn. 16. Jetzt ganz h.M.; vgl. dazu die Nachweise bei Teplitzky, Kap. 26 Rn. 16 in Fn. 49. Hierzu auch § 12 Rn. 904 ff. Vgl. die Kommentierungen zu §§ 887, 888 ZPO sowie § 12 Rn. 904 ff. Vorauflage/Jestaedt, Vor § 13 E Rn. 94; Teplitzky Kap. 58 Rn. 8. BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 616 – Gebäudefassade.

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erfordert, dass die Ermächtigung zur Ersatzvornahme auf die den Schuldner bei gleicher Erfolgsaussicht am wenigsten belastende Maßnahme beschränkt wird.1104 Der Vollstreckungstitel ermächtigt nach allgemeinen Regeln nur zu Eingriffen in Rechte des Schuldners. Ist die Mitwirkung eines Dritten erforderlich, kann eine Vollstreckung nur erfolgen, wenn der Dritte zustimmt oder aufgrund eines gegen ihn erwirkten Titels zur Duldung verpflichtet ist.1105 Die erforderliche Mitwirkung eines Dritten macht deshalb eine ansonsten vertretbare Handlung zu einer unvertretbaren, deren Vollstreckung über § 888 ZPO erfolgen muss.1106 Hier wird es oftmals zweckmäßig sein, einen zur Mitwirkung nicht bereiten Dritten unmittelbar auf Beseitigung in Anspruch zu nehmen.1107 Gegenüber der Vollstreckung eines Unterlassungstitels hat die Durchsetzung eines Beseitigungsanspruches den (möglichen) Nachteil, dass das Zwangsgeld bei unvertretbaren Handlungen auf € 25.000 beschränkt ist (§ 888 Abs. 1 Satz 2 ZPO); ein Betrag, der international tätige Unternehmen u.U. nicht notwendig zu einem titelgerechten Verhalten motivieren wird. Nach wie vor nicht abschließend geklärt ist, ob der Schuldner im Vollstreckungsverfahren die Erfüllung der geschuldeten Handlungspflicht einwenden kann. 1108 Der Bundesgerichtshof1109 lässt den Erfüllungseinwand zu, sofern er vor Rechtskraft eines Beschlusses im Rahmen der §§ 887 f. ZPO erhoben wird. Nach Rechtskraft eines solchen Beschlusses bleibt allein der Weg der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO).1110 Die Nichterfüllung der dem Schuldner obliegenden Handlungspflicht ist Tatbestandsvoraussetzung für die Festsetzung von Vollstreckungsmaßnahmen (vgl. § 887 ZPO: „Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen […]“). Daran ändert nichts, dass der Schuldner mit dem Erfüllungseinwand einen materiell-rechtlichen Einwand geltend macht.1111 Dennoch bleibt die materiell-rechtliche Natur des Erfüllungseinwandes für die Beweislastverteilung erheblich. Nach allgemeinen Regeln muss der Schuldner die Voraussetzungen für ein von ihm geltend gemachtes Erlöschen des Anspruchs durch Erfüllung nachweisen.1112 Obschon der Wortlaut des § 887 ZPO die Nichterfüllung als positive Zugangsvoraussetzung zu den Zwangsmaßnahmen der §§ 887 f. ZPO formuliert und damit den Gläubiger mit dem Nachweis zu belasten scheint, bestimmt sich die Beweislastverteilung nach dem materiellen Recht. Auch soweit der Erfüllungseinwand im Verfahren nach §§ 887 f. ZPO erhoben werden kann, fehlt einer gleichwohl erhobenen Vollstreckungsabwehrklage nicht das Rechtsschutzinteresse.1113 Mit der Vollstreckungsabwehrklage kann der Schuldner die Vollstreckbarkeit des Titels insgesamt beseitigen, während die Zurückweisung eines Antrags des Gläubigers nach §§ 887 f. ZPO den Titel in seinem Bestand unberührt lässt. dd) Kein Einfluss auf rechtlich verobjektivierte Verfahren. Die Unterbindung oder Beeinflussung von Verfahrenshandlungen des Beklagten ist kein zulässiges Rechts-

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1104 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.52. 1105 BGH 27.11.2008 – I ZB 46/08 – NJW-RR 2009, 443, 444. 1106 BGH 27.11.2008 – I ZB 46/08 – NJW-RR 2009, 443, 444. 1107 Teplitzky Kap. 58 Rn. 16. 1108 Hierzu auch § 12 Rn. 900. 1109 BGH 5.11.2004 – IXa ZB 32/04 – NJW 2005, 367, 369; BGH 26.4.2007 – I ZB 82/06 – NJW-RR 2007, 1475 Tz. 16; weitere Nachweise bei Teplitzky Kap. 58 Rn. 13 mit Fn. 25–27. 1110 Stein/Jonas/Brehm, § 887 ZPO Rn. 27; Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rn. 11. 1111 BGH 5.11.2004 – IXa ZB 32/04 – NJW 2005, 367, 369. 1112 BGH 26. 4. 2007 – I ZB 82/06 – NJW-RR 2007, 1475 Tz. 19. 1113 Kritisch Teplitzky Kap. 58 Rn. 13 mit Fn. 32.

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schutzziel einer Unterlassungsklage. Auch für die Beseitigungsklage gilt diese Beschränkung. Eine mit dem Ziel, in rechtlich verobjektivierte Verfahren einzugreifen, erhobene Beseitigungsklage ist deshalb unzulässig.1114 Die Berichtigung oder der Widerruf von Aussagen zum Stand der Technik in einer Patentschrift kann daher nicht aus §§ 4 Nr. 8, 3 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 UWG verlangt werden. Die Prüfung der Patentschrift obliegt allein den Patentbehörden bzw. den Rechtsmittelgerichten, die beispielsweise über eine Nichtigkeitsklage zu entscheiden haben.1115 Beseitigungsklagen, die diese Grenzen missachten, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Zum Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage auf Beseitigung, wenn bereits ein Unterlassungstitel vorliegt vgl. auch oben Rn. 51. 2. Feststellungsklage. Feststellungsklagen begegnen im Wettbewerbsprozess vor 469 allem als (positive) Schadensersatzfeststellungsklage und als (negative) Feststellungsklage gerichtet auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Unterlassungsanspruchs nach vorausgegangener Abmahnung.1116 Erhebliche Relevanz hat die Feststellungsklage auch in Fällen einseitiger Erledigung der Hauptsache, die zu einer Klageänderung auf Feststellung führt.1117 Streitgegenstand ist jeweils das Bestehen oder Nichtbestehen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses, also einer bestimmten, rechtlich geregelten Beziehung einer Person zu anderen Personen oder einer Person zu einer Sache.1118 Das schließt es aus, die Beantwortung von abstrakten Rechtsfragen (z.B. Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs des Beklagten bei Vornahme einer bestimmten Handlung seitens des Klägers) zum Gegenstand einer Feststellungsklage zu machen.1119 Das Rechtsverhältnis kann auch zu einem Dritten bestehen, wenn der Kläger auf dessen Feststellung gerade im Verhältnis zu dem Beklagten einen Anspruch hat.1120 Das den Gegenstand einer Feststellungsklage bildende Rechtsverhältnis muss im 470 Klageantrag so genau beschrieben werden, dass über seine Identität und den Umfang der Rechtskraft kein Zweifel bestehen kann.1121 Dabei dürfte es angesichts der Entscheidung Biomineralwasser1122 solange nicht auf die das Rechtsverhältnis prägenden Normen ankommen, wie nicht das materielle Recht die aus einem Lebenssachverhalt folgenden Ansprüche so unterschiedlich ausgestaltet, dass dadurch die einzelnen Lebensvorgänge auch rechtlich verselbständigt werden.1123 Das Gericht hat – wie sonst auch – auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken (§ 139 ZPO) und ggf. eine Konkretisierung des Feststellungsantrags anzuregen.1124 Gegenüber der rechtsschutzintensiveren Leistungsklage ist die Feststellungsklage 471 grundsätzlich subsidiär. Sofern der Kläger einen Leistungstitel erlangen kann, besteht regelmäßig kein rechtliches Interesse an der Feststellung. Zwar trifft es zu, dass auch die Leistungsklage ein Feststellungselement umfasst. Da aber nur die Feststellungsklage eine Vollstreckungsmöglichkeit gegenüber einem unwilligen Schuldner beinhaltet, muss es dem Beklagten insbesondere einer negativen Feststellungsklage unbenommen blei-

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1114 BGH 10.12.2009 – I ZR 46/07 – BGHZ 183, 309 = GRUR 2010, 253, 254 f. – Fischdosendeckel. 1115 BGH 10.12.2009 – I ZR 46/07 – BGHZ 183, 309 = GRUR 2010, 253, 255 – Fischdosendeckel. 1116 Teplitzky Kap. 52 Rn. 9 f. 1117 Vgl. hierzu die allgemeinen ZPO-Kommentare. 1118 BGH 7.6.2001 – I ZR 21/99 – GRUR 2001, 1036 – Kauf auf Probe. 1119 BGH 7.6.2001 – I ZR 21/99 – GRUR 2001, 1036 – Kauf auf Probe. 1120 BGH 30.3.2004 – KZR 24/02 – GRUR 2004, 616, 617 – Wegfall der Freistellung. 1121 BGH 22.11.2007 – I ZR 12/05 – GRUR 2008, 357 Tz. 21 – Planfreigabesystem; Teplitzky Kap. 52 Rn. 11a. 1122 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11 – GRUR 2013, 401 Tz. 20 mit Anm. Teplitzky – Biomineralwasser. 1123 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11 – GRUR 2013, 401 Tz. 20 mit Anm. Teplitzky– Biomineralwasser. 1124 Teplitzky Kap. 52 Rn. 11a.

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ben, seinerseits Leistungsklage zu erheben. Ein Vorrang der Feststellungsklage ist zudem auch deshalb ausgeschlossen, weil nur die Leistungsklage – nicht aber die Verteidigung gegen eine negative Feststellungsklage umgekehrten Rubrums – die Verjährung hemmt.1125 Aus Gründen der Prozessökonomie kann sich nach Rechtshängigkeit einer negativen Feststellungsklage eine Einschränkung des Gerichtsstandswahlrechts für eine Leistungsklage auf Unterlassung ergeben, wenn der Feststellungsbeklagte nicht unverzüglich nach Rechtshängigkeit der negativen Feststellungsklage umgekehrten Rubrums Leistungsklage in einem Wahlgerichtsstand erhebt. Eine verzögerte Erhebung der Leistungsklage beschränkt den Leistungskläger dann auf die Erhebung einer Leistungswiderklage im Feststellungsgerichtsstand. Erhebliche praktische Relevanz in Wettbewerbsprozessen hat die positive Feststellungsklage gerichtet auf die Feststellung einer Schadensersatzpflicht. Hier gelten im Grundsatz die allgemeinen Regeln. Ein Feststellungsinteresse besteht, wenn nach der Lebenserfahrung die Entstehung eines Schadens denkbar und möglich ist.1126 Bei Eingriffen in vermögenswerte Rechte ist ein Schaden nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher. Denn der Verletzte muss den Eingriff in seine Rechte nicht hinnehmen und kann Schadensersatz nach der Lizenzanalogie verlangen.1127 Sofern es sich bei der festzustellenden Ersatzpflicht um primäre Vermögensschäden handelt, soll nach einer von mehreren BGH-Senaten vertretenen Meinung die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts bereits Voraussetzung des Feststellungsinteresses und damit Sachentscheidungsvoraussetzung sein.1128 Das erscheint wenig überzeugend und steht auch imWiderspruch zur Rechtsprechung des I. und des X. Zivilsenats sowie des Kartellsenats.1129 Als Sachentscheidungsvoraussetzung für eine Schadensersatzfeststellungsklage ist nur zu verlangen, dass das den Schadensersatzanspruch tragende Rechtsverhältnis hinreichend konkretisiert ist und die allgemeinen Anforderungen an ein Feststellungsinteresse (z.B. Bestreiten der Einstandspflicht durch den Beklagten) gegeben sind. Nur wenn ein Schaden nach dem Klägervortrag als ausgeschlossen erscheint, ist das Feststellungsinteresse zu verneinen.1130 Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist ansonsten eine Frage der Begründetheit der Feststellungsklage. Die Klage auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht aus begangenem Wettbewerbsverstoß erfasst auch künftige Zuwiderhandlungen gegen einen korrespondieren Unterlassungstenor.1131 Die Schadensersatzfeststellungsklage ist funktional auf den Unterlassungsanspruch bezogen. Sie vermeidet, dass sich der Gläubiger nach erfolgreichem Abschluss des Unterlassungsprozesses in einem Schadensersatzprozess erneut mit der

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1125 Teplitzky Kap. 16 Rn. 39; allg. Meinung. 1126 BGH 23.4.1991 – X ZR 77/89 – GRUR 1992, 559 – Mikrofilmanlage; BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61, 63 – Preisvergleichsliste; BGH 6.3.2001 – KZR 32/98 – GRUR 2001, 849, 850 – RemailingAngebot; MünchKommUWG/Ehricke Vor § 12 Rn. 25; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.55. 1127 BGH 19.7.2007 – I ZR 93/04 – GRUR 2007, 887, 880 – Windsor Estate; weitere Nachweise bei Teplitzky Kap. 52 Rn. 29 mit Fn. 126–129. 1128 BGH 24.1.2006 – XI ZR 384/03 – NJW 2006, 830 Tz. 27 – Kirch/Deutsche Bank; BGH 15.10.1992 – IX ZR 43/92 – NJW 1993, 648, 653. 1129 BGH 23.4.1991 – X ZR 77/89 – GRUR 1992, 559 Leitsatz 1 – Mikrofilmanlage; BGH 6.7.1995 – I ZR 58/93 – GRUR 1995, 744, 749 – Feuer, Eis & Dynamit; BGH 6.3.2001 – KZR 32/98 – GRUR 2001, 849, 850 – Remailing-Angebot; vgl. dazu auch Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.55 und Teplitzky Kap. 52 Rn. 29 mit Fn. 126. 1130 Vgl. die Nachweise in der letzten Fn. 1131 BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02 – BGHZ 159, 66 = GRUR 2004, 755, 756 – Taxameter.

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Behauptung des Schuldners auseinandersetzen muss, sein Wettbewerbsverhalten sei nicht rechtswidrig gewesen. Ein solcher Einwand wäre ohne Feststellungsurteil möglich. Denn nach der Recht- 476 sprechung des BGH1132 soll von dem Unterlassungstitel keine Feststellungswirkung für einen nachfolgenden Schadensersatzprozess ausgehen.1133 Das zukunftsgerichtete Feststellungsurteil vermeidet dies. Die Richtigkeit der Annahme solcher Zukunftswirkung des Urteils auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht belegt folgende Kontrollüberlegung:1134 Wäre die Feststellungswirkung nur auf den Zeitpunkt der dem Urteil vorangehenden mündlichen Verhandlung bezogen, stünde der erfolgreiche Feststellungskläger im Ergebnis schlechter als der Gläubiger eines vertraglichen Unterlassungsversprechens. Bei Verletzung eines Unterlassungsverpflichtungsvertrages steht fest, dass der Schuldner rechtswidrig gehandelt hat. Ein entsprechendes Ergebnis muss auch im gerichtlichen Klageverfahren über die Verbindung des Unterlassungsantrages mit einer Schadensersatzfeststellung erreichbar sein.1135 Die Schadensersatzfeststellungsklage im Wettbewerbsprozess ist somit in gleicher Weise zukunftsgerichtet wie die Unterlassungsklage, auf die sie sich bezieht. Dem steht nicht entgegen, dass der Schadensersatzanspruch erst mit dem zugrunde liegenden Wettbewerbsverstoß entsteht.1136 Ebenso wie der Unterlassungsanspruch der Sache nach (über § 258 ZPO)1137 künftige Wettbewerbsverstöße erfasst, muss auch eine hieran anschließende Feststellung der Schadensersatzpflicht unter gleichen Voraussetzungen zulässig sein. Der BGH hat dies für Auskunftsansprüche, die auf künftige Verletzungshandlungen bezogen sind und Schadensersatzansprüche vorbereiten, anerkannt.1138 Für die Schadensersatzfeststellungsklage kann nichts anderes gelten.1139 Den Interessen des Schuldners ist dadurch Rechnung zu tragen, dass ihm eine Ab- 477 änderung nach Maßgabe von § 323 ZPO gestattet wird, die zugleich die Grenzen der Bindungswirkung eines entsprechenden Feststellungsurteils bestimmt.1140 3. Leistungsklage auf Schadensersatz. Die Leistungsklage auf Schadensersatz1141 ist 478 im Wettbewerbsprozess zwar selten, kommt aber durchaus vor. Ihre eher randständige Bedeutung beruht zunächst auf den – wirklichen oder vermeintlichen – Schwierigkeiten bei der Bestimmung der konkreten Schadenshöhe.1142 Dieser Befund ist an sich nicht selbstverständlich. Denn die materiell-rechtlichen (§ 252 S. 2 BGB) und verfahrensrechtli-

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1132 RG 3.7.1901 – I 141/01 – RGZ 49, 33, 36; RG 15.3.1939 – II 80/38 – RGZ 160, 163, 165 f.; BGH 17.3.1964 – Ia ZR 193/63 – BGHZ 42, 340 = GRUR 1965, 327, 329 ff. – Gliedermaßstäbe; BGH 2.5.2002 – I ZR 45/01 – GRUR 2002, 1046, 1047 – Faxkarte; Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 247; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.115. 1133 A.A. Grosch S. 379 ff.; Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 157. 1134 Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 157. 1135 Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 157. 1136 BGH 25.2.1992 – X ZR 41/90 – BGHZ 117, 264 = GRUR 1992, 612, 616 – Nicola; BGH 19.7.2007 – I ZR 93/04 – BGHZ 173, 269 = GRUR 2007, 877, 879 – Windsor Estate. 1137 Auf § 259 ZPO kann nicht abgestellt werden, weil für eine Klage auf künftige Leistung nach dieser Vorschrift vorausgesetzt ist, dass das Bestehen des Anspruches selbst feststeht. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da die Schadensersatzfeststellungsklage auf den Unterlassungstitel bezogen ist, bei dem notwendig offen bleibt, ob es künftig zu Verstößen kommt. 1138 BGH 25.2.1992 – X ZR 41/90 – BGHZ 117, 264 = GRUR 1992, 612, 616 – Nicola; BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02 – BGHZ 159, 66 = GRUR 2004, 755, 756 – Taxameter; BGH 19.7.2007 – I ZR 93/04 – BGHZ 173, 269 = GRUR 2007, 877, 878 f. – Windsor Estate. 1139 BGH 25.2.1992 – X ZR 41/90 – BGHZ 117, 264 = GRUR 1992, 612, 616 – Nicola; BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02 – BGHZ 159, 66 = GRUR 2004, 755, 756 – Taxameter. 1140 Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 149, 156 f. 1141 Zur Gewinnabschöpfung vgl. die Kommentierung zu § 10. 1142 Ausführlich Teplitzky GRUR 1987, 215 ff.; ders. Kap. 52 Rn. 30 ff.; Ahrens/Loewenheim Kap. 69 Rn. 3–8.

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chen (§ 287 ZPO) Instrumentarien würden, sofern nicht bereits Erleichterungen wie die Erweiterung der Lizenzanalogie auf bestimmte Fallgestaltungen in Frage kommen,1143 durchaus das Potential für eine größere Bedeutung dieses Rechtsbehelfs bieten.1144 Soweit dem Kläger eine Bezifferung des konkret entstandenen Schadens im Einzelnen nicht möglich ist, kommt zudem eine Leistungsklage ohne bezifferten Antrag als Ausweg in Betracht,1145 die sonst im Rahmen des Gewinnabschöpfungsanspruchs nach § 10 UWG diskutiert wird.1146 Freilich ist bei diesen Erleichterungen stets zu bedenken, dass sie nur dazu dienen können, die Durchsetzung eines bestehenden Schadens in der Praxis zu ermöglichen. Wenn ein Schaden aber tatsächlich konkret nicht entstanden (und nicht nur nicht nachweisbar) ist, helfen auch keine Darlegungs- und Durchsetzungserleichterungen. Die Dynamik des Leistungswettbewerbs und das grundsätzliche Fehlen eines schutzfähigen „Besitzstandes“ können dazu führen, dass es an einem konkreten Schaden eines von Wettbewerbsverstößen betroffenen Mitbewerbers überhaupt fehlt. Die Schwierigkeit der Bezifferung eines konkreten wettbewerblichen Schadens kann deshalb sowohl Ausdruck der bestehenden Durchsetzungsschwierigkeiten sein als auch das Fehlen eines ersatzfähigen Schadens indizieren. Zum wettbewerblichen Schadensersatzanspruch muss an dieser Stelle jedoch auf die Kommentierung zu § 9 UWG verwiesen werden. Wenn ein Schaden aber überhaupt fehlen kann oder sogar wahrscheinlich fehlt, ist ein zurückhaltender Einsatz von Schätzungsmöglichkeiten durchaus sachgerecht, da auf diese Weise das Risiko einer „Schätzung“ eines überhaupt fehlenden Schadens begrenzt wird. Kann ein wettbewerblicher Schaden hingegen ganz oder für abgrenzbare Teilberei479 che (insbes. Zahlung einer Vertragsstrafe oder für Kosten der Rechtsverfolgung) beziffert werden, ist eine (Teil-)Leistungsklage erforderlich, für die die allgemeinen Regeln gelten. Für eine Schadensersatzfeststellungslage fehlt das Feststellungsinteresse, soweit eine Bezifferung eines abgrenzbaren Teilschadens möglich ist. Soweit eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO in Betracht kommt,1147 muss der Kläger jedenfalls die Grundlagen der Schätzung unter Ausschöpfung ihm zu Gebote stehender Substantiierungsmöglichkeiten darlegen und an dem Beweisverfahren mitwirken.1148 480

4. Klage auf Auskunft und Rechnungslegung. Die materiell-rechtlichen Grundlagen der wettbewerblichen Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung werden im Rahmen der Kommentierung zu § 8 UWG behandelt.1149 Gegenstand der folgenden Erörterungen sind allein prozessuale Besonderheiten ihrer Durchsetzung.

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a) Einführung und Rechtsgrundlage. Auskunftsansprüche bereiten die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen, Gewinnabschöpfungsansprüchen, Beseitigungsansprüchen und weiteren Nebenansprüchen vor.1150 Anspruchsgegner des vorzuberei-

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1143 Hierzu § 9 Rn. 92. 1144 So bereits eingehend Teplitzky GRUR 1987, 215 ff.; ders. Kap. 52 Rn. 30 ff. 1145 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.57; Fezer/Büscher § 12 Rn. 315. 1146 Z.B. Harte/Henning/Goldmann § 10 Rn. 151. 1147 Hierzu § 10 Rn. 195 ff. 1148 BGH 18.2.1977 – I ZR 112/75 – GRUR 1977, 539, 542 – Prozessrechner; BGH 6.3.1980 – X ZR 49/78 – BGHZ 77, 16 = GRUR 1980, 841, 842 f. – Tolbutamid; BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – BGHZ 119, 20 = GRUR 1993, 55, 59 – Tchibo/Rolex II; BGH 6.2.2007 – X ZR 117/04 – GRUR 2007, 532, 533 – Meistbegünstigungsvereinbarung; Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 143; Ahrens/Loewenheim Kap. 69 Rn. 8; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 82; Teplitzky Kap. 38 Rn. 15 f., Kap. 52 Rn. 33 ff. 1149 Vgl. § 8. 1150 BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 910 – Filialleiterfehler; BGH 6.3.2001 – KZR 32/98 – GRUR 2001, 849, 851 – Remailing-Angebot; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26 = GRUR 2001, 841,

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tenden Schadensersatz- oder sonstigen Nebenanspruches können neben dem Auskunftsschuldner auch dessen gewerbliche Abnehmer sein (sog. Drittauskunft). Im Fall der Drittauskunft ist das Vermögen des Auskunftsschuldners von dem geltend gemachten Anspruch nicht betroffen, so dass auch seine Insolvenz nicht zur Unterbrechung (§ 240 ZPO) des Drittauskunftsverfahrens führt.1151 Auskunftsansprüche über Vertriebs- und Absatzwege kommen als sog. Drittauskunft 482 nur in Betracht, wenn dies – wie beim ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz – zur Vorbereitung von Schadensersatz- und/oder Unterlassungsansprüchen gegen gewerbliche Abnehmer des Anspruchsgegners erforderlich ist.1152 Die Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlung soll dagegen Ansprüche gegen den Auskunftsschuldner selbst vorbereiten. Daran anschließende Rechnungslegungsansprüche dienen unmittelbar der Bezifferung von möglichen Ersatzansprüchen gegen den Unterlassungsschuldner wegen dessen wettbewerbswidrigen Verhaltens. Verfahren, die Ansprüche auf Auskunftserteilung über von dem Auskunftsschuldner selbst vorgenommene Verletzungshandlungen betreffen, werden durch die Insolvenz des Auskunftsschuldners unterbrochen.1153 Rechtsgrundlage für (akzessorische) Auskunftsansprüche ist sowohl im Falle der 483 Auskunft über Verletzungshandlungen des Unterlassungsschuldners wie im Falle der Drittauskunft über Vertriebswege und Bezugsquellen jeweils § 242 BGB in Verbindung mit dem Unlauterkeitstatbestand, der den Hauptanspruch, dessen effektiver Verwirklichung die Auskunft dienen soll, legitimiert.1154 Da es an einer rechtsgeschäftsähnlichen Sonderverbindung zwischen Auskunftskläger und -beklagtem regelmäßig fehlt, kommt als Hauptanspruch regelmäßig ein Schadensersatzanspruch aufgrund Wettbewerbsverstoßes in Betracht. Im Einzelfall kann ein – verschuldensunabhängiger – Beseitigungsanspruch als Hauptanspruch ausreichen.1155 Der – mittlerweile schon als Gewohnheitsrecht anerkannte1156 – Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben ist notwendig, weil der Auskunftsanspruch im UWG nicht ausdrücklich geregelt und eine analoge Anwendung der durch das Produktpirateriegesetz1157 geschaffenen sondergesetzlichen Regelungen1158 nach h.M. ausgeschlossen ist.1159 Nach allgemeinen Regeln kann im Rahmen jedes Rechtsverhältnisses Auskunft über diejenigen Tatsachen nach Treu und Glauben verlangt werden, die der Gläubiger zur Durchsetzung seiner Rechte kennen muss und über die er in entschuldbarer Weise im Ungewissen ist.1160

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842 f. – Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH 1.10.2009 – I ZR 94/07 – GRUR 2010, 343, 344 – Oracle; Fezer/Büscher § 8 Rn. 307; Teplitzky Kap. 38 Rn. 5. 1151 BGH 1.10.2009 – I ZR 94/07 – GRUR 2010, 343, 344 – Oracle; Fezer/Büscher § 8 Rn. 311. 1152 BGH 1.10.2009 – I ZR 94/07 – GRUR 2010, 343, 346 – Oracle. 1153 BGH 1.10.2009 – I ZR 94/07 – GRUR 2010, 343, 344 – Oracle. 1154 BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322 – GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif; vgl. auch BGH 1.10.2009 – I ZR 94/07 – GRUR 2010, 343, 345 – Oracle. 1155 BGH 18.2.1972 – I ZR 82/70 – GRUR 1972, 558, 560 – Teerspritzmaschinen; BGH 23.2.1995 – I ZR 75/93 – GRUR 1995, 427, 428 – Schwarze Liste. 1156 So bereits BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980, 227, 232 – Monumenta Germaniae Historica. 1157 BGBl. 1990 I, 422. 1158 § 19 MarkenG, § 46 GeschMG, § 140b PatG, § 24b GebrMG. 1159 BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980, 227, 232 – Monumenta Germaniae Historica; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322 – GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26 = GRUR 2001, 841, 842 – Entfernung der Herstellungsnummer II; Fezer/Büscher § 8 Rn. 307; Ahrens/Loewenheim Kap. 72 Rn. 1; Teplitzky Kap. 38 Rn. 5. 1160 BGH 5.6.1985 – I ZR 53/83 – BGHZ 95, 274 = GRUR 1986, 62, 64 – GEMA-Vermutung I; BGH 14.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 329 – GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26 = GRUR 2001, 841, 843 – Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH 6.2.2007 – X ZR 117/04 – GRUR 2007, 532, 533 – Meistbegünstigungsvereinbarung; Ahrens/Loewenheim Kap. 72 Rn. 1.

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Auf Grundlage des § 242 BGB ist das Bestehen einer Sonderverbindung zwischen Schuldner und Gläubiger für Auskunftsansprüche vorausgesetzt. Erst dadurch werden Leistungstreue- und Nebenpflichten begründet. Der Wettbewerbsverstoß selbst ist eine deliktische Handlung, die zwar für sich genommen keine unmittelbaren Leistungstreueund Nebenpflichten begründet, aber zu einem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Unterlassungsschuldner und Unterlassungsgläubiger führt.1161 Rechtsgrundlage des Auskunftsanspruches ist danach nicht der Wettbewerbsverstoß selbst, sondern das hiermit begründete gesetzliche Schuldverhältnis.1162 Auf § 687 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 681, 666 f. BGB kann der Auskunftsanspruch nach 485 h.M. nicht gestützt werden. Unlauteres Wettbewerbsverhalten kann grundsätzlich nicht als Führung eines Geschäftes des Unterlassungsgläubigers angesehen werden. Eine Analogie würde das freilich nicht ausschließen. Zwar betont die Rechtsprechung sowie die h.L. in Fällen ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes zutreffend, dass das UWG keine absoluten (Immaterialgüter-)Rechte für den Unterlassungsgläubiger begründet.1163 Etwas anderes soll nach teilweise vertretener Ansicht für Fälle des sog. unmittelbaren Leistungsschutzes gelten, wobei die Anerkennung dieser Analogie in Fällen sog. unmittelbaren Leistungsschutzes heftig umstritten ist.1164 Zwingend erscheint eine Argumentation, die das Bestehen eines absolut geschütz486 ten Rechts als Voraussetzung für ein „fremdes“ Geschäft im Sinne des § 687 Abs. 2 BGB ansieht und wettbewerbliche Grenzüberschreitungen nicht ausreichen lässt, indessen nicht. Da die wettbewerblichen Normen auch subjektive Anspruchspositionen für Wettbewerber und klageberechtigte Verbände begründen, ließe sich ein Wettbewerbsverstoß auch als Eingriff in den Rechtskreis des durch die verletzte Verhaltensnorm Geschützen begreifen. Selbst wenn die wettbewerblichen Marktverhaltensregeln keine absoluten Rechte für die Gläubiger der entsprechenden wettbewerblichen Ansprüche begründen, schränken sie doch die Handlungsfreiheit des Verletzers mit absolutem Geltungsanspruch ein. Aus dessen Sicht ist der Wettbewerbsverstoß somit durchaus als „fremdes Geschäft“ anzusehen. Um einen Auskunftsanspruch zu begründen, bedarf es aber angesichts der seit langem anerkannten Grundlage in § 242 BGB des Umweges über eine Analogie zu § 687 Abs. 2 BGB nicht. 487

b) Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Der Auskunftsschuldner muss die von ihm verlangte Auskunft „unschwer“ erteilen können.1165 Das bedingt zwar eine im Rahmen des § 242 BGB ohnehin erforderliche Interessenabwägung, ermöglicht dem Auskunftsschuldner aber nicht, den Auskunftsanspruch unter Verweis auf einen – unter Umständen erheblichen – Aufwand an Zeit und Geld abzuwehren. Betrifft die Auskunft Betriebsgeheimnisse des Auskunftsschuldners, kann er einen Wirtschaftsprüfervorbehalt

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1161 BGH 18.1.1978 – VIII ZR 262/76 – NJW 1978, 1002; BGH 5.6.1985 – I ZR 53/83 – BGHZ 95, 274 = GRUR 1986, 62, 64 – GEMA-Vermutung I; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322 – GRUR 1994, 630, 633 – Cartier-Armreif; Ahrens/Loewenheim Kap. 72 Rn. 2; Teplitzky Kap. 38 Rn. 6 m.w.N. 1162 BGH 23.2.1995 – I ZR 75/93 – GRUR 1995, 427, 429 – Schwarze Liste; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26 = GRUR 2001, 841, 842 f. – Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH 1.10.2009 – I ZR 94/07 – GRUR 2010, 343, 346 – Oracle; Fezer/Büscher § 8 Rn. 311. 1163 BGH 28.3.1996 – I ZR 11/94 – GRUR 1996, 508, 509 – Uhren-Applikation; BGH 11.1.2007 – I ZR 198/04 – GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen; Fezer GRUR 1986, 491; Nirk GRUR 1993, 249. 1164 Für dessen Anerkennung etwa Ohly GRUR 2010, 487 ff.; a.A.: Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 9.5c; Nemeczek WRP 2010, 1204 ff.; ders. GRUR 2011, 292 ff. 1165 BGH 13.6.1985 – I ZR 35/83 – GRUR 1986, 66, 67 – GEMA-Vermutung II; BGH 17.5.2001 – I ZR 291/ 98 – GRUR 2001, 841, 842 – Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH 6.2.2007 – X ZR 117/04 – GRUR 2007, 532, 533 – Meistbegünstigungsvereinbarung; Fezer/Büscher § 8 Rn. 315; Ahrens/Loewenheim Kap. 72 Rn. 3.

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V. Besondere Klagearten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

geltend machen.1166 Nach allgemeinen Regeln kann das Gericht einen Wirtschaftsprüfervorbehalt (mit der Kostenfolge des § 92 Abs. 2 ZPO) auch ohne einen entsprechenden Antrag des Beklagten aufnehmen, da dies als Minus im Klageabweisungsantrag mit enthalten ist.1167 Indessen wird ein Wirtschaftsprüfervorbehalt, den die Rechtsprechung neuerdings auch beim sekundären Auskunftsanspruch nur noch unter engen Voraussetzungen zubilligt,1168 gegenüber einem primären Auskunftsanspruch, der eine Rechtsdurchsetzung gegen Dritte vorbereiten soll, grundsätzlich nicht mehr gewährt;1169 allenfalls in besonderen Ausnahmefällen kann er noch in Betracht kommen.1170 Da der Auskunftsanspruch auf weitere Ansprüche bezogen ist (Schadensersatz und/ 488 oder Unterlassung), reicht er nicht weiter als die entschuldbare Ungewissheit des Auskunftsgläubigers über diejenigen Tatsachen, die er zur Substantiierung seines Folgeanspruchs benötigt. Für die Drittauskunft sind deshalb nur Auskünfte über den konkreten Verletzungsfall, der Anlass der Auskunftserteilung ist und mit diesem kerngleiche künftige Verletzungshandlungen – sofern diese ebenfalls schuldhaft begangen wurden1171 – erfasst.1172 Auch für die Auskunft zur Vorbereitung von Ansprüchen gegen den Auskunftsschuldner selbst ist die Auskunftserteilung auf die konkreten Verletzungshandlungen und mit diesen kerngleichen Handlungen begrenzt.1173 Erfasst der Tenor des Unterlassungsanspruches – wie regelmäßig – auch in verall- 489 gemeinernder Form kerngleiche künftige Verletzungshandlungen, kommt es richtigerweise für einen hierauf (d.h. auf nach der mündlichen Verhandlung, auf die das Unterlassungsurteil ergeht, liegende Handlungen) 1174 bezogenen Auskunftsanspruch nicht darauf an, ob das Rechtsverhältnis als Grundlage der Auskunftserteilung bereits besteht (Wiederholungsgefahr) oder nur droht (Erstbegehungsgefahr). Beruht der Unterlassungsanspruch auf einer dargelegten Erstbegehungsgefahr, 490 scheint es indes, als müssten Auskunftsansprüche ausscheiden, da es vor einem tatsäch-

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1166 BGH 13.2.1976 – I ZR 1/75 – GRUR 1978, 52, 53 – Fernschreibverzeichnisse; BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980, 227, 233 – Monumenta Germaniae Historica; BGH 13.2.1981 – I ZR 111/78 – GRUR 1981, 535 – Wirtschaftsprüfervorbehalt; BGH 10.11.1983 – I ZR 125/81 – GRUR 1984, 530, 534 – Valium Roche; Harte/Henning/Brüning Vorb. zu § 12 Rn. 155; Fezer/Büscher § 8 Rn. 319; Ahrens/Loewenheim Kap. 72 Rn. 10, 23; Teplitzky § 38 Rn. 28–32. 1167 BGH 22.11.1957 – I ZR 144/56 – GRUR 1958, 346, 348 – Spitzenmuster; BGH 13.2.1976 – I ZR 1/75 – GRUR 1978, 52, 53 – Fernschreibverzeichnisse; BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980, 227, 233 – Monumenta Germaniae Historica; BGH 13.2.1981 – I ZR 111/78 – GRUR 1981, 535 – Wirtschaftsprüfervorbehalt; BGH 10.11.1983 – I ZR 125/81 – GRUR 1984, 530, 534 – Valium Roche; Fezer/ Büscher § 8 Rn. 319; Ahrens/Loewenheim Kap. 72 Rn. 23. 1168 Vgl. etwa BGH 2.2.1999 – KZR 11/97 – GRUR 1999, 1025, 1030 – Preisbindung durch Franchisegeber; BGH 8.1.1999 – I ZR 299/98 – NJWE-WettbR 1999, 238, 239; OLG München 17.10.1996 – 6 U 2652/96 – NJWEWettbR 1998, 64; Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 4.20; Teplitzky FS für W. Tilmann, S. 913, 921. 1169 BGH 20.12.1994 – X ZR 56/93 – GRUR 1995, 338, 341 f. – Kleiderbügel; BGH 21.2.2002 – I ZR 140/99 – GRUR 2002, 709, 713 – Entfernung der Herstellungsnummer III; Ströbele/Hacker § 19 Rn. 40; Lange Marken- und Kennzeichenrecht, Rn. 5920 und 5930. 1170 BGH 20.12.1994 – X ZR 56/93 – GRUR 1995, 338, 342 – Kleiderbügel; Fezer/Büscher § 8 Rn. 324; Ströbele/Hacker § 19 Rn. 40; Teplitzky § 38 Rn. 28. 1171 BGH 23.2.2006 – I ZR 27/03 – BGHZ 166, 233 = GRUR 2006, 504, 506 – Parfümtestkäufe; Teplitzky Kap. 38 Rn. 7b. 1172 BGH 17.5.2001 – I ZR 291/98 – BGHZ 148, 26 = GRUR 2001, 841, 844 – Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH 23.2.2006 – I ZR 27/03 – BGHZ 166, 233 = GRUR 2006, 504, 506 – Parfümtestkäufe. 1173 BGH 1.2.1996 – I ZR 50/94 – GRUR 1996, 502, 507 – Energiekosten-Preisvergleich I; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 910 – Filialleiterfehler; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 83. 1174 Ein Auskunftsanspruch im Hinblick auf vor Titelerlass erfolgte Verstöße kommt naturgemäß nur in Betracht, wenn es vor Titelerlass bereits zu Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbliche Verhaltenspflichten gekommen ist.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

lich erfolgten Verstoß an einem Rechtsverhältnis fehlt, aus dem nach § 242 BGB Nebenansprüche abgeleitet werden könnten.1175 Soweit es bereits zu einem Verstoß gekommen ist, soll hingegen anders zu entscheiden sein, so dass Auskunftsansprüche in Betracht kommen.1176 Diese Differenzierung überzeugt nicht. Für eine Zukunftswirkung der Auskunftsklage entsprechend den Entscheidungen 491 Nicola1177 und Windsor Estate1178 ist erforderlich, dass ein übergreifendes, dauerndes Rechtsverhältnis besteht, das fortlaufend Unterlassungsansprüche hervorbringt bzw. hervorbringen kann. 1179 Bei gewerblichen Schutzrechten begründet das Schutzrecht selbst und der aus ihm folgende Achtungsanspruch ein solches dauerndes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, das auch zukunftsgerichtete Auskunftsansprüche (parallel zu entsprechenden Unterlassungsansprüchen) legitimiert. 1180 Wettbewerbliche Ansprüche begründen jedoch keine den gewerblichen Schutzrechten vergleichbaren absolut geschützten Rechtspositionen. Fehlt es an einem Erstverstoß gegen wettbewerbliche Verhaltenspflichten, wird man materiell-rechtlich noch kein gesetzliches Schuldverhältnis als Grundlage für künftig ggf. entstehende Ansprüche annehmen können. Das trifft freilich auch dann zu, wenn es bereits zu einem Erstverstoß gekommen ist. Denn das gesetzliche Schuldverhältnis aus der Wettbewerbsverletzung (also einem Delikt) ist zunächst auf den begangenen Verstoß selbst bezogen. Dieser kann sich denknotwendig als ein in der Vergangenheit abgeschlossenes Ereignis nicht wiederholen. Es wäre daher inkonsequent, wenn zukunftsgerichtete Auskunftsansprüche bei Wiederholungsgefahr bejaht, bei Erstbegehungsgefahr hingegen verneint würden. Vielmehr sind zukunftsgerichtete Auskunftsansprüche in beiden Fällen möglich. Das insoweit erforderliche übergreifende Rechtsverhältnis ergibt sich aus dem prozessualen Recht des Klägers, seinen Unterlassungsanspruch als konkrete Verbotsnorm titulieren zu lassen.1181 Dieses Recht wäre unvollständig und praktisch entwertet, wenn die auf den Unterlassungsanspruch bezogenen Annexansprüche (Schadensersatzfeststellung, Auskunft und Rechnungslegung) engeren zeitlichen Grenzen unterliegen würden. Der Auskunftsanspruch umfasst deshalb nicht lediglich bei Urteilserlass bereits begangene Wettbewerbsverstöße, sondern auch alle künftigen, von dem Unterlassungstenor umfassten, Zuwiderhandlungen gegen die streitgegenständliche wettbewerbliche Verhaltenspflicht. Angaben zu einem etwaigen Verletzergewinn1182 sowie zu Gemeinkosten und der 492 Kalkulation des Unterlassungsschuldners können nur verlangt werden, wenn ein hierauf bezogener Anspruch aufgrund des Wettbewerbsverstoßes bestehen kann. Das ist aber nur der Fall, wenn der Wettbewerbsverstoß aus einer Zuwiderhandlung gegen § 4 Nr. 9 UWG i.V.m. § 3 Abs. 1 UWG (ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz) oder einer Verletzung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen (§§ 17, 18 UWG oder § 3 Abs. 1 UWG) besteht. Im Übrigen ist der Auskunftsanspruch auf das zur Vorbereitung der

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1175 BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 910 – Filialleiterfehler; eingehend hierzu Steinbeck GRUR 2008, 111 f. 1176 BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907, 910 – Filialleiterfehler; Steinbeck GRUR 2008, 111 f. 1177 BGH 25.2.1992 – X ZR 41/90 – BGHZ 117, 264 = GRUR 1992, 612 – Nicola. 1178 BGH 19.7.2007 – I ZR 93/04 – BGHZ 173, 269 = GRUR 2007, 877 – Windsor Estate; mit dieser Entscheidung hat der I. Zivilsenat die seit dem Urteil vom 26.11.1987 – I ZR 123/85 – GRUR 1988, 307 – Gaby in ständiger Rechtsprechung vertretene (und lange Zeit auch herrschende) Gegenmeinung aufgegeben; vgl. zur historischen Entwicklung und Kritik Teplitzky Kap. 38 Rn. 7 f. m.w.N. 1179 Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 158. 1180 BGH 19.7.2007 – I ZR 93/04 – BGHZ 173, 269 = GRUR 2007, 877 – Windsor Estate. 1181 Grosch S. 72 ff.; Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 158. 1182 Zu dessen Ersatzfähigkeit vgl. die Kommentierung zu § 9 Rn. 69 ff.

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V. Besondere Klagearten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Durchsetzung des Hauptanspruchs Erforderliche begrenzt.1183 Eine Auskunft ist also nur in dem Umfang geschuldet, wie dies erforderlich ist, um die Grundlagen für eine Schadensschätzung (§ 287 ZPO) zu legen. 1184 Der Umfang der geschuldeten Auskunft bestimmt sich deshalb nach den Umständen des Einzelfalls, die fallgruppenweise konkretisiert werden.1185 Angaben zu Namen und Anschriften von Abnehmern oder Empfängern können ver- 493 langt werden, wenn dies im Rahmen einer Drittauskunft für ein Vorgehen gegen diese Personen erforderlich ist1186 oder wenn die Konkretisierung der Auskunft deshalb erforderlich ist, um die erteilte Auskunft auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen zu können.1187 Kann der Gläubiger Rechnungslegung verlangen, gehört hierzu auch die Herausgabe vollständiger Belege.1188 Die Art der verlangten Belege ist im Antrag so genau zu bezeichnen, dass das Vollstreckungsgericht ohne weiteres beurteilen kann, ob die vorgelegten Belege den tenorierten Anspruch erfüllen.1189 Ist die Auskunft nach Auffassung des Klägers unvollständig, kann er deren Ergänzung bzw. die Versicherung der Richtigkeit an Eides Statt verlangen.1190 Ein Anspruch auf Überprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer besteht nicht.1191 c) Prozessuale Behandlung. Auskunftsklagen werden in der Praxis in der Regel mit 494 Klageanträgen zur Durchsetzung derjenigen Ansprüche, deren Vorbereitung die Auskunft dient, verbunden.1192 Dies kann in der Form einer Stufenklage (§ 254 ZPO) geschehen, wenn der Hauptanspruch bereits beziffert und deshalb unmittelbar die Leistung des nach der Auskunft geschuldeten verlangt werden kann. Regelmäßig wird der Auskunftsantrag jedoch mit einem Antrag auf Schadensersatzfeststellung verbunden, ohne dass eine echte Stufenklage anhängig gemacht wird. Auch dann soll der Auskunftsantrag jedoch in der Weise mit dem Schadensersatzfeststellungsantrag verbunden sein, dass ein Teilurteil über den Auskunftsanspruch nur ergehen darf, wenn zugleich positiv über

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1183 Teplitzky Kap. 38 Rn. 11. 1184 BGH 16.2.1973 – I ZR 74/71 – GRUR 1973, 375, 377 f. – Miss Petite; BGH 13.2.1976 – I ZR 1/75 – GRUR 1978, 52, 53 – Fernschreibverzeichnisse; BGH 14.1.1977 – I ZR 170/75 – GRUR 1977, 491, 494 – Allstar; BGH 14.11.1980 – I ZR 138/78 – GRUR 1981, 286, 288 – Goldene Karte I; BGH 3.4.1981 – I ZR 72/79 – GRUR 1981, 592, 594 – Championne du Monde; BGH 12.2.1987 – I ZR 70/85 – GRUR 1987, 364, 365 – Vier-StreifenSchuh; BGH 27.9.1990 – I ZR 87/89 – GRUR 1991, 153, 155 – Pizza und Pasta; Teplitzky Kap. 38 Rn. 15 m.w.N. 1185 Nachweise bei Teplitzky Kap. 38 Rn. 16.20. 1186 BGH 9.11.1995 – I ZR 220/95 – GRUR 1996, 78, 79 – Umgehungsprogramm; Teplitzky Kap. 38 Rn. 27 m.w.N. 1187 BGH 13.2.1976 – I ZR 1/75 – GRUR 1978, 52, 53 – Fernschreibverzeichnisse; Teplitzky Kap. 38 Rn. 27 m.w.N. 1188 BGH 21.2.2002 – I ZR 140/99 – GRUR 2002, 709, 712 – Entfernung der Herstellungsnummer III; BGH 23.1.2003 – I ZR 18/01 – GRUR 2003, 433, 434 – Cartier Ring; Fezer/Büscher § 8 Rn. 325 m.w.N. 1189 BGH 15.2.2007 – I ZR 114/04 – GRUR 2007, 871, 872 – Wagenfeld-Leuchte; BGH 22.11.2007 – I ZR 12/05 – GRUR 2008, 357, 358 – Planfreigabesystem; Fezer/Büscher § 12 Rn. 314; Teplitzky Kap. 38 Rn. 27 m.w.N. in Fn. 118. 1190 BGH 13.7.1973 – I ZR 101/72 – GRUR 1974, 53 f. – Nebelscheinwerfer; BGH 3.7.1984 – X ZR 34/83 – BGHZ 92, 62 = GRUR 1984, 728, 729 – Dampffrisierstab II; BGH 24.3.1994 – I ZR 42/93 – BGHZ 125, 322 = GRUR 1994, 630, 632 – Cartier-Armreif; OLG Hamburg 31.1.2002 – 3 U 72/01 – NJW-RR 2002, 1292; Harte/ Henning/Brüning Vorb. zu § 12 Rn. 156 f.; Ahrens/Loewenheim Kap. 72 Rn. 14; Teplitzky Kap. 38 Rn. 36. 1191 BGH 3.7.1984 – X ZR 34/83 – BGHZ 92, 62 = GRUR 1984, 728, 729 – Dampffrisierstab II; BGH GRUR 1995, 338, 342 – Kleiderbügel (auch zu möglichen Ausnahmen); Harte/Henning/Brüning Vorb. zu § 12 Rn. 156; Teplitzky Kap. 38 Rn. 28 (zu Fn. 125); Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.63; für einen selbständigen Auskunftsanspruch Fezer/Büscher § 8 Rn. 309, 324. 1192 Teplitzky Kap. 52 Rn. 4.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

den Grund des Schadensersatzanspruchs entschieden wird.1193 Bei der häufigen Kombination von Auskunftsanspruch und unbeziffertem Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht scheidet der Erlass eines Grundurteils jedoch aus.1194 Deshalb müsste dann, wenn ein Teilurteil sachgerecht erscheint, zugleich auch insgesamt über die Schadensersatzfeststellungsklage entschieden werden. Aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit wird es als zulässig angesehen, mit dem Auskunftsantrag im Wege der Stufenklage den Antrag auf eine eidesstattliche Versicherung zu verbinden.1195 Über den Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung kann jedoch stets erst nach Erteilung der Auskunft entschieden werden.1196 Der Klageantrag muss in zeitlicher Hinsicht und wegen des Gegenstandes, d.h. hinsichtlich der begehrten Informationen, die begehrte Auskunftserteilung genau konkretisieren (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).1197 Häufig unterbleibt die erforderliche Konkretisierung des Auskunftsantrags in der Praxis jedoch und es wird schlicht auf die von dem primär verfolgten Unterlassungsantrag umfassten Handlungen abgestellt. Dies ist grundsätzlich nicht ausreichend, da sich die erforderlichen Angaben für den Auskunftsantrag aus der Fassung des Unterlassungsantrags regelmäßig nicht entnehmen lassen werden.1198 Sofern aus Antrag und Sachvortrag (bzw. Tenor und Entscheidungsgründen) nichts anderes zu entnehmen ist, wird man allerdings in der Regel davon ausgehen können, dass eine zukunftsgerichtete Verurteilung zur Auskunftserteilung angestrebt bzw. beabsichtigt war.1199 Der Kläger muss nicht darlegen, dass es bereits zu einer Verletzungshandlung gekommen ist; die Erstbegehungsgefahr genügt.1200 Die Voraussetzungen des § 259 ZPO müssen nicht erfüllt sein, weil es um einen gegenwärtigen Auskunftsanspruch geht, und nicht um einen künftigen. Dass Gegenstand der Auskunft die nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung liegenden (künftige) Sachverhalte sind, ist für § 259 ZPO ohne Belang.1201 Kann der Kläger die begehrte Auskunft nicht wie beantrag beanspruchen, handelt es sich bei einer weniger weit reichenden Auskunft um ein Minus, kein Aliud.1202 Die Erteilung der geschuldeten Auskunft während des Rechtsstreites – auch wenn sie unauffällig in Form eines scheinbar „gewöhnlichen“ Schriftsatzes erfolgt – führt zur Erledigung der Hauptsache, soweit der Auskunftsanspruch betroffen ist. Die Versicherung der Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides Statt kann nach allgemeinen Regeln nur verlangt werden wenn Grund zu der Annahme besteht, die Auskunft sei nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt worden. Der entsprechende Antrag kann im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) verfolgt werden.

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1193 BGH 23.10.1997 – I ZR 98/95 – GRUR 1998, 1043, 1044 – GS Zeichen. 1194 BGH 27.1.2000 – IX ZR 45/98 – NJW 2000, 1572, 1573. 1195 BGH 29.4.2010 – I ZR 68/08 – GRUR 2010, 623, 628 – Restwertbörse. 1196 BGH 29.4.2010 – I ZR 68/08 – GRUR 2010, 623, 628 – Restwertbörse. 1197 BGH 15.2.2007 – I ZR 114/04 – BGHZ 171, 151 = GRUR 2007, 871, 872 – Wagenfeld-Leuchte; BGH 22.11.2007 – I ZR 12/05 – GRUR 2008, 357 Tz. 21–25 – Planfreigabesystem; BGH 16.7.2009 – I ZR 56/07 – GRUR 2009, 1075 Tz. 12 – Betriebsbeobachtung; Fezer/Büscher § 12 Rn. 311; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 227; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.61; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 83; Teplitzky Kap. 52 Rn. 5. 1198 Teplitzky Kap. 38 Rn. 5. 1199 BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02 – BGHZ 159, 66 = GRUR 2004, 755, 756 – Taxameter. 1200 BGH 25.2.1992 – X ZR 41/90 – BGHZ 117, 264 = GRUR 1992, 612, 616 – Nicola; BGH 19.7.2007 – I ZR 93/04 – BGHZ 173, 269 = GRUR 2007, 877, 879 – Windsor Estate; Beyerlein WRP 2007, 1310 ff.; Fezer/ Büscher § 8 Rn. 332; Steinbeck GRUR 2008, 111 f. 1201 BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02 – BGHZ 159, 66 = GRUR 2004, 755, 756 – Taxameter; Teplitzky Kap. 52 Rn. 5; a.A. Harte/Henning/Brüning Vorb. zu § 12 Rn. 154; Ahrens/Loewenheim Kap. 72 Rn. 13. 1202 Teplitzky Kap. 52 Rn. 6 m.w.N.

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VI. Beweis und Beweislast

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Hat der Schuldner eine vom Kläger als unzureichend angesehene Auskunft vor- 500 prozessual erteilt, muss er bei dem Schuldner „nachfassen“, um die Kostenfolge des § 93 ZPO bei einem sofortigen Anerkenntnis zu vermeiden.1203 VI. Beweis und Beweislast Herrmann/Ebersohl VI. Beweis und Beweislast Schrifttum Ahrens Verwirrtheiten juristischer Verkehrskreise zum Verbraucherleitbild einer „normativen“ Verkehrsauffassung, WRP 2000, 812; Becker, Das demoskopische Gutachten als zivilprozessuales Beweismittel, 2002; Böhm Die Beweiswürdigung demoskopischer Gutachten im Rahmen von § 3 UWG, GRUR 1986, 290; Bornkamm Die Feststellung der Verkehrsauffassung im Wettbewerbsprozess, WRP 2000, 830; Eichmann Gegenwart und Zukunft der Rechtsdemoskopie, GRUR 1999, 939; Fritze Die Umkehr der Beweislast, GRUR 1975, 61; Hacker Methodenlehre und Gewerblicher Rechtsschutz – dargestellt am Beispiel der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr, GRUR 2004, 537; Helm Das Verbraucherleitbild des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs im Vergleich, FS Tilmann (2003) 135; ders. Der Abschied vom „verständigen“ Verbraucher, WRP 2005, 931; Kemper/Rosenow Der Irreführungsbegriff auf dem Weg nach Europa, WRP 2001, 370; Kur Beweislast und Beweisführung im Wettbewerbsprozeß, 1981; Lindacher Gegenbeweisliche Widerlegung gerichtskundiger Tatsachen, BB 1991, 1524; ders. Beweisrisiko und Aufklärungslast der nicht risikobelasteten Partei in Wettbewerbssachen, WRP 2000, 950; Niedermann/NoelleNeumann Die Bedeutung der gegabelten Befragung mit Kontrollgruppe als Erkenntnistechnik in Umfragen zum gewerblichen Rechtsschutz, FS Tilmann (2003) 857; Oberheim Beweiserleichterung im Zivilprozeß, JuS 1996, 636; Omsels Kritische Anmerkungen zur Bestimmung der Irreführungsgefahr, GRUR 2005, 548; Pantle Beweiserhebung über offenkundige Tatsachen? MDR 1993, 1166; Scherer Normative Bestimmung von Verwechslungs- und Irreführungsgefahr im Markenrecht, GRUR 2000, 273; Risthaus Erfahrungssätze im Kennzeichenrecht, 2. Aufl. (2007); Spätgens Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen demoskopischer Umfragen, FS Traub (1994) 375; Teplitzky Zu Anforderungen an Meinungsforschungsgutachten, WRP 1990, 145; ders. Die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum wettbewerblichen Anspruchsund Verfahrensrecht III, GRUR 1991, 709; Tilmann Aktuelle Probleme des Schutzes geographischer Herkunftsangaben, GRUR 1986, 593; Ullmann Der Verbraucher – ein Hermaphrodit, GRUR 1991, 789; Westermann Bekämpfung irreführender Werbung ohne demoskopische Gutachten, GRUR 2002, 403.

Ebersohl 1.

2.

Systematische Übersicht Grundlagen ____ 501 a) Anwendung der allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze ____ 501 b) Beweismittel ____ 502 c) Rechtsfragen und Tatfragen ____ 503 d) Beweisbedürftigkeit ____ 505 e) Beweiserhebung und Beweiswürdigung ____ 506 aa) Voraussetzungen ____ 506 bb) Anordnung ____ 507 cc) Erneute Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht ____ 508 dd) Verwertung von Beweismitteln ____ 509 Feststellung der Verkehrsauffassung ____ 513

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a) b) c)

d)

Verbraucherleitbild und Verkehrsauffassung ____ 513 Irreführungsquorum ____ 515 Bestimmung der Verkehrsauffassung kraft eigener Sachkunde ____ 518 aa) Grundlagen und Rechtsentwicklung ____ 518 bb) Problematik der richterlichen Feststellung kraft eigener Sachkunde ____ 521 cc) Fallgruppen ____ 523 dd) Unerheblichkeit des Ergebnisses der Irreführungsprüfung ____ 528 ee) Entkräftung des Erfahrungswissens ____ 529 ff) Revisibilität ____ 530 Ermittlung der Verkehrsauffassung durch Beweisaufnahme ____ 533

1203 Teplitzky Kap. 52 Rn. 4 mit Fn. 11.

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§ 12

3.

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

aa) Ermittlung der Verkehrsauffassung durch Meinungsforschungsgutachten ____ 533 bb) Ermittlung der Verkehrsauffassung durch Auskünfte ____ 545 Allgemeines zur Darlegungs- und Beweislast ____ 546

a) b) c) d)

Grundsatz ____ 546 Ausnahmen vom Grundsatz ____ 547 Vermutungen und Anscheinsbeweis ____ 548 Beweiserleichterungen zugunsten des Klägers ____ 549

1. Grundlagen 501

a) Anwendung der allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze. Der Wettbewerbsprozess ist ein Zivilprozess, und auch im Hinblick auf das Beweisverfahren gelten damit die Regeln der ZPO. Somit kann im Grundsatz auf die Kommentierungen zum Beweisverfahren der §§ 284 ff. ZPO verwiesen werden. Jedoch haben sich im Wettbewerbsprozess einige Besonderheiten zur Beweiserhebung und zur Beweislast herausgebildet, die den spezifischen Bedürfnissen des Wettbewerbsrechts Rechnung tragen. Insbesondere gilt dies für die Ermittlung der für zahlreiche lauterkeitsrechtliche Ansprüche maßgeblichen Verkehrsauffassung.1204 Aber auch im Hinblick auf die Beweis- und Darlegungslast haben sich – vor dem Hintergrund, dass wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen nicht selten unternehmensinterne Sachverhalte zugrunde liegen – eigenständige Strukturen herausgebildet, die dem grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtigen Kläger die Beweisführung erleichtern bzw. erst ermöglichen.1205 Auf der Darstellung dieser Besonderheiten liegt der Schwerpunkt der nachstehenden Kommentierung.

502

b) Beweismittel. Die Beweismittel des Wettbewerbsprozesses sind, wie im gewöhnlichen Zivilprozess auch, die Inaugenscheinnahme (§ 371 ZPO), der Zeugenbeweis (§ 373 ZPO), das Sachverständigengutachten (§ 402 ZPO), der Urkundsbeweis (§ 420 ZPO) und die Parteivernehmung (§ 445 ZPO) sowie die Einholung „amtlicher Auskünfte“ – etwa bei Ämtern, Behörden oder Kammern. Mit der ausdrücklichen Erwähnung in einzelnen Bestimmungen der ZPO (§§ 273 Abs. 2 Nr. 2, 358a Nr. 2 ZPO) dürfte sich der frühere Meinungsstreit, ob es sich bei amtlichen Auskünften um Sachverständigengutachten oder ein Beweismittel sui generis handelt,1206 zugunsten der letzteren Auffassung entschieden haben. Die Einholung von Auskünften privater Verbände und Korporationen durch das erkennende Gericht ist hingegen kein Bestandteil des abschließenden Katalogs der zugelassenen Beweismittel. Den Parteien bleibt es unbenommen, Verbandsauskünfte insbesondere über den Zeugenbeweis, der freilich nur auf Antrag erhoben wird, sowie ggf. auch über den Urkundsbeweis in das Verfahren einzuführen.1207 Derartige Auskünfte können, wenn sie im Rahmen der Verbandsarbeit etwa aufgrund von Meldungen und Berichten der Mitglieder gewonnen wurden, als Bekundung von „Verwaltungswissen“1208 verwertet werden und sind in diesem Fall nicht als bloße Bekundung von Hörensagen anzusehen.1209 Die Inaugenscheinnahme (etwa das Betrachten der vermeintlichen Nachahmung oder des angegriffenen Werbespots) spielt in Wettbewerbsverfahren eine nicht

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1204 Hierzu Rn. 513 ff. 1205 Hierzu Rn. 546 ff. 1206 Vgl. hierzu Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 342. 1207 Vgl. Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 20 f., der eine Gleichstellung mit der amtlichen Auskunft befürwortet. 1208 Vgl. zum Begriff BGH 9.5.1985 – I ZR 99/83 – GRUR 1985, 1059, 1060 – Vertriebsbindung m. Anm. Lehmpfuhl. 1209 Vgl. Teplitzky Kap. 47 Rn. 15 Fn. 73.

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VI. Beweis und Beweislast

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

unerhebliche Rolle. Jedoch ist insoweit nicht jede Inaugenscheinnahme durch das erkennende Gericht auch eine solche im Sinne von § 371 ZPO. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn es insoweit um die Klärung streitigen Sachvortrags geht. Vielfach aber wird der Beklagte des Wettbewerbsprozesses gar nicht bestreiten, dass er ein bestimmtes Produkt vertrieben hat oder einen bestimmten Werbespot hat ausstrahlen lassen. In diesen Fällen ist der richterliche Augenschein nur Teil der Wahrnehmung des Sachvortrags. Die Einholung von Sachverständigengutachten spielt im Rahmen des Wettbewerbsprozesses insbesondere bei der Ermittlung der Verkehrsauffassung eine wichtige praktische Rolle.1210 Für Zeugen- und Urkundsbeweis gelten im Wettbewerbsprozess keine Besonderheiten. Eine Parteivernehmung von Amts wegen kann gerade in den so genannten „Testfällen“ angezeigt sein.1211 c) Rechtsfragen und Tatfragen. Dem Beweis zugänglich sind ausschließlich Tatsa- 503 chen. Gerade im Wettbewerbsrecht kann jedoch die Abgrenzung zwischen Tatfrage und Rechtsfrage Schwierigkeiten bereiten. 1212 So wird teilweise vertreten, angesichts des normativ geprägten Verbraucherleitbilds des EuGH sei auch die Bestimmung der aus diesem Leitbild gewonnenen Verkehrsauffassung normativ – mithin als reine Rechtsfrage, die dem Beweis unzugänglich ist – zu verstehen. Dies mag bei erster Näherung zumindest nicht völlig fernliegen. Denn betrachtet man den Verbraucher als bloßes normatives „Kunstprodukt“, so können zumindest Zweifel daran bestehen, dass die Vorstellungswelt dieses „Kunstprodukts“ – mithin die Verkehrsauffassung – empirisch ermittelt werden kann. Gleichwohl vertreten nur einige wenige Autoren, dass die Verkehrsauffassung keine Tatfrage sei.1213 Sie berufen sich insbesondere auf Erwägungsgrund 18 der UGPRL, wonach der Begriff des Durchschnittsverbrauchers nicht auf einer statistischen Grundlage beruht und die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden sich bei der Beurteilung der Frage, wie der Durchschnittsverbraucher in einem gegebenen Fall typischerweise reagieren würde, auf ihre eigene Urteilsfähigkeit verlassen müssen. Dabei wird übersehen, dass nach demselben Erwägungsgrund die dem nationalen Gericht obliegende Beurteilung „unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs“ zu erfolgen hat. Der EuGH lässt indes die Einholung von Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Verkehrsauffassung ausdrücklich zu – wenn auch nur für den Fall, dass das nationale Gericht besondere Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Verkehrsauffassung hat.1214 Außerdem verkennt die Mindermeinung, dass der Begriff des Durchschnittsverbrauchers zwar selbst normativ geprägt sein mag; die Verkehrsauffassung spiegelt indes wider, was sich ein derart definierter Verbraucher tatsächlich vorstellt.1215 Richtigerweise ist daher der normative Verbraucherbegriff als Vorgabe für die Durchführung der Beweisaufnahme zu verstehen,1216 nicht jedoch steht er der Ermittlung der Verkehrsauffassung im Rahmen der Beweisaufnahme entgegen.

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1210 Hierzu Rn. 533 ff. 1211 Hierzu Rn. 511. 1212 Zur Einordnung ausländischen Rechts vgl. Spickhoff ZZP 112 (1999), 265 sowie Hess/Hübner NJW 2009, 3132, 3135. 1213 Harte/Henning/Dreyer § 5 Rn. 16; Omsels GRUR 2005, 558; vgl. zum Markenrecht Scherer GRUR 2000, 273. A.A. Helm WRP 2005, 931 m.w.N. 1214 EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657, I-4692 Tz. 35 = WRP 1998, 848, 851 Tz. 35 – Gut Springenheide. 1215 EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117, I-146 Tz. 29 = WRP 2000, 289, 292 Tz. 29 – LiftingCreme; Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 10. Vgl. hierzu auch Rn. 514. 1216 Ahrens WRP 2000, 813; Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 10.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

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Auch der BGH hält an der Einordnung der Verkehrsauffassung als Tatfrage, die einer Beweiserhebung zugängig ist, ungebrochen fest.1217 Dabei stellt er klar, dass es sich bei der Verkehrsauffassung nicht um eine Tatsache i.S.v. § 291 ZPO, sondern um „Erfahrungswissen“ handelt. Die praktische Folge der Einordnung der Verkehrsauffassung als Erfahrungswissen – und nicht als Tatsache – ist, dass zu ihrer Ermittlung lediglich der Beweis durch Sachverständigengutachten (allenfalls durch Einholung von Auskünften) zulässig ist und dass die Verkehrsauffassung niemals offenkundig i.S.v. § 291 ZPO sein kann.1218 Diese Rechtsprechung des BGH, der sich die h.L. angeschlossen hat,1219 überzeugt. Die Verkehrsauffassung ist als „Ergebnis verschiedener Schlussfolgerungen“1220 gerade nicht ein Umstand, der als solcher feststellbar oder gerichtsbekannt sein kann. Hinzu kommt, dass etwa in Irreführungsfällen materiell-rechtlich nicht entscheidend ist, ob tatsächlich der „Erfolg“ der Irreführung eingetreten, sondern ob die Werbeaussage zur Irreführung geeignet ist. Somit ist eine Prognoseentscheidung über das Verständnis des Verkehrs von einer Verkehrsaussage zu treffen, die naturgemäß keine Tatsache sein kann.1221 Obgleich eine Tatfrage, kann das Gericht die streitige Verkehrsauffassung unter bestimmten Umständen auch ohne Beweiserhebung feststellen.1222 Dies lässt sich wie erwähnt nicht auf eine Offenkundigkeit der Verkehrsauffassung stützen; vielmehr ist eine Feststellung ohne Beweisaufnahme dann möglich, wenn das Gericht glaubt, auf Grund eigenen Erfahrungswissens selbst über die erforderliche Sachkunde zu verfügen.1223

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d) Beweisbedürftigkeit. Beweis ist zu erheben über entscheidungserhebliche und beweisbedürftige Tatfragen. Sind Tatsachen nicht bestritten (§ 138 Abs. 3 ZPO), zugestanden (§ 288 ZPO) oder offenkundig (§ 291 ZPO), so sind sie nicht beweisbedürftig. Offenkundig sind solche Tatsachen, die entweder allgemeinkundig oder vom Gericht amtlich wahrgenommen und damit gerichtskundig sind. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gebietet, dass den Parteien Gelegenheit eingeräumt wird, sich zu den Tatsachen und der Frage der Offenkundigkeit in der mündlichen Verhandlung zu äußern.1224 Nach Auffassung von BGH und Literatur sind offenkundige Tatsachen ferner dem Gegenbeweis zugänglich.1225 Vor

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1217 Vgl. BGH 12.11.1998 – I ZR 173/96 – GRUR 1999, 594, 597 – Holsteiner Pferd; 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 252 = GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; 17.9.2009 – I ZR 103/07 – GRUR 2010, 365, 366 – Quersubventionierung von Laborgemeinschaften II. 1218 Vgl. Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 5; Teplitzky Kap. 47 Rn. 4. Zur praktischen Auswirkung der Abkehr von der Offenkundigkeit siehe Rn. 505. 1219 Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 1.55 ff. und 2.67 ff.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.71; Fezer/Büscher § 12 Rn. 319; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 159 ff.; Teplitzky Kap. 47 Rn. 4; Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 4 ff. Kritisch Henning/Harte/Dreyer § 5 Rn. 9ff.; Omsels GRUR 2005, 273, 275 f. 1220 Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 13. 1221 Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 5. Vgl. insoweit auch Westermann GRUR 2002, 405, der aus diesem Umstand jedoch ableiten will, dass die Ermittlung der Verkehrsauffassung jedenfalls in Irreführungsfällen überhaupt keiner Beweiserhebung zugänglich ist. 1222 Hierzu Rn. 518 ff. 1223 BGH 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 254 = GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; bestätigend BGH 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079, 1082 Tz. 36 = WRP 2007, 1346, 1351 Tz. 36 – Bundesdruckerei; 15.4.2010 – I ZR 145/08 – GRUR 2010, 1125, 1129 Tz. 50 – Femur-Teil. Vgl. auch bereits Lindacher BB 1991, 1524 und Bornkamm WRP 2000, 830 ff. 1224 BVerfG 3.11.1959 – 1 BvR 13/59 – BVerfGE 10, 177, 182 = NJW 1960, 31; 18.12.1962 – 2 BvR 396/62 – BVerfGE 15, 214, 218; 4.11.1971 – 2 BvR 767/70 – BVerfGE 32, 195, 197; 19.4.1978 – 1 BvR 596/77 – BVerfGE 48, 207, 209; BGH 8.10.1959 – VII ZR 87/58 – BGHZ 31, 43, 45 = NJW 1959, 2213; 6.5.1993 – I ZR 84/91 – NJWRR 1993, 1122, 1123; Stein/Jonas/Leipold § 291 Rn. 12; MünchKommZPO/Prütting § 291 Rn. 13. 1225 BGH 29.3.1990 – I ZR 74/88 – GRUR 1990, 607, 608 = BB 1991, 1524 – Meister-Kaffee m. Anm. Lindacher; Bornkamm WRP 2000, 833; Stein/Jonas/Leipold § 291 Rn. 7; Oberheim JuS 1996, 639; MünchKommZPO/Prütting § 291 Rn. 19; a.A. Pantle MDR 1993, 1166 ff.

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VI. Beweis und Beweislast

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

diesem Hintergrund wird offenbar, dass die vom BGH in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung1226 ausdrücklich entschiedene Frage, ob die Verkehrsauffassung eine Tatsache ist, die offenkundig sein kann,1227 nicht lediglich akademischer Natur ist. Vielmehr wäre das erkennende Gericht bei Annahme von Offenkundigkeit i.S.v. § 291 ZPO gezwungen, immer dann auf Antrag einer Partei eine Verkehrsbefragung vorzunehmen, wenn es glaubte, aufgrund eigener Sachkunde die Verkehrsauffassung feststellen zu können.1228 Ferner würde sich die höchst strittige Frage stellen, ob das Gericht die Verkehrsauffassung als offenkundige Tatsache auch ohne Behauptung durch die Parteien zum Gegenstand des Prozesses machen dürfte.1229 Mit der Einordnung der Verkehrsauffassung als „Erfahrungswissen“, das niemals offenkundig sein kann, stellen sich all diese Fragen im Zusammenhang mit der Feststellung der Verkehrsauffassung durch eigene Sachkunde nicht. Dabei ist zu beachten, dass einzelne Tatsachenelemente, die das Gericht zur Annahme einer bestimmten Verkehrsauffassung bewegen, als „gewöhnliche“ Tatsachen dem Zeugenbeweis zugänglich und auch offenkundig sein können.1230 e) Beweiserhebung und Beweiswürdigung aa) Voraussetzungen. Voraussetzung der Beweisaufnahme über eine beweisbedürf- 506 tige Tatfrage ist der Beweisantritt (Beweisantrag) der beweisbelasteten Partei. Dabei ist ein gewisser Grad an Substantiierung des Tatsachenvortrags erforderlich. Hieran fehlt es indes – mit der Folge, dass die Beweisaufnahme abzulehnen ist –, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn zwar eine bestimmte Behauptung formuliert wird, diese aber „ins Blaue“ aufgestellt, mithin „aus der Luft gegriffen“ ist und sich daher als Rechtsmissbrauch darstellt.1231 Der BGH mahnt hierbei zur Zurückhaltung bei der Annahme von Willkür und hält sie in der Regel nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte für die behauptete Tatsache für gegeben.1232 Dementsprechend liegt ein unzulässiger Ausforschungsbeweis nicht bereits dann vor, wenn Grundlage der Behauptung eine bloße Vermutung ist. Dies würde die Rechtsverfolgung im deutschen Zivilprozess – dem eine Informationsbeschaffung im Sinne etwa der anglo-amerikanischen „Discovery“ fremd ist – in unzumutbarer Weise erschweren. Vielmehr erkennt die Rechtsprechung ausdrücklich an, dass eine Partei häufig Tatsachen behaupten muss, über die sie keine Kenntnis haben kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Solche Behauptungen kann die Partei in den Prozess einführen und eine Beweisaufnahme darüber erwirken.1233 Aus diesem Grund ist auch der Antrag einer Partei auf Einholung einer Verkehrsbefragung kein unzulässiger Ausforschungsbeweis oder Beweisermitt-

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1226 BGH 29.3.1990 – I ZR 74/88 – GRUR 1990, 607, 608 = BB 1991, 1524 – Meister-Kaffee m. Anm. Lindacher. 1227 Vgl. hierzu Rn. 503 f. 1228 Vgl. Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.8, der zutreffend darauf verweist, dass der BGH diese Folgeproblematik seiner Meister-Kaffee-Entscheidung mit den Entscheidungen BGH 20.2.1992 – I ZR 32/90 – GRUR 1992, 406, 407 – Beschädigte Verpackung I; 1.4.1993 – I ZR 136/91 – GRUR 1993, 677, 678 – Bedingte Unterwerfung, rasch entschärft hatte. Nach diesen beiden Entscheidungen sollte eine offenkundige Tatsache nur dann vorliegen, wenn das erkennende Gericht die Verkehrsauffassung nach eigener Sachkunde beurteilte, ohne zu den angesprochenen Verkehrskreisen zu zählen. 1229 Vgl. hierzu MünchKommZPO/Prütting § 291 Rn. 13. 1230 Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 13. 1231 BGH 23.4.1991 – X ZR 77/89 – GRUR 1992, 559, 560 – Mikrofilmanlage. 1232 BGH 12.7.1984 – VII ZR 123/83 – NJW 1984, 2888, 2889; 19.9.1985 – IX ZR 138/84 – NJW 1986, 246, 247; 23.4.1991 – X ZR 77/89 – GRUR 1992, 559, 560 – Mikrofilmanlage. 1233 BGH 19.9.1985 – IX ZR 138/84 – NJW 1986, 246, 247.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

lungsantrag.1234 Nicht ausreichend ist demgegenüber etwa die bloße Behauptung des Klägers, der sich auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz beruft, dass seine Produkte wettbewerbliche Eigenart aufweisen. Denn dem Kläger ist ohne Weiteres möglich und zumutbar, diejenigen Umstände darzulegen, aus denen sich die wettbewerbliche Eigenart ableiten soll (etwa den Abstand zum wettbewerblichen Umfeld). Unterlässt er dies und zieht sich auf das bloße Postulat der wettbewerblichen Eigenart zurück, ist nach den Grundsätzen des BGH wegen Fehlens jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte die Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten abzulehnen. 507

bb) Anordnung. Die Anordnung der Beweisaufnahme erfolgt in der Regel durch förmlichen Beweisbeschluss (§ 358 ZPO bzw. im Fall der Parteivernehmung § 450 Abs. 1 ZPO). Etwas anderes gilt nur, wenn der Beweis in der mündlichen Verhandlung sofort erhoben werden kann; dann ergeht formloser Beschluss. Hinsichtlich der Inaugenscheinnahme und der Einholung eines Sachverständigengutachtens (§ 144 ZPO), der Parteivernehmung (§ 448 ZPO) sowie der Vorlage von bestimmten Urkunden (§§ 142, 143, 273 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO) kann das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen die Beweisaufnahme von Amts wegen anordnen.

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cc) Erneute Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht. Nach § 529 Abs. 1 ZPO ist das Berufungsgericht im Grundsatz an die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz gebunden. Dies gilt indes nur, „soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten“. Bei Zweifeln, die sich schon aus der Möglichkeit einer abweichenden Wertung ergeben können, ist das Berufungsgericht angesichts Art. 103 Abs. 1 GG zur erneuten Beweisaufnahme nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet.1235 Dementsprechend muss eine erneute Zeugenvernehmung erfolgen, wenn das Landgericht einer Zeugenaussage einen bestimmten, vom Wortlaut der protokollierten Aussage getragenen Sinn entnommen hat und das Berufungsgericht der Aussage einen anderen, vom Wortlaut abweichenden Sinngehalt beilegen will.1236 Eine erneute Vernehmung muss auch erfolgen, wenn das Berufungsgericht von der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen, die das erstinstanzliche Gericht vorgenommen hat, abweichen will.1237

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dd) Verwertung von Beweismitteln. Testkäufe oder die testweise Inanspruchnahme von Dienstleistungen sind nach stRspr. des BGH und der h.L. wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, sofern die Testperson sich wie ein normaler Nachfrager verhält. 1238 Denn wer etwa ein Ladengeschäft eröffnet oder Dienstleistungen für den

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1234 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.67. 1235 BVerfG 22.11.2004 – 1 BvR 1935/03 – NJW 2005, 1487 m.w.N. in Ziff. II.1.a). Zur Frage, wann konkrete Anhaltspunkte i.S.d. § 529 Abs. 1 ZPO vorliegen vgl. Zöller/Heßler § 529 ZPO Rn. 7 f. m.w.N. sowie Greger NJW 2003, 2882 und Rixecker NJW 2004, 705, 708 f. 1236 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.69 und Harte/Henning/Retzer vor § 12 Rn. 169 unter Verweis auf die zum alten Berufungsrecht ergangene Entscheidung BGH 6.12.1990 – I ZR 25/89 – GRUR 1991, 401, 402 – Erneute Vernehmung; ferner Zöller/Heßler, § 529 ZPO Rn. 8 mit Hinweis auf BVerfG 14.9.2010 – 2 BvR 2638/09 – NJW 2011, 49. 1237 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61, 63 – Preisvergleichsliste. 1238 BGH 14.4.1965 – Ib ZR 72/63 – BGHZ 43, 359, 367 = GRUR 1965, 612, 614 m. Anm. Hefermehl; 18.5.1966 – Ib ZR 60/64 – GRUR 1966, 564, 565 – Hausverbot m. Anm. Dietze; 13.7.1979 – I ZR 138/77 – GRUR 1979, 859, 860 – Hausverbot II m. Anm. Ohlgart; 26.6.1981 – I ZR 71/79 – GRUR 1981, 827, 828 – Vertragswidriger Testkauf m. Anm. Jacobs; 3.11.1988 – I ZR 231/86 – GRUR 1989, 113, 114 – MietwagenTestfahrt; 5.10.1989 – I ZR 201/87 – VersR 1989, 1319 – Beförderungsauftrag; 25.4.1991 – I ZR 283/89 –

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VI. Beweis und Beweislast

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

allgemeinen Verkehr anbietet, bringt zum Ausdruck, dass er dies unbeschadet der Zwecke tut, die der Kunde verfolgt.1239 Die Vernehmung der Testpersonen ist beweisrechtlich ohne Weiteres zulässig.1240 Sie kann auch nicht durch Unterlassungsklagen gegen die Testperson verhindert werden.1241 Hat die Testperson dem beklagten Wettbewerber eine „Falle“ gestellt und ihn dabei 510 zu wettbewerbswidrigem Handeln angestiftet,1242 so steht dies zwar der Verwertbarkeit nicht im Wege. Wohl aber können die Klageansprüche materiell-rechtlich ausgeschlossen sein.1243 Letzteres ist aber nur dann der Fall, wenn die Anstiftung tatsächlich ursächlich für den Wettbewerbsverstoß des Beklagten war, dieser den Verstoß also nicht auch ohne die „Falle“ der Testperson begangen hätte.1244 Von den Provokationsfällen abzugrenzen sind diejenigen Fälle, in denen die Test- 511 person sich in rechtswidriger Weise Beweismittel verschafft hat. Hier stellt sich die auch im allgemeinen Zivilprozess seit jeher umstrittene Frage der Verwertbarkeit. Nach der Rechtsprechung des BGH – der in diesem Zusammenhang auch darauf abstellt, dass es ein wesentlicher Grundsatz des Zivilprozesses sei, die Wahrheit zu erforschen und ein richtiges Urteil zu sprechen1245 – sind rechtswidrig geschaffene oder erlangte Beweismittel im Zivilprozess nicht schlechthin unverwertbar. Vielmehr soll auf Grund einer Interessen- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen über die Frage der Verwertbarkeit entschieden werden.1246 So ist etwa die Verwertung heimlicher Tonaufnahmen (vgl. § 201 StGB) zwar grundsätzlich unzulässig; bei einer „notwehrähnlichen Lage“ soll laut BGH jedoch eine Verwertung in Frage kommen, wenn aufgrund einer Güterabwägung das Interesse an der Wahrheitsfindung das Schutzanliegen des gesprochenen Worts deutlich übersteigt.1247 In einem anderen Fall hielt der BGH die Vernehmung eines Zeugen, der ein Gespräch über eine Darlehenshingabe unter vier Augen belauscht hatte, für unzulässig.1248 Hier befand er, dass eine Güterabwägung im Einzelfall ergebe, dass dem verletzten Persönlichkeitsrecht des Belauschten der Vorrang gegenüber dem Beweisführungsinteresse des anderen gebühre. Dabei stellte der BGH insbesondere darauf ab, dass derjenige, der es versäumt habe, sich die Darlehenshingabe

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GRUR 1991, 843 – Testfotos m. Anm. Krings; Teplitzky Kap. 47 Rn. 29; Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 26; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 349; Harte/Henning/Brünning vor § 12 Rn. 172; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.70. 1239 Vgl. BGH 25.4.1991 – I ZR 283/89 – GRUR 1991, 843 – Testfotos m. Anm. Krings. 1240 Teplitzky Kap. 47 Rn. 29; Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 26; Harte/Henning/Brünning vor § 12 Rn. 172; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.70. 1241 BGH 9.4.1987 – I ZR 44/85 – GRUR 1987, 568 = NJW 1987, 3138 – Gegenangriff; 11.12.2007 – VI ZR 14/07 – WRP 2008, 359, 362. 1242 Vgl. die Sachverhalte in BGH 3.11.1988 – I ZR 231/86 – GRUR 1989, 113 – Mietwagen-Testfahrt; 25.2.1992 – X ZR 41/90 – GRUR 1992, 612 – Nicola; 15.7.1999 – I ZR 204/96 – GRUR 1999, 1017 – Kontrollnummernbeseitigung; KG 7.12.1976 – 5 U 452/76 – WRP 1977, 712. 1243 Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 33. 1244 BGH 19.12.1984 – I ZR 181/82 – GRUR 1985, 447, 450 – Provisionsweitergabe durch Lebensversicherungsmakler. 1245 Vgl. BGH 10.12.2002 – VI ZR 378/01 – BGHZ 153, 165, 170 f. = NJW 2003, 1123, 1125. 1246 BGH 24.11.1981 – VI ZR 164/79 – GRUR 1982, 181 – Tonbandaufnahme II; 14.12.1990 – V ZR 223/89 – NJW 1991, 1180; 27.1.1994 – I ZR 326/91 – GRUR 1995, 693, 697 – Indizienkette; 3.6.1997 – VI ZR 133/96 – NJW 1998, 155; umfassend zur Interessenabwägung Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 34 ff. 1247 BGH 24.11.1981 – VI ZR 164/79 – GRUR 1982, 181 – Tonbandaufnahme II, für den Fall des zivilrechtlichen Ehrenschutzprozesses. In der Entscheidung 18.2.2003 – XI ZR 165/02 – NJW 2003, 1727 hat der BGH demgegenüber bei einem mitgehörten Telefonat die Verwertbarkeit abgelehnt, weil das bloße Beweisinteresse nach „überraschendem Bestreiten“ derartige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht nicht rechtfertige. 1248 BGH 14.12.1990 – V ZR 223/89 – NJW 1991, 1180.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

quittieren zu lassen, sich den Beweis nicht auf eine Weise beschaffen dürfe, die das Persönlichkeitsrecht des anderen verletze.1249 Hieraus ergibt sich, dass bei der Entscheidung über die Verwertbarkeit der Beweismittel die Möglichkeit der anderweitigen Beweisführung und ein mögliches Verschulden an der Beweisnot in besonderem Maße zu berücksichtigen sind. Hier ist auch an die Möglichkeit der Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO zu denken.1250 Die Möglichkeit der anderweitigen Beweisführung ist auch für die Fallgruppe der Testfotos relevant. Sind etwa in Geschäftsräumen des Beklagten ohne Genehmigung Fotos angefertigt worden, so ist dieses Verhalten – da es sich von demjenigen des normalen Nachfragers unterscheidet – grundsätzlich wettbewerbswidrig.1251 Hier wird wohl überwiegend befürwortet, dass die auf diesem Weg erlangten Beweismittel gleichwohl verwertet werden können.1252 Hiergegen spricht indes, dass der Beweis ebenfalls durch Zeugenvernehmung der Testperson geführt werden kann. Für diejenigen Fälle, in denen aber der Beweis ausschließlich durch Foto geführt werden kann – etwa weil die hinreichend bestimmte Darlegung des Wettbewerbsverstoßes die genaue Wiedergabe der beanstandeten Werbeangaben erfordert – hält der BGH die Anfertigung der Testfotos für nicht wettbewerbswidrig.1253 In diesen Fällen können die Fotos mithin ohne Weiteres verwertet werden. Ein Sachverständigengutachten ist unverwertbar, wenn der Gutachter die wesent512 lichen Tatsachengrundlagen seines Gutachtens nicht offenlegt. Dies gilt selbst dann, wenn Geschäftsgeheimnisse einer Partei betroffen sind.1254 2. Feststellung der Verkehrsauffassung 513

a) Verbraucherleitbild und Verkehrsauffassung. Die Wahrnehmung und Interpretation geschäftlicher Handlungen durch den angesprochenen Verkehr ist in zahlreichen wettbewerbsrechtlichen Konstellationen – wie etwa bei der Frage, ob eine Werbeaussage irreführend ist – entscheidungserheblich. Bei der in diesem Zusammenhang regelmäßig zitierten „Verkehrsauffassung“ handelt es sich um einen über Jahrzehnte kultivierten Rechtsbegriff des deutschen Wettbewerbsrechts, der keine begriffliche Entsprechung im europäischen Verbraucherschutzrecht hat.1255 Der EuGH löst vielmehr derartige Fälle alleine über den Begriff des Durchschnittsverbrauchers, wie er in der UGPRL (vgl. Art. 5 Abs. 2 lit. b, Art. 6 Abs. 1, 2, Art. 7 Abs. 1, 2 sowie Art. 8) verwendet wird. Die grundlegende Definition des Begriffs des Durchschnittsverbrauchers als „durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher“ hat der EuGH in der Entscheidung Gut Springenheide1256 aufgestellt und seither in allen Fällen herangezogen, in denen die Wahrnehmung geschäftlicher Handlungen zu bewerten war.

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1249 BGH a.a.O. 1250 Vgl. Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 38. 1251 BGH 25.4.1991 – I ZR 283/89 – GRUR 1991, 843 – Testfotos m. Anm. Krings; 23.5.1996 – I ZR 122/94 – WRP 1996, 1099 – Testfotos II. 1252 Harte/Henning/Retzer vor § 12 Rn. 172; wohl auch Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.70. 1253 BGH 25.1.2007 – I ZR 133/04 – GRUR 2007, 802, 805 – Testfotos III. 1254 BGH 12.11.1991 – KZR 18/90 – GRUR 1992, 191, 194 – Amtsanzeiger. 1255 Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 41 Rn. 1. 1256 In der Entscheidung „Gut Springenheide“ EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657, I-4692 Tz. 35 = WRP 1998, 848, 851 Tz. 35 – Gut Springenheide, in der der EuGH die Grundlagen des heutigen Verbraucherleitbilds legte, hatte das vorlegende BVerwG auch gefragt, ob man einen „prozentualen Anteil“, also eine Irreführungsquote, bestimmen könne. Der EuGH antwortete, dass das Gericht, falls es eine solche Befragung für erforderlich hält, nach seinem nationalen Recht den Prozentsatz der durch eine Werbeaussage getäuschten Verbraucher zu bestimmen hat, der ein Verbot dieser Werbeaussage zu rechtfertigen vermag.

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VI. Beweis und Beweislast

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Der EuGH verwendet etwa seine Definition nicht nur in Irreführungsfällen,1257 sondern stellt auf seinen Durchschnittsverbraucher auch dann ab, wenn Fragen der (kennzeichenrechtlichen) Verwechslungsgefahr zu beantworten sind.1258 Für den EuGH kann der Durchschnittsverbraucher selbst dann relevant sein, wenn es sich um rein markenrechtliche, nicht verbraucherschützende Sachverhalte handelt.1259 Ist eine geschäftliche Handlung an Fachkreise gerichtet, überträgt der EuGH seine Grundsätze zum Verbraucherleitbild und spricht insoweit von einer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen „Person“.1260 Sofern das deutsche Recht demgegenüber – in der Rechtsprechung ebenso wie im Ge- 514 setz, vgl. § 5a – auf die „Verkehrsauffassung“ abstellt, besteht hierin nur scheinbar ein Konflikt mit der Rechtsprechung des EuGH. Denn die neuere Rechtsprechung des BGH legt der Ermittlung der Verkehrsauffassung das normative Verbraucherleitbild des EuGH – wenn auch mit leichten begrifflichen Abwandlungen1261 – zugrunde. So stellt der BGH auf den durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbraucher (oder sonstigen Marktteilnehmer) ab,1262 und die einschlägige deutsche Literatur hat diese verdeutlichende Modifikation nahezu einhellig übernommen.1263 Verbraucherleitbild und Verkehrsauffassung sind dabei weder Synonyme, noch stehen die beiden Begriffe zueinander in Widerspruch. Vielmehr gibt das Verbraucherleitbild des Durchschnittsverbrauchers die Umstände der Wahrnehmung vor (Wessen Wahrnehmung ist entscheidend?), während die Verkehrsauffassung sich mit ihrem Ergebnis beschäftigt (Was nimmt der Durchschnittsverbraucher wahr?). 1264 Letztlich erweitert die deutsche Rechtsprechung den Durchschnittsverbraucher nur um die tatsächliche Komponente, die – unausgesprochen – auch der EuGH-Rechtsprechung zugrunde liegt. Denn auch der EuGH stellt darauf ab, was der Durchschnittsverbraucher sich tatsächlich vorstellt.1265

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1257 Vgl. hierzu EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117, I-146 Tz. 27 = WRP 2000, 289, 292 Tz. 27 – Lifting-Creme; 4.4.2000 – C-465/98 – Slg 2000, I-2297, I-2333 Tz. 20 = WRP 2000, 489, 491 Tz. 20 = GRUR Int. 2000, 756, 757 Tz. 20 – Darbo m. Anm. Hartwig; 12.10.2000 – C3/99 – Slg. 2000, I-8749, I-8781 Tz. 53 = ZLR 2000, 8749 Tz. 53 – Cidrerie Ruwet; 24.10.2002 – C-99/01 – Slg. 2002, I-9375, I-9404 Tz. 31 = EWS 2003, 135 Tz. 31 – Linhart. 1258 Vgl. hierzu EuGH 22.6.1999 – C-342/97 – Slg. 1999, I-3819, I-3841 Tz. 26 = WRP 1999, 806, 809 Tz. 26 – Lloyd/Loints. 1259 Vgl. EuGH 8.4.2003 – verb. Rs. C-53/01 bis C-55/01, C-54/01, C-55/01 – Slg 2003, I-3161, I-3194 Tz. 41 = GRUR 2003, 514, 517 Tz. 41 – Zur Unterscheidungskraft einer Marke. 1260 Vgl. EuGH 25.10.2001 – Rs. C-112/99 – Slg. 2001, I-7945, I-7991 Tz. 52 = GRUR 2002, 354, 356 Tz. 52 – Toshiba Europe. 1261 Trotz leichter sprachlicher Abweichungen kann von einem einheitlichen Begriff ausgegangen werden, vgl. EuGH 16.9.2004 – C-329/02 – Slg. 2004, I-8338, 8347 Tz. 24 = GRUR 2004, 943, 944 Tz. 24 – SAT.1; EuG 17.1.2006 – T-398/04 – GRUR Int. 2006, 326, 328 Tz. 28; Helm FS Tilmann, S. 135, 145; ders. WRP 2005, 938; Teplitzky Kap. 47 Rn. 8b Fn. 40. A.A., allerdings noch vor den vorgenannten klarstellenden Entscheidungen von EuGH und EuG: Kemper/Rosenow WRP 2001, 376. 1262 BGH 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 527, 529 – Elternbriefe; 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung; 24.10.2002 – I ZR 100/00 – GRUR 2003, 361, 362 = WRP 2003, 1224, 1225 – Sparvorwahl; 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 252 = GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft. 1263 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.71; Fezer/Büscher § 12 Rn. 319; Teplitzky Kap. 47 Rn. 8b; wohl stärker auf die Definition des EuGH abstellend Henning/Harte/Brüning vor § 12 Rn. 174. Vgl. auch Bornkamm WRP 2000, 830, 836, der zutreffend darauf hinweist, dass der EuGH in der französischen und der englischen Sprachfassung der Entscheidung Gut Springenheide (s. Fn. 1257) auf den „in vernünftigem Umfang aufmerksamen und verständigen Verbraucher“ abstellt, was letztlich das Kriterium der Situationsadäquanz in der Formel des BGH rechtfertigt. 1264 Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 41 Rn. 11. 1265 EuGH 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117, I-146 Tz. 30 = WRP 2000, 289, 292 Tz. 30 – LiftingCreme: „Wenn auch auf den ersten Blick wenig dafür spricht, daß ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher erwartet, daß eine Creme, deren Bezeichnung

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b) Irreführungsquorum. Vor der Einführung des mit normativen Elementen versehenen Begriffs des Durchschnittsverbrauchers ging die ältere Rspr.1266 sowie die früher ganz h.L.1267 von einer uneinheitlichen Verkehrsauffassung aus. Dies lag darin begründet, dass Werbung häufig einen weitgespannten und vielschichtigen Personenkreis anspricht und dass die einzelnen Verbraucher – abhängig davon, wie aufmerksam, informiert und verständig sie sind – eine Werbung unterschiedlich auffassen können. Vor diesem Hintergrund spielte das Irreführungsquorum, das erreicht sein musste, um eine rechtlich relevante Irreführung anzunehmen, eine zentrale Rolle. Die ältere Rspr. hielt es dabei für ausreichend, dass ein nicht völlig unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise irregeführt wurde, wobei nach allgemeiner Meinung eine Irreführungsquote von 10 bis 15% zu fordern war.1268 Nach dem heute geltenden Verbraucherleitbild ist das Nebeneinander von 516 Durchschnittsverbraucher und Verkehrsauffassung im Idealfall nicht spürbar, weil sich eine singuläre Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers ermitteln lässt. Dann ist das – zutreffend ermittelte – eine Verständnis des Durchschnittsverbrauchers identisch mit der Verkehrsauffassung. Anders verhält es sich in solchen Fällen, in denen verschiedene Durchschnittsverbraucher eine geschäftliche Handlung unterschiedlich auffassen können. Dass derartige Fälle denkbar sind, hat der BGH in der Entscheidung Mindestverzinsung1269 ausdrücklich – und zutreffend1270 – festgestellt und dabei entschieden, dass für die Annahme einer unlauteren Irreführung ausreicht, wenn die Werbeaussage geeignet ist, einen erheblichen Teil der durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher1271 irrezuführen. Wenn die Gesamtheit der Durchschnittsverbraucher in ihrem Verständnis vom Aussagegehalt einer geschäftlichen Handlung gespalten ist, erfordert die Ermittlung der Verkehrsauffassung die Einbeziehung einer Irreführungsquote. Dies steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH, der an keiner Stelle fordert, dass der Durchschnittsverbraucher als normatives Kunstprodukt ausschließlich ein Ergebnis im Sinne eines einzigen Verständnisses der geschäftlichen Handlung liefern darf. Im Gegenteil hat der EuGH mehrfach ausgesprochen, dass es Sache des nationalen Gerichts sei zu bestimmen, welcher Prozentsatz der Verbraucher mindestens durch eine Aussage irregeführt werden muss, damit ein Verbot gerechtfertigt ist.1272

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das Wort ,Lifting‘ enthält, dauerhafte Wirkung hat, so ist es doch Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte zu prüfen, wie es sich im vorliegenden Fall verhält.“ 1266 Vgl. etwa die Entscheidungen BGH 6.4.1979 – I ZR 35/77 – GRUR 1979, 716, 718 – Kontinent Möbel; 6.6.1980 – I ZR 97/98 – GRUR 1981, 71, 74 – Lübecker Marzipan; 21.2.1991 – I ZR 106/89 – GRUR 1992, 66, 68 – Königl.-Bayerische Weisse m. Anm. Knaak; 27.05.1993 – I ZR 115/91 – GRUR 1993, 920 – Emilio Adani II, in denen jeweils die Quote der irregeführten Verbraucher thematisiert wird. Dieser Prüfung liegt die Prämisse einer uneinheitlichen Wahrnehmung zugrunde. 1267 Vgl. Vorauflage/Lindacher § 3 Rn. 98 ff.; Büttner GRUR 1996, 533 jeweils m.w.N. 1268 Vgl. die Entscheidungen in Fn. 1264. Zu den geringeren Anforderungen an das Irreführungsquorum bei Werbung mit Gesundheitsbezug vgl. BGH 2.7.1992 – I ZR 215/90 – GRUR 1992, 874 – Hyanit. 1269 BGH 2.10.2003 – I ZR 252/01 – GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung. 1270 Scherer GRUR 2000, 273 vertritt hingegen für das Kennzeichenrecht die Position, dass eine uneinheitliche Verkehrsauffassung angesichts des normativen Verbraucherleitbilds schlechterdings ausgeschlossen ist. Kritisch hierzu Ingerl/Rohnke § 14 MarkenG Rn. 461. 1271 Wenn sich Produkt an eine abgrenzbaren Teil des angesprochenen Verkehrs richtet, ist die Irreführung nicht unerheblicher Teile dieser abgrenzbaren Gruppe ausreichend, vgl. OLG Karlsruhe 23.1.2013 – 6 U 38/12 – GRUR-RR 2013, 327 für Lebensmittel, die speziell in türkischen Lebensmittelgeschäften angeboten werden. 1272 EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657, I-4692 Tz. 36 = WRP 1998, 848, 851 Tz. 36 – Gut Springenheide; 13.1.2000 – C-220/98 – Slg. 2000, I-117, I-146 Tz. 31 = WRP 2000, 289, 292 Tz. 31 – LiftingCreme.

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VI. Beweis und Beweislast

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Der BGH hat sich nicht ausdrücklich zu der Frage geäußert, welche Irreführungs- 517 quote bei gespaltener Auffassung des Durchschnittsverbrauchers erreicht sein muss. Mit der Entscheidung Mindestverzinsung1273 ist aber zumindest geklärt, dass eine Quote von 15 bis 20% nicht ausreicht. Ob man darüber hinaus der Entscheidung auch entnehmen kann, dass eine Quote von 50% nicht erforderlich ist, weil der BGH die Täuschung eines „erheblichen Teils“ der durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher statt der Mehrheit fordert,1274 erscheint indes zweifelhaft. Denn auf diese Weise würde bei gespaltener Auffassung der Durchschnittsverbraucher das Verbot zur Regel und es wären nahezu wieder die Verhältnisse hergestellt, die vor Einführung des europäischen Verbraucherleitbildes herrschten. Richtigerweise ist daher grundsätzlich eine Täuschung der Mehrheit der durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher zu fordern. Im Übrigen ist eine allzu laxe Handhabung der Irreführungsquote auch vor dem Hintergrund nicht angezeigt, dass der BGH bei Verbrauchergruppen unterschiedlichen Kenntnisstandes den „Kunstgriff“ anwendet, von der Bestimmung des Durchschnittsverbrauchers abzusehen und stattdessen mehrere Verkehrskreise zu bilden und die Täuschung eines Kreises für ausreichend zu erachten.1275 Unabhängig davon, ob eine Mehrheit der angesprochenen Verkehrskreise getäuscht wird, sind nach der Rechtsprechung des BGH objektiv unrichtige Angaben, insbesondere die so genannten „dreisten Lügen“, zu verbieten.1276 c) Bestimmung der Verkehrsauffassung kraft eigener Sachkunde aa) Grundlagen und Rechtsentwicklung. Die Ermittlung der Verkehrsauffassung 518 im Wege der Beweisaufnahme ist für die Parteien mit einer Reihe von Nachteilen verbunden. So verursachen Meinungsforschungsgutachten nicht unerheblichen Kosten, die im Durchschnitt zwischen € 12.000 und € 25.000 und im Einzelfall bis zu € 50.000 betragen können.1277 Ferner steht die Einholung eines Gutachtens angesichts der damit verbundenen deutlich erhöhten Dauer des Verfahrens im Widerspruch zum Interesse des Klägers an einem effektiven Rechtsschutz. Denn das Verfahren wird nicht nur durch die eigentliche Bearbeitungszeit des Sachverständigen verzögert, sondern insbesondere dadurch in die Länge gezogen, dass die Sache in der Regel erst nach drei Terminen entscheidungsreif ist und nicht – wie es ohne Beweisaufnahme der Regel entspricht – nach einem einzigen Verhandlungstermin.1278 Schließlich ist das Verfahren angesichts der Schwierigkeit, richtige Fragestellungen zu formulieren,1279 der Gefahr des Misslingens ausgesetzt.1280 Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung schon früh Leitlinien für eine Ermittlung der Verkehrsauffassung ohne Beweisaufnahme entwickelt.

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1273 BGH 2.10.2003 – I ZR 252/01 – GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung. 1274 So Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 41 Rn. 12. 1275 BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung. 1276 BGH 24.5.2000 – I ZR 222/97 – GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisempfehlung; 20.12.2001 – I ZR 215/98 – GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung. 1277 Gloy/Loschelder/Erdmann/Pflüger § 42 Rn. 6; Teplitzky Kap. 47 Rn. 16 Fn. 89. 1278 Vgl. zum Verfahren Rn. 535 ff., aber auch die hierzu abweichende Meinung bei Gloy/Loschelder/ Erdmann/Pflüger § 42 Rn. 9. 1279 Hierzu Rn. 538 ff. 1280 BGH 5.7.1990 – I ZR 164/88 – GRUR 1990, 1053, 1054 f. – Versäumte Meinungsumfrage; 15.2.1996 – I ZR 9/94 – GRUR 1996, 910, 913 – „der meistverkaufte Europas“ m. Anm. Doepner; 17.6.1999 – I ZR 149/97 – GRUR 2000, 239, 240 – Last-Minute-Reise; 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079, 10812 Tz. 31 – Bundesdruckerei; 11.2.2010 – I ZR 154/08 – WRP 2010, 759, 760 – Firmenbestandteil „Bundes-“; Teplitzky Kap. 47 Rn. 16; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.76.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Bereits das RG1281 hat entschieden, dass das Gericht die Verkehrsauffassung vom Gehalt einer bestimmten Aussage auch ohne Inanspruchnahme fremder Hilfe beurteilen kann, was im Allgemeinen gelte, wenn die Richter selbst den zur Beurteilung berufenen Verkehrskreisen angehören. In der Folgezeit hat der BGH die den Richtern grundsätzlich eröffnete Möglichkeit, die Verkehrsauffassung aufgrund eigener Lebenserfahrung und Sachkunde festzustellen, in ständiger Rechtsprechung bestätigt und die Voraussetzungen hierfür konkretisiert.1282 Bemerkenswert ist dabei insbesondere die BärenfangEntscheidung1283 aus dem Jahr 1962, wonach die Feststellung der Verkehrsauffassung aufgrund eigener Lebenserfahrung oder Sachkunde regelmäßig nur bei Bejahung der Irreführungsgefahr in Betracht kommen sollte, weil ihre Verneinung häufig die Erfassung eines so weitgespannten und vielschichtigen Personenkreises umfasse, dass das Gericht ein zuverlässiges Bild nicht ohne fremde Hilfe gewinnen könne. Dieser strenge Maßstab wurde in der Entscheidung Elternbriefe1284 angesichts des nunmehr normativ geprägten Prüfungsmaßstabs des Durchschnittsverbrauchers ausdrücklich aufgegeben, sodass fortan unabhängig vom Ergebnis der Irreführungsprüfung der Weg zur Feststellung kraft eigener Sachkunde offenstand.1285 Eine weitere wichtige Entwicklung im Zusammenhang mit der Feststellung der Ver520 kehrsauffassung ohne Beweisaufnahme gilt der Vergemeinschaftung und Typisierung richterlicher Lebenserfahrung im Wege so genannter Erfahrungssätze.1286 Diese Entwicklung hat ihren Ursprung im Kennzeichenrecht, wo die Verkehrsauffassung für eine Fülle von Tatbestandsmerkmalen – wie etwa den kennzeichenmäßigen Gebrauch, die Unterscheidungskraft oder die Verwechslungsgefahr 1287 – relevant ist. 1288 Gleichwohl wird im Kennzeichenrecht die Verkehrsauffassung häufig ohne Beweisaufnahme festgestellt, und zwar indem mittels Erfahrungssätzen vom Vorliegen bestimmter Kriterien auf eine bestimmte Verkehrsauffassung geschlossen wird.1289 Ein Beispiel hierfür ist etwa der Erfahrungssatz, wonach der Verkehr dazu neige, Bezeichnungen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen.1290 Auch die lauterkeitsrechtliche Rechtsprechung wendet zur Konkretisierung des Begriffs des Durchschnittsverbrauchers und zur Ermittlung der Verkehrsauffassung Erfahrungssätze an.1291 Hierzu gehört etwa im Bereich des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes der Erfahrungssatz, dass der Verkehr die in Rede stehenden Produkte regelmäßig nicht 519

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1281 8.2.1939 – II 107/38 – GRUR 1939, 486, 489 – Original Bergmann. 1282 Vgl. BGH 30.11.1951 – I ZR 9/50 – GRUR 1952, 511, 516 – Urköl’sch; 15.05.1956 – I ZR 148/54 – GRUR 1956, 550, 552 – Tiefenfurter Bauernbrot; 13.04.1959 – II ZR 39/58 – GRUR 1959, 375, 376 f. – Doktortitel; 29.10.1969 – I ZR 63/68 – GRUR 1970, 461 – Euro-Sprituosen; 19.6.1970 – I ZR 72/68 – GRUR 1971, 29, 31 – Deutscher Sekt; 2.4.1971 – I ZR 22/70 GRUR 1971, 365, 367 – Wörterbuch; 21.5.1975 – I ZR 43/74 – GRUR 1975, 658 – Sonnenhof; 27.2.1980 – I ZR 8/78 – GRUR 1980, 797, 798 – Topfit-Boonekamp; 10.2.1982 – I ZR 65/80 – GRUR 1982, 491, 492 – Möbelhaus; 11.5.1983 – I ZR 64/81 – GRUR 1984, 467, 468 – Das unmögliche Möbelhaus; 1.2.1990 – I ZR 161/87 – GRUR 1990, 532, 533 – Notarieller Festpreis; 20.2.1992 – I ZR 32/90 – GRUR 1992, 406, 407 – Beschädigte Verpackung; 25.6.1992 – I ZR 60/91GRUR 1992, 707, 709 – Erdgassteuer. 1283 BGH 13.7.1962 – I ZR 43/61 – GRUR 1963, 270, 273 – Bärenfang m. Anm. Hefermehl. 1284 BGH 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 527, 529 – Elternbriefe. 1285 Hierzu Rn. 528. 1286 Zum Begriff vgl. Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 41 Rn. 24 sowie Hacker GRUR 2004, 537, 545. 1287 Vgl. Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 5; Teplitzky Kap. 47 Rn. 5; Ingerl/Rohnke § 14 MarkenG Rn. 440 ff. 1288 Teplitzky Kap. 47 Rn. 5. 1289 Vgl. Vorauflage/Teplitzky § 16 Rn. 380 f. 1290 BGH 29.10.1957 – I ZR 108/56 – GRUR 1958, 604 – Wella-Perla. 1291 Vgl. hierzu Omsels GRUR 2005, 548, 555 f.; Teplitzky Kap. 47 Rn. 6.

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VI. Beweis und Beweislast

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt.1292 bb) Problematik der richterlichen Feststellung kraft eigener Sachkunde. Zwar 521 trifft das aktuell große Vertrauen der Rechtsprechung in die Feststellung der Verkehrsauffassung aufgrund eigener Sachkunde nicht zuletzt unter Effizienzgesichtspunkten auf verbreitete Zustimmung in der Literatur.1293 Gleichwohl darf nicht verkannt werden, dass auch die Verwendung von Erfahrungswissen und Erfahrungssätzen fehlerbehaftet und auch Hinblick auf ihre Revisibilität nicht unproblematisch ist. So weist Lubberger1294 zurecht darauf hin, dass es dem Richter schwer fallen mag, den ihm auferlegten „Rollenwechsel“ vorzunehmen, zumal er sich zum Zeitpunkt der Entscheidung, nachdem er sich eingehend mit der Akte und den Standpunkten der Parteien beschäftigt hat, weit von der Wahrnehmungssituation des Durchschnittsverbrauchers entfernt hat. Nicht zuletzt angesichts dieser der Methode immanenten Fehleranfälligkeit wendet der BGH Maßnahmen der Fehlerkontrolle an, die bei erster Näherung überraschen mögen. So ist zu beobachten, dass in der Revisionsinstanz tatrichterliche Feststellungen zur Verkehrsauffassung aufgehoben werden und der BGH sodann unter Zugrundelegung einer anderen, selbst ermittelten Verkehrsauffassung durcherkennt.1295 Diese Praxis mag wie ein Widerspruch zur begrenzten Überprüfbarkeit tatrichterlicher Feststellungen in der Revisionsinstanz erscheinen.1296 Sie lässt sich jedoch mit der besonderen Rechtsnatur der Erfahrungssätze erklären. Das persönliche Erfahrungswissen eines Richters hängt häufig von Zufällen ab und ist nicht repräsentativ; dementsprechend dürfen die Richter sich nicht ausschließlich auf ihr persönliches Erfahrungswissen stützen, sondern müssen auf Erfahrungssätze zurückgreifen.1297 Diese sind, wenn sie auch keine Rechtsnormen sind,1298 jedenfalls Hilfsmittel der Gesetzesauslegung und damit revisionsrechtlich wie Rechtsnormen zu behandeln.1299 Dort wo (ausgesprochen oder unausgesprochen) in eine instanzgerichtliche Entscheidung Erfahrungssätze eingeflossen sind – oder dort wo Erfahrungssätze missachtet wurden –, steht dem Revisionsgericht mithin die Überprüfung und zutreffende Anwendung der Erfahrungssätze offen.1300 Es obliegt der eigenverantwortlichen Entscheidung des Gerichts, die Verkehrsauf- 522 fassung entweder kraft eigener Sachkunde bzw. Lebenserfahrung zu bestimmen oder durch Beweisaufnahme zu ermitteln. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass auch die neuere Rechtsprechung und Literatur weiterhin die Frage stellen, wann das Gericht die Verkehrsauffassung ohne Beweisaufnahme ermitteln kann. Dies steht mit den Vorgaben des EuGH – der die Beweisaufnahme als Ausnahme betrachtet – nicht in Einklang. Der EuGH hat bereits in der Entscheidung Gut Springenheide – auf eine Vorlage-

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1292 Vgl. BGH 11.1.2007 – I ZR 198/04 – GRUR 2007, 795 – Handtaschen. 1293 Vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.73; Fezer/Büscher § 12 Rn. 325; Harte/Henning/Brünning vor § 12 Rn. 178; Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 10; Ullmann GRUR 2003, 817, 818 f.; Lettl GRUR 2004, 449, 458; Ulbrich WRP 2005, 940 ff. Kritisch Sack WRP 2004, 521 ff.; Omsels GRUR 2005, 548. Die guten Ergebnisse betonend, die mit der Differenzierung zwischen Bejahung und Verneinung der Irreführungsgefahr und der Anwendung des Irreführungsquorums erzielt wurden, Teplitzky Kap. 47 Rn. 8b. 1294 Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 41 Rn. 17. 1295 Vgl. Bornkamm WRP 2000, 830, 831 m.w.N. in Fn. 2. 1296 Vgl. Bornkamm a.a.O., der von einer „kritisch-skeptischen Beobachtung“ spricht. 1297 Vgl. Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 41 Rn. 24. 1298 So aber das Verständnis des Reichsgerichts, vgl. 7.5.1920 – VII 12/20 – RGZ 99, 70, 71 zur Verkehrsauffassung über die Ermächtigung des Portiers, eingebrachtes Geld i.S.d. § 701 Abs. 2 BGB entgegenzunehmen. 1299 Hacker GRUR 2004, 537, 545 m.w.N. 1300 Vgl. Bornkamm WRP 2000, 830, 834; Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.15; Fezer/Büscher § 12 Rn. 326.

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frage des BVerwG – entschieden, dass das Gemeinschaftsrecht dem nationalen Gericht eine Ermittlung der Verkehrsauffassung im Wege des Sachverständigengutachten „nicht verbiete“, wenn das nationale Gericht „besondere Schwierigkeiten“ bei der Beurteilung der Irreführung habe.1301 Für den EuGH ist mithin die Festsetzung der Verkehrsauffassung durch den Tatrichter die Regel, von der nur in begründeten Fällen, nämlich bei „besonderen Schwierigkeiten“, abgewichen werden darf. In Konsequenz dieser Linie wäre also nicht zu fragen, wann die Verkehrsauffassung ohne Beweisaufnahme festgestellt werden kann, sondern wann sie ohne Beweisaufnahme festgestellt werden muss. Die praktischen Auswirkungen der Befolgung dieses Paradigmas wären nicht unbeträchtlich. Nach der heute ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Lehre muss der Tatrichter bei Zweifeln an der eigenen Sachkunde die verfügbaren Beweismittel ausschöpfen;1302 unterlässt er dies, liegt ein revisibler Verfahrensfehler vor.1303 Nähme man das Regel-Ausnahme-Verhältnis des EuGH und das Erfordernis der begründeten besonderen Schwierigkeiten ernst, so ließe sich durchaus vertreten, dass die Ermittlung der Verkehrsauffassung ohne Beweisaufnahme bei bloßen Zweifeln an der Sachkunde des Instanzgerichts noch keinen revisiblen Verfahrensfehler begründen. Im Ergebnis wären damit tatrichterliche Feststellungen der Verkehrsauffassung, die auf wackligen – weil von zweifelhafter Sachkunde getragenen – Beinen stehen, jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensfehlers nicht revisibel.1304 Ferner ist fraglich, ob dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG noch Genüge getan wäre, wenn eine Partei erhebliche Tatsachen zur Erschütterung einer bestimmten, vom Gericht ins Auge gefassten Verkehrsauffassung vorgebracht hat, das Gericht aber gleichwohl ohne Beweisaufnahme an seiner Auffassung festhielte.1305 Vor diesem Hintergrund tun die deutschen Gerichte gut daran, auch angesichts der Rechtsprechung des EuGH weiter zu fragen, wann die Verkehrsauffassung ohne Beweisaufnahme festgestellt werden kann, nicht muss. cc) Fallgruppen 523

(1) Lebenserfahrung. Grundsätzlich kann das Gericht stets dann die Verkehrsauffassung auf der Grundlage seiner eigenen Lebenserfahrung feststellen, wenn die Richter von der streitgegenständlichen Werbung selbst angesprochen sind.1306 Dies ist insbeson-

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1301 EuGH 16.7.1998 – C-210/96 – Slg. 1998, I-4657, I-4692 Tz. 34 f. = WRP 1998, 848, 851 Tz. 34 f. – Gut Springenheide. 1302 BGH 2.2.1984 – I ZR 219/81 – GRUR 1984, 465, 467 – Natursaft; 12.2.1987 – I ZR 54/85 – GRUR 1987, 444, 446 – Laufende Buchführung; 12.11.1998 – I ZR 173/96 – GRUR 1999, 594, 597 – Holsteiner Pferd; Teplitzky Kap. 47 Rn. 7; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 369; Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.13; Spätgens FS für Traub, S. 375, 386. A.A. Westermann GRUR 2002, 405, der zumindest in Irreführungsfällen stets die richterliche Sachkunde ausreichen lassen will. 1303 BGH 19.1.1995 – I ZR 197/92 – GRUR 1995, 354, 357 – Rügenwalder Teewurst II; 21.3.2000 – VI ZR 158/99 – NJW 2000, 1946, 1947; 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 252 = GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.13; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 369; Teplitzky Kap. 47 Rn. 7; Spätgens FS Traub, S. 375, 386; a.A. Westermann GRUR 2002, 403, 405. 1304 Freilich kann das sachlich nicht vertretbare Ergebnis insoweit korrigiert werden, als die Beurteilung nicht frei von Widersprüchen mit Denkgesetzen und Erfahrungssätzen ist, vgl. BGH 5.7.1990 – I ZR 164/88 – GRUR 1990, 1053, 1054 – Versäumte Meinungsumfrage; 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 527, 530 – Elternbriefe; 11.12.2003 – I ZR 50/01 – GRUR 2004, 605, 606 – Dauertiefpreise; Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.15; Fezer/Büscher § 12 Rn. 326; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Lubberger § 41 Rn. 19. 1305 Vgl. zum Anspruch auf rechtliches Gehör in diesem Zusammenhang Gloy/Loschelder/Erdmann/ Lubberger § 41 Rn. 23 m.w.N. 1306 BGH 17.10.1984 – I ZR 187/82 – GRUR 1985, 140, 141 – Größtes Teppichhaus der Welt m.w.N.; 1.2.1990 – I ZR 161/87 – GRUR 1990, 532, 533 – Notarieller Festpreis; 20.2.1992 – I ZR 32/90 – GRUR 1992,

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dere der Fall bei Gegenständen des allgemeinen Bedarfs,1307 ohne dass es sich hierbei jedoch um ein notwendiges Erfordernis handeln würde.1308 Von Werbung für Konsumgüter ist das Gericht auch dann angesprochen, wenn die Richter die Produkte nicht selbst kaufen;1309 denn es ist gerade eine der grundlegenden Zielrichtungen der Werbung, auch Neu- und Erstkunden anzusprechen.1310 Der vorstehende Grundsatz muss für solche Fälle eingeschränkt werden, in denen 524 das Verständnis eines bestimmten in der angegriffenen Werbung verwendeten Begriffs maßgeblich ist. Hier ist zusätzlich erforderlich, dass es sich um einen solchen Begriff handelt, dessen Verständnis in einem bestimmten Sinn einfach und naheliegend ist.1311 Dies ist dann nicht der Fall, wenn zunächst Kenntnisse und sodann Denkprozesse im Zusammenhang mit diesen Kenntnissen erforderlich sind, die nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden können und von denen die Richter nicht annehmen können, dass sie tatsächlich bei einem nennenswerten Teil des Verkehrs vorliegen bzw. erfolgen werden.1312 An einem einfachen und naheliegenden Verständnis des maßgeblichen Begriffs fehlt es auch dann, wenn die wortlautgetreue Interpretation jedenfalls unzutreffend wäre.1313 (2) Sachkunde. Das Gericht kann unter Umständen auch dann die Verkehrsauffas- 525 sung ohne Beweisaufnahme feststellen, wenn die Richter nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören.1314 Denn aufgrund ihrer besonderen Erfahrung in Wettbewerbssachen können die Richter grundsätzlich auch über die erforderliche Sachkunde verfügen, um das Verständnis einer Aussage durch Fachkreise zu beurteilen.1315 Etwas

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406, 407 – Beschädigte Verpackung; 12.11.1998 – I ZR 173/96 – GRUR 1999, 594, 597 – Holsteiner Pferd; 17.6.1999 – I ZR 149/97 – GRUR 2000, 239, 240 – Last-Minute-Reise; Fezer/Büscher § 12 Rn. 321; Teplitzky Kap. 47 Rn. 7; den Ausführungen von Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.12 liegt dieses Kriterium unausgesprochen zugrunde. 1307 BGH 20.2.1992 – I ZR 32/90 – GRUR 1992, 406, 407 – Beschädigte Verpackung; 9.5.1996 – I ZR 107/94 – GRUR 1996, 800, 801 – EDV-Geräte; 17.6.1999 – I ZR 149/97 – GRUR 2000, 239, 240 – Last-MinuteReise. 1308 Teplitzky Kap. 47 Rn. 7. 1309 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.71. 1310 Dementsprechend verwenden Rspr. und Literatur auch die Formel von den „angesprochenen Verkehrskreisen“, die im Hinblick auf das tatsächliche Konsumverhalten neutral ist, vgl. die Nachweise in Fn. 1308. 1311 BGH 10.2.1982 – I ZR 65/80 – GRUR 1982, 491, 492 – Möbelhaus; 11.5.1983 – I ZR 64/81 – GRUR 1984, 467, 468 – Das unmögliche Möbelhaus; 20.2.1992 – I ZR 32/90 – GRUR 1992, 406, 407 – Beschädigte Verpackung; BGH 10.8.2000 – I ZR 126/98 – GRUR 2001, 73, 75 – Stich den Buben m.w.N.; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 2.71; Fezer/Büscher § 12 Rn. 321 ff.; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 175 ff.; Teplitzky Kap. 47 Rn. 7; Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 41 Rn. 22; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 369 m.w.N. 1312 BGH 19.1.1995 – I ZR 197/92 – GRUR 1995, 354, 357 – Rügenwalder Teewurst II; Teplitzky Kap. 47 Rn. 7. 1313 BGH 17.6.1999 – I ZR 149/97 – GRUR 2000, 239, 240 – Last-Minute-Reise; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Lubberger § 41 Rn. 22. 1314 BGH 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 252 = GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079, 1082 Tz. 36 = WRP 2007, 1346, 1351 Tz. 36 – Bundesdruckerei; Fezer/Büscher § 12 Rn. 264; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 175; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.71; Piper/Ohly/Sosnitza § 5 Rn. 144. Jedoch können sich gerade dann, wenn die Richter nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, die in Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 41 Rn. 17 aufgezeigten Gefahren manifestieren. 1315 BGH 12.7.2001 – I ZR 261/98 – GRUR 2002, 77, 79 – Rechenzentrum; 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 252 = GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; 6.5.2004 – I ZR 275/01 – GRUR 2004, 793, 796 = WRP 2004, 1024, 1027 – Sportlernahrung II; 20.2.2013 – I ZR 175/11 – GRUR 2013, 1058 – Kostenvergleich bei Honorarfactoring; OLG Hamburg 23.4.2009 – 3 U 211/08 – GRUR-RR 2010, 67, 70 f.; Bornkamm WRP

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anderes gilt, wenn dieses Verständnis besondere Kenntnisse in dem jeweiligen Fachgebiet (Sonderwissen) erfordert. 526

(3) Sonderwissen. Bei geschäftlichen Handlungen, die sich an Fachkreise richten, hängen Wahrnehmung und Interpretation mitunter von spezifischem Fachwissen aus dem entsprechenden Gebiet ab. Dies ist z.B. der Fall, wenn die angegriffene Werbeaussage ihrerseits auf Fachterminologie zurückgreift. Auch in diesen Fällen ist denkbar, dass das Gericht auf der Grundlage eigenen Erfahrungswissens entscheidet; das Gericht muss dieses spezifische Wissen aber darlegen und begründen.1316 Denkbar ist hier etwa, dass der zur Entscheidung berufene Spruchkörper regelmäßig mit Sachverhalten aus der entsprechenden Branche betraut ist und hierdurch besonderes Erfahrungswissen erlangt hat. 527 In den einschlägigen Entscheidungen hat der BGH nicht ausdrücklich ausgesprochen, ob das besondere Erfahrungswissen in diesen Fallgestaltungen bei allen Richtern des Spruchkörpers vorhanden sein muss oder ob es ausreicht, dass ein Richter hierüber verfügt. In der Entscheidung Holsteiner Pferd1317 führte der BGH aus, es sei nicht ersichtlich, dass „die Richter“ mit den Besonderheiten des Pferdemarkts vertraut seien. Demgegenüber hielt der BGH in der Entscheidung Marktführerschaft eine Beweiserhebung häufig dann für geboten, „wenn keiner der erkennenden Richter durch die fragliche Werbung angesprochen wird“. 1318 Diese Formulierung deutet darauf hin, dass der BGH Sonderwissen eines einzelnen Mitglieds des Spruchkörpers für ausreichend erachtet. Da die Gerichte eine Mehrheitsentscheidung treffen können (§ 196 Abs. 1 GVG) und damit das Mitglied des Spruchkörpers, das über das erforderliche Erfahrungswissen verfügt, theoretisch überstimmt werden könnte, ist indes zu fordern, dass besonderes Erfahrungswissen bei allen Richtern vorhanden ist. Dabei sollte jedoch ein Wissenstransfer von einem Richter auf die übrigen möglich sein.1319

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dd) Unerheblichkeit des Ergebnisses der Irreführungsprüfung. Bis zur Einführung des europäischen Verbraucherleitbilds und der Maßgeblichkeit des Durchschnittsverbrauchers sollte nach der mit der Bärenfang-Entscheidung1320 begründeten strengen Rechtsprechung des BGH die Feststellung der Verkehrsauffassung aufgrund eigener Lebenserfahrung oder Sachkunde regelmäßig1321 nur in Betracht kommen, wenn die Irreführungsgefahr bejaht wurde.1322 Da bereits die Irreführung eines nicht ganz unerhebli-

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2000, 830, 833 m.w.N.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.71 und Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.12 sowie Fezer/ Büscher § 12 Rn. 322 m.w.N. aus der OLG-Rspr. 1316 BGH 29.11.1974 – I ZR 117/73 – GRUR 1975, 377, 379 – Verleger von Tonträgern m. Anm. Nordemann; 23.5.1990 – I ZR 176/88 – GRUR 1990, 1035, 1037 – Urselters II; 12.11.1998 – I ZR 173/96 – GRUR 1999, 594, 597 – Holsteiner Pferd; 15.4.2010 – I ZR 145/08 – GRUR 2010, 1125, 1129 Tz. 50 – Femur-Teil; Köhler/ Bornkamm § 5 Rn. 3.13; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.74; Teplitzky Kap. 47 Rn. 7. 1317 BGH 12.11.1998 – I ZR 173/96 – GRUR 1999, 594, 597 – Holsteiner Pferd. 1318 BGH 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 252 = GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft. 1319 Fezer/Büscher § 12 Rn. 322 und Bornkamm WRP 2000, 830, 833 lassen ausdrücklich die Aneignung des Sonderwissens etwa durch Literaturstudium zu. Es besteht kein sachlicher Grund, einen Wissenstransfer von Richter zu Richter nicht in gleicher Weise zuzulassen. 1320 BGH 13.7.1962 – I ZR 43/61 – GRUR 1963, 270, 273 – Bärenfang m. Anm. Hefermehl. 1321 Vgl. zu den Ausnahmefällen, in denen die Irreführung ohne Beweisaufnahme verneint wurde BGH 7.7.1971 – I ZR 23/71 – GRUR 1972, 360, 361 – Kunststoffglas m. Anm. Storch; 25.6.1992 – I ZR 60/91 – GRUR 1992, 707, 709 – Erdgassteuer. 1322 BGH 13.7.1962 – I ZR 43/61 – GRUR 1963, 270, 273 – Bärenfang m. Anm. Hefermehl; 22.3.1967 – Ib ZR 88/65 – GRUR 1967, 600, 603 – Rhenodur I m. Anm. Droste; 12.2.1987 – I ZR 54/85 – GRUR 1987, 444, 446 – Laufende Buchführung; 13.2.1992 – I ZR 79/90 – GRUR 1992, 450, 452 – Beitragsrechnung; 20.2.1992 – I ZR 32/90 – GRUR 1992, 406, 407 – Beschädigte Verpackung. Die Praxis der Instanzgerichte war gleichwohl

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

chen Teils des Verkehrs ein Verbot rechtfertigte,1323 wurde den Richtern die Sachkunde abgesprochen, für fast den gesamten von einer Werbemaßnahme angesprochenen Personenkreis (ca. 85 bis 90%) eine Irreführung ausschließen zu können.1324 Da mit der neueren Rechtsprechung auf den durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbraucher (bzw. sonstigen Marktteilnehmer) abzustellen ist und somit grundsätzlich nur noch die Vorstellung dieser einen normativen Figur zu ermitteln ist, kann heute eine Irreführungsgefahr ohne Beweisaufnahme gleichermaßen bejaht wie verneint werden.1325 ee) Entkräftung des Erfahrungswissens. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH 529 kann eine Beweiserhebung über die Verkehrsauffassung dann geboten sein, wenn Umstände vorliegen, die eine bestimmte Auffassung als bedenklich erscheinen lassen.1326 Legt etwa eine Partei ein nach den Regeln der Kunst durchgeführtes (Partei-)Gutachten eines renommierten Meinungsforschungsinstituts vor, so sollte das erkennende Gericht sich in der Regel nicht ohne Beweiserhebung über das Ergebnis dieses Gutachtens hinwegsetzen; etwas anderes gilt freilich, wenn dem Parteigutachten Mängel anhaften.1327 Zweifel sind auch angezeigt, wenn die Verkehrsauffassung in verschiedenen Instanzen unterschiedlich beurteilt werden soll1328 oder im Falle einer entgegenstehenden Branchenübung.1329 ff) Revisibilität. Der BGH hat in der Entscheidung Elternbriefe1330 die Formel aufge- 530 stellt, wonach die Beurteilung, ob die Feststellung der Verkehrsauffassung kraft eigener richterlicher Sachkunde möglich ist oder eine Beweisaufnahme erfordert, tatrichterlicher Natur ist und daher in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft wird, ob die Vorinstanz den Tatsachenstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft und ihre Beurteilung frei von Widersprüchen mit Denkgesetzen und Erfahrungssätzen vorgenommen hat. Die Formulierung des BGH ist insoweit missverständlich als der zweite Punkt – also die Überprüfung auf Freiheit von Widersprüchen mit Denkgesetzen und Erfahrungssätzen – das Ergebnis der tatrichterlichen Feststellungen im Blick hat und nicht die Frage betrifft, ob die Verkehrsauffassung überhaupt ohne Beweiserhebung möglich ist. Somit ist eine ge-

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häufig weit weniger streng, vgl. Bornkamm WRP 2000, 830, 833 („in der täglichen Praxis der Wettbewerbsgerichte weitgehend unbeachtet geblieben“) sowie Teplitzky Kap. 47 Rn. 8b m.w.N. in Fn. 41. 1323 Siehe hierzu Rn. 515. 1324 Vgl. die Nachweise in Fn. 1323. 1325 BGH 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 527, 529 – Elternbriefe; 26.9.2002 – I ZR 89/00 – GRUR 2003, 247 – THERMAL BAD; 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 252 = GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.73; Fezer/Büscher § 12 Rn. 325; Harte/ Henning/Brüning vor § 12 Rn. 178; Teplitzky Kap. 47 Rn. 8; Ullmann GRUR 2003, 817, 818 f.; Ulbrich WRP 2005, 940 ff.; Lettl GRUR 2004, 449, 458; Westermann GRUR 2002, 403, 405; siehe auch bereits Bornkamm WRP 2000, 832 f. Kritisch Omsels GRUR 2005, 548; Sack WRP 2004, 521 ff. 1326 BGH 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 527, 530 – Elternbriefe; 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 252 = GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft. Vgl. auch bereits die Entscheidungen vor Einführung des europäischen Verbraucherleitbilds BGH 29.9.1982 – I ZR 25/80 – GRUR 1983, 32, 33 f. – Stangenglas I; 25.11.1982 – I ZR 145/80 – GRUR 1983, 245, 246 – naturrot; 11.5.1983 – I ZR 64/81 – GRUR 1984, 467, 468 – Das unmögliche Möbelhaus. Zustimmend Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 175; Teplitzky Kap. 47 Rn. 7; vgl. auch bereits Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 369. 1327 Zu den Anforderungen an das Gutachten und die zugrunde liegende Fragestellung siehe Rn. 539 ff. 1328 Vgl. BGH 5.7.1984 – I ZR 88/82 – GRUR 1984, 741, 742 – PATENTED; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 175; Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.13; Vorauflage/Lindacher § 3 Rn. 994; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 369; Teplitzky Kap. 47 Rn. 7. 1329 BGH 17.6.1999 – I ZR 149/97 – GRUR 2000, 239 – Last-Minute-Reise; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 175. 1330 BGH 18.10.2001 – I ZR 193/99 – GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 527, 530 – Elternbriefe.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

richtliche Entscheidung, in deren Rahmen die Verkehrsauffassung ohne Beweisaufnahme festgestellt wurde, in zweierlei Hinsicht überprüfbar, nämlich darauf hin, (1) ob das Gericht einen Verfahrensfehler begangen hat, indem es ohne Beweiserhebung kraft eigenen Erfahrungswissens entschied, und (2) ob es zu einem erfahrungswidrigen Ergebnis gelangt ist.1331 Ein Verfahrensfehler liegt nicht nur dann vor, wenn der Tatrichter nicht hinreichend 531 sachkundig für die eigenständige Feststellung der Verkehrsauffassung war, sondern auch dann, wenn eine angesichts der Umstände des Falls nicht selbstverständliche – gleichwohl mögliche – eigene Sachkunde nicht dargelegt wurde.1332 532 Im Zusammenhang mit dem Ergebnis der tatrichterlichen Feststellungen ist auch die Vereinbarkeit mit der Lebenserfahrung zu prüfen.1333 Besondere Bedeutung kommt hierbei der Prüfung der Übereinstimmung der tatrichterlichen Feststellungen zur Verkehrsauffassung mit den anerkannten Erfahrungssätzen des Lauterkeitsrechts zu.1334 Allerdings beschränkt der BGH sich nicht stets auf eine Prüfung am Maßstab anerkannter Erfahrungssätze. So nahm er etwa in der Entscheidung Bundesdruckerei1335 an, dass der Verkehr mit dem Firmenbestandteil „Bundes“ die Annahme einer (im Fall nicht gegebenen) Gesellschaftereigenschaft des Bundes und damit die faktische Insolvenzfestigkeit dieses Unternehmens verknüpfe. Demgegenüber war das Berufungsgericht noch davon ausgegangen, dass eventuelle Fehlvorstellungen des Verkehrs über eine Beteiligung des Bundes und die Bonität des Unternehmens aufgrund der Gesellschaftsform (GmbH) relativiert seien. Hier hatte der BGH die Feststellungen des Berufungsgerichts als erfahrungswidrig eingestuft und seiner Zurückverweisung die eigene Feststellung der Verkehrsauffassung zugrunde gelegt.1336 Ein Austausch instanzgerichtlichen Erfahrungswissens durch revisionsrichterliches Erfahrungswissen jenseits anerkannter Erfahrungssätze ist indes nicht unproblematisch, weil hier der Grundsatz der eingeschränkten Revisibilität tatrichterlicher Feststellungen1337 durchbrochen wird. Richtiger erscheint daher, vor dem Hintergrund unterschiedlicher Auffassungen zweier Gerichte über die Verkehrsauffassung die Sache zum Zwecke der Nachholung der Beweisaufnahme zurückzuverweisen.1338 d) Ermittlung der Verkehrsauffassung durch Beweisaufnahme aa) Ermittlung der Verkehrsauffassung durch Meinungsforschungsgutachten 533

(1) Bedeutung und Problematik. Sachverständigengutachten kommen namentlich in Form von Meinungsforschungsgutachten in Betracht, für die die Vorschriften der §§ 402–413 ZPO gelten. Das Meinungsforschungsgutachten stellt nach Ansicht des BGH

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1331 Vgl. hierzu auch Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 41 Rn. 19 und Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.15. 1332 BGH 21.3.2000 – VI ZR 158/99 – NJW 2000, 1946, 1947; 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 252 = GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.15; Teplitzky Kap. 47 Rn. 7. 1333 BGH 3.5.2001 – I ZR 318/98 – GRUR 2002, 182, 184 = WRP 2002, 74, 76 – Das Beste jeden Morgen; 24.10.2002 – I ZR 100/00 – GRUR 2003, 361, 362 = WRP 2003, 1224, 1225 – Sparvorwahl; Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.15; Teplitzky Kap. 47 Rn. 7. 1334 Hierzu Rn. 521. 1335 BGH 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079 – Bundesdruckerei. Auf diese Entscheidung verweist auch Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 41 Rn. 19 Fn. 3. 1336 BGH 29.3.2007 – I ZR 122/04 – GRUR 2007, 1079, 1082 Tz. 28. 1337 Vgl. Gloy/Loschelder/Erdmann/Lubberger § 41 Rn. 19 m.w.N. 1338 Vgl. hierzu auch Teplitzky Kap. 47 Rn. 7 m.w.N. in Fn. 36, der zur Vorsicht mahnt, wenn die Verkehrsauffassung von zwei Instanzen unterschiedlich beurteilt wird.

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VI. Beweis und Beweislast

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

ein Beweismittel besonderer Art dar1339 und ist deshalb spezifischen prozessualen Regeln unterworfen.1340 Die zahlenmäßige Bedeutung des Meinungsforschungsgutachtens ist umstritten;1341 jedenfalls in großen und wirtschaftlich bedeutenden Verfahren wird es nicht selten eingeholt.1342 Angesichts der Nachteile, die mit der Einholung von Meinungsforschungsgutachten für die Parteien verbunden sind,1343 ist sorgfältig zu prüfen, ob eine Beweisaufnahme tatsächlich erforderlich ist. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Ermittlung der Verkehrsauffassung einer Beweisaufnahme dann nicht bedarf, wenn die Lebenserfahrung oder das Sonderwissen des erkennenden Gerichts eine eigene Feststellung ermöglichen,1344 werden durch die Instanzgerichte mitunter überflüssige Gutachten eingeholt.1345 (2) Anwendungsbereich. Während normative Elemente, die nicht primär auf die 534 Verkehrsauffassung abstellen, zumeist das Schwergewicht der Beispielstatbestände der §§ 4, 6 und 7 bilden,1346 erlangt die Einholung von Sachverständigengutachten in Form von Meinungsforschungsgutachten insbesondere im Rahmen der Irreführungsverbote der §§ 5, 5a Bedeutung. Kann das erkennende Gericht die Verkehrsauffassung nicht aufgrund eigener Sachkunde oder eigenen Sonderwissens ermitteln1347 oder liegen Umstände vor, die eine bestimmte Auffassung als bedenklich erscheinen lassen,1348 kommt die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht. Auch im Kennzeichenrecht, namentlich für die Feststellung der Verkehrsbekanntheit einer Marke oder der Verkehrsdurchsetzung einer berühmten Marke, wird seit langem auf Meinungsforschungsgutachten zurückgegriffen.1349 In Eilverfahren ist für die Einholung eines Sachverständigengutachtens grundsätzlich kein Raum,1350 es sei denn, es liegen atypische, besondere Umstände vor, die eine sachgemäße Entscheidung ohne ein solches schlechterdings nicht erlauben. Davon ist jedoch wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes nur höchst selten auszugehen. (3) Verfahren (a) Beweisantrag und Beweisbeschluss. Grundsätzlich setzt die Einholung eines 535 Meinungsforschungsgutachtens einen Beweisantrag voraus. Dennoch braucht die beweisbelastete Partei nicht bereits im ersten Rechtszug einen solchen Antrag zu stellen, wenn nach ihrer Ansicht Anhaltspunkte dafür bestehen, sie werde auch ohne ein solches

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1339 BGH 5.7.1990 – I ZR 164/88 – GRUR 1990, 1053, 1054 f. – Versäumte Meinungsumfrage. 1340 Siehe hierzu Teplitzky Kap. 47 Rn. 17. 1341 Vgl. Böhm GRUR 1986, 290, 301 f.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Pflüger § 42 Rn. 3 f.; Kur S. 101 spricht von 14 Gutachten in 3.000 Akten. 1342 So auch Böhm a.a.O. sowie Teplitzky Kap. 47 Rn. 16 in Fn. 84 und ders. WRP 1990, 145. 1343 Hierzu Rn. 518. 1344 Hierzu Rn. 523 ff. 1345 Vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.76 und Teplitzky Kap. 47 Rn. 16 Fn. 88 mit Verweis auf BGH 20.12.1974 – I ZR 12/74 – GRUR 1975, 441 – Passion; 31.1.1991 – I ZR 71/89 – GRUR 1992, 48, 52 – frei öl; 21.2.1991 – I ZR 106/89 – GRUR 1992, 66, 68 – Königl.-Bayerische Weisse m. Anm. Knaak. Vgl. auch BGH 19.9.1996 – I ZR 124/94 – GRUR 1997, 229 = WRP 1997, 183 – Beratungskompetenz. 1346 Ausnahmen stellen etwa § 4 Nr. 9 lit. a sowie lit. b dar. 1347 Hierzu Rn. 523 ff. 1348 Hierzu Rn. 529. 1349 Vgl. Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 374. 1350 OLG Bremen 9.4.2010 – 2 U 7/10 – juris Tz. 30.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Gutachten obsiegen.1351 Ein Meinungsforschungsgutachten kann ebenso von Amts wegen eingeholt werden (§ 144 Abs. 1 ZPO),1352 doch kommt dies angesichts der aufgezeigten Nachteile des Verfahrens allenfalls als ultima ratio in Betracht.1353 Hält das Gericht die Einholung eines Meinungsforschungsgutachtens für erforderlich, ist diese tunlichst in Abstimmung mit den Parteien vorzunehmen (§ 404 Abs. 3 ZPO).1354 Hält das erstinstanzliche Gericht ein Meinungsforschungsgutachten für erforderlich, 536 ohne dies selbst von Amts von wegen einholen zu wollen (§ 144 Abs. 1 ZPO), muss es die beweisbelastete Partei gem. § 139 ZPO hierauf unzweideutig hinweisen.1355 Stellt die beweisbelastete Partei ohne einen richterlichen Hinweis den Beweisantrag nicht, kann sie ihn nach h.L. im Berufungsverfahren nachholen.1356 Die Zulässigkeit dieses Antrags hat der BGH im Geltungsbereich von § 528 Abs. 2 ZPO a.F. ausdrücklich bestätigt.1357 Zwar sind die Anforderungen an die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. dadurch verschärft, dass nunmehr bereits bei einfacher Nachlässigkeit – und nicht erst bei grober Nachlässigkeit – die Präklusionswirkung eintritt. Die Partei, die darauf vertraut, dass das Gericht seiner Hinweispflicht nachkommt bzw. von der Möglichkeit nach § 144 Abs. 1 ZPO Gebrauch macht, handelt jedoch überhaupt nicht nachlässig. Sollte das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens für nicht erforderlich halten, steht es den Parteien frei, auf die richterliche Meinungsbildung – sofern dies im Rahmen des Fristenregimes des Verfahrens noch möglich ist – durch selbst eingeholte Gutachten einzuwirken. Ebenso können private Gutachten bereits im Zusammenhang mit den vorbereitenden Schriftsätzen in das Verfahren eingeführt werden. Diese sind in die richterliche Würdigung einzubeziehen, sofern sie den Anforderungen der demoskopischen Wissenschaft genügen.1358 Es handelt sich hierbei nicht um ein Beweismittel, sondern um qualifizierten Parteivortrag.1359 537 In jedem Fall tragen die Gerichte die alleinige Verantwortung für das Verfahren von der Beweisanordnung über die Formulierung der Fragestellung bis hin zu den Vorgaben für den Ablauf der Befragung.1360 Diese Verantwortung wird nicht durch etwaige Zustimmungserklärungen der Parteien gemindert, und es bleibt einer Partei unbenommen, in der Revisionsinstanz auch solche Fehler im Zusammenhang mit der Beweisaufnahme zu rügen, die sie selbst mitverursacht bzw. gebilligt hat.1361 Zurecht wird dement-

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1351 BGH 5.7.1990 – I ZR 164/88 – GRUR 1990, 1053, 1054 f. – Versäumte Meinungsumfrage; Teplitzky Kap. 47 Rn. 17; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 372. 1352 BGH 2.10.2003 – I ZR 150/01 – BGHZ 156, 250, 252 = GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft. 1353 Vgl. Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 23 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.76; Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 16; Ullmann GRUR 1991, 795; weniger streng Fezer/Büscher § 12 Rn. 331 und Teplitzky Kap. 47 Rn. 17. 1354 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.77; Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 23; Ullmann GRUR 1991, 795. 1355 BGH 5.7.1990 – I ZR 164/88 – GRUR 1990, 1053, 1054 f. – Versäumte Meinungsumfrage; Ahrens/ Bähr Kap. 27 Rn. 23 f.; Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 18; Teplitzky Kap. 47 Rn. 17. 1356 BGH 5.7.1990 – I ZR 164/88 – GRUR 1990, 1053, 1054 f. – Versäumte Meinungsumfrage; Fezer/ Büscher § 12 Rn. 331; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.76; Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 9; Teplitzky Kap. 47 Rn. 17. 1357 BGH 5.7.1990 – I ZR 164/88 – GRUR 1990, 1053, 1054 f. – Versäumte Meinungsumfrage; zustimmend Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 372. 1358 BGH 1.10.1986 – I ZR 126/84 – GRUR 1987, 171 – Schlussverkaufswerbung; 31.1.1991 – I ZR 71/89 – GRUR 1992, 48, 51 – frei öl; 15.2.1996 – I ZR 9/94 – GRUR 1996, 910, 914 – „der meistverkaufte Europas“ m. Anm. Doepner; OLG Hamburg 7.2.2008 – 3 U 156/07 – BeckRS 2010, 11000 sub. B. IV. 2. c). 1359 BGH 17.4.1997 – X ZR 2/96 – GRUR 1997, 741, 744 – Chinaherde; Teplitzky Kap. 47 Rn. 23; Köhler/ Bornkamm § 5 Rn. 3.12. 1360 Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 20; Teplitzky Kap. 47 Rn. 18; ders. WRP 1990, 145; Spätgens FS Traub, S. 375, 385 f. 1361 BGH 1.10.1986 – I ZR 126/84 – GRUR 1987, 171 – Schlussverkaufswerbung; 9.4.1987 – I ZR 201/84 – GRUR 1987, 535, 538 – Wodka „Woronoff“; Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 20; Teplitzky Kap. 47 Rn. 12, 18;

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VI. Beweis und Beweislast

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

sprechend vor zu starkem Harmoniebemühen seitens der Richter gewarnt.1362 Die Richter müssen sich daher möglichst eigenständig in die spezifische Materie und Methodik der Demoskopie einarbeiten.1363 (b) Korrekte Fragestellung. Die Ausarbeitung der „richtigen“, für die Verkehrsbe- 538 fragung zu verwendenden Fragestellung ist die unverzichtbare Grundlage eines verwertbaren Sachverständigengutachtens.1364 Zunächst hat die beweisbelastete Partei die Tatsachen vorzutragen, die erforderlich sind, um entsprechende Fragestellungen überhaupt erst zu ermöglichen. Sodann empfiehlt sich das folgende Vorgehen:1365 Der Beweisantrag wird erörtert und das relevante Beweisthema wird formuliert.1366 Das Gericht erlässt den Beweisbeschluss, in dem das entsprechende Beweisthema sowie der Sachverständige bestimmt werden.1367 Es teilt sodann das Beweisthema dem Sachverständigen mit und fordert ihn dazu auf, einen konkreten Befragungsvorschlag (Fragenkatalog und Methode) zu unterbreiten. Der Vorschlag wird den Parteien zur Stellungnahme übermittelt, welche wiederum dem Sachverständigen zur Kenntnis mitgeteilt wird. Bei gewichtigen Einwänden der Parteien sollte dem Sachverständigen die Möglichkeit eröffnet werden, einen abgeänderten Vorschlag vorzulegen. Schließlich sollte die Fragestellung in einem Erörterungstermin (§ 404a ZPO) endgültig festgelegt werden.1368 Die Ausarbeitung der korrekten Fragestellung steht – ungeachtet der gebotenen Anhörung und Mitwirkung der Parteien – letztlich in der Verantwortung des erkennenden Gerichts.1369 Dementsprechend bleibt auch eine mit Zustimmung der Parteien erstellte fehlerhafte Fragestellung revisibel.1370 Zunächst ist entscheidend, dass die Befragung darauf gerichtet ist, die eigene Mei- 539 nung des Befragten einzuholen. Dies bedeutet zum einen, dass suggestive Fragen jedweder Art – sei es durch den Inhalt oder Ton der Fragestellung1371 – zu unterbleiben haben.1372 Zum anderen darf der Befragte auch nicht zum Raten oder zur Wahrung des Sozialprestiges veranlasst werden.1373 Insbesondere soll der Befragte nicht den Eindruck

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Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.78; vgl. auch BGH 7.3.2001 – X ZR 176/99 – GRUR 2001, 770, 772 – Kabeldurchführung II; 11.10.2005 – X ZR 76/04 – GRUR 2006, 131 Tz. 19 – Seitenspiegel. 1362 Vgl. Teplitzky WRP 1990, 145, 146; zustimmend Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 20. 1363 Teplitzky Kap. 47 Rn. 18; ders. WRP 1990, 146. 1364 Vgl. Eichmann GRUR 1999, 941; Teplitzky Kap. 47 Rn. 18; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.78. 1365 Siehe dazu instruktiv Teplitzky Kap. 47 Rn. 20 sowie Fezer/Büscher § 12 Rn. 332 f.; Harte/Henning/ Brüning vor § 12 Rn. 187 ff.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.78 ff.; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 377 ff.; Spätgens FS Traub, S. 375, 389 ff. 1366 BGH 10.12.1992 – I ZR 262/90 – GRUR 1993, 488, 490 – Verschenktexte II; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.78. 1367 Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 377 empfiehlt, im Beweisbeschluss zunächst nur zur Abgabe von Vorschlägen für einen Sachverständigen aufzufordern, was angesichts der begrenzten Zahl in Frage kommender Meinungsforschungsinstitute und des Umstandes, dass die Parteien zuvor bereits Privatgutachten eingeholt haben können oder laufende Beziehungen mit einem bestimmten Institut unterhalten können, angezeigt sein kann. 1368 Vgl. Teplitzky Kap. 47 Rn. 20: „unerlässlich“. Eine Ausnahme mag für den von Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 379 genannten Fall bestehen, dass das Gericht aufgrund der Stellungnahmen der Parteien und der Überprüfung durch das Institut hinreichende Klarheit erlangt hat, um den Fragenkatalog festzulegen. 1369 Vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.78. 1370 BGH 9.4.1987 – I ZR 201/84 – GRUR 1987, 535, 538 – Wodka „Woronoff“; Teplitzky Kap. 47 Rn. 18. 1371 Vgl. hierzu Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 33; ders. FS Traub, S. 375, 394. 1372 BGH 1.12.1988 – I ZR 160/86 – GRUR 1989, 440, 442 – Dresdner Stollen I m. Anm. Tilmann; 1.2.1990 – I ZR 108/88 – GRUR 1990, 461, 462 – Dresdner Stollen II. 1373 Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 380.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

gewinnen, er solle ermitteln, welche Aussage der Werbende tatsächlich treffen wollte.1374 Vor diesem Hintergrund ist geboten, jeder Befragung „offene“ Fragestellungen – also Fragen ohne vorgegebene Antworten1375 – voranzustellen.1376 Hierdurch wird eine unbeeinflusste erste Äußerung des Befragten eingeholt, der jedenfalls Indizwirkung1377 für das Verkehrsverständnis zukommt. Eine offene Befragung alleine wird in den seltensten Fällen1378 zur sachgerechten Er540 mittlung der Verkehrsauffassung ausreichen. Denn zum einen werden auch naheliegende Antworten in der Befragungssituation schlicht vergessen.1379 Zum anderen lassen sich sehr konkrete Vorstellungsmöglichkeiten mittels offener Fragestellungen nur schwer ergründen.1380 Mithin lässt sich ein Bezug zum konkreten Untersuchungsgegenstand nur schwer herstellen.1381 Dementsprechend empfiehlt es sich in aller Regel, auf eine einleitende offene Fragestellung hin durch gestützte Fragen – also solche mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, die auch als Bilder- oder Kartensatz vorgelegt werden können1382 – nachzufassen.1383 Bei der Formulierung dieser gestützten Fragen ist neben den bereits aufgezeigten Prinzipien sicherzustellen, dass möglichst alle naheliegenden Antwortmöglichkeiten berücksichtigt werden.1384 Anderenfalls wird der Befragte auf ähnliche – oder ähnlich erscheinende – Antwortmöglichkeiten ausweichen, auch wenn diese sich mit seiner eigentlichen Vorstellung nicht decken.1385 Soweit die Relevanz einer möglicherweise irreführenden Werbung für den Kaufentschluss ermittelt werden soll, ist die Fragestellung rechtsfehlerhaft, wenn sie die Annahme des Befragten nahelegt oder erlaubt, es werde nach der Bedeutung einer – über die tatsächliche mögliche Irreführung erheblich hinausgehenden – Abweichung der Vorstellung von Verhältnissen gefragt, die im konkreten Fall nicht gegeben sind.1386 Im Einzelfall kann angezeigt sein, so genannte gegabelte oder Split-Befragungen 541 durchzuführen, mithin zwei Befragungen mit unterschiedlichen Fragestellungen. 1387

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1374 Teplitzky Kap. 47 Rn. 22. 1375 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.79; siehe näher Gloy/Loschelder/Erdmann/Pflüger § 42 Rn. 63. 1376 BGH 1.12.1988 – I ZR 160/86 – GRUR 1989, 440, 442 – Dresdner Stollen I; 1.2.1990 – I ZR 108/88 – GRUR 1990, 461, 462 – Dresdner Stollen II; OLG Hamburg 22.7.1993 – 3 U 98/90 – WRP 1994, 42, 44 f.; Eichmann GRUR 1999, 941; Spätgens FS Traub, S. 375, 390 ff.; Tilmann GRUR 1986, 593; vgl. aber auch Niedermann/Noelle-Neumann FS Tilmann, S. 857, 860 ff. Ausführlich zu den Vor- und Nachteilen offener und geschlossener Befragung Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 27 ff. sowie Gloy/Loschelder/Erdmann/Pflüger § 42 Rn. 64 ff. 1377 Vgl. BGH 1.12.1988 – I ZR 160/86 – GRUR 1989, 440, 442 – Dresdner Stollen I sowie Teplitzky Kap. 47 Rn. 22. 1378 Zu denken wäre hier allenfalls an die Ermittlung der bloßen Verkehrsgeltung, vgl. Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 28. 1379 Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 28. 1380 BGH 21.2.1991 – I ZR 106/89 – GRUR 1992, 66, 68 – Königl.-Bayerische Weisse m. Anm. Knaak; 28.2.1991 – I ZR 94/89 – GRUR 1991, 680, 681 – Porzellanmanufaktur; 25.5.1993 – I ZR 115/91 – GRUR 1993, 920, 922 – Emilio Adani II; Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 29. 1381 Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 382. 1382 Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 382. 1383 Teplitzky Kap. 47 Rn. 22 m.w.N. in Fn. 114; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 382. 1384 BGH 21.2.1991 – I ZR 106/89 – GRUR 1992, 66, 69 – Königl.-Bayerische Weisse m. Anm. Knaak; 2.5.1991 – I ZR 258/89 – GRUR 1992, 70, 71 – 40% weniger Fett; 25.5.1993 – I ZR 115/91 – GRUR 1993, 920, 922 – Emilio Adani II; Teplitzky Kap. 47 Rn. 22; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.82; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 383. 1385 BGH a.a.O. – Emilio Adani II; Teplitzky Kap. 47 Rn. 22; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.82. 1386 BGH 29.5.1991 – I ZR 204/89 – GRUR 1991, 852, 855 – Aquavit. Vgl. auch Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 381, der in diesem Fall die Durchführung einer Splitbefragung für angezeigt hält. 1387 Vgl. BGH 12.7.1967 – Ib ZR 47/65 – BB 1967, 1353 – Blunazit; 9.4.1987 – I ZR 201/84 – GRUR 1987, 535, 537 – Wodka Woronoff; Niedermann/Noelle-Neumann FS Tilmann, S. 857, 865 ff.; Ahrens/Spätgens

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VI. Beweis und Beweislast

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Hierdurch kann die Gewichtung einzelner Elemente – etwa einzelner Ausstattungselemente – genauer ermittelt werden, indem diese in einer Fragestellung weggelassen werden. Split-Befragungen kommen insbesondere bei der Ermittlung der Verkehrsbekanntheit einzelner Gestaltungselemente sowie in Verwechslungs- und sonstigen Irreführungssachverhalten in Betracht, bei denen die Kausalität des angegriffenen Elements der Werbung für eine bestimmte Vorstellung zu ermitteln ist.1388 (c) Aufgaben des Gutachters und Beweiswürdigung. Der Sachverständige darf 542 sich nicht auf eine bloße Zusammenstellung der Umfrageergebnisse beschränken, sondern muss eine sachverständige Interpretation und Bewertung – etwa eine begründete Gewichtung der einzelnen Antworten – leisten.1389 Dies erfolgt zweckmäßiger Weise im Rahmen des Gutachtens; erforderlichenfalls im Rahmen des Erörterungstermins nach § 411 Abs. 3 ZPO.1390 Auch das erkennende Gericht darf nicht die Ergebnisse aus dem Gutachten unbesehen übernehmen, sondern hat dieses gegebenenfalls mit Hilfe des Sachverständigen nach § 286 ZPO eigenständig zu würdigen.1391 Insbesondere muss es dabei das Ergebnis der Befragung an der allgemeinen Lebenserfahrung messen.1392 Aus der Eigenverantwortung des Gerichts folgt zugleich, dass es selbst dann, wenn es dem Sachverständigen folgt, eine nachvollziehbare Begründung zu liefern hat.1393 Bei der richterlichen Würdigung der Umfrageergebnisse sind – wegen der möglichen 543 Beeinflussung und Suggestivwirkung – gestützte Fragestellungen gegebenenfalls mit Abstrichen zu gewichten.1394 Dies kann durch Abzüge der ermittelten Prozentsätze erfolgen.1395 Abstriche sind auch zu machen, wenn die gegebenen Antworten mehrdeutig erscheinen.1396 Ferner kommen Korrekturen auch wegen Unschärfen der gestellten Fragen1397 oder wegen Mehrdeutigkeit gegebener Antworten in Betracht.1398 Bei der Gewichtung der Umfrageergebnisse verbieten sich Beweislasterwägungen. Die – erfahrungsgemäß stets vorhandene – Gruppe der Befragten, die bei Alternativfragen mit „Weiß nicht“ geantwortet hat, darf mithin nicht einer bestimmten Antwort zugerechnet wer-

_____ Kap. 28 Rn. 34; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 384; siehe jedoch zu Problemen Gloy/Loschelder/ Erdmann/Pflüger § 42 Rn. 40. 1388 Vgl. Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 34; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 384. 1389 BGH 1.12.1988 – I ZR 160/86 – GRUR 1989, 440, 442 – Dresdner Stollen I; 1.2.1990 – I ZR 108/88 – GRUR 1990, 461, 462 – Dresdner Stollen II; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.86; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Pflüger § 42 Rn. 76 ff.; Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 39 Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 385. Lediglich in Ausnahmefällen – etwa wenn die Zahlenergebnisse eindeutig und zweifelsfrei sind – ist eine Interpretation oder Erläuterung durch den Sachverständigen entbehrlich, vgl. Teplitzky WRP 1990, 147. 1390 Vgl. Ahrens/Spätgens Kap. 28 Rn. 39. 1391 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.87; Teplitzky Kap. 47 Rn. 23. 1392 BGH 1.10.1986 – I ZR 126/84 – GRUR 1987, 171 – Schlussverkaufswerbung; 1.2.1990 – I ZR 108/88 – GRUR 1990, 461, 462 – Dresdner Stollen II; 2.5.1991 – I ZR 258/89 – GRUR 1992, 70, 72 – 40% weniger Fett; 29.5.1991 – I ZR 204/89 – GRUR 1991, 852, 855 – Aquavit; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.87; Teplitzky Kap. 47 Rn. 23. 1393 Vgl. BGH 7.3.2001 – X ZR 176/99 – GRUR 2001, 770, 772 – Kabeldurchführung II; 11.10.2005 – X ZR 76/04 – GRUR 2006, 131 Tz. 19 – Seitenspiegel; Teplitzky Kap. 47 Rn. 23 mit Fn. 127. 1394 BGH 21.2.1991 – I ZR 106/89 – GRUR 1992, 66, 68 – Königl.-Bayerische Weisse m. Anm. Knaak; 2.5.1991 – I ZR 258/89 – GRUR 1992, 70, 71 – 40% weniger Fett; Spätgens FS Traub, S. 375, 398; Teplitzky WRP 1990, 147 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.87; a.A. Eichmann GRUR 1999, 943 und 954; Niedermann/ Noelle-Neumann FS Tilmann, S. 857, 863. 1395 BGH 2.5.1991 – I ZR 258/89 – GRUR 1992, 70, 71 – 40% weniger Fett. 1396 BGH 21.2.1991 – I ZR 106/89 – GRUR 1992, 66, 68 – Königl.-Bayerische Weisse m. Anm. Knaak. 1397 OLG Hamburg 22.7.1993 – 3 U 98/90 – WRP 1994, 42, 45; Teplitzky Kap. 47 Rn. 23. 1398 BGH 21.2.1991 – I ZR 106/89 – GRUR 1992, 66, 68 f. – Königl.-Bayerische Weisse m. Anm. Knaak; Spätgens FS Traub S. 375, 398; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.87.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

den.1399 Mitunter werden bei dem erkennenden Gericht begründete Zweifel an den Ergebnissen des Sachverständigengutachtens vorliegen. Anlass zu Zweifeln besteht beispielsweise bei abweichenden Gerichtsentscheidungen1400 oder wenn das Ergebnis nach einer Befragung nach der allgemeinen Lebenserfahrung in ungewöhnlichem Maße überrascht.1401 Es wird vertreten, dass dem Gericht in diesem Fall die Möglichkeit eröffnet ist, eine von den Ergebnissen des Gutachtens abweichende Verkehrsauffassung festzustellen.1402 Allerdings kann dies nicht uneingeschränkt gelten. 1403 Denn indem das Gericht zunächst die Beweisaufnahme angeordnet hat, hat es zu erkennen gegeben, die Verkehrsauffassung gerade nicht ohne weiteres kraft eigener Sachkunde feststellen zu können. Warum ausgerechnet nach Durchführung der Beweisaufnahme diese Sachkunde vorhanden sein soll, bedarf mithin der besonderen Begründung. Hat eine Partei ein Gutachten in Auftrag gegeben, ist auch dieses, wenn es sachge544 recht durchgeführt und dies entsprechend dargelegt wurde, in der richterlichen Würdigung zu berücksichtigen.1404 Weichen die Ergebnisse des Parteigutachtens von der gerichtlich angeordneten Umfrage ab, ist die Methodik jeweils sorgfältig und kritisch zu überprüfen.1405 Liegt ein methodisch wie inhaltlich nicht zu beanstandendes Parteigutachten vor, so ist – ohne den besonderen Begründungsaufwand, der in dem Fall besteht, dass das gerichtliche Sachverständigengutachten das einzige Gutachten ausmacht1406 – dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, bei hinreichender Begründung von den Ergebnissen des gerichtlichen Gutachtens abzuweichen und denjenigen des Privatgutachtens zu folgen. 545

bb) Ermittlung der Verkehrsauffassung durch Auskünfte. Neben der Einholung von Sachverständigengutachten in Form von Meinungsforschungsgutachten kommt in Wettbewerbsverfahren auch die Einholung von Auskünften in Betracht. Während amtliche Auskünfte als eigenständiges Beweismittel anerkannt sind, stellt die Auskunft privater Stellen kein Beweismittel dar. Für die Einholung von amtlichen Auskünften kommen insbesondere Kammern, d.h. Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern oder Kammern der freien Berufe,1407 aber auch Spitzenverbände, z.B. der DIHT, oder Fach- und Berufsverbände1408 sowie Verbraucherverbände in Betracht.1409 Da es sich jeweils um Verwaltungswissen handelt, sind Einflussnahmen durch das Gericht auf die

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1399 BGH 7.12.2000 – I ZR 158/98 – GRUR 2001, 450 – Franzbranntwein-Gel; Teplitzky Kap. 47 Rn. 23. 1400 BGH 1.10.1986 – I ZR 126/84 – GRUR 1987, 171 – Schlussverkaufswerbung. 1401 Teplitzky Kap. 47 Rn. 23 mit Fn. 126. 1402 Vgl. Teplitzky Kap. 47 Rn. 24 mit Verweis auf die – nicht wettbewerbsrechtliche – Entscheidung BGH 4.7.1989 – VI ZR 309/88 – NJW 1989, 2948. 1403 In diesem Sinne fordert Teplitzky Kap. 47 Rn. 24, dass das Gericht erkennen lässt, dass seine Beurteilung nicht von einem Mangel an Sachkunde beeinflusst ist. 1404 BGH 1.10.1986 – I ZR 126/84 – GRUR 1987, 171 – Schlussverkaufswerbung; 31.1.1991 – I ZR 71/89 – GRUR 1992, 48, 51 – frei öl; 15.2.1996 – I ZR 9/94 – GRUR 1996, 910, 914 – „der meistverkaufte Europas“ m. Anm. Doepner; OLG Hamburg 7.2.2008 – 3 U 156/07 – BeckRS 2010, 11000 sub. B. IV. 2. c); Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 2.87; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 386. 1405 BGH 1.10.1986 – I ZR 126/84 – WRP 1987, 242 – Schlussverkaufswerbung; 1.12.1988 – I ZR 160/86 – GRUR 1989, 440, 443 – Dresdner Stollen I m. Anm. Tilmann; 1.2.1990 – I ZR 108/88 – GRUR 1990, 461, 462 – Dresdner Stollen II; 31.1.1991 – I ZR 71/89 – GRUR 1992, 48, 51 – frei öl; 2.5.1991 – I ZR 258/89 – GRUR 1992, 70, 71 – 40% weniger Fett; Teplitzky WRP 1990, 145, 148; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.87; Vorauflage/ Jacobs vor § 13 D Rn. 386. 1406 Hierzu Rn. 543. 1407 BGH 17.6.1999 – I ZR 149/97 – GRUR 2000, 239, 240 – Last-Minute-Reise. 1408 BGH 16.1.1997 – I ZR 225/94 – GRUR 1997, 669, 670 – Euromint. 1409 Fezer/Büscher § 12 Rn. 328.

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VI. Beweis und Beweislast

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

konkrete Fragestellung eigentlich nicht vorgesehen.1410 Aus praktischen Gründen ist es jedoch vorteilhaft, wenn das Gericht von vornherein nicht lediglich das Beweisthema formuliert und es der befragten Stelle alleine überlässt, wie sie sich die relevanten Kenntnisse verschafft, sondern konkret formulierte und je nach Einzelfall mehr oder weniger detaillierte Fragen stellt oder zur Weiterstellung vorgibt.1411 Diese Vorgaben sind beweisrechtlich nicht bindend. Ob die befragte Stelle hiervon abweicht, kann lediglich bei der richterlichen Würdigung berücksichtigt werden.1412 In der Regel ist der Beweiswert von Auskünften gering und kommt nicht an den Beweiswert eines Meinungsforschungsgutachtens heran.1413 Problematisch kann auch sein, dass bei den Befragten ein eigenes Interesse an einem bestimmten Ausgang des Verfahrens vorliegen kann.1414 3. Allgemeines zur Darlegungs- und Beweislast a) Grundsatz. Bei Wettbewerbsstreitigkeiten gelten bezüglich der Verteilung der 546 Darlegungs- und Beweislast die allgemeinen Grundsätze.1415 Demnach muss der Kläger die rechtsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen, der vorgebliche Verletzer hingegen diejenigen Umstände, die den rechtsbegründenden Tatsachen ihre Bedeutung oder Grundlage nehmen.1416 Dies gilt nach mittlerweile unbestrittener Auffassung auch für Klagen wegen Irreführung (§§ 5, 5a).1417 b) Ausnahmen vom Grundsatz. Eine gesetzlich normierte Beweislastumkehr 547 gilt gemäß § 5 Abs. 4. Hiernach wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist der Zeitraum, in dem der angeblich herabgesetzte Preis gefordert worden ist, streitig, so trifft die Beweislast den Werbenden. Eine weitere Ausnahme zu Gunsten des Klägers gilt im Fall der Irreführung aufgrund fachlich umstrittener Behauptungen, deren Richtigkeit oder wissenschaftliche Vertretbarkeit von dem darzulegen und zu beweisen ist, der sie aufgestellt hat.1418 Hierzu muss der Kläger jedoch zunächst substantiiert darlegen, dass die Behauptung des Beklagten überhaupt fachlich umstritten ist.1419 Eine Ausnahme von der gewöhnlichen Verteilung der Darlegungs- und

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1410 Vgl. Teplitkzy Kap. 47 Rn. 15 m.w.N. 1411 Fezer/Büscher § 12 Rn. 329; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 181; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.75; Teplitzky Kap. 47 Rn. 15; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 373. 1412 Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 18 f.; Teplitzky Kap. 47 Rn. 15. 1413 Fezer/Büscher § 12 Rn. 329; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 181; Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.17; Teplitzky Kap. 47 Rn. 15; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 373. 1414 Fezer/Büscher § 12 Rn. 329. 1415 BGH 27.1.2003 – I ZR 94/01 – GRUR 2004, 246, 247 – Mondpreise?; OLG Naumburg 20.7.2007 – 10 U 28/07 – juris Tz. 45; Fezer/Büscher § 12 Rn. 335; Teplitzky Kap. 47 Rn. 30 m.w.N. in Fn. 147; ausführlich Kur S. 1–102 sowie Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 351–363. 1416 BGH 19.9.1996 – I ZR 124/94 – GRUR 1997, 229, 230 – Beratungskompetenz; vgl. auch Gloy/ Loschelder/Erdmann/Helm § 59 Rn. 189; Vorauflage/Jacobs vor § 13 Rn. 354 f. m.w.N. 1417 BGH 17.10.1984 – I ZR 187/82 – GRUR 1985, 140, 142 – Größtes Teppichhaus der Welt; 7.3.1991 – I ZR 127/89 – GRUR 1991, 848, 849 – Rheumalind II; 27.1.2003 – I ZR 94/01 – GRUR 2004, 246, 247 – Mondpreise; Teplitzky Kap. 47 Rn. 30 m.w.N. in Fn. 149. Zur anderen, im Rahmen von § 3 UWG a.F. vertretenen Auffassung vgl. Fritze GRUR 1975, 61; Kur S. 213 ff. 1418 BGH 7.3.1991 – I ZR 127/89 – GRUR 1991, 848, 849 – Rheumalind II; OLG Frankfurt 22.5.2003 – 6 U 6/03 – GRUR-RR 2003, 295; 8.5.2013 – I ZR 94/09 – GRUR-RR 2013, 496 (LS); Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 46; Fezer/Büscher § 12 Rn. 342; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 212; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.91, 2.95; Teplitzky Kap. 47 Rn. 30. 1419 OLG Frankfurt 21.7.2005 – 6 U 48/05 – GRUR-RR 2005, 394; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.95; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 361; a.A. Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 212, der vom Kläger

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Beweislast gilt ferner, wenn der Beklagte geltend macht, die Verkehrsauffassung habe sich geändert1420 oder eine ursprünglich unrichtige Aussage sei wegen veränderter Tatsachen richtig geworden.1421 Mit den vorgenannten Ausnahmen genügt das deutsche Recht auch den Anforderungen aus Art. 7 der IrreführungsRL 2006 bzw. Art. 12 der UGPRL, wonach es dem Gericht möglich sein muss, vom Werbenden Beweis für die Richtigkeit von in der Werbung enthaltenen Tatsachenbehauptungen zu verlangen, wenn ein solches Verlangen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden und anderer Verfahrensbeteiligter im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint.1422 Keine Ausnahme von der gewöhnlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gilt dann, wenn der beklagte Unternehmer die Preise des Klägers für standardisierte Dienstleistungen zum Gegenstand eines Preisvergleichs gemacht hat und der Kläger sich darauf berufen will, dass der genannte Preis nicht der regelmäßig von ihm verlangte sei; hierfür trifft den sachnäheren Kläger die Darlegungs- und Beweislast.1423 548

c) Vermutungen und Anscheinsbeweis. Beim Unterlassungsanspruch wird die Wiederholungsgefahr gewohnheitsrechtlich vermutet, soweit ein Unternehmer tätig wird.1424 Der Anscheinsbeweis ist zulässig bei typischen Geschehensabläufen, die nach der Lebenserfahrung bestimmte Folgen auslösen.1425 Beispielsweise wird bei einem Handeln eines Unternehmers, das äußerlich in seinen gewerblichen Tätigkeitsbereich fällt, vermutet, dass der Unternehmer „im geschäftlichen Verkehr“ handelt.1426 Ferner gilt die Vermutung der Wettbewerbsabsicht bei solchen Handlungen eines Unternehmers, die objektiv geeignet sind, seinen Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen zu fördern.1427 Darüber hinaus wird vermutet, dass ein Wettbewerbsverstoß beim unmittelbar Betroffenen einen Schaden verursacht hat.1428 Der Anscheinsbeweis kann durch den Gegenbeweis der ernsthaften Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs entkräftet werden.1429

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d) Beweiserleichterungen zugunsten des Klägers. Zugunsten des Klägers ist die Darlegungs- und Beweislast eingeschränkt, soweit Tatsachen betroffen sind, die von ihm nicht oder nur unter größten Schwierigkeiten im Einzelnen darzulegen und zu beweisen

_____ verlangt, dass er den streitigen Charakter der Behauptung erforderlichenfalls auch beweist, wobei er die Vorlage wissenschaftlicher Veröffentlichungen, aus denen sich der umstrittene Charakter ergibt, ausreichen lässt. Im Ergebnis auch BGH 8.5.2013 – I ZR 94/09 – GRUR-RR 2013, 496 (LS), wobei der BGH wiederum eine Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten zulässt, wenn der Beklagte mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben hat, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. 1420 Gloy/Loschelder/Erdmann/Helm § 59 Rn. 189. 1421 BGH 12.5.1961 – I ZR 12/60 – GRUR 1961, 541, 543 – Buschbohne; 2.1.1965 – Ib ZR 109/63 – GRUR 1965, 368, 372 – Kaffee C; Gloy/Loschelder/Erdmann/Helm § 59 Rn. 189. 1422 Gloy/Loschelder/Erdmann/Helm § 59 Rn. 187. So auch bereits Vorauflage/Jacobs vor § 13 Rn. 356 zur IrreführungsRL 1984. 1423 BGH 20.2.2013 – I ZR 175/11 – GRUR 2013, 1058 – Kostenvergleich bei Honorarfactoring. 1424 BGH 16.2.1989 – I ZR 76/87 – GRUR 1989, 445, 446 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung I; Teplitzky Kap. 6 Rn. 9 m.w.N. 1425 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.90. 1426 BGH 22.4.1993 – I ZR 75/91 – GRUR 1993, 761, 762 – Makler-Privatangebot m. Anm. Gröning. 1427 BGH 27.6.2002 – I ZR 86/00 – GRUR 2002, 1093, 1094 – Kontostandsauskunft; 11.1.2007 – I ZR 87/04 – GRUR 2007, 805, 806 f. – Irreführender Kontoauszug; 13.2.2003 – I ZR 41/00 – Schachcomputerkatalog – GRUR 2003, 800, 801; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 206. 1428 Vgl. BGH 17.6.1992 – I ZR 107/90 – GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex; 14.2.2008 – I ZR 135/05 – GRUR 2008, 933, 935 – Schmiermittel; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 206, wo jeweils von einem „Erfahrungssatz“ gesprochen wird. 1429 Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 206.

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VI. Beweis und Beweislast

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

sind, über die sich der Beklagte aber unschwer erklären kann.1430 Dies setzt jedoch voraus, dass der Kläger zunächst Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, die über bloße Verdachtsmomente hinausgehen und die für ein wettbewerbswidriges Handeln des Beklagten sprechen.1431 Dies gilt zunächst für innerbetriebliche Vorgänge, wenn dem außerhalb des Geschehensablaufs stehenden Kläger eine genaue Kenntnis der rechtserheblichen Tatsachen fehlt, dem Beklagten dagegen die erforderliche Aufklärung leicht möglich und zumutbar ist.1432 Unzumutbarkeit liegt etwa bei überwiegenden Geheimhaltungsinteressen vor; jedoch ist insoweit die Einschaltung eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen (§ 144 ZPO) möglich.1433 Modifizierungen des allgemeinen Grundsatzes gelten auch bei Allein- oder Spitzenstellungsbehauptungen, weil sich die beklagte Partei entsprechende Kenntnisse, z.B. über die Größenverhältnisse ihrer Mitbewerber, vor Aufstellung ihrer Behauptung ohnehin verschafft haben muss.1434 Besonderheiten gelten schließlich auch im Rahmen vergleichender Werbung (§ 6) bezüglich solcher Tatsachen, die der außerhalb des Geschehensablaufs stehende Kläger nicht oder nur mit größten Schwierigkeiten darlegen und beweisen kann, während es dem Beklagten möglich und auch zumutbar ist, die erforderliche Aufklärung vorzunehmen.1435 Die beklagte Partei trifft in solchen Fällen eine prozessuale Erklärungspflicht bzw. sekundäre Darlegungslast,1436 für die § 138 Abs. 3 ZPO gilt.1437 Ferner kann das Gericht nach § 286 ZPO in freier Beweiswürdigung Schlüsse aus der unter-

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1430 BGH 26.10.2006 – I ZR 33/04 – GRUR 2007, 247, 251 Tz. 33 – Regenwaldprojekt; 26.10.2006 – I ZR 97/04 – GRUR 2007, 251, 253 Tz. 31 – Regenwaldprojekt II; siehe auch BGH 28.6.1974 – I ZR 62/72 – GRUR 1975, 78, 79 – Preisgegenüberstellung; 19.9.1996 – I ZR 124/94 – GRUR 1997, 229 – Beratungskompetenz; Fezer/Büscher § 12 Rn. 337; Teplitzky Kap. 47 Rn. 31; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 358 ff.; Lindacher WRP 2000, 952 ff. 1431 BGH 19.9.1996 – I ZR 124/94 – GRUR 1997, 229, 230 – Beratungskompetenz; GRUR 2000, 820, 822 – Space Fidelity Peep-Show; 27.1.2003 – I ZR 94/01 – GRUR 2004, 246, 247 – Mondpreise?; Fezer/Büscher § 12 Rn. 276; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.91; Gloy/Loschelder/Erdmann/Helm § 59 Rn. 190; Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 51; Teplitzky Kap. 47 Rn. 31. 1432 BGH 20.1.1961 – I ZR 79/59 – GRUR 1961, 356, 359 – Pressedienst; 13.7.1962 – I ZR 43/61 – GRUR 1963, 270, 272 f. – Bärenfang; 29.10.1969 – I ZR 63/68 – GRUR 1970, 461, 461 – Euro-Spirituosen; 13.11.1970 – I ZR 49/69 – GRUR 1971, 164, 167 – Discount-Geschäft; 28.6.1974 – I ZR 62/72 – GRUR 1975, 78, 79 – Preisgegenüberstellung I; 5.5.1983 – I ZR 46/81 – GRUR 1983, 650, 651 – Kamera; 3.12.1992 – I ZR 276/90 – GRUR 1993, 980, 983 – Tariflohnunterschreitung m. Anm. Ring; 27.1.2003 – I ZR 94/01 – GRUR 2004, 246, 247 – Mondpreise?; Ahrens/Bähr Kap. 27 Rn. 52 f.; Fezer/Büscher § 12 Rn. 340; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 209; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.92 f.; Teplitzky Kap. 47 Rn. 31; Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 359 ff.; Lindacher WRP 2000, 952 f. 1433 BGH 21.4.2005 – I ZR 201/02 – GRUR 2005, 1059, 1061 – Quersubventionierung von Laborgemeinschaften; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.92. 1434 BGH 7.7.1972 – I ZR 96/71 – GRUR 1973, 594, 596 – Ski-Sicherheitsbindung; 20.12.1977 – I ZR 1/76 GRUR 1978, 249, 250 – Kreditvermittlung m. Anm. Droste; 7.7.1983 – I ZR 119/81 – GRUR 1983, 779, 781 – Schuhmarkt m. Anm. Schulte-Franzheim; 17.10.1984 – I ZR 187/82 – GRUR 1985, 140, 142 – Größtes Teppichhaus der Welt; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.94; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 211; Teplitzky Kap. 47 Rn. 31; siehe auch Lindacher WRP 2000, 953. 1435 BGH 19.9.1996 – I ZR 124/94 – GRUR 1997, 229, 230 – Beratungskompetenz; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.96. Nach Auffassung von Lindacher WRP 2000, 953 f. hat der Werbende stets die Richtigkeit seiner Tatsachenbehauptungen zu beweisen. 1436 BGH 26.10.2006 – I ZR 33/04 – GRUR 2007, 247, 251 Tz. 33 – Regenwaldprojekt; 26.10.2006 – I ZR 97/04 – GRUR 2007, 251, 253 Tz. 31 – Regenwaldprojekt II; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.91; Teplitzky Kap. 47 Rn. 31. 1437 BGH 15.11.1960 – I ZR 58/57 – GRUR 1961, 85, 90 – Pfiffikus-Dose; 20.12.1977 – I ZR 1/76 – GRUR 1978, 249, 250 – Kreditvermittlung m. Anm. Droste; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 208; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 2.91; Gloy/Loschelder/Erdmann/Helm § 59 Rn. 190.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

lassenen Erklärung des Beklagten ziehen.1438 Rechtsdogmatisch leitet der BGH die Einschränkungen der Darlegungs- und Beweislast aus den Grundsätzen von Treu und Glauben her.1439 Sie begründen indes keine Beweislastumkehr.1440 Einen (vorprozessualen) materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch vermittelt die Erklärungspflicht nicht.1441 VII. Verfahrensunterbrechungen VII. Verfahrensunterbrechungen Ebersohl/Herrmann

Schrifttum App Vorlage an den EuGH im deutschen Gerichtsverfahren, DZWiR 2002, 232; Bamberger/Roth Beckscher Onlinekommentar BGB, 25. Aufl. (2012); Beyerlein, Das Verfahren wird ausgesetzt – Überlegungen zur Reichweite des § 148 ZPO im gewerblichen Rechtsschutz vor europäischem Hintergrund; WRP 2006, 731; Bornkamm Das Wettbewerbsverhältnis und die Sachbefugnis des Mitbewerbers, GRUR 1996, 527; E. Braun Insolvenzordnung, 5. Aufl. (2012); Eyber Auslandsinsolvenz und Inlandsrechtsstreit, ZInsO 2009, 1225; Fastenrath Der Europäische Gerichtshof als gesetzlicher Richter – zur verfassungsrechtlichen Kontrolle der Einhaltung völker- und europarechtlicher Verpflichtungen sowie zum Prüfungsmaßstab bei Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, FS Ress (2005) 461; Frege/Keller/Riedel Insolvenzrecht, 7. Aufl. (2008); Grosch Rechtswandel und Rechtskraft bei Unterlassungsurteilen (2002); Grosch/Schilling Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung für die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung? FS Eisenführ (2003) 131; Gundlach/Frenzel/Schmidt Die Verfahrensunterbrechung durch Insolvenzeröffnung, NJW 2004, 3222; Heß, Die Einwirkungen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 177 EGV auf das deutsche Zivilprozessrecht; ZZP 108 (1995), 59; H. Hess Insolvenzrecht Kommentar, 4. Aufl. (2007); E. Jaeger Insolvenzordnung (2007); Jarass, Bedeutung der EU-Rechtsschutzgewährleistung für nationale und EU Gerichte; NJW 2011, 1393; Koch, Zur Vorlagepflicht nationaler Gerichte an den EuGH in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, NJW 1995, 2331; Kraßer/Neuburger Die Unterbrechung des Verfahrens vor dem DPMA im Fall der Insolvenz eines Beteiligten, GRUR 2010, 588; H. Koch Auslandskonkurs und Unterbrechung des Inlandsprozesses, NJW 1989, 3072; Lenz/Borchardt EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. (2012); Nerlich/Römermann Insolvenzordnung Kommentar, 24. Egl. (2012); G. Lüke Zu neueren Entwicklungen im deutschen internationalen Konkursrecht, KTS 1986, 1; Mußlang, Ist der EuGH als gesetzlicher Richter i.S. des Art. 101 I 2 GG in Frage gestellt?; EuZW 1996, 69 T. Pfeiffer Keine Beschwerde gegen EuGH-Vorlagen? NJW 1994, 1996; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht, 17. Aufl. (2010); Riesenfeld Das neue Gesicht des deutschen internationalen Konkursrechts aus ausländischer Sicht, FS Merz (1992) 497; Saenger Zivilprozessordnung, 5. Aufl. (2013); Schima, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH, 2. Aufl. 2005; Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Hopfauf Kommentar zum Grundgesetz (GG), 12. Aufl. (2011); K. Schmidt Liquidationszweck und Vertretungsmacht des Liquidatoren, AcP 174 (1974) 54; K. Schmidt Unterlassungsanspruch, Unterlassungsklage und deliktischer Ersatzanspruch im Konkurs, ZZP 90 (1977) 38; M. Schröder Die Vorlagepflicht zum EuGH aus europarechtlicher und nationaler Perspektive, EuR 2011, 808; Streinz EUV/AEUV, 2. Aufl. (2012); Streinz/Herrmann, Vorabentscheidungsverfahren und Vorlagepflicht im europäischen Markenrecht, GRUR Int 2004, 459; Uhlenbruck Insolvenzordnung Kommentar, 13. Aufl. (2010); Vorwerk/Wolf Beckscher Onlinekommentar ZPO, 7. Aufl. (2013); Wägenbaur, Stolpersteine des Vorabentscheidungsverfahrens; EuZW

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1438 BGH 29.10.1969 – I ZR 63/68 – GRUR 1970, 461 – Euro-Spirituosen; 20.12.197.7 – I ZR 1/76 – GRUR 1978, 249 – Kreditvermittlung; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 208; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.91; Gloy/Loschelder/Erdmann/Helm § 59 Rn. 190. 1439 BGH 27.1.2003 – I ZR 94/01 – GRUR 2004, 246, 247 – Mondpreise?; 26.10.2006 – I ZR 33/04 – GRUR 2007, 247, 251 Tz. 33 – Regenwaldprojekt; 26.10.2006 – I ZR 97/04 – GRUR 2007, 251, 253 Tz. 31 – Regenwaldprojekt II; vgl. auch die weiteren Nachw. bei Teplitzky Kap. 47 Rn. 32. 1440 BGH 6.2.1997 – I ZR 234/94 – GRUR 1997, 758, 760 – Selbsternannter Sachverständiger; 17.2.2000 – I ZR 239/97 – GRUR 2000, 820, 822 – Space Fidelity Peep-Show; 4.12.2008 – I ZR 3/06 – GRUR 2009, 871, 873 Tz. 27 – Ohrclips; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.91 (leicht abweichend aber Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 3.25); Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 207; Teplitzky Kap. 47 Rn. 32; a.A. Fritze GRUR 1975, 62; Kur S. 210 f. sowie Gloy/Loschelder/Erdmann/Helm § 59 Rn. 193 für den Fall der Alleinstellungswerbung. 1441 BGH 4.3.1977 – I ZR 117/75 – GRUR 1978, 54, 55 – Preisauskunft; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.91; Gloy/Loschelder/Erdmann/Helm § 59 Rn. 194.

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VII. Verfahrensunterbrechungen

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

2000, 37; Warnke, Die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 in der Rechtsprechungspraxis des BVerfG, 2004; Zieres Die Straffestsetzung zur Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen, NJW 1972, 751.

1. 2.

Systematische Übersicht Herrmann Allgemeines ____ 550 Unterbrechung des Unterlassungsprozesses durch Insolvenz ____ 552 a) Massebetroffenheit ____ 553 b) Verfahrenseröffnung ____ 554 c) Einzelfragen ____ 558 aa) Verbandsklagen ____ 558 bb) Vollstreckungsverfahren ____ 560 cc) Besonderheiten bei Insolvenz des Unterlassungsklägers ____ 561 dd) Besonderheiten bei Insolvenz des Unterlassungsbeklagten ____ 562

3.

4. 5.

ee) Wiederaufnahme des Verfahrens ____ 563 Aussetzung des Wettbewerbsprozesses und Vorlage an den EuGH ____ 564 a) Allgemeines ____ 564 b) Insbesondere: Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ____ 566 c) Insbesondere: Aussetzung nach Art. 16 der VO 1/2003/EG ____ 571 Aussetzung im Verfahren einstweiliger Verfügung ____ 572 Prozessuale Behandlung ____ 575

1. Allgemeines. Auch im Wettbewerbsprozess kann es zu einem rechtlichen Still- 550 stand des Verfahrens kommen. Im Gegensatz zum faktischen Verfahrensstillstand durch (verfahrenswidriges) Nichtbetreiben des Rechtsstreits führt der rechtliche Stillstand durch Unterbrechung, Aussetzung oder Ruhen des Verfahrens zur Suspendierung verfahrensrechtlicher Fristen (§ 249 ZPO).1442 Die Vorschriften zur Verfahrensunterbrechung gehen jeweils von einem vorübergehenden Stillstand des Rechtsstreits aus, der nach Beseitigung des Hindernisses oder Abschluss des vorgreiflichen Rechtsstreits fortzusetzen ist.1443 Faktisch kann eine Unterbrechung jedoch dazu führen, dass eine Fortsetzung des unterbrochenen Rechtsstreits infolge Zeitablaufs wirtschaftlich sinnlos wird. Auch angesichts des grundsätzlich auf schnelle Anspruchsklärung ausgelegten Streitprogramms des Wettbewerbsprozesses müssen ermessensabhängige Verfahrensunterbrechungen im weiteren Sinne (insbes. durch Aussetzung nach § 148 ZPO) deshalb die Ausnahme bleiben. Zu den Voraussetzungen sowie zu Beginn und Ende eines rechtlichen Stillstands des 551 Verfahrens im Allgemeinen kann auf die Kommentierungen zur ZPO verwiesen werden.1444 Wettbewerbsverfahrensrechtliche Besonderheiten ergeben sich jedoch aus dem Streitgegenstand des Unterlassungsprozesses bei einer Insolvenzeröffnung. Ebenso gesondert zu erörtern sind Fragen des Vorlageverfahrens nach Art. 267 AEUV, der Aussetzung des Wettbewerbsprozesses nach Art. 16 VO 1/2003/EG1445 sowie der Zulässigkeit einer Aussetzung von Verfahren einstweiliger Verfügung. 2. Unterbrechung des Unterlassungsprozesses durch Insolvenz. Die am stärks- 552 ten in das Verfahrensgeschehen eingreifende Form eines rechtlichen Stillstandes ist die Unterbrechung des Verfahrens.1446 Sie ist u.a. vorgesehen bei Eröffnung des Insolvenz-

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1442 Prütting/Gehrlein/Anders § 249 ZPO Rn. 4; MünchKommZPO/Gehrlein § 249 Rn. 10; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 124 Rn. 6. 1443 BGH 27.10.2003 – II ZA 9/02 – MDR 2004, 231; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 240 ZPO Rn. 15. 1444 Prütting/Gehrlein/Anders § 240 ZPO Rn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 240 ZPO Rn. 1; MünchKommZPO/Gehrlein § 240 Rn. 1; Stein/Jonas/Roth § 240 ZPO Rn. 1; Musielak/Stadler § 240 ZPO Rn. 1. 1445 Verordnung 1/2003/EG des Rates vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. EG L 1 v. 4.1.2003). 1446 MünchKommZPO/Gehrlein Vorb. §§ 239 ff. Rn. 5.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

verfahrens über das Vermögen einer Partei (§ 240 Satz 1 ZPO) und soll dem Verwalter die für eine Entscheidung über die Verfahrensfortsetzung erforderliche Bedenkzeit verschafen.1447 Die Unterbrechung des Verfahrens bei Insolvenzeröffnung sichert zugleich das Recht des Verwalters auf rechtliches Gehör.1448 Vorausgesetzt ist deshalb, dass das Verfahren zumindest mittelbar die Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO)1449 und nicht das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners betrifft.1450 553

a) Massebetroffenheit. Für den Unterlassungsprozess ist heute1451 unstreitig, dass die Insolvenzmasse – von Sonderkonstellationen im Bereich des Ehrenschutzes abgesehen – sowohl bei Aktiv- wie auch bei Passivprozessen des Schuldners im Sinne des § 240 Satz 1 ZPO „betroffen“ ist.1452 Das ist alles andere als selbstverständlich. Der Unterlassungsanspruch des Schuldners ist weder übertragbar noch pfändbar,1453 noch kann er in einen Geldanspruch (§ 45 InsO) übergehen und gehört somit im Ausgangspunkt nicht zur Soll-Masse im Sinne des § 35 InsO. Desgleichen richtet sich der gegen den Schuldner erhobene Unterlassungsanspruch auf dessen Unterlassung, nicht auf das Verhalten des Verwalters, der nach Insolvenzeröffnung allein für das Unternehmen des Schuldners handlungsbefugt ist.1454 Bei funktionaler Betrachtung der Unterbrechung durch Insolvenzeröffnung wird jedoch klar, dass Unterlassungsklageverfahren (auf Aktiv- wie auf Passivseite) grundsätzlich erfasst sein müssen. Gegenstand des Unterlassungsprozesses ist das (nach hier vertretener Auffassung) prozessual1455 verstandene Recht des Klägers auf Titulierung einer konkreten Verbotsnorm zur Regelung des künftigen Wettbewerbsverhaltens der Parteien.1456 Dabei ist sekundär, ob diesem Recht, was bei Kontinuität des Unternehmens des Schuldners trotz Insolvenzeröffnung in der Regel zutreffen dürfte, vermögensmäßige Relevanz zukommt. Entscheidend ist, dass der Unterlassungsprozess zu einer Erweiterung oder Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten des insolvenzbetroffenen Schuldnerunternehmens und/oder der Verwertbarkeit der Insolvenzmasse führen kann. Die Entscheidung hierüber betrifft die Aufgaben des Verwalters somit mindestens potentiell. Ihm muss daher auch nach der Ratio des § 240 ZPO die Entscheidung über die Aufnahme des Unterlassungsprozesses vorbehalten bleiben. Das gilt auch für

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1447 MünchKommZPO/Gehrlein § 240 Rn. 1; Wieczorek/Schütze/Gerken § 240 Rn. 1; Kraßer/Neuburger GRUR 2010, 588; Musielak/Stadler § 240 ZPO Rn. 1. 1448 MünchKommZPO/Gehrlein § 240 Rn. 1. 1449 BGH 1.10.2009 – I ZR 94/07 – NJW 2010, 2213 Tz. 17 – Oracle; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann § 240 ZPO Rn. 5; Gundlach/Frenzel/Schmidt NJW 2004, 3222; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 125 Rn. 25; Stein/Jonas/Roth § 240 ZPO Rdnr. 11; MünchKommInsO/Schumacher Vorb. §§ 85 bis 87 Rn. 22; Götting/Nordemann/Trepper Vorb. § 12 Rn. 95. 1450 Frege/Keller/Riedel Rn. 1149; E. Braun/Kroth Vor §§ 85–87 InsO Rn. 11; MünchKommInsO/ Schumacher Vorb. §§ 85 bis 87 Rn. 24. 1451 BGH 1.10.2009 – I ZR 94/07 – NJW 2010, 2213 Tz. 17 – Oracle. 1452 RG 6.1.1932 – I 295/30 – RGZ 134, 279, 378; BGH 21.10.1965 – Ia ZR 144/63 – NJW 1966, 51 – DiaRähmchen III; OLG Köln 31.8.2007 – 6 U 80/02 – ZIP 2008, 518, 519; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann § 240 ZPO Rn. 12; Götting/Nordemann/Trepper Vorb. § 12 Rn. 96; Uhlenbruck/Uhlenbruck § 85 InsO Rn. 11. 1453 RG 23.2.1915 – II 498/14 – RGZ 86, 252, 253; RG 15.6.1935 – RGZ 148, 146, 147; im Falle des Namensrechts BGH 23.9.1992 – I ZR 251/90 – BGHZ 119, 237 = GRUR 1993, 151, 152; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 64; MünchKommBGB/Roth § 399 Rn. 21. 1454 K. Schmidt ZZP 90 (1977), 41; Teplitzky Kap. 48 Rn. 4. 1455 Die Rechtsprechung geht freilich einhellig von einem materiell-rechtlichen Verständnis des Gegenstandes des Unterlassungsprozesses aus. Vgl. Rn. 37. 1456 Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 153.

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VII. Verfahrensunterbrechungen

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

den Passivprozess, bei dem es sich der Sache nach um einen Aussonderungsstreit im Sinne des § 47 InsO handelt.1457 b) Verfahrenseröffnung. Der Eröffnung des (deutschen) Hauptinsolvenzverfah- 554 rens gleichgestellt sind die Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters in den Fällen des § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO (§ 240 Satz 2 ZPO), sowie angesichts des Universalitätsprinzips,1458 die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens, wenn das anwendbare ausländische Recht eine Verfahrensunterbrechung vorsieht und das Inlandsvermögen des Schuldners erfasst.1459 Diese Fragen sind von dem deutschen Wettbewerbsgericht ohne Bindung an den ausländischen Eröffnungsbeschluss in eigener Verantwortung zu prüfen. Ein im Inland anzuerkennendes Insolvenzverfahren im EUAusland und in Dänemark i.S.d. § 343 InsO, Art. 3, 16 f. EuInsVO wird über § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO in Verbindung mit § 240 Satz 1 ZPO automatisch erfasst.1460 Aus der Sicht des Internationalen Insolvenzrechts bestehen für Wettbewerbsprozesse keine Besonderheiten.1461 Maßstab für die Betroffenheit der Insolvenzmasse ist allein der geltend gemachte 555 Hauptsacheanspruch.1462 Kostenerstattungsansprüche, die in jeder Lage des Verfahrens aufschiebend oder auflösend bedingt bestehen, sollen außer Betracht bleiben.1463 Das wird teilweise kritisiert,1464 weil der Kostenerstattungsanspruch für die Insolvenzmasse von erheblichem Wert sein kann. Allerdings ist der Kostenerstattungsanspruch nicht selbst Gegenstand, sondern (nur) Folge des Verfahrens. Nach dem Wortlaut des § 240 Satz 1 ZPO kommt es für die Unterbrechungswirkung aber nur auf das „Verfahren“ (und dessen Gegenstand) und nicht auf dessen Folgen an. Zwar ist richtig, dass der Kostenerstattungsanspruch zur Insolvenzmasse gehört, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor oder während des Insolvenzverfahrens verwirklicht wurde.1465 Deshalb ist es auch ausschließlich Sache des Insolvenzverwalters darüber zu befinden, ob der zur Insolvenzmasse gehörende Kostenerstattungsanspruch im Wege der Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag gelöst und wieder der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners unterstellt wird.1466 Dies bedeutet aber nicht, dass deshalb jedes Verfahren nur wegen des (aufschiebend oder auflösend) bedingten Kostenerstattungsanspruchs unabhängig von der Massebetroffenheit durch den eigentlichen Verfah-

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1457 K. Schmidt ZZP 90 (1977), 46. 1458 Demnach folgt aus dem Universalitätsprinzip eine Anerkennung des Auslandskonkurses auch im Inland, wenn nach dem Konkursstatut auch das ausländische Vermögen zur Konkursmasse gehören soll; BGH 11.7.1985 – IX ZR 178/84 – BGHZ 95, 256 = NJW 1985, 2897, 2898; G. Lüke KTS 1986, 3; Riesenfeld FS Merz, S. 499. 1459 Std. Rspr. des BGH seit BGH 11.7.1985 – IX ZR 178/84 – BGHZ 95, 256 = NJW 1985, 2897, 2898; BGH 13.10.2009 – X ZR 79/06 – GRUR 2010, 861 Tz. 8; konkretisierend BGH 20.12.2011 – VI ZR 14/11 – NZI 2012, 573; OLG Karlsruhe 11.5.1990 – 10 U 70/89 – EzInsR Art. 102 EGInsO Nr. 5; OLG München 24.1.1996 – 25 W 2281/95 – ZIP 1996, 385; vgl. in der Literatur auch Koch NJW 1989, 3072 f.; G. Lüke KTS 1986, 1; H. Hess/ H. Hess § 85 InsO Rn. 21; Riesenfeld FS Merz, S. 498; Musielak/Stadler § 240 Rn. 4; Uhlenbruck/Uhlenbruck § 85 InsO Rn. 11. 1460 Eyber ZInsO 2009, 1225; MünchKommZPO/Gehrlein § 240 Rn. 11; G. Lüke KTS 1986, 14; Musielak/ Stadler § 240 ZPO Rn. 4. 1461 Nerlich/Römermann/Commandeur Vorbemerkung zu Art. 102 Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren Rn. 1. 1462 MünchKommInsO/Schumacher Vorb. §§ 85 bis 87 Rn. 23. 1463 So die Entscheidung RG 24.6.1886 – IIIa 18/86 – RGZ 16, 358, 362. 1464 Kritisch auch Teplitzky Kap. 48 Rn. 5 f. 1465 BGH 1.2.2007 – IX ZR 178/05 – NJW-RR 2007, 1205, 1205; OLG Nürnberg 21.10.2010 – 12 W 1990/10 – MDR 2011, 322, 323; Uhlenbruck/Hirte § 35 InsO Rn. 171. 1466 BGH 1.2.2007 – IX ZR 178/05 – NJW-RR 2007, 1205.

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rensgegenstand nach § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen ist. Vielmehr bleibt der Kostenerstattungsanspruch Annexanspruch, dessen verfahrensrechtliche Behandlung dem eigentlichen Verfahrensgegenstand folgt und nicht umgekehrt. Wollte man hier anders entscheiden, würde notwendig jedes Verfahren, an dem der Schuldner beteiligt ist, durch die Insolvenzeröffnung unabhängig von der Massebetroffenheit unterbrochen. Denn theoretisch kann für die Masse in jedem solchen Verfahren ein Kostenerstattungsanspruch entstehen. Die in § 240 Satz 1 ZPO angelegte Differenzierung nach der Massebetroffenheit durch den Verfahrensgegenstand würde dann der Sache nach durch eine rein wirtschaftliche Betrachtung nach der Bedeutung des (bedingten) Erstattungsanspruchs für die Masse ersetzt. Eine solche quantitative Betrachtung mit dem Ziel, wirtschaftlich unbedeutende Erstattungsansprüche auszuscheiden und bei wirtschaftlich bedeutenden Erstattungsansprüchen eine Verfahrensunterbrechung anzunehmen, hätte nicht nur keine Grundlage im Gesetz, sondern würde auch zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Die Differenzierung danach, ob der Streitgegenstand die Masse betrifft, erscheint daher im Ergebnis als alternativlos. 556 Verfahren, die nur den Kostenerstattungsanspruch zum Gegenstand haben (z.B. Kostenfestsetzungsverfahren), sind hingegen mit Insolvenzeröffnung unterbrochen.1467 Dies gilt insbesondere auch für die übereinstimmende Erledigungserklärung (§ 91a Abs. 1 ZPO),1468 nicht jedoch für die einseitige Erledigung. Denn nach einer einseitigen Erledigungserklärung ist der Kostenerstattungsanspruch selbst nicht Verfahrensgegenstand,1469 das nunmehr auf Feststellung der ursprünglichen Zulässigkeit und Begründetheit der Klage gerichtet ist. Bei Klagen von und gegen einen Mitbewerber auf der Grundlage des § 5 UWG we557 gen der Unterlassung irreführender geschäftlicher Handlungen kann die Massebetroffenheit zweifelhaft sein, stehen hier doch Interessen der Allgemeinheit, beispielsweise an der Vermeidung von irreführender Werbung, im Vordergrund.1470 Indes erscheint es als wenig praktikabel für die auf Rechtssicherheit ausgelegten Vorschriften zur Verfahrensunterbrechung, auf den Schutzzweck der konkret als verletzt gerügten wettbewerblichen Verhaltensnorm abzustellen. Es sollte genügen, wenn der Prozessausgang die wettbewerbliche Handlungsfreiheit des Schuldnerunternehmens beeinflussen kann. Ob die Beeinträchtigung bzw. Erweiterung des Handlungsspielraums bei wirtschaftlicher Betrachtung unerheblich ist, bleibt auch hier außer Betracht. c) Einzelfragen 558

aa) Verbandsklagen. Klagebefugte Verbände (§ 8 Abs. 3 Nrn. 2, 3 UWG) in der Form des e.V. sind mit Insolvenzeröffnung aufgelöst (§ 42 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie bestehen zwar bis zur Vollbeendigung als aufgelöster rechtsfähiger Verein fort (§ 49 Abs. 2 BGB), jedoch nur soweit der Zweck der Liquidation dies erfordert. Rechtsprechung und Literatur1471 entnehmen hieraus den Grundsatz einer auf den Abwicklungszweck (§ 49

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1467 BGH 29.6.2005 – XII ZB 195/04 – NZI 2006, 128; OLG Stuttgart 16.11.1998 – 8 W 621/98 – ZIP 1998, 2066, 2067; OLG Brandenburg 29.9.2000 – 7 W 47/00 – MDR 2001, 471, 471 f. 1468 MünchKommInsO/Schumacher § 85 Rn. 8; Teplitzky Kap. 48 Rn. 6 Fn. 25; E. Jaeger/Windel § 85 InsO Rn. 3. 1469 Vorwerk/Wolf/Kratz § 494a ZPO Rn. 17. 1470 Bornkamm GRUR 1996, 527; ebenso kritisch dazu Götting/Nordemann/Trepper Vorb. § 12 Rn. 95; Teplitzky Kap. 48 Rn. 6. 1471 BGH 22.3.2001 – IX ZR 373/98 – NJW-RR 2001, 1552, 1553; Palandt/Ellenberger § 49 BGB Rn. 2; MünchKommBGB/Reuter § 49 Rn. 10; Bamberger/Roth/Schöpflin § 49 BGB Rn. 4; Staudinger/Weick § 49 BGB Rn. 17; Erman/Westermann § 49 BGB Rn. 5.

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VII. Verfahrensunterbrechungen

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Abs. 1 BGB) beschränkten Rechtsfähigkeit. Das ist nicht zweifelsfrei. Denn mit der Annahme einer beschränkten Rechtsfähigkeit würde im Ergebnis die dem deutschen Recht der Körperschaften fremde ultra-vires-Lehre rezipiert,1472 was im Hinblick auf den gebotenen Verkehrsschutz unstimmig erscheint.1473 Auch dann, wenn man mit der heute wohl hL von einer grundsätzlich fortbestehenden1474 vollen Rechtsfähigkeit ausgeht, würde jedoch mit Insolvenzeröffnung die Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 UWG entfallen, da die dort vorausgesetzte Nachhaltigkeit der Verfolgung des Verbandszweckes nicht mehr gegeben ist. Im Ergebnis führt daher die Insolvenzeröffnung – unabhängig von dem jeweils zugrunde gelegten Verständnis des § 49 Abs. 2 BGB – zur Unzulässigkeit einer von dem insolventen Verband erhobenen Klage.1475 Die Masse kann deshalb von dem Gegenstand der von dem insolventen Verband er- 559 hobenen Klage nicht betroffen sein, weshalb eine Unterbrechung ausscheidet.1476 Der Kostenerstattungsanspruch bleibt auch hier außer Betracht,1477 und eine Erledigungserklärung, die nach teilweise vertretener Auffassung1478 den Kostenerstattungsanspruch zum wirtschaftlichen Verfahrensgegenstand mit der Folge entsprechender Massebetroffenheit machen soll, ist dem Insolvenzverwalter mangels Aufnahmemöglichkeit verwehrt. Ohnedies ist auch bei einer Erledigungserklärung der Kostenerstattungsanspruch gerade nicht Gegenstand des Rechtsstreits, sondern bleibt dessen (bloße) Folge.1479 Gegenstand des Rechtsstreits nach Erledigungserklärung ist ein Anspruch auf Feststellung der ursprünglichen Zulässigkeit und Begründetheit der Klage, der für Zwecke der Massebetroffenheit nicht anders bewertet werden kann, als der Streitgegenstand des für erledigt erklärten Klageverfahrens.1480 bb) Vollstreckungsverfahren. Das Vollstreckungsverfahren soll nach hM durch 560 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners1481 nicht unterbrochen werden.1482 Die Vollstreckung betrifft nur das Verhalten der vor Insolvenzeröffnung für das Schuldnerunternehmen handlungsbefugten Personen. Eine Vollstreckung gegen den Insolvenzverwalter ist nicht möglich,1483 und Ordnungsgelder zur Erzwingung der Unterlassung sind nicht Gegenstand der Vollstreckung, sondern Mittel zu deren Durchführung. 1484 Das überzeugt nicht. 1485 Mit Insolvenzeröffnung verliert der

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1472 Soergel/Hadding § 49 BGB Rn. 11; K. Schmidt AcP 174 (1974), 67; Staudinger/Weick § 49 BGB Rn. 17. 1473 Soergel/Hadding § 49 BGB Rn. 11; MünchKommBGB/Reuter § 49 Rn. 11; Staudinger/Weick § 49 BGB Rn. 17. 1474 Jedenfalls dann, wenn eine Liquidation durchgeführt wird und das Vereinsvermögen nicht an den Fiskus fällt (§ 46 BGB), MünchKommBGB/Reuter § 49 Rn. 11. 1475 KG 6.7.1990 – 5 U 74/89 – GRUR 1991, 562 (LS) = NJW-RR 1991, 41; Teplitzky Kap. 48 Rn. 6 mit Fn. 25. 1476 KG 6.7.1990 – 5 U 74/89 – GRUR 1991, 562 (LS) = NJW-RR 1991, 41; MünchKommZPO/Feiber § 240 Rn. 17; MünchKommInsO/Schumacher Vorb. §§ 85 bis 87 Rn. 36. 1477 RGZ 24.6.1886 – IIIa 18/86 – RGZ 16, 358, 362; KG 6.7.1990 – 5 U 74/89 – GRUR 1991, 562 (LS) = NJWRR 1991, 41; H. Hess/H. Hess § 85 InsO Rn. 49. 1478 MünchKommInsO/Schumacher § 85 Rn. 23; Teplitzky Kap. 48 Rn. 6 Fn. 26; E. Jaeger/Windel § 85 InsO Rn. 3. 1479 Vgl. Rn. 469. 1480 Vgl. Rn. 555. 1481 Bei Aktivprozessen kann der Verwalter das Vollstreckungsverfahren nach Klauselumschreibung gem. § 727 ZPO fortsetzen. 1482 BGH 28.3.2007 – VII ZB 25/05 – BGHZ 172, 16 = NJW 2007, 3132, 3133; KG 17.12.1999 – 5 W 5591/99 – GRUR 2000, 1112; anders bei der Vollstreckungsabwehrklage BGH 14.8.2008 – VII ZB 3/08 – NJW-RR 2009, 60, 61; E. Jaeger/Windel § 85 InsO Rn. 69; Saenger/Wöstmann § 240 ZPO Rn. 7. 1483 Entsprechend zu entnehmen aus E. Jaeger/Windel § 80 InsO Rn. 193. 1484 KG 17.12.1999 – 5 W 5591/99 – GRUR 2000, 1112. 1485 Kritisch auch K. Schmidt ZZP 90 (1977), 41.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Schuldner die Handlungsbefugnis. Die Vollstreckung gegen ihn wäre daher ohne Sinn. Zwar ist ein Rechtsschutzinteresse für die Durchführung der Unterlassungsvollstreckung nicht erforderlich.1486 Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird die Fortsetzung der Unterlassungsvollstreckung gegen den Schuldner jedoch in der Regel rechtsmissbräuchlich sein.1487 Ohnedies müsste die Zwangsvollstreckung auf eine Klage des Schuldners (je nach dogmatischem Grundverständnis des Unterlassungstitels gem. § 323 ZPO oder gem. § 767 ZPO)1488 auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung für unzulässig erklärt werden. 561

cc) Besonderheiten bei Insolvenz des Unterlassungsklägers. Der Unterlassungsanspruch gegenüber Wettbewerbshandlungen Dritter betrifft stets das Unternehmen des Schuldners bzw. die Verwertbarkeit der Insolvenzmasse. Eine Differenzierung nach dem wirtschaftlichen Grad der Betroffenheit oder dem Schutzzweck der zur Begründung des Klageanspruchs angeführten Norm würde die Unterbrechungsfrage mit Auslegungsunsicherheiten belasten. Für Unterlassungsklagen, die den persönlichen Ehrenschutz des Schuldners (als natürlicher Person) zum Gegenstand haben, mag man anders entscheiden.1489 Dies dürfte indessen die Ausnahme bleiben.

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dd) Besonderheiten bei Insolvenz des Unterlassungsbeklagten. In der Insolvenz des Unterlassungsbeklagten gelten dieselben Regeln, wie in der Klägerinsolvenz. Mit Ausnahme von Ehrenschutzklagen führt die Insolvenzeröffnung zur Unterbrechung der Unterlassungsklage.1490

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ee) Wiederaufnahme des Verfahrens. Die Regeln zur Wiederaufnahme des Verfahrens unterscheiden danach, ob es sich um einen Aktiv- oder einen Passivprozess handelt (§§ 85, 86 InsO). Dabei ist die Parteirolle des Schuldners unerheblich. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine vermögenswerte Position zur (Teilungs-) Masse gezogen (= Aktivprozess) oder eine solche Position aus der Insolvenzmasse ausgesondert werden soll (= Passivprozess). In der älteren Rechtsprechung sind Unterlassungsprozesse gegen den Schuldner als Aktivprozesse behandelt worden.1491 Das erscheint intuitiv unrichtig, ist vom BGH aber erst im Jahre 2010 in der Entscheidung Modulgerüst II1492 aufgegeben worden. Der Unterlassungsprozess zielt darauf ab, dem Kläger eine Vollstreckungsmöglichkeit gegenüber künftigem Beklagtenverhalten zu verschaffen. Besteht eine solche Vollstreckungsmöglichkeit, sind die Handlungsmöglichkeiten des Schuldnerunternehmens de facto um den titelbetroffenen Bereich vermindert. Es ist deshalb richtig, Unterlassungsklagen gegen den Schuldner als Passivprozesse zu behandeln. Hierfür spricht nicht zuletzt auch die teleologische Überlegung, dass nicht einzusehen ist, warum der

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1486 Laut MünchKommZPO/Gruber § 890 Rn. 31 beinhaltet die vollstreckbare Titulierung bereits das Rechtsschutzbedürfnis; ebenso Stein/Jonas/Brehm § 890 ZPO Rn. 52; Zöller/Stöber § 890 ZPO Rn. 11; Zieres NJW 1972, 751. 1487 Grosch S. 97 ff.; Grosch/Schilling FS Eisenführ, S. 153. 1488 So die ganz h.M., vgl. z.B. BGH 2.7.2009 – GRUR 2009, 1096 Tz. 22 – Mescher weis. 1489 Zur Frage der vermögensrechtlichen Natur eines auf Ehrverletzung klagenden Unterlassungsanspruchs BGH 20.11.1984 – VI ZR 79/83 – NJW 1985, 809. 1490 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.99; Teplitzky Kap. 48 Rn. 7; Uhlenbruck/Uhlenbruck § 85 InsO Rn. 18. 1491 RG 6.1.1932 – I 295/30 – RGZ 134, 378, 379; BGH 21.10.1965 – I a ZR 144/63 – NJW 1966, 51 – DiaRähmchen III; BGH 19.11.1982 – I ZR 99/80 – GRUR 1983, 179, 180 – Stapel-Automat; KG 26.1.2001 – 5 U 4102/99 – GRUR-RR 2002, 125, 126; Harte/Henning/Brüning Vorb. zu § 12 Rn. 218; zu der Annahme, dass es sich um einen Passivprozess handelt, kam bereits K. Schmidt ZZP 90 (1977), 54; vgl. auch Teplitzky Kap. 48 Rn. 13. 1492 BGH 18.3.2010 – I ZR 158/07 – GRUR 2010, 536 – Modulgerüst II; OLG Köln 31.8.2007 – 6 U 80/02 – ZIP 2008, 518, 519; Teplitzky Kap. 48 Rn. 13 m.w.N.

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VII. Verfahrensunterbrechungen

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

möglicherweise in seinen Rechten verletzte Unterlassungskläger keine eigene Aufnahmemöglichkeit haben soll. VII. Verfahrensunterbrechungen A. Besonderheiten des Klageverfahrens Herrmann

3. Aussetzung des Wettbewerbsprozesses und Vorlage an den EuGH § 12 Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

a) Allgemeines. Für den Wettbewerbsprozess vorgreifliche Parallelverfahren kön- 564 nen zur (ermessensabhängigen) Aussetzung nach § 148 ZPO führen.1493 Dabei genügt es jedoch nicht, wenn in einem Parallelverfahren dieselbe Rechtsfrage zur Entscheidung ansteht.1494 In geeigneten Fällen können die Parteien jedoch eine „Musterprozessabrede“ treffen und unter Verjährungsverzicht übereinstimmend das Ruhen des Verfahrens beantragen. Die Verfahrensaussetzung nach § 148 ZPO ist im UWG-Prozess selten, da anders als in Verfahren über die Verletzung gewerblicher Schutzrechte1495 keine vorgreiflichen Verfahren über den Rechtsbestand des Klageschutzrechts in Betracht kommen. Das kann sicherlich zu einer mehrfachen Prüfung derselben Rechtsfrage durch die Gerichte führen. Vorgreifliche Rechtsfragen begründen jedoch kein die Aussetzung ermöglichendes Rechtsverhältnis im Sinne des § 148 ZPO.1496 Ist eine für das anhängige Verfahren erhebliche Rechtsnorm Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, kommt eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO in Betracht. Denn die Gerichte der Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, loyal mit dem EuGH zusammenzuarbeiten. Dies kann es im Einzelfall erfordern, den Ausgang eines Vorabentscheidungsverfahrens abzuwarten.1497 Dabei ist freilich vorausgesetzt, dass die in dem auszusetzenden Verfahren entscheidungserhebliche Auslegungsfrage mit dem Gegenstand des Vorlageverfahrens identisch ist.1498 Bei nur ähnlichen Rechtsfragen oder Vorfragen muss das Gericht entweder selbst dem EuGH vorlegen oder den Rechtsstreit ohne Vorlage entscheiden. Vorlagen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV werden 565 üblicherweise bei der Erörterung von Verfahrensunterbrechungen mitbehandelt. Genau genommen führt die Vorlage an den EuGH aber nicht zu einer Aussetzung des Verfahrens, da die Beantwortung einer vorgreiflichen Rechtsfrage des Unionsrechts im Rahmen eines Zwischenstreits erfolgt.1499 Das Vorabentscheidungsverfahren erscheint als Teil des Ausgangsprozesses, so dass es an einem rechtlichen Verfahrensstillstand fehlt. Sachlich entspricht das durchaus der Praxis der deutschen Gerichte, da eine sofortige Beschwerde (§ 252 ZPO) gegenüber einem Vorlagebeschluss als unzulässig angesehen wird.1500 Wäre der Vorlagebeschluss mit einer Aussetzungsentscheidung verbunden, müsste eine sofortige Beschwerde statthaft sein. Im Ergebnis überzeugt es, Vorlageentscheidungen sachlich als Zwischenstreit ohne Möglichkeit eines Rechtsmittels zu behandeln. Gegenstand ist die Klärung einer für den Rechtsstreit erheblichen Frage des Unionsrechts. Die Par-

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1493 Einzelheiten bei Teplitzky Kap. 48 Rn. 17–19. 1494 BGH 30.3.2005 – X ZB 26/04 – BGHZ 162, 373 = GRUR 2005, 615, 616; im Umkehrschluss aus BVerfG 8.10.2003 – 2 BvR 1309/03 – NJW 2004, 501, 502; Wieczorek/Schütze/Smid § 148 ZPO Rn. 43; Musielak/ Stadler § 148 ZPO Rn. 5. 1495 Teplitzky Kap. 48 Rn. 20–23 m.w.N. 1496 BGH 30.3.2005 – X ZB 26/04 – GRUR 2005, 615, 616 – Aussetzung wegen Parallelverfahren; Teplitzky Kap. 48 Rn. 18. 1497 OLG Düsseldorf 2.12.1992 – 18 W 58/92 – NJW 1993, 1661; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 201; Teplitzky Kap. 48 Rn. 18; Beyerlein WRP 2006, 731, 734. 1498 OLG Düsseldorf 2.12.1992 – 18 W 58/92 – NJW 1993, 1661. 1499 LG Darmstadt 29.10.2008 – 7 S 200/08 – NJW-RR 2009, 858; Lenz/Borchardt Art. 267 AEUV Rn. 54; Teplitzky Kap. 48 Rn. 25 m.w.N. 1500 OLG Köln 13.5.1977 – 6 W 80/76 – WRP 1977, 734, 735; OLG Celle 10.10.2008 – 9 W 78/08 – NJW-RR 2009, 857; MünchKommZPO/Gehrlein § 252 Rn. 16; kritisch dazu T. Pfeiffer NJW 1994, 1997.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

teien können durch ein solches objektives Klärungsverfahrens nicht in Rechten verletzt sein, die es erfordern würden, Rechtsmittel zuzulassen. 566

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b) Insbesondere: Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. Zur Vorlage an den EuGH im Vorabentscheidung ist jedes Gericht eines Mitgliedstaates berechtigt. Letztinstanzlich entscheidende Gerichte sind hierzu verpflichtet (Art. 267 Abs. 3 AEUV), wobei es darauf ankommt, ob das über die Vorlage entscheidende Gericht in concreto letztinstanzlich entscheidet, nicht ob es im Instanzenzug per se die Stellung eines letztinstanzlichen (Revisions-)Gerichts hat.1501 Diese konkrete Betrachtungsweise entspricht der Rechtsprechung des EuGH und wird auch durch den Wortlaut des Art. 267 Abs. 3 AEUV nahegelegt.1502 Nach nationalem Verfassungsrecht (Art. 101 GG) besteht mittelbar eine Vorlageverpflichtung, da der EuGH gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 GG ist.1503 Im Verfassungsbeschwerdeverfahren kann indessen nur eine „objektiv willkürliche“ Nichtvorlage gerügt werden.1504 Das mag man für unzureichend halten, entspricht aber der vom BVerfG im Verfassungsbeschwerdeverfahren ausgeübten begrenzten Kontrolle.1505 Die Vorlage an den EuGH dient der Sicherung einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts. Es handelt sich somit um ein objektives Verfahren und keine Erweiterung subjektiver Rechtsschutzmöglichkeiten.1506 Eine Vorlage hat zu unterbleiben, wenn die Frage zur Auslegung des Unionsrechts entweder von dem Gerichtshof bereits entschieden ist („acte éclairé“) oder kein vernünftiger Zweifel daran besteht, wie der Gerichtshof entscheiden würde („acte claire“).1507 Wegen der Einzelheiten muss auf die Kommentierungen zu Art. 267 AEUV verwiesen werden, da es sich nicht um eigens wettbewerbsrechtliche Fragestellungen handelt. Im Eilrechtsschutz besteht grundsätzlich keine Vorlageverpflichtung.1508 Das Gericht muss deshalb die im Eilrechtsschutz relevante Frage des Unionsrechts grundsätzlich selbst entscheiden.1509 Soweit keine Vorlageverpflichtung besteht, ist das Gericht wegen des Eilcharakters des Verfügungsverfahrens zur Vorlage auch nicht berechtigt.1510 Jedoch muss dann eine Vorlageverpflichtung auch im Eilverfahren bestehen, wenn nicht gewährleistet ist, dass beide Parteien eine Überprüfung der im Eilverfahren relevanten Frage des Unionsrechts in einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren erzwingen können. Denn Eilverfahren sind nur deshalb von der Vorlagepflicht ausgenommen, weil eine

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1501 BGH 2.10.2002 – I ZB 27/00 – GRUR 2003, 546, 548 – TURBO-TABS; Streinz/Ehricke Art. 267 AEUV Rn. 41. 1502 EuGH 4.6.2002 – Rs. C-99/00 – EuZW 2002, 476 Tz. 16 – Kenny Roland Lyckeskog; Streinz/ Herrmann GRUR Int. 2004, 459, 460. 1503 BVerfG 21.5.2008 – 2 BvR 893/08 – EuZW 2008, 679, 680; BVerfG 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06 – BVerfGE 126, 286 = EuZW 2010, 828 Tz. 88 – Honeywell. 1504 BayVerfGH 8.2.1985 – Vf 57 – VI – 84 – NJW 1985, 2894, 2895; BVerfG 21.5.2008 – 2 BvR 893/08 – EuZW 2008, 679, 680; Fastenrath FS Ress, S. 471; Streinz/Ehricke Art. 267 AEUV Rn. 52. 1505 Zu den Voraussetzungen einer willkürlichen Nichtvorlage vgl. Teplitzky Kap. 48a Rn. 4–6 m.w.N. 1506 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Müller-Terpitz Art. 101 GG Rn. 13. 1507 EuGH 6.10.1982 – Rs. 283/81 – Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 – CILFIT; Streinz/Ehricke Art. 267 AEUV Rn. 47; M. Schröder EuR 2011, 808. 1508 EuGH 27.10.1982 – verb. Rs. 35/82, 36/82 – Slg. 1982, 3723 = NJW 1983, 2751 – Morson; Wieczorek/ Schütze/Smid § 148 ZPO Rn. 14; Calliess/Ruffert/Wegener Art. 267 AEUV Rn. 30. 1509 Vgl. hierzu die Kommentierung von Schwippert § 12 Rn. 169; sowie die Nachweise bei Teplitzky Kap. 55 Rn. 21 mit Fn. 121. 1510 HansOLG Hamburg 10.4.2002 – 5 U 63/01 GRUR-RR 2002, 360, 361 – Pigmentiergerät; OLG Karlsruhe 22.9.1993 – 6 U 92/93 – GRUR 1994, 283, 285 – Eileen Gray; OLG München 17.4.1986 – 6 U 6192/85 – OLGZ 1988, 230, 231; OLG Düsseldorf 24.7.2012 – I-20 W 141/11 – NJOZ 2012, 1930 Tz. 58; Berneke Rn. 153 m.w.N.; Teplitzky Kap. 55 Rn. 21 m.w.N. in Fn. 120.

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VII. Verfahrensunterbrechungen

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Klärung der relevanten Fragen in einem Hauptsacheverfahren erfolgen und es deshalb nicht zu einer Verfestigung einer instanzgerichtlichen Auslegung unionsrechtlicher Fragen ohne Vorlagemöglichkeit kommen kann. Diese Fallgruppe ist in der Rechtsprechungspraxis bislang, soweit ersichtlich, noch nicht anerkannt worden. Eine EuGH-Vorlage auch in Eilverfahren kann beispielsweise bei Gerichtsstandsfragen und bei Fragen der internationalen Zuständigkeit entscheidungserheblich werden, wenn nämlich der Kläger durch Erhebung der Hauptsacheklage vor einem zweifelsfrei zuständigen (insbesondere auch ausländischen) Gericht die erneute Prüfung der im Eilrechtsschutz nur vorläufig beantworteten Frage des Unionsrechts verhindern kann.1511 c) Insbesondere: Aussetzung nach Art. 16 der VO 1/2003/EG. Die Aussetzung von 571 Wettbewerbsverfahren wegen vorgreiflicher Kartellverfahren hat bis zur Aufhebung des § 96 Abs. 2 GWB in der Praxis eine nicht unerhebliche Rolle gespielt.1512 Nach geltendem Recht kann eine Verfahrensaussetzung nunmehr in Betracht kommen, wenn die Entscheidung eines anhängigen Rechtsstreits zu einem Widerspruch mit einer ergangenen oder beabsichtigten Entscheidung der Kommission der Europäischen Union in einem Kartellverfahren steht oder stehen würde (Art. 16 der VO 1/2003/EG). Erlangt das deutsche Wettbewerbsgericht Kenntnis von einem Kommissionsverfahren, das den Gegenstand des vor ihm anhängigen Verfahrens betrifft, wird es sich regelmäßig bei der Kommission über den Stand und die voraussichtliche Entscheidung der Kommission zu erkundigen und zu diesem Zweck das bei ihm anhängige Verfahren auszusetzen haben.1513 4. Aussetzung im Verfahren einstweiliger Verfügung. Eine Aussetzung kommt 572 im Verfahren einstweiliger Verfügung grundsätzlich nicht in Betracht.1514 Nur soweit das Verfügungsverfahren faktisch an die Stelle des Hauptsacheverfahrens tritt (insbesondere in Ehrenschutzsachen), kann das Gericht des Eilrechtsschutzes zur Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG berechtigt und verpflichtet sein.1515 Dies gilt auch außerhalb der Ehrenschutzfälle stets dann, wenn nicht beide Parteien des Eilverfahrens die entscheidungserhebliche Vorfrage in einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren zur erneuten Überprüfung (auch im Wege einer Vorlage nach Art. 100 GG oder nach Art. 267 AEUV) stellen können. Eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG ist ferner insbesondere dann 573 erforderlich, wenn das Ergebnis des Eilverfahrens sachlich die Hauptsache vorweg-

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1511 A.A. jedoch OLG Düsseldorf 24.7.2012 – I-20 W 141/11 – NJOZ 2012, 1930 Tz. 58: „Ein einzelstaatliches Gericht […] ist daher nicht verpflichtet, dem Gerichtshof eine Auslegungsfrage vorzulegen, wenn sich die Frage in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung stellt und die zu erlassende Entscheidung das Gericht, […] nicht bindet, sofern es jeder Partei unbenommen bleibt, – auch vor den Gerichten eines anderen Gerichtszweigs – ein Hauptverfahren, in dem jede im summarischen Verfahren vorläufig entschiedene Frage des Unionsrechts erneut geprüft werden und den Gegenstand einer Vorlage nach Art. 267 AEUV bilden kann, entweder selbst einzuleiten oder dessen Einleitung zu verlangen.“ 1512 Zur Aussetzung nach § 96 II GWB a.F. LG Wuppertal 12.6.1996 – 17 O 470/93 – CR 1996, 732, 734. 1513 EuGH 14.12.2000 – C-344/98 – Slg. 2000, I-11369 = GRUR Int. 2001 Tz. 27 – Masterfoods; Immenga/Mestmäcker Einleitung Rn. 54. 1514 HansOLG Hamburg 10.4.2002 – 5 U 63/01 GRUR-RR 2002, 360, 361 – Pigmentiergerät; OLG Karlsruhe 22.09.1993 – 6 U 92/93 – GRUR 1994, 283, 285 – Eileen Gray; OLG München 17.4.1986 – 6 U 6192/85 – OLGZ 1988, 230, 231; OLG Düsseldorf 24.7.2012 – I-20 W 141/11 – NJOZ 2012, 1930 Tz. 58; Berneke Rn. 153 m.w.N.; Teplitzky Kap. 55 Rn. 21 m.w.N. in Fn. 118 und 120; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann § 148 ZPO Rn. 14; MünchKommZPO/Wagner § 148 Rn. 3. 1515 Teplitzky Kap. 55 Rn. 22.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

nimmt.1516 Bei einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverfügung ist dies für die Dauer ihrer Geltung indessen stets anzunehmen, da unterlassene Handlungen nicht nachgeholt werden können.1517 Da das BVerfG aber keine Superrevisionsinstanz ist, muss das Gericht des Eilrechtsschutzes dennoch im Einzelfall prüfen, ob die Verweisung auf ein Hauptsacheverfahren und die dort zweifelsfrei bestehende Vorlagepflicht geboten ist.1518 Kommt das Gericht im Verfahren einstweiliger Verfügung zu dem Ergebnis, dass 574 eine entscheidungserhebliche Norm zwar verfassungswidrig sei, eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG aber gleichwohl im Eilverfahren nicht in Betracht komme, ist das Gericht berechtigt, im Eilverfahren selbst die aus seiner Sicht gebotenen Folgen aus der von ihm erkannten Verfassungswidrigkeit der Norm zu ziehen.1519 Die Fachgerichte sind nach Auffassung des BVerfG durch Art. 100 GG nicht gehindert, schon vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des BVerfG auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies nach den Umständen des Falles im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsacheentscheidung dadurch nicht vorweggenommen wird.1520 Bei erkannter Verfassungswidrigkeit einer anspruchsbegründenden Norm muss der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung deshalb zurückgewiesen werden.1521 575

5. Prozessuale Behandlung. Den Eintritt einer Verfahrensunterbrechung stellt das Gericht durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) fest, das nicht selbständig, sondern nur zusammen mit dem Endurteil anfechtbar ist.1522 Aussetzungsentscheidungen ergehen demgegenüber in Beschlussform. Sie sind nach § 252 ZPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Vorlageentscheidungen (nach Art. 100 GG oder nach Art. 267 AEUV) sind nicht selbständig anfechtbar, weil es sich – wie bereits in Rn. 565 ausgeführt und belegt – nicht um Aussetzungsentscheidungen im Sinne des § 252 ZPO handelt. Sie leiten vielmehr einen Zwischenstreit ein, ohne dass es zu einem rechtlichen Verfahrensstillstand kommt.1523 VIII. Rechtskraft VIII. Rechtskraft Herrmann/Grosch

Schrifttum Bötticher Kritische Beiträge zur Lehre der materiellen Rechtskraft im Zivilprozess (1930); Gaul Die Erstreckung und Durchbrechung der Urteilswirkungen nach §§ 19, 20 AGBG, FS Beitzke (1979) 997; Grosch Rechtswandel und Rechtskraft bei Unterlassungsurteilen (2002); Grosch/Schilling Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung für die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung? FS Eisenführ (2003) 131; Grunsky Grundlagen des Verfahrensrechts, eine vergleichende Darstellung von ZPO, FGG, VwGO, FGO, SGG, 2. Aufl. (1974); Henckel Prozeßrecht und materielles Recht (1970); ders. Der vorbeugende Rechtsschutz im Zivilrecht, ACP 174 (1974), 97; Lindacher Unterlassungsurteil und Rechtsprechungsänderung, GS M. Wolf (2011) 473; Reischl Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß (2002); Rüßmann Die Bindungswirkung rechtskräftiger Unterlassungsurteile, FS Lüke (1997) 675; Schilken Verfahrensrechtliche Probleme nach dem AGB-Gesetz, Eine Untersuchung zu §§ 19, 31 AGBG, Recht und Wirtschaft, Osnabrück

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1516 1517 1518 1519 1520 1521 1522 1523

Teplitzky Kap. 55 Rn. 22. Teplitzky Kap. 55 Rn. 22; Berneke Rn. 152. Hierzu GKUWG/Schwippert Rn. 163. BVerfG 24.06.1992 – 1 BvR 1028/91 – NJW 1992, 2749, 2750. BVerfG 24.06.1992 – 1 BvR 1028/91 – NJW 1992, 2749, 2750. Hierzu auch GKUWG/Schwippert Rn. 164. BGH 21.4.2010 – IX ZB 205/03 – NJW 2005, 290, 291. Lenz/Borchardt Art. 267 AEUV Rn. 54.

Herrmann/Grosch

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Rechtswissenschaftliche Abhandlungen (1985), 99; Schwab Der Streitgegenstand im Zivilprozess (1954); ders. Die Bedeutung der Entscheidungsgründe, FS Bötticher (1954) 321; ders. Besprechung von J. Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß und im Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZZP 71 (1958), 155; Teplitzky Streitgegenstand und materielle Rechtskraft im wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsprozess, GRUR 1998, 320; Ulrich Die Vollstreckungsabwehrklage in Wettbewerbssachen, FS Traub (1994) 423; ders. Abänderungsklage (§ 323 ZPO) oder/und Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) bei „unrichtig gewordenen“ Unterlassungstiteln? WRP 2000, 1054.

1.

2.

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Systematische Übersicht Grosch Grundbegriffe und Systematik der Rechtskraft ____ 576 a) Rechtskraft als notwendiges Element materieller Rechtsprechung zur Klärung ungewissen Rechts ____ 576 aa) Die Offenheit des Rechtssystems ____ 576 bb) Die rechtskräftige Entscheidung des streitigen Einzelfalls – Der Prozess als finites Verfahren ____ 578 cc) Grenzen der Rechtsprechung und der Rechtskraft als Entscheidung streitiger Einzelfälle ____ 580 b) Grundbegriffe der Rechtskraftsystematik ____ 581 Ne bis in idem ____ 585 a) Grundsätze ____ 585 aa) Rechtskraft als negative Prozessvoraussetzung ____ 586 bb) Derselbe Streitgegenstand ____ 587 cc) Kontradiktorisches Gegenteil ____ 590 b) Ausnahmen vom Wiederholungsverbot ____ 595 aa) Verlust des Titels ____ 595 bb) Zweifel am Umfang des Titels und fehlende Bestimmtheit ____ 596 cc) Drohende Verjährung ____ 605 Präjudizialität ____ 606 a) Maßgeblichkeit der festgestellten Rechtsfolge ____ 606 b) Bindungswirkung ____ 607 c) Feststellungsurteil für nachfolgendes Leistungsurteil präjudiziell ____ 608 d) Zur präjudiziellen Wirkung zwischen Unterlassungs- und Schadensersatzurteil ____ 609 aa) BGH „Faxkarte“ – gesetzliche Unterlassungsansprüche ____ 609

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bb) BGH „Gliedermaßstäbe“ – Vertragliche Unterlassungsansprüche ____ 611 cc) Neuere BGH-Rechtsprechung zum allgemeinen Zivilrecht ____ 612 dd) Zeuners Lehre von der Präjudizialität bei Sinnzusammenhängen ____ 613 ee) Weiteres Schrifttum ____ 614 ff) Stellungnahme ____ 615 Zeitliche Grenzen der Rechtskraft und die Statthaftigkeit nachträglicher Änderungen gegenüber dem rechtskräftigen Urteil ____ 622 a) Grundsätze ____ 622 b) Besonderheiten bei Unterlassungsurteilen ____ 625 c) Rechtsvernichtende materielle Einwendungen bei Unterlassungsansprüchen ____ 626 aa) Wegfall der Begehungsgefahr als rechtsvernichtende Einwendung ____ 626 bb) Stellungnahme ____ 628 d) Neue Wertungen als Basis für rechtsvernichtende Einwendungen ____ 630 aa) Problemstellung und Grundsätze ____ 630 bb) Gesetzesänderung ____ 634 cc) Änderung der Rechtsprechung ____ 636 dd) Anwendbarkeit von § 767 ZPO, keine Anwendbarkeit von § 323 ZPO ____ 643 ee) Schrifttum zur Änderung rechtskräftiger Unterlassungsurteile aufgrund neuer Wertungen ____ 645 ff) Stellungnahme ____ 648

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

1. Grundbegriffe und Systematik der Rechtskraft a) Rechtskraft als notwendiges Element materieller Rechtsprechung zur Klärung ungewissen Rechts aa) Die Offenheit des Rechtssystems. Außerhalb eines Prozesses und unabhängig von einem Richterspruch kann man (und der Anwalt muss es als Berater und der Jurist muss es als Rechtswissenschaftler jeden Tag) Erwägungen darüber anstellen, was nach materiellem Recht richtig oder falsch ist. Man kann und muss in diesem Kontext auch Richtersprüche aufgrund ihrer Begründung bewerten1524 und die gerichtlichen Entscheidungen sind kraft ihrer Begründung als Präjudizien Teil des gesamten Argumentationskontextes, Elemente des Gesamtsystems des heute geltenden Rechts. Es fehlt aber in einem „offenen System“ des rechtswissenschaftlichen Verfahrens1525 ein absolutes Richtigkeitskriterium1526 für jede dieser Aussagen und es fehlt diesen Aussagen an einer Legitimation für einen Letztverbindlichkeitsanspruch. Solche Aussagen können und müssen regelmäßig aufgrund besserer Erkenntnisse revidiert werden. Es gibt, wie Pawlowski zutreffend formuliert hat,1527 in der rechtswissenschaftlichen Diskussion keine rechtskräftigen Entscheidungen. 577 Insofern kann und muss auch eine feststehende Rechtsprechungslinie geändert werden können.1528 Das gilt unabhängig davon, ob man eine formale Bindungswirkung von Präjudizien (stare decisis)1529 wie im common law bejaht oder wie im deutschen Recht verneint. Dabei muss dann gerade nicht auf eine konkrete Änderung der Tatsachen Bezug genommen werden, es muss also nicht gezeigt oder begründet werden, dass sich neue Umstände entwickelt haben, die es aus Gründen der Konsistenz erforderlich machen, heute anders zu entscheiden. Das wird bei Abgrenzungen von früheren Entscheidungen – im common law „distinguishing“ genannt – zwar oft der Fall sein. Doch kommt auch eine Rechtsprechungsänderung im Sinne einer reinen Änderung der Wertungen oder der „besseren Erkenntnis“ in Betracht1530 (im common law würde man von einem „overruling“ eines „precedent“ sprechen). Auch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung kann aufgrund eines reinen Erkenntnisfortschritts geändert wer-

576

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1524 Man tut diese insofern allerdings vom Standpunkt des Beobachters des Verfahrens, nicht als Handelnder desselben, hierzu Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 4. 1525 Hierzu Canaris Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, § 3 Die Offenheit des Systems, S. 61 ff.; ebenso Coing Grundzüge der Rechtsphilosophie, 4. Auflage, S. 350 ff., 353. 1526 Ein solches fehlt erkenntnistheoretisch immer, Aussagen kann man falsifizieren, nicht aber verifizieren, man kann bessere von schlechteren Argumenten unterscheiden, es gibt aber kein absolutes Wahrheits- und kein absolutes Richtigkeitskriterium; so überzeugend die Wissenschaftstheorie des kritischen Rationalismus, insbesondere vertreten von Karl Popper Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band II Anhänge „Tatsachen, Maßstäbe und Wahrheit – Eine weitere Kritik des Relativismus“ Ziff. 13, S. 479 f. 1527 Pawlowski Methodenlehre, Rn. 173b. 1528 Stein/Jonas/Leipold § 322 Rn. 74. 1529 Stare decisis et non quieta movere. Diese Doktrin bezieht sich immer nur ganz eng auf die ratio decidendi des Urteils, nie auf obiter dicta oder für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erforderliche Verallgemeinerungen, hierzu bereits eine frühe Entscheidung des U.S. Supreme Courts aus dem Jahre 1821: Cohens v. Virgninia 19 U.S. (6 Wheat.) 264, 399 ff. = 5.E.d. 257 (1821) sowie U.S. v. R.J. Saunders, 42 C.C.P.A. 128, 136 (1955); aus der jüngeren Rechtsprechung etwa Patterson v. McLean Credit Union, 491 U.S. 164, 172 = 109 S.Ct. 2362 = 105 L.Ed.2d 132 (1989); ausführlich hierzu Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 406 ff. 1530 Canaris spricht hier von einem „wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt“, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 62, Pawlowski vom „Fortschritt der Rechtserkenntnis im engeren Sinne“, Methodenlehre, Rn. 423, 540.

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den.1531 Ferner ist es oft nicht genau zu artikulieren – und wird auch nicht immer vollständig benannt – worin der Grund für einen geänderten oder abgewandelten „Obersatz“ liegt, ob also die früher Linie, die aufgegeben wird, schon ursprünglich unzutreffend war (das wäre der reine Erkenntnisfortschritt) oder ob im System des heute geltenden Rechts (mit allen zu beachtenden Vorentscheidungen) Änderungen eingetreten sind, die diese Linie jedenfalls heute bei konsistenter Handhabung des Gesamtsystems als nicht mehr zutreffend erscheinen lassen.1532 Man kann auch die Parteien eines Verfahrens nicht an solche Obersätze dauerhaft binden, weil diese sonst von der allgemeinen Entwicklung abgekoppelt würden. Zwischen den Parteien würde ein Rechtssatz festgeschrieben, der künftige Tatsachen und künftige Subsumtion erfasst, der aber nur aus dem System des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts verstehbar und zu rechtfertigen ist. bb) Die rechtskräftige Entscheidung des streitigen Einzelfalls – Der Prozess als 578 finites Verfahren. Die Jurisprudenz unterscheidet sich allerdings wesentlich von anderen Wissenschaften, indem sie Verfahren zur letztverbindlichen Klärung streitigen Rechts (eines Einzelfalls) zwischen den Parteien des Verfahrens durch einen neutralen Dritten etablieren muss. Dem Richterspruch als Ergebnis dieses Verfahrens muss ein Letztverbindlichkeitsanspruch in Gestalt der Rechtskraft zukommen. Dieser Letztverbindlichkeitsanspruch einer gerichtlichen Entscheidung ist der Definition materieller Rechtsprechung im Sinne des Art. 92 GG immanent.1533 Er nährt sich allerdings nicht aus der bloßen staatlichen Autorität, die sich etwa im Vollstreckungszwang äußert, sondern aus der Organisation des gerichtlichen Verfahrens, die den Grundsätzen des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 2 GG), als der prozessual strukturbildenden Norm, genügt1534 und die auf die Klärung des außerhalb des Verfahrens ungewissen Rechts zielt.1535 Deshalb wird auch Schiedssprüchen diese Letztverbindlichkeit zugebilligt (§ 1055 ZPO),1536 während sich die Bestandskraft von Verwaltungsakten, die nicht

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1531 Wenn auch aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes hier eine höhere Hürde zu nehmen ist. Der Große Zivilsenat hat hierzu formuliert, dass „deutlich überwiegende oder sogar schlechthin zwingende Gründe“ für diese Abweichung sprechen müssen, BGH 4.10.1982, BGHZ 85, 64, 66 = NJW 1983, 228. 1532 Zum Ganzen ausführlich Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 311, 314. 1533 Vgl. die Definitionen bei v. Münch/Kunig/Meyer GG, 6. Aufl., Art. 92 Rn. 19 a.E.; Heyde Handbuch des Verfassungsrechts § 33 Rn. 15; Stern Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland § 43 I 4e); Wilke Handbuch des Staatsrechts V, 3. Aufl., § 112 Rn. 72. 1534 Es entspricht herrschender Auffassung und ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass Art. 103 Abs. 2 GG einen „doppelten Geltungsgrund“ (Maunz-Dürig/ Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Rn. 2) hat; es konstituiert nicht nur das „prozessuale Urrecht des Menschen“, sondern ein „objektivrechtliches Verfahrensprinzip, das für ein gerichtliches Verfahren im Sinne des Grundgesetzes konstitutiv und grundsätzlich unabdingbar ist“, BVerfG 9.7.1980, BVerfGE 55, 1, 6; hierzu mit weiteren Nachweisen Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 292 ff. 1535 Grundlegend zur objektiven Ungewissheit des Rechts außerhalb des gerichtlichen Verfahrens und zur Rechtskraft als kategorialer Wirklichkeit des Rechts Binder Prozess und Recht, S. 199 ff., 212, 234 ff.; hierzu Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 274 f. 1536 Die Wirkungen des Schiedsspruchs mit Blick auf die Rechtskraft sind dieselben wie die eines staatliches Gerichts, es gibt keine „Rechtskraft 2. Klasse“, Zöller/Geimer § 1055 Rn. 3; zur Qualität des Schiedsverfahrens als Rechtsprechung, BGH, 3.7.1975, BGHZ 65, 59, 61; 19.12.1968, BGH 51, 255, 258 f.; Stein/Jonas/Schlosser vor § 1025 I Rn. 3; anders noch die früher herrschende Auffassung nach Inkrafttreten der CPO, vgl. Wach Handbuch des Deutschen Civilprozessrechts, 1885, § 7 I, S. 64 f. Das staatliche Gewaltmonopol drückt sich erst in der Vollstreckung aus, für die es ebenso wie für ein ausländisches Urteil einer staatlichen Vollstreckbarkeitserklärung bedarf (für den Schiedsspruch § 1060 Abs. 1 ZPO, für das ausländische Urteil § 723 Abs. 1 ZPO).

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Ergebnis eines Prozesses, sondern exekutive Rechtsanwendung sind, von der Rechtskraft ganz grundlegend unterscheidet.1537 Die Rechtskraft des Urteils ist mithin das jedem gerichtlichen Streitverfahren zur 579 Klärung ungewissen Rechts zwingend immanente Ziel.1538 Die Rechtskraft ist zwar in ihrer Reichweite grundsätzlich der gesetzgeberischen Ausgestaltung zugänglich. Ohne einen Mindestbestand von letztverbindlicher Bindungswirkung ist aber ein gerichtliches Streitverfahren, das auf eine Entscheidung angelegt ist, nicht denkbar.1539 In diesem Sinne hat das BVerfG in seinem Urteil vom 1.7.19531540 in einer ausdrücklich für alle „Rechtsfindungsverfahren“ Geltung beanspruchenden Weise formuliert, dass eine gesetzliche Regelung, welche die Wiederaufnahme in Fällen geänderter Auffassung vom richtigen Recht erlaube, verfassungswidrig, weil mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar sei.1541 Der Instanzenzug muss an einem bestimmten Punkt enden und das zwischen den Parteien streitige Recht für einen bestimmten Zeitpunkt dergestalt festgestellt werden, dass es nicht in anderen Verfahren zwischen den Parteien wieder erneut prozessiert und entschieden werden kann. Ansonsten wäre der Prozess kein finites Verfahren und hätte seinen Zweck verfehlt.1542 Rechtskraft ist also primär Rechtsgewissheit.1543 Die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen ist mithin nicht lediglich eine rein am Maßstab der Zweckmäßigkeit orientierte Kategorie, sondern sie ist dem Begriff der Rechtsprechung und der streitentscheidenden gerichtlichen Entscheidung immanent. 580

cc) Grenzen der Rechtsprechung und der Rechtskraft als Entscheidung streitiger Einzelfälle. Der Funktion der Rechtskraft gemäß kann eine solche Entscheidung mit Letztverbindlichkeitsanspruch aber nur einen streitigen Einzelfall betreffen und nicht eine abstrakte Rechtsfrage. Eine wesentliche Funktion an diesem für den Rechtsprechungsbegriff konstitutiven Punkt haben gerade auch das Feststellungsinteresse bei der Feststellungsklage (§ 256 ZPO)1544 sowie die Begehungsgefahr bei der Unterlassungsklage.1545 Durch deren richtige Handhabung wird sichergestellt, dass das gerichtliche Erkenntnisverfahren Streitentscheidung eines konkreten Einzelfalls bleibt und damit bindend (Rechtskraft) nur ein konkreter Subsumtionsschluss festgestellt wird. Immer dann, wenn das Ergebnis des Verfahrens soweit generalisiert, dass neue Sachverhalte unter das Ergebnis (Urteilstenor) subsumierbar wären, die das Gericht im Erkenntnisverfahren nicht

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1537 Die Verwendung des Begriffs „Rechtskraft“ für Verwaltungsakte verbietet sich, weil sich gerade hierin die Rechtsanwendung der Exekutive, gegen die der Rechtswege nach Art. 19 Abs. 4 GG zu den Gerichten (materielle Rechtsprechung im Sinne des Art. 92 GG) gegeben ist, unterscheidet, grundlegend Bettermann Gedächtnisschrift für Jellinek, S. 361, 383 sub 7c; ders. FS Lent (1957) 17, 24; hierzu Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 259 f.; ausführlich Smid Rechtsprechung, § 6, S. 363 ff., 371 ff. 1538 Hierzu Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 305 m.w.N. 1539 Vgl. bereits Mendelssohn-Bartholdy Die Rechtskraftwirkung des Schiedsspruchs, FS Franz Klein, S. 145, 154 f.; Stein/Jonas/Schumann Einl. I C Rn. 11 mit Fn. 21 (20. Auflage). 1540 BVerfG 1.7.1953, BVerfGE 2, 380, 396. 1541 BVerfG 1.7.1953, a.a.O. 403. 1542 Vgl. hierzu Smid Rechtsprechung, S. 369 sub 3a). 1543 Ebenso Stein/Jonas/Leipold § 322 Rn. 28. 1544 Es entspricht ganz h.L., dass abstrakte Rechtsfragen kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis bilden, vgl. etwa BGH 7.6.2001 – I ZR 21/99, GRUR 2001, 1036 – Kauf auf Probe. Hierzu und zum funktionalen Vergleich zwischen Feststellungsinteresse und Begehungsgefahr Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 85 ff. 1545 Besonders deutlich wird das auch bei der Erstbegehungsgefahr. Auch hier wird – ähnlich dem Feststellungsinteresse bei § 256 ZPO – ausgeschlossen, dass lediglich ein Rechtsgutachten judiziert wird. Es muss vielmehr ein konkreter Sachverhalt einer Verletzung vorliegen, der ähnlich der bereits vorgefallenen Verletzungshandlung das erforderliche Tatsachensubstrat für die Prüfung bildet, warum ein konkretes Verhalten rechtswidrig ist und deshalb verboten werden soll.

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geprüft hat, ist der Bereich dessen, was mit der der Rechtskraft eigenen Endgültigkeit entschieden werden kann, grundsätzlich verlassen. Insofern wird auch bei der Anwendung der Kernbereichslehre, nach der sich der Umfang der Rechtskraft bei Unterlassungsurteilen bestimmt, gefordert, dass der zu beurteilende Sachverhalt als im Erkenntnisverfahren mitentschieden erachtet werden kann (vgl. Rn. 855). Wenn die Rechtskraft weiter bemessen würde, wären die Folgen der Entscheidung für die Parteien nicht absehbar, was mit den Grundlagen des rechtlichen Gehörs nicht vereinbar wäre; den Parteien muss klar sein, worüber gestritten und entschieden wird.1546 Dass abstrakte Rechtsfragen keiner rechtskräftigen Entscheidung zugänglich sind, ist also nicht lediglich ein nicht begründbares Axiom, sondern hat seinen in den Grundlagen des rechtlichen Gehörs als der Strukturnorm des Prozesses wurzelnden notwendigen Grund. b) Grundbegriffe der Rechtskraftsystematik Das Ende des Prozesses zwischen den Parteien wird durch die Festlegung und Be- 581 schränkung von Rechtsmitteln festgelegt. Wenn ein Urteil mit Rechtsmitteln oder dem Einspruch (Versäumnisurteil) nicht mehr angegriffen werden kann oder die Rechtsmittelfrist – stets als Notfrist ausgestaltet – fruchtlos verstrichen ist, tritt formelle Rechtskraft ein (§ 705 ZPO). Das konkrete, mit einem Aktenzeichen bezeichnete Verfahren hat sein Ende; der „aktenmäßige Bestand“1547 der Entscheidung ist damit gesichert. Der Eintritt der formellen Rechtskraft wird durch die Einlegung eines Rechtsmittels (bei Urteilen Berufung oder Revision) oder des Einspruchs gehemmt. Die Rechtsmittelschrift (Berufungsschrift, § 519 Abs. 1 ZPO; Revisionsschrift § 549 Abs. 1 ZPO) muss insofern noch keine Anträge aufweisen, aus denen sich der Umfang der Anfechtung ergibt. Erforderlich ist nur die Bezeichnung des Urteils und die Erklärung, dieses mit dem Rechtsmittel anzufechten (für die Berufung § 519 Abs. 2 ZPO, für die Revision § 549 Abs. 2 ZPO). Hat ein Urteil mehrere prozessuale Ansprüche zum Gegenstand, erstreckt sich die Hemmungswirkung des Rechtsmittels grundsätzlich auf das gesamte Urteil, erfasst also auch diejenigen Teile, die nach den folgenden Rechtsmittelanträgen nicht angefochten werden.1548 Es würde nur dann teilweise formell rechtskräftig werden, wenn die Rechtsmittelschrift insoweit eine Beschränkung im Sinne eines teilweisen Rechtsmittelverzichts enthielte.1549 Das gilt auch dann, wenn ein selbständiger Streitgegenstand für die obsiegende Partei mangels Beschwer gar nicht angefochten werden kann. Auch insofern bleibt es nämlich bei der Möglichkeit einer Anschlussberufung durch den Prozessgegner.1550 Eine Entscheidung wird insofern nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich der nicht ausdrücklich angefochtenen Teile erst dann rechtskräftig, wenn jede Möglichkeit ihrer Änderung im Rechtsmittelzuge ausgeschlossen ist.1551 Insofern ist zu beachten, dass die Möglichkeit der Anschlussberufung nach dem JuMoG (gültig seit 1.9.2004) in

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1546 In diesem Sinne auch Stein/Jonas/Leipold § 322 Rn. 69, allerdings ohne den Rückbezug zum rechtlichen Gehör. 1547 Bötticher Kritische Beiträge zur Lehre von der materiellen Rechtskraft im Zivilprozess, 1930, S. 94. 1548 RG 19.11.1903, RGZ 56, 31, 34; BGH 14.7.1952, BGHZ 7, 143, 144 = NJW 1952, 1295; BGH 13.12.1962, NJW 1963, 444; BGH 4.7.1988, NJW 1989, 170; OLG Karlsruhe 5.4.1983, MDR 1983, 676; in Bezug auf die Revisionsinstanz s. VI. Senat, BGH 19.11.1957, NJW 1958, 343; BGH 12.5.1992, NJW 1992, 2296. 1549 BGH 14.7.1952, BGHZ 7, 143, 144 = NJW 1952, 1295; BGH 19.11.1957, NJW 1958, 343; BGH 4.7.1988, NJW 1989, 170; BGH 12.5.1992, NJW 1992, 2296. 1550 BGH 12.5.1992, NJW 1992, 2296 f. 1551 RG 19.11.1903, RGZ 56, 31, 34; BGH 14.7.1967, MDR 1968, 135; BGH 12.5.1992 – VI ZR 118/91, NJW 1992, 2296 f.

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§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO nur noch innerhalb der Berufungserwiderungsfrist besteht.1552 Nach den eben genannten Grundsätzen müsste mithin für den prozessualen Anspruch, mit dem der Rechtsmittelführer obsiegt hat, mit Ablauf der Berufungserwiderungsfrist ohne Einlegung der Anschlussberufung durch den Prozessgegner formelle Rechtskraft eintreten. Damit wäre natürlich kein wirklicher Fortschrift verbunden, wenn das Ergebnis in 582 anderen Verfahren wieder in Zweifel gezogen werden könnte. Die Sicherung des Urteilsspruchs in anderen Verfahren, seine Bindungswirkung für diese, stellt die materielle Rechtskraft her. Diese verbietet zum einen die „neue Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand“1553 (ne bis in idem, hierzu sogleich 2., Rn. 585 ff.); zum anderen kann in keinem anderen Verfahren mit anderem Streitgegenstand von der rechtskräftigen Entscheidung abgewichen werden, wenn diese Entscheidung dort als Vorfrage relevant wird (Präjudizialität, hierzu 3., Rn. 606 ff.). Die objektiven Grenzen der Rechtskraft bezeichnen die sachlichen Grenzen, also 583 den Gegenstand des Urteils. Diese korrespondieren mit dem Streitgegenstand, so das insofern auf Rn. 208–371 verwiesen werden kann. Die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft sind sachlich ein Element der objektiven Grenzen der Rechtskraft. Bezeichnet wird damit, inwiefern durch nachträgliche Änderungen die Grenzen der Bindungswirkung verlassen werden. Das hat gerade für die wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsurteile wesentliche Bedeutung und soll deshalb hier gesondert unter 4., Rn. 622 ff., behandelt werden. Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft bezeichnen die Parteien, die an die 584 Rechtskraftwirkungen gebunden sind. Hier ergeben sich kaum Besonderheiten für den Wettbewerbsprozess, so dass auf die allgemeinen Kommentare verwiesen werden kann. Ferner sei auf Rn. 375 verwiesen, wo die BGH-Entscheidung „Wundverband“1554 zu §§ 265, 325 ZPO bei Einräumung einer ausschließlichen Lizenz behandelt ist. 2. Ne bis in idem a) Grundsätze 585

Unzulässig (hierzu aa)) ist ein Verfahren mit demselben Streitgegenstand (hierzu bb)), was dessen kontradiktorisches Gegenteil einschließt (hierzu cc)).

586

aa) Rechtskraft als negative Prozessvoraussetzung. Das Gericht hat von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob eine rechtskräftige Entscheidung denselben Streitgegenstand betreffend vorliegt (negative Prozessvoraussetzung). Liegt eine solche Entscheidung vor, so ist die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen.1555

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1552 Ursprünglich war die Anschlussberufung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich. Das wurde durch das ZPO-RG 2002 dahingehend beschränkt, dass die Anschlussberufung nur innerhalb einer Frist von einem Monat nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zulässig war. Die Geltungsdauer dieser Regelung war jedoch beschränkt, da es für den Berufungsbeklagten nicht sinnvoll ist, sich mit Blick auf die Anschlussberufung schon vor Einreichung der Berufungserwiderung (für die regelmäßig großzügigere Fristverlängerungen gewährt werden) festzulegen. 1553 BGH 18.1.1985, BGHZ 93, 287, 288 f.; BGH 16.6.1993, BGHZ 123, 30, 34; BGH 7.7.1993, BGHZ 123, 137, 139. 1554 19.2.2013 – X ZR 70/12, GRUR 2013, 1269 f. – Wundverband. 1555 Ganz h.L., vgl. BGH 23.9.1992, NJW 1993, 333, 334 – Dauernd billig; BGH 24.1.2008 – VII ZR 46/07, NJW-RR 2008, 762 Tz. 13; Musielak/Musielak § 322 Rn. 9; Stein/Jonas/Leipold § 322 Rn. 185; Teplitzky Kap. 51 Rn. 50.

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

bb) Derselbe Streitgegenstand. Mit Blick auf die Bestimmung des Streitgegenstan- 587 des kann auf die obige Darstellung verwiesen werden (oben Rn. 208 ff.). Entscheidend ist mithin für die wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsurteile die Unterscheidung zwischen konkreten und abstrahierenden Verboten. Konkrete Unterlassungsurteile sind enger am natürlichen Lebenssachverhalt ausgerichtet und erfordern eine entsprechende Änderung dieses Sachverhalts, unabhängig von der materiellen Beanstandung (Rn. 333 ff. sowie Rn. 860 ff.). Abstrahierende Unterlassungsurteile beziehen sich auf die das Verbot tragende materielle Beanstandung und erfordern eine entsprechende Änderung, die ausgehend von den Gründe der Entscheidung eine abweichende Beurteilung zumindest konkret möglich macht (hierzu ausführlich Rn. 340 ff. sowie die Zusammenfassung Rn. 355 ff.). Zu verweisen ist ferner für die rechtskräftigen Unterlassungsurteile auf die Ausführungen zum Schutzumfang des Unterlassungstenors bei der Unterlassungsvollstreckung gemäß § 890 ZPO, Rn. 854 ff. Ergänzend ist zu bemerken, dass bei klageabweisenden Urteilen den Entschei- 588 dungsgründen die entscheidende Funktion der Ermittlung der Grenzen der Rechtskraft zukommt.1556 Über welchen Gegenstand entschieden und womit der Kläger forthin präkludiert ist, lässt sich nur aufgrund der Entscheidungsgründe bestimmen. Noch mehr als bei einer Verurteilung ist also für das eine Unterlassungsklage abweisende Urteil zu ermitteln, welche geänderten Sachverhaltskonstellationen „mitentschieden“ wurden. Hier gilt nichts anders als bei der Ermittlung kerngleicher Abwandlungen im Rahmen des § 890 ZPO (hierzu Rn. 854 ff.). Wie bereits oben ausführt, ist die Auffassung, die dem klageabweisenden Unterlassungsurteil gar keine Rechtskraftfähigkeit zubilligen will, abzulehnen (hierzu oben Rn. 322 ff.). Bei Fehlen der Erstbegehungsgefahr ist nach der überzeugenden Auffassung des 589 BGH keine Abweisung als „zur Zeit unbegründet“ erforderlich.1557 Der Unterlassungsanspruch wird als gegenwärtiger Anspruch geltend gemacht und als solcher als unbegründet abgewiesen (hierzu bereits oben Rn. 64). Das wird in den Urteilsgründen klar gemacht. Wenn sich der maßgebliche Sachverhalt ändert, also ein neuer Sachverhalt eine konkrete Begehungsgefahr begründet und insofern eine wesentliche Änderung gegenüber dem beurteilten Sachverhalt eingetreten ist, die also nicht als von den Gründen des Ersturteils erfasst angesehen werden kann, dann liegt ein neuer Streitgegenstand vor. Nur so ist die Äußerung des BGH in „Anzeigenpreis II“ zu verstehen. Im entschiedenen Fall begehrte der Kläger ein zu weit gehendes Verbot, ein entsprechender Tenor hätte auch Preisgestaltungen erfasst, die noch nicht aktuell waren und für die daher keine Begehungsgefahr vorlag. Der BGH entschied, dass für die Bestimmung der Grenzen der Rechtskraft des begehrten Urteils die Entscheidungsgründe heranzuziehen sind und eine neue Sachlage, die hier in einer neuen Preisgestaltung hätte liegen können, nicht als vom Urteil erfasst anzusehen wäre.1558 Die hieran von Ahrens geübte Kritik1559 ist nicht nachvollziehbar. Auch nach der Begründung des BGH kommt der Klageabweisung Rechtskraftwirkung zu, nämlich soweit sich der beurteilte Sachverhalt lediglich dergestalt ändert, dass er unter Heranziehung der Gründe genauso zu beurteilen wäre. Droht hingegen ein anderer Sachverhalt (andere Preisgestaltung), über die im Urteil nicht entschieden wurde, so ist eine neue Klage möglich. Warum die Auffassung des BGH dazu führen soll, dass dem die Unterlassungsklage mangels Rechtsverletzung

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1556 MünchKommZPO/Gottwald § 322 Rn. 87. 1557 BGH 26.4.1990, GRUR 1990, 687, 689 – Anzeigenpreis II; Wieczorek/Schütze/Büscher § 322 Rn. 149; Teplitzky Kap. 9 Rn. 3 und 8. 1558 BGH 26.4.1990 – Anzeigenpreis II a.a.O. 1559 Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 109.

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(und nicht mangels Begehungsgefahr) abweisenden Urteil die Rechtskraftwirkung abgesprochen würde, ist nicht erkennbar. Wie immer bei klageabweisenden Urteilen ergibt die Prüfung der Urteilsgründe den Umfang der Rechtskraft. cc) Kontradiktorisches Gegenteil 590

(1) Grundsätze. Unzulässig ist eine Klage auch, soweit sich das Rechtsschutzbegehren auf das kontradiktorische Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Gegenstandes richtet.1560 Hier liegt Identität des Streitgegenstandes/Urteilsgegenstandes vor, weil die rechtskräftige Feststellung des Anspruchs zugleich die Feststellung des Nichtvorliegens des Anspruchs beinhaltet.1561 Die Klage ist mithin durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen,1562 also auch dann, wenn ein Fall der Säumnis vorliegt.1563

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(2) Leistungsklage und Feststellungsklage. Für die Leistungsklage ist es anerkannt, dass eine nachfolgende negative Feststellungsklage nicht mehr zulässig ist, wenn diese das kontradiktorische Gegenteil eines positiven Leistungsurteils betrifft. Umgekehrt erfasst allerdings die rechtskräftig entschiedene Feststellungsklage nicht denselben Streitgegenstand wie die nachfolgende Leistungsklage, weil Letztere in ihrem Rechtsschutzziel über die Feststellungsklage hinausgeht.1564 Das wäre dann ein Anwendungsfall der Präjudizialität1565 (dazu Rn. 608).

592

(3) Abweisung der Unterlassungsklage. Für die Abweisung der Unterlassungsklage, sofern diese über die Rechtswidrigkeit des Verhaltens geurteilt hat, wird vertreten, dass dieser die Wirkung zukomme, dass der Beklagte zur Vornahme des Verhaltens, das Gegenstand des beantragten Verbots gewesen war, nunmehr berechtigt sei.1566 Der Beklagte genieße gegenüber dem abgewiesenen Kläger eine entsprechende „Handlungsfreiheit“, die ihm nur bei einem anderen Streitgegenstand beschnitten werden dürfe.1567 593 Diese Aussage wird den prozessualen Gegebenheiten nur begrenzt gerecht. Die Abweisung der Unterlassungsklage stellt nämlich kein Recht zur Vornahme der Handlung fest. Der Beklagte ist allein vor einer neuen Unterlassungsklage gleichen Streitgegenstandes geschützt. Das kontradiktorische Gegenteil wäre als Gegenstand einer Feststellungsklage denkbar, mit der die Rechtswidrigkeit der Handlung festgestellt werden sollte.1568 So werden allerdings Feststellungsanträge in Wettbewerbssachen oder im gewerblichen Rechtsschutz regelmäßig nicht formuliert. Hier geht es um konkrete Ansprüche, die als Rechtsverhältnis feststellungsfähig sind und allein feststellungsfähig sein sollten. So sind die (praktisch allein relevanten) negativen Feststellungsanträge

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1560 BGH 21.12.1988, NJW 1989, 2133; BGH 7.7.1993, BGHZ 123, 137, 139 = NJW 1993, 2684; Stein/Jonas/ Leipold § 322 Rn. 186; Wieczorek/Schütze/Büscher § 322 Rn. 52; Thomas/Putzo/Reichold § 322 Rn. 11. 1561 Stein/Jonas/Leipold § 322 Rn. 186. 1562 BGH 7.7.1993, BGHZ 123, 137 = NJW 1993, 2684. 1563 Thomas/Putzo/Reichold § 322 Rn. 11. 1564 BGH 17.2.1983, NJW 1983, 2032 sub III 1; so auch in anderem Zusammenhang BGH 7.7.1994, GRUR 1994, 823, 824 unter II, 1 – Preisrätselgewinnauslobung II m.w.N. und die h.L., vgl. Wieczorek/Schütze/ Assmann § 256 Rn. 252; Wieczorek/Schütze/Büscher § 322 Rn. 55; Teplitzky FS Lindacher (2007) 185, 189 f. Siehe dazu ausführlich Rn. 378 ff. 1565 Vgl. etwa BGH 14.2.2006 – VI ZR 322/04, NJW-RR 2006, 712, 714; Stein/Jonas/Leipold § 322 Rn. 195. 1566 Wieczorek/Schütze/Büscher § 322 Rn. 15. 1567 Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 98 und 22. 1568 So etwa das Beispiel bei Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 99 aus einer wegerechtlichen Streitigkeit, BGH 14.10.1964, NJW 1965, 42.

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formuliert – und zu formulieren. Der Kläger kann deshalb nur einen neuen Unterlassungsanspruch qua Leistungsklage erheben (die positive Feststellungsklage wäre hier schon mangels Feststellungsinteresses unzulässig) und diese Klage ist ohne Vortrag eines neuen Streitgegenstandes unzulässig. Ferner kann der unterlegene Kläger weitere Ansprüche geltend machen, etwa Scha- 594 densersatzansprüche. Ob die Abweisung der Unterlassungsklage hierfür relevant ist, ist dann keine Frage des Wiederholungsverbots (ne bis in idem), sondern der Präjudizialität – und dort ist die Frage, wie sogleich zu erörtern ist (Rn. 609 ff.), höchst streitig. Es ist also bei der Frage der Rechtskraftwirkung stets auf die Entscheidung über die geltend gemachten prozessualen Ansprüche zu sehen; Verallgemeinerungen mit Blick auf ein Recht zur Vornahme einer Handlung überzeugen nicht. b) Ausnahmen vom Wiederholungsverbot aa) Verlust des Titels. Ausnahmen bestehen nach herrschender Auffassung dann, 595 wenn der rechtskräftige Titel verloren gegangen oder vernichtet worden ist und nicht wiederhergestellt werden kann.1569 Dabei bleibt allerdings die Bindung an die rechtskräftige Feststellung bestehen, wenn der Inhalt des Titels festgestellt werden kann. Anderenfalls ist de novo zu prüfen. bb) Zweifel am Umfang des Titels und fehlende Bestimmtheit (1) Titelfeststellungsklage. Nach der Rechtsprechung des BGH ist im Falle des un- 596 bestimmten oder unklaren Titels grundsätzlich die Feststellungsklage das richtige Mittel zur Klärung des Streits über die Reichweite des Titels.1570 Die Feststellungsklage, die auch als negative Feststellungsklage möglich ist,1571 soll dem Titelgläubiger eine zuverlässige Grundlage zur Durchsetzung des rechtskräftig zugesprochenen Anspruchs in der Zwangsvollstreckung verschaffen.1572 Bei der Titelfeststellungsklage besteht grundsätzlich kein Widerspruch zum Wiederholungsverbot, weil der Streitgegenstand in der Auslegung des Titels in bestimmter Hinsicht liegt. Insbesondere hindert auch ein Ordnungsmittelantrag eine solche Entscheidung nicht, weil letzterer keine Rechtskraftwirkung mit Blick auf den Titelumfang entfaltet.1573 Ferner hat der Feststellungskläger unabhängig vom Ausgang des Ordnungsmittelverfahrens, das eine vergangene Zuwiderhandlung zum Gegenstand hat, ein berechtigtes Interesse an der Feststellung mit Blick auf die Zulässigkeit künftigen Verhaltens.1574 Teilweise wird unter Berufung auf den BGH behauptet, dass die Titelfeststellungs- 597 klage zulässig sei, wenn der Titel zu unbestimmt sei, um als Grundlage der Zwangsvollstreckung zu dienen.1575 (2) Leistungsklage. Einer erneuten Leistungsklage steht grundsätzlich das Wieder- 598 holungsverbot entgegen und eine Ausnahme hiervon ist im Grundsatz zu verneinen,

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1569 BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02, GRUR 2004, 755 – Taxameter, unter Berufung auf BGH 3.12.1957, GRUR 1958, 359 – Sarex; Wieczorek/Schütze/Büscher § 322 Rn. 58; Thomas/Putzo/Reichold § 322 Rn. 12. 1570 BGH 29.9.1961, BGHZ 36, 11 [14] = NJW 1962, 109; BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02, GRUR 2004, 755, 757 – Taxameter; Musielak/Musielak § 322 Rn. 9 a.E. 1571 Hierzu BGH 8.11.2007 – I ZR 172/05, GRUR 2008, 360 Tz. 21 ff. – Euro-Schwarzgeld. 1572 BGH 4.5.2004 – Taxameter a.a.O. 1573 BGH 8.11.2007 – Euro-Schwarzgeld, a.a.O. Tz. 23. 1574 BGH 8.11.2007 – Euro-Schwarzgeld, a.a.O. Tz. 24. 1575 Vgl. etwa Musielak/Musielak § 322 Rn. 9 a.E.

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auch weil andernfalls die Gefahr einer doppelten Titulierung ein und desselben prozessualen Anspruchs besteht.1576 Ist der Gläubiger aber mit einer Entscheidung im Ordnungsmittelverfahren bereits gescheitert, so hält der BGH die Leistungsklage für zulässig und verweist den Kläger nicht auf die Titelfeststellungsklage, weil dann das Risiko einer Doppeltitulierung – das regelmäßig für den Vorrang der Titelfeststellungsklage spricht – praktisch gesehen nicht mehr gegeben ist (da das Vollstreckungsgericht den Anwendungsbereich des ersten Titels verneint hat).1577 Teilweise wird eine großzügige Ausnahme vom Wiederholungsverbot bejaht, wenn 599 aufgrund einer Abwandlung der konkreten Verletzungsform unklar ist, ob das Vollstreckungsgericht die neue Verletzungsform noch als vom Titel erfasst sehen würde.1578 Der BGH hat insofern in der Entscheidung „Leistungspakete im Preisvergleich“ darauf hingewiesen, dass es dem Gläubiger in Fällen ungewissen Ausgangs des Vollstreckungsverfahrens insbesondere dann nicht zuzumuten sei, aus dem alten Titel vorzugehen, wenn Verjährung des möglicherweise noch nicht titulierten Anspruchs droht.1579 Welche Maßstäbe hier genau zu stellen sind, ist allerdings streitig. Nach Teplitzky müsse es objektiv zweifelhaft sein, ob das Gericht im Erkenntnisverfahren die Abwandlung ebenso beurteilt hätte, wie die konkret gewürdigte Verletzungsform.1580 Nach anderer, wohl überwiegender Auffassung ist die Zulässigkeit der neuen Leistungsklage nur ausnahmsweise zu verneinen,1581 nämlich dann, wenn die Abwandlung der ausdrücklich beurteilten Handlung so nahekommt, dass „(unabhängig von ihrer rechtlichen Bewertung) in tatsächlicher Hinsicht eigentlich gar kein Streit aufkommen kann, dass die Handlungen sich entsprechen.“1582 (3) Bewertung. Das Fallmaterial zu den Ausnahmen vom Grundsatz „ne bis in idem“, auf das sich die Literatur beruft, betrifft in der Regel Fallgestaltungen, in denen es tatsächlich um das Rechtsschutzbedürfnis geht, also Fälle, in denen kein rechtskraftfähiges Urteil im Erstverfahren betroffen war, wie etwa in „Sarex“,1583 oder ein Hauptsachetitel und ein nachfolgendes Verfügungsverfahren, wie im BGH Fall „Leistungspakete im Preisvergleich“.1584 In diesen Fällen kann man in der Tat großzügiger mit der Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses umgehen, als wenn es um die Frage der Rechtskraft geht. Hinsichtlich der Rechtskraft müssen grundsätzlich strenge Maßstäbe gelten. 601 Ausnahmen vom Wiederholungsverbot sind nicht erforderlich. Die bloße Ungewissheit des Ausgangs des Vollstreckungsverfahrens genügt für die Zulässigkeit der Klage, also für die Bejahung der Ausnahme der negativen Prozessvoraussetzung, nicht. Im Grundsatz ist nach objektiven Maßstäben im Zweitverfahren zu prüfen, ob die Handlungen Gegenstand der Erstentscheidung waren. Hierfür ist in der Tat entscheidend, ob

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1576 BGH 29.9.1961, BGHZ 36, 11 [14] = NJW 1962, 109; BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02, GRUR 2004, 755, 757 – Taxameter. 1577 BGH 4.5.2004 – Taxameter, a.a.O. 756. 1578 Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 129; OLG Frankfurt/M. 12.11.1996, WRP 1997, 51 = NJW-WettR 1997, 59; Nirk/Kurtze Rn. 593; Rüßmann FS Lüke (1997) 688; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 12. 1579 BGH 7.4.2011 – I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 Tz. 20 – Leistungspakete im Preisvergleich. 1580 Teplitzky Kap. 57 Rn. 16c. 1581 Rüßmann FS Lüke (1997) 675, 688 f.; Mellulis Rn. 48. 1582 OLG Düsseldorf 10.12.1992, GRUR 1994, 81, 82 – Kundenzeitschriften. 1583 In BGH 3.12.1957, GRUR 1958, 359 – Sarex ging es um einen Prozessvergleich. 1584 Darauf weist Teplitzky in Kap. 51 Rn. 56 für BGH 3.12.1957 – Sarex zutreffend hin, würdigt diesen Umstand aber nicht bei der Heranziehung der Entscheidung BGH 7.4.2011 – Leistungspakete im Preisvergleich, Kap. 57 Rn. 16b und 16c.

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die Abwandlung noch zum Streitgegenstand zu rechnen ist, was nach den oben dargelegten Grundsätzen zu beurteilen ist (vorstehend Rn. 587 ff.). Ist das der Fall, so ist die Klage grundsätzlich unzulässig. Hier ist eine Begünstigung des Gläubigers nicht indiziert. Dem kann man auch nicht dadurch begegnen, dass man dem Wiederholungsverbot 602 einen engen Anwendungsbereich gibt, indem man die Kernbereichslehre davon ausnimmt und sie allein dem Zwangsvollstreckungsrecht zuweist.1585 Hier kann auf die obige Darstellung verwiesen werden (Rn. 328 f.). Ob der Gläubiger aus dem ersten Titel vollstrecken kann, ist damit nicht präju- 603 diziert. Er kann auch im Vollstreckungsverfahren aus dem ersten Titel mit einer anderen Begründung scheitern, obwohl die weitere Hauptsacheklage als unzulässig abgewiesen wurde. Es besteht insofern keine wechselseitige Bindungswirkung.1586 Auch sind Äußerungen des Prozessgerichts im Vollstreckungsverfahren über den Inhalt des Tenors nicht zur Auslegung des Titels heranzuziehen.1587 In Zweifelsfällen muss der Gläubiger zwei Verfahren parallel anstrengen, um Risiken zu minimieren. Alternativ muss der Gläubiger eine Titelfeststellungsklage einreichen. Wenn allerdings der Titel für die Zwecke der Zwangsvollstreckung zu unbestimmt 604 ist, dann hilft auch die Titelfeststellungsklage nicht weiter. Unbestimmt ist der Titel natürlich nur, wenn er es unter Rückgriff auf die zulässigen Auslegungsmittel ist (hierzu ausführlich Rn. 828 f.). Wenn er aber nach diesen Grundsätzen bestimmt ist, dann liegt kein unbestimmter Titel vor und es kann und muss diese Bestimmtheit natürlich auch im Zwangsvollstreckungsverfahren, also insbesondere im Ordnungsmittelverfahren nach § 890 ZPO, geprüft und festgestellt werden. Die Titelfeststellungsklage als Hauptsacheklage ist hier allein deshalb ein für den Gläubiger sinnvoller Rechtsbehelf, weil in diesem Verfahren mit Bindungswirkung für die Parteien (nämlich qua Rechtskraft) entschieden wird, welchen Umfang der Titel hat; das ist nämlich der Streitgegenstand dieses Verfahrens, anders als bei einer Zwangsvollstreckungsentscheidung. Ein Titel, dem es an der für die Zwecke Zwangsvollstreckung erforderlichen Bestimmtheit mangelt, ist auch nicht der materiellen Rechtskraft fähig. Hier müssen einheitliche Maßstäbe gelten.1588 Das kann bei einer gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 unzulässigen, weil unbestimmten alternativen Klagehäufung der Fall sein, wenn das Urteil ohne Gründe ergeht (etwa Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil) und deshalb nicht klar ist, auf welchen Klagegrund sich das Gericht für das Verbot überhaupt bezieht.1589 Insofern kann auf die ausführliche Darstellung mit weiteren Nachweisen bei der Unterlassungsvollstreckung verwiesen werden (Rn. 824 ff.). cc) Drohende Verjährung. Der BGH hat ferner eine Ausnahme vom ne-bis-in-idem 605 Grundsatz bejaht, wenn zwar ein rechtskräftiges Leistungsurteil vorliegt, aber die erneute Feststellungsklage erforderlich ist, um die Verjährung zu unterbrechen (nach neuem Recht zu hemmen).1590 Das hat allerdings für das rechtskräftige Unterlassungsurteil dann keine Relevanz, wenn man mit dem BGH und der Neuregelung des BGB (§ 199 Abs. 5)

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1585 So das OLG Düsseldorf 10.12.1992, GRUR 1994, 81, 82 – Kundenzeitschriften. 1586 BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02, GRUR 2004, 755, 756 – Taxameter; Teplitzky Kap. 57 Rn. 16c) a.E. 1587 BGH 9.4.1992 – I ZR 240/90, GRUR 1992, 525, 526 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II. 1588 BGH 18.11.1993 – IX ZR 244/92, NJW 1994, 460 f. 1589 Büscher GRUR 2012, 16. 1590 BGH 18.1.1985 – V ZR 233/83, BGHZ 93, 285 ff. = NJW 1985, 1711 f.; h.L. vgl. Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 137 f.

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davon ausgeht, dass hier die 30-jährige Verjährungsfrist nicht vor einer Zuwiderhandlung zu laufen beginnen kann.1591 3. Präjudizialität a) Maßgeblichkeit der festgestellten Rechtsfolge 606

Präjudizielle Bindungswirkung qua materieller Rechtskraft wird nach herrschender Lehre dann angenommen, wenn und soweit die rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge für die Feststellungen des Gerichts des Folgeverfahrens tragendes Element des Subsumtionsschlusses ist, auf dem die dort begehrte Rechtsfolge beruht. Die Rechtskraft beschränkt sich mithin auf die Rechtsfolge, die den Entscheidungssatz bildet, den das Gericht aus dem Sachverhalt durch dessen Subsumtion unter das objektive Recht erschlossen hat.1592 Hingegen existiert keine Bindungswirkung der Gründe eines Urteils. Die tatsächlichen Feststellungen und die Beurteilung dieses als vorgreiflich angesehenen Rechtsverhältnisses erwachsen als Urteilselemente nicht in Rechtskraft.1593 Die tragenden Urteilselemente erwachsen nicht in „absolute Rechtskraft“,1594 wie das etwa der Lehre Savignys entsprochen hatte.1595 Wenn ein vorgreifliches Rechtsverhältnis mit Bindungswirkung festgestellt werden soll, so ist es zum Gegenstand einer Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zu machen, für die dann ein gesondertes Feststellungsinteresse nicht erforderlich ist. b) Bindungswirkung

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Es besteht eine Bindungswirkung, die bei der Begründetheit der im Zweitverfahren zur Entscheidung gestellten Ansprüche zu beachten ist; anders als beim Wiederholungsverbot geht es nicht um die Zulässigkeit der Klage.1596 Allerdings ist auch diese Bindungswirkung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten.1597 Damit ist jede Verhandlung, Beweiserhebung und Entscheidung über die rechtskräftig entschiedene Vorfrage unzulässig.1598

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1591 Vgl. hierzu: BGH 16.6.1972, BGHZ 59, 72 = GRUR 1972, 721 – Kaffeewerbung. Zur Frage der Verjährung von Unterlassungsansprüchen ausführlich Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 99 ff. sowie zur zitierten BGH Entscheidung a.a.O. 105 ff. So jetzt auch die gesetzliche Regelung durch § 201 Satz 2 BGB i.V.m. § 199 Abs. 5 BGB, übereinstimmend mit der früheren, seit BGH 16.6.1972, BGHZ 59, 72 = GRUR 1972, 721 – Kaffeewerbung ständigen Rechtsprechung des BGH (dazu kritisch Krieger GRUR 1972, 696); vgl. dazu Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 14 (wo zurecht darauf hingewiesen wird, dass diese gesetzliche Neuregelung regelmäßig übersehen wird, allerdings auch in Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 138); Teplitzky Kap. 16 Rn. 15; Köhler/Bornkamm § 11 UWG Rn. 1.18; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 42; Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 105 ff. 1592 BGH 24.6.1993 – III ZR 43/92, NJW 1993, 3204, 3205; BGH 17.2.1983, NJW 1983, 2032 m. krit. Anm. Tiedtke NJW 1983, 2011; BGH 17.3.1964, BGHZ 42, 340 (349) = NJW 1965, 688 = GRUR 1965, 327 m. Anm. Reimer. 1593 BGH 14.7.1995 – V ZR 171/94, NJW 1995, 2993; BGH 30.1.1985, BGHZ 93, 330 (335) = NJW 1985, 1340; BGH 25.2.1985, BGHZ 94, 29 (35) = NJW 1985, 2481; BGH 7.7.1993, BGHZ 123, 137 (140) = NJW 1993, 2684 je m.w.N. 1594 Schwab FS Bötticher (1969) 321, 325. 1595 Savigny System des heutigen Römischen Rechts, Bd. VI, §§ 291 ff. 1596 Vgl. etwa BGH 14.7.1995 – V ZR 171/94, NJW 1995, 2993; Zöller/Vollkommer Vor § 322 Rn. 22. 1597 BGH, Urteil vom 16. 1. 2008 – XII ZR 216/05, NJW 2008, 1227 Rn. 9. 1598 Thomas/Putzo/Reichhold § 322 Rn. 9; BGH 6.3.1985, NJW 1985, 2535.

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c) Feststellungsurteil für nachfolgendes Leistungsurteil präjudiziell Ein klassischer Fall der Präjudizialität ist der einer Feststellungsklage, die das 608 Nichtbestehen eines Unterlassungsanspruchs (negative Feststellungsklage) oder das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs (positive Feststellungsklage) dem Grunde nach zum Gegenstand hat. Wird nach Rechtskraft Leistungsklage erhoben, also Unterlassungsklage oder bezifferte Schadensersatzklage, so ist die Feststellung des materiellen Anspruchs (Bestehen oder Nichtbestehen) präjudiziell.1599 Hingegen besteht, wie bereits oben gesagt (Rn. 591, siehe auch ausführlich Rn. 379 ff.), wegen der fehlenden Identität des Streitgegenstandes beider Verfahren – aufgrund des überschießenden Rechtsschutzzieles der Leistungsklage – keine Rechtshängigkeitssperre und auch nicht der Rechtskrafteinwand (ne bis in idem). Ebenso verhält es sich mit der Feststellung des Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach für eine nachfolgende, bezifferte Leistungsklage. Ist allerdings eine abweichende Entscheidung von vornherein ausgeschlossen – etwa bei rechtskräftiger Abweisung der Feststellungsklage und nachfolgender Leistungsklage – so kann es der Leistungsklage auch am Rechtsschutzbedürfnis fehlen.1600 d) Zur präjudiziellen Wirkung zwischen Unterlassungs- und Schadensersatzurteil aa) BGH „Faxkarte“ – gesetzliche Unterlassungsansprüche. Im Rahmen der Prä- 609 judizialität stellt sich insbesondere die Frage, ob die Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes im Rahmen der Unterlassung- oder Schadensersatzklage wechselseitig präjudiziell wirken. Das kommt in der Praxis selten vor, weil in der Regel beide Ansprüche in einem Verfahren geltend gemacht werden. Wird aber zunächst der Schadensersatzanspruch geltend gemacht und dieser mangels Rechtsverletzung abgewiesen, so stellt sich die Frage, ob dies bereits für die Parteien bindend die fehlende Rechtswidrigkeit auch für eine Unterlassungsklage feststellt. Der BGH hat das in der Entscheidung „Faxkarte“ in einem urheberrechtlichen Fall verneint.1601 Im entschiedenen Fall war die bezifferte Schadensersatzklage mangels Erweislichkeit der Rechtsverletzung abgewiesen worden.1602 Der Kläger machte nun einen Besichtigungsanspruch mit Blick auf den Quellcode geltend (§ 809 BGB), um die Rechtsverletzung beweisen zu können.1603 Der BGH stellte in diesem Zusammenhang fest, dass der Besichtigungsanspruch für den Unterlassungsanspruch relevant sein könnte, weil dieser nicht durch die Abweisung der Schadensersatzklage präjudiziert sei.1604 Zur Begründung führte der BGH aus, der sich auf die Wiederholungsgefahr stützende Unterlassungsanspruch stütze sich zwar auch – zur Begründung der Wiederholungsgefahr – auf eine in der Vergangenheit liegende Verletzungshandlung. Gleichwohl beträfe der Unterlassungsanspruch seinem Gegenstand nach eine künftige Handlung, während der Schadensersatzanspruch allein auf die Vergangenheit gerichtet sei.1605 Ferner sei es so, dass der Kläger je nach dem verfolgten Rechtsschutzziel den Prozess mit unterschiedlichem Aufwand betreiben möge, weil ihm

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1599 BGH 17.2.1983, NJW 1983, 2032 sub III 1. 1600 Teplitzky Kap. 51 Rn. 56 (der Verweis auf Zöller ist allerdings nicht ergiebig, weil dieser am angegebenen Ort, vor § 322 Rn. 19, zum Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses in diesen Fällen nichts sagt). 1601 BGH 2.5.2002, NJW-RR 2002, 1617, 1618 – Faxkarte. 1602 BGH 2.5.2002, NJW-RR 2002, 1617, 1618 – Faxkarte. 1603 BGH 2.5.2002, NJW-RR 2002, 1617 – Faxkarte. 1604 BGH 2.5.2002, NJW-RR 2002, 1617, 1618 – Faxkarte. 1605 BGH 2.5.2002, NJW-RR 2002, 1617, 1618 f.– Faxkarte.

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an dem einen Rechtsschutzziel weniger liegen möge als an dem anderen.1606 Aus dieser Begründung heraus erweitert der Leitsatz den angewendeten Rechtssatz auch auf die umgekehrte Situation, nach der also ein Urteil über eine Unterlassungsklage auch für eine spätere Schadensersatzklage nicht präjudiziell sei.1607 Das war auch die bereits früh vom Reichsgericht eingenommene Position, wobei sich 610 hier allerdings nur Urteile zur zuletzt genannten Position, also einem nachfolgenden Schadensersatzprozess, finden. Das Unterlassungsurteil habe hier keine präjudizielle Wirkung, weil die Rechtswidrigkeit der Handlung nur ein Urteilselement des Unterlassungsurteils sei und somit an der Rechtskraftwirkung nicht teilhabe.1608 Der Schadensersatzanspruch sei kein durch den Unterlassungsanspruch bedingtes Rechtsverhältnis, sondern beide stünden gleichberechtigt nebeneinander und knüpften nur an die Verletzung desselben Rechtsgutes an. Anders wurde es freilich für den Fall eines Feststellungsurteils gesehen, dessen Gegenstand die Rechtswidrigkeit einer bestimmten Verletzungsform war. Hier finde sich die Feststellung der Rechtswidrigkeit in der Urteilsformel und nicht lediglich in den Gründen, so dass das für den nachfolgenden Schadensersatzanspruch bindend sei.1609 611

bb) BGH „Gliedermaßstäbe“ – Vertragliche Unterlassungsansprüche. In der BGH Entscheidung „Gliedermaßstäbe“ sprach sich der vormalige Ia. Zivilsenat (heutiger X. Zivilsenat) obiter dictum gegen die reichsgerichtliche Linie aus, weil diese die jedem Urteil innewohnende Feststellungswirkung mit Blick auf den mit der Klage erhobenen materiellen Anspruch nicht genügend berücksichtige.1610 Das Leistungsurteil unterscheide sich vom Feststellungsurteil allein durch den Leistungsbefehl, der neben die Feststellungswirkung trete und somit das Feststellungsurteil „vollstreckbar“ mache.1611 Im entschiedenen Fall ging es allerdings um einen vertraglichen Unterlassungsanspruch, so dass der BGH in der Begründung bei der tradierten Sichtweise der voneinander abhängigen Rechtsverhältnisse bleiben konnte: Der vertragliche Unterlassungsanspruch bilde die Voraussetzung eines sekundären Schadensersatzanspruchs, so dass er als vorgreifliches Rechtsverhältnis rechtskräftig festgestellt sei. Mit Blick auf den Zeitraum der Bindungswirkung hat der BGH den Zeitraum ab Rechtshängigkeit für maßgeblich erachtet. Diese Auffassung gilt dann aber von vornherein nur für das Verhältnis eines rechtskräftigen Unterlassungsanspruchs und eines nachfolgenden Schadensersatzanspruchs.1612 Der BGH hatte in „Intermarkt II“ die Ausdehnung auf die gesetzlichen Unterlassungsansprüche noch offen gelassen.1613 Mit „Faxkarte“1614 ist dieser Ausdehnung nunmehr ein Riegel vorgeschoben und die Begründung der Entscheidung „Faxkarte“ würde auch der Fortsetzung der Linie aus „Gliedermaßstäbe“ entgegenstehen, weil die vom BGH in „Faxkarte“ genannten Aspekte genauso auch für den vertraglichen Unterlassungsanspruch und seine Feststellung gelten.

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1606 BGH 2.5.2002, NJW-RR 2002, 1617, 1619 – Faxkarte. 1607 BGH 2.5.2002, NJW-RR 2002, 1617 – Faxkarte. 1608 RG 3.7.1901, RGZ 49, 33; RG 20.2.1937, JW 1937, 1895, 1897 r. Sp.; RG 15.3.1939, RGZ 160, 163, 165 f. 1609 RG 13.6.1928, RGZ 121, 287, 289. 1610 BGH 17.3.1964, NJW 1965, 689, 691 = GRUR 1965, 327, 329 – Gliedermaßstäbe. 1611 BGH 17.3.1964, GRUR 1965, 327, 329 – Gliedermaßstäbe. 1612 Insofern konnte der BGH in Faxkarte die Entscheidung für seine Auffassung heranziehen. Für die weiteren Folgerungen (wie im Leitsatz ausgedrückt) und die Begründung der Auffassung jedoch nicht. 1613 BGH 26.1.1984, GRUR 1984, 820, 821, sub II 1 – Intermarkt II. 1614 BGH 2.5.2002 – I ZR 45/01, GRUR 2002, 1046 – Faxkarte.

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cc) Neuere BGH-Rechtsprechung zum allgemeinen Zivilrecht. In neueren Urtei- 612 len haben sich sowohl der I. Zivilsenat1615 als auch der IX. Zivilsenat1616 dezidiert gegen jede Erweiterung der Rechtskraftwirkung über den unmittelbaren Anspruchsgegenstand auf rechtliche „Sinnzusammenhänge“ hinaus ausgesprochen. Der IX. Zivilsenat wertet die Entscheidung „Faxkarte“ dabei so, dass diese auch die Linie aus „Gliedermaßstäbe“ für die vertraglichen Unterlassungsansprüche abgelehnt habe,1617 wohingegen die wettbewerbsrechtliche Literatur die Entscheidung überwiegend und zu Recht allein so liest, dass damit die Verneinung der Präjudizialität für die gesetzlichen Unterlassungsansprüche ausgesprochen ist.1618 dd) Zeuners Lehre von der Präjudizialität bei Sinnzusammenhängen. In der Li- 613 teratur hatte vor allem Zeuner bereits vor „Gliedermaßstäbe“ eine Abkehr von einem rein begrifflich-konstruktiven Ansatz zugunsten einer Lehre von materiell-rechtlichen Sinnzusammenhängen für die Bestimmung der Rechtskraftwirkung gefordert.1619 Man könne die Rechtswidrigkeit der Handlung im Unterlassungsverfahren nicht anders beurteilen als im Schadensersatzprozess.1620 Das sei besonders evident für die Handlungen, die zeitlich nach der Entscheidung liegen, weil das Unterlassungsurteil gerade auf die Prävention derselben gerichtet sei. Es gelte aber darüber hinaus auch für den zurückliegenden Zeitraum, weil es im Unterlassungsverfahren um die Feststellung einer einheitlichen Rechtspflicht gehe. Mithin sei eine Bindungswirkung bis zurück zur ersten, die Wiederholungsgefahr begründenden Handlung anzunehmen.1621 ee) Weiteres Schrifttum. Das weitere Schrifttum ist der Auffassung Zeuners ur- 614 sprünglich gefolgt,1622 wobei jedoch in Anknüpfung an Henckel1623 die Auffassung vertreten wurde, dass eine Bindung erst für Handlungen nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz gegeben sei.1624 Jacobs hielt in der Vorauflage demgegenüber die Begrenzung der zeitlichen Rückwirkung selbst auf den Zeitpunkt der Klageerhebung für nicht überzeugend.1625 Heute ist insgesamt, auf der Linie der neueren BGH-Rechtsprechung eine stärkere Verneinung der Präjudizialität für alle Fallgruppen auszumachen,1626 wobei jedoch ein erheblicher Teil der Literatur auf der Linie von „Gliedermaßstäbe“ eine Bindungswirkung nur für die vertraglichen Unterlassungsansprüche bejaht und für die gesetzlichen Ansprüche verneint.1627

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1615 BGH 26.6.2003 – I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059 (speditionsrechtlicher Fall). 1616 BGH 5.11.2009 – IX ZR 239/07, BGHZ 183, 77 Tz. 21 = NJW 2010, 2210 – Restschuldbefreiung. 1617 BGH 5.11.2009 – Restschuldbefreiung, a.a.O. Tz. 21 a.E. 1618 Teplitzky Kap. 30 Rn. 2; Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 174. 1619 Zeuner Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge (1959). 1620 Zeuner a.a.O. § 7 S. 58 ff. 1621 Zeuner a.a.O. § 7 S. 60. 1622 Stein/Jonas/Leipold § 322 Rn. 207; w.N. bei Teplitzky GRUR 1998, 320, 323 in Fn. 46. 1623 Henckel ACP 174 (1974), 97, Fn. 34, sowie ders. Prozeßrecht und materielles Recht, S. 191 sub 12a). 1624 MünchKommZPO/Gottwald, 3. Auflage, § 322 Rn. 130 mit Rn. 50; Musielak/Musielak § 322 Rn. 37; Benkard/Rogge/Grabinski § 139 Rn. 148; Teplitzky GRUR 1998, 320, 323 f.; Harte/Henning/Brüning Vor § 12 Rn. 246; a.A. Fezer/Büscher § 12 Rn. 364: ab Zeitpunkt der Klageerhebung. 1625 Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 435. 1626 Ausführlich Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 164 ff.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.115; Zöller/Vollkommer Vor § 322 Rn. 27. 1627 Vgl. etwa Teplitzky Kap. 30 Rn. 2 m.w.N. – auch zur Gegenmeinung – in Fn. 7; Wieczorek/Schütze/ Büscher § 322 Rn. 70, 71; a.A. für die gesetzlichen Unterlassungsansprüche Stein/Jonas/Leipold § 322 Rn. 207, weil die Schadensersatzpflicht der Sache nach nichts anderes sei als eine Sanktion der gesetzlichen Unterlassungspflicht, die Teil des absoluten Rechts sei.

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ff) Stellungnahme. In der Tat stört es bei gänzlicher Ablehnung der Bindungswirkung am meisten, dass ein Verstoß gegen ein rechtskräftiges Unterlassungsurteil zwar ein Ordnungsgeld, aber keine Schadensersatzpflicht nach sich ziehen könnte, weil das Gericht im Schadensersatzprozess die Rechtswidrigkeit der Handlung anders beurteilen könnte. Darauf hatte der BGH in „Gliedermaßstäbe“ ausdrücklich hingewiesen1628 und einen entsprechenden Vorbehalt mit Blick auf die Verneinung der Bindungswirkung hatte bereits das Reichsgericht gemacht.1629 Der Argumentationswert dieses Gleichlaufs wird auch von Vertretern der sich gegen die Annahme von Präjudizialität richtenden Auffassung anerkannt.1630 Ich hatte in diesem Kontext an anderer Stelle auf § 890 Abs. 3 ZPO hingewiesen, nach dem der Gläubiger für den durch weitere Zuwiderhandlungen gegen das Urteil drohenden Schaden Sicherheitsleistung verlangen kann.1631 Der Schadensersatzanspruch kann nur ein materiell-rechtlicher sein, weil das Ordnungsgeld nicht an den Gläubiger, sondern an den Fiskus geht. Insofern deutet diese Regelung auf einen Gleichlauf von Verstoß gegen das Urteil und Schadensersatzverpflichtung hin. Ich hatte ferner die Auffassung vertreten, dass das Abstellen auf diesen Gleichlauf eine Anknüpfung an den Zeitpunkt der Rechtskraft oder zumindest der Bindung an das Unterlassungsurteil erfordere, also einen Beschluss nach § 890 Abs. 2 ZPO und jedenfalls die Zustellung des Urteils, weil es vorher nicht zu einer Zuwiderhandlung im Sinne des § 890 Abs. 3 ZPO, für die Sicherheit zu leisten ist, kommen kann.1632 Im Ergebnis überzeugt diese Auffassung allerdings nicht. Wenn es eine Bindungs616 wirkung gäbe, so könnte diese nur aus der Feststellungswirkung des tenorierten Subsumtionsschlusses erwachsen. Für diese ist aber jedenfalls nach § 767 Abs. 2 und § 323 Abs. 2 ZPO der Schluss der mündlichen Verhandlung der maßgebliche Zeitpunkt. Es belegt allerdings zugleich, dass das Unterlassungsurteil eine andere Art der Rechtskraft als sonstige Urteile entfaltet (hierzu auch Rn. 327 und 630 ff., 648 f.). Es entfaltet Bindungswirkung für künftige Handlungen, die heute noch nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sein konnten.1633 Diese Auffassung wäre auch noch vereinbar mit der Begründung, die der BGH in 617 „Faxkarte“ für die grundsätzliche Ablehnung der Bindungswirkung gegeben hat. Der BGH hat im entschiedenen Fall nämlich hauptsächlich darauf abgestellt, dass das Unterlassungsurteil sich mit künftigen Handlungen befasse, während das Schadensersatzurteil auf vergangene Handlungen bezogen sei. Für künftige Handlungen würde diese Begründung mithin gerade für das Gegenteil streiten. 618 Im Übrigen müsste diese Auffassung aber auch für den umgekehrten Fall gelten, nämlich für die Wirkung eines Schadensersatzfeststellungsurteils auf ein nachfolgendes Unterlassungsverfahren. Soweit das Feststellungsurteil in die Zukunft wirkt, müsste es auch Bindungswirkung für das nachfolgende Unterlassungsverfahren entfalten. Da die Feststellungswirkung auch in Zukunft greift, gäbe es keinen sachlichen Grund, ihr insofern eine Bindungswirkung für ein nachfolgendes Unterlassungsverfahren zu verweigern, sofern der Zeitraum nach Schluss der mündlichen Verhandlung betroffen ist. Ein anderes Ergebnis wäre rein formalistisch. Nach herrschender Auffassung wirkt die Scha-

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1628 BGH 17.3.1964 – Ia ZR 193/63, BGHZ 42, 340, 357 sub 4. 1629 RG 3.7.1901, RGZ 49, 33, 37. 1630 Vgl. etwa Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 167. 1631 Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 388. 1632 Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 387. 1633 Weshalb teilweise eine solche Bindungswirkung für die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung schlechthin abgelehnt wird, vgl. v. Ungern-Sternberg GRUR 2009, 1009, 1015. Dem ist allerdings nicht zu folgen (vgl. oben Rn. 324 ff.).

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densersatzfeststellung aber in die Zukunft,1634 so dass hier ein Gleichlauf erforderlich wäre.1635 Diese Wirkung des Schadensersatzfeststellungsurteils wird aber von der herrschenden Lehre verneint oder überwiegend überhaupt nicht erst adressiert. Im Übrigen könnte man den Fall der Klageabweisung nicht anders behandeln wie 619 den Fall der gerichtlichen Erkenntnis nach dem klägerischen Antrag. Wenn man insofern vertreten will, dass die rechtskräftige Abweisung der Unterlassungsklage die Handlungsfreiräume des Beklagten festlege und dies nicht durch einen nachfolgenden Schadensersatzprozess konterkariert werden könne, so kann man dem korrespondierenden rechtskräftigen Unterlassungsurteil eine entsprechende präjudizielle Bindungswirkung für das nachfolgende Schadensersatzverfahren nicht verweigern.1636 Das alles zeigt, dass es äußert schwierig ist, bei Bejahung der Präjudizialität ein wer- 620 tungskonsistentes System beizubehalten. Insbesondere wäre die Annahme der Bindungswirkung des Schadensersatzfeststellungsurteils auf den nachfolgenden Unterlassungsprozess zwingend, wenn man diese Wirkung für den umgekehrten Fall annehmen wollte. Das wird in der Literatur überhaupt nicht gesehen, weil man sich vor „Taxameter“ zu dieser Frage in der Regel keine Gedanken gemacht hatte1637 und diese Frage auch danach wegen ihres spezifischen Kontexts im Patentverletzungsprozess ein blinder Fleck bei allen Kommentatoren geblieben ist. Ich meine deshalb unter Aufgabe meiner früheren Auffassung,1638 dass es überhaupt 621 keine Bindungswirkung geben sollte. Zwar ist das Argument des BGH, wonach der Kläger mit dem einen Anspruch mehr an Wert für seine Position verbinden könnte als mit dem anderen und sich deshalb anders positionieren würde, zirkulär, weil natürlich bei einer Erstreckung der Rechtskraft beide Positionen in ihrem Kern von vornherein Verfahrensgegenstand wären und sich die Parteien darauf einstellen müssten. Das zeigt aber gerade, dass hier Klarheit benötigt wird. Diese Klarheit streitet im Zweifel für die Ablehnung einer weitergehenden Bindungswirkung über den Bereich der unmittelbar betroffenen Ansprüche mit ihren abweichenden Rechtsschutzzielen. Wenn eine der Parteien das Programm des Rechtsstreits ändern will, kann sie es ausdrücklich tun, indem sie von § 256 Abs. 2 ZPO Gebrauch macht. 4. Zeitliche Grenzen der Rechtskraft und die Statthaftigkeit nachträglicher Änderungen gegenüber dem rechtskräftigen Urteil a) Grundsätze Die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft beziehen sich, wie sich bereits aus 622 § 767 Abs. 2 ZPO ergibt, auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Der Schuldner kann nur mit neuen Tatsachen, die nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind, gegenüber dem rechtskräftigen Urteil gehört werden. In § 767 Abs. 2 ZPO manifestiert sich insofern das allgemeine Prinzip der zeitlichen Grenzen der Rechtskraft.1639 Rosen-

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1634 BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02, GRUR 2004, 755 – Taxameter. 1635 Grabinski hält das für „zweifelhaft“, vergl. Benkard/Rogge/Grabinski PatG, § 139 Rn. 148. 1636 So aber wohl Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 165, der zur Begründung allein angibt, dass seine Auffassung auf einer „eigenständigen Beurteilung der Klageabweisung im Unterlassungsprozess“ beruhe und nicht „voreilig auf andere Prozesslagen“ übertragen werden dürfe. 1637 Hierzu etwa vor BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02, GRUR 2004, 755 – Taxameter im Wesentlichen nur Grosch/Schilling in FS Eisenführ (2003) 131. 1638 Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 385 ff., insbes. 388. 1639 BGH 19.11.2003, NJW 2004, 1252, 1253 f.; Musielak/Musielak § 322 Rn. 28; Zöller/Herget § 767 Rn. 14; Stein/Jonas/Leipold § 322, Rn. 236.

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berg sprach von einer sachlich zu § 322 ZPO gehörenden lex fugitiva.1640 In der gängigen Dogmatik müssen nach diesem Zeitpunkt objektiv neue Tatsachen eingetreten sein. Mit objektiv bereits vor diesem Zeitpunkt gegebenen Tatsachen sind die Parteien unabhängig von einer Vorwerfbarkeit präkludiert.1641 Neue Tatsachen sind allerdings nur dann relevant, wenn durch diese die im rechts623 kräftigen Urteil festgestellte materielle Rechtslage geändert wird. Das beurteilt sich vor dem Hintergrund der Feststellungen der rechtskräftigen Entscheidung.1642 Entscheidend ist, ob die zum rechtskräftigen Urteil führenden materiellen Einordnungen des Erstgerichts durch die neue Tatsache eine Änderung erfahren.1643 Bei der Abweisung einer Klage ist folglich zu prüfen, warum die Klage abgewiesen wurde. Ist sie mangels Fälligkeit abgewiesen worden, wobei eine Tenorierung der Abweisung als „derzeit unbegründet“ nicht erforderlich ist, so kann dieser Mangel durch den zeitlich späteren Eintritt der Fälligkeit behoben werden,1644 dazu oben Rn. 588 f. Wird der Klage stattgegeben, so ist der materielle Anspruch für diesen Zeitpunkt als unbedingt bestehend zu erachten, er kann aber durch nachfolgende Ereignisse, etwa die Erfüllung (§ 362 BGB), erlöschen. 624 Es entspricht insofern ständiger Rechtsprechung, dass nur rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendungen für die Klage gemäß § 767 ZPO beachtlich sein sollen, nicht aber rechtshindernde Einwendungen; Umstände, die den rechtskräftig festgestellten Klageanspruch selbst betreffen und zu einem Wegfall der anspruchsbegründenden Tatsachen führen würden, rechtfertigen die Vollstreckungsgegenklage mithin grundsätzlich nicht.1645 Von § 767 ZPO werden daher nur die eigentlichen rechtshemmenden und rechtsvernichtenden Einwendungen und Einreden im Sinne des materiellen Rechts erfasst.1646

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1640 Rosenberg SJZ 1950, 313 r. Sp. sub III 1, sowie ders. Die Beweislast (1965) § 9 V. S. 109; ferner ders. Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 1. Auflage, 1927, § 156 III 2, S. 475. Dieser Grundsatz wird für alle Verfahrensordnungen gleichermaßen akzeptiert. 1641 BGH 16.2.1961, BGHZ 34, 274, 279 = NJW 1961, 1067, 1068; BGH 30.3.1994, BGHZ 125, 351, 353; MünchKommZPO/Schmidt/Brinkmann § 767 Rn. 77; Musielak/Lackmann § 767 Rn. 33. Ob es sich dabei um rechtskraftfremde Präklusion handelt, weil sich die materielle Rechtskraft auf die Tatsachen beschränken müsse, über die tatsächlich entschieden wurde, ist streitig gewesen, vgl. für eine rechtskraftfremde Präklusion, etwa Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 291 ff., dagegen Schwab, Streitgegenstand, S. 169 f. Sachlich ändert dieser Meinungsstreit nichts. 1642 Stein/Jonas/Leipold § 322 Rn. 247. 1643 Vgl. etwa Musielak in FS Nakamura (1996) 424, 438; Stein/Jonas/Leipold § 322 Rn. 247. Dieser Grundsatz wird für alle Verfahrensordnungen gleichermaßen akzeptiert. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 V 2 f), S. 532. „Die dargestellten zeitlichen Grenzen der materiellen Rechtskraft gelten in allen Verfahren gleichermaßen. Hat sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt verändert, so kann immer ein neues Verfahren anhängig gemacht werden.“ 1644 BGH 26.4.1990, GRUR 1990, 687, 689 – Anzeigenpreis II; Wieczorek/Schütze/Büscher § 322 Rn. 149; Stein/Jonas/Leipold § 322 Rn. 248. 1645 BGH 6.3.1987, MDR 1992, 334 m. Anm. Deichfuß. Im entschiedenen Fall soll die Abänderungsklage nach § 323 ZPO helfen. Vgl. Stein/Jonas/Leipold § 323 Rn. 7 und w.N. in Fn. 21. Ebenfalls für eine Anwendung des § 323 OLG Karlsruhe 4.5.1989, NJW 1990, 1738. A.A. etwa Deichfuß, MDR 1992, 334. 1646 Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl. (1997), § 40 V 1, S. 619: „Für die Vollstreckungsgegenklage gegen Urteile kommen nur „rechtshemmende“ oder „rechtsvernichtende“, niemals „rechtshindernde“ Einwendungen in Frage“; Wieczorek/Schütze/Salzmann § 767 Rn. 59: „Während bei nicht rechtskräftigen Titeln jede Einwendung zugelassen ist (...), können im Geltungsbereich des Abs. 2 nur rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendungen vorgebracht werden, weil nur solche nach Schluß der letzten Tatsachenverhandlung entstehen können.“

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b) Besonderheiten bei Unterlassungsurteilen Es wurde bereits oben begründet, dass diese Grundsätze für Unterlassungsurteile 625 nicht einfach übernommen werden können, weil sie definitionsgemäß ausschließlich künftiges Verhalten des Schuldners, also nach Schluss der mündlichen Verhandlung, erfassen (Rn. 298 ff.). Das Rechtsschutzziel bezieht sich allein auf ein Verhalten, das, weil es sich zeitlich noch nicht aktualisiert hatte, im Erkenntnisverfahren identisch noch nicht geprüft werden konnte. Das Erkenntnisgericht kann nur eine konkrete Verbotsnorm aufstellen, die in Anknüpfung an ein vergangenes oder erstmalig drohendes Verhalten gewonnen wird. Die Auffassung, dass Unterlassungsurteile für die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung keine Rechtskraftwirkung entfalten, ist gleichwohl abzulehnen und entspricht nicht der herrschenden Auffassung. Unterlassungsurteilen kommt Rechtskraft gerade (und ausschließlich) für die Handlungen nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu (vgl. Rn. 323 ff.). Mit Blick auf die erfassten künftigen Sachverhalte gelten die obigen Ausführungen zum Streitgegenstand, Rn. 347 ff. Es ist zu prüfen, ob diese von dem im Erkenntnisverfahren zugrunde gelegten Sachverhalt dergestalt differieren, dass eine abweichende Beurteilung durch das Erkenntnisgericht möglich wäre. Ob Änderungen des Sachverhalts eine abweichende materielle Erkenntnis im Ergebnis rechtfertigen, kann keine Relevanz haben.1647 Das ist die Essenz der „Kernbereichslehre“ (vgl. Rn. 854 ff.). Hierzu gelten, entgegen der noch herrschenden Auffassung und der Rechtsprechung des BGH, die oben gemachten Einschränkungen (Rn. 337, 331 ff. sowie unten Rn. 862 ff.), dass die Rechtskraftwirkung enger ist, wenn sich der Kläger auf die konkrete Verletzungsform und damit auf den ganz konkreten Sachverhalt beschränkt, wie das bei „wenn das geschieht wie“-Anträgen der Fall ist. Dann ist bei Beschränkung des Streitgegenstands auf den Lebenssachverhalt nach einer natürlichen Betrachtungsweise – wie sie vom BGH inzwischen vertreten wird (hierzu ausführlich Rn. 252 ff.) – eine nachträgliche Ausdehnung der Rechtskraftwirkung auf „kerngleiche“ Handlungen nicht konsistent, weil der Kläger durch die Beschränkung seines Antrages im Erkenntnisverfahren gerade die Zulässigkeitshürden des Bestimmtheitsgrundsatzes, die für eine weiter generalisierende Regelung zu Recht aufgestellt sind, nicht zu nehmen brauchte und damit das Programm des Erkenntnisverfahrens entsprechend beschränkt hat (hierzu Rn. 126 ff., 130 f., 136, 862 f. und bereits 88 ff.). Ein daraufhin ergehendes Urteil kann nicht ohne Verstoß gegen § 308 ZPO über einen weiteren Streitgegenstand erkennen, und ein Urteil, das entsprechend den engen Vorgaben erkennt, kann nicht eine weitergehende Rechtskraftwirkung auf nachfolgende, von der konkreten Verletzungsform abweichende Handlungen haben (vgl. Rn. 337). c) Rechtsvernichtende materielle Einwendungen bei Unterlassungsansprüchen aa) Wegfall der Begehungsgefahr als rechtsvernichtende Einwendung. Im Sinne 626 dieser systematischen Vorgaben (Rn. 624) wird der Wegfall der Begehungsgefahr – aus welchem Grund auch immer – von der herrschenden Auffassung als rechtsvernichtende Einwendung verstanden.1648

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1647 Für den Patentverletzungsprozess etwa Zigann Handbuch des Patentrechts, § 11 R. 1648 Teplitzky Kap. 7 Rn. 2, bei dem der Gegensatz in Kap. 7 Rn. 1 besonders deutlich wird: „Entfällt die Wiederholungsgefahr wieder, so fehlt es an einem Tatbestandsmerkmal des Unterlassungsanspruchs. Dies hat zur Folge, daß der Unterlassungsanspruch erlischt.“ Wie der Anspruch erlöschen kann, wenn es an

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Allerdings führt nach inzwischen herrschender Auffassung schon der rechtskräftige Unterlassungstitel zum Wegfall der Begehungsgefahr. Diese Problematik hat zwar regelmäßig für die Frage erga omnes Relevanz, also für das Entfallen mit Drittwirkung, wird aber genauso auch für das Verhältnis zwischen den Prozessparteien angenommen. Darin soll gleichwohl kein Umstand liegen, der die Vollstreckungsgegenklage begründen könne, weil es sich um einen innerprozessualen Umstand handle, auf den sich der Unterlassungsschuldner nicht berufen könne.1649 Mit dem Unterlassungsurteil sei das Rechtsschutzziel erreicht und das Erreichen desselben könne nicht zugleich Grund für die Aufhebung des Urteils sein.1650 Weil die Begehungsgefahr mit dem Urteil wegfalle, sei auch kein Raum mehr für den nachfolgenden Wegfall der Begehungsgefahr durch Handlungen, wie etwa die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung.1651 Nach anderer Auffassung soll auch für die Annahme, dass das Urteil die Wiederholungsgefahr nicht beseitige, davon ausgegangen werden, dass die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung kein tauglicher Grund für die Vollstreckungsgegenklage sei, wenn diese auch während des Prozesses hätte abgegeben werden können. Das sei dann in entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO keine neue, die rechtsvernichtende Einwendung tragende Tatsache.1652

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bb) Stellungnahme. Diese Auffassungen zum nachträglichen Wegfall der Wiederholungsgefahr zeigen, dass mit der schlichten Einordnung als rechtsvernichtende materielle Einwendung für das Ergebnis noch nichts gewonnen ist. Das ist eine Kategorie, die für den rechtskräftig festgestellten materiellen Unterlassungsanspruch nicht passt. Während für einen gängigen, im Urteil festgestellten materiellen Anspruch nach materiellem Recht geprüft werden kann, ob eine rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendung für einen zum Schluss der mündlichen Verhandlung abschließend entstandenen und für diesen Zeitpunkt abschließend erfüllbaren Anspruch vorliegt (Erfüllung etc.), gibt es diesen Maßstab für das Unterlassungsurteil nicht, weil es künftiges Verhalten regelt. Anders als der normale materielle Anspruch ist der Unterlassungsanspruch keine „statische materielle Rechtslage“,1653 die zu einem Zeitpunkt entsteht und mit dem Entstehungstatbestand bis zum Eintritt weiterer materieller Tatbestände unverändert bleibt. Es handelt sich vielmehr um eine „zeitlich fortdauernde Rechtslage“.1654 Auf der Basis der rechtsvernichtenden Einwendung müsste man etwa für den auf Erstbegehungsgefahr begründeten Unterlassungsanspruch davon ausgehen, dass bei einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts, der zur Annahme der Erstbegehungsgefahr geführt hat, der Unterlassungsanspruch in Wegfall gerät. Wenn also der Schuldner von seiner Berühmung aufgrund des rechtskräftigen Unterlassungsurteils Abstand nimmt (actus contrarius), was regelmäßig zum Fortfall der Erstbegehungsgefahr führt,1655 könnte er die Vollstreckbarkeit des rechtskräftigen Urteils wieder beseitigen, indem er sich im Wege der Vollstreckungsgegenklage auf eine nachträgliche rechtsvernichtende Einwendung

_____ einem Tatbestandsmerkmal „fehlt“ ist aber gerade die Frage, die es zu klären gilt. Das Erlöschen baut nämlich notwendig auf der Prämisse einer bis zu diesem Ereignis bestehenden rechtlichen Identität auf. 1649 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 149. 1650 Fritzsche Unterlassungsanspruch S. 199. 1651 Teplitzky Kap. 57 Rn. 51 mit Fn. 247. 1652 KG 29.7.2005 – 5 W 93/05, MD VSW 2005, 1052 f. 1653 Eine von mir in diesem Kontext geprägte Begrifflichkeit, hierzu Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 97 f. (rekurriert auf eine von James Goldschmidt in anderem Zusammenhang begründete Terminologie, Goldschmidt, Zivilprozessrecht, § 23, S. 5, hierzu Grosch a.a.O. Fn. 391). 1654 So etwa die Begrifflichkeit von Rüßmann FS Lüke (1997) 675. 1655 Vgl. Nachweise bei Teplitzky Kap. 10 Rn. 21 f.

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berufen würde. Das überzeugt genauso wenig wie bei dem auf Wiederholungsgefahr gründenden Verletzungsunterlassungsanspruch. Daraus folgt nicht, dass die Vollstreckungsgegenklage nie der richtige Rechtsbehelf 629 wäre, aber die bloße terminologisch Verkürzung auf eine rechtsvernichtende Einwendung trägt zum Problembewusstsein und zur richtigen Handhabung nichts bei, sondern ist bloßer Formalismus. d) Neue Wertungen als Basis für rechtsvernichtende Einwendungen aa) Problemstellung und Grundsätze. Weitere Probleme in Anbetracht der besonderen Qualität der Unterlassungsurteile stellen sich bei der Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von Änderungen, die nicht lediglich subsumtionsrelevante Tatsachen betreffen, sondern Änderungen der Wertungen, insbesondere Änderungen der Rechtslage, der Rechtsprechung und neue Erkenntnisse mit Blick auf subsumtionserhebliche Tatsachen. Das wird regelmäßig mit Blick auf rechtskräftige Unterlassungsurteile diskutiert, gilt aber ebenso, wenn es um die Frage des Umfangs der zeitlichen Rechtskraft von klageabweisenden Urteilen geht. Für Unterlassungsurteile wird diese Fragestellung dadurch verschärft, dass diese anders als andere Urteile der 30-jährigen Verjährung nicht schon ab Titulierung, sondern erst ab der ersten Zuwiderhandlung unterliegen,1656 also das Verbot gleichsam auf ewige Zeiten festgelegt wird (hierzu auch Rn. 605 a.E.). Das verdeutlicht aber letztlich nur die Problematik. Strukturell läge der Abänderungsbedarf nicht anders, wenn die Bindung „lediglich“ 30 Jahre betrüge. Allgemein wird aufgrund der „langfristigen Bindung“ an Unterlassungstitel eine Korrekturbedürftigkeit ausgemacht, wenn sich die tatsächlichen Umstände, die höchstrichterliche Rechtsprechung oder die Gesetzeslage ändern.1657 Diskutiert wird das im allgemeinen anhand der Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs der Vollstreckungsgegenklage gegen rechtskräftige Unterlassungstitel, also anhand der Frage, ob eine Änderung als taugliche Einwendung im Sinne des § 767 ZPO gelten kann. Das setzt sich allerdings in Widerspruch zu einem allgemein anerkannten Prinzip, wonach nur eine Änderung der Tatsachen oder die Verfügbarkeit neuer Erkenntnisse über vormals bestehende Tatsachen, nicht aber ein reiner Bewertungs- oder Erkenntniswandel die Begrenzung oder Durchbrechung materieller Rechtskraft rechtfertigen kann. Insofern ist bei der systematischen Einordnung und der praktischen Handhabung das Spannungsfeld im Verhältnis zu diesem Grundsatz zu berücksichtigen. Mit Blick auf neue Wertungen, im Unterschied zu neuen Tatsachen, als Grundlage für eine Einwendung im Sinne von § 767 ZPO können die Fallgruppen der Gesetzesänderung (hierzu bb)), der Rechtsprechungsänderung (hierzu cc)) und neuer Erkenntnisse mit Blick auf die Bewertung subsumtionsrelevanter Tatsachen (neue Beweismittel, sub cc) Rn. 639 ff.), unterschieden werden. In diesem Zusammenhang ist ferner die Frage zu klären, ob § 767 ZPO oder § 323 ZPO der richtige Rechtsbehelf zur Geltendmachung solcher Änderungen ist (hierzu dd)). Im Folgenden wird zunächst die höchstrichterliche Rechtsprechung dargestellt. Unter ee) werden die im Schrifttum hierzu vertretenen Auf-

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1656 So jetzt auch die gesetzliche Regelung durch § 201 Satz 2 BGB i.V.m. § 199 Abs. 5 BGB, übereinstimmend mit der früheren, seit BGH 16.6.1972, BGHZ 59, 72 = GRUR 1972, 721 – Kaffeewerbung ständigen Rechtsprechung des BGH (dazu kritisch Krieger GRUR 1972, 696) und der h.L.; vgl. dazu Ahrens/ Bornkamm Kap. 34 Rn. 14; Teplitzky Kap. 11 Rn. 15; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.18; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 42; Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 105 ff. 1657 Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 182.

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fassung dargestellt; unter ff) erfolgt eine zusammenfassende Stellungnahme zur Problematik. 634

bb) Gesetzesänderung. Die grundlegenden Unterschiede bei der Behandlung rechtskräftiger Unterlassungsurteile setzen sich bei der Behandlung einer Gesetzesänderung fort. Grundsätzlich ist anerkannt, dass Änderungen der das vollstreckbare, rechtskräftige Urteil tragenden gesetzlichen Vorschriften keine tauglichen Einwendungen bilden, welche mit der Klage gemäß § 767 Abs. 1 ZPO gegen die Vollstreckbarkeit des Urteils vorgebracht werden können.1658 635 Für Unterlassungsurteile wird hingegen eine Ausnahme gemacht. Wenn das verbotene Verhalten durch die Gesetzesänderung heute erlaubt wird, sei die Klage gemäß § 767 Abs. 1 ZPO gegen das Urteil statthaft und begründet.1659 Auch hier wird gesagt, es handle sich um eine nachträgliche rechtsvernichtende Einwendung.1660 Diese Konstellation sei letztlich ähnlich einer nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eintretenden Erfüllung des titulierten Anspruchs durch den Vollstreckungsschuldner zu behandeln.1661 Für das Wettbewerbsrecht hat der BGH in der Altunterwerfungsrechtsprechung (obiter) ausdrücklich zugrundegelegt, dass die Gesetzesänderung, die das materielle Verbot in Wegfall bringt, mittels der Vollstreckungsgegenklage gegen das rechtskräftige Urteil geltend gemacht werden kann. Der BGH ordnete das Unterlassungsurteil dabei als Urteil auf wiederkehrende Leistung ein und verwies auf die „Zukunftswirkung“ derselben, aus der sich ergebe, dass dessen Anpassung ex nunc erforderlich sei.1662 Das wäre dann allerdings der Wegfall einer anspruchsbegründenden Voraussetzung und nicht eine nachträgliche rechtsvernichtende Einwendung. Warum die Gesetzesänderung bei Urteilen auf wiederkehrende Leistung beachtlich ist und warum § 767 ZPO und nicht § 323 ZPO der geeignete Rechtsbehelf sein soll, blieb offen.

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cc) Änderung der Rechtsprechung. Noch pointierter wird die Problematik bei der Frage nach der Relevanz einer Rechtsprechungsänderung.

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(1) Allgemeine Auffassung zum Kern der Rechtskraft. Das eine Änderung der Rechtsprechung oder ein allgemeiner Bewertungswandel die Rechtskraft eines Urteils nicht berühren könne, dass Rechtsbehelfe, die mit einer solchen Begründung auf eine Änderung des Urteils zielen, stets unstatthaft sind, gilt als der unabänderliche Grundsatz des Kerns der Rechtskraft schlechthin. Eine geänderte Rechtsprechung qualifiziert man als geänderte Wertung, die gegenüber der Rechtskraft immer unbeachtlich sei. Das rechtskräftige Urteil ist nach der axiomatisch argumentierenden Auffassung für die Par-

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1658 MünchKommZPO/Schmidt-Brinkmann § 767 Rn. 70; Zöller/Herget § 767 Rn. 13. 1659 Wieczorek/Schütze/Salzmann § 767 Rn. 60: „spätere Begründung des Handlungsrechts bei Unterlassungsansprüchen“, unter Verweis auf BGH 23.2.1973, GRUR 1973, 429 – Idee-Kaffee sowie OLG Köln 27.4.1987, NJW-RR 1987, 1471. 1660 Teplitzky Kap. 57 Rn. 51. 1661 KG 16.4.1996, GRUR 1996, 997, 998. 1662 BGH 26.9.1996, BGHZ 133, 316, 323 f. – Altunterwerfung I: „Anders als der auf eine einmalige Leistung gerichtete, etwa auf Zahlung eines bestimmten Betrags, gerichtete Titel wirkt ein Titel auf wiederkehrende Leistungen, namentlich ein Unterlassungstitel, in die Zukunft und kann in dieser Wirkung von einer späteren Gesetzesänderung betroffen sen.“ Ahrens meint, es sei eine meiner „eigenwilligen interpretatorischen Eckdaten“, die Unterlassungsklage § 258 ZPO zu unterstellen (Kap. 36 Rn. 193 Fn. 366 mit Blick auf meine Ausführungen in Rechtswandel und Rechtskraft). Wie gerade gezeigt, ist das ein vom BGH selbst zugrundegelegtes Eckdatum, aus dem dann die Anwendbarkeit des § 767 ZPO hergeleitet wird und die Zulässigkeit der Gesetzesänderung als nachträgliche Einwendung bejaht wird.

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teien auch dann nicht angreifbar, wenn die zugrundeliegenden Präjudizien inzwischen ausdrücklich aufgegeben wurden.1663 Mit einem Wandel der Rechtsprechung berufe man sich auf die ursprüngliche Unrichtigkeit des rechtskräftigen Urteils. Dieser Angriff sei durch die Rechtskraft aber immer ausgeschlossen.1664 Werde dieser Grundsatz abgeschwächt, so sei ein „Dammbruch“ (Grunsky) 1665 zu befürchten, weil man die Änderung einer herrschenden Rechtsauffassung im Schrifttum, die für ein rechtskräftiges Urteil bestimmend war, sachlich nicht anders behandeln könne als eine Rechtsprechungsänderung. Das BVerfG hat diesen Grundsatz in seinem Urteil vom 1. Juli 19531666 in einer ausdrücklich für alle „Rechtsfindungsverfahren“ Geltung beanspruchenden Weise formuliert. Die Missachtung dieses Grundsatzes würde die Rechtsprechung ihres eigentlichen Sinnes berauben. Mithin sei auch eine gesetzliche Regelung, welche die Wiederaufnahme in Fällen geänderter Auffassung vom richtigen Recht erlaube, verfassungswidrig, weil mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar.1667 (2) BGH „Mescher weis“ zu wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsurteilen. Der 638 BGH hat diese für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsurteile lange umstrittene Frage in der Entscheidung „Mescher weis“ dahingehend geklärt, dass jedenfalls eine höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der das untersagte Verhalten eindeutig als rechtmäßig zu beurteilen wäre, ebenso wie eine Gesetzesänderung eine Einwendung im Sinne von § 767 ZPO begründet.1668 Zur Begründung hat sich der BGH auf die Rechtsprechung zu § 323 ZPO berufen. Danach ist eine Rechtsprechungsänderung, die in ihren Auswirkungen einer Gesetzesänderung oder Änderung der Rechtslage durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gleichkommt, ein sachlicher Grund für die Anpassung des Titels auf wiederkehrende Leistung,1669 weshalb auch die Anpassung bei Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt ist.1670 Dass jedenfalls die Änderung einer „gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung“ ein tauglicher Abänderungsgrund ist, entspricht der ganz h.L. zu § 323 ZPO.1671 Der BGH hat sich ferner auf die ratio des § 10 UKlaG (früher § 19 AGBGB) berufen, wonach der zur Unterlassung bestimmter Klauseln verurteilte Schuldner, das Recht zur Vollstreckungsgegenklage hat, wenn der BGH die verbotenen Klauseln in einem anderen Verfahren als rechtmäßig beurteilt hat und das Festhalten an dem Titel den Geschäftsbetrieb des Schuldners in unzumutbarer Weise

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1663 Grunsky Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 IV 1cc), S. 511; ganz h.L., vgl. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung: ebenso bereits das Reichsgericht für den zeichenrechtlichen Fall (wiederholte Löschungsklage) RG 25.6.1929, RGZ 125, 159, 162 erster Absatz – Scharlachberg; BGH 23.11.1983, BGHZ 89, 114, 120 f.; BGH 28.11.1996, NJW 1997, 670 r.Sp. sub II 1.; MünchKommZPO/Gottwald § 322 Rn. 149; Stein/Jonas/Leipold § 322 Rn. 256; Zöller/Herget § 767 Rn. 13; Wieczorek/Schütze/Salzmann § 767 Rn. 64; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 40 V 1d; Schuschke/Walker/Raebel § 767 Rn. 24 (die Unterlassungstitel dort aber schon ausnehmend). Aus der weiteren höchstrichterlichen Rechtsprechung zu anderen Verfahrensordnungen: BVerwG 8.12.1992, BVerwGE 91, 256, 259 f., 260; BAG 20.3.1996, BB 1996, 2469, 2471 l. Sp. 1664 MünchKommZPO/K. Schmidt § 767 Rn. 70; zum Zweck der Rechtskraft auch Rosenberg/Schwab/ Gottwald Zivilprozessrecht, § 151 Rn. 1. 1665 Grunsky Grundlagen des Verfahrensrechts § 47 IV 1cc, S. 511 f. 1666 BVerfG 1.7.1953, BVerfGE 2, 380, 396. 1667 BVerfG 1.7.1953, a.a.O. 403. 1668 BGH 2.7.2009 – I ZR 146/07, GRUR 2009, 1096, 1098 Tz. 23 – Mescher weis. 1669 BGH 5.9.2001 – XII ZR 108/00, BGHZ 148,368, 378 =NJW 2001, 3618; BGH 5.2.2003 – XII ZR 29/00, BGHZ 153, 372, 383 = NJW 2003, 1796; BGH 5.11.2004 – IXa ZB 57/04, BGHZ 161, 73, 78 = NJW-RR 2005, 222; Wieczorek/Schütze/Büscher § 323 Rn. 80; Stein/Jonas/Leipold § 323 Rn. 43; MünchKommZPO/Gottwald § 323 Rn. 70, 74. 1670 BGH 5.11.2004 – IXa ZB 57/04, BGHZ 161, 73, 78 = NJW-RR 2005, 222. 1671 Vgl. etwa weiter Zöller/Vollkommer § 323 Rn. 30 a.E.; ferner auch BGH NJW 2012, 2514 Rn. 16 ff.

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beeinträchtigen würde. Damit sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleistet werden. Das sei auch dann erforderlich, wenn das durch einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungstitel verbotene Verhalten nunmehr grundsätzlich erlaubt sei.1672 (3) Bewertungswandel mit Blick auf Tatsachenfeststellungen. Ähnliche Fragen wie bei der Änderung der Rechtsprechung stellen sich bei der Änderung der Bewertung von Tatsachen, insbesondere wenn neue Beweismittel verfügbar werden. Auch hier entspricht es ganz herrschender Auffassung, dass keine Einwendung entstehen kann, auf die sich die Vollstreckungsgegenklage stützen könnte. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang einzig, ob nicht bei (natur-)wissenschaftlichem Erkenntnisfortschritt die Restitutionsklage in rechtsfortbildender Anwendung von § 580 Nr. 7b ZPO gegeben sein soll.1673 Hier geht es aber bereits um die Durchbrechung der Rechtskraft, nicht um die Nachvollziehung ihrer Grenzen nach § 767 Abs. 2 ZPO. Auch hier hat der BGH für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsurteile mit Blick 640 auf die Wettbewerbsgleichheit abweichend entschieden.1674 Im entschiedenen Fall wurden dem Unterlassungsschuldner im Jahre 1935 durch rechtskräftig gewordenes Urteil bestimmte Werbeaussagen, die sich auf die Bekömmlichkeit von Kaffee bezogen, verboten.1675 Circa 35 Jahre später1676 wandte sich der Schuldner im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckbarkeit des Urteils, weil neue wissenschaftliche Erkenntnisse die Stimmigkeit der Aussagen nunmehr belegen könnten. Eine Irreführung sei mithin nicht gegeben und habe nie vorgelegen. Das Berufungsgericht hatte die Vollstreckungsgegenklage bereits als unstatthaft abgewiesen, da keine auf neuen Tatsachen beruhende materielle Einwendung gegen den im Urteil festgestellten Unterlassungsanspruch vorgebracht worden sei. Ein Angriff gegen die Beweiswürdigung des rechtskräftigen Urteils sei durch die Rechtskraft ausnahmslos ausgeschlossen. Das entsprach, wie bereits gesagt, auch der heute noch herrschenden Auffassung; hier gilt und galt nichts anderes als für Angriffe gegen die rechtliche Würdigung des Urteils. 641 Der BGH hat das in „Idee-Kaffee“ anders entschieden. Dem rechtskräftig verurteilten Schuldner könne nicht forthin etwas verboten bleiben, was jedem Dritten aufgrund heutiger Erkenntnis erlaubt sei. Der BGH hat dabei den Grundsatz herangezogen, dass bei Unterlassungsansprüchen „der Erwerb des Rechts zur Handlung die Klage nach § 767 ZPO rechtfertige ...“.1677 Die Linie aus „Idee-Kaffee“ wird überwiegend zustimmend zitiert, wobei auf das in 642 Anbetracht der langfristigen Bindung und Zukunftswirkung bestehendes Korrekturbedürfnis verwiesen wird.1678 Dabei ist von Bedeutung, dass nach Auffassung des BGH der rechtskräftige Unterlassungstitel nicht der 30-jährigen Verjährung unterliegt.1679 639

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dd) Anwendbarkeit von § 767 ZPO, keine Anwendbarkeit von § 323 ZPO. Mit Blick auf die Frage, mit welchem Rechtsbehelf der Schuldner nachträgliche Änderungen

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1672 BGH 2.7.2009 – I ZR 146/07, GRUR 2009, 1096 Tz. 24 – Mescher weis. 1673 Vgl. hierzu etwa Foerste NJW 1996, 345: „Die Aufdeckung eines Fehlurteils mit Hilfe der Naturwissenschaft ruft geradezu nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens.“. 1674 BGH 23.2.1973, GRUR 1973, 429 – Idee-Kaffee. 1675 Idee-Kaffee sei für Nervöse und rufe keine Schlafstörungen hervor etc. 1676 Wie bereits oben gesagt, war nach Auffassung des BGH zu diesem Zeitpunkt der im Unterlassungsurteil festgestellte Anspruch noch nicht gemäß § 218 I BGB verjährt. 1677 BGH 23.2.1973, GRUR 1973, 429, 430 – Idee-Kaffee. 1678 Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 139 und 182 f. 1679 BGH 16.6.1972, BGHZ 59, 72 = GRUR 1972, 721 – Kaffeewerbung; vgl. dazu schon die Nachweise bei Rn. 630.

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gegenüber dem rechtskräftigen Unterlassungsurteil vorbringen könne, gleich ob diese tatsächlicher oder rechtlicher Art sind, ist zu entscheiden, ob § 767 ZPO oder § 323 ZPO einschlägig sind. Letzteres ist insbesondere deshalb diskussionswürdig, weil der BGH sich mehrfach auf die Parallele zu den Urteilen auf wiederkehrende Leistung bezieht. Nach der nunmehr als gefestigt geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Unterlassungsurteilen ist hier allein § 767 ZPO – unabhängig von der Qualität der Einwendung – der richtige Rechtsbehelf und nie § 323 ZPO. Das hat wesentliche Bedeutung, weil beide Rechtsbehelfe sich gegenseitig ausschließen und die Abänderungsklage auch nicht in eine Vollstreckungsgegenklage umgedeutet werden kann. Der V. Zivilsenat hat in einer ausführlich begründeten Entscheidung die Auffassung 644 vertreten, dass rechtskräftige Unterlassungsurteile bei nachträglichen Änderungen nur qua § 767 ZPO und nie im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO angreifbar seien.1680 Es bestehe keine planwidrige Regelungslücke für Unterlassungsurteile. Ferner seien diese mit den Urteilen auf wiederkehrende Leistung auch nicht vergleichbar. Zwar hätten die Unterlassungsurteile auch Zukunftswirkung, weil sie das künftige Verhalten des Schuldners erfassten. Sie basierten aber, anders als die Urteile nach § 258 ZPO, nicht auf einer Prognoseentscheidung mit Blick auf die künftigen Tatsachen. Vielmehr werde allein für den Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz das Bestehen des Unterlassungsanspruchs festgestellt und die Rechtskraft beziehe sich nur und genauso, wie bei einem Urteil auf wiederkehrende Leistung, auf diesen Zeitpunkt und nicht in die Zukunft. Anders als bei §§ 258, 323 ZPO sei es also nicht erforderlich, eine „Zukunftsrechtskraft“ zu durchbrechen.1681 Der Schuldner könne Einwendung, die aufgrund neuer Tatsachen nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind und den Wegfall des Unterlassungsanspruchs begründen, mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen. Der I. Zivilsenat hat sich dieser Auffassung in „Mescher weis“ angeschlossen.1682 ee) Schrifttum zur Änderung rechtskräftiger Unterlassungsurteile aufgrund 645 neuer Wertungen. Im Schrifttum war die Erforderlichkeit einer Anpassung im Falle einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits vor „Mescher weis“ gefordert worden.1683 Grundlegend waren dabei die Ausführungen von Braun, der in seiner Habilitationsschrift den besonderen Charakter und die Korrekturbedürftigkeit von „Vorausentscheidungen als Funktion der Zeit“1684 deutlich gemacht hat. Zu diesen Vorausurteilen rechnet Braun nicht nur die Urteile auf wiederkehrende Leistung, sondern auch die Unterlassungsurteile, bei denen er von Rechtskraft minderer Intensität spricht.1685 Der Rezeption der Braunschen Lehre hat dabei sicherlich im Wege gestanden, dass diese auf einer gänzlichen Umdeutung des Rechts der Wiederaufnahme beruht und die Korrektur von Vorausurteilen mit der Restitutionsklage nach § 580 Nr. 7b ZPO erreichen will. Die sachlichen Argumente sind allerdings voll tragfähig. Der Unterlassungsschuldner trägt den Nachteil, dass er sich zu einem Zeitpunkt auf die verbindliche Klärung der

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1680 BGH NJW 2008, 1446 m.w.N zur gleichen Meinung in Tz. 10; ihm zustimmend aus der Literatur etwa Schuschke/Walker/Raebel § 767 Rn. 6 m.w.N. und Teplitzky Kap. 57 Rn. 55 und 57, ebenfalls m.w.N. 1681 BGH NJW 2008, 1446 f. Tz. 17. 1682 BGH 2.7.2009 – I ZR 146/07, GRUR 2009, 1096, 1098 Tz. 17 und 23 – Mescher weis. 1683 Vgl. dazu die Nachw. in BGH 2.7.2009 – I ZR 146/07, GRUR 2009, 1096, 1098 Tz. 20 – Mescher weis und den Meinungsüberblick – auch zur Gegenmeinung – bei Ulrich FS Traub (1994) 423, 428 in Fn. 24. 1684 Grundlegend für alle Urteile mit Zukunftswirkung Braun Rechtskraft und Restitution Teil II, Die Grundlagen des geltenden Restitutionsrechts (1985) 324. 1685 Braun a.a.O. 278.

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Rechtslage für die Zukunft einlassen muss, in dem per definitionem dem Spruchkörper und den Parteien nicht alle Informationen über die künftige Rechtslage zur Verfügung stehen. Ich hatte mich in Anknüpfung an diese Linie ebenfalls für eine weitgehende Anpassungsmöglichkeit bei rechtskräftigen Unterlassungsurteilen auf der Basis von § 323 ZPO ausgesprochen.1686 Im weiteren Schrifttum wurden insbesondere die wettbewerbliche Chancengleich646 heit und die Gleichbehandlung einer Rechtsprechungsänderung mit einer Gesetzesänderung hervorgehoben. Zur Herstellung gleicher Wettbewerbschancen sei es geboten, dem Titelschuldner die Handlungsfreiheit zurückzugeben.1687 Wobei eine analoge Anwendung des § 10 UKlaG1688 oder jedenfalls die Heranziehung dessen Rechtsgedankens bejaht wird.1689 In diesem Zusammenhang verweist Ahrens auch auf das bislang etwas zu kurz gekommene Merkmal der Unzumutbarkeit. § 10 UKlaG verlangt seinem Wortlaut nach nicht nur eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, sondern auch, dass die (weitere) Vollstreckung gegen den Titelschuldner angesichts dieser Rechtsprechung „in unzumutbarer Weise seinen Geschäftsbetrieb beeinträchtigen würde“. Nach Ahrens trägt dieses Merkmal der „unverzichtbaren Zurückhaltung“ bei der Beachtung einer Rechtsprechungsänderung Rechnung.1690 Teilweise wurde jede analoge Anwendung der Vorgängernorm § 19 AGBG, die auch 647 als eine „absolute Ausnahmeregelung“,1691 eine „eigenartige Klage“,1692 eine „aus der Hast geborene dogmatische Nachlässigkeit“1693 charakterisiert wurde, abgelehnt,1694 weil sich diese Klageform in Widerspruch zu dem sich aus den §§ 323, 767 und 580 ZPO1695 ergebenden „Prozessrechtsgrundsatz“ 1696 setze, wonach ausschließlich Änderungen von Tatsachen und nie ein reiner Bewertungs- oder Erkenntniswandel die materielle

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1686 Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 361 f., 389 f. 1687 Pastor/Ahrens Wettbewerbsprozeß, 4. Auflage, 1999, Kap. 40 Rn. 163, so jetzt auch zustimmend zur Entscheidung „Mescher weis“ Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 204 a.E.; Schuschke/Walker/Raebel § 767 Rn. 24 zu Fn. 153; Teplitzky Kap. 57 Rn. 51 in Fn. 249; Lindacher FS M. Wolf (2011) 473 ff. 1688 Baur/Stürner Zwangsvollstreckungsrecht I, 12. Aufl. (1995), Rn. 45.13 für eine analoge Anwendung des § 19 AGBG auf alle wettbewerbsrechtlichen Unterlassungstitel, „wenn geänderte Rechtslage oder geänderte Rechtsanschauungen nach Jahren [sic!] ein Recht zur entsprechenden Handlung gewähren.“ 1689 Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 205 f. 1690 Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 206. 1691 Soergel/Stein 12. Aufl. (1990) § 19 AGBG, Rn. 1. 1692 Ulmer/Brandner/Hensen 9. Aufl. (2001) § 19 Rn. 4. 1693 Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, AGBG, 1977, § 19 Rn. 1; ähnlich ders. in Staudinger, 13. Bearb. (1995), § 19 ABGB Rn. 1. 1694 Gaul FS Beitzke (1979) 997, 1044 f, Urbanzcyk Die Verbandsklage im Zivilprozess (1979) 216. 1695 Vgl. Wolf/Horn/Lindacher AGBG, 4. Aufl. (1999), § 19 Rn. 6: „... Änderungen der Rspr. rechtfertigen nach allgemeinen Grundsätzen weder die Klage nach § 767 ZPO noch aus § 323 ZPO, noch eine Restitutionsklage ...“; Soergel/Stein, 12. Aufl. (1990), § 19 AGBG Rn. 1: „... absolute Ausnahmeregelung...als sie im Ergebnis eine Durchbrechung der materiellen Rechtskraft ... bei nachträglicher Änderung der Rspr und damit aus Gründen zulassen, auf die nach geltender Rechtsauffassung weder eine Vollstreckungsabwehrklage nach ZPO § 767, noch eine Abänderungsklage nach ZPO § 323, noch eine Restitutionsklage nach ZPO §§ 580 ff. mit Erfolg gestützt werden kann ...“; Erman/Werner 10. Aufl. (2000), § 19 AGBG Rn. 1: „§ 19 AGBG bedeutet eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß eine spätere entgegenstehende Entscheidung keine Restitutionsklage (§ 580 ZPO), keine Abänderungsklage (§ 323 ZPO) und auch keine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) rechtfertigt.“ 1696 Gaul FS Beitzke (1979) 997, 998: „Der Gesetzgeber hat damit zugleich den Prozeßrechtsgrundsatz durchbrochen, daß ein nachträglicher Wandel der Rechtsprechung die Urteilswirkungen unangetastet läßt.“; vgl. ferner Schilken Verfahrensrechtliche Probleme nach dem AGB-Gesetz, S. 99: „Es ist leicht zu verdeutlichen, daß der Gesetzgeber mit diesen Regelungen gefestigte Grundregeln des Zivilprozeßrechts beiseite geschoben hat.“; ferner Palandt/Heinrichs 60. Aufl. (2001), § 19 AGBG Rn. 1: „Von dem allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, dass eine spätere Änderung der Rechtsprechung weder eine Klage aus ZPO 767, noch aus ZPO 323, noch eine Restitutionsklage rechtfertigt, macht § 19 eine Ausnahme.“

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Rechtskraft durchbrechen könne. Diese Regelung sei „ganz abnorm“,1697 eine „rein positivistische Entscheidung des AGB-Gesetzgebers“.1698 Es könne niemand bestreiten, dass „§ 19 AGBGB wegen seiner Eigenheiten nicht unter die Institute der ZPO einzuordnen ist.“1699 ff) Stellungnahme (1) Neue Wertungen grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Im Ergebnis liegt es 648 auf der Hand, dass auch die nachträgliche Änderung des Bewertungswandels einem rechtskräftigen Unterlassungsurteil entgegenhalten werden können muss. Die dem Unterlassungsurteil für die Zukunft zuzubilligende Rechtskraftwirkung kann man nur vertreten, wenn man damit die Parteien nicht dauerhaft von der allgemeinen Rechtsentwicklung abkoppelt (vgl. auch oben Rn. 577 a.E.). Die vom BGH (V. Zivilsenat) im Rahmen der Abgrenzung von § 767 ZPO zu § 323 ZPO vertretene Auffassung, es stellten sich bei Unterlassungsurteilen anders als bei Urteilen auf wiederkehrende Leistung keine Problem der Zukunftsrechtskraft, weil sich die Rechtskraft bei Unterlassungsurteilen wie bei anderen Urteilen nur auf den Schluss der mündlichen Verhandlung beziehe (hierzu oben Rn. 644), kann nicht überzeugen. Es ist, wie schon mehrfach ausgeführt, gerade der Kern der Rechtskraft des Unterlassungsurteils, dass diese ausschließlich für künftige Sachverhalte wirkt und die Rechtslage für die Parteien mit Blick auf das Verbot für die Zukunft festlegt. Weil dem so ist, muss man auch begründen, wo die Grenzen dieser Festlegung liegen. Diese Fragen stellen sich für die normalen Urteile nicht. Deshalb ist auch die Abweichung von dem zu Recht als unabänderlich bezeichneten Grundsatz der Unbeachtlichkeit geänderter Wertungen oder Präjudizien gegenüber dem rechtskräftigen Urteil gerechtfertigt und geboten. Die Parteien werden durch ein heutiges Verfahren mit Blick auf ihre künftigen Rechte und Pflichten festgelegt. Das ist nur vertretbar, wenn eine Rückkopplung an das sich weiter entwickelnde Rechtssystem besteht. Ich habe deshalb an anderen Orten von einer rechtskraftfremden Präklusion gesprochen, weil eine Erkenntnis über das heute geltende Recht für die Zukunft wirkt und man die Grenzen dieser Bindungswirkung positiv begründen muss.1700 Das ist aber letztlich mehr von heuristischem Interesse. Ob man von einer normalen Rechtskraftwirkung sprechen will, die sich dann verschiedenen Einschränkungen, die der Rechtskraft ansonsten grundsätzlich fremd sind, ausgesetzt sieht, oder ob man von einer positiven Begründung einer Bindungswirkung eigener Art sprechen will, ist letztlich eine terminologische oder formale Frage. Entscheidend sind die Sachgesichtspunkte des Umfangs der Bindungswirkung. (2) Keine Beschränkung auf eine neue höchstrichterliche Rechtsprechung. Die 649 eindeutigen Fälle machen dabei am wenigsten Schwierigkeiten. Wenn sich die Gesetzeslage ändert oder der BGH eine Verhaltensweise eindeutig als rechtmäßig einordnet, kann es aus Gründen der Gleichbehandlung nicht überzeugen, dem Unterlassungsschuldner nur deshalb auf Dauer ein Verhalten zu untersagen, weil sein Fall zufälligerweise zu einem früheren Zeitpunkt entschieden wurde. Es stellt sich aber die Frage, ob die Änderung auf diesen Punkt beschränkt sein kann. Ob ein Fall zum BGH kommt und dort entschieden – und nicht etwa verglichen wird – hängt vom Zufall ab. Im Extremfall können

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1697 1698 1699 1700

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MünchKommBGB/Gerlach 3. Aufl. (1998), § 19 AGBG, Rn. 1. Gaul FS Beitzke (1979) 997, 1047. Ulmer/Brandner/Hensen AGBG, 9. Aufl. (2001), § 19 Rn. 3 a.E. Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 359.

Grosch

§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

bestimmte Fälle gar nicht mehr zum BGH kommen, weil eine Verhaltensweise von der obergerichtlichen Rechtsprechung, die gerade im Wettbewerbsrecht wegen der Begrenzung des Instanzenzuges im einstweiligen Verfügungsverfahren erhebliche praktische Bedeutung hat, als rechtmäßig angesehen wird und deshalb keine Hauptsacheverfahren mehr bis in die Revision getragen werden. In solchen Fällen auf eine Entscheidung des BGH zu warten, ist mit dem Gedanken der Gleichbehandlung des sachlich Gleichen nicht vereinbar. Dabei geht es nicht nur um die Wettbewerbsgleichheit oder Chancengleichheit im Wettbewerb im Besonderen, sondern um die allgemeine Frage der sachlichen Gleichbehandlung bei Vorausurteilen. Allerdings kann nicht jedes Präjudiz oder jede neue Literaturmeinung genügen. Erforderlich ist eine „wesentliche Änderung“, wie das auch § 323 ZPO fordert. Diese muss derart sein, dass ernsthaft bezweifelt werden muss, dass das Erkenntnisgericht den Fall unter Einbeziehung der neuen Erkenntnis genauso entschieden hätte. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn Präjudizien oder sonstige Rechtsauffassungen, auf die sich das Urteil maßgeblich gestützt hat, aufgegeben werden. Darauf sind die Fälle aber nicht beschränkt. Es wird allgemein darauf abzustellen sein, ob sich gegenüber dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung Präjudizien oder gefestigte Literaturmeinungen so deutlich geändert haben, dass die Urteilsgründe nicht mehr als sinnvolle Auseinandersetzung mit diesen neuen Positionen gewertet werden können. Wenn sich also etwa die obergerichtliche Rechtsprechung in einem OLG Bezirk ändert, kann das gerade für ein rechtskräftiges landgerichtliches Urteil, das sich auf die aufgegebene Rechtsprechung stützt, ein statthafter Einwand sein. Eine geänderte gefestigte Literturmeinung ohne flankierende Änderung der Rechtsprechung wird demgegenüber rein praktisch selten als Änderungsgrund in Betracht kommen, wenn das auch rechtlich nicht ausgeschlossen ist. Sollte sich ein rechtskräftiges Urteil auf eine solche Auffassung gestützt haben und sich diese nachträglich insgesamt ändern, ohne dass die Rechtsprechung diese Rechtsfrage adressieren würde, so kann auch das als Abänderungsgrund in Betracht kommen. 650 Diese Ausweitung über die Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung hinaus ist auch im Schrifttum zu § 10 UKlaG (bzw. zur Vorgängernorm § 19 AGBG) vertreten worden, wird aber in der Literatur zur wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage nicht diskutiert. So sollen nicht nur abweichende Urteile des BGH in Verbandsklageverfahren,1701 sondern auch solche in Individualverfahren, welche nur inzidenter die Unwirksamkeit der Klausel feststellen, die Aufhebung des rechtskräftigen Urteils nach § 19 AGBG begründen, sofern das neue Urteil im Individualverfahren zu einer Änderung der Rechtspraxis führt.1702 Gleiches wird vereinzelt für Fälle einer „schleichenden Ände-

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1701 Es gilt als ausgemacht, dass der etwas unglückliche Wortlaut („logisches Monstrum“, Staudinger/Schlosser 13. Bearb. (1995), § 19 AGBG Rn. 7) des § 19 AGBG („eine Entscheidung...., welche die Verwendung dieser Bestimmung für dieselbe Art von Rechtsgeschäften nicht untersagt“), ein eine Verbandsklage gegen einen anderen Verwender aus sachlichen Gründen abweisendes Urteil meint, Staudinger/Schlosser a.a.O. 1702 Staudinger/Schlosser 13. Bearb. (1995), § 19 AGBG, Rn. 12: „Hat sich eine aus einem Individualprozeß hervorgegangene höchstrichterliche Rechtsansicht in der Rechtspraxis verfestigt, dann ist es einem Einzelunternehmer ebenfalls nicht mehr zumutbar, an einem abweichenden Unterlassungsurteil festgehalten zu werden.“ Ders. weist zugleich darauf hin, daß die Aufrechterhaltung im Individualverfahren nicht aufgrund der „kundenfreundlichsten Auslegung“ in Anwendung des § 5 AGBG erfolgt sein darf; insoweit findet im Verbandsklageverfahren der Grundsatz der „kundenfeindlichsten Auslegung“ Anwendung, vgl. Staudinger/Schlosser 13. Bearb. (1995), § 13 AGBG Rn. 23; Wolf/Horn/ Lindacher 4. Aufl. (1999), AGBG, § 19 Rn. 15, sofern das die Unwirksamkeit der Klausel incidenter feststellende Urteil nicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalls abstellt; ebenso MünchKommBGB/ Gerlach 3. Aufl. (1998), § 19 AGBG Rn. 15; a.A. etwa Ulmer/Brandner/Hensen 9. Aufl. (2001), AGBG, § 19 Rn. 8.

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VIII. Rechtskraft

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

rung“ der Rechtspraxis vertreten. In beiden Fällen fordere der Zweck der Gleichbehandlung der Wettbewerber eine analoge Anwendung des § 19 AGBG.1703 Im Übrigen kann nicht nur ein „Wandel“ der Rechtsprechung eine taugliche Einwendung bilden. Auch eine erstmalige Klärung muss insofern ausreichen. Entscheidend ist aber, dass sich eine eindeutige Änderung manifestiert und nicht lediglich eine bereits zur Zeit des Erkenntnisverfahrens geführte rechtliche Diskussion fortsetzt. (3) Zum maßgeblichen Zeitpunkt. Ferner ist die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts zu klären: Ist der Schuldner gemäß § 767 Abs. 2 ZPO mit neuen Präjudizien präkludiert, die zum Schluss der mündlichen Verhandlung bereits verkündet, aber noch nicht veröffentlich waren? Nach Schilken liege eine nachträglich ergangene höchstrichterliche Entscheidung im Sinne des § 10 UKlaG (vormals § 19 AGBG) nur vor, wenn diese selbst nach Erlass des rechtskräftigen Urteils, d.h. nach dessen Verkündung, nicht nach Rechtskraft, verkündet wurde; § 767 Abs. 2 ZPO sei auf neue Tatsachen zugeschnitten und passe bei § 19 AGBG nicht, weil der Grundsatz „iura novit curia“ bis zur Verkündung der Entscheidung (im Verbandsklageverfahren) einschlägig sei.1704 Nach anderer Auffassung ist hingegen entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO der Schluss der mündlichen Verhandlung maßgeblich.1705 Nach wieder anderer Auffassung kommt es darauf an, ob die Entscheidung im Verfahren nach § 19 AGBG dem Gericht bereits „bekannt“ war.1706 Ferner wird vertreten, es komme auf die „Zugänglichkeit“ der Entscheidung im Verbandsklageverfahren an,1707 wobei teilweise als Maßstab der Zeitpunkt der Eintragung in das Register des Bundeskartellamts nach § 20 AGBG herangezogen wird.1708 Richtigerweise ist auf den Schluss der mündlichen Verhandlung im Erstprozess, also auf § 767 ZPO, und nicht auf die Verkündung des abzuändernden Urteils abzustellen. Nur bis zu diesem Zeitpunkt können sich die Parteien mit den verfügbaren rechtlichen Materialien auseinanderzusetzen. Der Grundsatz „iura novit curia“ verdeckt insoweit, dass auch das vom Gericht angewendete materielle Recht, der konkrete Rechtssatz im technischen Sinne (Fallnorm), erst gemeinsam mit den Parteien im Verfahren „erarbeitet“ wird. Allerdings ist hier die Ausnahme zu machen, dass der Schluss der Verhandlung in der Revisionsinstanz maßgeblich ist, sofern ein Revisionsverfahren durchgeführt wurde. Entscheidend ist dabei, wie ich an anderer Stelle schon begründet habe,1709 ob das neue Präjudiz zu diesem Zeitpunkt mit seinen Gründen schon veröffentlicht war; die „Autorität“ eines Präjudiz’ nährt sich ausschließlich aus der Überzeugungskraft der vom Gericht gegebenen Begründung und diese müssen zugänglich gewesen sein, wenn das

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1703 Staudinger/Schlosser 13. Bearb. (1995), § 19 AGBG Rn. 13: „Auch dann können Situationen eintreten, in welchen es dem verurteilten Beklagten aus Konkurrenzgründen füglich nicht zugemutet werden kann, sich als einziger auf dem Markt iSd gegen ihn erlassenen Gerichtsentscheidung zu verhalten.“; ebenso Wolf/Horn/Lindacher AGBG, § 19 Rn. 16 bei Herausbildung eines „festgefügte[n] conträre[n] Richterrecht[s]“. 1704 Schilken Verfahrensrechtliche Probleme nach dem AGB-Gesetz, S. 106 f.; dem folgend Ulmer/ Brandner/Hensen 9. Aufl. (2001), AGBG, § 19 Rn. 10. 1705 Palandt/Heinrichs 60. Aufl. (2001), § 19 AGBG Rn. 4b. 1706 Staudinger/Schlosser 13. Bearb. (1995), § 19 AGBG Rn. 11. 1707 MünchKommBGB/Gerlach 3. Aufl. (1998), § 19 AGBG Rn. 18: „Möglichkeit zur Kenntnisnahme durch die Partei oder ihren Prozeßvertreter“. 1708 So etwa Kellner Probleme um die Vollstreckungsabwehrklage nach § 19 AGBG (Diss. 1979) S. 65 f.; dem folgend Wolf/Horn/Lindacher ABGB, 4. Aufl. (1999), § 19 Rn. 18. 1709 Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 222 f.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Präjudiz als Vorentscheidung des heute geltenden Rechts die Rechtsanwendung prägen soll. 655

(4) Zum zulässigen Rechtsbehelf. Ob man hierfür die Vollstreckungsgegenklage1710 oder die Abänderungsklage1711 als einschlägigen Rechtsbehelf wertet, ist letztlich eine formale Frage. Meines Erachtens ist die Abänderungsklage der zutreffende Rechtsbehelf. Dort ist das „Wesentlichkeitskriterium“ ausdrücklich gesetzlich geregelt. Ferner ist dort die Abänderung auf den Zeitpunkt der Klageerhebung begrenzt (§ 323 Abs. 3 ZPO). Auch das ist eine sinnvolle Beschränkung. Ähnlich kommt es bei vertraglichen Unterwerfungserklärungen auf den Zeitpunkt der Kündigung an. IX. Erledigung der Hauptsache IX. Erledigung der Hauptsache Grosch

Schrifttum Becker-Eberhard § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO – Die Neueröffnung der Debatte um die richtige Behandlung der einseitigen Erledigungserklärung, FS Gerhard (2004) 25; Bergerfurth Erledigung der Hauptsache im Zivilprozess, NJW 1992, 1655; Bernreuther Zusammentreffen von Unterlassungserklärung und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, GRUR 2001, 400; Borck Wieso erledigt die Unterwerfungserklärung den Unterlassungsanspruch? WRP 1974, 372; ders. Erledigung der Hauptsache durch Unterwerfung zu Gunsten Dritter? WRP 1978, 7; ders. Die einseitige Erledigungserklärung im Unterlassungsrechtsstreit, WRP 1987, 8; Bornkamm Unterlassungstitel und Wiederholungsgefahr, FS Tilmann (2003) 769; Erdmann Die zeitliche Begrenzung des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes, FS Vieregge (1995) 197; Fritsche Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage (2000); Lange Erledigungserklärung und Erledigungsfeststellungsantrag NJW 2001, 2150; Peters Die Einrede der Verjährung als ein den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigendes Ereignis, NJW 2001, 2289; Rüßmann Die Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile, FS Lüke (1997) 675; Teplitzky Die Rechtsfolgen der Ablehnung einer strafbewerten Unterlassungserklärung, GRUR 1983, 609; ders. Unterwerfung oder Unterlassungsurteil, WRP 1996, 171; Ulrich Die Erledigung der Hauptsache im Wettbewerbsprozeß, GRUR 1982, 14; ders. Die „Erledigung“ des einstweiligen Verfügungsverfahrens durch nachlässige Prozessführung, WRP 1990, 651.

1. 2.

Systematische Übersicht Historie und Systematik der Erledigung der Hauptsache ____ 656 Die übereinstimmende Erledigungserklärung ____ 659 a) Die Erklärung ____ 660 b) Wegfall der Rechtshängigkeit ex tunc ____ 661 c) Entfallen von Vollstreckungstiteln und zeitlich beschränkte Erledigungserklärung ____ 662 d) Kein Ausschluss eines neuen Verfahrens ____ 663 e) Kostenentscheidung ____ 664

_____

3.

Einseitige Erledigungserklärung ____ 666 a) Feststellungsverfahren ____ 666 b) Zeitpunkt und Änderbarkeit ____ 667 c) Hilfsweiser Erledigungsstreit? ____ 668 aa) Rechtsprechung des BGH ____ 668 bb) Stellungnahme ____ 669 d) Streitgegenstand des Verfahrens ____ 670 e) Erledigendes Ereignis ____ 671 aa) Allgemeines ____ 671 bb) Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses ____ 672

1710 So jetzt die h.L.; vgl. BGH NJW 2008, 1446 m.w.N zu dieser Meinung in Tz. 10; BGH 2.7.2009 – I ZR 146/07, GRUR 2009, 1096, 1098 Tz. 17 und 23 – Mescher weis; aus der Literatur etwa Schuschke/Walker/ Raebel § 767 Rn. 6 und Teplitzky Kap. 57 Rn. 55 und 57 und früher schon Ulrich WRP 2000, 1054, 1056 mit älteren Nachweisen in Fn. 22. 1711 Vgl. dazu die Darstellungen bei Ulrich WRP 2000, 1054 f. unter III und IV und Teplitzky Kap. 57 Rn. 56, jeweils m.w.N.

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IX. Erledigung der Hauptsache

cc) dd) ee) ff) gg)

hh) ii)

Ereignisse aus dem Verantwortungsbereich des Klägers ____ 673 Erledigung des Hauptantrages ____ 674 Unterlassungsverpflichtungserklärung ____ 675 Einstweilige Verfügung mit Abschlusserklärungen ____ 678 Nachträglicher Fortfall des Feststellungsinteresses bei Feststellungsklagen ____ 679 Vergleichsabschluss ____ 680 Erfüllung des Anspruchs ____ 681

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

f)

jj) Stufenklage ____ 682 kk) Erledigung durch Zeitablauf ____ 683 ll) Gesetzesänderungen ____ 688 mm) Rechtsprechungsänderung ____ 689 nn) Verlust des wirtschaftlichen Interesses ____ 694 Kostenentscheidung ____ 695 aa) Allgemeines ____ 695 bb) Beispiele ____ 696 cc) Rechtsbeschwerde gegen Kostenentscheidungen ____ 697

1. Historie und Systematik der Erledigung der Hauptsache Eine dezidierte Regelung zur Erledigung der Hauptsache war in der ZPO nicht vorge- 656 sehen. Erst lange nach Inkrafttreten der ZPO1712 wurde mit § 91a ZPO eine teilweise Normierung der Erledigung aufgenommen, die sich jedoch nur mit der Kostentragung bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen befasst. Aufgrund des partiellen Regelungscharakters des § 91a ZPO sind die systematischen Grundfragen nicht abschließend beantwortet, so dass sich an vielen Stellen unterschiedliche Meinungen ausmachen lassen,1713 die hier aber im wesentlich nur diskutiert werden, sofern sie für den Wettbewerbsprozess praktisch erheblich sind. Tritt nach Rechtshängigkeit ein Ereignis ein, durch das die Klage unzulässig oder 657 unbegründet wird (erledigendes Ereignis), so muss der Kläger – will er eine kostenpflichtige Abweisung seiner Klage vermeiden – darauf reagieren, indem er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache meint in diesem Zusammenhang nicht, dass die Erledigung auf ein Hauptsacheverfahren beschränkt wäre. Die Grundsätze gelten für jedes kontradiktorische Verfahren, das der Parteiherrschaft unterliegt und einer Kostengrundentscheidung bedarf, und damit auch für den einstweiligen Rechtsschutz.1714 Für die Anwendung der nachfolgenden Regeln ist einzig und allein entscheidend, ob die Erledigung eine Hauptsache in Abgrenzung zu einer bloßen Nebenentscheidung betrifft.1715 Im Verfügungsverfahren meint „Hauptsache“ dabei den prozessualen Anspruch (§ 322 ZPO) auf Sicherung des materiellen Anspruchs, so dass eine Erledigungserklärung im Verfügungsverfahren auf dieses zu beschränken ist und keine Wirkung für ein entsprechendes Hauptsacheverfahren hat, und vice versa.1716 Erklärt der Kläger oder Antragsteller den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, 658 so unterscheiden sich die Folgen der Erklärung grundlegend danach, ob sich der Beklagte oder Antragsgegner der Erklärung anschließt (übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien) oder nicht (einseitige Erledigungserklärung).

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1712 Dritte VereinfachungsVO vom 16.5.1942, RGBl. I, 333, Neubekanntmachung der ZPO i.d.F. der Bek. v. 12.9.1950 (BGBl. I S. 533). 1713 Vgl. MünchKommZPO/Lindacher § 91a Rn. 1 ff.; Musielak/Lackmann § 91a, Rn. 9; Teplitzky Kap. 46 Rn. 33; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 268; Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 1. 1714 Zur direkten oder entsprechenden Anwendung von § 91a ZPO in verschiedenen Verfahrensarten, die diesen Voraussetzungen gerecht werden, vergleiche insbesondere Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 7; Musielak/Lackmann § 91a Rn. 2 ff.; zur einstweiligen Verfügung siehe v.a. Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 58. 1715 Vgl. nur Ahrens/Singer Kap. 54 Rn. 5. 1716 Ahrens/Singer Kap. 54 Rn. 5 a.E.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

2. Die übereinstimmende Erledigungserklärung 659

Schließt sich der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers an, so liegt eine übereinstimmende (beidseitige) Erledigungserklärung vor. § 91a ZPO regelt wörtlich nur die beidseitige Erledigungserklärung. Von übereinstimmenden Erklärungen ist dabei nach § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO auch dann auszugehen, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, sofern der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist. a) Die Erklärung

660

Die Erledigungserklärung ist Prozesshandlung. Sie ist eine Erwirkungshandlung, sie ist also bis zur Zustimmung des Beklagten frei widerruflich. Die übereinstimmende Erledigungserklärung, also nach Zustimmung des Beklagten, gestaltet das Prozessrechtsverhältnis hingegen um (dazu sogleich) und ist insofern unwiderruflich und nicht anfechtbar.1717 Da es sich um eine Prozesshandlung handelt, sind nach ständiger BGHRechtsprechung die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften über Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln nicht entsprechend anwendbar. Als Prozesshandlung kann die Erledigungserklärung nach Zustimmung des Beklagten nur bei Vorliegen eines Restitutionsgrundes im Sinne des § 580 ZPO widerrufen werden.1718 Insofern ist die Erledigungserklärung auch bedingungsfeindlich. Eine hilfsweise erklärte Erledigung der Hauptsache, die für den Fall der Abweisung des Hauptantrages abgegeben wird, ist deshalb unzulässig.1719 Sie kann aber in einen hilfsweisen Antrag auf teilweise Aufhebung eines Titels umzudeuten sein, nämlich auf zeitlich beschränkte Aufhebung nach dem Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses. Das hat Bedeutung für die Fälle, in denen einem Titel bereits zuwidergehandelt wurde und der Kläger nach seiner Hauptposition den Eintritt des erledigenden Ereignisses verneint, aber hilfsweise jedenfalls eine Aufhebung des Unterlassungstitels nur für die Zeit nach dem Eintritt des erledigenden Ereignisses erreichen will (dazu unten Rn. 662). b) Wegfall der Rechtshängigkeit ex tunc

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Die übereinstimmende Erledigungserklärung führt genauso wie die Klagerücknahme eo ipso zum Wegfall der Rechtshängigkeit ex tunc. Sie ist Ausfluss der Dispositionsmaxime der Parteien.1720 Insofern prüft das Gericht bei übereinstimmender Erledigungserklärung nicht, ob ein erledigendes Ereignis tatsächlich eingetreten ist.1721 Deshalb wird die übereinstimmende Erledigungserklärung in der Praxis im Rahmen einer vergleichsweisen Beilegung oft auch als Alternative zur Klagerücknahme gewählt. Die überein-

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1717 BGH 14.5.2013 – II ZR 262/08, MDR 2013, 927 Tz. 7. 1718 BGH 14.5.2013 – II ZR 262/08, MDR 2013, 927 Tz. 7; BGH 13.12.2006 – XII ZB 71/04, NJW 2007, 1460 Tz. 13; MünchKommZPO/Lindacher § 91a Rn. 37; Stein/Jonas/Bork § 91a Rn. 22. 1719 BGH 16.3.2006 – I ZR 92/03, GRUR 2006, 879, 880 Tz. 20 – Flüssiggastank; BGH 8.2.1989, BGHZ 106, 359, 368 ff. = NJW 1989, 2885; BGH 19.3.1998, GRUR 1998, 1045, 1046 = WRP 1998, 739 – Brennwertkessel. 1720 BGH 23.2.2012 – I ZB 28/11, WRP 2012, 829 Tz. 8 f.; Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 8. 1721 BGH 8.2.1989, BGHZ 106, 359, 366 = NJW 1989, 2885, 2886; BGH 15.1.1982, BGHZ 83, 12 = NJW 1982, 1598; MünchKommZPO/Lindacher § 91a Rn. 29; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 268; a.A. nur Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 91a Rn. 3, 68 mit Verweis auf die Pflicht des Gerichts zur Kostenregelung anhand des (zuvor ermittelten) Streitstandes.

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IX. Erledigung der Hauptsache

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

stimmende Erledigungserklärung kann in jedem Stadium des Verfahrens ab Klageeinreichung (Anhängigkeit),1722 also auch noch während des Revisionsverfahrens1723 und im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde1724 erklärt werden. Zu differenzieren ist jedoch der Zeitpunkt der Erklärungsabgabe vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erklärung. Das Wirksamwerden der Erklärung setzt nach vorherrschender Auffassung ein Prozessverhältnis voraus und kann daher nicht mit bloßer Anhängigkeit, sondern erst mit Rechtshängigkeit eintreten.1725 Von beiden Zeitpunkten wiederum ist der Moment des Eintritts einer materiell-rechtlichen Erledigung zu unterschieden. Wie bereits beschrieben, wird das tatsächliche Vorliegen eines erledigenden Ereignisses bei übereinstimmender Erledigungserklärung qua Dispositionsmaxime nicht geprüft; dementsprechend ist auch der Eintrittszeitpunkt irrelevant.1726 Er kann bereits vor Anhängigkeit liegen.1727 c) Entfallen von Vollstreckungstiteln und zeitlich beschränkte Erledigungserklärung Die beiderseitige Erledigungserklärung führt neben der Prozessbeendigung in der 662 Hauptsache – der Prozess bleibt lediglich hinsichtlich der Kosten rechtshängig – grundsätzlich zum Entfallen eines in dem Verfahren ergangenen, noch nicht rechtskräftigen Titels.1728 Dieser Titel kann keine Grundlage für die Zwangsvollstreckung mehr sein, auch wenn die Zuwiderhandlung bereits vor dem erledigenden Ereignis oder der Abgabe der Erklärungen lag.1729 Das ist für den Fall der übereinstimmenden, unbeschränkten Erledigungserklärung zwingend, weil es für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes als Maßnahme der Zwangsvollstreckung zum Zeitpunkt der Festsetzung eines Titels bedarf, §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO.1730 Der Kläger kann aber die Erledigungserklärung zeitlich auf den Zeitraum nach Eintritt des erledigendes Ereignisses beschränken (eingeschränkte Erledigungserklä rung), wenn vorangegangene Verstöße noch geahndet werden sollen.1731 Ist in diesem

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1722 Musielak/Lackmann § 91a Rn. 15; Thomas/Putzo/Hüßtege § 91a Rn. 14. 1723 BGH 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, NJW 1989, 2885, 2887; BGH 24.10.2011 – IX ZR 244/09, NJW-RR 2012, 688; Thomas/Putzo/Hüßtege § 91a Rn. 8; Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 18; Teplitzky Kap. 46 Rn. 43 m.w.N.; Gottwald Die Revisionsinstanz als Tatsacheninstanz (1975), 388 f. 1724 BGH 1.3.2007 – I ZR 249/02, GRUR 2007, 448 – LottoT; BGH 11.2.2010 – I ZR 154/08, WRP 2010, 759, 760 – Firmenbestandteil „Bundesdruckerei“; Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 18; MünchKommZPO/Lindacher § 91a Rn. 43. 1725 OLG Nürnberg 27.5.1975, NJW 1975, 2206, 2207; OLG Brandenburg 2.8.2000 – 9 WF 90/00, NJW-RR 2001, 1436, 1436 f.; eine a.A. vertritt jedoch bei übereinstimmender Erledigungserklärung vor Rechtshängigkeit einen stillschweigenden Verzicht auf Klagezustellung durch den Beklagten, vgl. OLG Köln 9.3.2000 – 7 W 3/00, NJW-RR 2000, 1456. 1726 Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 12 f. 1727 Bergerfurth NJW 1992, 1655, 1655 f.; Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 16 f. 1728 BGH 12.4.2011 – VI ZB 44/10, MDR 2011, 810; BGH 23. 2. 2012 – I ZB 28/11, WRP 2012, 829 Tz. 8; Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 12; Thomas/Putzo/Hüßtege § 91a Rn. 17. 1729 H.M. BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 266 sub 5b aa) – Euro-Einführungsrabatt; BGH 23.2.2012 – I ZB 28/11, WRP 2012, 829 Tz. 8. 1730 BGH 23.10.2003 – Euro-Einführungsrabatt, a.a.O.; OLG Hamm 18.4.1989, GRUR 1990, 306 ff.; OLG Köln 28.1991, GRUR 1992, 476, 477 – Rückzahlung von Ordnungsgeld; ebenso bereits Baur JZ 1967, 763, 764 l. Sp.; Musielak/Lackmann § 890 Rn. 16; Zöller/Stöber § 890 Rn. 25 f.; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 27; Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 132 f.; a.A. etwa OLG Düsseldorf 29.8.1994 – 2 W 75/94; Vorauflage/ Jestaedt Vor § 13 E Rn. 74; zum Meinungsstand vor Euro-Einführungsrabatt ausführlich Ahrens/Ahrens Kap. 66 Rn. 23–26. 1731 BGH 23.10.2003 – Euro-Einführungsrabatt, a.a.O. S. 266 sub cc) (1); OLG Hamm 18.4.1989, a.a.O.; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 28; Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 134.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Fall bereits ein Titel ergangen, bleibt er für die Vergangenheit bestehen und kann als Grundlage für die Zwangsvollstreckung herangezogen werden.1732 Die Erledigungserklärung ist dabei nach den Umständen des Einzelfalls auszulegen und deshalb wird eine zeitliche Beschränkung als erklärt anzusehen sein, wenn das den berechtigten Gläubigerinteressen entspricht, auch wenn es nicht ausdrücklich erklärt worden sein mag.1733 Für die weiteren Einzelheiten des Streitstandes ist auf die Kommentierung zur Unterlassungsvollstreckung zu verweisen (Rn. 813 ff., bes. Rn. 818). Wie oben bereits gesagt, muss es dem Kläger möglich sein, diese Position auch hilfsweise geltend zu machen, also in erster Linie zu vertreten, dass kein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Ob sich der Beklagte dieser so verstandenen Erklärung anschließen will, ist ebenfalls durch Auslegung zu ermitteln, weil der Beklagte eine Möglichkeit haben muss, den Vollstreckungstitel insgesamt zu beseitigen. Geht der Beklagte also davon aus, dass die Klage auch vorher unzulässig oder unbegründet war, so stellt er insofern einen Abweisungsantrag und es ist über die Kosten nach § 91 ZPO zu entscheiden. Die Kostenentscheidung für den für erledigt erklärten Teil richtet sich in diesem Fall nach der Kostenentscheidung aus § 91a ZPO. d) Kein Ausschluss eines neuen Verfahrens 663

Genau wie bei der Klagerücknahme schließt die Beendigung des Verfahrens durch übereinstimmende Erledigungserklärung ein neues Verfahren nicht aus. Abweichendes kann sich allein aus einem zugrundeliegenden Vergleich ergeben. In solchen Regelungen ist es üblich, dass die Parteien auf eine Kostenentscheidung verzichten oder diese nach einer vorher getroffenen Regelung beantragen. In diesen Fällen prüft das Gericht dann nicht, wer nach § 91 a ZPO die Kosten zu tragen hat. Deshalb ermäßigen sich die Gerichtsgebühren genau wie bei der Klagerücknahme (vgl. KV 1211 Nr. 4 für den ersten Rechtszug). e) Kostenentscheidung

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Erklären die Parteien nicht den Verzicht auf eine Kostenregelung oder geben diese nicht vor, so muss das Gericht für die Kostenentscheidung summarisch und nach billigem Ermessen auf der Basis des bis zur Erledigungserklärung verfügbaren Sach- und Streitstandes prüfen, welchen Ausgang das Verfahren ohne die Erledigungserklärung genommen hätte. Dabei ist das Gericht nicht gezwungen, schwierige Rechtsfragen grundsätzlicher Art abschließend zu entscheiden.1734 Es genügt eine summarische Prüfung und die Feststellung einer „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“.1735 Der tatsächliche Streitstand bei Eingang der Zustimmung zur Erledigungserklärung ist maßgebend. Anschließender neuer Vortrag ist in der Regel nicht zu berücksichtigen. Auch eine Beweisaufnahme wird in der Regel nicht in Betracht kommen, ist aber in Ausnahmefällen nicht ausgeschlossen.1736

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1732 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 266 ff. – Euro-Einführungsrabatt; Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 12. 1733 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 266 ff. – Euro-Einführungsrabatt. 1734 BGH 28.10.2008 – VIII ZB 28/08, NJW-RR 2009, 422 Tz. 5; BGH 7.10.2008 – XI ZB 24/07, NJW-RR 2009, 425 f. Tz. 9. 1735 BGH 16.9.1993 – V ZR 246/92, NJW 1994, 256 f.; BGH 16.11.1999 – KVR 10/98, BB 2000, 482, 483; BGH 8.6.2005 – XII ZR 177/03, BGHZ 163, 195, 197 = NJW 2005, 2385; Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 26a. 1736 Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 26; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.34.

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IX. Erledigung der Hauptsache

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Im Rahmen des § 91a ZPO gilt nach ganz herrschender Auffassung auch der Rechts- 665 gedanke des § 93 ZPO.1737 Das gilt insbesondere für die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung des Beklagten nach Rechtshängigkeit. Hatte der Kläger den Beklagten vorgerichtlich nicht abgemahnt, also nicht zur Abgabe einer solchen Erklärung aufgefordert, so trägt der Kläger im Rahmen der Entscheidung nach § 91a ZPO die Kosten, wenn der Beklagte die Klage sofort anerkennt. Im Übrigen gilt § 93 ZPO auch reziprok zulasten des Beklagten, falls die durch das Verhalten des Beklagten objektiv veranlasste Klage von Anfang an unzulässig oder unbegründet war,1738 beispielsweise wenn dieser dem Kläger vor Klageeinreichung verschwiegen hat, dass er sich einem Dritten unterworfen hatte und dadurch die Wiederholungsgefahr weggefallen war.1739 3. Einseitige Erledigungserklärung a) Feststellungsverfahren Erklärt der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und schließt der 666 Beklagte sich dem nicht an, so kommt es zu einem Feststellungsstreit. Die Erklärung des Klägers wird dann in einen Feststellungsantrag umgedeutet, der darauf gerichtet ist, festzustellen, dass die Klage in der Hauptsache erledigt ist, dass also die ursprünglich zulässige und begründete Klage durch den Eintritt eines erledigenden Ereignisses nach Rechtshängigkeit unzulässig oder unbegründet geworden ist1740 (Klageänderungstheorie).1741 Es handelt sich dabei nach der vorherrschenden Ansicht um eine nach § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässige Klageänderung (Beschränkung).1742 b) Zeitpunkt und Änderbarkeit Die Erledigung kann grundsätzlich in allen Verfahrensstadien abgegeben werden, 667 auch noch im Revisionsverfahren, jedenfalls dann, wenn das erledigende Ereignis als solches außer Streit steht.1743 Dieses Feststellungsverfahren ist auch im einstweiligen

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1737 BGH 9.2.2006 – IX ZB 160/04, NJW-RR 2006, 773, 774, Tz. 9; Musielak/Lackmann § 91a Rn. 23; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.34; Teplitzky Kap. 46 Rn. 49 m.w.N. in Fn. 272–276. 1738 MünchKommZPO/Lindacher § 91a Rn. 48; Musielak/Lackmann § 91a Rn. 23. 1739 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.34. 1740 BGH 15.1.1982, BGHZ 83,12 = NJW 1982, 1598; BGH 6.12.1984, NJW 1986, 589, 598; OLG Hamm 5.9.1989, GRUR 1989, 931, 932 – Vollziehungsfrist; OLG Köln 28.5.1986, WRP 1987, 55, 56; BGH 19.10.1989, GRUR 1990, 381 – Antwortpflicht des Abgemahnten; BGH 27.2.1992, GRUR 1992, 474, 475 – btx Werbung II; BGH 18.4.2002 – I ZR 72/99, GRUR 2002, 1074, 1075 – Original Oettinger; BGH 18.12.2003 – I ZR 84/01, GRUR 2004, 349 – Einkaufsgutschein II; BGH 19.5.2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855, 856 – Folienrollos; Stein/Jonas/Bork § 91a Rn. 5. 1741 St. Rspr. BGH 26.5.1994 – I ZB 4/94, NJW 1994, 2363, 2364; BGH 7.6.2001 – I ZR 157/98, NJW 2002, 442, 442. Für die h.L. Bergerfurth NJW 1992, 1655, 1658; Thomas/Putzo/Hüßtege § 91a Rn. 32; Zöller/ Vollkommer § 91a Rn. 34; Teplitzky Kap. 46 Rn. 33 m.w.N. in Fn. 186. A.A.: Einordnung als ein Klageverzicht (OLG München 4.2.1957, MDR 1957, 298, 298; Lindacher JurA 1970, 687, 705) oder ein Institut sui generis, das lediglich einen Zwischenstreit über den Fortgang des Verfahrens auslöst (MünchKommZPO/Lindacher § 91a Rn. 75 ff. und 91 ff.). 1742 St. Rspr.: BGH 7.6.2001 – I ZR 157/98, NJW 2002, 442, 442; BGH 19.6.2008 – IX ZR 84/07, NJW 2008, 2580 Tz. 8; OLG Nürnberg 9.3.1987 – 9 W 3496/86, NJW-RR 1987, 1278. Für die h.L.: Bergerfurth NJW 1992, 1655, 1658; Zöller/Greger § 264 Rn. 4a; Musielak/Lackmann § 91a Rn. 29; Knöringer JuS 2010, 569, 570. A.A. gegen eine Anwendung des § 264: Mössner NJW 1970, 175, 176 (statt dessen für Zulässigkeit der Klageänderung kraft Gewohnheitsrechts); Lüke FS Weber (1975) 323, 332 (statt dessen aufgrund Ermessensreduzierung auf Null zwingende Zulassung als sachdienlich i.S.d. § 263). 1743 BGH 18.12.2003 – I ZR 84/01, GRUR 2004, 349 – Einkaufsgutschein II.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Verfügungsverfahren zulässig.1744 Von der einseitigen Erledigungserklärung geht keine unmittelbar prozessgestaltende Wirkung aus, solange sich der Beklagte dieser nicht angeschlossen hat. Der Kläger kann diese mithin jederzeit widerrufen. Hat der Beklagte dieser widersprochen und der Kläger damit seinen Antrag in den Feststellungsantrag geändert, kann er gemäß § 264 Nr. 2 ZPO in jeder Lage des Verfahrens wieder zu seinen ursprünglichen Anträgen zurückkehren, solange das Gericht noch keine Entscheidung über die Erledigung der Hauptsache getroffen hat.1745 c) Hilfsweiser Erledigungsstreit? 668

aa) Rechtsprechung des BGH. Wie bereits oben gesagt, ist die einseitige Erledigungserklärung bedingungsfeindlich. Nach der Rechtsprechung des BGH1746 fehlt einem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag, wonach die Hauptsache erledigt ist, regelmäßig das Feststellungsinteresse, weil die günstige Kostenfolge der Entscheidung wegen der Abweisung des Hauptantrages nicht mehr zu erreichen ist.1747

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bb) Stellungnahme. Diese Diskussion ist etwas verkürzt und berücksichtigt die klägerischen Interessen nicht vollständig, weil sie der zeitlichen Dimension des Unterlassungsantrages und des Unterlassungstitels nicht Rechnung trägt: Insofern hat der II. Zivilsenat in seiner aktienrechtlichen Entscheidung zu Recht die Frage gestellt, ob nicht ausnahmsweise ein über den Kostenpunkt hinausgehendes Interesse an der Feststellung der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage bis zum erledigenden Ereignis besteht.1748 Das hat der BGH im entschiedenen Fall verneint, weil im aktienrechtlichen Anfechtungsprozess gemäß § 244 S. 2 AktG eine zeitlich beschränkte Nichtigkeitserklärung möglich ist, was dem gegebenenfalls bestehenden rechtlichen Interesse des Klägers Rechnung trägt.1749 Die Ratio dieser Begründung ist gerade auch im Unterlassungsprozess von Bedeutung. Typisch ist etwa die Situation, in der nach Ergehen einer Beschlussverfügung zunächst vom Schuldner gegen den Titel verstoßen und dann mit dem Widerspruch eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben wurde. Hält der Kläger/ Gläubiger die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung – aus welchen Gründen auch immer – als zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht geeignet, so muss er an seinem Hauptantrag (Antrag auf Bestätigung der Beschlussverfügung) festhalten. Das Gericht mag das aber anders sehen und müsste dann die einstweilige Verfügung aufheben, was die Problematik des Erfordernisses des Vollstreckungstitels für den Antrag nach § 890 ZPO zur Folge hat. Hält der Gläubiger die Unterlassungsverpflichtungserklärung für ausreichend, wird dem dadurch Rechnung getragen, dass er die Hauptsache zeitlich beschränkt für erledigt erklären kann (dazu Rn. 815). Das Ergebnis muss aber

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1744 Ahrens/Ahrens Kap. 61 Rn. 37 ff. m.w.N. 1745 BGH 7.6.2001 – I ZR 157/98, GRUR 2002, 287 = WRP 2002, 94, 95 – Widerruf der Erledigungserklärung. 1746 BGH 16.3.2006 – I ZR 92/03, GRUR 2006, 879, 880 Tz. 20 – Flüssiggastank; anders noch die Überlegungen des ersten Senats in BGH 8.2.1989, BGHZ 106, 359, 368 ff. = NJW 1989, 2885; BGH 19.3.1998, GRUR 1998, 1045, 1046 = WRP 1998, 739 – Brennwertkessel; ebenso für die aktienrechtliche Anfechtungsklage: BGH 8.2.2011 − II ZR 206/08, NJW-RR 2011, 618 f. Tz. 22 – Wella; dem folgend Zöller/ Vollkommer § 91a Rn. 35; Stein/Jonas/Bork § 91a Rn. 19 und 52; MünchKommZPO/Lindacher § 91a Rn. 80; a.A. BGH 19.3.1998, NJW-RR 1998, 1572 f. 1747 Zur Entwicklung der BGH-Rechtsprechung ausführlich Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 33 bis 35 und Teplitzky Kap. 46 Rn. 41–42a. 1748 BGH 8.2.2011 − II ZR 206/08, NJW-RR 2011, 618 f. Tz. 22 – Wella. 1749 BGH 8.2.2011 – Wella, a.a.O.

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IX. Erledigung der Hauptsache

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

auch erreichbar sein, wenn der Kläger die Erklärung nach seiner primären Position nicht für ausreichend hält. Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass der Kläger hilfsweise die zeitlich beschränkte Aufhebung der Beschlussverfügung seit der Abgabe der strafbewerten Unterlassungsverpflichtungserklärung beantragt. Ein hilfsweise gestellter Erledigungsantrag oder eine hilfsweise Erledigungsklärung ist entsprechend zu deuten, jedenfalls hat das Gericht den Kläger auf die Stellung eines sachdienlichen Antrages hinzuweisen und darauf hinzuwirken, § 139 Abs. 1 ZPO. Nichts anderes gilt für die Antragstellung in der Rechtsmittelinstanz. d) Streitgegenstand des Verfahrens Der Streitgegenstand der Feststellungsklage, wonach sich die Hauptsache erledigt 670 hat, erfasst nach der Rechtsprechung des BGH auch die vormals geltend gemachten Ansprüche. Die Leistungsansprüche, die der Kläger für erledigt hält, kann dieser also nicht ohne Verstoß gegen § 261 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor einem anderen Gericht anhängig machen.1750 e) Erledigendes Ereignis aa) Allgemeines. Ein erledigendes Ereignis ist ein solcher Umstand, der eine ur- 671 sprünglich zulässige und begründete Klage unzulässig oder unbegründet macht.1751 Im Wettbewerbsprozess sind das primär Ereignisse, die das Rechtsschutzbedürfnis (Zulässigkeit) oder die Begehungs- bzw. Wiederholungsgefahr (Begründetheit) der Klage betreffen. bb) Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses. Das erledigende Ereignis muss vor 672 der Erledigungserklärung liegen.1752 Tritt ein erledigendes Ereignis zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit ein, so kann der Kläger seit 1.1.2002 die Klagerücknahme erklären und nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO eine Kostenfolge nach denselben Grundsätzen wie in § 91a ZPO herbeiführen. Es handelt sich insofern um eine privilegierte Klagerücknahme, bei der der Kläger anders als im Fall des § 91a ZPO einer Zustimmung des Beklagten nicht bedarf.1753 Der Streit um die Frage, ob die Erledigung bei einer bloß einseitigen Erklärung erst nach Rechtshängigkeit eingetreten sein muss, da es zuvor am Prozessrechtsverhältnis fehlt,1754 hat damit seine praktische Relevanz verloren und wird hier nicht erörtert.1755 cc) Ereignisse aus dem Verantwortungsbereich des Klägers. Nach herrschender 673 Auffassung ist das Vorliegen eines erledigenden Ereignisses unabhängig davon festzu-

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1750 BGH 19.2.2013 – X ZR 70/12, GRUR 2013, 1269, 1271 Tz. 17 – Wundverband. 1751 BGH 15.1.1982, BGHZ 83,12 = NJW 1982, 1598; BGH 6.12.1984, NJW 1986, 589, 598; OLG Hamm 5.9.1989, GRUR 1989, 931, 932 – Vollziehungsfrist; OLG Köln 28.5.1986, WRP 1987, 55, 56; BGH 19.10.1989, GRUR 1990, 381 – Antwortpflicht des Abgemahnten; BGH 27.2.1992, GRUR 1992, 474, 475 – btx Werbung II; BGH 18.4.2002 – I ZR 72/99, GRUR 2002, 1074, 1075 – Original Oettinger; BGH 18.12.2003, I ZR 84/01, GRUR 2004, 349 – Einkaufsgutschein II; BGH 19.5.2010, I ZR 177/07, GRUR 2010, 855, 856 – Folienrollos; Stein/ Jonas/Bork § 91a Rn. 5. 1752 BGH 27.2.1992 – I ZR 35/90, GRUR 1992, 474, 475 – btx Werbung II. 1753 Siehe hierzu Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 1. 1754 So die Rechtsprechung, BGH 19.10.1989, GRUR 1990, 381, 382 – Antwortpflicht des Abgemahnten; BGH 15.1.1982, BGHZ 83, 12 = NJW 1982, 1598. 1755 Siehe zum Streitstand Teplitzky Kap. 46 Rn. 40 m.w.N.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

stellen, ob dessen Eintritt in den Verantwortungsbereich des Klägers fällt oder von diesem herbeigeführt worden ist. Macht der Kläger eine Forderung geltend, gegen die die Erhebung der Einrede der Verjährung möglich ist, so bildete das – vom Kläger bei Klageerhebung in Kauf genommene – Erheben der Verjährungseinrede gleichwohl ein erledigendes Ereignis.1756 In diesem Sinne hat auch der BGH entschieden, dass der Wegfall des Titelschutzrechts, das die Grundlage der geltend gemachten Ansprüche bildete, durch Nichtbenutzung des Klägers ebenfalls – unabhängig von Billigkeitserwägungen – als erledigendes Ereignis einzuordnen ist.1757 Das überzeugt, weil den Billigkeitserwägungen mit Blick auf die Kostenentscheidung im Rahmen des § 91 a ZPO bestimmungsgemäß Rechnung getragen werden kann und muss,1758 wobei das allerdings von einer überwiegenden obergerichtlichen Linie verneint wird.1759 674

dd) Erledigung des Hauptantrages. Über einen Hilfsantrag ist regelmäßig auch zu entscheiden, wenn der Kläger den Hauptantrag für erledigt erklärt und es daraufhin zu keiner Entscheidung im Sinne des Hauptbegehrens kommt.1760

ee) Unterlassungsverpflichtungserklärung. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung ist im Wettbewerbsprozess immer noch1761 der praktisch häufigste Erledigungsgrund.1762 Die Erledigung im Rahmen einer Unterlassungsklage tritt mit Abgabe einer ausreichenden Unterwerfungserklärung durch den Wegfall der Wiederholungsgefahr ein.1763 Mit Wegfall der Wiederholungsgefahr wird die Klage unbegründet.1764 Mit Blick auf die Erledigung ist besonderes Augenmerk auf die sachliche Breite der 676 Unterwerfungserklärung zu richten. Die Reichweite der Unterwerfungserklärung darf nicht hinter der des geltend gemachten Anspruchs und damit des Streitgegenstandes zurückbleiben. Es müssen damit auch kerngleiche Abwandlungen erfasst sein, wenn diese auch vom Verbotsantrag und einem entsprechenden Tenor als miterfasst angesehen werden.1765 Die Reichweite der Unterwerfungserklärung ist dabei nach vertragsrecht675

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1756 BGH 27.1.2010 – VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422, 2422 ff.; OLG Frankfurt 8.2.2002 – 6 W 9/02, GRURRR 2002, 183, 183 m.w.N.; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.53; Peters NJW 2001, 2289, 2290; Piper/Ohly/ Sosnitza § 11 UWG Rn. 49; Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 15; MünchKommZPO/Lindacher § 91a Rn. 151; a.A.: Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 58, Stichwort „Verjährung“; Borck WRP 1987, 8, 12. 1757 BGH 13.5.1993, GRUR 1993, 769, 771 – Radio Stuttgart. 1758 Teplitzky Kap. 46 Rn. 38 a.E.; OLG Hamburg 5.11.1981, WRP 1982, 161; OLG Hamburg 24.11.1988, WRP 1989, 403; OLG Schleswig 3.9.1985, NJW-RR 1986, 38, 39; Melullis Rn. 242. 1759 OLG Celle 3.9.1986, GRUR 1987, 716; OLG Celle 5.4.2001 – 13 W 3/01, GRUR-RR 2001, 285 = OLGR 2001, 246; OLG Koblenz 25.6.1996, NJW-RR 1996, 1520; OLG Stuttgart 3.4.1996, WRP 1996, 799 = NJW-RR 1996, 1520. 1760 BGH 3.7.2003 – I ZR 270/01, GRUR 2003, 903 = WRP 2003, 1138 – ABC der Naturheilkunde. 1761 So schon Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 270. 1762 Siehe auch Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 3. 1763 BGH 8.3.1990, GRUR 1990, 530, 532 – Unterwerfung durch Fernschreiben; BGH 22.6.1989, GRUR 1989, 758, 759 – Gruppenprofil; BGH 11.12.1981, GRUR 1982, 313, 314 – Rezeptsammlung für Apotheker; BGH 9.11.1979, GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; BGH 13.7.1959, GRUR 1959, 544, 545 – Modenschau; BGH 26.6.1970, GRUR 1970, 558, 559 – Sanatorium: Hier lag dennoch ein Rechtschutzbedürfnis vor, da die Beklagte nach der Erklärung wiederholt gegen § 1 und § 3 UWG verstieß und die Verstöße bestritt. 1764 BGH 24.11.1983, GRUR 1984, 214, 216 – Copy Charge; BGH 12.7.1984, GRUR 1985, 155, 156 – Vertragsstrafe bis zu … I; Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 6; Borck WRP 1987, 8, 13; zuvor vertreten wurde auch, dass die Klage aufgrund entfallenden Rechtsschutzinteresses unzulässig wird, vgl. die Nachweise bei Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 271 mit Fn. 855. 1765 BGH 9.11.1995, GRUR 1996, 290, 291 – Wegfall der Wiederholungsgefahr.

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IX. Erledigung der Hauptsache

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

lichen Gesichtspunkten, also im Wege der Auslegung zu klären. Der Umfang des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs ist dabei nur insofern von Relevanz, als in der Regel davon auszugehen ist, dass eine auf die konkrete Verletzungsform bezogene Unterwerfungserklärung, die der Beseitigung der Wiederholungsgefahr dient, auch das Charakteristische der Verletzungsform, also auch kerngleiche Abwandlungen erfassen soll.1766 Ausreichend ist auch die Abgabe einer Unterlassungserklärung einem Dritten ge- 677 genüber, da die Frage nach dem Vorliegen einer Wiederholungsgefahr nur einheitlich beantwortet werden kann.1767 Der Schuldner liefe andernfalls Gefahr, von mehreren Mitbewerbern oder Verbänden wegen derselben Handlung auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden.1768 ff) Einstweilige Verfügung mit Abschlusserklärungen. Gibt der Schuldner einer 678 einstweiligen Verfügung eine Abschlusserklärung ab, mit der die einstweilige Verfügung einem Hauptsachetitel gleichgestellt wird, so fehlt dem Gläubiger der einstweiligen Verfügung in einem Hauptsacheverfahren gegen den Schuldner das Rechtsschutzbedürfnis.1769 Insofern tritt ein die Hauptsache erledigendes Ereignis ein, weil die Klage unzulässig wird. Gegenüber Dritten fällt mit der Erklärung die Wiederholungsgefahr weg,1770 so dass sich ein anhängiger Rechtsstreit (einstweiliges Verfügungsverfahren oder Hauptsache) deshalb erledigt, weil die Klage unbegründet wird. gg) Nachträglicher Fortfall des Feststellungsinteresses bei Feststellungskla- 679 gen. Bei Feststellungsklagen kann das von § 256 ZPO geforderte Feststellungsinteresse nachträglich entfallen und die Klage so unzulässig werden. Ein häufiger Fall betrifft die negative Feststellungsklage, auf die der Feststellungsbeklagte mit einer eigenen Leistungsklage antwortet. Nach h.M. entfällt das Feststellungsinteresse der Feststellungsklage, sobald die Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann.1771 Anderes gilt nur dann, wenn die Feststellungsklage schon entscheidungsreif ist.1772 Erklärt der Feststellungskläger die Klage nicht für erledigt, wird diese als unzulässig abgewiesen. Dagegen wird vorgebracht, eine selbstständige Leistungsklage sei wegen der entgegenstehenden Rechtshängigkeit der Feststellungsklage gar nicht möglich und nur eine Leistungswiderklage zuzulassen.1773 Die überwiegende Meinung geht aber davon aus, dass die Streitgegenstände beider Klagen nicht identisch seien, da die Leistungs-

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1766 BGH 17.7.1997, GRUR 1997, 931, 932 – Sekundenschnell; BGH 10.7.1997, GRUR 1998, 483, 485 – Der M.-Markt packt aus; BGH 11.9.2008 – I ZR 58/06, GRUR 2009, 418 Tz. 18 – Fußpilz; BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 45 – Erinnerungswerbung im Internet. 1767 BGH 22.6.1989, GRUR 1989, 758, – Gruppenprofil; BGH 13.5.1987, GRUR 1987, 640, 641 – Wiederholte Unterwerfung II; OLG Hamm 27.9.1983, GRUR 1984, 68 – Verfrühte Jubiläumsfeier; Ahrens/ Bornkamm Kap. 33 Rn. 7. 1768 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98, BGHZ 144, 165, 169 = GRUR 2000, 1089, 1092 – Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung. 1769 BGH 5.7.1990, GRUR 1991, 76, 77 – Abschlusserklärung; BGH 19.5.2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855, 856 – Folienrollos; BGH 7.6.2001 – I ZR 115/99, GRUR 2002, 177, 179 – Jubiläumsschnäppchen. 1770 OLG Karlsruhe 22.2.1995, GRUR 1995, 510, 513 – Ginkgo-biloba-Präparat; OLG Frankfurt 15.8.1996, WRP 1997, 44, 45; dazu Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 9; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.33. 1771 BGH 20.6.1984, GRUR 1985, 41, 44 – REHAB; BGH 21.12.2005 – X ZR 17/03, BGHZ 165, 305 = GRUR 2006, 217 Tz. 12 – Detektionseinrichtung I; Teplitzky Kap. 46 Rn. 35, Kap. 52 Rn. 20; Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 11; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 272. 1772 BGH 21.12.1989, NJW-RR 1990, 1532; BGH 22.1.1987, GRUR 1987, 402, 403 – Parallelverfahren; BGH 21.12.2005 – X ZR 17/03, BGHZ 165, 305 = GRUR 2006, 217 Tz. 12 – Detektionseinrichtung I; Teplitzky Kap. 52 Rn. 20; MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 256 Rn. 61 f. m.w.N. 1773 MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 256 Rn. 62.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

klage mit ihrem Antrag über das Rechtsschutzziel der Feststellungsklage hinausgeht.1774 Für die hierzu vertretenen abweichenden Auffassungen wird auf die obige Darstellung zur anderweitigen Rechtshängigkeit verwiesen.1775 680

hh) Vergleichsabschluss. Ein endgültiger und nicht bloß temporärer Vergleichsabschluss1776 führt zur Erledigung, soweit der Umfang des Vergleiches reicht.1777 Eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO1778 ist wegen § 98 ZPO bei gerichtlichen Vergleichen hinfällig, denn wenn die Parteien sich über die Kosten geeinigt haben, geht diese Einigung vor,1779 haben die Parteien im Vergleich keine Kostenvereinbarung getroffen, so ist dies gerade der typische Anwendungsfall von § 98 ZPO.1780 Nur wenn die Parteien ausdrücklich eine Kostenentscheidung „nach dem bisherigen Sach- und Streitstand wünschen“, kommt eine Heranziehung von § 91a ZPO in Betracht.1781

681

ii) Erfüllung des Anspruchs. Eine Erledigung durch Anspruchserfüllung ist im Wettbewerbsprozess die Ausnahme, da Unterlassungsansprüche nicht während der Dauer des Erkenntnisverfahrens erfüllt werden können. Das funktionale Substitut für die Erfüllung bildet die strafbewehrte Unterlassungserklärung.1782 Erfüllung ist allerdings bei Auskunftsansprüchen häufiger anzutreffen.1783

682

jj) Stufenklage. Die Erledigung auf der ersten Stufe einer Stufenklage – also der Auskunftsklage – ist nur eine Teilerledigung. Ergibt sich aber auf der ersten Stufe der Auskunftserteilung, dass kein Schaden entstanden ist, so ist die Klage auf Schadensersatz von Anfang an unbegründet,1784 sodass sich zumindest nichts nachträglich „erledigt“ hat.1785 kk) Erledigung durch Zeitablauf

683

(1) Herrschende Auffassung – Zeitablauf erledigendes Ereignis. Nach herrschender Auffassung im wettbewerbs- und markenrechtlichen Schrifttum stellt der Ablauf der Schutzdauer eines Klageschutzrechts (einschließlich des Ablaufs der urheberrechtlichen Schutzfrist) ebenso wie der Ablauf eines zeitlich begrenzten wettbewerbsrechtlichen Schutzes (für Modeneuheiten) ein erledigendes Ereignis dar.1786 Gleiches wird überwiegend angenommen, wenn dem Verbot seinem Sinn nach nur zu einem bestimmten Zeit-

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1774 BGH 7.7.1994, GRUR 1994, 823, 824 unter II,1 – Preisrätselgewinnauslobung II; BGH 7.7.1994, GRUR 1994, 846, 848 – Parallelverfahren II; Wieczorek/Schütze/Assmann § 256 Rn. 252, Teplitzky FS Lindacher (2007) 185, 189 f. 1775 Siehe oben unter Rn. 378. 1776 Siehe zum Vergleich ausführlich Rn. 719 ff. 1777 Teplitzky Kap. 46 Rn. 35; Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 19; Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 273. 1778 Siehe Kostenentscheidung Rn. 695. 1779 BGH 14.7.1969, NJW 1969, 1814; MünchKommZPO/Schulz § 98 Rn. 33; Stein/Jonas/Bork § 98 Rn. 11. 1780 BGH 15.3.2006 – XII ZR 209/05, NJW-RR 2006, 1000 m.w.N. in Tz. 4. 1781 MünchKommZPO/Schulz § 98 Rn. 33; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 98 Rn. 37. 1782 Siehe oben Rn. 675 ff. 1783 BGH 17.3.2011 – I ZR 81/09, GRUR 2011, 934 – Original Kanchipur; Teplitzky Kap. 46 Rn. 35; Ulrich GRUR 1982, 14, 16. 1784 BGH 5.5.1994, GRUR 1994, 666, 667 – Negative Auskunft. 1785 So auch: Teplitzky Kap. 46 Rn. 35; Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 33; Musielak/Lackmann § 91a Rn. 36; a.A. noch Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 276, der in einem solchen Fall von einer „Erledigung“ der übrigen Stufen spricht. 1786 Vgl. nur Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 18; Teplitzky Kap. 46 Rn. 39.

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IX. Erledigung der Hauptsache

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

punkt zuwidergehandelt werden konnte, etwa für Wettbewerbsverstöße, die nur auf einer bestimmten Veranstaltung (etwa einer Messe) drohten. Auch hier liege im Zeitablauf ein erledigendes Ereignis.1787 (2) Kein erledigendes Ereignis. Die hiervon abweichende Auffassung des BGH 684 (X. Zivilsenat) wird hierbei regelmäßig nicht erwähnt. In „Ethofumesat“ hat der BGH festgestellt, dass der Ablauf der Schutzrechtshöchstdauer (Patent, 20 Jahre, § 16 PatG) kein erledigendes Ereignis darstelle, weil diese Beschränkung dem Antrag und Tenor regelmäßig immanent sei.1788 Eine Erledigungserklärung würde insofern nur Schwierigkeiten für die Vollstreckung wegen vergangener Verstöße gegen den Titel begründen. Eine ausdrückliche Zeitbeschränkung enthält dabei in der Praxis weder der Antrag noch das Urteil; gleichwohl wird sie hinsichtlich des Urteils in Patentverletzungssachen bereits seit der Entscheidung des Reichsgerichts vom 3.4.19011789 „mitgelesen“.1790 Es bedürfe insofern auch keiner Beseitigung der Vollstreckbarkeit mehr; die Vollstreckungsgegenklage ist überflüssig.1791 Auch im prozessualen und wettbewerbsrechtlichen Schrifttum ist die Auffassung ver- 685 treten worden, nach der kein erledigendes Ereignis vorliegt, wenn das Unterlassungsurteil von vornherein zeitlich befristet war oder seinem Sinn nach nur zu einem bestimmten Zeitpunkt zuwider gehandelt werden konnte.1792 Kaum erwähnt wird im wettbewerbsrechtlichen Schrifttum regelmäßig auch,1793 dass der I. Zivilsenat sich in „Euro-Einführungsrabatt“ obiter der Linie aus „Ethofumesat“ angeschlossen und festgestellt hat, dass bei Unterlassungstiteln, die von vorne herein befristet waren oder denen nach den Umständen nur in einem bestimmten Zeitraum zuwidergehandelt werden konnte, kein erledigendes Ereignis vorliege. 1794 Übereinstimmung besteht hingegen darüber, dass beim Wegfall eines Schutzrechts vor Ablauf der Höchstdauer, sofern dieser ex nunc erfolgt, ein erledigendes Ereignis gegeben ist und eine entsprechende (Teil-)Erledigungserklärung des Klägers erforderlich ist.1795 Anderes gelte bei Vernichtung ex tunc, also etwa der Vernichtung oder dem Widerruf eines Klagepatents. In diesen Fällen ist die Klage von vornherein unbegründet und hat sich damit nicht durch ein nachträgliches Ereignis erledigt. Folge ist hier also die Abweisung, der der Kläger nicht durch eine Erle-

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1787 Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 12. 1788 BGH 21.2.1989, BGHZ 107, 46, 60 = GRUR 1990, 997 – Ethofumesat; bestätigt durch BGH 29.7.2010 – Xa ZR 118/09, GRUR 2010, 996, 997 Tz. 15 – Bordako. 1789 RG 3.4.1901, RGZ 48, 384, 386. 1790 Ganz h.L., vgl. nur Benkard/Rogge § 139 Rn. 33 m.w.N. 1791 Benkard/Rogge § 139 Rn. 34, der anderes nur dann annimmt, wenn das Klagepatent ausnahmsweise vor Ablauf der gesetzlichen Schutzdauer abläuft. 1792 Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 30: „Konnte der Unterlassungspflicht nur einmal oder nur befristet zuwidergehandelt werden, vor allem, wenn der Unterlassungsanspruch schon laut Titel zeitlich beschränkt ist, und hat der Schuldner nach wirksamer Androhung hiergegen verstoßen, so ist das in einem gegen den Titel gerichteten Verfahren für sich allein entgegen der HM weder ein erledigendes Ereignis im üblichen Sinne noch Anlaß zur Klagerücknahme, sondern im Gegenteil gerade der Grund, weshalb ein befristeter Unterlassungstitel im Erkenntnisverfahren voll aufrechtzuerhalten ist.“ Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 58 Stichwort: Arrest und einstweilige Verfügung: „desgleichen ist der Ablauf des Verbotszeitraums keine Erledigung bei einem befristeten Verbot ...“ Aus der Rechtsprechung OLG Nürnberg 20.10.1995, WRP 1996, 145 = GRUR 1996, 79: „Der Ablauf des Verbotszeitraumes stellte aber kein erledigendes Ereignis dar, weil durch ihn der Verfügungsantrag und der Verbotsausspruch in der Beschlußverfügung nicht gegenstandslos geworden ist.“ 1793 Vgl. etwa Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 18. 1794 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 266 sub cc) (1) – Euro-Einführungsrabatt. Hierzu auch unten Rn. 814 ff. 1795 BGH 29.7.2010 – Xa ZR 118/09, GRUR 2010, 996, 997 Tz. 15 – Bordako.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

digungserklärung entgehen kann.1796 Anderes wird vom BGH für die patentamtliche Löschung einer Marke wegen Verfall angenommen (§§ 50, 54 MarkenG), die für den parallelen Zivilprozess mit demselben Rechtsschutzziel ein erledigendes Ereignis darstellt, obwohl die Löschung ex tunc erfolgt.1797 Die patentrechtliche Praxis fasst die Konstellation aus „Ethofumesat“ als eine Er686 ledigung im Instanzenzug auf, nachdem bereits eine antragsgemäße Verurteilung in der Vorinstanz erfolgte.1798 Insofern wird regelmäßig bei fehlendem Vorliegen einer Unterlassungsverurteilung nach Erreichen der Schutzrechtshöchstdauer vom Kläger eine Erledigungserklärung erwartet, um eine teilweise Klageabweisung zu vermeiden. 687

(3) Stellungnahme. Die Auffassung des BGH aus „Ethofumesat“ und dem obiter dictum aus „Euro-Einführungsrabatt“ steht letztlich allein im Kontext der Vermeidung der Aufgabe des Vollstreckungstitels wegen vergangener Verstöße. Insofern kritisiert Kühnen1799 zu Recht, dass dafür die Verneinung eines erledigenden Ereignisses nicht erforderlich sei, weil der Kläger eine zeitlich begrenzte Erledigungserklärung, die sich auch aus den Umständen ergeben kann, abgeben könne. Diesen Weg hat der I. Zivilsenat in der Entscheidung „Euro-Einführungsrabatt“ in seiner ratio decidendi selbst festgestellt (hierzu unten Rn. 814 ff.). Insgesamt erscheint es daher mit Kühnen richtig, dass eine Erledigungserklärung in jedem Stadium des Verfahrens erforderlich ist. Es bringt für die Parteien zu viel Rechtsunsicherheit, wenn man sich auf dem Titel immanente Beschränkung verlassen soll und diese Grundsätze dann auch noch für die Instanzenzüge unterschiedlich gehandhabt werden. Das Rechtsschutzziel der Unterlassung kann nach Ablauf der Schutzrechtsdauer nicht mehr erreicht werden, so dass eine (einschränkungslose) Bestätigung des Unterlassungsurteils im Rechtsmittelwege nicht zu überzeugen vermag.

688

ll) Gesetzesänderungen. Gesetzesänderungen, welche den Klageanspruch unbegründet werden lassen, sind ebenfalls ein Erledigungsgrund. 1800 Lässt eine Gesetzesänderung die Klagebefugnis entfallen, wird die Klage unzulässig und erledigt sich dadurch.1801 In Ausnahmefällen trifft der Gesetzgeber dabei selbst gesetzliche Kostenregelungen.1802 mm) Rechtsprechungsänderung

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(1) Rechtsprechung des BGH – Keine Erledigung. Die Handhabung einer Rechtsprechungsänderung verursacht insofern größere Begründungsschwierigkeiten. Der BGH hat hierzu in der Entscheidung „Einkaufsgutschein II“ dezidiert festgestellt, dass die Änderung der Rechtsprechung nach Rechtshängigkeit nie ein erledigendes Ereignis

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1796 Ganz herrschende Praxis. Aus dem Schrifttum etwa Ahrens/Bornkamm Kap. 37 Rn. 18. 1797 BGH 10.4.2008 – I ZR 167/05, GRUR 2009, 60, Tz. 32 f. – LOTTOCARD; hierzu Ahrens/Bornkamm Kap. 37 Rn. 18. 1798 Vgl. etwa Kühnen GRUR 2009, 288, 289 f.; BGH „Bordako“ a.a.O. behandelt die Erledigung im Instanzenzug. 1799 Kühnen GRUR 2009, 288, 289. 1800 BGH 11.12.2003 – I ZR 68/01, GRUR 2004, 350, 350 – Pyrex, BGH 18.12.2003 – I ZR 84/01, GRUR 2004, 349, 349 – Einkaufsgutschein II; BGH 22. 4. 2004 – I ZR 21/02, GRUR 2004, 701, 702 – Klinikpackung II. In den beiden letztgenannten Urteilen „Einkaufsgutschein II“ und „Klinikpackung II“ war die Klage jedoch bereits unter der vorherigen Gesetzeslage unbegründet, so dass keine Erledigung eintrat. Vgl. auch Teplitzky Kap. 46 Rn. 39. 1801 BGH 9.5.1996 – I ZR 107/94, GRUR 1996, 800 = WRP 1996, 897 – EDV-Geräte. 1802 Stein/Jonas/Bork § 91a Rn. 63.

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IX. Erledigung der Hauptsache

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

darstellen könne.1803 Das Risiko einer sich während des Verfahrens wandelnden Rechtsprechung liege beim Kläger. Dieser profitiere auch von einer Änderung in die umgekehrte Richtung und der Beklagte könne auch hier der nachteiligen Kostenfolge nicht durch ein sofortiges Anerkenntnis entgehen (keine Anwendung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO).1804 Dem stimmt die h.L. zu. Insbesondere sei eine Gleichstellung mit einer Gesetzesänderung nicht gerechtfertigt, weil anders als bei einer Gesetzesänderung kein gestaltender Eingriff in die Rechtslage vorliege, diese also nicht konstitutiv ex nunc verändert, sondern nur die schon immer geltende, zutreffende Rechtslage artikuliert werde.1805 Die Klage war also anders als bei einer Gesetzesänderung von Anfang an unbegründet. Gleiches gelte, wenn das Bundesverfassungsgericht eine gesetzliche Norm für nichtig erklärt.1806 (2) Abweichung aufgrund BGH „Mescher weis“? Teplitzky hat hierzu die Auffas- 690 sung vertreten, dass das im Anschluss an die BGH-Entscheidung „Mescher weis“1807 der Überprüfung bedürfe.1808 In „Mescher weis“ hat der BGH, wie oben dargestellt, einen nachträglichen Wandel der höchstrichterlichen Rechtsprechung, durch den die verbotene Verhaltensweise als eindeutig erlaubt anzusehen ist, als taugliche Einwendung für eine Vollstreckungsgegenklage eingeordnet.1809 Dort wird ausdrücklich auf die Gleichstellung der Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung mit einer Gesetzesänderung abgestellt. (3) Stellungnahme. Ich meine gleichwohl, dass eine Anpassung der Erledigungs- 691 grundsätze dadurch nicht erforderlich wird. Allerdings ist die Begründung der herrschenden Auffassung in der Tat widersprüchlich und es zeigt sich, dass schon bei „Mescher weis“ die bloße Vergleichbarkeit einer Rechtsprechungsänderung mit einer Gesetzesänderung kein tragfähiger, verallgemeinerungsfähiger Grund für das Korrekturbedürfnis ist. Der Grund für die Nichtberücksichtigung als Erledigungsgrund liegt meines Erachtens im Wesentlichen darin, dass sich die Rechtsprechung nicht nur während des Verfahrens, sondern auch durch das Verfahren selbst ändern kann. Auch dann muss der Kläger die Kosten tragen und kann sich nicht darauf berufen, dass die Klage ursprünglich als begründet eingeordnet worden wäre.1810 Maßgeblich für die Rechtslage ist der Schluss der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz. Änderungen, die sich bis dahin, also während des Verfahrens, ergeben oder durch das Verfahren selbst entstehen, liegen im originären Risikobereich der Parteien. Das ist keine Besonderheit der Unterlassungsansprüche, sondern gilt für alle Ansprüche. Hingegen ist die nachträgliche Änderung der Rechtsprechung, also nach dem 692 Schluss der mündlichen Verhandlung, ein Risikofaktor, der bei den Unterlassungsurteilen eine eigene Qualität hat, weil diese Urteile im Gegensatz zu anderen Entscheidungen die Parteien mit Blick auf ihr künftiges Recht festlegen. Die Parteien müssen hier

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1803 BGH 18.12.2003 – I ZR 84/01, GRUR 2004, 349, 349 = NJW 2004, 1665, 1666 – Einkaufsgutschein II. 1804 BGH 18.12.2003 – Einkaufsgutschein II, a.a.O. Dies gilt auch bei EuGH-Entscheidungen: KG 9.11.2004 – 5 U 300/01, GRUR-RR 2005, 170, 174 f. – DocMorris; Ahrens/Bornkamm Kap. 33 Rn. 17. 1805 Ahrens/Bornkamm Kap. 37 Rn. 17. 1806 Ahrens/Bornkamm Kap. 37 Rn. 17; BGH 22.4.2004 – I ZR 21/02, GRUR 2004, 701, 702 – Klinikpackung II; BGH 9.10.1964, NJW 1965, 296; Stein/Jonas/Bork § 91a Rn. 8; Teplitzky Kap. 46 Rn. 39; im Übrigen auch die Vorlauflage: Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 279. 1807 BGH 2.7.2009 – I ZR 146/07, GRUR 2009, 1096 f. – Mescher weis. 1808 Teplitzky Kap. 46 Rn. 39. 1809 Ausführlich dazu bereits oben unter Rn. 638. 1810 So bereist Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 131 sub II. 1.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

also eine Vorausentscheidung akzeptieren, obwohl sie sich nie zu dem künftigen Recht zum Zeitpunkt der prospektiven Aktualisierung ihrer Rechtslage haben äußern können. Sie von der allgemeinen Rechtsentwicklung abzukoppeln, bedeutete letztlich eine Verkürzung rechtlichen Gehörs. Das ist bei der Erledigungsfrage gänzlich anders. Hier wird den Parteien definitionsgemäß gerade rechtliches Gehör hinsichtlich der Neuentwicklungen gewährt. Die Parteien können sich damit im Verfahren auseinandersetzen und gegebenenfalls die Rechtsentwicklung durch ihr Verfahren und die Auseinandersetzung mit den neuen Präjudizien auch wieder beeinflussen; sei es im Wege einer Abgrenzung von der Rechtsprechung, sei es, indem sie zeigen, dass die Änderung nicht überzeugt. Eine formale Bindung an Präjudizien gibt es im deutschen Recht bekanntlich nicht. Letztlich geht es bei der Frage der Erledigung nur um die Kostenfolge. Davon ist die Problematik der Vollstreckungsgegenklage nicht betroffen. Es handelt sich gerade nicht um eine Restitutionsklage, mit der die Richtigkeit der vormaligen Entscheidung insgesamt einschließlich der Kostenentscheidung überprüft werden könnte. Nach alldem ist eine Änderung der Praxis nicht indiziert. 693 Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die Anmerkung des BGH in „Einkaufsgutschein II“, wonach der Kläger auch von einer Rechtsprechungsänderung in die umgekehrte Richtung profitiere, weil der Beklagte der Verurteilung auch nicht durch ein sofortiges Anerkenntnis entgeht, insofern einzuschränken ist, dass nach der Rechtsprechung des ersten Senats in einem solchen Fall für den Unterlassungsanspruch regelmäßig keine Wiederholungsgefahr angenommen werden kann. Werde durch die Entscheidung selbst erstmalig höchstrichterlich die Klärung der Wettbewerbswidrigkeit des angegriffenen Verhaltens herbeigeführt, so sei nicht davon auszugehen, dass der Beklagte den Verstoß im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit wiederholen werde.1811 Damit trägt dann der Kläger die Kosten des Verfahrens. Ich halte das für nicht überzeugend. Der Beklagte trägt genau wie der Kläger das Risiko der Bewertung seines Verhaltens durch die Rechtsprechung und der Veränderung während des Verfahrens.1812 694

nn) Verlust des wirtschaftlichen Interesses. Der Verlust des wirtschaftlichen Interesses an der Durchsetzung des Anspruchs erledigt eine Klage nicht.1813 Abzustellen ist nicht auf die wirtschaftlichen, sondern die rechtlichen Dimensionen, um eine Erledigung zu begründen. f) Kostenentscheidung

695

aa) Allgemeines. § 91a ZPO regelt nur die beidseitige Erledigungserklärung. Bleibt die Erledigungserklärung einseitig, kommen §§ 92, 93 ZPO zum Zuge.1814 § 91a ZPO ist Ausdruck des Veranlassungs- und Risikoübernahmeprinzips.1815 Der Grundgedanke des § 93 ZPO findet also auch bei der Ermessensentscheidung nach § 91a ZPO Beachtung, gerade dann, wenn etwa der Beklagte vor Klageerhebung nicht abgemahnt wurde und danach sofort eine Unterwerfungserklärung abgibt. So muss der Beklagte etwa da-

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1811 BGH 10.2.1994, GRUR 1994, 443 f. – Versicherungsvermittlung im öffentlichen Dienst; vgl. zur Kritik an dieser Entscheidung Teplitzky Kap. 7 Rn. 6 m.w.N. in Fn. 30. 1812 So bereits Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 117 f. und 131 sub II 1. 1813 BGH 13.9.2005 – X ZR 62/03, GRUR 2006, 223, 223 f. – Laufzeit eines Lizenzvertrages. 1814 Siehe Einseitige Erledigungserklärung unter Rn. 666 f. 1815 MünchKommZPO/Lindacher § 91a Rn. 1.

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X. Kosten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

rüber aufklären, wenn er einem Dritten gegenüber eine Unterwerfungserklärung hinsichtlich der klagegegenständlichen Handlung abgibt.1816 bb) Beispiele. Hat sich eine Klage aufgrund einer Gesetzesänderung erledigt, so 696 trägt derjenige die Kosten, welcher ohne die Gesetzesänderung unterlegen wäre.1817 Erklären die Parteien eine vor dem unzuständigen Gericht erhobene, in der Sache aber begründete Unterlassungsklage übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt, nachdem der Beklagte die Unzuständigkeit gerügt und sodann eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, sind die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen.1818 Erfüllt der Beklagte einen Zahlungsanspruch, so begibt er sich laut BGH „in die Rolle des Unterlegenen“ und hat damit im Regelfall die vollen Prozesskosten zu tragen.1819 Bei gerichtlichen Vergleichen ist eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO wegen § 98 ZPO hinfällig.1820 Können sich die Parteien im Rahmen eines Vergleichs nicht über die Kosten einigen und erlässt das Gericht daraufhin einen Beschluss nach § 91a ZPO, ist der Rechtsschutzversicherer daran auch dann gebunden, wenn die Entscheidung nicht der Quote des Obsiegens und Unterliegens entspricht.1821 cc) Rechtsbeschwerde gegen Kostenentscheidungen. Wurde aus Sicht einer Par- 697 tei bei der Kostenentscheidung inzident rechtlich fehlerhaft entschieden, so stellt sich die Frage einer Rechtsbeschwerde. Laut BGH ist eine Rechtsbeschwerde gegen Kostenentscheidungen des Berufungsgerichts nach § 91a ZPO nicht geeignet, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es um Fragen des materiellen Rechts geht.1822 X. Kosten Grosch/Ebersohl X. Kosten Schrifttum Borck Andere Ansichten in Kostenfragen, WRP 2001, 20; Dittmar Die Berücksichtigung vorprozessual entstandener Anwaltskosten im Kostenfestsetzungsverfahren, NJW 1986, 2088; Enders Die neuen §§ 15a und 55 Abs. 5 RVG – Teil I, JurBüro 2009, 393; Hansens Drei berichtigende Absätze des Gesetzgebers zur Gebührenanrechnung, AnwBl 2009, 535; Henke Anrechnung der Geschäftsgebühr auf Übergangsfälle, AnwBl 2009, 709; Hess Unterwerfung als Anerkenntnis? WRP 2003, 353; Kallenbach Bundestag entschärft mit neuem § 15a RVG Anrechnungsproblem, AnwBl 2009, 442, Mes Testkauf zur Vorbereitung des Prozesses im gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht, GRUR 2013, 767; Nickel Anrechnung der Geschäftsgebühr: Klärung durch § 15a RVG auch für Altfälle? FamRB 2009, 324; Schultze-Rhonhof Ersatz der außergerichtlichen Geschäftsgebühr bei erfolgreicher Klage, RVG-Report 2005, 374; Teplitzky Die jüngste Rechtsprechung des BGH zum wettbewerbsrechtlichen Anspruchs- und Verfahrensrecht X, GRUR 2003, 272; Tilmann Kostenhaftung und Gebührenberechnung bei Unterlassungsklagen gegen Streitgenossen im gewerblichen Rechtsschutz, GRUR 1986, 691; Vossler Das sofortige Anerkenntnis im Zivilprozess nach InKraft-Treten des Ersten Justizmodernisierungsgesetzes, NJW 2006, 1034.

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1816 BGH 19.6.1986, GRUR 1987, 54 m. Anm. Lindacher – Aufklärungspflicht des Abgemahnten; ebenso schon Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 297. 1817 BGH 11.12.2003 – I ZR 68/01, GRUR 2004, 350, 350 – Pyrex, BGH 22. 4. 2004, vgl. auch Teplitzky Kap. 46 Rn. 39. 1818 BGH 18.3.2010 – I ZB 37/09, GRUR 2010, 1037, 1037 f. – Unzuständigkeitsrüge. 1819 BGH 16.10.2012 – VI ZR 127/12. 1820 Siehe Erledigungsgründe Rn. 680; siehe zum Prozessvergleich Rn. 768 ff. 1821 OLG Hamm 8. 12. 2004 – 20 U 151/04, NJW-RR 2005, 331. 1822 BGH 17.3.2004 – IV ZB 21/02, NJW-RR 2004, 1219, 120; BGH 28.3.2006 – XI ZR 388/04, NJW-RR 2006, 1508, Teplitzky Kap. 46 Rn. 44 m.w.N. in Fn. 257.

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Grosch/Ebersohl

§ 12

1.

2.

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Systematische Übersicht Kostenentscheidung ____ 698 a) Teilweises Obsiegen ____ 699 b) Erledigung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ____ 700 c) Sofortiges Anerkenntnis ____ 701 d) Erfolglose Angriffs- und Verteidigungsmittel; Obsiegen aufgrund neuen Vorbringens ____ 703 e) Streitgenossen ____ 704 Erstattungsfähigkeit einzelner Kosten ____ 705 a) Prozessvorbereitung ____ 706 aa) Testkäufe ____ 706

b)

bb) Detektivkosten ____ 707 cc) Abmahnung ____ 708 Verfahrenskosten ____ 710 aa) Reisekosten des Prozessbevollmächtigten bzw. der Partei ____ 710 bb) Kosten eines Verkehrsanwalts ____ 715 cc) Kosten eines Patentanwalts ____ 716 dd) Private Gutachten und Übersetzungen ____ 717 ee) Mehrkosten durch getrennte Geltendmachung von Ansprüchen ____ 718

Ebersohl

1. Kostenentscheidung 698

Die Kostenentscheidung im Wettbewerbsprozess erfolgt nach den einschlägigen zivilprozessualen Bestimmungen in §§ 91 ff. ZPO sowie den Bestimmungen zur Rücknahme von Klagen und Rechtsmitteln in § 269 Abs. 3 Satz 2 und 3, § 516 Abs. 3 Satz 1 und § 565 ZPO. Es gilt der Grundsatz des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Dies schließt insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten ein, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in §§ 93, 96 und 97 Abs. 2 ZPO geregelt. Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind bei teilweisem Obsiegen und Unterliegen die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Nach § 97 Abs. 1 ZPO fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels der Partei zur Last, die das Rechtsmittel eingelegt hat. In § 100 ZPO ist die Haftung der Streitgenossen geregelt. Nachstehend sei lediglich auf einige praktisch besonders häufige Konstellationen des Wettbewerbsprozesses und deren spezifische Probleme eingegangen; im Übrigen wird auf die allgemeinen Kommentierungen zu §§ 91 ff. ZPO verwiesen.

699

a) Teilweises Obsiegen. Die in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen häufig anzutreffenden Eventual- oder „insbesondere“-Anträge bedingen, dass die Kostengrundentscheidung oftmals nicht eindeutig zu Lasten einer Partei ausfällt. Da sich Fehler bei der Kostengrundentscheidung angesichts der regelmäßig hohen Streitwerte im Lauterkeitsrecht im besonderen Maße auswirken, sollte auf die Ermittlung der richtigen Kostenquote größtmögliche Sorgfalt verwendet werden.1823 Die Problematik der richtigen Kostenquotelung hatte angesichts der TÜV-Entscheidungen des BGH,1824 mit denen die alternative Klagebegründung aufgegeben wurde, weiter an Brisanz gewonnen. Einheitliche Klagebegehren, die auf verschiedene Rechtsgrundlagen gestützt werden, müssen nach dieser Rechtsprechung im Eventualverhältnis bzw. kumulativ geltend gemacht

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1823 Vgl. Teplitzky Kap. 51 Rn. 60 f., der mit Recht darauf verweist, dass durch Fehler bei der Quotelung im Hinblick auf die Unterlassungsklage die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch gleichsam entwertet werden kann. 1824 24.3.2011 – I ZR 108/09 – GRUR 2011, 521 – TÜV I; 17.8.2011 – I ZR 108/09 – GRUR 2011, 1043 – TÜV II.

Ebersohl

670

X. Kosten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

werden.1825 Dieser Grundsatz wurde zwar durch die Entscheidung Biomineralwasser1826 wieder eingeschränkt, soweit der Kläger die konkrete Verletzungsform zum Gegenstand seines Antrags macht, weil hier unabhängig von der rechtlichen Begründung der Klageansprüche ein einheitlicher Streitgegenstand vorliegen soll; er gilt jedoch bei abstrahierenden Klagebegehren weiter.1827 Theoretisch kann selbst den in der Sache erfolgreichen Kläger im Anwendungsbereich der TÜV-Rechtsprechung unter Anwendung von § 92 ZPO eine erhebliche Kostenlast treffen, die davon abhängt, mit welchem seiner Hilfsanträge er durchdringt bzw. wie viele seiner kumulativ geltend gemachten Ansprüche begründet sind.1828 Denn den Kläger trifft nach allgemeinen Grundsätzen insoweit eine Kostenlast, als der Wert seines erfolgreichen Klagebegehrens hinter dem Gesamtstreitwert zurückbleibt.1829 Eine im Nachgang zu den TÜV-Entscheidungen in diesem Sinne ergangene Entscheidung des OLG Frankfurt,1830 in der die Streitwerte der Eventualanträge addiert wurden – wodurch die Quote des Obsiegens des Klägers besonders klein werden kann –, stieß in der Literatur auf zum Teil heftige Kritik.1831 Zwischenzeitlich hat das OLG Frankfurt seine Rechtsprechung wieder aufgegeben und nimmt eine maßvolle Erhöhung des Hauptanspruchs von regelmäßig 10% vor.1832 Macht der Kläger eine Verallgemeinerung der angegriffenen Handlung und mit einem „insbesondere“-Zusatz die konkrete Handlung zum Gegenstand seines Unterlassungsantrags, so ist der „insbesondere“-Teil ebenfalls als Hilfsantrag zu verstehen.1833 Verurteilt das Gericht dann nur wegen der konkreten Verletzungsform, so hat der Kläger lediglich teilweise obsiegt i.S.v. § 92 ZPO; Selbiges gilt, wenn der Kläger nur einen nicht beschränkten Antrag gestellt hat.1834 Auch ein Fall des Teilobsiegens ist es, wenn das Klagebegehren zunächst zu weit gefasst ist und erst nachträglich, etwa in der Rechtsmittelinstanz, eingeschränkt wird,1835 oder wenn der Vollstreckungsgläubiger im Rahmen eines Antrags nach § 890 ZPO die Höhe des festzusetzenden Ordnungsgeldes in das Ermessen des Gerichts stellt, aber gleichzeitig einen Mindestbetrag beziffert, wenn das Gericht bei der Verhängung des Ordnungsgeldes unter diesem Mindestbetrag bleibt.1836 b) Erledigung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. 700 Nicht selten gibt der Beklagte während des Verfahrens eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, mit der Folge, dass das Verfahren von beiden Seiten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt wird. Das Gericht hat dann nach § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen

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1825 BGH aaO. 1826 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11 – GRUR 2013, 401 – Biomineralwasser m. Anm. Teplitzky. 1827 Zum Streitgegenstandsbegriff und der faktischen Aufgabe der TÜV-Rechtsprechung durch die Entscheidung Biomineralwasser vgl. Rn. 208 ff. 1828 Vgl. etwa das Beispiel bei Schwippert GRUR-Prax 2011, 233, in dem der Kläger, der mit dem 7. Hilfsantrag durchdringt, 7/8 der Kosten trägt. 1829 Vgl. MünchKommZPO/Schulz § 92 Rn. 6, 8. 1830 4.6.2012 – 6 W 60/12 – GRUR-RR 2012, 367. 1831 Vgl. Stieper GRUR 2012, 5, 12; Labesius GRUR-RR 2012, 317; Ahrens/Büttner Kap. 40 Rn. 65. 1832 OLG Frankfurt 11.12.2013 – 6 U 218/13 – GRUR-RR 2014, 280. Die Aufgabe erfolgte in Ansehung der Entscheidung BGH 12.09.2013 – I ZR 58/11 – WRP 2014, 192 – Streitwert für die Revisionsinstanz. Zum Streitwert bei der kumulativen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen s. § 12 F Rn. 44 ff. 1833 Ahrens/Büttner Kap. 40 Rn. 62. Vgl. auch BGH 25.4.1991 – I ZR 134/90 – GRUR 1991, 772 – Anzeigenrubrik I; 2.6.2005 – I ZR 252/02 – GRUR 2006, 164 – Aktivierungskosten II. 1834 BGH 11.6.1992 – I ZR 226/90 – GRUR 1992, 625, 627 – Therapeutische Äquivalenz. Hier hatte die Vorinstanz nicht etwa die Anwendbarkeit von § 92 ZPO verkannt, sondern hatte den Klageantrag dahingehend ausgelegt, dass er nur der konkreten Verletzungsform gelte. 1835 Vgl. Teplitzky Kap. 51 Rn. 61 m.w.N. 1836 OLG Köln 27.6.2013 – 6 W 77/13 – GRUR-RR 2014, 48.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

durch Beschluss zu entscheiden. Alleine aus der Unterwerfung des Beklagten dürfen dabei keine nachteiligen Kostenfolgen (unter dem Aspekt des freiwilligen Begebens in die Rolle des Unterlegenen) abgeleitet werden.1837 Das Gericht hat vielmehr den Ausgang des Verfahrens – seine Fortsetzung unterstellt – summarisch zu ermitteln; hierbei kann es grundsätzlich davon absehen, in einer rechtlich schwierigen Sache alle für den Ausgang bedeutsamen Rechtsfragen abzuhandeln.1838 Dementsprechend wird zu Recht vertreten, bei offenem Ausgang des Verfahrens regelmäßig die Kosten gegeneinander aufzuheben.1839 Im Rahmen der Entscheidung nach § 91a ZPO ist nach einhelliger Meinung auch der Rechtsgedanke des § 93 ZPO anzuwenden, sodass die Frage der Veranlassung der Klageerhebung durch den Beklagten in die Entscheidung einzufließen hat.1840 Hat der Beklagte sich vor Klageerhebung gegenüber einem Dritten strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet (sodass die Wiederholungsgefahr insgesamt entfallen war), dies aber dem abmahnenden Kläger verschwiegen, so hat der Beklagte die Klageerhebung veranlasst.1841 Gegen die Kostenentscheidung ist nach § 91a Abs. 2 ZPO die sofortige Beschwerde eröffnet. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH1842 kann außerdem die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zugelassen werden. Der BGH hat dabei klargestellt, dass die Zulassung aus materiell-rechtlichen Gründen nicht erfolgen dürfe, weil es der Zweck einer Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO sei, die Auslegung von § 91a ZPO durch das Berufungsgericht zu überprüfen, und nicht das materielle Recht fortzubilden.1843 In einstweiligen Verfügungsverfahren ist wegen § 584 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 542 Abs. 2 ZPO die Rechtsbeschwerde nicht zulässig.1844 Eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO, die wegen teilweiser Erledigung in Urteilsform ergangen ist, ist auch dann nicht revisibel, wenn die Revision insgesamt zugelassen wurde. Anderenfalls würde eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Erweiterung des Instanzenzugs vorgenommen.1845

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1837 OLG Celle 30.5.1986 – 13 W 36/86 – NJW-RR 1986, 1061; OLG Karlsruhe 27.6.1984 – 6 U 297/83 – WRP 1985, 102, 103; OLG Koblenz 8.3.1988 – 6 W 102/88 – GRUR 1988, 566 – Wirkung der Unterwerfungserklärung; OLG Frankfurt 13.1.1977 – 6 W 116/76 – WRP 1977, 270; 18.6.1979 – 6 W 43/79 – GRUR 1979, 808, 809; OLG Hamburg 8.6.1972 – 3 W 59/72 – WRP 1972, 537, 538; OLG Köln 17.2.1989 – 6 U 187/88 – GRUR 1989, 705 – Unaufgeklärte Sachlage; OLG Stuttgart 4.4.1984 – 2 W 105/83 – WRP 1984, 576; 23.12.1985 – 2 W 80/85 – WRP 1986, 433; Harte/Henning/Brünning vor § 12 Rn. 61; Hess WRP 2003, 353; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.34; Teplitzky Kap. 46 Rn. 45. 1838 BGH 8.11.1976 – NotZ 1/76 – BGHZ 67, 343, 345 = NJW 1977, 436; 8.5.2003 – I ZB 40/02 – GRUR 2003, 724 – Rechtsbeschwerde II; 12.10.2004 – X ZR 176/02 – GRUR 2005, 41 – Staubsaugersaugrohr; Teplitzky Kap. 46 Rn. 46; a.A. Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 56; Wieczorek/Schütze/Steiner § 91a Rn. 12. 1839 BGH 8.6.2005 – XII ZR 177/03 – BGHZ 163, 195, 201; Teplitzky Kap. 46 Rn. 47 m.w.N. in Fn. 266. 1840 BGH 11.12.2003 – I ZR 68/01 – GRUR 2004, 350 – Pyrex; OLG Celle 31.7.1986 – 4 W 65/86 – WRP 1974, 155; 20.1.1975 – 13 W 3/75 – WRP 1975, 242, 243; OLG Frankfurt 26.8.1976 – 6 O 33/76 – WRP 1976, 618, 621; 27.9.1979 – 6 U 74/79 – WRP 1979, 799, 801; OLG Hamburg 8.6.1972 – 3 W 59/72 – WRP 1972, 537, 538; OLG Hamm 31.7.1986 – 4 W 65/86 – NJW-RR 1987, 425; OLG Köln 6.1.1985 – 6 W 69/85 – WRP 1986, 426; OLG München 18.12.1975 – 6 W 2261/75 – WRP 1976, 264; Stein/Jonas/Bork § 91a Rn. 29; Vorauflage/Jacobs vor § 13 Rn. 297; a.A. OLG Koblenz 14.11.1985 – 6 U 1104/85 – NJW-RR 1986, 1443. 1841 Vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.34. 1842 BGH 21.12.2006 – IX ZR 66/05 – NJW 2007, 1591; 22.11.2007 – I ZR 12/05 – GRUR 2008, 357 – Planfreigabesystem (Tz. 16); 25.11.2009 – VIII ZR 322/08 – WM 2010, 156 (Tz. 9); 18.3.2010 – I ZB 37/09 – GRUR 2010, 1037 – Unzuständigkeitsrüge (Tz. 4). 1843 BGH 21.12.2006 – IX ZR 66/05 – NJW 2007, 1591 (Tz. 22); 18.3.2010 – I ZB 37/09 – GRUR 2010, 1037 – Unzuständigkeitsrüge (Tz. 4). 1844 So auch ausdrücklich BGH 21.12.2006 – IX ZR 66/05 – NJW 2007, 1591 (Tz. 22). 1845 BGH aaO Tz. 24 zum neuen Recht nach der ZPO-Reform 2002. Dies entspricht auch der BGH-Rspr. zum alten Revisionsrecht, vgl. BGH 22.5.1989 – VIII ZR 192/88 – BGHZ 107, 315, 317 f. = NJW 1989, 2053, 2054; 21.2.1991 – I ZR 92/90 – BGHZ 113, 362, 364 = NJW 1991, 2020, 2021; 13.12.2001 – IX ZR 306/00 – NJW 2002, 1500.

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X. Kosten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

c) Sofortiges Anerkenntnis. Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur 701 Last, wenn der Beklagte durch sein Verhalten keinen Anlass zur Klage gegeben hat und der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. Dem Erfordernis der Sofortigkeit ist dann Genüge getan, wenn das Anerkenntnis bei der ersten sich bietenden prozessualen Möglichkeit erfolgt. Bei Anberaumung eines frühen ersten Termins (§ 275 ZPO) ist umstritten, ob das Anerkenntnis noch im Termin (jedoch vor Beginn der streitigen Verhandlung) erfolgen kann1846 oder ob die Klageerwiderungsfrist die maßgebliche zeitliche Grenze bildet.1847 Die Auffassung, die ein Anerkenntnis noch im Termin zulässt, konnte sich vor der Neufassung von § 307 ZPO zum 1.9.2004 noch darauf stützen, dass ein Anerkenntnis im Verfahren nach § 275 ZPO nur in der mündlichen Verhandlung ergehen konnte, die Verhandlung mithin den ersten prozessual möglichen Zeitpunkt für ein wirksames Anerkenntnis bedeutete. Nach § 307 Satz 2 ZPO n.F. gilt jedoch, dass das Anerkenntnisurteil keine mündliche Verhandlung voraussetzt. Dementsprechend führt das Zuwarten auf eine Verhandlung zu einer Verzögerung des Verfahrens, sodass das Kriterium der Sofortigkeit nicht mehr erfüllt sein kann.1848 Im schriftlichen Vorverfahren ist ausreichend, dass das Anerkenntnis innerhalb der Klageerwiderungsfrist erfolgt.1849 Nicht abschließend geklärt ist, ob die Ankündigung eines Klageabweisungsantrags in der Verteidigungsanzeige der Annahme der Sofortigkeit entgegensteht. Zwar führt auch der angekündigte Klageabweisungsantrag zu keiner Verzögerung des Rechtsstreits; gleichwohl scheint die Rechtsprechung tendenziell dem Beklagten die Privilegierung durch § 93 ZPO zu versagen, wenn er bereits in der Verteidigungsanzeige Sachanträge ankündigt.1850 Eine besonders kostenrelevante Frage ist, ob der Beklagte Veranlassung zur Klage 702 gegeben hat, wenn der Kläger zuvor nicht abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert hat.1851 Eine Klage bzw. ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Abmahnung ziehen auch bei sofortigem Anerkenntnis des Schuldners dann nicht die Kostenfolge des § 93 ZPO nach sich, wenn eine vorherige Abmahnung voraussichtlich erfolglos geblieben wäre, wobei auf die

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1846 So etwa OLG Bremen 22.11.1982 – 3 W 11/82 – JurBüro 1983, 625; OLG Celle 13.7.2000 – 13 W 45/00 – OLG-Report 2001, 15; OLG Frankfurt 26.8.1976 – 6 O 33/76 – WRP 1976, 618, 622; 31.8.1989 – 6 W 610/89 – GRUR 1989, 934 (LS) = NJW-RR 1990, 1535; OLG Hamburg 8.6.1972 – 3 W 59/72 – WRP 1972, 537; OLG München 3.6.1985 – 6 W 1238/85 – WRP 1985, 446. 1847 OLG Jena 30.5.2007 – 2 W 173/07 – GRUR 2008, 456 (LS) = GRUR-RR 2008, 108, 109; Vossler NJW 2006, 1034. Offen gelassen in BGH 30.5.2006 – VI ZB 64/05 – BGHZ 168, 57, 62 Tz. 21 = NJW 2006, 2490, 2492 Tz. 21. 1848 Vgl. Vossler NJW 2006, 1034, 1035; a.A. MünchKommZPO/Schulz § 93 Rn. 13 1849 Vgl. BGH 30.5.2006 – VI ZB 64/05 – BGHZ 168, 57, 62 ff. Tz. 21 ff. = NJW 2006, 2490, 2492 Tz. 21 ff.; KG 16.2.2006 – 20 W 52/05 – NJW-RR 2006, 1078; OLG Brandenburg 15.2.2005 – 6 W 41/05 – MDR 2005, 1310; OLG Karlsruhe 2.12.2003 – 11 W 75/03 – OLGR 2004, 513, 514; OLG Köln 16.1.2007 – 6 W 1/07 – OLGR 2007, 424. A.A. vor der Entscheidung der Streitfrage durch den BGH: OLG Celle 3.11.1997 – 5 W 48–97 – NJW-RR 1998, 1370; OLG Frankfurt 16.9.1991 – 25 W 68/91 – NJW-RR 1993, 126, 127; OLG Zweibrücken 19.2.2001 – 4 W 2/01 – NJW-RR 2002, 138. 1850 Offen lassend: BGH 30.5.2006 – VI ZB 64/05 – BGHZ 168, 57, 62 f. Tz. 22 = NJW 2006, 2490, 2492 (Tz. 22). Gegen die Annahme von Sofortigkeit: OLG Karlsruhe 8.11.2002 – 2 WF 205/01 – OLGR 2003, 198; OLG München 7.10.2004 – 9 W 2449/04 – OLGR 2004, 422 sowie MünchKommZPO/Schulz § 93 Rn. 14. A.A. OLG Celle – 24.3.2011 – 6 U 138/10 – FamRZ 2011, 1748. Differenzierend OLG Frankfurt 7.3.2008 – 19 W 10/08 – OLGR 2008, 813, wonach das Anerkenntnis auch bei Ankündigung eines Klageabweisungsantrags auch dann noch „sofort“ sein kann, wenn in der Verteidigungsanzeige deutlich gemacht wird, dass der Klageanspruch noch nicht abschließend geprüft worden ist. 1851 Harte/Henning/Brünning vor § 12 Rn. 256; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.118. Vgl. auch BTDrucks. 15/ 1487, S. 25: „Wird eine mögliche und zumutbare Abmahnung unterlassen, riskiert der Kläger jedoch, dass er die Kosten zu tragen hat, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt (§ 93 ZPO).“.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

objektivierte Sicht des Gläubigers abzustellen ist.1852 Ebenfalls kostenrelevant – und höchst umstritten – ist, ob der Beklagte Anlass zur Klage gegeben hat, wenn die Klage gleichzeitig mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht wurde1853 oder wenn die Klage nach Erlass einer einstweiligen Verfügung und darauf folgendem Widerspruch eingereicht wurde,1854 sodass Verfügungs- und Hauptsacheverfahren nebeneinander geführt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kommentierung zur Abmahnung1855 und zum Rechtsmissbrauch1856 verwiesen. 703

d) Erfolglose Angriffs- und Verteidigungsmittel; Obsiegen aufgrund neuen Vorbringens. Zwei in der Praxis häufig vernachlässigte Bestimmungen sind diejenigen des § 96 und des § 97 Abs. 2 ZPO.1857 Nach § 96 ZPO können die Kosten eines erfolglosen Angriffs- oder Verteidigungsmittels der Partei auferlegt werden, die es geltend gemacht hat, auch wenn sie in der Hauptsache obsiegt. Nach § 97 Abs. 2 ZPO sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie aufgrund neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger mit eigenen Ansprüchen in erster Instanz unterliegt und sodann mit einem in Prozessstandschaft geltend gemachten Anspruch in zweiter Instanz obsiegt, sofern die Ermächtigungserklärung zumutbarer Weise bereits in der ersten Instanz hätte beschafft und vorgelegt werden können und es absehbar war, dass es auf die Geltendmachung der Rechte Dritter aufgrund von Zweifeln am Bestand eigener Rechte ankommen könnte.1858

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e) Streitgenossen. Nach § 100 Abs. 4 ZPO gilt, dass mehrere Beklagte, die als Gesamtschuldner verurteilt werden, auch für die Kostenerstattung als Gesamtschuldner haften. Werden mehrere Beklagte wegen einer gemeinschaftlich begangenen unerlaubten Handlung auf Unterlassung sowie Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch genommen, so haften sie zwar insoweit nicht als Gesamtschuldner.1859 Gleichwohl wird

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1852 Vgl. Teplitzky Kap. 41 Rn. 21, 24; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.43; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 6 u. 14; Fezer/Büscher § 12 Rn. 26. Hierzu gehören insbesondere auch die Fälle der erfolglosen berechtigten Drittabmahnung (vgl. Teplitzky Kap. 41 Rn. 27; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.55) wobei laut BayVerfGH 26.10.2012 – Vf. 101-VI-11 – GRUR 2013, 299 im Fall der unberechtigten Drittabmahnung jedenfalls kein Verstoß gegen das Willkürverbot vorliegen soll, wenn dem Beklagten trotz unterlassener Abmahnung des Klägers die Kosten nach § 93 ZPO auferlegt werden, sofern der Kläger aufgrund der Reaktion des Beklagten auf die Drittabmahnung davon ausgehen durfte, der Beklagte werde ohne Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens den Unterlassungsanspruch nicht erfüllen. 1853 So OLG Hamm 4.2.1991 – 4 W 138/90 – GRUR 1991, 336; OLG Köln 25.7.1996 – 6 W 36/96 – WRP 1996, 1214, 1215; 14.10.1998 – 6 W 93/97 – NJWE-WettbR 1999, 92, 93. A.A. OLG Dresden 30.1.1996 – 12 W 1134/95 – WRP 1996, 432, 433: die Klage ist nur veranlasst, wenn die strafbewehrte Unterlassungserklärung eindeutig abgelehnt wurde. 1854 Dies soll laut OLG Nürnberg 20.7.2004 – 3 W 1324/04 – GRUR-RR 2004, 336 – Verfahrensdurchführung gegebenenfalls rechtsmissbräuchlich sein. 1855 § 12 B Rn. 1 ff. 1856 § 8 Rn. 249 ff. 1857 Vgl. Teplitzky Kap. 51 Rn. 61. 1858 BGH 7.11.1991 – I ZR 272/89 – GRUR 1992, 108, 109 – Oxygenol. 1859 BGH 15.4.2008 – X ZB 12/06 – WRP 2008, 952, 953; KG 9.11.2010 − 5 W 188/10 – NJOZ 2010, 1029 m. Anm. Hess; OLG Düsseldorf 30.12.1999 – 20 W 40/99 – GRUR 2000, 825 – ComTech; OLG Frankfurt 21.11.2001 – 6 W 217/01 – MDR 2002, 236; OLG Hamburg 13.7.2006 – 5 W 89/06 – GRUR-RR 2006, 392 – Docking Stations; OLG Koblenz 16.8.1984 – 6 U 771/84 – WRP 1985, 45; OLG Köln 19.9.2005 – 17 W 188/05 – OLGR 2006, 134; OLG München 10.11.1992 – 21 W 2023/92 – MDR 1993, 286; 18.6.2001 – 21 W 1705/01 – OLGR 2001, 291; OLG Stuttgart 16.12.1997 – 8 W 409/96 – JurBüro 1998, 302; OLG Zweibrücken 12.3.1999 – 2 W 13/98 – AnwBl 2000, 695; Ahrens/Büttner Kap. 40 Rn. 68; Teplitzky Kap. 14 Rn. 29 m.w.N. in Fn. 190 sowie ders. Kap. 38 Rn. 36 m.w.N. in Fn. 197; Vorauflage/Köhler vor § 13 B Rn. 434.

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X. Kosten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

vertreten, sie für die Kostenlast in entsprechender Anwendung von § 100 Abs. 4 ZPO gesamtschuldnerisch haften zu lassen.1860 Dem ist entgegenzuhalten, dass die einzelnen Unterlassungs- und/oder Auskunftsansprüche gegen die verschiedenen Beklagten – etwa die Gesellschaft und ihre Organe – unterschiedliche Streitwerte haben können1861 und sich bereits aus diesem Grund eine gesamtschuldnerische Haftung für einen wie auch immer gebildeten Gesamtstreitwert verbietet. 2. Erstattungsfähigkeit einzelner Kosten. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die zur 705 Kostentragung verpflichtete Partei die Kosten des Gegners insoweit zu erstatten, als diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Hierzu gehören nicht nur Kosten der Führung des Rechtsstreits selbst – wie etwa die Kosten der Vertretung durch einen Rechtsanwalt –, sondern in gewissem Umfang auch Kosten der Vorbereitung des Verfahrens. Kosten sind nach der Rechtsprechung des BGH dann zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte, wobei die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen darf; eine Einschränkung gilt nur insoweit, als die Partei gehalten ist, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen.1862 Der BGH stellt dabei klar, dass bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist, da der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen stehe, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Maßnahme zu erstatten sind oder nicht.1863 Die typischerweise hohen Streitwerte in Wettbewerbssachen sowie die nicht selten vorliegende Komplexität des Sach- und Streitstoffs sprechen dafür, im Rahmen einer derartigen Typisierung im Wettbewerbsprozess das Kriterium der Notwendigkeit großzügig zu handhaben, da die Parteien regelmäßig bereit sind, für den Prozesserfolg einen hohen Aufwand zu betreiben.1864 Dies vorausgeschickt sei nachstehend die Erstattungsfähigkeit von im Wettbewerbsprozess besonders relevanten Kosten kommentiert. Im Übrigen wird auch hier auf die allgemeine zivilprozessuale Kommentarliteratur verwiesen.

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1860 Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 267 unter Verweis auf stRspr des 3. Zivilsenats des OLG Hamburg; Tilmann GRUR 1986, 696 f. 1861 Vgl. hierzu § 12 F Rn. 26. 1862 BGH 16.10.2002 – VIII ZB 30/02 – NJW 2003, 898, 900; 11.11.2003 – VI ZB 41/03 – NJW-RR 2004, 430; 9.9.2004 – I ZB 5/04 – GRUR 2005, 84, 85 – Unterbevollmächtigter II; 2.12.2004 – I ZB 4/04 – GRUR 2005, 271 – Unterbevollmächtigter III; 16.12.2004 – I ZB 23/04 – WRP 2005, 505 – Baseball Caps; 13.9.2005 – X ZB 30/04 – GRUR 2005, 1072 – Auswärtiger Rechtsanwalt V; 18.5.2006 – I ZB 57/05 – GRUR 2006, 702, 704 Tz. 24 – Kosten des mitwirkenden Patentanwalts im Übergangsverfahren; 11.12.2007 – X ZB 21/07 – WRP 2008, 363, 364 – erstattungsfähige Reisekosten. 1863 BGH 12.12.2002 – I ZB 29/02 – WRP 2003, 391, 392 – Auswärtiger Rechtsanwalt I; 9.9.2004 – I ZB 5/04 – GRUR 2005, 84, 85 – Unterbevollmächtigter II; 2.12.2004 – I ZB 4/04 – GRUR 2005, 271 – Unterbevollmächtigter III; 16.12.2004 – I ZB 23/04 – WRP 2005, 505 – Baseball Caps; 13.9.2005 – X ZB 30/04 – GRUR 2005, 1072 – Auswärtiger Rechtsanwalt V; 11.12.2007 – X ZB 21/07 – WRP 2008, 363, 364 – erstattungsfähige Reisekosten. 1864 Vgl. insoweit auch Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 3.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

a) Prozessvorbereitung 706

aa) Testkäufe. Kosten für Testkäufe sind grundsätzlich erstattungsfähig, wenn sie zulässiger Weise1865 mit Blick auf einen zu führenden Rechtsstreit getätigt werden.1866 Der gezielte Testkauf, der zumindest ein Verdachtsmoment voraussetzt, ist dabei abzugrenzen von der bloßen Marktbeobachtung. Stößt der Testkäufer im Rahmen der unspezifischen Marktbeobachtung zufällig auf einen Wettbewerbsverstoß, so sind diese Kosten nicht erstattungsfähig.1867 Die Kosten des Testkaufs müssen ferner im Einzelfall erforderlich gewesen sein. Dabei ist der Maßstab einer auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bedachten Partei anzulegen.1868 Dies schließt im Bereich gewerblicher Verkäufe jedoch nicht aus, dass zur Vermeidung von Misstrauen des vermeintlichen Verletzers Käufe im Umfang eines typischen „echten“ Auftrags getätigt werden.1869 Testkäufe können ausnahmsweise dann nicht erstattungsfähig sein, wenn weniger aufwendige Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten.1870 Hier ist jedoch wegen des potenziell geringeren Beweiswerts von Fotografien oder Zeugenaussagen Zurückhaltung geboten,1871 sodass in aller Regel die Kosten eines Testkaufs als erstattungsfähig anzusehen sind. Bei Ermittlung der zu erstattenden Kosten ist neben den Ausgaben für die Beschaffung des Beweismittels auch der Vorteil zu berücksichtigen, den der Besitz und das Eigentum an der gekauften Sache nach Durchführung des Wettbewerbsprozesses für den Kläger noch hat.1872 Somit gilt, dass die Festsetzung sämtlicher Auslagen für den Testkauf nur Zug um Zug gegen Herausgabe der Kaufsache erfolgen kann.1873 Bei einer Quotelung der Kostenlast hat die Herausgabe der Kaufsache Zug um Zug gegen die anteilsmäßige Erstattung der Auslagen zu erfolgen.1874

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bb) Detektivkosten. Kosten für die Einschaltung eines Detektivs sind nach dem allgemeinen Grundsatz, wonach von mehreren Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen ist, nur dann erstattungsfähig, wenn dieselbe Tätigkeit nicht auch durch Mitarbeiter des Klägers hätte durchgeführt werden können.1875

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1865 Zur Abgrenzung vgl. Teplitzky Kap. 47 Rn. 29 m.w.N. 1866 So in einem obiter dictum BGH 20.10.2005 – I ZB 21/05 – GRUR 2006, 439 – nicht anrechenbare Geschäftsgebühr (Tz. 11); OLG Düsseldorf 25.4.1984 – 2 W 35/85 – WRP 1986, 33; OLG Frankfurt 18.1.1985 – 6 W 170/84 – GRUR 1985, 401; 2.1.2001 – 6 W 203/00 – JurBüro 2001, 259; KG 23.1.1976 – 1 W 955/75 – JurBüro 1976, 668; OLG Koblenz 2.2.1979 – 14 W 41/79 – VersR 1980, 433; OLG München 24.11.1975 – 11 W 1901/75 – Rpfleger 1976, 219; 10.2.1992 – 11 W 2504/91 – GRUR 1992, 345 – Fangprämie; OLG Stuttgart 14.9.1995 – 14 U 27/95 – JurBüro 1995, 37; OLG Zweibrücken 1.4.2004 – 4 W 42/04 – GRUR 2004, 1064 (LS) = GRUR-RR 2004, 343 – Testkaufkosten; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.123; Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 10 f. 1867 OLG Zweibrücken 1.4.2004 – 4 W 42/04 – GRUR 2004, 1064 (LS) = GRUR-RR 2004, 343 – Testkaufkosten; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 275. 1868 OLG Frankfurt 18.1.1985 – 6 W 170/84 – GRUR 1985, 401, u.a. zur Erstattungsfähigkeit der Kosten zweier Testkäufer, die nicht am Wohnsitz des Beklagten ansässig waren und den Beklagten mehrfach kontaktierten. 1869 OLG Frankfurt, aaO, wobei klargestellt wird, dass ein „Auskaufen“ des Verletzungsgegenstandes zum Zwecke der Vorwegnahme eines Vernichtungsanspruchs nicht mehr gedeckt ist. 1870 Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 275; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.123. 1871 Vgl. hierzu OLG Stuttgart 29.4.1986 – 8 W 61/86 – NJW-RR 1986, 978. 1872 OLG Stuttgart aaO. 1873 OLG Stuttgart aaO; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.123; a.A. OLG Koblenz 2.2.1979 – 14 W 41/79 – VersR 1980, 433; 2.2.1979 – 14 W 41/79 – WRP 1979, 813 f.; Harte/Henning/Brüning vor § 12 Rn. 275 („in der Regel“); Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 451; Mes GRUR 2013, 767. 1874 OLG Stuttgart 29.4.1986 – 8 W 61/86 – NJW-RR 1986, 978. 1875 OLG Frankfurt 9.2.1970 – 6 W 447/69 – WRP 1970, 154, die Erstattungsfähigkeit der Detektivkosten verneinend bei der Überprüfung eines Wettbewerbers im Rahmen der Durchführung einer Kaffeefahrt.

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X. Kosten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

cc) Abmahnung. Die Frage, ob die Kosten einer erfolglosen Abmahnung zu den 708 Kosten des Rechtsstreits i.S.v. § 91 ZPO zählen und im Kostenfestsetzungsverfahren festgesetzt werden können, war in Literatur und Rechtsprechung über viele Jahre höchst umstritten.1876 Im Jahr 2006 entschied der BGH, dass Abmahnkosten keine Kosten des Rechtsstreits sind, weil sie nicht der Vorbereitung, sondern gleichsam im Gegenteil der Vermeidung eines Rechtsstreits – bzw. der Vermeidung nachteiliger Kostenfolgen gem. § 93 ZPO – dienen.1877 Abmahnkosten müssen daher auf der Grundlage des materiellrechtlichen Erstattungsanspruchs aus § 12 Abs. 1 Satz 2 eingeklagt werden.1878 Auch die Kosten für ein vorgerichtliches Abwehrschreiben stellen, soweit sie auf die Verfahrensgebühr nicht anrechenbar sind, keine notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung dar, da auch hier der Zweck in der Vermeidung der gerichtlichen Auseinandersetzung liegt.1879 Materiell-rechtlich sind die Kosten des Abwehrschreibens weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung von § 12 Abs. 1 Satz 2 erstattungsfähig, sondern allenfalls – in Ausnahmefällen – über § 826 BGB,1880 sowie in Fällen missbräuchlicher Abmahnung nach § 8 Abs. 4 Satz 2. Insoweit sind Abmahnung und Abwehrschreiben von der Schutzschrift abzugrenzen, die vorsorglich zur Verteidigung gegen einen erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht worden ist; deren Kosten sind grundsätzlich erstattungsfähig, wenn ein entsprechender Verfügungsantrag tatsächlich eingeht.1881 Hat der Antragsgegner im Hinblick auf den fliegenden Gerichtsstand Schutzschriften bei mehreren oder gar allen deutschen Landgerichten eingereicht hat, kann er jedoch nur Erstattung derjenigen Kosten verlangen, die durch die Einreichung der Schutzschrift bei dem Gericht angefallen sind, bei dem der Verfügungsantrag gestellt wurde.1882 Erhält der Rechtsanwalt bei Erfolglosigkeit der Abmahnung Klageauftrag, so bleibt 709 die entstandene Geschäftsgebühr für die Abmahnung unangetastet und wird zur Hälfte – jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 – auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet (Vorb. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG). Zunächst vertraten mehrere Zivilsenate des BGH die Auffassung, dass sich auch der Prozessgegner auf diese Bestimmung berufen könne und dementsprechend nur eine verminderte

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1876 Die Erstattungsfähigkeit bejahend: KG 3.4.1981 – 5 W 28/81 – WRP 1982, 25; OLG Dresden 22.10.1997 – 14 W 820/96 – GRUR 1997, 318 – Vorgerichtliche Abmahnung; OLG Düsseldorf 4.9.2000 – 20 W 57/00 – AnwBl 2001, 187; OLG Köln 7.2. 1969 – 6 W 71/68 – WRP 1969, 248 = NJW 1969, 935; OLG München 16.4.1982 – 11 W 1594/81 – JurBüro 1982, 1192; OLG Nürnberg 30.4.1992 – 3 W 845/92 – WRP 1992, 588 = JurBüro 1992, 615 m. Anm. Mümmler; Borck WRP 2001, 23 f.; Dittmar NJW 1986, 2089 f.; Vorauflage/ Kreft vor § 13 C Rn. 184. A.A. OLG Frankfurt 6.12.1984 – 6 W 154/84 – GRUR 1985, 328; OLG Hamburg 11.1.1993 – 8 W 3/93 – MDR 1993, 388; OLG Hamm 20.5.1996 – 23 W 87/96 – MDR 1997, 205; OLG Karlsruhe 23.1.1997 – 6 W 158/96 – AnwBl 1997, 681; OLG Rostock 21.5.1996– 1 W 73/96 – WRP 1996, 790 = NJW-RR 1996, 1342. 1877 BGH 20.10.2005 – I ZB 21/05 – GRUR 2006, 439 – nicht anrechenbare Geschäftsgebühr. Zustimmend nun auch die neuere Literatur, vgl. Köhler/Bornkamm, § 12 UWG Rn. 1.92; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 3 sowie Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 20; Teplitzky Kap. 41 Rn. 90; Gloy/Loschelder/Erdmann, § 92 Rn. 8; Zöller/Herget § 91 ZPO Rn. 13 – Stichwort „Abmahnung“. 1878 Zur Frage, ob eine 1,3 oder eine 1,5 Geschäftsgebühr anzusetzen ist vgl. BGH 11. 7.2012 − VIII ZR 323/11 – GRUR-RR 2012, 491 – Toleranzbereich sowie 3.11.2013 – X ZR 171/12 – GRUR 2014, 206 – Einkaufskühltasche. Zur Qualifizierung des Anspruchs als Freistellungs- oder Zahlungsanspruch sowie zur Fälligkeit OLG Hamm 3.9.2013 – 4 U 58/13 – GRUR 2014, 133. 1879 BGH 6.12.2007 – I ZB 16/07 – GRUR 2008, 639 – Kosten eines Abwehrschreibens. Zustimmend Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.78a; Teplitzky Kap. 41 Rn. 90. 1880 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.78a. 1881 BGH 13.2.2003 – I ZB 23/02 – GRUR 2003, 456 – Kosten einer Schutzschrift. 1882 OLG Hamburg 23.10.2013 – 4 W 100/13 – GRUR-RR 2014, 96.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Verfahrensgebühr festzusetzen sei.1883 Dies sollte unabhängig davon gelten, ob die Geschäftsgebühr für die Abmahnung auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner überhaupt zu erstatten ist und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist.1884 Mit der Einführung von § 15a RVG am 5.8.20091885 wurde diese Auffassung obsolet, und es vollzog sich auch im Hinblick auf Altfälle ein Meinungswechsel bei mehreren Zivilsenaten des BGH, einschließlich dem I. Zivilsenat. Nach § 15a Abs. 2 RVG kann sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Eine Übergangsregelung ordnete der Gesetzgeber nicht an, woraufhin überwiegend angenommen wurde, dass § 15a RVG nur geltendes Recht konkretisieren und keine Änderung der Rechtslage herbeiführen sollte.1886 Dementsprechend wird nunmehr für die Zeit vor und nach Inkrafttreten des § 15a Abs. 2 RVG angenommen, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu Gunsten des Prozessgegners nur in den in § 15a Abs. 2 RVG genannten Fällen erfolgt.1887 b) Verfahrenskosten 710

aa) Reisekosten des Prozessbevollmächtigten bzw. der Partei. Die – naturgemäß begrenzten – Reisekosten eines Rechtsanwalts am Ort des Prozessgerichts sind ohne Weiteres erstattungsfähig.1888 Infolge der Aufgabe der Singularzulassung und begünstigt durch fliegende Gerichtsstände – die eine taktisch motivierte Auswahl des an-

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1883 BGH 7.3.2007 – VIII ZR 86/06 – NJW 2007, 2049, 2050 Tz. 11; 14.3.2007 – VIII ZR 184/06 – NJW 2007, 2050, 2052 Tz. 19; 11.7.2007 – VIII ZR 310/06 – NJW 2007, 3500, 3501 Tz. 11; 22.1.2008 – VIII ZB 57/07 – NJW 2008, 1323, 1324 Tz. 6; 30.4.2008 – III ZB 8/08 – NJW-RR 2008, 1095 Tz. 4; 14.8.2008 – I ZB 103/07 – AGS 2008, 574 Tz. 11 = BeckRS 2008, 20015 Tz. 11; 24.9.2008 – IV ZB 26/07 – BeckRS 2008, 22194 Tz. 6 f.; 25.9.2008 – VII ZB 93/07 – BeckRS 2008, 21860 Tz. 5; 2.10.2008 – I ZB 30/08 – WRP 2009, 75 Tz. 10 f. Vgl. bereits auch VGH München 6.3.2006 – 19 C 06.268 – NJW 2006, 1990; Schultze-Rhonhof RVG-Report 2005, 374. 1884 BGH 22.1.2008 – VIII ZB 57/07 – NJW 2008, 1323, 1324 Tz. 6; 30.4.2008 – III ZB 8/08 – NJW-RR 2008, 1095 Tz. 4. 1885 Art. 10 Satz 2 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30.7.2009, BGBl. I, S. 2449. 1886 BGH 2.9.2009 – II ZB 35/07 – NJW 2009, 3101 Tz. 8; OLG Düsseldorf 20.8.2009 – 3 WF 144/09 – AGS 2009, 372, 373; OLG Koblenz 1.9.2009 – 14 W 553/09 – NJOZ 2010, 52; OLG Köln 14.9.2009 – 17 W 195/09 – JurBüro 2009, 640 Tz. 9; OLG Stuttgart 11.8.2009 – 8 W 339/09 – AGS 2009, 371, 372; LG Saarbrücken 3.9.2009 –5 T 434/09 – BeckRS 2009, 28918 Tz. 14; AG Bremen 22.9.2009 – 9 C 213/09 – AGS 2009, 566 = BeckRS 2009, 25822 Tz. 6; OVG Münster 11.8.2009 – 4 E 1609/08 – AGS 2009, 447, 448 = BeckRS 2009, 37678; VG Osnabrück 3.9.2009 – 5 A 273/08 – BeckRS 2009, 39895 Tz. 14; Enders JurBüro 2009, 400; Hansens AnwBl 2009, 540; Henke AnwBl 2009, 709; Kallenbach AnwBl 2009, 442; Nickel FamRB 2009, 324. A.A. KG 13.10.2009 – 27 W 98/09 – NJOZ 2010, 51; 13.8.2009 – 2 W 128/09 – NJOZ 2009, 4593, 4594 f.; OLG Celle 26.8.2009 – 2 W 240/09 – OLGR 2009, 749 = BeckRS 2009, 23988; OLG Celle 19.10.2009 –2 W 280/09 – OLGR 2009, 930 = BeckRS 2009, 29045; OLG Bamberg 15.9.2009 – 4 W 139/09 – BeckRS 2010, 02999; OLG Frankfurt 10.8.2009 – 12 W 91/09 – NJOZ 2009, 4577, 4577 f.; OLG Hamm 25.9.2009 –25 W 333/09 – BeckRS 2009, 28919. 1887 BGH 10.8.2010 – VIII ZB 15/10 – NJOZ 2011, 1028, 1029 Tz. 10; 15.9.2010 – IV ZB 5/10 – AGS 2010, 474 Tz. 11 = BeckRS 2010, 23614 Tz. 11; 7.2.2011 – I ZB 96/09 – GRUR-RR 2011, 200 (LS) = BeckRS 2011, 04939 – Abzug der Geschäftsgebühr; 3.2.2011 – I ZB 47/10 – GRUR-RR 2011, 232 (LS) = BeckRS 2011, 09190 – Abzug der Geschäftsgebühr II; 28.4.2011 – I ZB 61/08 – GRUR-RR 2011, 288 (LS) = BeckRS 2011, 13140 – Abzug der Geschäftsgebühr III; 22.6.2011 – I ZB 86/10 – GRUR-RR 2011, 392 (LS) = BeckRS 2011, 19846 – Abzug der Geschäftsgebühr IV; 28.9.2011 – I ZB 29/10 – GRUR-RR 2012, 136 (LS) = BeckRS 2011, 27328 – Abzug der Geschäftsgebühr V. 1888 Vgl. Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 29.

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X. Kosten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

gerufenen Gerichts ermöglichen – beauftragen die Parteien des Wettbewerbsprozesses indes häufig einen Rechtsanwalt, der nicht am Ort des Gerichts ansässig ist. Nicht selten ist der Anwalt dabei auch nicht am Ort der Partei, sondern an einem dritten Ort ansässig. In diesen Fällen stellt sich die Frage nach der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des Rechtsanwalts zum Prozessgericht. Nach Aufgabe der Singularzulassung hat sich in der Rechtsprechung die Tendenz herausgebildet, den Prozessparteien auch kostenrechtlich die Inanspruchnahme des Anwalts ihres Vertrauens1889 zuzubilligen, indem die Mehrkosten der Inanspruchnahme eines nicht am Prozessgericht ansässigen Prozessbevollmächtigten grundsätzlich – wenngleich mit den nachstehend erörterten Einschränkungen – als erstattungsfähig angesehen werden.1890 Beauftragt eine Partei einen Anwalt an ihrem Wohn- oder Geschäftsort, so sind 711 die Kosten für die Reise des Anwalts zum Gerichtsort regelmäßig zu erstatten.1891 Dies gilt unabhängig davon, ob die Partei sich in der Rolle der Beklagten befindet oder ob sie als Klägerin auftritt und damit den auswärtigen Gerichtsort gleichsam freiwillig herbeigeführt hat.1892 Die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit wird damit begründet, dass ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle erforderlich und sinnvoll ist.1893 Die Reisekosten des sachbearbeitenden Anwalts sind richtigerweise auch dann zu erstatten, wenn die Partei eine überörtliche Sozietät beauftragt und am Gerichtsort oder in dessen Nähe andere Sozietätsmitglieder ansässig sind.1894 Dem steht nicht entgegen, dass formal in aller Regel ein Auftragsverhältnis mit der Gesamtsozietät besteht; vielmehr ist das Vertrauensverhältnis der Partei mit dem ortsansässigen sachbearbeitenden Rechtsanwalt schützenswert.1895 Eine Ausnahme von der regelmäßigen Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des ortsansässigen Anwalts besteht lediglich, wenn bereits bei Beauftragung feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht erforderlich sein wird. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die Partei über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt, weil der Rechtsstreit dann durch die Mitarbeiter der Rechtsabteilung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorbereitet wird und das Unternehmen in der Lage ist, einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt umfassend schriftlich zu instru-

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1889 Auch die Aufgabe der Postulationsschranken wurde explizit damit begründet, dass das persönliche Vertrauen der Parteien bei der Auswahl ihrer Prozessbevollmächtigten eine maßgebliche Rolle spiele, vgl. BTDrucks. 12/4993, S. 43, 53. 1890 Vgl. MünchKommZPO/Schulz § 91 Rn. 62. 1891 BGH 16.10.2002 – VIII ZB 30/02 – NJW 2003, 898; 12.12.2002 – I ZB 29/02 – WRP 2003, 391, 392 – Auswärtiger Rechtsanwalt I; 18.12.2003 – I ZB 21/03 – GRUR 2004, 447 – Auswärtiger Rechtsanwalt III; 9.9.2004 – I ZB 5/04 – GRUR 2005, 84 – Unterbevollmächtigter II; 2.12.2004 – I ZB 4/04 – GRUR 2005, 271 – Unterbevollmächtigter III; 25.1.2007 – VII ZB 74/06 – NJW 2007, 1532; 16.4.2008 – XII ZB 214/04 – WRP 2008, 948 – Auswärtiger Anwalt in überörtlicher Sozietät. Vgl. auch bereits KG 23.1.2001 – 1 W 8967/00 – NJW-RR 2001, 1002; OLG Bremen 7.6.2001 – 2 W 54/01 – JurBüro 2001, 532, 533; OLG Düsseldorf 21.12.2000 – 10 W 112/00 – NJW-RR 2001, 998, 999; 14.12.2000 – 10 W 107/00 – NJW-RR 2001, 1000; 10.7.2001 – 10 W 67/01 – MDR 2002, 116. 1892 Der BGH spricht insoweit in stRspr von der „klagenden oder beklagten Partei“, vgl. etwa BGH 16.10.2002 – VIII ZB 30/02 – NJW 2003, 898, zur Kostenerstattung des Antragsstellers, der einen Prozessbevollmächtigten am eigenen Ort beantragt. 1893 BGH 23.3.2004 – VIII ZB 145/03 – NJOZ 2004, 1586; 16.10.2002 – VIII ZB 30/02 – NJW 2003, 898; 9.9.2004 – I ZB 5/04 – GRUR 2005, 84 – Unterbevollmächtigter II; 2.12.2004 – I ZB 4/04 – GRUR 2005, 271 – Unterbevollmächtigter III; MünchKommZPO/Schulz § 91 Rn. 68. 1894 BGH 16.4.2008 – XII ZB 214/04 – WRP 2008, 948 – Auswärtiger Anwalt in überörtlicher Sozietät. 1895 BGH a.a.O. Vgl. auch bereits BGH 11.3.2004 – VII ZB 27/03 – NJW-RR 2004, 858 sowie 16.10.2002 – VIII ZB 30/02 – NJW 2003, 898, 901. Zustimmend für den Fall der am fremden Ort prozessierenden Partei MünchKommZPO/Schulz § 91 Rn. 74.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

ieren. 1896 Klagebefugte Verbände sind insoweit Unternehmen mit Rechtsabteilungen gleichgestellt. 1897 Gehören Sonderrechtsgebiete wie das Wettbewerbsrecht nicht zum Tätigkeitsbereich der Rechtsabteilung, so kann ein persönliches Gespräch gleichwohl erforderlich sein.1898 Wird ein Anwalt am Ort des Prozessgerichts beauftragt, befindet sich die Partei aber 712 an einem anderen Ort, so sind neben den problemlos erstattungsfähigen Reisekosten des Anwalts zum Prozessgericht auch die Reisekosten der Partei für ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zu erstatten.1899 Für die Notwendigkeit eines solchen Gesprächs gelten die oben dargestellten Grundsätze. 713 Wird ein Anwalt beauftragt, der weder am Wohn- bzw. Geschäftsort der Partei noch am Ort des Prozessgerichts ansässig ist, so sind jedenfalls die fiktiven Kosten einer Informationsreise zu einem Anwalt am Ort des Prozessgerichts zu erstatten.1900 Übt der im Ausland ansässige Kläger sein Wahlrecht nach § 35 ZPO dahingehend aus, dass er weder im Gerichtsstand des Beklagten noch im Sitz seiner Prozessbevollmächtigten Klage erhebt, so liegt hierin alleine kein Rechtsmissbrauch, welcher der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des klägerischen Rechtsanwalts entgegenstehen würde.1901 Die Reisekosten einer Partei zum Verhandlungstermin sind regelmäßig zu er714 statten, und zwar unabhängig davon, ob das persönliche Erscheinen angeordnet wurde oder nicht.1902 Eine Erstattung soll jedoch dann nicht in Betracht kommen, wenn von vornherein erkennbar ist, dass eine gütliche Einigung ausscheidet oder die Partei zur Klärung des Sachverhalts aus persönlicher Kenntnis nichts beitragen kann.1903 Dies ist etwa der Fall, wenn es sich nur um einen Verkündungstermin handelt oder weil auf Grund des vorausgegangenen Verhaltens des Gegners mit einem Versäumnis- oder An-

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1896 BGH 10.4.2003 – I ZB 36/02 – GRUR 2003, 725, 726 – Auswärtiger Rechtsanwalt II; 18.12.2003 – I ZB 18/03 – GRUR 2004, 448 = WRP 2004, 495 – Auswärtiger Rechtsanwalt IV; 6.5.2004 – I ZB 27/03 – GRUR 2004, 886 = WRP 2004, 1169 – Auswärtiger Rechtsanwalt im Berufungsverfahren; 2.12.2004 – I ZB 4/04 – GRUR 2005, 271 – Unterbevollmächtigter III. 1897 BGH 18.12.2003 – I ZB 18/03 – GRUR 2004, 448 = WRP 2004, 495 – Auswärtiger Rechtsanwalt IV; 21.9.2005 – IV ZB 11/04 – NJW 2006, 301, 303; OLG Köln 8.10.2007 – 17 W 137/07 – OLGR 2008, 407; OLG Nürnberg 22.4.2004 – 3 W 1302/04 – GRUR-RR 2004, 312 – GEMA Reisekosten; Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 38; MünchKommZPO/Schulz § 91 Rn. 72. A.A. OLG Celle 12.3.2004 – 8 W 105/04 – GRUR-RR 2005, 72 (LS) = NJOZ 2004, 1236 – Verbraucherschutzverein; OLG Düsseldorf 16.3.2004 – 10 W 12/04 – NJW-RR 2005, 709. 1898 Vgl. OLG Jena 20.12.2004 – 9 W 398/04 – JurBüro 2005, 264; OLG Köln 14.4.2004 – 17 W 95/04 – JurBüro 2004, 435. Zustimmend MünchKommZPO/Schulz § 91 Rn. 72, der alleine die tatsächliche Organisation der Parteien für maßgeblich hält. Dies überzeugt, da ein Kostenfestsetzungsverfahren kaum dafür geeignet sein dürfte, die Angemessenheit einer konkreten Unternehmensorganisation zu überprüfen. Kritisch zu dieser Begünstigung von Unternehmen, die ihre Rechtsabteilungen klein halten, Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 36. Nicht auf die tatsächliche Organisation abstellend Karczewski MDR 2005, 481, 483. 1899 BGH 21.9.2005 – IV ZB 11/04 – NJW 2006, 301, 303. 1900 BGH 18.12.2003 – I ZB 21/03 – GRUR 2004, 447 – Auswärtiger Rechtsanwalt III; 2.12.2004 – I ZB 4/04 – GRUR 2005, 271 – Unterbevollmächtigter III; 13.9.2005 – X ZB 30/04 – GRUR 2005, 1072 Tz. 2 – Auswärtiger Rechtsanwalt V; 23.1.2007 – I ZB 42/06 – GRUR 2007, 726, 727 Tz. 13 – Auswärtiger Rechtsanwalt VI; Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 50. 1901 BGH 12.9.2013 – I ZB 39/13 – GRUR 2014, 607. 1902 BGH 13.12.2007 – IX ZB 112/05 – NJW-RR 2008, 654, 655 Tz. 11; OLG Brandenburg 25.5.2000 – 12 W 17/00 – MDR 2000, 1216; OLG Celle 8.8.2003 – 8 W 271/03 – NJW 2003, 2994; OLG München 18.7.2003 – 11 W 1732/03 – NJW-RR 2003, 1584; OLG Stuttgart 11.6.2002 – 8 W 603/01 – JurBüro 2002, 536; Zöller/Herget § 91 Rn. 13 „Reisekosten der Partei“; Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 26; Thomas/Putzo/Hüßtege § 91 Rn. 16; Musielak/Wolst § 91 Rn. 63. 1903 BGH 13.12.2007 – IX ZB 112/05 – NJW-RR 2008, 654, 655 Tz. 12; OLG München 18.7.2003 – 11 W 1732/03 – NJW-RR 2003, 1584.

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X. Kosten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

erkenntnisurteil zu rechnen ist.1904 Im Übrigen sollte dieser Ausnahmetatbestand nur mit Zurückhaltung angewendet werden, da die Anwesenheit der Partei angesichts der Verpflichtung des Gerichts, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinzuwirken (§ 278 Abs. 1 ZPO), generell angezeigt ist. Ausnahmen von der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit der Reisekosten der Parteien sind in der Praxis der Instanzgerichte ferner gemacht worden, wenn die Kosten außer Verhältnis zur persönlichen bzw. wirtschaftlichen Bedeutung des Prozesses für die Partei standen,1905 wenn es erkennbar nur um Rechtsfragen ging,1906 wenn Gegenstand eine Routineangelegenheit war1907 und wenn es sich um einen zweiten Termin handelte und im ersten ausführlich die Sach- und Rechtslage besprochen worden war.1908 bb) Kosten eines Verkehrsanwalts. Nach Aufgabe der Singularzulassung spielt 715 die Beauftragung von Verkehrsanwälten, mithin von Anwälten, die den Verkehr zwischen der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten führen (vgl. Nr. 3400 VV RVG), praktisch nur noch eine untergeordnete Rolle, weil die Parteien regelmäßig unabhängig vom Ort des Verfahrens den Rechtsanwalt ihres Vertrauens als Prozessbevollmächtigen beauftragen. Die Kosten des Verkehrsanwalts sind somit nur ausnahmsweise erstattungsfähig.1909 Fallen Wohn- bzw. Geschäftsort der Partei und der Ort des Prozessgerichts auseinander und beauftragt die Partei einen Prozessbevollmächtigten am Gerichtsort, so sind die Kosten eines am Ort der Partei ansässigen Verkehrsanwalts insoweit erstattungsfähig, als auch die Kosten einer fiktiven Informationsreise von der Partei zu dem am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt bzw. die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten am Ort der Partei erstattungsfähig wären.1910 cc) Kosten eines Patentanwalts. Anders als in den Spezialgesetzen des gewerblichen 716 Rechtsschutzes (§ 143 Abs. 4, Abs. 5 PatG, § 27 Abs. 5 GebrMG, § 52 Abs. 2 GeschmMG, § 38 Abs. 4 SortSchG, § 140 Abs. 3 MarkenG) findet sich im UWG keine gesetzliche Bestimmung zur Erstattung der gerichtlichen1911 Kosten für die Hinzuziehung eines Patentanwalts. Dementsprechend sind Patentanwaltskosten im Wettbewerbsprozess grundsätzlich nicht erstattungsfähig und nur dann festzusetzen, wenn die Hinzuziehung des Patentanwalts ausnahmsweise i.S.v. § § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.1912 Nach Auffassung des KG

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1904 OLG München 18.7.2003 – 11 W 1732/03 – NJW-RR 2003, 1584. 1905 OLG Brandenburg 25.5.2000 – 12 W 17/00 – MDR 2000, 1216; OLG Düsseldorf 2.5.1996 – 2 W 17/96 – NJW-RR 1996, 1342; OLG Hamm 24.4.1991 – 23 W 588/90 – Rpfleger 1992, 83; OLG Köln 11.8.1992 – 17 W 29/91 – MDR 1993, 182; OLG Stuttgart 18.3.1992 – 8 W 433/91 – Rpfleger 1992, 448; Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 26. 1906 OLG Düsseldorf 2.5.1996 – 2 W 17/96 – NJW-RR 1996, 1342; OLG Koblenz 16.8.1994 – 14 W 415/94 – MDR 1995, 424. 1907 OLG Düsseldorf 2.5.1996 – 2 W 17/96 – NJW-RR 1996, 1342; OLG Hamm 24.4.1991 – 23 W 588/90 – Rpfleger 1992, 83; OLG Köln 11.8.1992 – 17 W 29/91 – MDR 1993, 182. 1908 OLG Hamm 24.4.1991 – 23 W 588/90 – Rpfleger 1992, 83. 1909 Vgl. Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 63 ff.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.122; Gloy/Loschelder/Erdmann § 92 Rn. 47. 1910 OLG München 28.2.2007 – 11 W 2796/06 – OLGR 2007, 966; Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 64. 1911 Durch BGH 24.2.2011 – I ZR 181/09 – GRUR 2011, 754 Rn. 16–19 – Kosten des Patentanwalts II ist die dort in Tz. 16 umfangreich belegte Streitfrage, ob auch die außergerichtlichen Kosten des Patentanwalts nach § 140 Abs. 3 MarkenG ohne Prüfung der Erforderlichkeit stets zu erstatten sind, dahingehend entschieden, dass dem nicht der Fall ist, weil für eine solche Privilegierung der patentanwaltlichen gegenüber der rechtsanwaltlichen Tätigkeit kein Grund bestehe. 1912 Zu diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis vgl. OLG Jena 12.3.2002 – 2 W 45/02 – GRUR-RR 2003, 30; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.121; Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 79 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann § 92 Rn. 46.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

soll die Verfahrensgebühr des mitwirkenden Patentanwalts bei Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche nach § 140 Abs. 5 MarkenG erstattungsfähig sein, wenn die Streitsache zumindest auch unter kennzeichenrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen ist.1913 Vor dem Hintergrund der Aufgabe der alternativen Klagebegründung und angesichts des Umstands, dass es sich bei den markenrechtlichen und den lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen um verschiedene Streitgegenstände handelt,1914 erscheint diese Auffassung indes nicht mehr haltbar. Somit kommt eine Erstattungsfähigkeit allenfalls in Betracht, wenn die geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Ansprüche selbst dem typischen Tätigkeitsgebiet des Patentanwalts so nahe kommen, dass seine Hinzuziehung angezeigt ist. Insoweit kann auf die Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Patentanwaltskosten in Schutzrechtssachen zurückgegriffen werden, wo ebenfalls Prüfungsmaßstab ist, ob der Patentanwalt Tätigkeiten übernommen hat, die zum typischen Einsatzgebiet eines Patentanwalts gehören.1915 Dies ist etwa denkbar in Fällen der unberechtigten Schutzrechtsberühmung.1916 In Fällen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes hingegen erscheint die Hinzuziehung eines Patentanwalts regelmäßig1917 nicht erforderlich, jedenfalls dann nicht, wenn ausschließlich ästhetische Fragestellungen betroffen sind.1918 Die Terminsgebühr des Patentanwalts ist jedenfalls dann nicht zu erstatten, wenn er sich im Termin durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt.1919 Selbst wenn die Hinzuziehung des Patentanwalts im Erkenntnisverfahren notwendig war, ist für das Zwangsvollstreckungsverfahren eine gesonderte Prüfung vorzunehmen.1920 717

dd) Private Gutachten und Übersetzungen. Kosten eines den Rechtsstreit vorbereitenden Privatgutachtens können ausnahmsweise1921 dann erstattungsfähig sein, wenn die Rechtsverfolgung anderweitig nicht sachgerecht vorbereitet werden konnte, wenn also die Partei andernfalls nicht hätte schlüssig vortragen können.1922 Dies kann z.B. der Fall sein bei komplizierten technischen Sachverhalten.1923 Voraussetzung ist in jedem Fall die Prozessbezogenheit, an der es z.B. fehlt, wenn das Gutachten zur Vorbereitung eines anderen Rechtsstreits oder zum Zwecke der außergerichtlichen Streitbeilegung erstellt worden ist.1924 Nicht erstattungsfähig sind indes die Kosten, die dem Kläger im

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1913 KG 14.1.2000 – 25 W 2536/99 – GRUR 2000, 803 – Mitwirkender Patentanwalt. 1914 Vgl. BGH 17.8.2011 – I ZR 108/09 – GRUR 2011, 1043 – TÜV II Tz. 24 ff. m. Anm. Harte-Bavendamm. 1915 Vgl. BGH 21.12.2011 – I ZR 196/10 – GRUR 2012, 756 – Kosten des Patentanwalts III und 10.5.2012 – I ZR 70/11 – GRUR 2012, 759 – Kosten des Patentanwalts IV. 1916 Vgl. OLG Frankfurt 2.2.1989 – 6 W 166/88 – GRUR 1989, 375 (LS) = JurBüro 1989, 1129; 1.9.1992 – 6 W 93/92 – GRUR 1993, 161 – Französischer Rechtsanwalt; OLG Koblenz 22.1.1987 – 14 W 53/87 – GRUR 1987, 941 = WRP 1988, 126; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.121. 1917 Zu möglichen Ausnahmen vgl. Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 81 m.w.N. und Gloy/Loschelder/ Erdmann § 92 Rn. 46. 1918 Vgl. OLG Jena 12.3.2002 – 2 W 45/02 – GRUR-RR 2003, 30. Nach OLG Frankfurt 12.10.2010 – 6 W 132/10 – GRUR-RR 2011, 118 soll jedoch die Durchführung einer Formenschatzrecherche als typische patentanwaltliche Tätigkeit die Erstattungsfähigkeit der Patentanwaltskosten begründen. 1919 OLG Braunschweig 4.10.2011 – 2 W 96/11 – GRUR-RR 2012, 133. 1920 Vgl. OLG Köln 15.8.2012 – 17 W 135/12 – GRUR-RR 2012, 492 für einen geschmacksmusterrechtlichen Fall. 1921 Zum Regelfall vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.126 und Rn. 2.88 sowie Zöller/Herget § 91 ZPO Rn.13 – Stichwort „Privatgutachten“. 1922 Vgl. Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 13 ff. m.w.N. 1923 OLG Frankfurt 29.3.1994 – 6 W 17/94 – GRUR 1994, 532. 1924 OLG Frankfurt 29.3.1994 – 6 W 17/94 – GRUR 1994, 532; OLG Hamburg 14.1.1988 – 8 W 6/88 – JurBüro 1988, 1022; OLG Koblenz 1.3.1989 – 14 W 169/89 – JurBüro 1990, 1974; OLG Köln 31.10.2003 – 17 W 279/02 – JurBüro 2003, 313.

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X. Kosten

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Hauptsacheverfahren für ein privates Meinungsforschungsgutachten entstanden sind, das zur Darlegung einer bestimmten Verkehrsauffassung dienen soll. Denn zum einen obliegt die Erhebung des Sachverständigenbeweises dem Gericht und zum anderen kann die Verkehrsauffassung in vielen Fällen ohnehin ohne Sachverständigengutachten ermittelt werden.1925 Etwas anderes mag im Verfügungsverfahren gelten, wenn die Vorlage des vorprozessual eingeholten Gutachtens zur Glaubhaftmachung erforderlich ist.1926 Auch für den Beklagten kann die Vorlage eines privaten Gutachtens zur zweckentsprechenden Verteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sein. Legt etwa der Kläger zur Darlegung einer bestimmten Verkehrsauffassung ein privates Meinungsforschungsgutachten vor, so spricht vieles dafür, die Anfertigung und Vorlage eines Gegengutachtens – ungeachtet der Erstattungsfähigkeit der klägerischen Kosten – als zur zweckentsprechenden Verteidigung notwendig anzusehen, weil teilweise vertreten wird,1927 dass ein einfaches Bestreiten in diesen Fällen nicht ausreiche. Kosten eines privaten Rechtsgutachtens sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Eine Ausnahme kann für Gutachten zum Inhalt ausländischen Rechts gelten, sofern dies für den Rechtsstreit relevant ist.1928 Wörtliche Übersetzungen des Prozessstoffs sind immer dann notwendig und erstattungsfähig, wenn eine ausländische Partei die Übersetzungen zur sachgerechten Teilnahme am Prozessgeschehen benötigt.1929 ee) Mehrkosten durch getrennte Geltendmachung von Ansprüchen. Macht der 718 Kläger gleichartige Ansprüche gegen mehrere Beklagte (etwa gegen die Gesellschaft und ihre Organe) in parallelen Verfahren geltend oder verteilt er Ansprüche gegen denselben Beklagten auf verschiedene Verfahren, so können im Kostenfestsetzungsverfahren auch in Wettbewerbssachen1930 die durch das getrennte Vorgehen entstandenen Mehrkosten auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden.1931 Die Gegenauffassung hält dem entgegen, dass eine Missbräuchlichkeit der Mehrfachklage jedenfalls für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche bereits Gegenstand der Zulässigkeitsprüfung nach § 8 Abs. 4 war, sodass eine erneute Prüfung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht erfolgen dürfe.1932 Gegen diese Auffassung spricht indes, dass die Begriffe der Missbräuchlichkeit aus § 8 Abs. 4 und der Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aus § 91 Abs. 1 ZPO nicht deckungsgleich sind. Ein Kostenfestsetzungsverlangen ist dann nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, wenn die von demselben Prozessbevollmächtigten vertrete-

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1925 So auch Vorauflage/Jacobs vor § 13 D Rn. 459 ff.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.88. A.A. wohl Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 15, der hervorhebt, dass das private Gutachten die Darlegung des Anspruchs wesentlich erleichtern könne. 1926 Vgl. KG 13.2.1987 – 1 W 4941/85 – GRUR 1987, 473, 474; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.88. 1927 Vgl. Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 15. 1928 OLG Frankfurt 1.9.1992 – 6 W 93/92 – GRUR 1993, 161 – Französischer Rechtsanwalt; OLG Naumburg 18.9.2013 – 2 W 51/12 – GRUR 2014, 304 (LS); Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.126. 1929 Vgl. OLG Düsseldorf 23.7.2012 – I-2 W 20/12 – GRUR-RR 2012, 493 mit der Klarstellung, dass dies auch für instanzbeendende Schriftsätze gilt, weil auch hier im Hinblick auf den Umfang der Rechtskraft wichtige Berichtigungen oder Ergänzungen erforderlich sein können. 1930 Außerhalb dieses Bereichs ist es die vorherrschende Meinung, vgl. etwa die Nachweise bei Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 84 in Fn. 148. 1931 Dies liegt unausgesprochen der Entscheidung BGH 20.5.2014 – VI ZB 9/13 – GRUR 2014, 709 – Festsetzung von Mehrkosten zugrunde. Vgl. auch KG 4.7.1989 – 1 W 1439/89 – JurBüro 1989, 1697; 29.6.2006 – 1 W 186/06 – OLGR 2007, 79; OLG Düsseldorf 26.1.1972 – 10 W 159/71 – GRUR 1973, 51 = MDR 1972, 522; OLG München 26.3.1987 – 11 W 976/87 – MDR 1987, 677; 20.2.2001 – 11 W 3250/00 – GRUR-RR 2002, 119 = MDR 2001, 652. 1932 Ahrens/Büttner Kap. 42 Rn. 85.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

nen Antragsteller den Antragsgegner zeitlich gestaffelt in Anspruch nehmen und ihr Vorgehen dazu bestimmt und geeignet ist, das Prozessrisiko insgesamt zu reduzieren.1933 XI. Vergleich Ebersohl/Herrmann XI. Vergleich Schrifttum Borck Über unrichtig gewordene Unterlassungstitel und deren Behandlung, WRP 2000, 9; Dornis/ Förster Die Unterwerfung: Rechtsnatur und Rechtsnachfolge, GRUR 2006, 195; Ehmann Schuldanerkenntnis und Vergleich (2005); Gottschalk Wie kann eine Unterlassungsvereinbarung erlöschen? GRUR 2004, 827; Grabitz/Hilf/Nettesheim Das Recht der Europäischen Union, 49. Aufl. (2013); Grosch Rechtswandel und Rechtskraft bei Unterlassungsurteilen (2002); Jansen/Johannsen Die Bewertung von Vergleichsvereinbarungen in Patentstreitigkeiten nach dem europäischen Kartellverbot, EuZW 2012, 893; Klaka Anmerkung zu BGH 21.4.1983 – I ZR 201/80 – GRUR 1983, 602 –Vertragsstraferückzahlung –, GRUR 1983, 604; H. Köhler Zur Verjährung des vertraglichen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruchs, GRUR 1996, 231; Lindacher Gesicherte Unterlassungserklärung, Wiederholungsgefahr und Rechtsschutzbedürfnis, GRUR 1975, 413; Michael Die vertragsstrafenbewehrte Unterwerfung im Prozessvergleich, WRP 2001, 117; Nieder Die vertragsstrafenbewehrte Unterwerfung im Prozessvergleich, WRP 2001, 117; B. Oppermann Unterlassungsantrag und zukünftige Verletzungshandlung – gleichzeitig eine Anmerkung zu OLG Hamm, WRP 1989, 260, WRP 1989, 713; Rieble Wegfall wettbewerblicher Vertragsstrafen durch das UWG-Änderungsgesetz? GRUR 1995, 252; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 17. Aufl. (2010); A. Schäfer Das Abstraktionsprinzip beim Vergleich (1992); K. Schmidt Der Vergleichsvertrag unter Konkurrenten: ein Kartell? JuS 1978, 736; Teplitzky Unterwerfung und „konkrete Verletzungsform“, WRP 1990, 26; Volp Änderung der Rechts- oder Sachlage bei Unterlassungstiteln, GRUR 1984, 486; Wiedemann Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl. (2008).

1. 2.

Systematische Übersicht Einführung ____ 719 Rechtsnatur, Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Vergleichs ____ 722 a) Rechtsnatur ____ 722 b) Wirksamkeitsvoraussetzungen ____ 725 aa) Verfügungsbefugnis ____ 725 bb) Verstoß gegen Verbotsgesetze, insbes. Kartellverbot ____ 726 cc) Form ____ 737 dd) Prozessvergleich ____ 740 c) Rechtsfolgen ____ 741 aa) Allgemeines ____ 741 bb) Sonderregelung des § 779 BGB ____ 744

cc)

3.

4.

Nachträgliche Änderung der Rechtslage ____ 746 dd) Novierender Charakter ____ 753 Inhalte eines Vergleiches in Wettbewerbssachen ____ 756 a) Unterlassungsverpflichtung mit Vertragsstrafeversprechen ____ 756 b) Regelung von Nebenansprüchen ____ 766 c) Aufbrauchfrist ____ 767 Besonderheiten des Prozessvergleiches ____ 768

1. Einführung 719

Der Vergleich (§ 779 BGB) 1934 als privatautonome Feststellung eines streitigen Rechtsverhältnisses ist auch im Lauterkeitsrecht von erheblicher praktischer Bedeutung.1935 Die Möglichkeit, einen Titel aufgrund privatautonomer Vereinbarung zu erlangen (bei Prozessvergleichen bzw. vollstreckbaren Anwaltsvergleichen oder Vergleichen

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1933 BGH 20.5.2014 – VI ZB 9/13 – GRUR 2014, 709 – Festsetzung von Mehrkosten. 1934 Zum Einigungsstellenvergleich und dessen Rechtsnatur vgl. Nippe § 15 Rn. 221 ff. 1935 Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 1, 29; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 1.

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vor der Einigungsstelle), bietet ungeachtet der Effizienz der staatlichen Wettbewerbsgerichte nicht zuletzt durch die allenfalls reduzierte Beteiligung der Öffentlichkeit in der Hauptsache und die erreichbare Beschleunigung erhebliche Anreize zu einem Vergleichsschluss. Es liegt zudem nicht notwendig im Interesse der Beteiligten, über eine bestimmte streitige Rechtsfrage eine gerichtliche Entscheidung zu provozieren, deren Inhalt und Folgewirkungen für künftige Verfahren nicht immer mit der erforderlichen Sicherheit vorhergesagt werden können.1936 Dass Wettbewerbsprozesse häufig von Unternehmen geführt werden, erleichtert durch die damit einhergehende Professionalisierung grundsätzlich das Finden von wirtschaftlich vernünftigen Lösungen.1937 Nicht selten fehlt aber auch jede Vergleichsbereitschaft, insbesondere wenn das Verfahren Teil einer größeren Auseinandersetzung zwischen den Parteien ist und deshalb beispielsweise ein auf den deutschen Marktort begrenzter Vergleich im Hinblick auf eine global ausgetragene Auseinandersetzung als nicht sinnvoll erscheint. Vergleiche können in jeder Phase der streitigen Auseinandersetzung abgeschlossen 720 werden. Häufig wird ein Vergleich im Anschluss an eine Abmahnung zustande kommen, um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Während eines anhängigen Verfahrens kann zu jedem Zeitpunkt gerichtlich oder außergerichtlich eine Streitbeilegung oder jedenfalls eine Konzentration auf bestimmte Aspekte ebenso vereinbart werden wie eine private Musterprozessabsprache, die – ohne Rechtskrafterstreckung – das Ergebnis eines zwischen Dritten geführten Verfahrens als verbindlich festlegt.1938 Auch nach rechtskräftigem Abschluss eines Verfahrens kann noch ein Vergleich geschlossen werden, der den Inhalt des Vollstreckungstitels modifiziert. Ein Vergleich kann jedoch frühestens dann geschlossen werden, wenn ein streitiges 721 Rechtsverhältnis zwischen den Parteien entstanden ist, also die Rechtsbeziehungen soweit konkretisiert sind, dass eine vergleichsweise Feststellung der wechselseitigen Rechte und Pflichten überhaupt möglich ist.1939 Ein dem Vergleichsschluss zugängliches Rechtsverhältnis ist in diesem Sinne entstanden, wenn unter sonst gleichen Umständen auch eine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) erhoben werden könnte. Herrmann

2. Rechtsnatur, Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Vergleichs a) Rechtsnatur. Entsprechend der besonderen Bedeutung des Vergleiches im Wett- 722 bewerbsrecht kommen zahlreiche unterschiedliche Vergleichstypen in der Praxis vor. Inhalt ist häufig die Abgabe einer (ggf. strafbewehrten) Unterlassungserklärung gegen die Gewährung einer Aufbrauchfrist und der Verzicht auf Auskunfts- und Schadensersatzansprüche.1940 Erhebliche praktische Bedeutung kommt auch dem Kostenvergleich im Unterlassungsprozess nach außergerichtlichem Vergleichsschluss zu.1941 Der Vergleich ist stets (auch) ein kausaler Änderungsvertrag, indem er mit Wirkung 723 zwischen den Vergleichsparteien unabhängig von der objektiv bestehenden Rechtslage die Rechte und Pflichten feststellt. 1942 Daneben kann einem Vergleich auch schuld-

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1936 Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 1. 1937 Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 462. 1938 Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 2. 1939 BGH 28.5.1979 – III ZR 89/78 – NJW 1980, 889, 890; MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 4; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 4. 1940 Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 277; MünchKommUWG/Ehricke Vor § 12 Rn. 142; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 2.127. 1941 Vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.129; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 1. 1942 PWW/Brödermann § 779 Rn. 2; MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 31; Palandt/Sprau § 779 Rn. 2; differenzierend: Staudinger/Marburger § 779 Rn. 37.

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umschaffende (novierende) Wirkung zukommen.1943 Bei einem Vergleich über wettbewerbliche Unterlassungsansprüche wird eine Novation, für die ansonsten besondere Anhaltspunkte erforderlich sind, regelmäßig naheliegen.1944 Der vertragliche Unterlassungsanspruch ersetzt dann im Verhältnis der Parteien den gesetzlichen Anspruch. Im Unterlassungsvertrag werden auf dessen Abschlusszeitpunkt die Verhaltenspflichten des Unterlassungsschuldners verbindlich festgelegt. Soweit das durch den Vergleich geregelte Rechtsverhältnis bei objektiver Betrachtung, die die Parteien freilich gerade vermeiden wollen, tatsächlich andere Rechte und Pflichten als die in dem Vergleich vereinbarten vorsieht, hat der Vergleich notwendig auch Verfügungscharakter (Inhaltsänderung eines Rechts). 1945 Ohne weitere Vollzugshandlung wird dann dieses Rechtsverhältnis inhaltlich neu geregelt.1946 Geltungsgrund der Verhaltenspflichten des Schuldners ist nicht mehr das materielle Recht, sondern die privatautonom getroffene Regelung. Gegenseitiger Vertrag ist der Vergleich nur, wenn er selbst synallagmatische Leis724 tungspflichten begründet, also nicht lediglich die Leistungspflichten zwischen den Parteien feststellt.1947 Die §§ 320 ff. BGB sind ausschließlich nach Maßgabe des im Vergleich geregelten Ausgangsrechtsverhältnisses anwendbar, nicht aufgrund des Vergleichsschlusses. Das im Wortlaut des § 779 BGB enthaltene Erfordernis „gegenseitigen Nachgebens“1948 beinhaltet kein Gegenseitigkeitsverhältnis von Leistung und Gegenleistung.1949 b) Wirksamkeitsvoraussetzungen 725

aa) Verfügungsbefugnis. Angesichts der mit dem Vergleich angestrebten Verfügung über das streitige Rechtsverhältnis ist die Verfügungsbefugnis der Vergleichsschließenden vorausgesetzt. Sie fehlt, wenn das zu regelnde Rechtsverhältnis der Parteidisposition entzogen ist (z.B. § 311b Abs. 4 BGB) oder die vergleichsbetroffenen Ansprüche den Parteien nicht (mehr) zustehen. bb) Verstoß gegen Verbotsgesetze, insbes. Kartellverbot

726

(1) Grundsatz. Wie jede privatautonome Regelung muss auch der Vergleich die allgemeinen Gestaltungsgrenzen (insbes. §§ 134, 138 Abs. 1 BGB) einhalten.1950 Ein Vergleich ist nach § 134 BGB in Verbindung mit einem Verbotsgesetz nichtig, wenn er seinem Inhalt nach primär bezweckt, dem Verbotsgesetz zuwiderzuhandeln. Die Nichtigkeitsfolge kommt daneben auch in Betracht, wenn bereits das vergleichsweise zu regelnde Rechtsverhältnis nichtig ist.1951

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1943 Erman/Müller § 779 Rn. 24; siehe hierzu Rn. 33. 1944 Dazu Rn. 33. 1945 Staudinger/Marburger § 779 Rn. 42 f. 1946 MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 35; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 42. 1947 Staudinger/Marburger § 779 Rn. 49, 51; Palandt/Sprau § 779 Rn. 2. 1948 Siehe Rn. 16 f. 1949 MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 36; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 49; Palandt/Sprau § 779 Rn. 2; a.A. A. Schäfer S. 206 ff. 1950 MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 56 f., 59; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 10; Staudinger/ Marburger § 779 Rn. 75–77; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 10; Thomas/Putzo/Seiler § 794 Rn. 16; Palandt/ Sprau § 779 Rn. 22; Zöller/Stöber § 794 Rn. 15. 1951 MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 58; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 78.

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(2) Kartellrechtswidrigkeit. Die im Wettbewerbsrecht besonders bedeutsamen Vergleichsvereinbarungen über Unterlassungsansprüche können das Kartellverbot (Art. 101 AEUV, § 1 GWB) berühren, wenn sie unter Wettbewerbern geschlossen werden. Vergleichen sich die Parteien beispielsweise über einen Unterlassungsanspruch wegen eines Boykottaufrufs (§ 4 Nr. 10 UWG) durch ein marktbeherrschendes Unternehmen, kann die vergleichsweise getroffene Regelung, soweit sie dem Marktbeherrscher Handlungsspielraum lässt oder verschafft, ihrerseits kartellrechtswidrig und damit unwirksam sein.1952 In der Entscheidung Thermalquelle1953 hat der Kartellsenat des BGH es als möglich angesehen, in einer Vergleichsvereinbarung (potentiell) kartellrechtswidrige Regelungen zu treffen oder zu sanktionieren, wenn „ein ernsthafter, objektiv begründeter Anlass zur Bejahung des geltend gemachten Anspruchs besteht und die wettbewerbsbeschränkenden Absprachen sich innerhalb der Grenzen desjenigen halten, was bei objektiver Beurteilung ernsthaft zweifelhaft sein kann.“1954 Gegenstand des Vergleiches ist dann seiner subjektiven Zielrichtung nach nicht der Verstoß gegen das Kartellverbot, sondern die Beseitigung der Unsicherheit, ob es überhaupt eingreift.1955 Ein Vergleich mit objektiv wettbewerbsbeschränkendem Inhalt soll deshalb zulässig bleiben, wenn ein ernsthafter, objektiv begründeter Anlass zu der Annahme besteht, der begünstigte Vertragspartner habe einen Anspruch auf Unterlassung der durch den Vergleich untersagten Handlung, so dass bei Durchführung eines Rechtsstreits ernstlich mit dem Ergebnis zu rechnen wäre, dass dem Wettbewerber das umstrittene Vorgehen untersagt werde.1956 Das entspricht, wie zuletzt in der Leitentscheidung Abgasreinigungsvorrichtung1957 bestätigt, der ständigen Rechtsprechung des BGH.1958 Es besteht zweifellos ein praktisches Bedürfnis dafür, einen Vergleich über die Reichweite eines Schutzrechtes oder einer lauterkeitsrechtlichen Verhaltenspflicht auch und gerade dann abschließen zu können, wenn objektiv die Möglichkeit besteht, dass die Vergleichsregelung über den Schutzrechtsinhalt oder die Verhaltenspflicht hinausreicht. Bestünde keine solche Unsicherheit, hätten die Parteien von vornherein keine Veranlassung, einen Vergleich abzuschließen. Versagt man aber wegen des möglichen Kartellverstoßes dem Vergleich die rechtliche Anerkennung, würden die Parteien ungeachtet ihrer Vergleichsbereitschaft in einen Rechtsstreit gezwungen. Das erscheint ineffizient. Der BGH1959 betont zu Recht die praktische Sinnlosigkeit eines Rechtsstreits bei bestehender Vergleichsbereitschaft. Für sich genommen genügt dies indessen nicht, um

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1952 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordermann § 1 Rn. 183; Immenga/Mestmäcker/Zimmer § 1 Rn. 189. 1953 BGH 22.5.1975 – KZR 9/74 – BGHZ 65, 147 = GRUR 1976, 323 – Thermalquelle. 1954 BGH 22.5.1975 – KZR 9/74 – BGHZ 65, 147 = GRUR 1976, 323, Leitsatz – Thermalquelle; so auch BGH 21.4.1983 – I ZR 201/80 – GRUR 1983, 602, 603 – Vertragsstraferückzahlung; MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 10; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 4 und 23; vgl. Staudinger/Marburger § 779 Rn. 12; K. Schmidt JuS 1978, 736 ff.; Teplitzky Kap. 11 Rn. 2 und 20 Rn. 11. 1955 BGH 15.2.1955 – I ZR 86/53 – BGHZ 16, 296, 304 = GRUR 1955, 418, 420 – Rote Herzwandvase; BGH 22.5.1975 – KZR 9/74 – BGHZ 65, 147 = GRUR 1976, 323, 324 – Thermalquelle; BGH 5.7.2005 – X ZR 14/03 – GRUR 2005, 845, 847 – Abgasreinigungsvorrichtung. 1956 BGH 22.5.1975 – KZR 9/74 – BGHZ 65, 147 = GRUR 1976, 323 – Thermalquelle. 1957 BGH 5.7.2005 – X ZR 14/03 – GRUR 2005, 845 – Abgasreinigungsvorrichtung. 1958 BGH 22.5.1975 – KZR 9/74 – BGHZ 65, 147 = GRUR 1976, 323 – Thermalquelle; BGH 21.4.1983 – I ZR 201/80 – GRUR 1983, 602, 603 – Vertragsstraferückzahlung; BGH 5.7.2005 – X ZR 14/03 – GRUR 2005, 845 – Abgasreinigungsvorrichtung. 1959 BGH 5.10.1951 – I ZR 74/50 – BGHZ 3, 193, 197 = GRUR 1952, 141, 144 – Tauchpumpe; BGH 15.2.1955 – I ZR 86/53 – BGHZ 16, 296, 303 = GRUR 1955, 418, 420 – Rote Herzwandvase.

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den beim Vergleichsschluss angenommenen weiteren Handlungsspielraum zu legitimieren. Eine Legitimationsgrundlage für die Anerkennung möglicherweise (objektiv) kartell731 rechtswidriger Vergleiche lässt sich zunächst nicht aus einer Vorverlagerung prozessualer Dispositionsmöglichkeiten ableiten. Unterstellt man, die Parteien würden anstelle des Vergleiches einen Prozess über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Unterlassungsanspruches führen, stünde es ihnen zwar frei, durch Anerkenntnis (§ 307 ZPO) oder Verzicht (§ 306 ZPO) eine rechtskräftige Entscheidung mit einem parteibestimmten Inhalt herbeizuführen. Denn weder bei einem Anerkenntnis- noch bei einem Verzichtsurteil kommt es darauf an, ob die anerkannte Rechtsfolge bzw. die Klagabweisung der materiellen Rechtslage entspricht.1960 Die Herbeiführung eines Anerkenntnis- oder Verzichtsurteils – als Entscheidungsformen, die keine gerichtliche Prüfung des geltend gemachten Anspruches beinhalten – bleibt in der Sache eine parteibestimmte Feststellung von Verhaltenspflichten. Eine allgemeine Befreiung vom Kartellverbot würde jedoch nicht allein deshalb gewährt, weil eine Einigung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens erzielt oder mit Mitteln des Verfahrensrechtes (Prozesshandlung) umgesetzt wurde.1961 Desgleichen lässt sich aus der Schiedsfähigkeit von Sachverhalten, die einen kartellrechtlichen Bezug haben,1962 nichts für die Möglichkeit eines die objektiven kartellrechtlichen Grenzen verschiebenden Vergleiches ableiten. Kartellrechtsrelevante Ansprüche mögen zwar grundsätzlich schiedsfähig sein,1963 jedoch ist dann das Schiedsgericht selbst gehalten, das Wettbewerbsrecht anzuwenden. Wenn das Schiedsgericht die kartellrechtlichen Grenzen für das Wettbewerbsverhalten der Parteien nicht beachtet, unterliegt der Schiedsspruch der Aufhebung wegen eines Ordre Public-Verstoßes.1964 Den Schlüssel zur Lösung des Problems der möglichen Kartellrechtswidrigkeit von 732 Unterlassungsvergleichen bietet das Kriterium der „objektiven Unsicherheit“ über die Rechtslage.1965 Wenn die Rechtslage eindeutig ist – was naturgemäß eine Frage des Einzelfalles bleibt – besteht kein Anlass für einen Vergleichsschluss, der von der Rechtslage abweicht. Die Vergleichsform wird für die in Wahrheit beabsichtigte Marktaufteilung missbraucht. Insoweit besteht kein Anlass zu einer irgendwie gearteten Privilegierung. Ob die Parteien um die zutreffende rechtliche Beurteilung des vergleichsweise zu regelnden Sachverhaltes wussten, muss außer Betracht bleiben. Ist die Rechtslage indes „objektiv unsicher“, kann in der hierauf bezogenen Ver733 gleichsvereinbarung auch kein Gesetzesverstoß liegen. Die Parteien beteiligen sich gewissermaßen mit ihrer Vereinbarung an der Klärung der unsicheren Rechtslage. Diese durch Vereinbarung festgestellte Rechtslage bleibt solange verbindlich, wie es nicht zu einer hiervon abweichenden Klärung durch Gerichte oder (Kartell-)Behörden kommt. Indem der BGH auf die „objektive Unsicherheit“ über die Rechtslage im Vergleichszeit-

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1960 BGH 17.3.1993 – XII ZR 256/91 – NJW 1993, 1717, 1719 m.w.N.; OLG Düsseldorf 12.2.1998 – 6 U 87/97 – NJW-RR 1999, 68, 69 f.; Musielak/Musielak § 307 Rn. 15 (zum Anerkenntnis); Thomas/Putzo/Reichold § 307 Rn. 7 (zum Anerkenntnis). 1961 Jansen/Johannsen EuZW 2012, 893. 1962 Wiedemann/Bumiller § 61 Rn. 14. 1963 BGH 7.6.1962 – KZR 6/60 – BGHZ 37, 194, 198 = GRUR 1963, 43, 45 – Spar; BGH 6.12.1962 – KZR 1/62 – GRUR 1963, 331, 333 – Basaltlava; BGH 1.7.1964 – KZR 12/61 – GRUR 1965, 260, 261 – Flußspat; BGH 25.10.1966 – KZR 7/65 – BGHZ 46, 365 – NJW 1967, 1178 – Schweißbolzen. 1964 EuGH 1.6.1999 – C-126/97 – GRUR Int 1999, 737, 739 – Eco Swiss/Benetton; BGH 25.10.1966 – KZR 7/65 – NJW 1967, 1178 – Schweißbolzen. 1965 BGH 5.10.1951 – I ZR 74/50 – BGHZ 3, 193, 197 = GRUR 1952, 141, 144 – Tauchpumpe; BGH 15.2.1955 – I ZR 86/53 – BGHZ 16, 296, 303 f. = GRUR 1955, 418, 420 – Rote Herzwandvase; BGH 22.5.1975 – KZR 9/74 – GRUR 1976, 323, 325 – Thermalquelle; BGH 5.7.2005 – X ZR 14/03 – GRUR 2005, 845, 846 – Abgasreinigungsvorrichtung.

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punkt abstellt, wird zugleich die zeitliche Dimension des den Parteien eröffneten Gestaltungsspielraumes definiert. Nur solange die Rechtslage objektiv ungewiss ist, können die Parteien im Verhältnis zueinander das „Recht“ feststellen. Nach abschließender Klärung der Rechtslage – mit Wirkung ex nunc – wird das Festhalten an einem objektiv kartellrechtswidrigen Vergleich einen Kartellverstoß begründen.1966 Auf das Wissen der Parteien um einen Kartellverstoß kommt es in keinem Fall an. 734 Art. 101 AEUV enthält keine subjektive Komponente,1967 so dass der gute Glaube der Parteien an die Rechtmäßigkeit ihrer Absprachen für deren Wirksamkeit oder Unwirksamkeit unerheblich ist. Im Ergebnis gelten für den Unterlassungsvertrag bzw. -vergleich im Hinblick auf kartellrechtliche Grenzen keine Sonderregeln. Es wird auch kein Dispens vom Kartellverbot erteilt, der eine gutgläubig-grenzverschiebende Vergleichsregelung gestatten würde. Beginnend mit der Entscheidung Tauchpumpe1968 hat die Rechtsprechung nur dem Umstand Rechnung getragen, dass die objektiven Grenzen der Regelungsmöglichkeiten der Parteien ex ante nicht in jedem Fall feststehen. Rückblickend, insbesondere in Kenntnis einer höchstrichterlichen Entscheidung, wird die Rechtslage vielfach eindeutig erscheinen. Ein solches dem Vergleichsschluss nachfolgendes Erkenntnis automatisch auf diesen Zeitpunkt zurück zu beziehen, würde jedoch unbeachtet lassen, dass die Rechtslage bei Vergleichsschluss gerade offen war und nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden konnte, wie der vorliegende Sachverhalt von den hierfür zuständigen Stellen beurteilt werden würde. (3) Gegenseitiges Nachgeben. Streit oder Ungewissheit über Bestehen oder Durch- 735 setzbarkeit eines Anspruches sollen beim Vergleich1969 vertragstypusbedingt nur durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt werden können. Auch eine vollständige Durchsetzung der Position einer Partei könne jedoch Vereinbarungsform annehmen, obschon es sich dann nicht um einen Vergleich im Sinne des § 779 BGB handeln soll.1970 Die herrschende Meinung sieht eine weder qualitativ noch quantitativ zu bewertende1971 mindestens teilweise Aufgabe einer vor Vergleichsschluss eingenommenen Position durch beide Parteien als unverzichtbar an.1972 Ein nur einseitiges Nachgeben (z.B. durch Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruches) wird als nicht ausreichend betrachtet.1973 Hinrei-

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1966 Teplitzky Kap. 11 Rn. 2; Grosch S. 170; Klaka GRUR 1983, 605. 1967 Schwarze/Brinker Art. 101 Rn. 42; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Stockenhuber Art. 101 Rn. 88; Callies/ Ruffert/Weiß Art. 101 Rn. 104–106. 1968 BGH 5.10.1951 – I ZR 74/50 – BGHZ 3, 193, 197 f. = GRUR 1952, 141, 144 – Tauchpumpe. 1969 Nicht hingegen beim Einigungsstellenvergleich, vgl. Nippe § 15 Rn. 223; Teplitzky Kap. 42 Rn. 24; Köhler/Bornkamm § 15 Rn. 26; Vorauflage/Köhler § 27a Rn. 96; MünchKommUWG/Ottofülling § 15 Rn. 105; Ottofülling WRP 2006, 410, 422; Ahrens/Ahrens Kap. 13 Rn. 43; Harte/Henning/Retzer § 15 Rn. 35; Götting/ Nordemann/Schwipps § 15 Rn. 40; Lehmler § 15 Rn. 22; Büscher/Dittmer/Schiwy/Lehmler § 15 Rn. 23; Melullis Rn. 78; Nieder S. 79. 1970 Vgl. Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 196; Melullis Rn. 619; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 1; Teplitzky Kap. 8 Rn. 5; a.A. Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 121. 1971 BGH 31.1.1963 – III ZR 117/62 – BGHZ 39, 60 = NJW 1963, 637 m.w.N.; BGH 13.4.1970 – III ZR 75/69 – NJW 1970, 1122, 1124; BGH 6.11.1991 – XII ZR 168/90 – NJW-RR 1992, 363, 364; BGH 28.9.2005 – IV Z 288/03 – NJW-RR 2006, 644, 645; Erman/Müller § 779 Rn. 19; vgl. PWW/Brödermann § 779 Rn. 12; Gloy/ Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 5; Palandt/Sprau § 779 Rn. 9. 1972 RG 12.2.1927 – V 435/26 – RGZ 116, 143, 146; RG 22.1.1935 – VII 254/34 – RGZ 146, 355, 358; BAG 19.9.1958 – 2 AZR 487/55 – NJW 1958, 2085; Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 196; Melullis Rn. 619; Ahrens/ Schmukle Kap. 32 Rn. 1; Teplitzky Kap. 8 Rn. 5; PWW/Brödermann § 779 Rn. 12; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 27 f.; Erman/Müller § 779 Rn. 19; Palandt/Sprau § 779 Rn. 10. 1973 Erman/Müller § 779 Rn. 19; vgl. PWW/Brödermann § 779 Rn. 12; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 5; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 27 f.; Palandt/Sprau § 779 Rn. 10; für den Prozessvergleich Ahrens/

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chend sei hingegen bereits der Verzicht auf einen Vollstreckungstitel nach materiellrechtlichem Anerkenntnis, ein Nachgeben in der Frage der Kostentragung oder die Unterwerfung unter die Entscheidung in einer Parallelsache.1974 Denn es ist unstreitig nicht erforderlich, dass die jeweiligen Zugeständnisse der Parteien einander gleichwertig sein müssen.1975 Das Nachgeben muss sich nicht auf das streitige Rechtsverhältnis beziehen. Es genügt, wenn irgendeine zuvor vertretene Position ganz oder teilweise aufgegeben wird. Die in der vorigen Rn. angeführten Beispiele für ein „ausreichendes“ gegenseitiges 736 Nachgeben zeigen, dass die herrschende Lehre keine in sich stimmige Position zu diesem Merkmal hat finden können. Es ist deshalb naheliegend, wenn dieses Erfordernis teilweise für überflüssig gehalten wird.1976 Hierfür spricht zunächst, dass das Merkmal des „gegenseitigen Nachgebens“ heute lediglich als Relikt des gemeinrechtlichen Vergleichsverständnisses erscheint,1977 ohne dass dem Nachgeben der Parteien inhaltlich besondere Bedeutung beigemessen würde. Richtig ist auch, dass es den Parteien freisteht, ihre Rechtsverhältnisse unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen des § 779 BGB durch rechtsfeststellende Vereinbarungen zu regeln.1978 Bei dem Tatbestandsmerkmal des gegenseitigen Nachgebens handelt es sich um einen überholten Rechtsformalismus, für den kein Sachgrund besteht. Die weite Auslegung dieses angeblichen Merkmals belegt das Unbehagen der Praxis gegenüber einem solchen Formalismus. Die gebotene Reaktion ist jedoch nicht ein Lippenbekenntnis zu einem überholten Tatbestandsmerkmal, sondern dessen teleologische Reduktion. cc) Form. § 779 BGB sieht für den Vergleichsvertrag keine besondere Form vor. In der Praxis dürften Vergleiche in Wettbewerbssachen jedoch wohl ausnahmslos jedenfalls in schriftlicher Form abgeschlossen werden. Ein Formerfordernis kann sich jedoch aus den Modalitäten seines Abschlusses oder aus den vergleichsweise getroffenen Regelungen ergeben. 738 Ein vor der Einigungsstelle (§ 15 UWG) geschlossener Vergleich bedarf der Schriftform (§ 15 Abs. 7 UWG).1979 Er muss das Datum seines Zustandekommens enthalten und von den bei Abschluss mitwirkenden Mitgliedern der Einigungsstelle sowie von den Parteien unterzeichnet sein. Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vergleich ist zwar materiell-rechtlich wirksam, denn das Gesetz spricht vor Statuierung der Formanforderungen davon, dass ein Vergleich bereits „zustande gekommen“ sein muss.1980 Er kann jedoch nicht nach § 15 Abs. 7 Satz 2 Hs. 2 UWG i.V.m. § 797a ZPO mit einer Vollstreckungsklausel versehen werden.1981 Darüber hinaus kann ein Vergleichsschluss nach allgemeinen Regeln formbedürftig 739 sein, wenn darin getroffene Vereinbarungen aus sich heraus formbedürftig sind.1982 So737

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Schmukle Kap. 32 Rn. 2 und allgemein in Rn. 1; ebenso auch wieder die anderen drei der ersten in Fn. 37 zitierten Autoren. 1974 Vgl. BGH 31.1.1963 – III ZR 117/62 – BGHZ 39, 60 = NJW 1963, 637; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 5; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 27; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 2; Palandt/Sprau § 779 Rn. 9. 1975 MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 26; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 5; Erman/Müller § 779 Rn. 19. 1976 Ehmann S. 124 ff.; differenzierend A. Schäfer S. 206 ff. 1977 Dazu MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 1. 1978 MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 1. 1979 Vgl. Nippe § 15 Rn. 221 ff. 1980 A.A. Harte/Henning/Retzer § 15 Rn. 57. 1981 Nippe § 15 Rn. 225. 1982 BGH 18.12.2007 – XI ZR 76/06 – NJW-RR 2008, 643, 645; MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 39; Palandt/Sprau § 779 Rn. 3.

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weit der Vergleich ein Schuldanerkenntnis enthält, muss die dafür geltende Schriftform nicht gewahrt werden (§ 782 BGB). Hingegen bedarf auch im unternehmerischen Verkehr die Vereinbarung einer Schiedsklausel im Vergleichswege der Form des § 1031 ZPO. dd) Prozessvergleich. Für den Prozessvergleich, der stets auch Prozesshandlung 740 ist, müssen die Prozesshandlungsvoraussetzungen erfüllt sein. Die prozessuale Form (Protokollierung) ersetzt im Übrigen alle weiteren Formanforderungen. c) Rechtsfolgen aa) Allgemeines. Beim außergerichtlichen Vergleich bestimmen sich die Rechtsfol- 741 gen nach dem – ggf. durch Auslegung ermittelten – Vergleichsinhalt.1983 Möglich sind neben der Feststellungswirkung auch Verfügungsgeschäfte (Verzicht, Anerkenntnis, Erlass).1984 Unmittelbare Auswirkungen auf ein anhängiges Verfahren hat der außergerichtliche 742 Vergleich nicht.1985 Oft enthält er jedoch Verpflichtungen, bestimmte Prozesshandlungen vorzunehmen (z.B. Klage- oder Rechtsmittelrücknahme, Erledigterklärung) oder nicht vorzunehmen (z.B. Stellen eines Kostenantrages, weiteres Betreiben des Verfahrens). Der Prozessvergleich ist materiell-rechtlicher Vertrag und Prozesshandlung zu- 743 gleich.1986 Soweit der Vergleichsgegenstand mit dem Streitgegenstand identisch ist, beendet er unmittelbar das anhängige Verfahren. Der Prozessvergleich ist, soweit er einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). bb) Sonderregelung des § 779 BGB. Neben den bereits angesprochenen allgemei- 744 nen Unwirksamkeitsgründen1987 enthält § 779 BGB eine Sonderregelung der Rechtsfolgen bei Fehlen der Geschäfts- oder Vergleichsgrundlage. Damit werden Fälle erfasst, die sachlich zur heute in § 313 Abs. 2 BGB geregelten Geschäftsgrundlage zählen, also Umstände, die von den Vergleichsschließenden nicht als streitig angesehen werden, die aber den Regelungshintergrund des Vergleiches mitbestimmen. Deren Fehlen führt nach herkömmlichem Verständnis – abweichend von den Regeln zum Wegfall der Geschäftsgrundlage – ohne Weiteres zum Scheitern der beabsichtigten Rechtsfeststellung, weil eine unzutreffende Grundlage vereinbart und die Rechtsfeststellung deshalb selbst fehlerhaft ist.1988 Die amtliche Überschrift des § 779 BGB („Irrtum über die Vergleichsgrundlage“) er- 745 fasst die Wirkungsweise der Vorschrift nur unvollkommen. Denn auf einen Irrtum kommt es gerade nicht an. Es ist wesentlich, die Vergleichsregelung von der Vergleichsgrundlage zu abstrahieren. Irrtümer oder sonstige Fehlvorstellungen über die Stärke der eigenen Position innerhalb des streitigen Rechtsverhältnisses sind immanente Risiken eines jeden Vergleiches.1989

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1983 Vgl. Rn. 723 ff. 1984 Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 8; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 45 f. 1985 Vgl. Voraufl./Jacobs Vor § 13 D Rn. 471; Ahrens/Schmukle Kap 32 Rn. 12. 1986 BGH 10.3.1955 – II ZR 201/53 – BGHZ 16, 388 = NJW 1955, 705; BGH 14.5.1987 – III ZR 267/85 – NJW 1988, 65; BGH 21.3.2000 – IX ZR 39/99 – NJW 2000, 1942, 1943; BGH 22.6.2005 – VIII ZR 214/04 – NJW-RR 2005, 1323, 1324; BGH 30.9.2005 – V ZR 275/04 – NJW 2005, 3576, 3577 – Erklärungsadressat für Widerruf eines Prozessvergleichs; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 2; Zöller/Stöber § 794 Rn. 3; Schuschke/Walker § 794 Rn. 1. 1987 Rn. 726 ff. 1988 Vgl. dazu MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 62; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 10. 1989 MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 62; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 10.

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cc) Nachträgliche Änderung der Rechtslage. Außerhalb der Sonderregelung des § 779 stehen nachträgliche Änderungen der bei Vergleichsschluss noch zutreffenden gesetzlichen Rahmenbedingungen. Hat der Schuldner gegenüber einem nach Neufassung des § 13 Abs. 2 UWG nicht mehr klagebefugten Verband eine Unterlassungserklärung vergleichsweise abgegeben, kann der Wegfall der Klagebefugnis eine außerordentliche Kündigung der Unterlassungsvereinbarung rechtfertigen,1990 nicht aber einen ipso iure eintretenden Wegfall des Unterlassungsvertrages. Es ist jedoch durch Auslegung der Vergleichsvereinbarung zu klären, ob das Risiko einer späteren Gesetzes- oder Rechtsprechungsänderung nicht von dem Unterlassungsschuldner ausdrücklich übernommen wurde.1991 Für den Regelfall angenommen werden kann dies nicht. Der Schuldner hat keine Veranlassung, die dauernde Unterlassung eines Verhaltens zu versprechen, dass Dritten und insbesondere auch dem Gläubiger – nach einer Änderung der Rechtslage – ohne Weiteres erlaubt ist. Die vergleichsweise übernommene Verpflichtung zur Unterlassung stellt das Beste747 hen einer Unterlassungsverpflichtung auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses außer Streit. Dabei sind indessen der Fortbestand der gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie der sie interpretierenden Rechtsprechung selbst in der Regel nicht Vergleichsgegenstand. Kommt es hier zu einer Änderung, soll nach § 242 BGB ein Lösungsrecht geboten sein.1992 Will sich der Schuldner auf eine geänderte Rechtsprechung berufen, soll nicht jede abweichende Entscheidung eines „Instanzgerichtes“ ausreichen. Vielmehr sei regelmäßig eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu verlangen.1993 Die dargestellten – in der Sache weithin anerkannten – Regeln zur Lösung von einer 748 Vergleichsvereinbarung bleiben jedoch unvollkommen, weil sie eine übergreifende rechtsinhaltliche Rechtfertigung vermissen lassen und die Bedeutung einer Rechtsprechungsänderung nicht stimmig erklären. In der Entscheidung Mescher weis1994 hat der Bundesgerichtshof mit Recht betont, dass es unbillig sei, den Unterlassungsschuldner an einer Verpflichtung festzuhalten, die ihm Wettbewerbshandlungen verbietet, die seinen Mitbewerbern zweifelsfrei erlaubt sind. Hieraus hat er die Konsequenz gezogen, eine höchstrichterliche Entscheidung einer Gesetzesänderung gleichzustellen und dem Unterlassungsschuldner eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) zu ermöglichen.1995 Die Zukunftsgerichtetheit des Unterlassungstitels, der eben nicht allein das zwischen den Parteien geltende Recht feststellt, sondern bestimmungsgemäß künftiges Wettbewerbsverhalten regelt, lässt die starren Rechtskraftgrenzen als unangemessen erscheinen und erfordert es, spätere Änderung in weiterem Umfang zu berücksichtigen.1996 Zutreffend ist auch die Überlegung des BGH,1997 dass Unterlassungstitel strukturell Titeln auf künftig wiederkehrende Leistungen gleichstehen, bei denen ebenfalls (nur) eine Än-

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1990 BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95 – BGHZ 133, 316 = GRUR 1997, 382, 383 – Altunterwerfung I; BGH 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331 = GRUR 1997, 386, 388 – Altunterwerfung II; BGH 5.3.1998 – I ZR 202/95 – GRUR 1998, 953, 954 – Altunterwerfung III; BGH 6.7.2000 – I ZR 243/97 – GRUR 2001, 85, 86 – Altunterwerfung IV. 1991 Gottschalk GRUR 2004, 829; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 11. 1992 BGH 21.4.1983 – I ZR 201/80 – GRUR 1983, 602, 604 – Vertragsstraferückzahlung; BGH 5.9.2001 – XII ZR 108/00 – NJW 2001, 3618, 3619. 1993 BGH 2.7.2009 GRUR 2009, 1096 Tz. 21 – Mescher weis; Teplitzky Kap 57 Rn. 51; Grosch S. 166 ff.; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 108; vgl. auch Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 11. 1994 BGH 2.7.2009 GRUR 2009, 1096 Tz. 21 – Mescher weis. 1995 BGH 2.7.2009 GRUR 2009, 1096 Tz. 21 – Mescher weis. 1996 Der Entscheidung Mescher weis zustimmend auch Teplitzky Kap. 57 Rn. 51 mit Fn. 241. 1997 BGH 2.7.2009 GRUR 2009, 1096 Tz. 22 – Mescher weis.

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derung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO rechtfertigen kann.1998 Die Bestandsaufnahme des BGH ist ebenso überzeugend wie die Einschränkung der materiellen Rechtskraft des Unterlassungstitels. In der Literatur war dies für Unterlassungstitel auch zuvor bereits gefordert worden.1999 Warum allein Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung relevant sein sollen, lässt sich hiermit jedoch nicht begründen. Schon im ersten Zugriff erscheint es unrichtig, das Lösungsrecht des Schuldners im Unterlassungsvergleich von einer Änderung gerade der höchstrichterlichen Rechtsprechung abhängig zu machen. Denn es ist letztlich rein zufällig, ob der BGH mit einer bestimmten Streitfrage befasst wird. Hat sich eine Rechtsprechung erst einmal verfestigt, wird die Bereitschaft der Parteien, einen Streitfall bis zum BGH auszuprozessieren, nicht besonders ausgeprägt sein. Zudem ist nicht vorhersehbar, ob ein vom Sachverhalt her „passender“ Fall noch einmal zur Entscheidung ansteht. Ob ein Verfahren vor den staatlichen Gerichten über alle Instanzen geführt wird, kann auch deshalb nicht allein ausschlaggebend für eine relevante Rechtsprechungsänderung sein, weil auch der BGH kein neues Recht setzt, sondern einen Einzelfall zu entscheiden hat. Die Überzeugungskraft der Entscheidungsgründe und das Gebot der Gleichbehandlung wesentlich Gleichens werden zwar ungeachtet der fehlenden formellen Präjudizienbindung in aller Regel für eine Befolgung einer höchstrichterlichen Entscheidung sorgen. Für die Annahme einer verbindlichen Rechtssetzung reicht das aber nicht aus, zumal auch Instanzgerichte, die Einzelfälle entscheiden, an den Gleichbehandlungssatz gebunden sind und über die Überzeugungskraft ihrer Entscheidungsgründe an dem allgemeinen Diskurs über die richtige Rechtsanwendung teilnehmen. Jeder Vergleich stellt das heutige Recht2000 der Parteien in ihrem Verhältnis zueinander fest. Die „objektive Rechtslage“ ist irrelevant, weil die Parteien eine Streitentscheidung durch ein Gericht gerade vermeiden wollen. Sie schaffen durch ihre Privatautonomie aber auch eine für sie verbindliche normative Grundlage künftigen Verhaltens, die den Rückgriff auf die „objektive Rechtslage“ genauso präkludiert, wie dies bei einem rechtskräftigen Unterlassungsurteil der Fall wäre. Denn der für Vergleiche in Wettbewerbssachen prototypische Unterlassungsvergleich beinhaltet vor allem die Verpflichtung des Schuldners, ein bestimmtes Verhalten, dessen Wettbewerbswidrigkeit der Vergleich auf den Zeitpunkt seines Abschlusses feststellt, künftig zu unterlassen. Damit ist der Unterlassungsvergleich immer auch Dauerschuldverhältnis, soweit er künftige Verhaltenspflichten regelt.2001 In dem Vergleich stellen die Parteien die Rechtslage zwar bezogen auf den Zeitpunkt seines Abschlusses außer Streit. Eine Präjudizierung für alle Zukunft ist damit aber nicht verbunden, da die Rechtsentwicklung dynamisch ist und sich das Recht, auch durch Gesetzesänderung, aber vor allem durch neue Wertungen oder einen „change of the general legal climate“,2002 laufend verändert. Wann eine solche Änderung der Rechtslage eingetreten ist, bleibt Einzelfallentscheidung. Sie ist unabhängig davon zu treffen, ob der Gläubiger nach geltendem Recht (immer noch) einen Anspruch auf Unterlassung hat. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob bei künftigen Zuwiderhandlungen gegen die vertragliche Unterlassungsverpflichtung

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1998 BGH 2.7.2009 GRUR 2009, 1096 Tz. 22 – Mescher weis. 1999 Borck WRP 2000, 9, 14; Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 198. 2000 Grosch S. 121; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 37, 70. 2001 Gottschalk GRUR 2004, 827; Grosch S. 178 f., S. 186 f.; für die Unterlassungsvereinbarung Volp GRUR 1984, 490. 2002 Grosch S. 192 ff.

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neben den vertraglichen auch gesetzliche Unterlassungsansprüche entstehen. Hiervon gehen Rechtsprechung2003 und h.L.2004 freilich aus. Denn der strafbewehrte Unterlassungsvergleich erfasst mit seiner Novationswirkung jedenfalls den bei Vergleichsschluss ereits entstandenen materiell-rechtlichen (gesetzlichen) Unterlassungsanspruch.2005 Ändert sich das geltende Recht2006 nach Vergleichsschluss, ist der Schuldner zur außerordentlichen Kündigung der Vergleichsvereinbarung mit Wirkung für die Zukunft berechtigt.2007 Ob er zur rechtsgestaltenden Kündigung verpflichtet ist oder sich auf einen ohne Weiteres eintretenden Wegfall der zukunftsgerichteten Bindungswirkung berufen kann, hängt davon ab, ob der Gläubiger ungeachtet der veränderten Umstände ohne Kündigungserklärung auf den Fortbestand der Vergleichsvereinbarung vertrauen durfte.2008 Ist dies nicht der Fall, entfällt die Bindungswirkung ab dem Zeitpunkt, zu dem die relevante Rechtsänderung eingetreten ist. dd) Novierender Charakter. Unabhängig davon, ob die Unterlassungsverpflichtung mit dem Versprechen einer Vertragsstrafe gesichert wird, was praktisch fast immer geschieht, hat der Unterlassungsvergleich stets novierenden Charakter. Das ist offenkundig, soweit das strafbewehrte Unterlassungsversprechen vorprozessual (z.B. auf Abmahnung hin) abgegeben wird.2009 Das Ziel besteht hier darin, die Wiederholungsgefahr auszuschließen. Das vertragliche Unterlassungsversprechen muss deshalb an die Stelle des gesetzlichen Anspruches treten, da dieser mangels Wiederholungsgefahr nicht mehr gerichtlich festgestellt werden kann.2010 Auch dann, wenn ausnahmsweise keine Vertragsstrafe versprochen wird, bleibt es bei der Novationswirkung des Vergleiches, die von dem sichernden Vertragsstrafeversprechen unabhängig ist.2011 Nach hM soll konstruktiv eine nur feststellend (deklaratorisch) wirkende Vereinba754 rung möglich sein.2012 Den Bedürfnissen der Praxis und dem Regelungswillen der Parteien entspricht eine solche Annahme indessen regelmäßig nicht. Denn es soll dem Gläubiger gerade nicht mehr möglich sein, aufgrund des gesetzlichen Anspruches gegen den Schuldner vorzugehen.2013 Gesetzliche Unterlassungsansprüche Dritter bleiben hiervon unberührt. Im Ergebnis hält auch der BGH einen nur deklaratorisch wirkenden Unterlas755 sungsvertrag für nicht sachgerecht, da die Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund2014 ein vertragliches Dauerschuldverhältnis voraussetzt. Ein gesetzliches Schuldverhältnis kann nicht durch privates Gestaltungsrecht aufgehoben werden. Unabhängig von der im Wesentlichen theoretischen Frage einer novierenden Wirkung des Unterlas753

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2003 BGH 12.7.1993 – I ZR 176/1993 – BGHZ 130, 288 = GRUR 1995, 678, 680 – Kurze Verjährungsfrist. 2004 Teplitzky Kap. 12 Rn. 11. 2005 BGH 12.7.1993 – I ZR 176/1993 – BGHZ 130, 288 = GRUR 1995, 678, 680 – Kurze Verjährungsfrist. 2006 Entgegen BGH 2.7.2009 GRUR 2009, 1096 Tz. 21 – Mescher weis ist von einer Änderung des geltenden Rechts nicht nur im Falle einer Änderung gerade der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszugehen. 2007 Grosch S. 204 ff. 2008 Grosch S. 204 ff. 2009 BGH 12.7.1993 – I ZR 176/1993 – BGHZ 130, 288 = GRUR 1995, 678, 680 – Kurze Verjährungsfrist. 2010 Köhler GRUR 1996, 231 f. 2011 Köhler GRUR 1996, 232. 2012 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – GRUR 1995, 678, 680 – Kurze Verjährungsfrist; für den Regelfall auch Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 8. 2013 Köhler GRUR 1996, 232; zu weiterer Kritik vgl. auch Teplitzky Kap. 12 Rn. 3. 2014 BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95 – BGHZ 133, 316 = GRUR 1997, 382, 383 f. – Altunterwerfung I; BGH 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331 = GRUR 1997, 386, 388 – Altunterwerfung II; BGH 5.3.1998 – I ZR 202/95 – GRUR 1998, 953, 954 – Altunterwerfung III.

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sungsvergleiches besteht Einigkeit darüber, dass ein unmittelbarer Rückgriff auf die ohne den Vergleichsschluss bestehende Rechtslage ausgeschlossen ist.2015 Das im Vergleich enthaltene Unterlassungsversprechen ist von der „in Wahrheit“ bestehenden Rechtslage abstrakt.2016 Auch eine Kondiktion (§ 812 Abs. 1 BGB) ist bei Änderung der Rechtslage ausgeschlossen. Rechtsgrund des Unterlassungsversprechens ist nicht das Bestehen des gesetzlichen Unterlassungsanspruches, sondern die mit dem Vergleich beabsichtigte Streitbeilegung.2017 3. Inhalte eines Vergleiches in Wettbewerbssachen a) Unterlassungsverpflichtung mit Vertragsstrafeversprechen. Der Unterlas- 756 sungsvertrag ist die praktisch häufigste Form des Vergleiches in Wettbewerbssachen. Die Unterlassungsverpflichtung ersetzt die zwischen den Parteien streitige gesetzliche Verpflichtung.2018 In der Gestaltung empfiehlt es sich in jedem Fall, das Verhältnis der Ansprüche zueinander ausdrücklich klarzustellen.2019 Weil der Unterlassungsvergleich auf seinen Abschlusszeitpunkt das zwischen den Parteien geltende Recht feststellt, bleibt kein Raum für einen Rückgriff auf daneben bestehende materiell-rechtliche Ansprüche gleichen Inhalts.2020 Der Unterlassungsvergleich würde ansonsten seine Funktion verfehlen. Für den Inhalt des Unterlassungsvergleichs gilt zunächst, d.h. außerhalb eines Be- 757 zuges zu einer abzuwendenden gerichtlichen Anspruchsdurchsetzung, der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Die Parteien im Rahmen der §§ 134, 138 BGB können grundsätzlich beliebige Unterlassungspflichten vereinbaren.2021 Solche Vergleichsvereinbarungen sind auch dann nicht einschränkend auszulegen, wenn sie mit einer Vertragsstrafe abgesichert werden.2022 Freilich wird ein Unterlassungsvergleich regelmäßig mit dem Ziel abgeschlossen, die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung für eine gerichtliche Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs zu beseitigen. Für einen solchen prozessvermeidenden Unterlassungsverpflichtungsvertrag gelten ergänzende Anforderungen, wenn er die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung der gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs beseitigen soll. In einem prozessvermeidenden Unterlassungsverpflichtungsvertrag sollte der Unterlassungsanspruch in Anlehnung an den Wortlaut des § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO formuliert werden und muss das zu regelnde Wettbewerbsverhalten mit hinreichender Bestimmtheit seinem Kern nach konkret erfassen. Weil Ziel und Ergebnis2023 der durch Vergleichsschluss zu vermeidenden gerichtlichen Anspruchsklärung ein Titel wäre, der alle mit der den Streitanlass bildenden konkreten Verletzungshandlung kerngleichen Zuwiderhandlungen erfasst, muss der Unterlassungsanspruch im Unterlassungsverpflichtungsvertrag so beschrieben werden, dass

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2015 Gottschalk GRUR 2004, 827; Rieble GRUR 1995, 254. 2016 Gottschalk GRUR 2004, 827; MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 31; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 8; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 37; Rieble GRUR 1995, 254. 2017 BGH 5.3.1998 – I ZR 202/95 – GRUR 1998, 953, 954 – Altunterwerfung III; Köhler GRUR 1996, 232; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 45 m.w.N. 2018 Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 30; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 37; Teplitzky Kap. 11 Rn. 5. 2019 Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 30. 2020 Grosch S. 121; vgl. Staudinger/Marburger § 779 Rn. 37. 2021 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61, 62 – Preisvergleichsliste; Teplitzky Kap. 12 Rn. 6. 2022 Teplitzky Kap. 8 Rn. 16; ders. WRP 1990, 26. 2023 Zur Reichweite des Unterlassungsanspruchs (Erfassung aller kerngleichen Zuwiderhandlungen) vgl. etwa BGH 10.06.2009 – I ZR 37/07 – GRUR 2010, 167 Tz. 22 – Unrichtige Aufsichtsbehörde sowie Teplitzky Kap. 8 Rn. 16.

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eine gleich weit reichende Klärung der wettbewerblichen Verhaltenspflichten gelingt. Denn nur dann entfällt die Wiederholungsgefahr. Dieser typischen Interessenlage würde es widersprechen, die Reichweite einer vergleichsweise übernommenen Unterlassungsverpflichtung auf die konkrete Verletzungsform einer begangenen Verletzungshandlung zu beschränken. Um Zweifel auszuschließen – die einem Wegfall der Wiederholungsgefahr entgegenstehen würden – sind Vergleichsfassungen, die sich an der konkreten Verletzungsform orientieren, nicht unproblematisch. Sie erreichen das Ziel der Prozessvermeidung nicht sicher und sollten nur verwendet werden, wenn eine Erstreckung auf kerngleiche Verstöße gerade vermieden werden soll. 758 Teilweise wird vertreten, dass sich die Bestimmtheitsanforderungen an die Beschreibung des Wettbewerbsverhaltens im prozessvermeidenden Unterlassungsvergleich danach unterscheiden, ob die Unterlassungsverpflichtung in einem Prozessvergleich oder in einem außergerichtlichen Vergleich getroffen wurde.2024 Überzeugend ist das nicht. Gegen eine abweichende Auslegung außergerichtlicher Vergleichsvereinbarung spricht zunächst der rechtspolitische Gesichtspunkt, diese Form der Streitbeilegung nicht durch zusätzliche Auslegungsunsicherheit zu belasten.2025 Pragmatische Erwägungen genügen jedoch nicht, um die prinzipiellen Friktionen aufzulösen. Zwar ist nicht falsch, dass der Unterlassungsvergleich als privatautonome Vereinbarung nicht am Maßstab der für Sanktionsnormen geltenden Bestimmtheitsanforderungen gemessen werden kann. Hieraus Folgerungen für die konkrete Rechtsanwendung zu ziehen, ist jedoch reine Begriffsjurisprudenz. Es ist nicht einzusehen, warum wesentlich Gleiches – Feststellung des zwischen den Parteien geltenden Rechtes – bei Auslegungszweifeln ungleich behandelt werden soll. Nach den Interessen der Parteien kann es allein darauf ankommen, welches Regelungsziel mit dem geschlossenen prozessvermeidenden Unterlassungsvergleich verfolgt wurde. Ist dies – wie regelmäßig – die verbindliche Feststellung der Verhaltenspflichten des Unterlassungsschuldners, müssen auch dieselben Auslegungsmaßstäbe gelten, die für die das gleiche Ziel verfolgende gerichtliche Klärung herangezogen würden. Abweichende Auslegungsregeln wären zudem auch deshalb nicht sachgerecht, weil der vertragsstrafebewehrte Unterlassungsvergleich eine gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ausschließt. Nach hier vertretener Auffassung führt ein solcher Unterlassungsvergleich zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für eine Unterlassungsklage. Die weitaus herrschende Literatur sowie die gesamte Rechtsprechung gelangen zwar zu demselben Ergebnis (keine Erfolgsaussichten für eine gerichtliche Anspruchsdurchsetzung nach Unterlassungsvergleich), gehen allerdings von einem fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis bei Wegfall der materiellen Anspruchsvoraussetzung der Unterlassungsgefahr aus.2026 Auf diese Unterschiede kommt es hier nicht an. Wenn der Unterlassungsvergleich eine gerichtliche Klärung ausschließt, muss er auch inhaltlich gleich weit reichen. Da der Prozessvergleich als Vollstreckungstitel Normcharakter hat, kann eine darin 759 enthaltene Unterlassungsverpflichtung auch im Wege der Auslegung nur kerngleiche Verstöße erfassen.2027 Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze zur Bestimmung des Inhaltes von Unterlassungstiteln. Bei einem außergerichtlichen Vergleich gelten

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2024 Vorauflage/Jacobs Vor § 13 D Rn. 473; Oppermann WRP 1989, 717. 2025 Teplitzky WRP 1990, 28. 2026 Hierzu Rn. 37. 2027 Grosch S. 71 f.; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 110; Michael WRP 2001, 121; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 6; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a; vgl. zur Auslegung auch BGH 31.3.1993 – XII ZR 234/91 – NJW 1993, 1995, 1996 m.w.N.

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die aus der Kerntheorie2028 folgenden Auslegungsgrenzen entsprechend.2029 Die bei einem Verstoß verwirkte Vertragsstrafe ist zwar nicht staatliches Zwangsmittel, sondern privatautonom vereinbarte Rechtsfolge. Obschon deshalb im Grundsatz die allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) gelten, sind diese teleologisch so anzuwenden, dass Ergebnisgleichheit erzielt wird. Anderes kann nur in dem Ausnahmefall eines über das konkret streitige Rechtsverhältnis hinausreichenden Vergleiches gelten. Hier kann Veranlassung bestanden haben, eine Unterlassungsverpflichtung mit einer (potentiellen) Reichweite einzugehen, die gerichtlich nicht in gleicher Weise entschieden werden könnte. Der Unterlassungsvergleich entspricht funktional dem Unterlassungsurteil, soweit er auf den Abschlusszeitpunkt das zwischen den Parteien geltende Recht feststellt. Deshalb darf die Auslegung eines außergerichtlichen Vergleiches ungeachtet des abweichenden normativen Auslegungsmaßstabes nicht zu abweichenden Ergebnissen führen. Soweit der Vergleichsgegenstand weitere Sachverhalte mitumfasst, kann eine abweichende Auslegung des Unterlassungsvergleiches erforderlich sein. Bei einer vertraglich übernommenen Unterlassungsverpflichtung hat der Schuld- 760 ner nach allgemeinen Regeln auch das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) zu vertreten,2030 während dies im Rahmen des § 890 ZPO nicht der Fall ist.2031 Die Festsetzung eines Ordnungsmittels bedeutet eine strafähnliche Sanktion für den Schuldner und setzt daher persönliches Verschulden voraus.2032 Der Schuldner kann sich deshalb in einem Ordnungsmittelverfahren unter Umständen mit der Einrede entlasten, er habe alles ihm Zumutbare getan, um einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung zu verhindern.2033 Ein dem § 890 ZPO entsprechendes Zurechnungsregime würde bei einem Vertragsstrafeversprechen eine ausdrückliche Vereinbarung erfordern,2034 die selten zu bewerkstelligen sein dürfte. Die Höhe einer verwirkten Vertragsstrafe bestimmt sich nach dem Inhalt des Ver- 761 tragsstrafeversprechens. Dabei unterliegt die nähere Bestimmung der Verletzungshandlung, für deren Begehung eine Vertragsstrafe versprochen wird, der Parteidisposition.2035 Um Unsicherheiten der einzelfallbezogenen2036 Bestimmung der erfassten Verletzungshandlung zu vermeiden, sollte ausdrücklich geregelt werden, ob die Vertragsstrafe bei mehreren Verstößen mehrfach verwirkt ist oder ob eine Zusammenfassung von Einzeler-

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2028 RG 2.2.1935 – I 120/34 – RGZ 147, 27, 31; BGH 22.2.1952 – I ZR 117/51 – BGHZ 5, 189 = GRUR 1952, 577, 580 – Zwilling; BGH 19.12.1960 – I ZR 14/59 – GRUR 1961, 288, 294 – Zahnbürsten; BGH 23.2.2006 – I ZR 272/02 – GRUR 2006, 421, 422 – Markenparfümverkäufe; MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 253 Rn. 133 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 890 Rn. 4. 2029 OLG Hamburg 18.12.1986 – 3 U 138/86 – GRUR 1988, 240 (LS); Oppermann WRP 1989, 717. 2030 BGH 15.5.1985 – I ZR 25/83 – GRUR 1985, 1065, 1066 – Erfüllungsgehilfe; BGH 30.4.1987 – I ZR 8/85 – GRUR 1987, 648, 649 – Anwalts-Eilbrief; BGH 30.3.1988 – I ZR 40/86 – GRUR 1988, 561, 562 – Verlagsverschulden; BGH 7.12.1989 – I ZR 237/87 – GRUR 1990, 534 – Abruf-Coupon; BGH 22.1.1998 – I ZR 18/96 – GRUR 1998, 963, 964 – Verlagsverschulden II; OLG München 3.3.1977 – 6 U 1716/76 – WRP 1977, 359, 360; Fezer/Büscher § 8 Rn. 202; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 32 m.w.N.; Melullis Rn. 640; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 8 m.w.N.; Teplitzky Kap. 20 Rn. 15 m.w.N. 2031 BGH 15.5.1985 – I ZR 25/83 – GRUR 1985, 1065, 1066 – Erfüllungsgehilfe; OLG Köln 14.10.2008 – 6 W 104/08 – GRUR 2009, 192, 193; MünchKommZPO/Gruber § 890 Rn. 22; Musielak/Lackmann § 890 Rn. 5; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 8. 2032 BGH 15.5.1985 – I ZR 25/83 – GRUR 1985, 1065, 1066 – Erfüllungsgehilfe; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 8. 2033 Vgl. BGH 15.5.1985 – I ZR 25/83 – GRUR 1985, 1065, 1066 – Erfüllungsgehilfe. 2034 Melullis Rn. 640. 2035 BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 = NJW 1993, 721, Leitsatz 1 – Fortsetzungszusammenhang. 2036 BGH 25.1.2001 – I ZR 323/98 – BGHZ 146, 318 = GRUR 2001, 758, 759 – Trainingsvertrag; Fezer/ Büscher § 8 Rn. 203; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 33.

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eignissen zulässig ist.2037 Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung, so sind Sinn und Zweck der Vertragsstrafe entscheidend.2038 Für die Zusammenfassung mehrerer Handlungen kann eine hohe Vertragsstrafe sprechen, während ein wirtschaftliches Gleichgewicht oder eine vorsätzliche Begehung dem entgegen stehen.2039 Im kaufmännischen Verkehr ist eine richterliche Herabsetzung einer verwirkten 762 Vertragsstrafe nach § 343 Abs. 1 Satz 1 BGB zwar grundsätzlich ausgeschlossen (§ 348 HGB). § 348 HGB stellt jedoch dispositives Recht dar. Seine Abbedingung bedeutet die Inanspruchnahme eines gesetzlich vorgesehenen Kontrollmechanismus und stellt die „Ernstlichkeit“ eines Unterlassungsversprechens nicht in Frage.2040 Steht eine vereinbarte Vertragsstrafe in einem außerordentlichen Missverhältnis zur Bedeutung der Zuwiderhandlung, kann ihre Herabsetzung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB auch ohne Abbedingung des § 348 HGB geboten sein.2041 In diesem Fall ist die Vertragsstrafe allerdings nicht auf die nach § 343 BGB angemessene Höhe, sondern nur auf das Maß zu reduzieren, das ein Eingreifen des Gerichtes nach § 242 BGB noch nicht rechtfertigen würde, so dass eine erhöhte Eingriffsschwelle verbleibt.2042 Es dürfte sich deshalb regelmäßig für Kaufleute empfehlen, bei Abgabe eines strafbewehrten Unterlassungsversprechens § 348 HGB ausdrücklich und unmissverständlich abzubedingen.2043 Eine unmittelbare Vollstreckung eines Vertragsstrafeversprechens ist auch bei 763 Aufnahme in einen Prozessvergleich nicht möglich. Es handelt sich um einen materiellrechtlichen Anspruch, der erst in einem anschließenden Erkenntnisverfahren durchgesetzt werden muss. 764 Vertragsstrafe und Ordnungsmittel verfolgen unterschiedliche Zwecke. Während die gesetzlichen Ordnungsmittel eine strafähnliche Sanktion für den Verstoß gegen einen vollstreckbaren Unterlassungstitel darstellen, kommt der Vertragsstrafe auch eine Kompensationsfunktion zu.2044 Sie soll als schuldrechtliche Vereinbarung die Vertragserfüllung sichern2045 und dient zugleich der Schadenspauschalierung.2046 Angesichts der

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2037 Vgl. zu mehreren Zuwiderhandlungen BGH 20.9.1960 – I ZR 77/59 – BGHZ 33, 163 = GRUR 1961, 307 – Krankenwagen II; BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 = NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang; BGH 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 – Kinderwärmekissen; ausführlich Ahrens/Achilles Kap. 7 Rn. 28 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 33; ausführlich Teplitzky Kap. 20 Rn. 16 ff. 2038 Fezer/Büscher § 8 Rn. 203. 2039 Vgl. Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 33. 2040 Ausführlich Teplitzky Kap. 8 Rn. 30b mit Nachweisen. 2041 BGH 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181, 183 f. – Kinderwärmekissen: Die Herabsetzung einer Vertragsstrafe nach § 242 BGB kommt auch dann in Betracht, wenn sie von einem Kaufmann im Betreiben seines Handelsgewerbes versprochen ist, und mithin eine Herabsetzung nach § 343 HGB aufgrund von § 348 HGB ausgeschlossen wäre, vgl. insoweit auch BGH 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471, 474: das „Sammeln“ von Verstößen in der Absicht, einen hohen Vertragsstrafeanspruch entstehen zu lassen, verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wobei § 348 HGB einer Herabsetzung auf Grund von § 242 BGB nicht entgegensteht; vgl. auch Staudinger/Marburger § 779 Rn. 87. 2042 BGH 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181, 184 – Kinderwärmekissen: Bei der Bestimmung der Höhe kann das Doppelte der nach § 343 HGB angemessenen Vertragsstrafe als Anhaltspunkt dienen. 2043 Teplitzky Kap. 8 Rn. 30b. 2044 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – GRUR 1995, 678, 680 f. – Kurze Verjährungsfrist; BGH 5.2.1998 – III ZR 103/97 – BGHZ 138, 67 = GRUR 1998, 1053, 1054 – Vertragsstrafe/Ordnungsgeld; Fezer/Büscher § 8 Rn. 211. 2045 BGH 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471, 474 – Modenschau im Salvatorkeller: Sinn ist, dem Schuldner frühzeitig vor Augen zu führen, dass der Gläubiger auf die Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung besteht und nicht, den Schuldner in finanzielle Schwierigkeiten zu treiben. 2046 So BGH 20.9.1960 – I ZR 77/59 – BGHZ 33, 163 = GRUR 1961, 307, 309 – Krankenwagen II; BGH 30.9.1993 – I ZR 54/91 – GRUR 1994, 146, 147 – Vertragsstrafebemessung; BGH 5.2.1998 – III ZR 103/97 –

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unterschiedlichen Zielrichtung kann der Gläubiger grundsätzlich sowohl die Vertragsstrafe verlangen als auch die Festsetzung eines Ordnungsmittels beantragen.2047 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert indessen regelmäßig eine Berücksichtigung des ersten festgesetzten Zwangsmittels (i.w.S.) jedenfalls bei der Bemessung der Höhe des zweiten.2048 Da das Ordnungsgeld der Staatskasse zufließt, wird ein Gläubiger, der beide Möglichkeiten ausnutzen will, zunächst die Vertragsstrafe verlangen und erst nach deren rechtskräftiger Titulierung einen Ordnungsmittelantrag stellen.2049 Gegen ein solches Prozessverhalten ist rechtlich nichts einzuwenden. Die Unterlassungsverpflichtung ist hingegen aus einem Prozessvergleich unmit- 765 telbar vollstreckbar. Sie erfordert allerdings eine vorherige Androhung des Ordnungsmittels durch das Prozessgericht erster Instanz (§ 890 Abs. 2 ZPO). Als Hoheitsakt kann die Androhung der Festsetzung von Ordnungsmitteln nicht im Prozessvergleich selbst erfolgen, sondern erfordert einen selbständigen Beschluss des Prozessgerichtes erster Instanz.2050 Bei Vergleichsschluss in erster Instanz kann dieser Beschluss im Anschluss an die Protokollierung des Vergleiches verkündet werden. b) Regelung von Nebenansprüchen. Die Nebenansprüche auf Schadensersatz, 766 Auskunft und Rechnungslegung werden bei Wettbewerbsverstößen in einem Vergleich regelmäßig nur in der Weise geregelt, dass der Gläubiger auf diese Ansprüche verzichtet. Schadensersatzansprüche für begangene Wettbewerbsverstöße sind praktisch ohnedies nur schwer mit vertretbarem Aufwand durchsetzbar und bieten sich deshalb als Verhandlungsmasse bei einem Vergleichsschluss an. Dies gilt auch für die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, da sie die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruches vorbereiten. Wenn der Gläubiger diese Ansprüche positiv regeln will – statt auf sie zu verzichten – dürfte der Schuldner nicht bereit sein, überhaupt einen Vergleich zu schließen. c) Aufbrauchfrist.2051 Sie zu erlangen, wird häufig Hauptmotivation des Schuldners 767 zum Vergleichsschluss sein. Im Rahmen einer vereinbarten Aufbrauchfrist kann der Schuldner das als wettbewerbswidrig außer Streit gestellte Verhalten zunächst fortset-

_____ BGHZ 138, 67 = GRUR 1998, 1053, 1054 – Vertragsstrafe/Ordnungsgeld; OLG Frankfurt 30.4.2004 – 11 U 10/04 – GRUR-RR 2004, 375, 376 – Unklare Unterlassungserklärung; Fezer/Büscher § 8 Rn. 198; Palandt/ Grüneberg § 339 Rn. 1; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 8; Teplitzky Kap. 20 Rn. 1. 2047 BGH 5.2.1998 – III ZR 103/97 – BGHZ 138, 67 = GRUR 1998, 1053, 1054 – Vertragsstrafe/ Ordnungsgeld; BGH GRUR 2010, 355 Tz. 32 – Testfundstelle; vgl. auch BGH 1.6.1983 – I ZR 78/81 – GRUR 1984, 72 = WRP 1984, 14, 16 = NJW 1984, 919, 920 f. – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung; OLG Karlsruhe 17.11.1995 – 4 W 99/95 – WRP 1996, 445, 447 – Durchführungsverbot; OLG Köln 26.5.1986 – 6 W 36/86 – GRUR 1986, 688 – Vertragsstrafe und Bestrafung; Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 282; Fezer/Büscher § 8 Rn. 211; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.128; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 22; Melullis Rn. 644; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 8; Teplitzky Kap. 20 Rn. 22. 2048 BGH GRUR 2010, 355 Tz. 32 – Testfundstelle; BGH 5.2.1998 – III ZR 103/97 – GRUR 1998, 1053, 1054 – Vertragsstrafe/Ordnungsgeld; OLG Köln 26.5.1986 – 6 W 36/86 – GRUR 1986, 688, 689 – Vertragsstrafe und Bestrafung; siehe auch Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 282 mit der Empfehlung, zunächst die Vertragsstrafe geltend zu machen, da so das Ordnungsgeld, welches der Staatskasse zufließt, herabgesetzt wird; MünchKommUWG/Ehricke Vor § 12 Rn. 144; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.128: das Interesse des Gläubigers an einem Mindestschadensersatz ist insoweit zu berücksichtigen; Nieder WRP 2001, 119; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 9; Teplitzky Kap. 20 Rn. 22. 2049 Vgl. auch Harte/Henning/Brüning Vorb. § 12 Rn. 282. 2050 BGH GRUR 2012, 957 Tz. 7 ff. – Vergleichsabschluss im schriftlichen Verfahren (erforderlich auch dann, wenn der Vergleich gemäß § 278 ZPO zustande kommt); Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 2.128; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 890 Rn. 7; Zöller/Stöber § 890 Rn. 12a, 14. 2051 Zur Aufbrauchfrist vgl. D.

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zen. Ohne ausdrückliche Regelung erfasst die Einräumung einer Aufbrauchfrist Schadensersatz- und Auskunftsansprüche nicht. Es empfiehlt sich daher, diese in der Vergleichsvereinbarung ausdrücklich mit aufzunehmen.2052 4. Besonderheiten des Prozessvergleiches. Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur als materiell-rechtlicher Vertrag einerseits und als Prozesshandlung andererseits.2053 Er regelt nicht nur das streitige Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, sondern wirkt auch unmittelbar auf das Prozessrechtsverhältnis ein. Dabei stehen das materiell-rechtliche und das prozessuale Element nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bedingen einander.2054 Ein Prozessvergleich ist deshalb nur dann wirksam, wenn sowohl die materiell-rechtlichen als auch die prozessualen Voraussetzungen erfüllt sind.2055 Die (anfängliche) Unwirksamkeit entweder des prozessualen oder des materiell769 rechtlichen Teils (§ 779 BGB) eines Prozessvergleiches hat dessen Gesamtunwirksamkeit zur Folge. Das Verfahren ist dann nicht beendet, sondern durch Antrag auf Terminbestimmung fortzusetzen. Wendet der Schuldner hingegen eine von ihm erklärte außerordentliche Kündigung der im Vergleich enthaltenen Unterlassungsvereinbarung, einen Wegfall der Geschäftsgrundlage oder einen sonstigen nachträglich eingetretenen Umstand ein, ändert dies nichts an der prozessbeendenden Wirkung des Vergleichs. Die entsprechende Einwendung ist vielmehr in einem neuen Verfahren (z.B. § 767 ZPO) geltend zu machen. 770 Eine Differenzierung zwischen anfänglicher (insbes. § 779 Abs. 1 BGB) und nachträglicher Unwirksamkeit eines Prozessvergleichs2056 scheint zunächst mit dessen Doppelnatur unvereinbar zu sein.2057 Es erscheint prima facie sachlich nicht angemessen, bei Fehlen der Vergleichsgrundlagen den „alten“ Prozess fortzusetzen, während bei einer außerordentlichen Kündigung aufgrund eines strukturell ebenfalls als Wegfall der Geschäftsgrundlage zu begreifenden Ereignisses hingegen ein neues Verfahren zu verlangen wäre. Obschon der Grundsatz der Prozessökonomie unterschiedslos dafür spricht, einen aufgetretenen Streit in dem alten Verfahren auszutragen,2058 ist die Differenzierung zwischen anfänglichen und nachträglichen Unwirksamkeitsgründen trotzdem richtig. Bei anfänglicher Unwirksamkeit ist der Rechtsstreit durch den Vergleich nur scheinbar beendet worden und blieb aufgrund der Unwirksamkeit des Vergleiches als Prozesshandlung dennoch anhängig. Angesichts der fortbestehenden Rechtshängigkeit muss ein Unwirksamkeitsgrund im „alten“ Verfahren geltend gemacht werden. War der Prozessvergleich hingegen zunächst wirksam, hat er auch die Rechtshängigkeit des Verfahrens beendet. Für dessen „Fortsetzung“ fehlt es an einem Prozessrechtsverhältnis, das wieder aufgenommen werden könnte.

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2052 Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 36. 2053 BGH 10.3.1955 – II ZR 201/53 – BGHZ 16, 388 = NJW 1955, 705; BGH 25.1.1980 – I ZR 60/78 – NJW 1980, 1753, 1754; BGH 3.12.1980 – VIII ZR 274/79 – BGHZ 79, 71 = NJW 1981, 823, 823 f.; BGH 21.3.2000 – IX ZR 39/99 – NJW 2000, 1942, 1943; BGH 22.6.2005 – VIII ZR 214/04 – NJW-RR 2005, 1323, 1324; BGH 30.9.2005 – V ZR 275/04 – BGHZ 164, 190 = NJW 2005, 3576, 3577; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 91; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 2; Palandt/Sprau § 779 Rn. 29; Zöller/Stöber § 794 Rn. 3; zum Meinungsstand vgl. auch Rosenberg/Schwab/Gottwald § 130 Rn. 29 ff. 2054 Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 2; Zöller/Stöber § 794 Rn. 3. 2055 BGH 30.9.2005 – V ZR 275/04 – BGHZ 164, 190 = NJW 2005, 3576, 3577 – Erklärungsadressat für Widerruf eines Prozessvergleichs; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 16; Palandt/Sprau § 779 Rn. 30. 2056 Vgl. dazu die Nachweise bei Staudinger/Marburger § 779 Rn. 114. 2057 Eine Differenzierung ablehnend: Staudinger/Marburger § 779 Rn. 115; vgl. auch Gloy/Loschelder/ Erdmann § 90 Rn. 27. 2058 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 130 Rn. 49; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 115 m.w.N.

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Der Prozessvergleich ist Vollstreckungstitel, soweit die darin enthaltenen Verpflichtungen einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben. Ist eine Unterlassungsverpflichtung vereinbart, erfordert deren Vollstreckung noch die Androhung des Ordnungsmittels (§ 890 Abs. 2 ZPO) durch Beschluss des Vollstreckungsgerichtes.2059 Wird der Vergleich vor dem Prozessgericht erster Instanz geschlossen, wird es sich anbieten, die Ordnungsmittelandrohung im Anschluss an die Protokollierung des Vergleiches durch Beschluss mit zu erledigen. Einen Teilvergleich nur für ein Verfahren einstweiliger Verfügung abzuschließen, ist zwar theoretisch möglich, dürfte aber regelmäßig nicht sinnvoll sein. Vorzugswürdig ist es, bei einem Vergleichsschluss im Verfügungsverfahren auch das mögliche Hauptsacheverfahren zu erledigen. Die Auslegung eines im Verfügungsverfahrens geschlossenen Vergleichs wird regelmäßig ergeben, dass die Parteien eine Gesamterledigung des streitigen Rechtsverhältnisses und nicht nur des Eilverfahrens erreichen wollten. Notwendig ist dies indessen nicht, zumal auch eine Regelung nur des Zwischenzeitraums bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Gegenstand eines Vergleichs sein kann.2060 Eine Klarstellung des Vergleichsgegenstandes sollte deshalb in jedem Fall Bestandteil der Vergleichsregelung sein. Sofern ausnahmsweise ein Teilvergleich nur über den Gegenstand des Verfügungsverfahrens gewollt ist, sollte dieser auch eine eigenständige Kostenregelung enthalten. Die Vereinbarung einer automatischen Erstreckung der Kostenentscheidung der Hauptsache ist sachwidrig, da bei Vergleichsschluss im Verfügungsverfahren noch nicht feststeht, welche Ansprüche genau Gegenstand einer Hauptsache sein werden.2061 Prozessvergleiche werden häufig unter dem Vorbehalt des Widerrufs abgeschlossen. Darin liegt die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung.2062 Die Widerrufsfrist kann von den Parteien in eigener Verantwortung verlängert werden.2063 Eine Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis kommt deshalb nicht in Betracht.2064 Der Prozessvergleich bedarf der Aufnahme in das Protokoll (§ 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und muss den Beteiligten vorgelesen sowie von ihnen genehmigt werden (§ 162 Abs. 1 ZPO). Wird diese Form nicht gewahrt, kann der Vergleich u.U. als außergerichtlicher Vergleich aufrechterhalten bleiben, wenn dies dem Parteiwillen entspricht.2065 Für die Kosten gilt § 98 ZPO. Danach sind die Kosten von Vergleich und erledigtem Rechtsstreit als gegeneinander aufgehoben anzusehen. Den Parteien bleibt es natürlich unbenommen, eine abweichende Kostenregelung zu treffen. Sie müssen dies allerdings ausdrücklich tun, z.B. indem sie eine negative Kostenregelung treffen oder eine übereinstimmende Erledigterklärung nach § 91a ZPO vereinbaren. Mangels ausdrücklicher Regelung im Vergleich bleibt es bei § 98 ZPO.2066 Die aus „optischen Gründen“ nicht selten

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2059 Vgl. schon Rn. 765. 2060 Teplizky Kap. 55 Rn. 34. 2061 Teplizky Kap. 55 Rn. 34. 2062 Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 4. 2063 BGH 15.11.1973 – VII ZR 56/73 – BGHZ 61, 394 = NJW 1974, 107, 108; BGH 25.1.1980 – I ZR 60/78 – NJW 1980, 1753, 1754; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 4. 2064 BGH 15.11.1973 – VII ZR 56/73 – BGHZ 61, 394 = NJW 1974, 107, 107 f.; BGH 1.12.1994 – IX ZR 131/94 – NJW 1995, 521, 522 m.w.N.; MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 84; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 18; Staudinger/Marburger § 779 Rn. 108 m.w.N.; Thomas/Putzo/Seiler § 794 Rn. 23; a.A. Stein/Jonas/ Roth § 233 Rn. 12: analoge Anwendung der Vorschriften über die Widereinsetzung, jedoch empfiehlt er aufgrund der entgegenstehenden Rechtsprechung eine Vereinbarung der analogen Anwendung der §§ 230 ff. ZPO im Prozessvergleich. 2065 BGH 24.10.1984 – IVb ZR 35/83 – NJW 1985, 1962, 1963; MünchKommBGB/Habersack § 779 Rn. 87; Gloy/Loschelder/Erdmann § 90 Rn. 28; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 10; Zöller/Stöber § 794 Rn. 15. 2066 Vgl. BGH 8.12.2006 – V ZR 249/05 – NJW 2007, 835, 836; Zöller/Herget § 98 Rn. 6; Ahrens/Schmukle Kap. 32 Rn. 11.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

gewünschte Kostenaufhebung hat den Nachteil, dass leicht über die erfassten Kostenpositionen (z.B. Gutachterkosten, Kosten eines Patentanwalts) Streit entstehen kann. Eine möglichst detaillierte Regelung der Kostentragung kann dies vermeiden. 776 Häufig wird der eigentliche Prozessvergleich nach Annahme einer außergerichtlich angebotenen Unterwerfungserklärung auf die Kostenregelung beschränkt (sog. Kostenvergleich). Wenn die Unterwerfungserklärung die Wiederholungsgefahr beseitigt hat, ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Schließt sich dann der Unterlassungsschuldner der Erledigterklärung des Klägers an, ist ein Vergleich über die Kostentragung in aller Regel sinnvoll. Ansonsten müsste der in der Sache bereits beigelegte Rechtsstreit für die Zwecke der Festlegung der Kostenquoten doch noch streitig entschieden werden. Den kostenmäßigen Vorteilen eines in dieser Weise beschränkten Vergleiches steht das Fehlen eines Vollstreckungstitels für die Unterlassungsverpflichtung als möglicher Nachteil gegenüber. XII. Zwangsvollstreckung XII. Zwangsvollstreckung Herrmann/Grosch

Schrifttum Altmeppen Die Bindung des Schuldners an Unterlassungsurteile in ihrer Abhängigkeit von der Sicherheitsleistung und der Veranlasserhaftung des Gläubigers, WM 1989, 1157; Böhm Die Bestrafung nach § 890 ZPO, MDR 1974, 441; Borck Ab wann ist die Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungsverfügung sanktionierbar gem. § 890 ZPO? WRP 1989, 360; ders. Der Streit um den Titelfortfall und immer noch kein Ende? WRP 1994, 656; Brehm Die Zwangsvollstreckung nach §§ 888, 890 n.F. ZPO, NJW 1975, 249; ders. Die Vollstreckung der Beseitigungspflicht nach § 890 ZPO – zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung des Unterlassungsanspruchs vom Beseitigungsanspruch, ZZP 89 (1976), 178; ders. § 890 n.F. ZPO: Sprachregelung oder sachliche Änderung? NJW 1976, 1730; Dietrich Die Individualvollstreckung: Materielle und methodische Probleme der Zwangsvollstreckung nach den §§ 883–898 ZPO (1976); Fritzsche Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage (2000); Grosch Rechtswandel und Rechtskraft bei Unterlassungsurteilen (2002); Henckel Gedanken zur Entstehung und Geschichte der Zivilprozeßordnung, FS Bruns (1980) 111; ders. Vorbeugender Rechtsschutz im Zivilrecht, AcP 74 (1974), 97; Kannowski/Distler Der Erfüllungseinwand im Vollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO, NJW 2005, 865; Kramer Der richterliche Unterlassungstitel im Wettbewerbsrecht; Lindacher Zur Natur der Strafe nach § 890 ZPO, ZPP 85 (1972), 239; Lindacher Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch – Das Verhältnis der wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüche im Spiegel des Erkenntnisverfahrens-, Vollstreckungs- und Verjährungsrechts, GRUR 1985, 423; Meyer Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen, ZZP 15 (1891), 477; Münzberg Zur Zwangsvollstreckung nach Wegfall des Titels durch Erledigungserklärung, WRP 1990, 425; Oppermann Unterlassungsanspruch und materielle Gerechtigkeit im Wettbewerbsprozeß – Zur Entstehung und Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen im Wettbewerbsrecht und im gewerblichen Sonderrechtsschutz (1993); Pastor Der neue Strafcharakter wettbewerblicher Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO, WRP 1981, 299; ders. Die Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO, 3. Aufl. (1982); Pietzcker Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO (1982); Stein Zu dem Gesetzesentwurf, betreffend die Abänderung der Civilprozessordnung, ZZP 24 (1898), 209; Teplitzky Das Verhältnis des objektiven Beseitungsanspruchs zum Unterlassungsanspruch im Wettbewerbsrecht, WRP 1984, 365; Ulrich Der Streit um den Titelfortfall – und ein Ende? WRP 1992, 147; ders. Die Vollstreckungsabwehrklage in Wettbewerbssachen, FS Traub (1994) 423.

1.

Systematische Übersicht Unterlassungsvollstreckung ____ 777 a) Allgemeines ____ 777 aa) Historie ____ 777 bb) Die Rechtsnatur des Ordnungsmittels ____ 778 cc) Verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ____ 779

Herrmann/Grosch

b)

dd) Gliederung ____ 780 Vollstreckungsvoraussetzungen ____ 781 aa) Titel und Vollstreckbarkeit ____ 782 bb) Vollstreckungsklausel ____ 836

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c)

d)

cc) Zustellung des Titels ____ 839 dd) Androhung gemäß § 890 Abs. 2 ZPO ____ 845 Zuwiderhandlung ____ 847 aa) Vollstreckbarer Titel zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung ____ 848 bb) Titelverstoß ____ 854 cc) Verschulden ____ 864 dd) Rechtsnachfolger des Titelschuldners ____ 874 ee) Darlegungs- und Beweislast ____ 877 ff) Einwendungen ____ 878 Art und Höhe des Ordnungsmittels ____ 881 aa) Allgemeine Grundsätze ____ 881 bb) Keine schematische Ausrichtung am Streitwert der Hauptsache ____ 882

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

cc)

Eine Zuwiderhandlung und die Bewertung mehrerer Zuwiderhandlungen ____ 883 dd) Tatrichterliches Ermessen und Überprüfung in der Rechtsbeschwerde ____ 885 e) Verfahren ____ 886 aa) Erste Instanz ____ 886 bb) Rechtsmittel ____ 890 2. Vollstreckung anderer Ansprüche aus dem UWG ____ 894 a) Rechtsgrundlagen der Vollstreckung ____ 896 b) Verfahren ____ 898 c) Bestimmtheitsgebot ____ 899 d) Einwände des Schuldners ____ 900 e) Vollstreckung vertretbarer Handlungen (§ 887 ZPO) ____ 902 f) Vollstreckung nicht vertretbarer Handlungen (§ 888 ZPO) ____ 905

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1. Unterlassungsvollstreckung a) Allgemeines aa) Historie. Die Unterlassungsvollstreckung ist im 8. Buch der ZPO in § 890 ZPO 777 geregelt. Die Vorschrift war bereits in der ursprünglichen Fassung der ZPO (CPO von 1877)2067 vorgesehen, in § 775 CPO.2068 Die CPO-Novelle von 18982069 fügte zur Anpassung der ZPO an das BGB 190 Paragraphen neu ein und änderte die Nummerierung.2070 § 890 ZPO wurde ferner durch das EGStGB vom 2.3.1974 (BGBl. I S. 469, in Kraft seit 1.1.1975) neu gefasst. Vormals war dort von „Strafe“, nicht von einem „Ordnungsmittel“ die Rede und so wurden diese Sanktionen vom Reichsgericht unter der alten Rechtslage auch als „echte Strafe“ eingeordnet.2071 bb) Die Rechtsnatur des Ordnungsmittels. Die Änderung des § 890 ZPO des Jahres 778 1974 warf die Frage auf, ob sich die Rechtsnatur des „Vollstreckungsmittels“ insofern geändert habe, insbesondere ob weiterhin ein Verschulden im strafrechtlichen Sinne für die Festsetzung eines Ordnungsmittels erforderlich sei.2072 Nach der Rechtsprechung des BVerfG zum alten Recht war das der Fall.2073 Das Bundesverfassungsgericht hat das auch

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2067 Vom Kaiser Wilhelm I. vollzogen am 30.1.1877 und in Kraft getreten am 1.10.1879. 2068 Hierzu Meyer ZZP 15 (1891), 477 bis 492. 2069 RGBl. Nr. 21 v. 27.5.1898; S. 256. Vgl. zum Regierungsentwurf v. 9.12.1897 Stein ZZP 24 (1898), 209 ff. 2070 Einen kurzen Überblick über die Änderungen der ZPO gibt MünchKommZPO/Lüke Einl. Rn. 45 ff.; vgl. auch Henckel Gedanken zur Entstehung und Geschichte der Zivilprozeßordnung, GS R. Bruns (1980) 111 ff. 2071 RG 23.1.1896, RGZ 36, 417; RG 23.1.1897, RGZ 38, 423, 424 f.; RG 4.11.1898, RGZ 43, 396, 398; Stein/ Jonas/Brehm § 890 Rn. 3. 2072 Vgl. dazu Brehm NJW 1976, 1730 f., ders. NJW 1975, 249 f.; zum Theorienstreit vor Inkrafttreten des EGStGB vgl. Lindacher ZZP 85 (1972), 239 ff. 2073 Vgl. BVerfG 25.10.1966, BVerfGE 20, 323, 332 = NJW 1967, 195.

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für die Neufassung des § 890 ZPO (Ordnungsmittel) bestätigt.2074 Insofern entspricht es heute ständiger Rechtsprechung und herrschender Auffassung,2075 dass dem Ordnungsmittel eine Doppelnatur zukommt, es also nicht nur der Erzwingung des geschuldeten, künftigen Verhaltens dient, sondern auch eine Strafe für die begangene Zuwiderhandlung ist.2076 Teilweise wird dabei zwar der repressive Charakter anerkannt, aber der Vorbehalt gemacht, es könne sich nach der Gesetzesänderung des Jahres 1974 nicht mehr um eine Strafe handeln, weil eine solche nach § 5 EGStG die Androhung der Strafe im Gesetz erfordert.2077 Diese grundsätzliche Frage der rechtlichen Einordnung der Rechtsnatur des Ordnungsmittels gewinnt als übergeordneter Topos bei einer Reihe von Einzelfragen Bedeutung, so insbesondere beim Bestimmtheitserfordernis des Unterlassungstitels (Rn. 824 ff.), dem Verschulden (Rn. 864 ff.) sowie bei der Frage der Ahndung von Titelverstößen, wenn keine Zuwiderhandlungen mehr drohen können oder der Titel nachträglich aufgehoben wurde (Rn. 813 ff. und Rn. 850). 779

cc) Verfassungsgerichtliche Rechtsprechung. Da eine Strafe ohne Schuld oder unter Verstoß gegen das Bestimmtheitserfordernis (Art. 103 Abs. 2 GG) gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verstoßen und den Schuldner somit in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) beeinträchtigen, gibt es mit Blick auf Ordnungsmittelbeschlüsse nach § 890 ZPO regelmäßig verfassungsgerichtliche Entscheidungen,2078 die für die fachgerichtliche Praxis von Bedeutung sind und in der folgenden Darstellung besonderes miteinbezogen werden.

780

dd) Gliederung. Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsmittels können in die formalen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen (hierzu b) Rn. 781 ff.) und die sachlichen Voraussetzungen der Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungstitel (hierzu c), Rn. 847 ff.) untergliedert werden. Die Bestimmung der Art und Höhe des Ordnungsmittels ist Gegenstand der Ausführungen in Abschnitt d), Rn. 881 ff.; die Ausführungen zum Verfahren finden sich abschließend unter e), Rn. 886 ff. b) Vollstreckungsvoraussetzungen

781

Die Festsetzung eines Ordnungsmittels gemäß § 890 Abs. 1 ZPO ist eine Maßnahme der Vollstreckung, so dass die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen vorliegen müssen. Diese sind grundsätzlich Titel (hierzu aa), Rn. 782 ff.), Klausel (hierzu bb), Rn. 836 ff.) und Zustellung (§ 750 Abs. 1 ZPO, § 724 ZPO, hierzu cc), Rn. 839 ff.). Hinzu kommen besondere Vollstreckungsvoraussetzungen, insbesondere die der vorläufigen Vollstreckbarkeit (§§ 708 ff. ZPO) und der Vollziehung von einstweiligen Verfügun-

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2074 Vgl. BVerfG 14.7.1981, BVerfGE 58, 159, 162 = NJW 1981, 2457, sowie BVerfG 23.4.1991, BVerfGE 84, 82 = NJW 1991, 3139. Aus dem Schrifttum Borck WRP 1979, 28 ff. Gegen eine solche strafrechtliche Qualifikation Pastor WRP 1981, 299, 302; Böhm MDR 1974, 441 ff. 2075 BVerfG 9.1.2014 – 1 BvR 299/13, BB 2014, 559; BVerfG 4.12.2006 – 1 BvR 1200/04, GRUR 2007, 618 – Organisationsverschulden; BGH 25.1.2001 – I ZR 323/98, BGHZ 146, 318, 323 = NJW 2001, 2622 – Trainingsvertrag; BGH 30.9.1993 – I ZR 54/91, GRUR 1994, 146, 147 f. – Vertragsstrafebemessung; BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 267 – Euro-Einführungsrabatt; so auch die herrschende Auffassung in der Literatur vgl. nur Zöller/Stöber § 890 Rn. 5; Teplitzky Kap. 57 Rn. 24. 2076 Ausführlich zur Diskussion um den „Doppelcharakter“ des Ordnungsmittels nach § 890 ZPO Oppermann, Unterlassungsanspruch, S. 87 ff. 2077 Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 3. 2078 Zuletzt etwa BVerfG 9.1.2014 – 1 BvR 299/13, BB 2014, 559 (zu Art. 103 Abs. 2 GG); BVerfG 4.12.2006 – 1 BvR 1200/04, NJW-RR 2007, 860 (zum Verschulden).

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

gen (§ 929 Abs. 2 ZPO); hierzu ebenfalls unter aa). Gesondert behandelt wird die bei Unterlassungstiteln praktisch erhebliche Frage der Bestimmtheit des Vollstreckungstitels (hierzu Rn. 824 ff.). Eine weitere besondere Voraussetzung für die Unterlassungsvollstreckung ist die vorherige Androhung des Ordnungsmittels (§ 890 Abs. 2 ZPO), hierzu dd), Rn. 849 f. aa) Titel und Vollstreckbarkeit. Im Folgenden werden primär Urteile behandelt, 782 (1), Rn. 783 ff., für die auch die Frage der vorläufigen Vollstreckbarkeit und der Sicherheitsleistung sowie der Einstellung der Zwangsvollstreckung und des Wegfalls des Titels nach Zuwiderhandlung kommentiert werden. Unter (2), Rn. 821 werden Besonderheiten der Beschlussverfügung als Vollstreckungstitel behandelt; unter (3), Rn. 822 werden die weiteren Vollstreckungstitel angesprochen. (1) Urteile (a) Vorläufig vollstreckbare oder rechtskräftige Urteile. Die ZPO regelt die Vor- 783 aussetzungen der Zwangsvollstreckung ausführlich für Urteile (§§ 704 ff. ZPO). Nach § 704 findet die Zwangsvollstreckung aus rechtskräftigen oder für vorläufig vollstreckbar erklärten Endurteilen statt. Unterlassungsurteile erster Instanz werden gegen Sicherheitsleistung gemäß § 709 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt. Bei OLG Urteilen wird die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung ausgesprochen, weil es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit2079 handelt (§ 708 Nr. 10 ZPO). Die Sicherheitsleistung ist in letztem Fall nicht erforderlich, weil dem Schuldner bei ungerechtfertigter Vollstreckung aus einem solchen Urteil, dass also nachträglich aufgehoben oder abgeändert wird, kein Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO zusteht, sondern gemäß § 717 Abs. 3 ZPO nur ein Bereicherungsausgleich erfolgt. (b) Einzelheiten der Sicherheitsleistung (aa) Zweck und Höhe der Sicherheitsleistung. Zweck der Sicherheitsleistung ist 784 es, den Schuldner gegen Nachteile und Schäden der Vollstreckung zu sichern, wenn sich die Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Titel nachträglich als unberechtigt erweist.2080 Hier ist insbesondere ein Vollstreckungsschaden zu berücksichtigen, mit Blick auf den dem Schuldner bei nachträglicher Aufhebung oder Abänderung des vorläufig vollstreckbaren Titels gemäß § 717 Abs. 2 ZPO ein Schadensersatzanspruch zusteht. Zu beachten ist dabei, dass dieser mögliche Ersatzanspruch auf solche Ursachen begrenzt ist, die bis zum Zeitpunkt des Berufungsurteils gesetzt wurden, auch wenn die Vermögenseinbußen erst danach eintreten. Das Berufungsurteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, so dass ein bloßes Aufrechterhalten der Vollstreckung (Fortdauer des durch die Vollstreckung geschaffenen Zustandes über die Berufungsinstanz hinaus) keinen Schadensersatzgrund im Sinne von § 717 Abs. 2 ZPO begründet.2081 Bestimmte Aufwendungen des Schuldners nach dem Berufungsurteil zum Zwecke der Wiederaufnahme der verbotenen Handlungen (Wiedergewinnung eines ver-

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2079 Vgl. Ahrens/Spätgens Kap. 64 Rn. 27. 2080 Zöller/Herget § 108 Rn. 4; Kühnen Handbuch Rn. 1995. 2081 BGH 25.10.1977 – VI ZR 166/75, NJW 1978, 163, 164.

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lorenen Kundenkreises) können ihre Ursache aber in der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils finden.2082 Der Streitwert des Erkenntnisverfahrens bietet in der Praxis regelmäßig den we785 sentlichen Anhaltspunkt für die Bemessung der Sicherheitsleistung auch für Unterlassungsansprüche,2083 weil für die Festsetzung deren Streitwerts neben dem Wert der Rechtsposition für den Kläger auch der Umfang der angegriffenen Handlungen zu berücksichtigen ist; der Umfang der angegriffenen Handlungen korrespondiert mit der Schwere des Eingriffs in die Rechtsposition des Klägers/Gläubigers, so dass sich sein für den Streitwert bestimmendes Interesse entsprechend erhöht.2084 Abweichende Anhaltspunkte für einen höheren Schaden können und sind vom Schuldner konkret vorzutragen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen; der Streitwert und der mögliche Vollstreckungsschaden müssen nicht deckungsgleich sein,2085 etwa wenn die Marktposition der Beteiligten sich deutlich unterscheidet.2086 Zu diesem Zweck kann es also für den Beklagten erforderlich sein, schon in erster Instanz, in der eine Verurteilung naturgemäß noch nicht vorliegt, Umsatz- und Gewinnverhältnisse auseinanderzusetzen. Die Schuldnerinteressen (insbesondere an der Geheimhaltung von Geschäftsinformationen) sind dabei aber dergestalt zu berücksichtigen, dass es zur Glaubhaftmachung des Vollstreckungsschadens in der Regel keiner detaillierten Rechnungslegung bedarf, sondern eine generalisierende, aber nachvollziehbare Darstellung, die auf Plausibilität prüfbar ist, ausreicht.2087 Hier wird es nach der überzeugenden Rechtsprechung des II. Zivilsenats des OLG Düsseldorf oft ausreichen, auf öffentlich zugängliche Unterlagen wie veröffentlichte Geschäftsberichte zurück zu greifen oder entsprechende eidesstattliche Versicherungen der maßgeblichen Mitarbeiter des Schuldners vorzulegen.2088 786

(bb) Teilsicherheitsleistung. Der Gläubiger muss die Sicherheit auch dann in voller Höhe erbringen, wenn er nur bestimmte Teile des Tenors vollstreckt, also etwa nur die Unterlassung und nicht die Rechnungslegung. Ausdrücklich gesetzlich geregelt ist lediglich die Teilsicherheitsleistung bei Vollstreckung eines Teilbetrages der tenorierten Forderung (§ 752 ZPO), wodurch dem Gläubiger die Möglichkeit der Leistung einer dem Verhältnis des Teilbetrages zum Gesamtbetrag entsprechend erniedrigten Sicherheit gegeben wird, auch wenn das nicht ausdrücklich tenoriert wurde.2089 Um das zu vermeiden, sollte der Kläger bereits im Erkenntnisverfahren eine gesonderte Festsetzung der Sicherheit für die einzelnen Teile des Tenors beantragen (Teilsicherheiten). § 709 Satz 1 ZPO ist nicht so zu lesen, dass nur eine einzige Sicherheit festgesetzt werden könnte. Die näheren Umstände der Sicherheitsleistung stehen gemäß § 108 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts.2090 Zwar wird man im Grundsatz einen berechtigten Grund für

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2082 BGH 25.10.1977 – VI ZR 166/75, NJW 1978, 163, 164; OLG Düsseldorf, 4.5.2006 – 2 U 112/05, NJOZ 2007, 451, 452 – Kaffeepads. 2083 Haedicke/Timmann/Zigann Handbuch des Patentrechts, § 11 Rn. 333 mit Fn. 956. 2084 OLG Düsseldorf 4.5.2006 – 2 U 112/05, NJOZ 2007, 451, 452 – Kaffeepads; Kühnen Handbuch, Rn. 1997. 2085 Zutreffend Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 792. 2086 Ahrens/Singer Kap. 31 Rn. 6. 2087 OLG Düsseldorf 14.2.2008 – I-2 U 90/07, InstGE 47, 53 Tz. 12 – Zahnimplantat. 2088 OLG Düsseldorf 14.2.2008 – I-2 U 90/07, InstGE 47, 53 Tz. 12 – Zahnimplantat. 2089 § 752 ZPO neu gefasst durch Gesetz vom 17. 12. 1997, BGBl. I S. 3039. Dafür bereits nach der alten Rechtslage: OLG Frankfurt a.M. 7.5.1996 – 5 U 219/95, NJW-RR 1997, 620, 621; OLG Köln 21.7.1995, NJW-RR 1995, 1280; MünchKommZPO/Krüger 1. Aufl. (1992), § 709 Rn. 5; Thomas/Putzo 19. Aufl. (1995), Vorb. §§ 708–720 Rn. 11; Oetker ZZP 102 (1989), 449, 462 m.w.N. in Fn. 74. 2090 OLG Frankfurt a.M. 7.5.1996 – 5 U 219/95, NJW-RR 1997, 620, 621; Kühnen Handbuch, Rn. 1999.

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die Festsetzung von Teilsicherheiten fordern müssen.2091 Dieser ist aber für eindeutig trennbare prozessuale Ansprüche und Teile des Tenors, insbesondere Unterlassung und Rechnungslegung, regelmäßig gegeben und muss nach ganz überwiegender Praxis auch nicht begründet werden. Die Festsetzung von Teilsicherheiten gibt dem Gläubiger deutlich mehr Flexibilität und vermeidet auch, dass er durch die Zustellung einer Gesamtsicherheit für die Unterlassungsvollstreckung in die Haftung nach § 717 Abs. 2 ZPO kommt.2092 (cc) § 718 ZPO. Hat der Schuldner gegen das vorläufig vollstreckbare Urteil Rechtsmit- 787 tel eingelegt, so kann er gemäß § 718 ZPO den Antrag stellen, über die vorläufig Vollstreckbarkeit vorab zu verhandeln. In diesem Verfahren kann nicht ausschließlich über die Art der Sicherheitsleistung verhandelt werden. Hierfür ist ein Abänderungsantrag beim Ausgangsgericht zu stellen (hierzu sogleich Rn. 793). Das Berufungsgericht ist dafür nur zuständig, wenn es gemäß § 718 ZPO auch über die Höhe der Sicherheitsleistung entscheidet.2093 Das Verfahren dient der Korrektur einer fehlerhaften Entscheidung der ersten Instanz mit Blick auf die Höhe der Sicherheitsleistung, die entweder ursprünglich fehlerhaft war oder sich durch nachträgliche Änderung der Umstände als fehlerhaft erwiesen hat. Insofern wird von einem Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums vertreten, dass der Antragsteller mit Sachvortrag, der bereits in erster Instanz unverändert hätte vorgebracht werden können, präkludiert ist. Diese Präklusion bedürfe in Anbetracht der Funktion der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht nicht der ausdrücklichen Regelung.2094 Nach der Gegenauffassung bestehe hingegen keine solche Präklusion.2095 Die Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung erfolgt von Amts wegen, so dass eine Präklusion nicht möglich sei, insbesondere § 714 ZPO keine Anwendung finde und die Präklusion ohne gesetzliche Vorschrift das verfassungsrechtlich verbürgte Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletze.2096 Mittels § 718 ZPO kann auch eine nachträgliche Festsetzung von Teilsicherheiten 788 für die einzelnen Teile des Tenors erreicht werden. Allerdings soll dieses Recht nach der gerade behandelten Auffassung von der § 718 ZPO immanenten Präklusion eine Begrenzung auf solche Fälle erfahren, in denen sich nachträglich, also nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, herausstellt, dass die Festsetzung von Teilsicherheiten erforderlich ist. Zur Begründung wird insofern angeführt, dass ohne eine solche Änderung die erstinstanzliche Entscheidung nicht als „fehlerhaft“ zu bewerten ist, nur weil es dem Gläubiger inzwischen zweckmäßiger erscheint, Teilsicherheiten festsetzen zu lassen.2097 Neue Umstände, die einen solchen Antrag rechtfertigen, sollen etwa darin zu sehen sein, dass ursprünglich die Unterlassungsvollstreckung nicht relevant war, weil der Schuldner die angegriffenen Handlungen im Erkenntnisverfahren

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2091 OLG Frankfurt a.M. 7.5.1996 – 5 U 219/95, NJW-RR 1997, 620, 621. 2092 Kühnen Handbuch, Rn. 1999; a.A. LG Düsseldorf 12.1.2010 – 4a O 125/09 unter Berufung auf OLG Frankfurt a.M. 7.5.1996 – 5 U 219/95, NJW-RR 1997, 620, 621. 2093 OLG Frankfurt 24.3.1981, MDR 1981, 677; Zöller/Herget § 718 Rn. 1; Schneider MDR 1983, 906. 2094 Ausführlich OLG Düsseldorf 14.2.2008 – I-2 U 90/07, InstGE 47, 53 Tz. 10 ff. – Zahnimplantat; OLG Düsseldorf 3.7.2008 – I-2 U 7/08, InstGE 11, 16 f. Tz. 5 – Strahlregler; so wohl auch OLG Frankfurt a.M. 7.5.1996 – 5 U 219/95, NJW-RR 1997, 620, 621 (für den Fall der Teilsicherheitsfestsetzung). 2095 OLG Köln 17.11.1999, GRUR 2000, 253 – Anhebung der Sicherheitsleistung; Stein/Jonas/Münzberg § 718 Rn. 2; Haedicke/Timmann/Chakraborty Handbuch des Patentrechts, § 11 Rn. 621. 2096 OLG Köln a.a.O.; Chakraborty a.a.O. 2097 OLG Frankfurt a.M. 7.5.1996 – 5 U 219/95, NJW-RR 1997, 620, 621; OLG Düsseldorf 3.7.2008 – I-2 U 7/08, InstGE 11, 16 f. – Strahlregler, mit ausführlicher Begründung.

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bereits eingestellt hatte oder dass die Rechnungslegung nachträglich erfüllt wird.2098 Genannt wird ferner, dass sich nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorher nicht absehbare Verhandlungen mit dem Schuldner ergeben, deren Zweck nicht gefährdet werden solle.2099 Abgelehnt wird diese Auffassung von den Vertretern der Ansicht, die eine Präklusion im Rahmen des § 718 ZPO mangels gesetzlicher Grundlage als Verfassungsverstoß grundsätzlich ablehnen.2100 789 Nicht überzeugend ist die Auffassung, die im Rahmen des § 718 ZPO dem Schuldner die Möglichkeit geben will, Anträge nach § 714 ZPO, insbesondere einen Vollstreckungsschutzantrag, die in erster Instanz nicht gestellt wurden, „nachzuholen“.2101 Das Verfahren nach § 718 ZPO ist nicht der richtige Ort für solche Anträge. Der Schuldner kann eine Einstellung nach § 719 ZPO beantragen oder einen Antrag nach § 712 ZPO in der Berufungsinstanz stellen. 790 Im Verfahren nach § 718 ZPO ist die mündliche Verhandlung der gesetzliche Regelfall (im Gegensatz zu einem Beschluss nach § 719 ZPO, vergl. § 128 Abs. 4 ZPO). 791

(dd) Art der Sicherheitsleistung und Nachweis der Erbringung. Sofern nichts anderes bestimmt ist, ist die Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft gemäß § 108 Abs. 1 S. 2 ZPO oder Hinterlegung zu erbringen. 792 Die Sicherheitsleistung ist gemäß § 751 Abs. 2 ZPO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachzuweisen und eine Abschrift dieser Urkunde spätestens mit Beginn der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zuzustellen. Das ist bei der üblichen Bankbürgschaft mit der Zustellung durch den Gerichtsvollzieher (und der entsprechenden Zustellungsurkunde) der Fall, wobei die Zustellung von Anwalt zu Anwalt (§ 195 ZPO) durch Empfangsbekenntnis genügt.2102 Die Bürgschaft entsteht, wenn die Bürgschaftserklärung dem Schuldner in Urschrift zugeht (§ 130 BGB). Die Zustellung einer beglaubigten Abschrift (§ 132 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 192 ff. ZPO) genügt nicht, wenn die Bürgschaft durch die Rückgabe der Urkunde auflösend bedingt ist,2103 was regelmäßig der Fall sein wird. Es handelt sich bei der Prozessbürgschaft um einen Zwangsvertrag, bei dem der Schuldner zur Annahme verpflichtet ist, sofern die Bürgschaft den gerichtlichen und gesetzlichen Anforderungen entspricht. Eine Annahmeerklärung ist materiellrechtlich nicht erforderlich; sie wird durch die gerichtliche Zulassung der Bürgschaft als Sicherheitsleistung ersetzt.2104 Über die Art der Sicherheitsleistung kann im Urteil selbst oder ohne mündliche 793 Verhandlung durch Beschluss entschieden werden. Eine solche Entscheidung kann auch nach Einlegung des Rechtsmittels von dem Gericht, das sie getroffen hat, auf Antrag ergänzt oder geändert werden.2105 Das ist auch dann einschlägig, wenn es um den Austausch einer bereits geleisteten Sicherheit geht. Hatte das Gericht die Leistung der Sicherheit in Form einer Bürgschaft einer „deutschen Großbank“ (Formulierung nach alter Rechtslage) angeordnet und der Gläubiger die Bürgschaft einer bestimmten Bank geleistet und will er diese durch die Bürgschaft einer anderen Bank austauschen, so hat

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2098 OLG Düsseldorf 3.7.2008 – Strahlregler, a.a.O. Tz. 5. 2099 OLG Düsseldorf. 8.3.2012 – I-2 U 65/11, Tz. 24. 2100 Haedicke/Timmann/Chakraborty Handbuch des Patentrechts, § 11 Rn. 587. 2101 Ahrens/Bär Kap. 29 Rn. 86. 2102 H.L. vgl. Zöller/Herget § 108 Rn. 11; Musielak/Foerste § 108 Rn. 11; MünchKommZPO/Schulz § 108 Rn. 34; a.A. LG Aurich 21.10.1988, DGVZ 90, 10. 2103 Zöller/Herget § 108 Rn. 11; OLG München MDR 1979, 1029; gegen die Zulässigkeit der Zustellung einer beglaubigten Abschrift Foerste NJW 2010, 3611; OLG Köln 19.1.2007 – 6 W 146/06, OLGR 2007, 481. 2104 BayObLG 14.11.1975, MDR 1976, 410; Zöller/Herget § 108 Rn. 10. 2105 BGH 24.2.1994 – IX ZR 120/93; NJW 1994, 1351 sub I 1.

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XII. Zwangsvollstreckung

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

er nach der Rechtsprechung des BGH eine Änderung des Beschlusses über die Sicherheitsleistung zu beantragen, wonach anstelle der bisher zulässigen Bürgschaft jeder „deutschen Großbank“ nur die Sicherheit durch die jetzt vom Gläubiger identifizierte Bank zulässig ist.2106 Mit der Zustellung der neuen Sicherheit hat der Schuldner die alte Bürgschaftsurkunde zurückzugeben, der Gläubiger kann das Verfahren nach § 109 ZPO nutzen, wenn der Schuldner dem nicht nachkommt.2107 Wird der Antrag auf eine bestimmte Sicherheit abgelehnt, so steht dem Antragsteller das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu. Für den Antragsgegner fehlt es nach überwiegender Auffassung an der Beschwer. Er könne aber einen Abänderungsantrag mit Blick auf die Zulassung einer bestimmten Sicherheitsleistung stellen und bei negativer Bescheidung in die sofortige Beschwerde gehen.2108 (c) Vollstreckungsschutz und Einstellung der Zwangsvollstreckung. Gerade bei 794 der Unterlassungsvollstreckung haben Vollstreckungsschutzanträge gemäß § 712 ZPO sowie Einstellungsanträge nach § 719 ZPO immer häufiger praktische Relevanz, insbesondere, wenn es um Vertriebsverbote im Rahmen des ergänzenden Leistungsschutzes geht. (aa) Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO (aaa) Rechtsnatur des Vollstreckungsschutzantrages und Verfahren. Das Ge- 795 richt (erster Instanz oder Berufungsinstanz) kann auf Antrag Vollstreckungsschutz gewähren, wenn dem Schuldner durch die Vollstreckung des vorläufig vollstreckbaren Urteils, das noch mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann (§ 713 ZPO), ein nicht zu ersetzender Nachteil droht. § 712 ZPO betrifft also Vollstreckungsschutz, den die erste Instanz für die Berufungsinstanz gewährt und die Berufungsinstanz für die Revisionsinstanz (sofern jeweils Rechtsmittel eingelegt werden). Es geht demnach immer um Vollstreckungsschutz gegen den eigenen Rechtsfolgenausspruch, nicht um die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über die Einstellung der Zwangsvollstreckung mit Blick auf das angegriffene und vorläufig vollstreckbare Urteil des Untergerichts; das ist Gegenstand der Anträge nach § 719 Abs. 1 (Berufungsinstanz) und Abs. 2 ZPO (Revisionsinstanz). Die Anträge nach § 712 ZPO sind mithin für die erste Instanz und die Berufungsinstanz gesondert zu stellen. Die Beachtung dieser grundsätzlichen Kategorien hat für eine Reihe von Streitpunkten Relevanz. Aufgrund dieser Unterscheidung kann man nicht von einem „Nachholen“ des An- 796 trages nach § 712 ZPO in der Berufungsinstanz sprechen. Dort ist nur ein originärer Antrag möglich. Verwendet wird diese Terminologie im Rahmen der Diskussion der Frage, ob der erstinstanzliche Antrag Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Antrag in der Berufungsinstanz ist. Das ergibt sich weder aus § 714 Abs. 1 ZPO, der die Antragstellung in der jeweiligen Instanz meint, noch aus einer anderen Vorschrift. Man kann das nicht mit einem „Nachholen“ des erstinstanzlichen Antrages oder mit einer Verlagerung der Verhandlung/Entscheidung dieses Antrages in die Berufungsinstanz begründen,2109 weil

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2106 BGH 24.2.1994 – IX ZR 120/93; NJW 1994, 1351 sub I 1. 2107 BGH 24.2.1994 – IX ZR 120/93; NJW 1994, 1351 f. sub I 1. 2108 Zöller/Herget § 108 Rn. 16; teilweise wird die Befugnis für einen Abänderungsantrag insgesamt verneint (OLG München 2.11.1983, MDR 1984, 321) oder auf den Fall neuer Umstände begrenzt (OLG Nürnberg 21.8.1985, MDR 1986, 241); teilweise wird auch auf § 718 ZPO zurückgegriffen (OLG Frankfurt 24.3.1981, MDR 1981, 677), der aber nur die Höhe der Sicherheitsleistung betrifft. 2109 So aber Haedicke/Timmann/Chakraborty Handbuch des Patentrechts, § 11 Rn. 615.

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es sich um einen genuinen Antrag der Berufungsinstanz handelt. Allerdings wird man bei unveränderter Interessenlage dem Fehlen des Antrages in erster Instanz indizielle Bedeutung für das Fehlen eines nicht zu ersetzenden Nachteils beimessen können.2110 Praktische Relevanz hat diese Frage wegen der Möglichkeit des Antrages nach § 719 Abs. 1 ZPO im Wesentlichen nicht. Dort ist dann aber ebenfalls zu diskutieren und zu entscheiden, ob das Fehlen des erstinstanzlichen Antrages nach § 712 ZPO Bedeutung für den Erfolg des Antrages nach § 719 Abs. 1 ZPO hat, was zutreffenderweise zu verneinen ist (hierzu unten Rn. 806 ff.). Die Anträge gemäß § 712 und § 719 ZPO beeinflussen sich wechselseitig nicht. 797 Mithin kann (und muss) also auch bei Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Berufungsgericht gemäß § 719 Abs. 1 ZPO ein Vollstreckungsschutzantrag in der Berufungsinstanz gemäß § 712 ZPO gestellt werden (Vollstreckungsschutz mit Blick auf das zu unterlassende Berufungsurteil), wenn ein Vollstreckungsschutz für die Revisionsinstanz erreicht werden soll.2111 Der Antrag ist als Sachantrag in der mündlichen Verhandlung zu stellen (§ 297 ZPO).2112 Übergeht das Gericht den Antrag, so muss der Schuldner die Ergänzung des Urteils gemäß §§ 716, 321 ZPO beantragen. 798

(bbb) Nicht zu ersetzender Nachteil. Die Anforderungen an diesen nicht zu ersetzenden Nachteil werden aufgrund des gesetzlichen Leitbildes, das den Interessen des Gläubigers bei Sicherheitsleistung Vorrang einräumt, in der Rechtsprechung sehr hoch angesetzt und sollen nur dann erfüllt sein, wenn die Existenz des Beklagten unmittelbar greifbar gefährdet ist.2113 Das wird in Wettbewerbssachen in der Regel nur bei Vertriebsverboten aus ergänzendem Leistungsschutz möglich, aber auch dort die Ausnahme sein.

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(ccc) Ausnahmen für Vollstreckungsschutz gegen OLG Urteile? Mit Blick auf den Antrag in der Berufungsinstanz, also den Vollstreckungsschutz gegen das OLG Urteil, wird vertreten, dass in Anbetracht der fehlenden Schadensersatzverpflichtung und bloßen Bereicherungshaftung bei Vollstreckung solcher Urteile, die sich später als unrichtig erweisen (§ 717 Abs. 3 ZPO), großzügiger von der Möglichkeit der Einstellung während der Dauer der Anfechtbarkeit bzw. der Revisionsinstanz Gebrauch gemacht werden solle, insbesondere wenn in die Produktion und den Vertrieb oder den „Firmenbestand“ des Schuldners eingegriffen wird.2114 § 717 Abs. 3 ZPO sei auf Geldforderungen zugeschnitten, bei denen die Vorteile und Nachteile für Kläger und Beklagten mit Blick auf die Vollstreckung bzw. Nichtvollstreckung in der Regel weit weniger divergieren werden als das bei der Unterlassungsvollstreckung der Fall ist. Maßstab solle danach sein, wessen Interessen am ehesten durch Geld ausgeglichen werden könnten.2115 Diese Auffassung ist deshalb problematisch, weil die Vorschrift des § 717 Abs. 3 ZPO, die den Kläger/Gläubiger privilegiert, zu seinem Nachteil herangezogen wird.

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(ddd) Stellungnahme. Das halte ich für nicht überzeugend. Das gesetzliche System der fehlenden Schadensersatzverpflichtung bei der Vollstreckung von OLG Urteilen kann

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2110 Zur Rechtsprechung des BGH zu § 719 Abs. 2 ZPO und dem Erfordernis eines Antrages nach § 712 in der Berufungsinstanz, vgl. unten Rn. 811. 2111 Vgl. hierzu BGH 5.6.1996, NJW 1996, 2103 (das ist Voraussetzung für einen Antrag nach § 719 Abs. 2 ZPO beim Revisionsgericht). 2112 BGH 2.10.2002 – XII ZR 173/02, FamRZ 2003, 598; Ahrens/Singer Kap. 31 Rn. 16. 2113 Vgl. etwa Zöller/Herget § 712 Rn. 1. 2114 Ahrens/Bär Kap. 29 Rn. 81 ff. 2115 Ahrens/Bär Kap. 29 Rn. 83 a.E.

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XII. Zwangsvollstreckung

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

nicht über die Gewährung von Vollstreckungsschutz ausgehebelt werden. Zwar mag § 717 Abs. 3 ZPO Geldforderungen im Blick haben; die Vorschrift gilt gleichwohl unterschiedslos für alle (Vermögens-)Forderungen, zu denen eben auch Unterlassungsurteile rechnen. Das könnte man nur ändern, wenn man Unterlassungsurteile vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausnehmen wollte, also hier auch für die Vollstreckung von OLG Urteilen eine Schadensersatzverpflichtung gemäß § 712 Abs. 2 ZPO annehmen wollte, was in Anbetracht der klaren gesetzlichen Regelung keine ernsthafte Option ist. Wenn man also den Schuldnerinteressen in weiterem Umfang Rechnung tragen 801 wollte, so wäre das nur für § 712 ZPO im Allgemeinen, also für Anträge in erster und in zweiter Instanz möglich, indem die Anforderungen an den nicht zu ersetzenden Nachteil reduziert würden. In der Tat ist die greifbare Existenzgefährdung sehr weit gehend. Es sollte der Vollstreckungsschutz auch bei anderen Ausnahmefällen in Betracht kommen, die den Fall als vom gesetzlichen Regelbild abweichend erscheinen lassen. § 712 ZPO kann damit ein Regulativ darstellen, um dem Gericht beim strengen Unterlassungsausspruch ein gewisses Ermessen einzuräumen, dass es nach der deutschen Rechtsordnung – im Gegensatz zur anglo-amerikanischen – beim Ausspruch dieser materiellen Rechtsfolge im Grundsatz nicht hat (vgl. hierzu bereits oben Rn. 66). Obwohl die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels grundsätzlich für § 712 ZPO unbeachtlich sind, kann eine besonders streitige Rechtslage ausnahmsweise in diese Abwägung auch einbezogen werden. Da der Schuldner stets die Möglichkeit eines Antrages nach § 719 ZPO hat, ist es allerdings nicht erforderlich, den Anwendungsbereich des § 712 ZPO allzu großzügig auszuweiten. (bb) § 719 Abs. 1 ZPO (aaa) Grundsätze. Während der Dauer des Berufungsverfahrens kann das Beru- 802 fungsgericht die Zwangsvollstreckung gemäß § 719 Abs. 1 i.V.m. § 707 Abs. 1 ZPO einstellen. Die Einstellung erfolgt regelmäßig nur gegen Sicherheitsleistung, nur wenn der Schuldner zu deren Erbringung nicht in der Lage ist oder die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil brächte, kann ausnahmsweise ohne Sicherheitsleistung des Schuldners eingestellt werden, § 707 Abs. 1 S. 1 und S. 2 ZPO. Für den Antrag genügt es, wenn ein vollstreckbarer Titel vorliegt; es muss also nicht der Beginn der Zwangsvollstreckung abgewartet werden.2116 § 719 Abs. 1 ZPO erfordert eine Interessenabwägung, die sich zwar am gesetzli- 803 chen Leitbild der Priorisierung der Gläubigerinteressen orientieren muss, aber auch die von diesem Leitbild abweichend im Einzelfall möglichen, gravierenden Folgen einer Vollstreckung für den Schuldner in die Abwägung einstellen muss. § 719 Abs. 1 ZPO fordert hier allerdings, anders als § 712 ZPO und (grundsätzlich) § 719 Abs. 2, keinen nicht zu ersetzenden Nachteil des Schuldners.2117 Das hat seinen Grund darin, dass das Berufungsgericht die Erfolgsaussichten der Berufung in die Entscheidung einbeziehen kann und muss, was dem Erstgericht regelmäßig verwehrt ist (es müsste sich ansonsten von seiner eigenen Entscheidung distanzieren). Der Evidenz der Erfolgsaussichten der Berufung kommt mithin überragende Bedeutung für die Interessenabwägung zu. Über die Erfolgsaussichten kann regelmäßig erst etwas nach Vorliegen der Berufungsbegründung gesagt werden, so dass diese in der Praxis zumeist mit dem Einstellungsantrag

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2116 Vgl. Ahrens/Singer Kap. 36 Rn. 1; MünchKommZPO/Krüger § 707 Rn. 9; Musielak/Lackmann § 707 Rn. 5. 2117 Ein solcher ist bei § 719 Abs. 1 wegen des Verweises auf § 707 ZPO nur erforderlich, wenn die Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung eingestellt werden soll, vgl. Ahrens/Singer Kap. 36 Rn. 8.

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vorgelegt wird.2118 Zwingend ist das allerdings nicht, wenn der Einstellungsantrag die Erfolgsaussichten hinreichend substantiiert.2119 Es handelt sich bei richtiger Handhabung um ein bewegliches System: Je evidenter die Erfolgsaussichten der Berufung sind – was in einem frühen Stadium nicht einfach zu begründen ist – desto weniger gewichtig müssen die aufgrund der Vollstreckung für den Schuldner entstehenden Nachteile sein. Umgekehrt gilt, je weniger deutlich die Erfolgsaussichten sind, desto gewichtiger müssen die dem Schuldner entstehenden Nachteile sein. In jedem Fall müssen aber hinreichende Erfolgsaussichten gegeben sein und müssen dem Schuldner nicht unerhebliche Nachteile entstehen. Beide Aspekte zusammengenommen, Erfolgsaussichten und Nachteile für den Schuldner, müssen nicht nur geeignet sein, eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild zu rechtfertigen, sondern auch die Interessen des Gläubigers im konkreten Fall überwiegen. Im Verfahren gemäß § 719 Abs. 1 ZPO kommt deshalb der Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast der Parteien besondere Bedeutung zu. Es muss gelingen, die Erfolgsaussichten (oder deren Fehlen) evident zu machen und die bei der Vollstreckung oder beim Einstellen derselben betroffenen Interessen hinreichend deutlich zu identifizieren und gegebenenfalls glaubhaft zu machen. Insgesamt ist bei der Anwendung der Vorschrift Zurückhaltung geboten; der Schuldner muss die Abweichung primär begründen. Der Gläubiger muss aber reagieren, wenn der Schuldner hinreichend vorträgt. Auch kann es bei der Handhabung keinen Formalismus geben, nach dem die Einstellung praktisch nicht in Betracht kommt. Bei seiner Entscheidung über einstweilige Einstellung wird das Berufungsgericht regelmäßig trotz der Bedeutung der Erfolgsaussichten der Berufung für die Interessenabwägung bei deren Benennung und Einordnung die gebotenen Zurückhaltung üben, weil das Berufungsverfahren zumeist an dessen Anfang steht und sich das Berufungsgericht nicht inhaltlich präjudizieren sollte. Dem Berufungsgericht und den Parteien muss klar sein, dass der Ausgang des Verfahrens und die inhaltliche Ausrichtung des Berufungsgerichts offen bleiben müssen. Das Berufungsgericht kann also im Endurteil die Sache selbst anders beurteilen als in dem Einstellungsbeschluss, über den es unter Zeitdruck und ohne die Hilfe weiterer Schriftsätze und einer mündlichen Verhandlung nach dem Gesetz zu entscheiden gezwungen war. Insofern kann eine Einstellung aber gerade dann in Betracht kommen, wenn unter Verstoß gegen die Grundsätze des rechtlichen Gehörs (etwa evident fehlerhafter Anwendung von Präklusionsvorschriften) Parteivortrag oder Beweisantritte übergangen wurden und bei deren Berücksichtigung ein abweichendes Ergebnis konkret möglich erscheint. Damit hat das Berufungsgericht sich noch nicht auf ein Ergebnis, das erst nach Durchführung des Verfahrens unter Berücksichtigung des Vortrages und einer möglichen Beweiserhebung und Beweiswürdigung feststeht, festgelegt. Zugleich wird nicht sehenden Auges ein Urteil vollstreckt, das unter Verstoß gegen die Grundsätze des rechtlichen Gehörs zustande gekommen ist. Dieses Prinzip kann auch bei Überraschungsentscheidungen unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG Anwendung finden. Dieses Vorgehen wird durch den Grundsatz gestützt, dass Verfassungsverstöße möglichst bereits im fachgerichtlichen Instanzenzug zu korrigieren und ihre Auswirkungen zu beschränken sind. Ähnliches kommt in Betracht, wenn das Gericht sich ohne irgendeine tatsächliche Grundlage eine spezifische Sachkunde angemaßt hat, die für die Feststellungen von streitigen Tatsachen erforderlich wäre, anstatt Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens einzuholen. Auch hier kann die Einstellung ge-

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2118 OLG Köln 8.9.1986, NJW-RR 1987, 189; OLG Saarbrücken 24.7.1997, MDR 1997, 1157; MünchKommZPO/Krüger § 707 Rn. 12. 2119 Ahrens/Singer Kap. 31 Rn. 3 a.E.

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

rechtfertigt sein, wenn konkrete Zweifel am Ergebnis mit Blick auf diese tatsächlichen Feststellungen bestehen und dieser Aspekt insgesamt für den Verfahrensausgang erheblich ist. Weil in diesen Fällen eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem unzulässig ungeprüften oder ausgeschlossenen Sachverhalt fehlt, wird man aber anders als sonst nicht verlangen können, dass das Berufungsgericht schon bei summarischer Prüfung erkennen kann, dass der Berufungsführer und Antragssteller obsiegen wird.2120 Die Einstellung ist regelmäßig nur gegen Sicherheitsleistung zulässig. Die Sicher- 804 heit soll den Gläubiger vor einem Schaden schützen, der dadurch eintritt, dass er den Gläubiger aufgrund der Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht von der Vornahme der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung abhalten kann.2121 Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nämlich eine rein prozessuale Maßnahme, die die materiellen Schadensersatzansprüche des Gläubigers unberührt lässt. (bbb) Vorläufige Einstellung. Vor der Einstellungsentscheidung ist dem Gläubiger 805 rechtliches Gehör zu gewähren. Eine mündliche Verhandlung ist zulässig, aber nicht erforderlich, da das Gericht gemäß § 719 Abs. 3 ZPO durch Beschluss über den Einstellungsantrag entscheidet (§ 128 Abs. 4 ZPO). Kann der Gläubiger jedoch nicht rechtzeitig angehört werden, so ist ausnahmsweise eine „einstweilige“ Einstellung möglich, also eine solche bis zur Entscheidung nach Anhörung des Gegners.2122 Teilweise wird die Rechtsgrundlage für eine solche einstweilige Einstellung in Zweifel gezogen.2123 Das ist nicht gerechtfertigt. Rechtsgrundlage ist auch hier § 719 Abs. 1 ZPO. Die Frage ist nur, ob der Gegner ausnahmsweise nicht angehört werden muss. Das ist – wie etwa auch bei einer einstweiligen Beschlussverfügung – dann nicht der Fall, wenn die Sache so dringlich ist, dass eine Anhörung nicht mehr erfolgen kann. Unter diesen Umständen ist das einstweilige Absehen vom verfassungsrechtlich gebotenen rechtlichen Gehör2124 zulässig. (ccc) Erforderlichkeit eines Antrages nach § 712 ZPO in erster Instanz? Zum Teil 806 wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass ein Antrag nach § 719 Abs. 1 ZPO zur Voraussetzung habe, dass der Schuldner in erster Instanz einen Antrag nach § 712 ZPO gestellt habe.2125 Nach der wohl überwiegenden Rechtsprechung, Praxis und dem Schrifttum ist das hingegen nicht der Fall.2126 Wenn § 714 ZPO sagt, dass der Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung 807 gestellt werden muss, dann meint das den Antrag, der gemäß § 712 ZPO bei der ersten Instanz zu stellen ist und präjudiziert damit nicht einen Antrag nach § 719 Abs. 1 ZPO. Die gegenteilige Auffassung kann schon deshalb nicht überzeugen, weil der Antrag nach § 719 Abs. 1 ZPO anderen Voraussetzung unterliegt, insbesondere nicht von einem nicht zu ersetzenden Nachteil abhängig ist. Warum der Schuldner hierfür in erster

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2120 Auf dieser Linie etwa OLG Düsseldorf 1.7.2009 – I-2 U 51/08, InstGE 11, 164 Tz. 3 – Prepaid Verfahren; Kühnen Handbuch, Rn. 2020. 2121 Zutreffend Ahrens/Singer Kap. 31 Rn. 13. 2122 Ahrens/Singer Kap. 31 Rn. 2; OLG Celle MDR 1970, 243; MünchKommZPO/Krüger § 707 Rn. 10; Zöller/Herget § 707 Rn. 10, 18. 2123 OLG München Hinweisbeschluss 19.6.2012 – 6 U 2420/12. 2124 BVerfG 9.3.1965, BVerfGE 18, 399. 2125 OLG Koblenz 22.12.1998, FamRZ 2000, 1165; OLG Karlsruhe 26.1.1989, NJW-RR 1989, 1470; OLG Frankfurt 19.9.1984, NJW 1984, 2955; OLG Frankfurt 16.1.1986, NJW-RR 1986, 486; OLG Frankfurt 29.3.1988, GRUR 1989, 373; so auch Vorlauflage/Jacobs vor § 13 UWG D Rn. 486. 2126 OLG Karlsruhe 11.5.2009 – 6 U 38/09, GRUR-RR 2010, 120, 121; KG 11.10.2004 – 12 U 198/04, MDR 2005, 117; OLG Jena 26.10.2001 – 4 U 234/01, MDR 2002, 289; MünchKommZPO/Götz § 719 Rn. 6; Thomas/ Putzo/Seiler § 719 Rn. 3; Zöller/Herget § 719 Rn. 3.

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Instanz einen Antrag nach § 712 ZPO, der in den meisten Fällen wegen der hohen Anforderungen an den gesetzlichen Nachteil keine Erfolgsaussichten hat (in der Praxis eigentlich nie Erfolg hat), zu stellen gezwungen sein soll, ist nicht begründbar. Das gilt insbesondere deshalb, weil für die Prüfung des Antrages nach § 719 ZPO die Gründe des Urteils wesentlich sind (für die Bemessung der Erfolgsaussichten der Berufung), die zum letztmöglichen Zeitpunkt für den Antrag nach § 712 ZPO (§ 714 ZPO, Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz) definitionsgemäß nicht vorliegen. Insofern überzeugt es auch nicht, wenn die Vertreter der Auffassung vom Erfordernis des erstinstanzlichen Antrages sich zur Begründung hierfür auf die Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit des Antrages nach § 719 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz berufen. Dieser letztgenannte Antrag unterliegt nämlich demselben Erfordernis des nicht zu ersetzenden Nachteils wie der Antrag nach § 712 ZPO, so dass hier wegen des Gleichlaufs die Forderung nach einem entsprechenden Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz möglich ist.2127 Ferner liegt diese Zulässigkeitsanforderung, die der BGH für den § 719 Abs. 2 ZPO Antrag stellt, darin begründet, dass dieser Antrag in der Revisionsinstanz der „last resort“, das letzte Hilfsmittel des Schuldners sein soll. Deshalb ist es erforderlich, dass er vorangegangene Möglichkeiten nicht ungenutzt gelassen hat, sofern die Interessenlage zu jenem Zeitpunkt keine andere war.2128 (ddd) Wiederholte Antragstellung und Anfechtbarkeit. Die wiederholte Antragsstellung nach § 719 Abs. 1 ZPO ist zulässig. Es gibt keine Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses und auch das Berufungsgericht ist an seine Auffassung nicht gebunden. Es kann sich also im Rahmen eines wiederholten Antrages „eines Besseren“ besinnen. Allerdings wird bei unveränderter Sach- und Rechtslage keine weitere Begründung für die erneute Zurückverweisung erforderlich sein. Möglich soll auch sein, dass das Berufungsgericht ohne Antrag von Amts wegen einen Beschluss gemäß § 719 Abs. 1 ZPO ändert.2129 Letzteres halte ich im Rahmen eines Zivilprozesses für zu weit gehend. Der Einstellungsbeschluss oder seine Zurückweisung sind nicht anfechtbar (§ 719 809 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist selbst dann unzulässig, wenn das Berufungsgericht sie unrichtigerweise zugelassen hat, weil der BGH an die Zulassung eines nicht vorgesehenen Rechtsmittels nicht gebunden ist.2130 Auch die gesetzlich nicht geregelte Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit scheidet aus.2131 Ob eine Gegenvorstellung oder eine Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO zulässig ist, 810 wenn das Berufungsgericht erhebliches Parteivorbringen übergangen hat,2132 erscheint mir in Anbetracht der grundsätzlich möglichen wiederholten Antragstellung keine sachliche Relevanz zu haben, ist aber zu bejahen.

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(cc) Einstellung durch das Revisionsgericht § 719 Abs. 2 ZPO. Das Revisionsgericht kann die Zwangsvollstreckung gemäß § 719 Abs. 2 ZPO einstellen, wenn dem Schuldner ein nicht zu ersetzender Nachteil droht. Damit unterliegt der Antrag in der Revisionsinstanz demselben Erfordernis wie der Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO. Deshalb, sowie mit der Begründung, dass es sich um das letzte Hilfsmittel des Schuldners handelt, fordert

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2127 Überzeugend Ahrens/Singer Kap. 31 Rn. 10. 2128 BGH 25.8.1978, GRUR 1978, 726 – Unterlassungsvollstreckung; BGH 28.3.1996, GRUR 1996, 512 – Fehlender Vollstreckungsschutzantrag II; BGH 2.4.1997, GRUR 1997, 545, 546 – Einstellungsbegründung II. 2129 Ahrens/Singer Kap. 31 Rn. 14 Abs. 3. 2130 Ahrens/Singer Kap. 31 Rn. 14. 2131 Ahrens/Singer Kap. 31 Rn. 14 Abs. 2 m.w.N. 2132 Hierzu Ahrens/Singer Kap. 31 Rn. 14 Abs. 3.

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XII. Zwangsvollstreckung

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

der BGH einen Antrag nach § 712 ZPO in der Berufungsinstanz und zudem, dass dieser Antrag nicht nur formal gestellt wurde, sondern die maßgeblichen Aspekte auch in der Begründung substantiiert benannt und glaubhaft gemacht wurden. Ansonsten kann der Antrag aus § 719 Abs. 2 ZPO beim BGH nicht auf diese Punkte gestützt werden.2133 Anderes gilt aber (natürlich) dann, wenn der Schuldner die Einstellungsgründe, auf die er den Antrag nach § 719 Abs. 2 ZPO stützt, mit dem Antrag nach § 712 ZPO beim Berufungsgericht nicht hatte vortragen oder glaubhaft machen können.2134 Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn ein Klageschutzrecht (Marke oder Patent), erstinstanzlich erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz des Verletzungsverfahrens vernichtet wird. In der Berufungsinstanz kann der Beklagte im Verletzungsverfahren nur Aussetzung nach § 148 ZPO beantragen. Einen zusätzlichen Antrag nach § 712 ZPO mit der Begründung zu stellen, dass der BGH die Vollstreckung einstellen müsste, wenn das Schutzrecht später (nicht rechtskräftig) vernichtet würde, wäre sinnentleert (und wird in der Praxis auch nicht gestellt). Der BGH hatte das in der Entscheidung „Nicht zu ersetzender Nachteil“2135 anders gesehen und auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen. Es sei kein Ausnahmefall gegeben, in dem es dem Schuldner nicht zumutbar oder möglich gewesen wäre, den Antrag gemäß § 712 ZPO in der Berufungsinstanz zu stellen.2136 Ferner hat der BGH (X. Zivilsenat) in der genannten Entscheidung festgehalten, dass die erstinstanzliche (vollständige) Vernichtung des Klageschutzrechts per se die Einstellung nicht begründen könne, wenn kein weiterer nicht zu ersetzender Nachteil vorliege. Die erstinstanzliche Vernichtung des Klageschutzrechts sei, für sich genommen, keine „so gravierende Zäsur“, die eine Einstellung nach § 719 Abs. 2 ZPO rechtfertigen könne.2137 Die Beklagte des Verfahrens hat gegen diese Entscheidung Anhörungsrüge erhoben (§ 321a ZPO) und diese darauf gestützt, dass bei einer solchen Anwendung von § 719 Abs. 2 ZPO eine nicht mehr hinnehmbare Verkürzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten gegeben sei, weil es einseitig zu ihren Lasten geht, dass das Gericht im Rechtsbestandsverfahren so lange für die Entscheidung braucht, dass das Verfahren in der Verletzung schon beim BGH ist. Hätte das Bundespatentgericht aber früher entschieden, vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz, so hätte das Berufungsgericht nach ständiger Praxis der Oberlandesgerichte das Verfahren ausgesetzt (§ 148 ZPO) und die Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil nach § 719 Abs. 1 ZPO eingestellt.2138 Die bloße Zufälligkeit des späten Zeitpunkts der Entscheidung des Bundespatentgerichts (ein Umstand, der sowieso schon zu Lasten des Beklagten im Verletzungsprozess geht) würde hier also dazu führen, dass der Beklagte eine weitere Vollstreckung während der Dauer des BGH-Verfahrens (Nichtigkeitsberufung) hinzunehmen hätte. Auf die Anhörungsrüge hat der Senatsvorsitzende die Parteien darauf hingewiesen,2139 dass der BGH die teleologische Reduktion des § 719 Abs. 2 ZPO dergestalt erwägt, dass der BGH in diesen Fällen nach den für das Berufungsgericht geltenden Maßstäben entscheiden würde, so dass also regelmäßig einzustellen wäre und nur ausnahmsweise nicht (wenn etwa die Entscheidung des Gerichts im Rechtsbestandsverfahren das Klageschutzrecht betreffend evident unrichtig wäre, was sich nur auf der Basis der Gründe des

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2133 BGH 2.4.1997, GRUR 1997, 545 – Einstellungsbegründung II; BGH 8.8.1991, GRUR 1991, 943 – Einstellungsbegründung. 2134 BGH 26.9.1991, GRUR 1992, 65 – Fehlender Vollstreckungsschutzantrag I; BGH 31.10.2000 – XII ZR 3/00, NJW 2001, 375; Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 84. 2135 BGH 8.7.2014 – X ZR 61/13, GRUR 2014, 1028 – Nicht zu ersetzender Nachteil. 2136 BGH a.a.O. Tz. 4. 2137 BGH a.a.O. Tz. 6. 2138 Vgl. nur OLG Düsseldorf 7.7.2008 – I-2 U 90/06, InstGE 9, 173 f. Tz. 6 – Herzklappenringprothese; Kühnen Handbuch, Rn. 2023. 2139 Verfügung vom 13.8.2014 (X ZR 61/13).

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Urteils bestimmen lässt). Nach Vorliegen der Gründe des patentgerichtlichen Urteils hat der BGH die Anhörungsrüge mit seinem (erst kurz vor Drucklegung dieses Werks ergangenen) Beschluss vom 16.9.2014 als Gegenvorstellung umgedeutet und die Zwangsvollstreckung antragsgemäß (gegen Sicherheitsleistung) eingestellt.2140 Die Ratio des § 719 Abs. 2 ZPO liege in der erhöhten Richtigkeitsgewähr des Berufungsurteils, die auch in den §§ 708 Nr. 10 und 717 Abs. 3 ZPO zum Ausdruck komme. Mit Blick auf die der Aussetzungsentscheidung gemäß § 148 ZPO zugrundeliegende Prognoseentscheidung des Verletzungsgerichts/Oberlandesgerichts, die sich auf die Entscheidung der Bundespatentgerichts bezieht, sei diese Richtigkeitsgewähr allerdings von vornherein nicht im selben Maße gegeben. Durch ein den Rechtsbestand des Klagepatents verneinendes Urteil des Patentgerichts werde die Richtigkeit des die Aussetzung verneinenden oberlandesgerichtlichen Urteils durch ein äußeres Ereignis dergestalt erschüttert, dass eine Regelungslücke im System des § 719 Abs. 2 ZPO vorliege, die durch eine analoge Anwendung des § 719 Abs. 1 ZPO zu schließen sei. Es ist also im Regelfall einzustellen und nur ausnahmsweise, wenn die Gründe des patentgerichtlichen Urteils einen offensichtlichen Fehler erkennen lassen, ist dem Beklagten/Vollstreckungsschuldner die Einstellung zu verweigern. Das überzeugt. Hat der Schuldner von der Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO keinen Gebrauch 812 gemacht, so kann der Antrag nach § 719 Abs. 2 ZPO nur dann (ausnahmsweise) Erfolg haben, wenn der Schuldner zeigen kann, dass damit zu rechnen war, dass der Gläubiger im Anschluss daran seinerseits Sicherheit geleistet und die Zwangsvollstreckung eingeleitet haben würde.2141 (d) Wegfall des Titels und Einstellung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung nach erfolgter Zuwiderhandlung 813

(aa) Uneingeschränktes Erfordernis eines Vollstreckungstitels. Wenn der zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung bestehende Titel nachträglich uneingeschränkt weggefallen ist, kann die Zwangsvollstreckung gemäß § 775 Nr. 1 ZPO nicht mehr fortgesetzt werden; die Zwangsvollstreckung setzt einen bestehenden Titel voraus, dieser ist also für die Festsetzung des Ordnungsmittels erforderlich, auch wenn die Zuwiderhandlung zum Zeitpunkt des Bestehens des Titels erfolgte (dazu unten Rn. 848).2142 Die Gegenauffassung2143 hat der BGH als mit den Grundlagen des Zwangsvollstreckungsrechts (Erfordernis eines Titels) als unvereinbar erklärt und damit abgelehnt. Ein solcher Wegfall liegt etwa bei einer uneingeschränkten Erledigungserklärung vor, weil mit dieser die Rechtshängigkeit grundsätzlich ex tunc entfällt und damit entsprechende Titel wie bei der Klagerücknahme entfallen. Gleiches gilt für eine uneingeschränkte Aufhebung des Unterlassungsurteils mit ex tunc Wirkung wie etwa die Aufhebung in der Rechtsmittelinstanz, die Aufhebung wegen Versäumung der Vollziehungsfrist (§ 929 Abs. 2 ZPO) oder wegen der Versäumung der Frist zur Hauptsacheklage (§ 926 Abs. 2 ZPO).2144

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2140 BGH 16.9.2014 – X ZR 61/13 (vorgesehen für die amtliche Sammlung). 2141 BGH 25.4.2012 − I ZR 136/11, GRUR 2012, 959 = GRUR-Prax 2012, 397 m. Anm. Danckwerts. Der Schuldner muss dann also von der Abwendungsbefugnis Gebrauch machen. 2142 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 265 – Euro-Einführungsrabatt; OLG Hamm 18.4.1989, WRP 1990, 423 m. Anm. Münzberg; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 27; Zöller/Stöber § 890 Rn. 9a, 25; Schuschke/Walker/Sturhahn § 890 Rn. 13; Teplitzky Kap. 57 Rn. 38; Melullis Rn. 955 ff.; Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 254; Baumbach/Hefermehl Einl. Rn. 587a; Fritsche 667 ff.; Ulrich WRP 1992, 147; Kühnen Handbuch, Rn. 2073. 2143 Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 46; Pastor/Ahrens Kap. 63 Rn. 16; Borck WRP 1994, 656. 2144 H.L. Teplitzky Kap. 57 Rn. 38; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.16.

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(bb) Zeitlich beschränkte Aufhebung oder Erledigungserklärung. Die grund- 814 sätzliche Verneinung der Vollstreckung führt zu nicht überzeugenden Ergebnissen. Das wird etwa dann besonders augenscheinlich, wenn der Schuldner durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung das erledigende Ereignis selbst herbeiführt und damit die Vollstreckung gegen vorangegangene Zuwiderhandlungen unmöglich machen würde.2145 Deshalb wird vertreten, dass in diesen Fällen wegen des repressiven Charakters des Ordnungsmittels gleichwohl die Ahndung einer vorher erfolgten Zuwiderhandlung möglich sein muss.2146 Der BGH kommt in „Euro-Einführungsrabatt“ ebenfalls zu dem überzeugenden Er- 815 gebnis, dass eine Ahndung der vergangenen Zuwiderhandlung möglich ist, wenn man die zeitliche Dimension des Unterlassungstitels und seines Wegfalls in Betracht zieht. So kann der Gläubiger (Kläger) die Erledigung im Erkenntnisverfahren zeitlich befristet erklären, also für den Zeitraum nach Eintritt des erledigenden Ereignisses und damit die Vollstreckung für die vergangene Zuwiderhandlung sichern.2147 Der BGH hat in „Euro-Einführungsrabatt“ ferner angemerkt (obiter), dass der bloße Zeitablauf bei einem Titel, der von vornherein befristet war oder dem nach den Umständen nur in einem bestimmten Zeitraum zuwidergehandelt werden konnte, kein erledigendes Ereignis begründet, so dass eine Erledigungserklärung nicht erforderlich sei.2148 Insofern kann auf die obigen Ausführungen zur Erledigung verwiesen werden. Selbst wenn man die Erledigungserklärung mit der wohl h.L. – und gegen das obiter dictum aus „Euro-Einführungsrabatt“ – in diesen Fällen für erforderlich hält,2149 so ist diese mit der entsprechenden zeitlichen Beschränkung zu erklären und damit bleibt die Vollstreckung für vergangene Zuwiderhandlungen gegen den Titel möglich. Insofern kann auf die Kommentierung im Rahmen der Erledigung der Hauptsache verwiesen werden.2150 Verneint der Beklagte den Eintritt eines erledigenden Ereignisses, weil er etwa der 816 Auffassung ist, dass die Klage oder der Verfügungsantrag schon ursprünglich unzulässig oder unbegründet war (etwa schon vor Abgabe einer nach Beschlussverfügung oder erstinstanzlicher Urteilsverfügung abgegebenen strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung), so liegt kein Fall der umfassenden übereinstimmenden Erledigungserklärung vor, sondern das Gericht muss darüber entscheiden, ob die Beschlussverfügung bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zu bestätigen ist oder die Urteilsverfügung nur für den Zeitraum danach abzuändern ist. Entsprechend ist dann auch zu tenorieren, so dass bejahendenfalls der Titel für die Zwecke der Zwangsvollstreckung fortbesteht.2151 Nur mit Blick auf den Zeitraum danach fällt die Rechtshängigkeit weg.

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2145 So die Konstellation, die dem Beschluss OLG Düsseldorf 11.1.2001 – 20 W 78/00, Mitt. 2001, 322 zugrundelag. In diesem Sinne auch Melullis Rn. 956; Kühnen Handbuch, Rn. 2113. 2146 OLG Düsseldorf 11.1.2001 – 20 W 78/00, Mitt. 2001, 322, 323; Kühnen Handbuch, Rn. 2113. 2147 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 266 – Euro-Einführungsrabatt; OLG Hamm 18.4.1989, WRP 1990, 423, 424 m. Anm. Münzberg; KG 31.7.1998, GRUR 1999, 191 – Fremdwährungspreis; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 28 f.; Baumbach/Hefermehl Einl. Rn. 587b; Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 254; Teplitzky Kap. 57 Rn. 38; Melullis Rn. 957 ff.; Fritzsche Unterlassungsanspruch, S. 667 f.; Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 134; so wohl auch Kühnen Handbuch, Rn. 2114 f. 2148 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 266 – Euro-Einführungsrabatt; vgl. ferner Stein/ Jonas/Brehm § 890 Rn. 30; Melullis Rn. 958; Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 134; Münzberg WRP 1990, 425, 426. 2149 So etwa Teplitzky Kap. 46 Rn. 39; a.A. Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 31; Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 131 ff. 2150 Siehe Rn. 683. 2151 Dieser Aspekt der Problematik, also die Beklagteninteressen, werden im Schrifttum fast ausschließlich ausgeblendet.

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Dasselbe Ergebnis muss dann für solche Aufhebungen des Unterlassungstitels gelten, denen ihrem Sinngehalt nach nur ex nunc Wirkung zukommt.2152 So wird man eine Aufhebungsentscheidung gemäß § 927 ZPO wegen veränderter Umstände als zeitlich beschränkt für den Zeitraum ab Eintritt der veränderten Umstände ansehen müssen.2153 Eine andere Lösung ist mit der vom BGH vertretenen Auffassung schwer in Einklang zu bringen, weil der Gläubiger wegen der veränderten Umstände den Rechtsstreit genauso gut in der Hauptsache für erledigt erklären könnte und diese Erklärung dann als zeitlich beschränkt anzusehen wäre. Insofern überzeugt es gerade nicht, eine abweichende Auffassung unter Berufung auf § 775 Nr. 1 ZPO im Lichte von BGH „Euro-Einführungsrabatt“ zu vertreten.2154 Auch hier ist allerdings darauf zu achten, wie weit die Entscheidung aufgehoben wurde. Auch nach § 927 ZPO kann die Entscheidung ex tunc aufgehoben werden, so etwa wenn das Verfügungspatent rechtskräftig vernichtet wird.2155

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(cc) Auslegung der Erledigungserklärung mit Blick auf die Umstände der erfolgten Zuwiderhandlung. Bedeutsam ist dabei auch, dass der BGH den Erklärungswert der Erledigungserklärung nicht nur nach ihrem strikten Wortlaut beurteilt. Zu ermitteln ist vielmehr der erklärte Wille, wie er auch aus den Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Mangels abweichender Umstände gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht.2156 Daraus folge regelmäßig, dass eine Erledigterklärung wegen Beendigung der die Begehungsgefahr begründenden Handlung (etwa eine Sonderverkaufsveranstaltung) als zeitlich beschränkt auf den Zeitraum nach Beendigung der Handlung zu verstehen ist, diese Erklärung also nur für die Zukunft gelten soll.2157 Teilweise wird das weniger weit gehend gesehen, insbesondere wenn der Schuldner das Ordnungsmittelverfahren nicht erwähnt hat.2158 Letztlich müssen das Gericht und die Gegenpartei als Adressaten der Erklärung ihren Sinngehalt deuten können. Wenn also etwa ein Rechtsstreit durch Vergleich beendet wird und in diesem Rahmen eine Erledigungserklärung abgegeben wird, so müsste der Kläger schon ausdrücklich Abweichendes erklären, wenn er eine Beschränkung in zeitlicher Hinsicht wollte. Gleiches gilt, wenn der Ordnungsmittelantrag der Gegenpartei noch nicht zugestellt wurde oder vom Gläubiger bei der Erledigungserklärung nicht adressiert wurde.

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(dd) Titelwegfall nach Ordnungsmittelbeschluss. Fällt der Titel nachträglich uneingeschränkt weg, so sind Ordnungsmittelbeschlüsse gemäß § 776 ZPO aufzuheben

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2152 Vgl. Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 29, der aber wohl eine ausdrückliche zeitliche Beschränkung der Aufhebung verlangt. Das erscheint mir jedenfalls mit den Wertungen aus Euro-Einführungsrabatt nicht vereinbar, dazu sogleich. 2153 A.A. OLG München 1.9.2005 – 6 W 2984/04, InstGE 6, 55 – Rohrleitungsverdichter; Kühnen Handbuch, Rn. 2073 (Titel müsse zum Zeitpunkt der Vollstreckung bestehen; dem widerspricht Kühnen aber für die parallele Erledigungsproblematik, vgl. a.a.O. Rn. 2112 f.). 2154 So jedoch Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.16. 2155 Schwieriger sind die Fälle zu beurteilen, in denen die Aufhebung wegen einer nicht rechtskräftigen Vernichtung vorliegt, so der Fall OLG München 1.9.2005 – 6 W 2984/04, InstGE 6, 55 – Rohrleitungsverdichter. Auch hier wird man allerdings regelmäßig von einer rückwirkenden Aufhebung ausgehen müssen, weil sich die Prognoseentscheidung als unzutreffend erwiesen hat. 2156 Vgl. BGH 7.6.2001 – I ZR 21/99, GRUR 2001, 1036 = WRP 2001, 1231 – Kauf auf Probe; BGH 14.11.2002 – I ZR 199/00, GRUR 2003, 231, 232 = WRP 2003, 279 – Staatsbibliothek. 2157 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 267 sub c) – Euro-Einführungsrabatt; so bereits OLG Düsseldorf 11.1.2001 – 20 W 78/00, Mitt. 2001, 322, 323. 2158 KG 31.7.1998 – 5 W 4012/98, GRUR 1999, 191, 192 – Fremdwährungspreis; Melullis Rn. 958, nach dem von einem solchen Willen nicht zwangsläufig und ohne weiteres ausgegangen werden könne.

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und Ordnungsgelder zurückzuerstatten. Das gilt auch dann, wenn die Beschlüsse bereits rechtskräftig geworden waren.2159 Wenn der Ordnungsmittelantrag zurückgenommen wurde, so ist hingegen der Beschluss wirkungslos und die Wirkungslosigkeit ist gemäß § 269 Abs. 4 ZPO analog auszusprechen.2160 Möglich ist die Rücknahme aber nur bis zur Rechtskraft des Ordnungsmittelbeschlusses.2161 (ee) Stellungnahme. Insgesamt führt die Linie des BGH aus „Euro-Einführungsra- 820 batt“ zu einem sachgerechten Ergebnis, das die Vollstreckung wegen vergangener Zuwiderhandlungen regelmäßig ermöglicht und nur in Ausnahmefällen ausschließt, wenn das der Erklärung des Schuldners entspricht. Sie ist auch konform mit der Funktion des Ordnungsmittels als Ahndung von vergangenem Unrecht (repressive Funktion), der man ansonsten nicht gerecht werden könnte.2162 (2) Besonderheiten einstweiliger Beschlussverfügungen. Einstweilige Beschluss- 821 verfügungen bilden gemäß § 794 Nr. 3 ZPO die Grundlage für die Zwangsvollstreckung. Einstweilige Unterlassungsverfügungen, gleich ob in Urteils- oder Beschlussform (ohne mündliche Verhandlung erlassen), bedürfen im Gegensatz zu Hauptsacheurteilen keines Ausspruchs der vorläufigen Vollstreckbarkeit. Diese ergibt sich aus der Natur des im einstweiligen Rechtsschutz erstrittenen Titels, welcher sofort vollstreckbar ist.2163 Erforderlich für die Vollstreckbarkeit ist hier allerdings die Vollziehung der Verfügung gemäß §§ 936, 929 ZPO. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Vollziehung auch für die Annahme einer Zuwiderhandlung erforderlich ist; hierzu unten Rn. 853. (3) Weitere Titel. Weitere praktisch relevante Unterlassungstitel sind insbeson- 822 dere der Prozessvergleich (§ 794 Nr. 1 ZPO, vgl. auch § 15 Abs. 7) und die vollstreckbare Urkunde (§ 794 Nr. 5 ZPO). Prozessvergleiche sind in Wettbewerbssachen häufiger anzutreffen und hier stellen sich Fragen der Konkurrenz von Ordnungsmittel und Vertragsstrafe; diese Aspekte werden unten im Kontext der Androhung des Ordnungsmittel gemäß § 890 Abs. 2 ZPO im Zusammenhang behandelt (Rn. 846). Auf die Zwangsvollstreckung aus den in § 794 ZPO genannten Titeln sind die Vorschriften der §§ 724 bis 793 ZPO entsprechend anzuwenden. Das gilt insbesondere für die Vollstreckungsklausel (§§ 724 ff. ZPO i.V.m. § 797a ZPO, Ausnahme für einstweilige Verfügungen, §§ 929 Abs. 1, 936 ZPO) sowie für die Zustellung (§ 750 ZPO). (4) Bestimmte Bezeichnung der Parteien. Gläubiger und Schuldner müssen in dem 823 Titel so genau bezeichnet sein, dass deren Identität sicher festgestellt werden kann. Das hat nach der Rechtsprechung des BGH für den Unterlassungstitel besondere Bedeutung, da es hier nicht nur darum gehe, die Inanspruchnahme Unbeteiligter auszuschließen, sondern gegenüber dem Antragsgegner zweifelsfrei klarzustellen, dass sich die gerichtliche Anord-

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2159 OLG Düsseldorf 31.3.2008 – I-2 W 29/07, InstGE 9, 56 Tz. 2 – Rücknahme des Ordnungsmittelantrages; Kühnen Handbuch, Rn. 2078. 2160 OLG Düsseldorf 31.3.2008 – I-2 W 29/07, InstGE 9, 56 Tz. 1 – Rücknahme des Ordnungsmittelantrages; Kühnen Handbuch, Rn. 2078; OLG Hamm 29.6.1976, NJW 1977, 1203, 1204; Zöller/ Stöber § 890 Rn. 13; Schuschke/Walker § 888 Rn. 23 a.E.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 890 Rn. 13; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 36, 45; Thomas/Putzo/Seiler § 890 Rn. 6 f. i.V.m. § 887 Rn. 5. 2161 H.L.; OLG Düsseldorf 31.3.2008 – I-2 W 29/07, InstGE 9, 56 Tz. 2 – Rücknahme des Ordnungsmittelantrages; Kühnen Handbuch, Rn. 2078. 2162 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 267 sub (2) – Euro-Einführungsrabatt; mittlerweile auch h.L., vgl. die umfangreichen Nachweise bei Teplitzky Kap. 57 Rn. 38 in Fn. 223–227. 2163 Allg. Meinung, vgl. etwa Ahrens/Spätgens Kap. 64 Rn. 28.

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nung gegen ihn richtet.2164 Gleichwohl ist eine Auslegung des Titels möglich, für die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Unterlassungsvollstreckung, die durch das Prozessgericht des ersten Rechtszuges erfolgt, auch außerhalb des Titels liegende Umstände berücksichtig werden dürfen. Eine „kleinliche Handhabung“ sei hier nicht indiziert.2165 Insbesondere kann sich auch aus der Verletzungshandlung, die unstreitig vom Schuldner durchgeführt worden war und weshalb er außergerichtlich abgemahnt wurde, die Identität des Schuldners zweifelsfrei ergeben, wenn er wegen dieser Handlung zur Begründung der Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen wurde.2166 (5) Bestimmtheit des Unterlassungstitels 824

(a) Gerichtliche Unterlassungsurteile. Inwiefern die Bestimmtheit des Unterlassungstitels Zwangsvollstreckungsvoraussetzung ist, ist umstritten.

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(aa) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hatte zunächst offen gelassen, ob das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG im Rahmen des § 890 ZPO anwendbar ist.2167 Geklärt war allerdings, dass die Frage der Bestimmtheit des Urteils in einer Verfassungsbeschwerde gegen einen Ordnungsmittelbeschluss nicht gerügt werden kann. Hier verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz allein, dass das Vollstreckungsgericht dem Unterlassungsurteil im Rahmen der Auslegung einen für den Schuldner vorhersehbaren Umfang zugrundelegt. In einer jüngst zu einem Ordnungsgeld nach § 335 HGB ergangenen Entscheidung2168 hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr entschieden, dass das strenge Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG auch für Ordnungsmittelbeschlüsse gelten soll, wobei sich die Entscheidung in der Begründung auch auf solche nach § 890 ZPO bezieht.2169 Aufgrund des Doppelcharakters dieses Ordnungsmittels liege es nahe, Art. 103 Abs. 2 GG stets anzuwenden. Zu entscheiden hatte das Verfassungsgericht diese Frage allerdings nur für einen Fall, in welchem die Beugung des Schuldnerwillens (Erzwingungseffekt) nicht mehr zu erreichen war, so dass ausschließlich der repressive Strafcharakter in Rede stand. Jedenfalls für diese Fälle müsse Art. 103 Abs. 2 GG Geltung beanspruchen.2170 In der Tat scheint es aber wenig wahrscheinlich, dass die Fälle, in denen auch der Beugecharakter noch in Rede steht, also weitere Zuwiderhandlungen zu besorgen sind, anders behandelt würden.

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(bb) Allgemeine zivilprozessuale Judikatur und Schrifttum. Auch in der allgemeinen prozessrechtlichen Literatur wird die Bestimmtheit des Titels als Zwangsvollstreckungsvoraussetzung betont. Der vollstreckungsfähige Inhalt muss danach bestimmt sein.2171 Die Bestimmtheit sei im Zwangsvollstreckungsverfahren selbständig zu prü-

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2164 BGH 23.10.2003 – Euro-Einführungsrabatt, a.a.O. 265. 2165 BGH 23.10.2003 – Euro-Einführungsrabatt, a.a.O. 265; MünchKommZPO/Heßler § 750 Rn. 24 ff.; Musielak/Lackmann § 750 Rn. 9; a.A. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 750 Rn. 3; Thomas/Putzo/Seiler Vorbem § 704 Rn. 22, jew. m.w.N. 2166 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 265 – Euro-Einführungsrabatt. 2167 BVerfG 4.12.2006 – 1 BvR 1200/04, GRUR 2007, 618 Tz. 16 – Organisationsverschulden. 2168 BVerfG 9.1.2014 – 1 BvR 299/13, BB 2014, 559. 2169 Was durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die § 890 ZPO betreffende Entscheidung BVerfG 4.12.2006 – 1 BvR 1200/04, NJW-RR 2007, 860 deutlich wird, siehe BVerfG 9.1.2014 a.a.O. 560. 2170 Wenn allein noch dem sanktionierenden Zweck der Bestimmung Rechnung getragen werden müsse, stehe die Anwendbarkeit des Art. 103 Abs. 2 GG außer Frage, BVerfG 9.1.2014 a.a.O. 2171 Thomas/Putzo/Seiler Vorbem IV § 704 Rn. 16; Zöller/Stöber § 890 Rn. 8; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 10.

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A. Besonderheiten des Klageverfahrens

fen und es bestehe keine Bindung an die im Erkenntnisverfahren bereits erfolgte Prüfung nach § 253 Abs. 1 ZPO.2172 Für Unterlassungsurteile ist dabei vertreten worden, dass aus diesen bei fehlender Bestimmtheit die Zwangsvollstreckung nicht stattfinden könne, insbesondere wenn diese nur den Gesetzeswortlaut wiederholten.2173 (cc) Judikatur und Schrifttum zum Wettbewerbsprozess. Die wettbewerbsrechtli- 827 che Literatur und Judikatur verhält sich dazu praktisch kaum. Das hat sicherlich damit zu tun, dass der BGH sich aufgrund des Instanzenzuges regelmäßig nur zum Erkenntnisverfahren äußern kann, also zur Bestimmtheit nach § 253 ZPO. Dort wird besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass für den Beklagten im späteren Vollstreckungsverfahren der Umfang und die Tragweite des Verbots klar sein müssen und der Rechtsstreit nicht durch unbestimmte Begriffe ins Zwangsvollstreckungsverfahren getragen werden dürfe.2174 Das schließt, wie oben zur Unterlassungsklage ausgeführt,2175 insbesondere gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge als unbestimmt und damit unzulässig aus. Diese Grundsätze sind in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der ganz herrschenden Auffassung im Schrifttum anerkannt.2176 Gleichwohl wird praktisch nicht ausdrücklich adressiert, ob ein Titel, der unter Verstoß gegen diese Grundsätze zustande gekommen ist, einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. In Anbetracht der subtilen und sehr ausdifferenzierten Rechtsprechung des BGH werden diese Fälle nicht selten sein. Ausdrücklich adressiert – allerdings nur obiter – hat der BGH diesen Aspekt in der Entscheidung „Ford-Vertragspartner“ nur für den Fall eines klaren Widerspruchs zwischen Tenor und Gründen. In diesem Fall habe der Titel keinen „vollstreckungsfähigen Inhalt“.2177 Obiter war die genannte Äußerung deshalb, weil sie im Erkenntnisverfahren in der Revisionsinstanz mit Blick auf das Berufungsurteil getroffen wurde. Die Verurteilung wurde insofern auch nicht wegen fehlender Bestimmtheit des Antrages aufgehoben, sondern weil das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen habe, dass die Beklagte den durch den Tenor untersagten Verstoß überhaupt begangenen habe, eben weil hier ein entsprechender Widerspruch zu den Gründen des Urteils bestand.2178 Im wettbewerbsrechtlichen Schrifttum findet sich bei den oft ausführlichen Darstellungen zur Zwangsvollstreckung aus Unterlassungstiteln unmittelbar kaum ein Wort zur Frage der Bestimmtheit als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung.2179 So schreibt Spätgens, dass sich bei Unterlassungstenoren häufig Unklarheiten und Zweifel über Inhalt und Schutzumfang ergeben und dass diese durch Titelauslegung zu klären seien. Lasse sich das nicht durch Auslegung klären, so liege eine „Titelstreitigkeit“ vor, die im Vollstreckungsverfahren (oder einem Erkenntnisverfahren) zu klären sei.2180 Teplitzky lässt zumindest mittelbar die Notwendigkeit der Bestimmtheit erkennen, indem er die eindeutige Erkennbarkeit des Vollstreckungsgegenstands als „zwingende“ Voraussetzung bezeichnet und auch bei Behandlung der Frage, wie weit die Kernbereichslehre im Vollstreckungsverfahren gehen dürfe und ob diese im Interesse des Schuldners enger zu handhaben sei, das Erfordernis

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2172 OLG Stuttgart 6.8.1998, NJW-RR 1999, 792. 2173 OLG Düsseldorf 26.8.1998, NJW-RR 1999, 791. 2174 BGH in st. Rspr.; vergl. etwa BGH 9.10.1986 – I ZR 138/84, GRUR 1987, 172, 174 – Unternehmensberatungsgesellschaft I. 2175 Siehe Rn. 188 ff. 2176 Vgl. nur beispielhaft Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.35 und Teplitzky Kap. 51 Rn. 8, jeweils m.w.N. 2177 BGH 17.3.2011 – I ZR 170/08, GRUR 2011, 1050 f. Tz. 17 – Ford-Vertragspartner. 2178 BGH 17.3.2011 – Ford-Vertragspartner, a.a.O. Tz. 10 ff. 2179 Am deutlichsten (in verneinendem Sinne) dürfte sein, was sich dazu bei Harte/Henning/Brüning Rn. 286 und Fritzsche Unterlassungsanspruch, S. 645 f. ausgeführt findet. 2180 Ahrens/Spätgens Kap. 64 Rn. 57. Hierzu bereits oben Rn. 596 ff. sowie unten Rn. 832 f.

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der Bestimmtheit der Tragweite des Titels stillschweigend voraussetzt.2181 Brehm führt in seiner Kommentierung im Stein/Jonas aus, dass das Verbot aus rechtstaatlichen Erwägungen und bei Urteilen wegen § 322 ZPO hinreichend bestimmt sein müsse und dass dem die Wiederholung des Gesetzeswortlauts nicht genüge. Dann führt Brehm aber weiter aus, dass dann, wenn die Vollstreckung an der Unbestimmtheit des Titels zu scheitern drohe, eine Klärung im Verfahren nach § 890 ZPO sowie im Rahmen einer Titelfeststellungsklage versucht werden könne. Büscher äußerte sich unlängst zur fehlenden materiellen Rechtskraftfähigkeit von Unterlassungsurteilen ohne Urteilsgründe (Anerkenntnis-, Versäumnisurteile sowie Beschlussverfügungen ohne Gründe). Wenn der Kläger in diesen Fällen sein Klagebegehren entgegen der TÜV Rechtsprechung des BGH (dazu oben Rn. 141 ff.) alternativ begründet habe, so könne auch unter Heranziehung des klägerischen Vorbringens nicht ermittelt werden, über welchen Streitgegenstand das Gericht entschieden hat, so dass es dem Titel an der materiellen Rechtskraftfähigkeit fehle.2182 Insofern beruft sich Büscher zu Recht auf ein Urteil des IX. Zivilsenats,2183 wonach einem solchem, unter Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zustande gekommenen Urteil, bei dem sich auch nicht aus den Gründen ermitteln lässt, über was das Gericht entschieden hat, mangels Bestimmtheit die Rechtskraftfähigkeit und damit auch die Vollstreckbarkeit fehle. Die für die Zwangsvollstreckung und die für die materielle Rechtskraftfähigkeit erforderliche Bestimmtheit sind mithin identisch. Anderes gilt hingegen, wenn das Gericht sich in den Gründen einen bestimmten Klagegrund ausgesucht hat, auch wenn der Kläger das in unzulässiger Weise im Erkenntnisverfahren dem Gericht überlassen hat.2184 828

(dd) Auslegung des Titels (hierzu auch oben Rn. 604). Geklärt ist jedenfalls, dass zur Prüfung der Bestimmtheit des vollstreckungsfähigen Inhalts nicht nur auf die Urteilsformel abzustellen ist, sondern die Entscheidungsgründe, der Tatbestand sowie das dort in Bezug genommene Parteivorbringen zur Auslegung des Tenors heranzuziehen sind. 2185 Da regelmäßig auf das gesamte Parteivorbringen verwiesen wird, kann es also insgesamt herangezogen werden. Bei einem Anerkenntnisurteil ist zu ermitteln, was die Parteien gewollt und erklärt haben, wobei die Erklärungen der Parteien nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der §§ 157, 133 BGB zu würdigen sind. 2186 Um den Parteiwillen vorliegend zu ermitteln, ist nach der Rechtsprechung des BGH auf die „Prozessgeschichte“ zu rekurrieren.2187 Bei Versäumnisurteilen ist mangels Entscheidungsgründen auf das Klagevorbringen abzustellen.2188 Teilweise hat der BGH allerdings im Ausgangspunkt enger angenommen, dass für die Auslegung ausschließlich auf den Titel

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2181 Teplitzky Kap. 57 Rn. 5 und Rn. 13 ff. 2182 Büscher GRUR 2012, 16, 19 mit Fn. 15. 2183 BGH 18.11.1993, BGHZ 124, 164 = NJW 1994, 460 f. 2184 Vgl. OLG Hamm 5.3.1992, NJW-RR 1992, 1279 (für den Fall eines einzigen Zahlungsanspruchs, der alternativ auf zwei unterschiedliche Klagegründe – eigenen Kaufvertrag und abgetretenes Recht aus Werkliefervertrag – gestützt wird); ebenso für die hier interessierenden Fälle unter Verweis auf diese Entscheidung, Büscher a.a.O. Fn. 15. 2185 BGH 19.5.2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855 Tz. 17 – Folienrollos; BGH 9.10.1986 – I ZR 138/84, GRUR 1987, 172, 174 – Unternehmensberatungsgesellschaft I; BGH 25.9.1978 – VII ZR 281/77, NJW 1979, 720; BGH 27.2.1961, BGHZ 34, 337, 339 = NJW 1961, 917; BGH 14.2.1962, BGHZ 36, 365, 367 = NJW 1962, 1109; allg. M., vgl. etwa Teplitzky Kap. 57 Rn. 5 m.w.N. 2186 RG 2.2.1935, RGZ 147, 27, 29 f.; BGH 22.2.1952, BGHZ 5, 189, 193 f. = GRUR 1952, 577 – Fischermännchen. 2187 BGH 22.2.1952 – Fischermännchen, a.a.O. S. 192 f.; für den Rückgriff auf die Antragsschrift LG Düsseldorf 22.7.2005, InstGE 6, 30, 33 f. Rn. 10 ff. – Rotordüse. 2188 BGH 18.11.1993, NJW 1994, 460; BGH 25.9.1972, NJW 1972, 2268, 2269; BGH 12.1.1987, NJW-RR 1987, 831.

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selbst Bezug genommen werden dürfe.2189 Das wurde dann allerdings entscheidend relativiert, indem der BGH angenommen hat, dass bei einer dem Klageantrag entsprechenden Tenorierung der Tenor regelmäßig so auszulegen sei wie der Klageantrag. Es sei also regelmäßig das zugesprochen, was für Gericht und Gegenseite erkennbar mit der Klage gewollt gewesen sei.2190 Da der Klageantrag im Urteil wiedergegeben sei, widerspreche das auch nicht dem Grundsatz, dass es für die Auslegung regelmäßig nur auf den Titel selbst ankomme. Geklärt ist jedenfalls, dass die eigene Auslegung des Titels durch das Prozessgericht im Vollstreckungsverfahren nach § 890 ZPO keine Relevanz oder Bindungswirkung hat.2191 Bei einstweiligen Beschlussverfügungen ist es anerkannt, auf die Antragsschrift zur Auslegung zu rekurrieren.2192 (ee) Konkrete Unterlassungsverfügung (Beschlussverfügung) ohne Begrün- 829 dung. Ein Sonderfall ist in Wettbewerbssachen gegeben, wenn eine Beschlussverfügung, die auf die konkrete Verletzungsform gerichtet ist (konkretes Unterlassungsbegehren, hierzu oben Rn. 79) – wie regelmäßig der Fall – ohne Gründe erlassen wird und der Antragsteller diese Beschlussverfügung durch Zustellung vollzieht, ohne dass dabei die Antragsschrift mit zugestellt wird. Hier wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten, dass das den Titel nicht unbestimmt mache. Die Bestimmtheit sei bei konkreten Unterlassungsgeboten immer gegeben2193 und die Beschlussverfügung könne ohne Begründung erlassen werden; es sei Sache des Schuldners, sich die Antragsschrift zu beschaffen, um Zuwiderhandlungen zu vermeiden.2194 (ff) Stellungnahme. Auf der Basis der Titelauslegung werden sich in der Regel 830 alle Auslegungsfragen klären lassen. Es kommt für die Bestimmtheit nicht auf die Urteilsformel per se oder in ihrer Isoliertheit, sondern auf die Bestimmtheit des Verbots an, dass durch Auslegung zu ermitteln ist. Es überzeugt deshalb keineswegs, einem gesetzeswiederholenden Tenor die Bestimmtheit schlechthin abzusprechen. Nach der Rechtsprechung des BGH mag ein entsprechender Antrag im Erkenntnisverfahren im Regelfall nicht den Bestimmtheitsanforderungen genügen. Diese Bestimmtheitsanforderungen des Erkenntnisverfahrens können aber im Vollstreckungsverfahren nicht gelten. Wäre das der Fall, so wäre ein nicht unerheblicher Teil der Unterlassungstitel nicht vollstreckbar, weil man, wie oben gezeigt, im Dickicht der schwer übersehbaren Kasuistik zur Bestimmtheit bei abstrahierenden Anträgen (Rn. 163 ff.) leicht verloren gehen kann. Letztlich gäbe es damit dann keine abschließende Entscheidung über diese Fragen, weil nach dem Erkenntnisverfahren stets aufs Neue die Bestimmtheit geprüft werden könnte und müsste. Das kann nicht überzeugen.

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2189 BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02, GRUR 2004, 755, 756 – Taxameter; BGH 6.11.1985 – IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440; in diese Richtung auch der erste Zivilsenat, BGH 9.4.1992 – I ZR 240/90, GRUR 1992, 525, 526 Abs. 1 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II: „[…] denn eine Auslegung des Urteils kann im Hinblick auf das Erfordernis eines aus sich heraus verständlichen und bestimmten Vollstreckungstitels allein auf der Grundlage dessen erfolgen, was im Urteil selbst objektiv Ausdruck gefunden hat.“ 2190 BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02, GRUR 2004, 755, 756 – Taxameter. 2191 BGH 9.4.1992 – I ZR 240/90, GRUR 1992, 525, 526 Abs. 1 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II. Dazu auch oben Rn. 603. 2192 Vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.4. 2193 Im Einklang mit der Rechtsprechung und herrschenden Auffassung zur Bestimmtheit bei konkreten Unterlassungsbegehren, hierzu Rn. 116 und 123. 2194 OLG Hamburg 3.5.2012 – 3 U 155/11, WRP 2012, 1594, 1595 Tz. 33 – Zustellung einer Beschlussverfügung.

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Dass die Bestimmtheitsanforderungen des Erkenntnisverfahrens nicht ohne weiteres auf das Vollstreckungsverfahren zu übertragen sind, überzeugt nicht nur wegen des praktischen Ergebnisses. Sinn und Zweck der Bestimmtheitsanforderungen im Erkenntnisverfahren ist es, einen möglichst gut handhabbaren Tenor zu erlangen, der die tragenden Gründe des Urteils mit Blick auf die relevanten Punkte des Subsumtionsschlusses und damit der Elemente der Urteilsnorm möglichst deutlich artikuliert (hierzu ausführlich Rn. 80). Hier gibt es letztlich nicht schwarz oder weiß, sondern die Unterschiede sind zumeist gradueller Art. Entscheidend bleibt aber letztlich auch hier die Bestimmung der Urteilsnorm anhand der Gründe des Urteils. Erst die Gründe geben darüber Aufschluss, was tatsächlich verboten ist. Das ist kein Notbehelf, sondern für Unterlassungsurteile zwingend (hierzu Rn. 89, 139 und 828). Das gilt im Übrigen auch, wie bereits oben ausgeführt, für Kopieranträge, die sich deskriptiv auf die konkrete Verletzungshandlung der Vergangenheit beziehen. Jede Abweichung der konkreten Beschreibung kann nur aufgrund eines Referenzmaßstabes der Gründe des Urteils bewertet werden. Ein bestimmter Unterlassungstitel erleichtert also nur die Arbeit des Vollstreckungsgerichts, kann sie aber nie ganz vermeiden. Wenn die Auslegung allerdings in diesem Sinne „scheitert“, dann führt an der Ver832 neinung der Bestimmtheit kein Weg vorbei. Es ist keineswegs so, dass man erst dann von einer Titelstreitigkeit sprechen kann, wenn die Auslegung zu keinem Ergebnis führt (hierzu oben Rn. 604). Eine solche liegt vor, wenn die Auslegung des Titels in Streit steht. Führt diese zu keinem eindeutigen Ergebnis, kann die Vollstreckung nicht stattfinden. Das ist schon aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend erforderlich (hierzu bereits oben Rn. 825). Das werden allerdings Ausnahmefälle bleiben, in denen die Gründe derart kryptisch sind, dass schlicht nicht ermittelbar ist, welches Verhalten konkret verboten sein soll, oder wenn, wie im BGH-Fall „Fordvertragspartner“,2195 ein offener Widerspruch zwischen Tenor und Gründen besteht. Gleiches gilt, wenn das Gericht bei einem abstrahierenden Verbot und mehreren selbständigen Klagegründen es hat dahinstehen lassen, auf welchen die Verurteilung gestützt wird. Hier ändert sich nämlich mit der Auswahl des Klagegrundes der Gehalt der Verbotsnorm, was für den BGH in „TÜV“ der Grund war, die alternative Klagehäufung als nicht bestimmt und damit unzulässig einzuordnen (dazu ausführlich oben Rn. 150 f.); mithin ist auch der Titel unbestimmt.2196 Eine Auslegung ist für den Schuldner ferner nicht möglich, wenn eine Beschlussverfügung sich lediglich durch die deskriptive Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung auszeichnet, aber ohne Antragsbegründung zugestellt wurde.2197 Das gilt jedenfalls dann, wenn man ein solches konkretes Verbot qua Kernbereichslehre auch auf kerngleiche Abwandlungen ausweiten will, die sich nur anhand der Begründung des Verbots/Antrags bestimmen lassen (vgl. Rn. 854 ff.). Insofern ist das Verbot ohne die Antragsschrift nicht bestimmt. Es kann nicht überzeugen, dem Schuldner die Herstellung der Bestimmtheit durch Beschaffung der Antragsschrift aufzubürden. Ein bestimmter Titel ist dem Schuldner zuzustellen. Das ist Voraussetzung der Zwangsvollstreckung. Ohne die Antragsschrift ist ein solcher Titel aber nicht bestimmt, so dass die Linie des OLG Hamburg2198 abzulehnen ist.

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2195 BGH 17.3.2011 – I ZR 170/08, GRUR 2011, 1050 f. Tz. 17 – Ford-Vertragspartner. 2196 So auch Büscher GRUR 2012, 16, 19 mit Fn. 15. 2197 Zur Frage der fehlenden Bestimmtheit eines solchen Antrags/Verbots ohne Rückgriff auf die Gründe vgl. Rn. 124, 139 sowie Rn. 829. 2198 OLG Hamburg 3.5.2012 – 3 U 155/11, WRP 2012, 1594, 1595 Tz. 33 – Zustellung einer Beschlussverfügung.

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(gg) Verfahrensrechtliche Fragen. Mit Blick auf die Einzelheiten zur Titelfeststel- 833 lungsklage sowie der Konkurrenz zu den vollstreckungsrechtlichen Verfahren und einer neuen Hauptsacheklage sei auf die Ausführungen unter Rn. 596 ff. verwiesen. Ergänzend sei an dieser Stelle noch bemerkt, dass nach der Rechtsprechung des BGH dem Schuldner in analoger Anwendung des § 767 ZPO die Vollstreckungsabwehrklage gegen einen der materiellen Rechtskraft und damit auch der Vollstreckungsfähigkeit nicht zugänglichen Titel gegeben ist.2199 (b) Prozessvergleiche. Größere Schwierigkeiten können sich bei anderen Titeln, 834 insbesondere bei Prozessvergleichen ergeben. Hier entspricht es der herrschenden Auffassung im allgemeinen zivilprozessualen Schrifttum, dass für die Auslegung der titulierten Unterlassungsverpflichtung allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs, also der „isolierte Vollstreckungstitel“, maßgeblich sein soll, was einen Rückgriff auf die Prozessakten und die Anträge der Parteien ausschließe.2200 Diese Auffassungen werden praktisch zu allen Fällen vertreten, in denen nicht das 835 Prozessgericht des ersten Rechtszuges das Vollstreckungsgericht ist. Dort ist es in der Tat schwierig, dem Vollstreckungsorgan eine Prüfung unter Heranziehung der Prozessakten zu übertragen. Für Unterlassungsverpflichtungen in Prozessvergleichen gilt das in der Regel2201 nicht, weil hier das Prozessgericht des ersten Rechtszuges das zuständige Vollstreckungsorgan ist. Es kann die Unterlassungsverpflichtung unter Rückgriff auf die Prozessakten auslegen. Jedes andere Ergebnis wäre auch unpraktikabel, denn die Parteien formulieren in der Regel die Unterlassungsverpflichtungserklärung derart, dass sie erst vor dem Hintergrund des Prozessvorbringens verständlich wird. Der Vergleich zum Patentverletzungsprozess mag wiederum als Plausibilitätskontrolle dienen: Auch hier wird regelmäßig der Anspruchswortlaut für die Formulierung der Unterlassungsverpflichtung herangezogen, ohne dass dadurch gewollt gewesen wäre, den Schutzbereich des Klagepatents zu titulieren. Auch hier bezieht sich die Erklärung nur auf den Streitgegenstand des verglichenen Verfahrens, sofern sich keine Anhaltspunkte für einen abweichenden Parteiwillen ergeben. bb) Vollstreckungsklausel. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung sind nur zuläs- 836 sig, wenn dem Vollstreckungsantrag eine vollstreckbare Ausfertigung beigefügt ist. Das gilt auch für einen Antrag nach § 890 ZPO.2202 Die vollstreckbare Ausfertigung ist eine mit der Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung des Unterlassungsurteils (§ 724 Abs. 1 ZPO). Die Vollstreckungsklausel ist ein dem Urteil am Schluss anzufügender Vermerk, wonach die vorstehende Ausfertigung dem nach seiner Parteibezeichnung im Urteilsrubrum zu bezeichnenden Gläubiger zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt wird (§ 725 ZPO). Einstweilige Unterlassungsverfügungen bedürfen (gleich ob Urteils- oder Be- 837 schlussverfügungen) als Vollstreckungstitel des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich keiner Vollstreckungsklausel. Anderes gilt gemäß §§ 929 Abs. 1, 936 ZPO nur dann, wenn die Zwangsvollstreckung für oder gegen einen anderen als den namentlich im Urteil oder Beschluss bezeichneten Gläubiger bzw. Schuldner erfolgen soll. Dann

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2199 Ausführlich begründet in BGH 18.11.1993, BGHZ 124, 164 = NJW 1994, 460 f. 2200 KG 29.7.1988, NJW-RR 1988, 1406 f.; OLG Frankfurt 22.9.1994, VersR 1995, 1061; OLG Koblenz 7.2.2002, JurBüro 2002, 551; OLG Stuttgart 17.4.1997, Rpfleger 97, 446; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a. 2201 Die in § 797a ZPO geregelten Ausnahmen können als praktisch unbedeutend außer Betracht bleiben. 2202 OLG Karlsruhe 19.9.2007 – 20 WF 104/07, NJW 2008, 450.

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ist gemäß § 727 Abs. 1 ZPO, wie bei jedem anderen Urteil auch, die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für oder gegen diesen Gläubiger bzw. Schuldner, gegen den die Zwangsvollstreckung erfolgen soll, erforderlich. Das Zwangsvollstreckungsrecht erfordert hier Eindeutigkeit der Bezeichnung. Die Erteilung ist gemäß § 727 Abs. 1 ZPO nur für den Rechtsnachfolger des Gläubigers sowie gegen den Rechtsnachfolger des Schuldners möglich. Ferner ist die Klauselerteilung gegen denjenigen Rechtsnachfolger des Schuldners im streitbefangenen Gegenstand möglich, gegen den das Urteil gemäß § 325 ZPO wirksam ist. Die Voraussetzungen sind dem zuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle durch öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen, sofern sie nicht offensichtlich sind (§ 727 Abs. 1 ZPO). Die vollstreckbare Ausfertigung muss lediglich für die Maßnahmen der Zwangsvoll838 streckung vorliegen, sie muss nicht selbst dem Schuldner zugestellt worden sein. Anderes gilt nur für die qualifizierten Fälle einer Klauselerteilung, wie etwa dem nach § 727 ZPO (§ 750 Abs. 2 ZPO). cc) Zustellung des Titels 839

(1) Urteile. Die Zwangsvollstreckung erfordert nach § 750 Abs. 1 ZPO, dass die Personen, gegen die sie stattfindet, in dem Urteil namentlich bezeichnet sind und die Zustellung an diese zumindest gleichzeitig mit der Zwangsvollstreckung erfolgt. Erfolgt die Zwangsvollstreckung gegen eine andere als die im Urteil namentlich bezeichnete Person, so ist deren Bezeichnung in der gemäß § 727 ZPO zu erteilenden Vollstreckungsklausel sowie zusätzlich die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung erforderlich, § 750 Abs. 2 ZPO. (2) Beschlussverfügungen

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(a) Zustellung im Parteibetrieb. Die Zustellung der einstweiligen Beschlussverfügung erfolgt im Parteibetrieb, §§ 922 Abs. 2, 936 ZPO. Darin liegt sowohl die Zustellung im Sinne des § 750 Abs. 1 ZPO (i.V.m. § 795 ZPO) als auch die Vollziehung im Sinne von §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO. Die Zustellung im Parteibetrieb ist in den §§ 191 ff. ZPO geregelt. Sie erfolgt entweder durch den Gerichtsvollzieher (§§ 192 bis 194 ZPO) oder im Wege der Zustellung von Anwalt zu Anwalt (§ 195 ZPO). (b) Einzelheiten der Zustellung (aa) Übergabe der beglaubigten Abschrift oder der Ausfertigung. Zugestellt wird die Beschlussverfügung durch Übergabe einer beglaubigten Abschrift der Urschrift oder einer beglaubigten Abschrift der Ausfertigung (die Ausfertigung tritt im Rechtsverkehr an die Stelle der Urschrift).2203 Möglich ist allerdings auch die Übergabe einer (weiteren) Ausfertigung,2204 wenn diese, was nach der Praxis mancher Landgerichte2205 der Fall ist, dem Gläubiger mehrfach zur Verfügung gestellt wurde. Die Ausfertigung oder Urschrift muss dem Gerichtsvollzieher für den Zustellungsvorgang vorliegen (§ 192 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und er hat auf dieser oder auf einem mit derselben zu verbinden Formular die Aus-

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2203 Da gesetzlich nichts anderes vorgesehen ist, ist die Übergabe der beglaubigten Abschrift der normale Weg der Zustellung einer Urkunde, vgl. Zöller/Stöber § 166 Rn 5. 2204 Die Übergabe einer Ausfertigung anstatt einer beglaubigten Abschrift ist immer ausreichend, vgl. BGH 29.9.1954, BGHZ 14, 342, 344 = NJW 54, 1722; Zöller/Stöber § 166 Rn. 5. 2205 Etwa des Landgerichts Frankfurt.

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führung der Zustellung nach § 182 Abs. 2 mit der Person, in deren Auftrag er zugestellt hat, zu vermerken, § 193 Abs. 1 ZPO. Für den Empfänger wird der Tag der Zustellung auf der übergebenen beglaubigten Abschrift vermerkt oder eine beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde übergeben (§ 193 Abs. 3 ZPO). (bb) Einzelheiten der Beglaubigung. Die Beglaubigung der Abschrift der Ausferti- 843 gung muss den Ausfertigungsvermerk erfassen, dieser muss also vollständig sichtbar sein und die Beglaubigung sich hierauf beziehen. Für die Beglaubigung ist ansonsten keine besondere Form vorgeschrieben,2206 jedoch muss sie sich unzweideutig auf das gesamte Schriftstück erstrecken, insbesondere auch den (sichtbaren) Ausfertigungsvermerk erfassen. Hierfür ist es erforderlich, dass die Blätter als Einheit derart verbunden sind, dass die körperliche Verbindung als dauernd gewollt erkennbar und nur durch Gewaltanwendung zu lösen ist.2207 Dem genügt es nach der Rechtsprechung des BGH, wenn die aus mehreren Blättern bestehende Abschrift der Beschlussverfügung mit mehreren Heftklammern zusammengeheftet ist2208 und der Beglaubigungsvermerk sich auf dem letzten Blatt befindet und sich damit auf das gesamte zugestellte Schriftstück bezieht. Die Beglaubigung kann vom Rechtsanwalt des Gläubigers vorgenommen werden (vgl. § 169 Abs. 2 ZPO), ansonsten wird sie vom zustellenden Gerichtsvollzieher vorgenommen, § 192 Abs. 2 Satz 2 ZPO. (cc) Zustellung von Anwalt zu Anwalt (§ 195 ZPO). Für die Zustellung von Anwalt 844 zu Anwalt im Sinne des § 195 ZPO ist regelmäßig Prozessvollmacht der Anwälte auf beiden Seiten erforderlich, die Vollmacht kann sich jedoch auch auf die bloße Mitwirkung an der Zustellung beschränken.2209 Das wird regelmäßig nur dann der Fall sein, wenn der Schuldner eine Schutzschrift eingereicht hat oder sich der Rechtsanwalt in der vorgerichtlichen Korrespondenz für den Schuldner ausdrücklich als zustellungsbevollmächtigt bezeichnet hat. Mit dem Einreichen der Schutzschrift hat sich der Rechtsanwalt des Schuldners als Prozessbevollmächtigter bestellt, so dass dieser im Rubrum aufzunehmen ist und die Zustellung der Beschlussverfügung durch den Schuldner an diesen vorgenommen werden muss (§ 172 ZPO).2210 Allerdings setzt das Kenntnis des Gläubigers voraus. Hat das Prozessgericht dem Gläubiger die Schutzschrift nicht übermittelt und den Prozessbevollmächtigten des Schuldners nicht in das Rubrum aufgenommen, so ist die Zustellung im Parteibetrieb an den Schuldner persönlich wirksam.2211

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2206 BGH 7.10.1959, BGHZ 31, 32, 36 = NJW 59, 2307; BGH 2.11.1961, BGHZ 36, 62, 64 = NJW 61, 2307; BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 265 f. – Euro-Einführungsrabatt. 2207 BGH 23.10.2003 – Euro-Einführungsrabatt, a.a.O.; BGH 27.5.1974, NJW 1974, 1383, 1384. 2208 BGH 23.10.2003 – Euro-Einführungsrabatt, a.a.O.; der Verwendung des Plurals „Heftklammern“ kommt hier wohl keine Bedeutung zu, weil der BGH auch eine Heftklammer hat ausreichen lassen, BGH 27.5.1974, NJW 1974, 1383, 1384; ebenso BGH 29.4.1974, NJW 74, 128; vgl. ferner OLG Celle, OLG-Rep. 1999, 328, 329; OLG Bamberg, OLG-Rep. 2002, 239, 240; Zöller/Stöber § 169 Rn. 8; Graf Lambsdorff Rn. 269; Berneke Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rn. 318. 2209 Zöller/Stöber § 195 Rn. 5. 2210 H.L., vgl. OLG Karlsruhe 27.11.1991, NJW-RR 1992, 700, 701; OLG Hamburg 7.7.1994, NJW-RR 1995, 444; Zöller/Stöber § 172 Rn. 6; Teplitzky Kap. 55 Rn. 43 m.w.N. 2211 Überzeugend OLG Frankfurt 12.09.1985, NJW-RR 1986, 587; im Ergebnis übereinstimmend mit der h.L., vgl. die Nachweise bei Teplitzky Kap. 55 Rn. 43 in Fn. 230.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

dd) Androhung gemäß § 890 Abs. 2 ZPO 845

(1) Einzelheiten der wirksamen Androhung. Die vorherige Androhung des Ordnungsmittels kann und wird regelmäßig bereits im Urteil vorgenommen. Sie kann aber auch in einem nachträglichen Beschluss des Prozessgerichts des ersten Rechtszuges erfolgen. Die Androhung muss dabei die gesetzlich in § 890 Abs. 1 ZPO genannten Ordnungsmittel konkret angeben, weil sie das Ausmaß des drohenden hoheitlichen Zwangs erkennen lassen muss. Die Androhung „der gesetzlichen Ordnungsmittel nach § 890 ZPO“ genügt also nicht, sondern es ist eine Präzisierung erforderlich, also „Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten.“2212 Eine Antragstellung des Klägers/Gläubigers, die auf die gesetzlichen Ordnungsmittel gerichtet ist, ist allerdings zulässig und das Gericht an diesen nicht hinreichenden Wortlaut nicht gebunden.2213 Gebunden ist das Gericht allerdings an einen Antrag, der die Ordnungsmittel niedriger als gesetzlich vorgesehen angibt. Dann ist auch nur eine entsprechende Festsetzung in diesem Rahmen möglich. Unschädlich ist es hingegen, wenn die Androhung der Ordnungsmittel über das gesetzlich vorgesehene Maß hinausgeht, insbesondere wenn Ordnungsgeld und Ordnungshaft kumulativ und nicht alternativ angedroht werden.2214 Die Androhung der Ordnungsmittel soll dem Schuldner die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot deutlich vor Augen führen und ihn dadurch dazu anhalten, die Unterlassungspflicht zu erfüllen.2215 Eine Androhung von Ordnungsmitteln in einem das gesetzlich Maß übersteigenden Umfang wird deshalb als wirksam angesehen, weil in einem solchen Fall noch weniger die Gefahr besteht, dass der Schuldner die Bedeutung der Ordnungsmittelandrohung unterschätzt.2216 Bei juristischen Personen genügt es, wenn die Vollziehung der Ordnungshaft an deren gesetzlichen Vertretern angedroht wird. Diese müssen nicht namentlich benannt werden.2217

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(2) Die selbständige Androhung als Beginn der Zwangsvollstreckung – Einzelheiten zum Prozessvergleich. Die selbständige Androhung ist Beginn der Zwangsvollstreckung, so dass zu diesem Zeitpunkt auch die Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen vorliegen müssen.2218 Anderes gilt naturgemäß für die im Urteil enthaltene Androhung, für welche die Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen nicht vorliegen müssen. 2219 Die selbständige Androhung ist insbesondere für Unterlassungstitel, die keine Urteile sind, relevant, was in praxi regelmäßig der gerichtliche Vergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) sein

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2212 Vgl. BGH 6.7.1995, GRUR 1995, 744, 749 r. Sp. a.E. – Feuer, Eis und Dynamit I; seither h.L., vgl. etwa Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.3 m.w.N. 2213 Ahrens/Spätgens Kap. 64 Rn. 31; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.3; Teplitzky Kap. 57 Rn. 25. 2214 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 265 – Euro-Einführungsrabatt; Teplitzky Kap. 57 Rn. 25; a.A. Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 18; Pastor/Ahrens/Jestaedt Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kap. 39 Rn. 13; Melullis Rn. 939. 2215 BGH 3.4.2014 – I ZB 3/12, WRP 2014, 861, Tz. 7 – Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich. 2216 BGH 23.10.2003 – Euro-Einführungsrabatt, a.a.O.; OLG Hamm 24.2.1983, GRUR 1983, 606, 607 – Zu hohe Strafandrohung; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 15; Schuschke/Walker/Sturhahn § 890 Rn. 16; Berneke Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rn. 164. 2217 BGH 16. 5.1991 – I ZR 218/89, GRUR 1991, 929, 931 – Fachliche Empfehlung II; Teplitzky Kap. 57 Rn. 25 m.w.N. 2218 Ganz h.L., vgl. nur BGH 29.9.1978, NJW 1979, 217 r. Sp. sub 3; Zöller/Stöber § 890 Rn. 12a; Thomas/ Putzo/Seiler § 890 Rn. 19. 2219 BGH 22.1.2009 – I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, 891 Tz. 14 – Ordnungsmittelandrohung.

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XII. Zwangsvollstreckung

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

wird. Im Vergleich selbst kann die Androhung nicht wirksam vorgenommen werden;2220 das gilt auch für den Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs. 6 ZPO.2221 Es handelt sich ferner um eine zwingende Schuldnerschutzvorschrift, auf die regelmäßig im Voraus nicht verzichtet werden kann.2222 Dadurch entsteht auch keine Rechtsschutzlücke für den Gläubiger mit Blick auf Zuwiderhandlungen zwischen der Zustellung des Vergleichs (also Zwangsvollstreckungsvoraussetzung) und der Androhung, weil der Gläubiger im Vergleich auch eine Vertragsstrafe vorsehen kann.2223 Darauf sollte der Gläubiger mithin bei Vergleichen auch bestehen. Die Androhung bedarf ferner keines besonderen Rechtsschutzinteresses und insbesondere keiner bereits erfolgten Zuwiderhandlung.2224 Ob das auch gilt, wenn eine Vertragsstrafe im Prozessvergleich vorgesehen ist, war längere Zeit streitig.2225 Die überwiegende Auffassung hatte sich dafür ausgesprochen. Die Gegenauffassung, die etwa vom 6. Zivilsenat des OLG Karlsruhe2226 vertreten wurde, hatte hiergegen argumentiert, dass mit der Strafbewehrung der Unterlassungsverpflichtung die Wiederholungsgefahr entfalle. Ferner sei an sich die Zuwiderhandlung eine weitere Vollstreckungsvoraussetzung bei § 890 ZPO. Wenn es nicht zu einer weiteren Zuwiderhandlung komme, sei überhaupt nicht klar, ob die Unterlassungsvollstreckung erforderlich sei, um die geschuldete Unterlassung zu erzwingen; deshalb fehle es am Rechtsschutzinteresse.2227 Dem ist der BGH zu recht nicht gefolgt.2228 Der Wegfall der Wiederholungsgefahr spielt bei einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung, die hier tituliert wird, keine Rolle. Ferner ist die „Zuwiderhandlung“ entgegen dem OLG Karlsruhe auch keine weitere Voraussetzung der Zwangsvollstreckung, sondern lediglich Voraussetzung für die Festsetzung eines Ordnungsmittels. Der BGH hat zu Recht angemerkt, dass die Parteien zwar vollstreckungsbeschränkende Abreden treffen können. Der Gläubiger kann also auf eine Vollstreckung gemäß § 890 ZPO verzichten, wenn eine Vertragsstrafe vorgesehen ist. Das wird aber ohne ausdrückliche Vereinbarung oder sonstige Hinweise darauf regelmäßig nicht angenommen werden können.2229 Die Vertragsstrafe und das Ordnungsmittel schließen sich auch grundsätzlich nicht gegenseitig aus, da beide von unterschiedlichen

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2220 BGH 3.4.2014 – I ZB 3/12, WRP 2014, 861, Tz. 8 – Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich; BGH 2. 2.2012 − I ZB 95/10, GRUR 2012, 957 Tz. 7 – Vergleichsschluß im schriftlichen Verfahren; RG 19.1.1898, RGZ 40, 413, 415; OLG Köln 26.2.2007 – 6 W 26/07, OLG-Report 2007, 707; OLG Frankfurt a.M. 6.3.2006 – 6 WF 33/06, NJW-RR 2006, 1441; OLG Stuttgart 10.09.1975, WRP 1976, 119; KG 21.9.1982, JurBüro 1983, 781, 783; KG 11.11.1986, NJW-RR 1987, 507; OLG Karlsruhe 25.3.1957, GRUR 1957, 447; Musielak/ Lackmann § 890 Rn. 7; Saenger/Friedrich/Pukall § 890 Rn. 11; Schuschke/Walker/Sturhahn § 890 Rn. 16; Wiezcorek/Schütze/Storz § 890 Rn. 93; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.3; Fezer/Büscher § 12 Rn. 383; Teplitzky Kap. 57 Rn. 25; a.A. LG Berlin 26.10.1966, MDR 1967, 134; Blomeyer ZivilprozessR – Vollstreckungsverfahren (1975) § 95 I 2; Baur Der schiedsrichterliche Vergleich (1971) Rn. 112; Hasse NJW 1969, 23, 24; Schlosser JZ 1972, 639. 2221 BGH 2.2.2012 − I ZB 95/10 GRUR 2012, 957 Tz. 12 – Vergleichsschluß im schriftlichen Verfahren. 2222 BGH 2.2.2012 − Vergleichsschluß im schriftlichen Verfahren, a.a.O. Tz. 13. 2223 BGH 2.2.2012 – Vergleichsschluß im schriftlichen Verfahren, a.a.O. Tz. 9. 2224 BGH 3.4.2014 – I ZB 3/12, WRP 2014, 861 Tz. 8 – Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich; Zöller/Stöber § 890 Rn. 12a; MünchKommZPO/Gruber § 890 Rn. 26, 31; Musielak/Lackmann § 890 Rn. 17; Saenger/Friedrich/Pukall § 890 Rn. 12; Thomas/Putzo/Seiler § 890 Rn. 19; Gloy/Loschelder/Erdmann § 93 Rn. 5; Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 16. 2225 BGH 3.4.2014 – I ZB 3/12, WRP 2014, 861 Tz. 19 – Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich. 2226 OLG Karlsruhe 28.12.2001 – 6 W 101/01, juris Tz. 7; ebenso Fezer/Büscher § 12 Rn. 383. 2227 OLG Karlsruhe 28.12.2001 – 6 W 101/01, juris Tz. 7. 2228 BGH 3.4.2014 – I ZB 3/12, WRP 2014, 861 Tz. 14, 19 – Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich. 2229 BGH 3.4.2014 – Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich, a.a.O. Tz. 14, 19; BGH 5.2.1998, BGHZ 138, 67, 71; OLG Saarbrücken 21.11.1978, NJW 1980, 461; MünchKommZPO/Gruber § 890 Rn. 31.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Voraussetzungen abhängen, insbesondere mit Blick auf das Verschulden, und deshalb nebeneinander geltend gemacht werden können.2230 Die Schuldnerinteressen werden dadurch nicht ungebührlich beeinträchtigt, weil bei der Festsetzung der späteren Sanktion die frühere Sanktion zu berücksichtigen ist.2231 Wenn der Schuldner das vermeiden will, so muss er also auf einer ausdrücklichen, die Vollstreckung des Prozessvergleichs qua § 890 ZPO zugunsten des Vertragsstrafeversprechens ausschließenden Abrede bestehen. c) Zuwiderhandlung 847

Es muss ein schuldhafter (hierzu cc), Rn. 864 ff.) Verstoß (hierzu bb), Rn. 854 ff.) gegen einen vollstreckbaren Titel (hierzu aa), Rn. 848 ff.) vorliegen. Ferner muss ein Verstoß des Titelschuldners vorliegen, gegen den die Festsetzung beantragt ist (dd), Rn. 874 ff.). Zu berücksichtigen sind die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast (ee), Rn. 877) sowie mögliche Einwendungen des Schuldners (ff), Rn. 878 ff.). aa) Vollstreckbarer Titel zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung

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(1) Kein Titel zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung. Die Zuwiderhandlung setzt voraus, dass bereits im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung ein vollstreckbarer Titel vorlag. Die Festsetzung eines Ordnungsmittels ist ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung der Unterlassungstitel oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder eingestellt worden war (§ 775 Nr. 1 ZPO). Gleiches gilt, wenn die Zwangsvollstreckung einstweilig eingestellt wurde oder die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf (§ 775 Nr. 2 ZPO). Die Festsetzung kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die Einstellung später wieder aufgehoben wird oder der ursprüngliche Titel in der Rechtsmittelinstanz wieder erlassen wird.2232 Gleiches gilt wenn der Unterlassungstitel einschränkungslos, nämlich ex tunc aufgehoben wird, etwa wegen Versäumung der Vollziehungsfrist (§ 929 Abs. 2 ZPO) oder der Versäumung der Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage (§ 926 Abs. 2 ZPO).2233 Gleiches gilt aber nicht für eine Aufhebung ex nunc, wie etwa bei Aufhebung wegen veränderter Umstände gemäß § 927 ZPO2234 oder nach der oben (Rn. 815 ff. sowie Rn. 662) bereits ausführlich behandelten Erledigungserklärung mit ex-nunc-Wirkung. Dann liegt für den Zeitpunkt der Zuwiderhandlung weiter ein wirksamer Titel vor und auch für die Zwecke des § 775 Nr. 1 ZPO sind die Anforderungen an das Bestehen des Titels gegeben (dazu oben Rn. 813).

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2230 BGH 5.2.1998, BGHZ 138, 67, 70 = GRUR 1998, 1053 m.w.N.; BGH 17.9.2009 – I ZR 217/07, GRUR 2010, 355 Tz. 32 = WRP 2010, 649 – Testfundstelle; BGH 2.2.2012 – I ZB 95/10, GRUR 2012, 957 Tz. 9 – Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren; OLG Köln 20.6.1986, NJW-RR 1987, 360; Teplitzky Kap. 20 Rn. 22; Ahrens/Singer Kap. 32 Rn. 8; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 243; Saenger/Friedrich/Pukall § 890 Rn. 10. 2231 BGH 3.4.2014 – I ZB 3/12, WRP 2014, 861 Tz. 14, 19 – Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich; BGH 5.2.1998, BGHZ 138, 67, 70 f. = GRUR 1998, 1053; BGH 17.9.2009 – I ZR 217/07, GRUR 2010, 355 Tz. 32 = WRP 2010, 649 – Testfundstelle; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.128; Teplitzky Kap. 20 Rn. 22; Ahrens/Singer Kap. 32 Rn. 9; Ahrens/Achilles Kap. 10 Rn. 15; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 243; MünchKommUWG/Ehricke Vor § 12 Rn. 143; Nieder WRP 2001, 117, 118. 2232 H.L. Teplitzky Kap. 57 Rn. 26 Fn. 127, a.A. Vorlauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 12. 2233 Teplitzky Kap. 57 Rn. 38; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.16. 2234 So aber Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.16. Dazu oben Rn. 817.

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XII. Zwangsvollstreckung

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

(2) Einstellung oder Aufhebung des Titels nach Zuwiderhandlung. Erfolgt die 849 Zuwiderhandlung vor der Einstellung oder Aufhebung des Titels, so kann sie sanktioniert werden, wenn die Einstellung später wieder aufgehoben wird oder der Titel in der Rechtsmittelinstanz erneut erlassen wird. Letzteres kommt dann in Betracht, wenn eine Beschlussverfügung auf den Widerspruch hin durch Urteil aufgehoben wird und das Berufungsgericht dann die einstweilige Verfügung im ursprünglichen Umfang wieder erlässt. Nach zutreffender Auffassung ist das zwar keine „Bestätigung“ der ursprünglichen Verfügung, welche durch das erstinstanzliche Urteil eo ipso ihre Wirksamkeit erhält,2235 sondern ein Neuerlass derselben ohne Rückwirkung.2236 Die Rückwirkung sei für die Ahndung nicht erforderlich, wenn die neue einstweilige Verfügung denselben Streitgegenstand/Schutzumfang habe. Dieses Ergebnis ist zur Wahrung des Sanktions- und Beugecharakters des Ordnungsmittels geboten;2237 ferner weiß der Schuldner, dass um die Einstellung oder Aufhebung im weiteren Verfahren wieder gedreht werden kann und diese Entscheidungen gerade nicht endgültig sind.2238 Entscheidend ist dann, dass zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung wieder ein entsprechender Titel vorliegt (§ 775 Nr. 1 ZPO), der auch zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung vorgelegen hatte. Die etwa von Teplitzky vertretene Gegenauffassung2239 überzeugt nicht; sie bleibt ohne Begründung und erscheint eher formalistisch, indem sie letztlich auf die formale Titelidentität abstellen muss. (3) Ordnungsmittel bei befristeten Titeln oder fehlender Gefahr erneuter Zu- 850 widerhandlungen. Kann einem Vollstreckungstitel nur einmal zuwidergehandelt werden oder ist aus sonstigen Gründen mit erneuten Zuwiderhandlungen nicht mehr zu rechnen, so wurde teilweise vertreten, dass wegen des ausschließlichen Beugecharakters der Sanktion nach § 890 ZPO die Festsetzung eines Ordnungsmittels nicht mehr in Betracht komme.2240 Zu gleichen Ergebnissen kommt man, wenn man den Zeitablauf als erledigendes Ereignis sieht und mit der Erledigterklärung wegen des ex tunc Fortfalls des Titels jede Zwangsvollstreckung für unzulässig hält.2241 Die herrschende Meinung geht hingegen von einem Doppelcharakter des Ordnungsmittels aus und nimmt deshalb, also wegen des repressiven Charakters,2242 sowie aus „generalpräventiven“ Erwägungen an, dass auch in den Fällen, in denen eine Zuwiderhandlung nicht mehr in Betracht kommt, die Festsetzung eines Ordnungsmittels für die Zuwiderhandlung zulässig und erforderlich sei.2243 Wurde wegen des Zeitablaufs das Verfahren in der Hauptsache

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2235 OLG München 21.12.1999 – 29 W 2861/99, NJW-WettRE 2000, 147, 148 – Lamulux; h.L. Stein/ Jonas/Brehm § 890 Rn. 27 a.E.; Ahrens/Ahrens Kap. 66 Rn. 19; Zöller/Stöber § 890 Rn. 9. 2236 Das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht unrichtig eine „Bestätigung“ tenoriert, OLG Düsseldorf 11.7.1995, WRP 1995, 732, 735; näher dazu Teplitzky Kap. 55 Rn. 15 und 15a m.w.N. 2237 OLG München 21.12.1999 – 29 W 2861/99, NJW-WettRE 2000, 147, 148 – Lamulux. 2238 Ahrens/Ahrens Kap. 66 Rn. 19 a.E. 2239 Teplitzky Kap. 57 Rn. 26 Fn. 127, der unrichtigerweise Ahrens/Ahrens Kap. 66 Rn. 19 und Zöller/ Stöber § 890 Rn. 9 für seine Auffassung zitiert. Ahrens vertritt dezidiert die Gegenauffassung, a.a.O. mit Fn. 59, ebenso Stöber a.a.O.; wie Teplitzky Vorauflage/Schultz-Süchting § 25 a.F. Rn. 190; Wieczorek/ Schütze/Storz § 890 Rn. 72. 2240 So etwa die frühere Rechtsprechung des OLG Hamm 19.2.1965, MDR 1965, 585; OLG Hamm 28.2.1979, NJW 1980, 1399 = WRP 1979, 566 je m.w.N. und Darstellungen des Streitstandes; offengelassen in OLG Hamm 28.1.1986 – 14 W 112/84; OLG Karlsruhe 22.7.1975, WRP 1975, 533, 534 f. 2241 So wohl Teplitzky Kap. 57 Rn. 38 i.V.m. Kap. 46 Rn. 39, wo der Zeitablauf als erledigendes Ereignis genannt wird. 2242 So BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 267 sub (2) – Euro-Einführungsrabatt; ebenso bereits OLG Hamm 20.2.1990 – 14 W 94/89, NJW-RR 1990, 1086 f. – Ordnungsmittel trotz Wegfalls der Wiederholungsgefahr. 2243 OLG Hamm 20.2.1990 – Ordnungsmittel trotz Wegfalls der Wiederholungsgefahr, a.a.O.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

für erledigt erklärt, so ist diese Erklärung regelmäßig als zeitlich beschränkt für die Zukunft zu verstehen.2244 851

(4) Leistung der Sicherheit vor Zuwiderhandlung. Bei einem nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Titel muss die Sicherheitsleistung bereits zu diesem Zeitpunkt geleistet sein.2245 Ob sie auch im Sinne des § 750 Abs. 2 ZPO dem Schuldner nachgewiesen sein muss, ist streitig.2246 In der Praxis wird aber jedenfalls eine Benachrichtigung des Schuldners über die Erbringung der Sicherheitsleistung2247 erforderlich sein, weil man anderenfalls kein Verschulden wird annehmen können. Zur Begründung des Erfordernisses der Erbringung der Sicherheitsleistung hat der BGH nämlich zu Recht angeführt, dass die in § 890 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel ausschließlich der Vollstreckung dienen und eine solche nicht stattfindet, solange der Schuldner nicht durch die vom Gläubiger zu leistende Sicherheit gegen die ihm aus der Erfüllung des Unterlassungsgebots entstehenden nachteiligen Folgen geschützt ist. Solange der Schuldner von diesem Schutz noch nichts weiß, kann man jedenfalls keine schuldhafte Zuwiderhandlung annehmen.

852

(5) Keine Zustellung des Titels oder Klauselerteilung erforderlich. Es ist nicht erforderlich, dass der Titel zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung bereits zugestellt war oder dass bereits eine Vollstreckungsklausel erteilt war. Das sind lediglich Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, die bei Einleitung der Zwangsvollstreckung und jeder Maßnahme der Zwangsvollstreckung vorliegen müssen, die also für den Antrag nach § 890 ZPO und für die Festsetzung des Ordnungsmittels erforderlich sind. Die Zuwiderhandlung ist hingegen nicht Teil der Zwangsvollstreckung.2248 Mithin ist bereits mit der Verkündung des Unterlassungsurteils und vor dessen Zustellung eine Zuwiderhandlung möglich, wenn das Urteil rechtskräftig ist oder durch Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar wurde. Die Sicherheitsleistung erfolgt durch Zustellung an den Prozessbevollmächtigten des Schuldners.

853

(6) Keine Zustellung von einstweiligen Urteilsverfügungen vor Zuwiderhandlung erforderlich. Bei einstweiligen Verfügungen ist keine Sicherheitsleistung erforderlich; diese sind, wie bereits ausgeführt,2249 sofort vollstreckbar. Fraglich ist allerdings, ob die Vollziehung der Verfügung gemäß §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO Voraussetzung für eine Zuwiderhandlung ist, ob diese also für die Bindung des Schuldners an den Unterlassungstenor erforderlich ist. Das ist bei der Beschlussverfügung regelmäßig kein Problem, weil diese nicht verkündet wird und nur dem Gläubiger zugestellt wird, der diese dann im Parteibetrieb an den Schuldner zustellen muss (§ 922 Abs. 2 ZPO), so dass der Schuldner hiervor schon keine Kenntnis haben kann. Anderes gilt für Urteilsverfü-

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2244 Dazu oben Rn. 687. 2245 BGH 30.11.1995 – IX ZR 115/94, GRUR 1996, 812 – Unterlassungsurteil gegen Sicherheitsleistung; OLG Hamm 13.9.1976, BB 1978, 1283 f. m. zust. Anm. Bülow; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 20; Zöller/Stöber § 890 Rn. 4; Melullis Rn. 948; Vorlauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 40; Altmeppen, WM 1989, 1157, 1159; Bork WRP 1989, 360, 361 f. 2246 Dagegen Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 20; dafür ohne Begründung und unter nicht zutreffender Bezugnahme auf BGH 30.11.1995, GRUR 1996, 812 Zöller/Stöber § 890 Rn. 4. 2247 Bei der Bankbürgschaft stellt sich diese Frage allerdings nicht, sondern lediglich für die Hinterlegung. 2248 H.L., ausdrücklich BGH 22.1.2009 – I ZB 115/07, GRUR 2009, 890 Tz. 14 – Ordnungsmittelandrohung. 2249 Siehe dazu oben Rn. 821.

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XII. Zwangsvollstreckung

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

gungen. Ob bei Urteilsverfügungen schon mit Verkündung und vor Zustellung eine Zuwiderhandlung möglich ist, war lange streitig. Zwar bedürfen auch Urteilsverfügungen der Vollziehungen im Sinne des §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO.2250 Gleichwohl hat der BGH inzwischen entschieden, dass bereits mit der Verkündung der Urteilsverfügung das Verbot zu beachten ist, also eine Zuwiderhandlung möglich wird.2251 Hingegen vertritt eine beachtliche Auffassung in der Literatur die Meinung, dass erst mit Zustellung im Parteibetrieb, also mit Vollziehung der Verfügung, eine Zuwiderhandlung in Betracht kommt.2252 Das hat seinen Grund in der Schadensersatzverpflichtung des § 945 ZPO. Diese könne erst greifen, wenn der Gläubiger seinen Vollzugswillen zum Ausdruck gebracht habe. Dem hat der BGH widersprochen. Zwar müsse der Schuldner von dem Zeitpunkt an durch § 945 ZPO geschützt sein, von dem ab er die Unterlassungsverfügung zu beachten hat. Dieser liege dann aber bereits mit Verkündung vor und vor Vollziehung der Verfügung durch den Gläubiger. Die Ratio des § 945 ZPO liege nur darin, zu vermeiden, dass der Gläubiger eine Verfügung auf Vorrat erwirkt und dann erst sehr viel später und unter veränderten Umständen durchsetzt.2253 Er müsse sich hier also innerhalb der Monatsfrist entscheiden. Die Vermeidung der Schadensersatzpflicht sei hingegen nicht die Ratio der Vorschrift. Um diese zu vermeiden, könne der Gläubiger auch schlicht auf einen Antrag nach § 890 Abs. 2 ZPO im Erkenntnisverfahren verzichten.2254 bb) Titelverstoß (1) Kernbereichslehre nach herrschender Praxis (a) Alle Handlungen, in denen das Charakteristische der Verletzungshandlung 854 zum Ausdruck kommt. Zur Feststellung eines Titelverstoßes ist zu prüfen, ob der Schuldner dem Verbotstenor zuwidergehandelt hat. Das ist nach herrschender Auffassung jedenfalls dann der Fall, wenn die beanstandete Handlung mit derjenigen identisch ist, die im Tenor verboten wurde.2255 Gemeint sind damit die Fälle, in denen sich der Tenor dadurch auszeichnet, dass er auf die die Grundlage für die Wiederholungsgefahr bildende Verletzungshandlung Bezug nimmt,2256 also nach anderer Terminologie auf die konkrete Verletzungsform gerichtet ist (hier als konkretes Verbotsbegehren bezeichnet, vgl. oben Rn. 79). In diesen Fällen seien aber auch alle diejenigen Handlungen vom Verbot miterfasst, die den Kern der Verletzungsform unberührt lassen, in denen also Kerngleichheit und nicht bloße Ähnlichkeit besteht;2257 das gilt für Rechtskraft und Vollstreckung

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2250 Auch die Amtszustellung ist kein Vollziehungsmittel, vgl. BGH 22.10.1992, BGHZ 120, 73, 78 f.; OLG Hamburg 24.10.1996, WRP 1997, 53, 54; h.L., vgl. etwa Ahrens/Ahrens Kap. 66 Rn. 13 und die w.N. bei Teplitzky Kap 55 Rn. 42 in Fn. 216; a.A. OLG Celle NJW-RR 1990, 1088; OLG Stuttgart OLG 1994; 364, 365; sowie einzelne ebenfalls bei Teplitzky a.a.O. genannte Autoren. 2251 BGH 22.1.2009 – I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, 891 Tz. 14 – Ordnungsmittelandrohung. 2252 Ahrens/Ahrens Kap. 66 Rn. 12 ff. 2253 BGH 22.1.2009 – Ordnungsmittelandrohung, a.a.O. Tz. 15. 2254 BGH 22.1.2009 – Ordnungsmittelandrohung, a.a.O. Tz. 16; ausführlich und m.w.N. dazu Teplitzky Kap 36 Rn. 31 f. 2255 Ahrens/Spätgens Kap. 64 Rn. 57. 2256 Ahrens/Spätgens a.a.O.; Teplitzky Kap. 57 Rn. 12. 2257 Ständige Rechtsprechung und herrschende Literaturauffassung, vgl. nur BGH 22.2.1952, BGHZ 5, 189, 193 f. = GRUR 1952, 577 – Fischermännchen; MünchKommUWG/Ehricke Vor § 12 Rn. 155 a.E.; Harte/ Henning/Brüning Vor § 12 Rn. 294; Gloy/Loschelder/Erdmann § 93 Rn. 12 Abs. 2; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.4.; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 34; hierzu auch Grosch Rechtswandel und Rechtskraft, 76 f.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

gleichermaßen.2258 Der BGH hat, wie bereits oben ausgeführt, auch in seiner jüngsten Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt, dass Unterlassungsurteile, die auf die konkrete Verletzungsform gerichtet sind, auch kerngleiche Abwandlungen erfassen2259 (hierzu bereits oben Rn. 126 ff.). Dieses Korrektivs bedürfe es, damit das auf die konkrete Verletzungsform gerichtete Unterlassungsurteil nicht zu einer „leeren Formalität“ werde;2260 es soll eine „Umgehung“ des Verbots verhindert werden;2261 der Schuldner könne sich der Verurteilung nicht dadurch entziehen, dass er zwar „dem Buchstaben nach der Unterlassungspflicht nachkommt“, aber doch gegen den „Kern“ des Unterlassungstenors verstößt.2262 855

(b) Bewertung des rechtlich Charakteristischen auf der Basis der Urteilsgründe und des abstrakten Einleitungsteils des Tenors. Zum Kernbereich rechnen dabei alle Handlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Das geht in der Sache meist über die Vermeidung einer rein formalen Umgehung hinaus. Es ist damit nämlich der Terminologie und der Sache nach die Kategorie eingeführt, die auch im Erkenntnisverfahren den Umfang der Wiederholungsgefahr und damit den Umfang des materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs bestimmt2263 (hierzu Rn. 104 ff. sowie Rn. 112 ff.). Hierbei geht es nach herrschender Prüfungsmethodik nämlich primär um die Ermittlung des für den Unrechtsgehalt der konkreten Verletzung rechtlich Charakteristischen.2264 Teilweise wird betont, dass weniger die Rechtsnormen, deren Verletzung beanstandet wurde, maßgeblich seien, als die charakteristischen Tatumstände.2265 Das trifft insofern zu, als es auf die für den Subsumtionsschluss im Er-

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2258 BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 13 – Reichweite des Unterlassungsgebots; hierzu die ablehnende Anmerkungen von Kleinemenke GRUR-Prax 2014, 238; OLG Jena 22.3.2006 – 2 U 1136/05, GRUR-RR 2006, 247 f. – „in der Ausgabe …“. 2259 Vgl. etwa BGH 6.2.2013 – I ZB 79/11, GRUR 2013, 1071 – Umsatzangaben; BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 32 – Erinnerungswerbung im Internet: „Denn auch eine solche beschränkte Verurteilung erfasst nach der so genannten Kerntheorie immerhin alle Handlungsformen, in denen das Charakteristische der beanstandeten Werbung zum Ausdruck kommt.“; BGH 19.5.2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855 Tz. 17 – Folienrollos; BGH 10.12.2009 – I ZR 46/07, GRUR 2010, 253 Tz. 30 – Fischdosendeckel; BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 17 – Telefonwerbung für Individualverträge; BGH 4.9.2003 – I ZR 32/01, GRUR 2004, 72 – Coenzym Q 10. 2260 Teplitzky Kap. 57 Rn. 12. 2261 Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 34. 2262 Baur/Stürner/Bruns Zwangsvollstreckungsrecht, § 40 Rn. 40.2. 2263 BGH 30.4.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702, Tz. 55 – Internetversteigerung III; BGH 6.4.2006 – I ZR 125/03, GRUR 2006, 776 Tz. 28 – Werbung für Klingeltöne; BGH 7.6.2001 – I ZR 115/99, GRUR 2002, 177, 178 r.Sp. = NJW 2001, 3710 – Jubiläumsschnäppchen; BGH 15.7.1999, NJW 1999, 2638, 2639 sub III 1 – Kontrollnummernbeseitigung: „Es ist allerdings anerkannt, daß bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag und dementsprechend bei der Verurteilung im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen gestattet sind, sofern auch in dieser Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß eine in bestimmter Form begangene Verletzungshandlung nicht nur die Wiederholung der genau identischen Verletzungsform vermuten läßt, sondern auch eine Vermutung für die Begehung zwar leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen begründet.“; BGH 10.7.1997, GRUR 1998, 483, 484 r.Sp. – Der M-Markt packt aus; BGH 25.6.1992, NJW-RR 1992, 1318 = GRUR 1992, 858, 859 f. – Clementinen; BGH 9.5.1996, NJW 1996, 2729 = GRUR 1996, 800, 802 – EDV-Geräte, sowie oben BGH 15.3.1984, GRUR 1984, 594 f. – adidas-Sportartikel; BGH 9.11.1995, NJW 1996, 723, 724 = GRUR 1996, 290 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH 15.12.1999, GRUR 2000, 337, 338 – Preisknaller; BGH 29.6.2000 – I ZR 29/98, GRUR 2000, 907, 909 l.Sp. – Filialleiterfehler; BGH 16.2.1989, GRUR 1989, 445, 446 = NJW 1989, 1545 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung I; BGH 25.4.1991, GRUR 1991, 772, 774 = NJW 1991, 3029 – Anzeigenrubrik I; BGH 1.4.1993, GRUR 1993, 579, 581 r.Sp. = NJW-RR 1993, 934 – Römer GmbH. 2264 Ahrens/Ahrens Kap. 8 Rn. 8. 2265 Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 34.

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kenntnisverfahren maßgeblichen Aspekte ankommt.2266 Die Bewertung, was für die Verletzungshandlung rechtlich Charakteristisch ist, ist also nicht auf der Grundlage einer eigenständigen materiellen Prüfung des Vollstreckungsgerichts zu vollziehen, sondern auf der Basis der Einordnung der Urteilsgründe. Rechtlich charakteristisch im Sinne der Kernbereichslehre können nur Aspekte sein, die das Gericht im Erkenntnisverfahren der Bewertung zugrunde gelegt hat. In diesem Sinne ist es erforderlich, dass die zu beurteilende Handlung als vom Vollstreckungsgericht im Erkenntnisverfahren mitentschieden erachtet werden kann.2267 Insofern sind, wie bereits oben gesagt (Rn. 828), die Entscheidungsgründe und der Tatbestand sowie das dort in Bezug genommene Parteivorbringen zur Auslegung heranzuziehen; 2268 bei einstweiligen Beschlussverfügungen muss regelmäßig auf die Antragsschrift rekurriert werden.2269 Ein für die Praxis wesentliches Element ist neben den Entscheidungsgründen der 856 abstrakte Einleitungsteil eines konkreten Unterlassungstenors, der durch die Formel „wenn das geschieht wie […]“ nach der Rechtsprechung des BGH zwar auf die konkrete Verletzungsform gerichtet ist. Gleichwohl wird hier der abstrakte Einleitungsteil zur Bestimmung kerngleicher Abwandlungen herangezogen (zum ganzen bereits oben Rn. 117 f.).2270 Ein Beispielsfall ist etwa die BGH-Entscheidung „Irische Butter“:2271 Im entschiedenen Fall war im Antrag (der eine Irreführung wegen unzureichender Bevorratung mit der beworbenen Ware betraf) neben der Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung die weitere Bedingung hinzugefügt: „wenn diese Produkte nicht zumindest am ersten Geltungstag der Werbung vorgehalten werden“. In der konkreten, historischen Verletzungshandlung war die Ware zwischen 12.00 und 13.00 des ersten Geltungstages nicht mehr verfügbar. Es handelte sich also bei der weiteren „Bedingung“ um eine Abstrahierung, wenngleich diese auch in der Form einer näheren Beschreibung der Verletzungshandlung gefasst ist. Der BGH macht in der Bewertung aber zu Recht keinen Unterschied, sondern zitiert die Rechtsprechung zu den abstrakten Einleitungsteilen des Antrages. Es wäre also eine Abwandlung, bei der die Ware erst um 15.00 des Nachmittages nicht mehr verfügbar war, als kerngleich zu werten; dieser Sachverhalt wurde mitentschieden. (c) Beispielsfälle. Von der Kernbereichslehre werden zunächst die Fälle erfasst, in 857 denen es sich um die Verwendung abweichender Begrifflichkeiten handelt. Aber auch in diesen Fällen ist die genaue Prüfung der Urteilsgründe erforderlich. Ermittelt werden muss, warum das Gericht im Erkenntnisverfahren das Verbot erlassen hat, welche Sachverhaltsaspekte also für die Subsumtion relevant waren. Wenn etwa in Anwendung des wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbots die Verwendung der Bezeichnung „Internationale Apotheke“ verboten wird, dann ist bei Beanstandung des Begriffs Internationale

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2266 Grosch FS Schilling (2007) 206, 225. 2267 BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 13 – Reichweite des Unterlassungsgebots; hierzu die ablehnende Anmerkungen von Kleinemenke GRUR-Prax 2014, 238; Teplitzky Kap. 57 Rn. 12. 2268 Vgl. die weiteren Nachweise oben unter Rn. 828; sowie Gloy/Loschelder/Erdmann § 93 Rn. 12 Abs. 2; Teplitzky Kap. 57 Rn. 5 ff.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.4; Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 95 (mit der Einschränkung, dass die Auslegung nur „in engen Grenzen“ möglich sei). 2269 MünchKommUWG/Ehricke Vor § 12 Rn. 154 a.E.; Harte/Henning/Brüning Vor § 12 Rn. 294; Gloy/ Loschelder/Erdmann § 93 Rn. 12 Abs. 2; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.4. 2270 BGH 29.4.2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Tz. 36 – Erinnerungswerbung im Internet; ebenso BGH 19.5.2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855, 856 Tz. 17 – Folienrollos; BGH 2.6.2005 – I ZR 252/02, GRUR 2006, 164, 165 Tz. 10 – Aktivierungskosten II; von der Decken/Heim GRUR 2011, 746 Anm. zu BGH 7.4.2011 – I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 – Leistungspakete im Preisvergleich. 2271 BGH 10.2.2011 – I ZR 183/09, GRUR 2011, 340 Tz. 21 – Irische Butter.

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Pharmazie2272 im Vollstreckungsverfahren zu prüfen, warum die Verwendung von „Internationale Apotheke“ im Erkenntnisverfahren als irreführend gewertet wurde. War das deshalb der Fall, weil damit der Eindruck erweckt wurde, die Schuldnerin hebe sich vom Rest des Wettbewerbs durch die Größe und Organisation ihres Geschäftsbetriebes sowie durch ihre ausländischen Geschäftsbeziehungen ab, so muss die Verwendung von „Internationaler Pharmazie“ als kerngleich gewertet werden, weil hier dieselbe Irreführung hervorgerufen würde. Für den so begründeten Subsumtionsschluss macht die Verwendung von Pharmazie anstatt Apotheke keinen Unterschied, weil der Verkehr gerade im internationalen Kontext Pharmazie als Äquivalent für Apotheke kennt. 858 Ein Gegenbeispiel bildet der Fall „Palettenlose Verpackung“ des OLG Düsseldorf:2273 Dort hatte das Gericht im Erkenntnisverfahren dem Schuldner die Spitzenstellungswerbung „No 1 für palettenlose Verpackungen“ verboten. Der Schuldner warb im Anschluss daran (sinngemäß) mit der Aussage „Nummer 1 für palettenlose Sackverpackungen“, was der Gläubiger als Verstoß gegen den Unterlassungstitel beanstandete. Anlagen für palettenlose Sackverpackungen stellen eine bestimmte Untergruppe der palettenlosen Verpackungen dar. Das Gericht im Erkenntnisverfahren hatte nach den Urteilsgründen die Spitzenstellungswerbung verboten, weil es im Wege der Beweisaufnahme festgestellt hatte, dass ein Mitbewerber mehr Anlagen zur palettenlosen Folienverpackung verkauft hatte als der Schuldner. Die Situation mit Blick auf die Sackverpackungen war also nicht geprüft worden und kann deshalb nicht als mitentschieden erachtet werden. Mithin schied eine Bewertung als kerngleich zu Recht aus. 859 Bei Werbeanzeigen ist genau zu prüfen, welches die Aussagen in denselben sind, die zur Einordnung der Rechtswidrigkeit geführt haben. Wenn also, wie in der Entscheidung „Fett-weg-Pille“2274 im Erkenntnisverfahren die Rechtswidrigkeit einer konkreten Werbeanzeige damit begründet wurde, dass die Werbeanzeige auf die (irreführende) „Kernaussage“ reduziert werden konnte, dass der Verbraucher durch Einnahme des beworbenen Produkts das Körpergewicht ohne jede Änderung der Essgewohnheiten verringern kann, dann sind Aussagen wie: „Sie müssen sich nicht kasteien, denn S entzieht ihrer Nahrung nachhaltig das überschüssige Fett“ oder „Muss ich streng hungern oder fasten? Auf keinen Fall“ nicht als kerngleich zu werten, da nicht mehr behauptet wird, dass keine Änderung der Essgewohnheiten erforderlich ist, sondern lediglich, dass eine unangenehme strikte Diät nicht erforderlich sei. Ob das irreführend ist, wurde vom Prozessgericht im Erkenntnisverfahren nicht geprüft; vom Vollstreckungsgericht ist es ebenfalls nicht zu prüfen; es ist in einem weiteren Erkenntnisverfahren festzustellen. 860

(2) Grenzen der Kernbereichslehre bei konkreten Verboten (konkrete Verletzungsform).2275 Der BGH hat allerdings der Anwendung der Kernbereichslehre in jüngster Zeit Grenzen gesetzt, indem betont wurde, dass bei konkreten Unterlassungsgeboten (also solchen, die auf die konkrete Verletzungsform gerichtet sind)2276 die Feststellung erforderlich ist, dass die kerngleichen Handlungen auch Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren waren, was dann nicht der Fall ist, wenn der Kläger sich klar auf bestimmte

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2272 So etwa der Fall OLG Düsseldorf 4.7.2000 – 20 U 140/99, WRP 2000, 1420 f. Dem entschiedenen Fall lag zwar eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung zugrunde. Die Prüfungsmethodik ist aber dieselbe. Im entschiedenen Fall wurde darauf abgestellt, warum der Gläubiger die Unterlassung des Verhaltens in seiner Abmahnung gefordert habe und auf dieser Basis das rechtlich Charakteristische des abgemahnten Verhaltens ermittelt. 2273 OLG Düsseldorf 4.7.1984 – 2 W 10/84, WRP 1985, 27 f. 2274 OLG Nürnberg 1.10.2003 – 3 W 2509/03, GRUR-RR 2004, 61 ff. 2275 Zur Terminologie oben Rn. 79. 2276 Hierzu Rn. 79.

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Handlungen im Erkenntnisverfahren festlegt.2277 Dem kann man dann nicht mehr entgegenhalten, dass andere Handlungen genauso zu bewerten gewesen wären, wie die ausdrücklich gewürdigten Handlungen.2278 Dann hätte der Kläger im Erkenntnisverfahren ein abstrahierendes Unterlassungsbegehren zur Entscheidung stellen müssen. 2279 In sachlich ähnlicher Weise aber mit Blick auf den Sanktionscharakter des § 890 ZPO hat der BGH in der Vergangenheit bereits betont, dass der Anwendung der Kernbereichslehre enge Grenzen gesetzt seien, wenn der Antrag/Tenor eng auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkt ist.2280 Dazu ausführlich und mit weiteren Nachweisen aus dem Schrifttum oben Rn. 131 f. In „0,00 Grundgebühr“ hat der BGH auf dieser Linie ausgeführt, dass unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen, weil in den beiden in Rede stehenden Verfahren unterschiedliche Anträge gestellt worden waren, nämlich einmal gerichtet gegen eine Plakatwerbung und zum anderen gegen eine Werbung mit Handzetteln.2281 „Die auf die konkrete Verletzungsform beschränkten Klageanträge erfassen nicht die jeweils andere Verletzungsform.“2282 Auch in der obergerichtlichen Judikatur wurde in dieser Richtung vertreten,2283 dass bei konkreten Verboten in einer Abwandlung lediglich bei „unmittelbarer Vergleichbarkeit“ Kerngleichheit mit der vormals beurteilten Handlung vorliegen könne, bei einem aus Gründen redaktioneller Werbung verbotenen Artikel beispielsweise allenfalls bei „leichten Modifikationen“ desselben, etwa Kürzungen und Erweiterung des ansonsten unverändert gebliebenen Textes.2284 Zum ganzen auch mit weiteren Nachweisen Rn. 250 f. Diese Linie des BGH kommt einer Kritik entgegen, nach der es sachlich nicht ge- 861 rechtfertigt ist, die für den Umfang der Wiederholungsgefahr geltenden Maßstäbe des rechtlich Charakteristischen auch für die vollstreckungsrechtliche Kernbereichslehre zur Anwendung zu bringen. 2285 Die vollstreckungsrechtliche Kerntheorie sei danach auf „glatte Umgehungshandlungen“ zu beschränken.2286 Ahrens vertritt in diese Richtung gehend die Auffassung, dass dem mutlosen Kläger im Vollstreckungsverfahren nicht ein Schutzumfang des Unterlassungstitels zugebilligt werden könne, den er im Erkenntnisverfahren nicht zu erstreiten gewagt hatte.2287 Mit der Minimierung seiner Prozessrisiken durch die Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform korreliere der engstmögliche Schutzbereich des dadurch erstrittenen Unterlassungstitels, der nur eine völlig identische Wiederholung untersage und jede Variation somit außerhalb des Schutzbereichs liege.2288 Teilweise wurde die Kernbereichslehre weitergehend als verfassungswidrig kri-

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2277 BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 10 ff. – Reichweite des Unterlassungsgebots; hierzu die ablehnende Anmerkungen von Kleinemenke GRUR-Prax 2014, 238. 2278 So aber Kleinemenke GRUR-Prax 2014, 238. 2279 Dazu auch oben Rn. 84 f. mit Fn. 292. 2280 BGH 22.10.2009 – I ZR 58/07, GRUR 2010, 454 Tz. 12 – Klassenlotterie, ähnlich eng: BGH 22.4.2009 – I ZR 14/07, GRUR 2009, 1180 – 0,00 Grundgebühr. 2281 BGH 22.4.2009 – 0,00 Grundgebühr, a.a.O. Tz. 16. 2282 BGH 22.4.2009 – 0,00 Grundgebühr, a.a.O. Tz. 16. 2283 OLG Jena 22.3.2006 – 2 U 1136/05, GRUR-RR 2006, 247 f. – „in der Ausgabe …“. 2284 OLG Jena 22.3.2006 – „in der Ausgabe …“, a.a.O. 2285 Vgl. insbesondere Scharen FS Erdmann (2002) 877, 886 f. (Abstrahierung im Erkenntnisverfahren und Kerntheorie im Vollstreckungsverfahren auf Ausnahmefälle beschränkt). Dazu auch oben Rn. 358. 2286 Lindacher FS Rüßmann (2013) 567 ff. sub III. 2287 Ahrens/Ahrens Kap. 65 Rn. 3 sowie Kap. 36 Rn. 12. 2288 Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 56. Das steht allerdings im Widerspruch zu den Ausführungen, wonach die Herausarbeitung der für den Unrechtsgehalt der konkreten Verletzungsform rechtlichen Charakteristika für den Kernbereichslehre bestimmend seien, Ahrens/Ahrens Kap. 65 Rn. 8. Sobald man auf das abstellt, was für das Gericht im Erkenntnisverfahren rechtlich relevant war, also für den Subsumtionsschluss tragend, ist man in genau der Prüfung, die der Kläger durch einen entsprechenden

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tisiert, weil sie mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar sei und der Schuldner letztlich nicht wisse, was verboten sei.2289 862

(3) Stellungnahme. Die Kritik an den Grundsätzen der Kernbereichslehre ist teilweise berechtigt, vor allem wenn man sie in den Kontext der neueren Rechtsprechung des BGH zum Streitgegenstand bei konkreten Unterlassungsbegehren/Verboten stellt (Biomineralwasser). Allerdings kann sich ein Verhalten, wie es sich in der Vergangenheit zugetragen hat, so nicht wiederholen. Das ist ein Postulat der Logik. Man steigt nicht zwei Mal in denselben Fluss (pantha rei). Jede Wiederholung wird deshalb logisch zwingend Abweichungen aufweisen und es bedarf der Festlegung von Kriterien für die Vergleichbarkeit. Deshalb ist mit der Bezugnahme auf eine in der Vergangenheit vorgenommene Handlung nicht viel gewonnen; sie ist, wie oben ausgeführt, genauso unbestimmt oder bestimmt wie die Wiederholung des Gesetzeswortlauts (vgl. oben Rn. 135). Das hat der X. Zivilsenat mit Blick auf einen Antrag, der auf eine Abbildung der angegriffenen Ausführungsform Bezug nimmt, zu Recht gesagt.2290 Deshalb bedarf es hier eines Maßstabes, der die relevanten Aspekte eingrenzt. Die Kernbereichslehre ist insofern nichts anderes als die Bestimmung der Merkmale dieser Verbotsnorm. Sie ist keine Erweiterung des wörtlichen Verbots, keine Analogie,2291 sondern die genuine Bestimmung seines Inhalts, dessen, was im Erkenntnisverfahren entschieden wurde. Dieser Maßstab ist, wie oben dargestellt, nach der klassischen Kernbereichslehre in den Entscheidungsgründen zu finden, die die rechtlich relevanten Aspekte der die Wiederholungsgefahr begründenden Handlung subsumieren. Bei konkreten Unterlassungsbegehren ist aber nach der neueren Rechtsprechung des BGH der Streitgegenstand nicht mehr aufgrund der für die klägerische Beanstandung materiell-rechtlich maßgeblichen Aspekte zu bestimmen.2292 Wenn die Entscheidung „Biomineralwasser“2293 richtig sein soll, kann mithin die Kernbereichslehre in Gestalt des Rückgriffs auf den Subsumtionsschluss der Gründe für diese Art des Unterlassungstitels nicht aufrechterhalten werden (oben Rn. 331 ff., 356). Der BGH postuliert ausdrücklich, dass der Streitgegenstand, also der prozessuale Anspruch, das klägerische Rechtsschutzbegehren, nicht mit Blick auf die klägerische Beanstandung beurteilt werden könne. Es sind also gerade nicht die vom Kläger für den Rechtswidrigkeitsschluss benannten Aspekte für die Bestimmung des Streitgegenstandes maßgeblich. Dann können sie es auch nicht im Vollstreckungsverfahren sein. Anderenfalls würde gegen eine Handlung vollstreckt, die nicht Streitgegenstand des Verletzungsverfahrens war, was abzulehnen ist (vgl. oben Rn. 328 f.). Wenn es also richtig sein soll, dass – wie etwa in der Entscheidung „Branchenbuch Berg“2294 – einzelne Aussagen in einer einheitlichen Werbung keine gesonderten Streitgegenstände sind, wenn der Kläger die Unterlassung der Handlung (einheitliche Werbung) beantragt, dann kann es nicht richtig sein, wie es nach der traditionellen Kernbereichslehre der Fall wäre, wenn eine neue Handlung, die mit lediglich einer dieser Behauptungen vorgenommen wird, noch als Verstoß gegen den Unterlassungstitel gewertet wird. Diese Handlung war nicht Streitgegenstand des Erkenntnisverfahrens,

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Antrag bereits im Erkenntnisverfahren hätte für die Tenorierung seines Rechtsschutzbegehrens erstreiten können. 2289 Vgl. etwa Kramer S. 32 ff.; w.N. bei Teplitzky Kap. 57 Rn. 13 in Fn. 42. 2290 BGH 25.10.2005 – X ZR 136/03, GRUR 2006, 311 – Baumscheibenabdeckung; hierzu oben Rn. 138. 2291 Zutreffend Teplitzky Kap. 57 Rn. 14. 2292 Siehe hierzu oben unter Rn. 252 ff., bes. Rn. 259, 262 f., sowie Rn. 331. 2293 BGH 13.9.2012 – I ZR 230/11, GRUR 2013, 401 m. Anm. Teplitzky – Biomineralwasser. 2294 BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 Tz. 12 – Branchenbuch Berg.

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wie der BGH klar gesagt hat. Streitgegenstand war lediglich die Werbung mit den mehreren Aussagen. Eine andere Auffassung kann man nur vertreten, wenn man einen variablen oder relativen Streitgegenstandsbegriff vertreten will. Das schiene mir aber nicht vertretbar. Wenn man der Auffassung des BGH aus „Biomineralwasser“2295 für die Bestimmung des Streitgegenstandes folgen will, dann heißt das also zwingend, dass man diesen auch im Vollstreckungsrecht beachten muss. Der Maßstab für die Verbotsnorm ist dann also auch die Abweichung vom Lebenssachverhalt bei natürlicher Betrachtungsweise und nicht die rechtliche Betrachtungsweise, also die Ermittlung dessen, was für den Subsumtionsschluss des Erkenntnisgerichts rechtlich tragend war. Das führt sicherlich im Zweifel zu einem engen Schutzumfang des Urteils, was der BGH in jüngerer Zeit auch zu vertreten scheint.2296 Insofern wären also auf der Linie der bereits oben zitierten Literaturstimmen im Wesentlichen nur offensichtliche Umgehungstatbestände, die am Lebenssachverhalt auf der Basis einer natürlichen Betrachtungsweise nichts ändern, noch vom Schutzbereich des Unterlassungsurteils erfasst. Das geht konform mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, welches die Kernbereichslehre gebilligt hat,2297 da sie der effektiven Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen diene, die wesentlich erschwert wäre, wenn lediglich Verhalten zu unterlassen wäre, das dem Wortlaut des Titels entspricht. Das sei für den Unterlassungsschuldner auch erkennbar. Will der Kläger einen weiteren Schutzbereich erhalten, muss er bereits im Erkennt- 863 nisverfahren antragsgemäß abstrahieren, was etwa dem von Teplitzky mit Nachdruck vertretenen „Appell“ entspricht.2298 Mithin ist auch für die Kernbereichslehre die bereits oben für den Streitgegenstand und die Bestimmtheit adressierte Unterscheidung zwischen konkreten und abstrahierenden Unterlassungsbegehren/Verboten konstitutiv (vgl. oben Rn. 355 ff. und Rn. 75 ff. sowie Rn. 203 ff.). Mit Blick auf die konkreten Verbotsbegehren mit einem abstrakten Einleitungsteil gilt ebenfalls das bereits oben zur Bestimmtheit und zum Streitgegenstand gesagte: Wenn diese den Umfang der Verbotsnorm festlegen, dann ist das Rechtsschutzbegehren insofern abstrahiert und die abstrakten Teile müssen gewissen Bestimmtheitsanforderungen genügen (hierzu Rn. 139 f.) und auch bei der Bestimmung des Streitgegenstands beachtet werden (hierzu Rn. 334 f.). cc) Verschulden (1) Grundsatz des eigenen, strafrechtlichen Verschuldens. Nach herrschender 864 Auffassung erfordert die Ahndung der Zuwiderhandlung nach dem verfassungsgerichtlich verankerten Grundsatz nulla poena sine culpa strafrechtliches Verschulden, nämlich Vorsatz oder Fahrlässigkeit.2299 Die Zuwiderhandlung muss dem Schuldner objek-

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2295 BGH 13.9.2012 – Biomineralwasser, a.a.O. 2296 BGH 3.4.2014 – I ZB 42/11, WRP 2014, 719 Tz. 10 ff. – Reichweite des Unterlassungsgebots; hierzu die ablehnende Anmerkungen von Kleinemenke GRUR-Prax 2014, 238; BGH 22.10.2009 – I ZR 58/07, GRUR 2010, 454 Tz. 12 – Klassenlotterie. Dazu auch oben Rn. 84 f. und Rn. 860. 2297 BVerfG 4.12.2006 – 1 BvR 1200/04, GRUR 2007, 618 – Organisationsverschulden. 2298 Teplitzky Kap. 57 Rn. 16. Dessen „Appell“ richtet sich an die Instanzgerichte, er ist aber in erster Linie an die Kläger zu richten, die entsprechende Anträge stellen müssen. Auch zieht Teplitzky nicht die Folgerung daraus, dass der Kläger eine entsprechende Einbuße mit Blick auf den Schutzumfang des Unterlassungstenors nicht nachkommt, wenn er dem nicht folgt. Hierzu oben Rn. 358. 2299 BVerfG 25.10.1966, BVerfGE 20, 323, 332 = NJW 1967, 195; BVerfG 14.7.1981, BVerfGE 58, 159, 161 ff. = NJW 1981, 2457; BVerfG 23.4.1991, BVerfGE 84, 82, 87 = NJW 1991, 3139; BVerfG 4.12.2006 – 1 BvR 1200/04, GRUR 2007, 618 Tz. 12 – Organisationsverschulden; Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 7; MünchKommZPO/Schilken § 890 Rn. 9; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 22; Köhler/Bornkamm § 12 UWG Rn. 6.5; Teplitzky Kap. 57 Rn. 26; Zöller/Stöber § 890 Rn. 5.

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tiv und subjektiv zurechenbar sein.2300 Dabei kommt es auf das eigene Verschulden des Titelschuldners an. Die Zurechnung fremden Verschuldens nach § 278 ZPO oder § 8 Abs. 2 UWG kommt nicht in Betracht. § 8 Abs. 2 UWG kann also einen materiell zurechenbaren Verstoß und einen entsprechenden Unterlassungsanspruch begründen und mithin einen entsprechenden Titel nach sich ziehen; diese Zurechnung kann aber nicht das Verschulden des Schuldners im Vollstreckungsverfahren ersetzen.2301 Das Verschulden ergibt sich ferner nicht nur aus der repressiven Funktion des Ordnungsmittels, sondern auch aus seiner präventiven Funktion, den Willen des Schuldners zu beugen. Nur bei Vorwerfbarkeit des Verstoßes liegt ein Anlass vor, den Willen des Schuldners zu beugen.2302 Bei juristischen Personen ist in Anwendung des § 31 BGB auf die Organe derselben 865 (also Vorstand oder Geschäftsführung), oder andere verfassungsgemäß zur Vertretung der juristischen Person berufene Personen abzustellen. (2) Organisationsverschulden. Das verfassungsrechtliche Erfordernis des eigenen strafrechtlichen Verschuldens des Titelschuldners bedeutet in der Umsetzung jedoch keine allzu erhebliche Einschränkung der Praxis der Fachgerichte, weil es in verfassungsgemäßer Weise auch in einem Organisationsverschulden des Schuldners liegen kann. Insbesondere ist es auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, eine Organisations- und Einwirkungspflicht auch mit Blick auf Dritte, also nicht abhängig Beschäftigte der juristischen Person, anzunehmen.2303 Es ist nach der neueren Rechtsprechung des Verfassungsgerichts verfassungsrechtlich zu billigen, wenn die Fachgerichte Pflichten des Unterlassungsschuldners weit bemessen, weil das der effektiven Durchsetzung der Ansprüche des Gläubigers dient. Dabei ist es auch kein verfassungsrechtlich durchgreifendes Argument, den Gläubiger darauf zu verweisen, dass er auch die beteiligten Dritten hätte direkt verklagen können.2304 Ein Organisationsverschulden wird dann angenommen, wenn der Schuldner die zur 867 Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung erforderlichen Maßnahmen und Anordnung vorwerfbar nicht getroffen hat. Dazu rechnen auch Maßnahmen, um die Zuwiderhandlung durch Dritte zu verhindern, sowie eine hinreichende Überwachung der Umsetzung der Maßnahmen.2305

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(3) Pflicht zum aktiven Tun 868

(a) Grundsätze. Die Unterlassungsverpflichtung umfasst auch die Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustandes, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann. 2306 Wenn der Schuldner in der Vergangenheit eine Ursache gesetzt hat, die jetzt zu einer drohenden Verwirklichung eines Verletzungsfalls durch das Handeln Dritter führt, dann muss er

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2300 Zöller/Stöber § 890 Rn. 5. 2301 Ganz h.L. BVerfG 25.10.1966, BVerfGE 20, 323, 332 = NJW 1967, 195; OLG Hamm 14.10.1977, WRP 1978, 386; OLG Bremen 5.2.1979, WRP 1979, 205; Köhler/Bornkamm § 12 UWG Rn. 6.6; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 25; Ahrens/Spätgens Kap. 64 Rn. 68. 2302 Ahrens/Spätgens Kap. 64, Rn. 67; Schuschke/Walker/Sturhahn § 890 Rn. 29. 2303 BVerfG 4.12.2006 – 1 BvR 1200/04, GRUR 2007, 618 Tz. 14 f. – Organisationsverschulden. 2304 BVerfG 4.12.2006 – Organisationsverschulden, a.a.O. Tz. 15. 2305 Vgl. dazu die Nachweise bei Teplitzky Kap. 57 Rn. 26 mit Fn. 133–135. 2306 BGH 22.10.1992 – IX ZR 36/92, BGHZ 120, 73, 77 f. = NJW 1993, 1076, 1077 – Straßenverengung.

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XII. Zwangsvollstreckung

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

aktiv tätig werden, um die Verwirklichung „nach Kräften“ zu verhindern.2307 Das ist unstreitig für die Fälle, in denen der Einflussbereich des Schuldners auch nach dem Setzen der Ursache noch betroffen ist. So war es etwa im entschiedenen Fall „Straßenverengung“ erforderlich, dass der Schuldner einen vorher schon gegebenen Auftrag an Drittunternehmer zur Durchführung der verbotenen Bauarbeiten widerruft oder die Durchführung verhindert.2308 Ähnlich ist es in dem Fall, in dem der Schuldner an seine Außendienstmitarbeiter schon das jetzt verbotene Werbematerial ausgegeben hatte, erforderlich, dass der Schuldner konkrete Anweisungen erteilt, die sicherstellen, dass das Material vernichtet oder an die Zentrale zurückgegeben wird. Pauschale Anweisungen, das Material nicht mehr zu nutzen, reichen nicht aus.2309 Wenn Verlage die Anzeigen des Schuldners nicht im gewünschten Sinne drucken, so muss der Schuldner im Zweifel Regressansprüche durchsetzen oder die Geschäftsbeziehung abbrechen, wenn er keinen Weg sieht, eine verbotskonforme Veröffentlichung durch seinen Auftraggeber zu erreichen.2310 (b) Pflicht zum aktiven Tun auch mit Blick auf nicht verbundene Dritte. Die 869 Rechtsprechung und Literatur im Wettbewerbsprozess gehen hier jedoch noch weiter und erstrecken die Handlungspflicht auch auf Fälle, in denen der Schuldner vor dem vollstreckbaren Titel eine Ursache gesetzt hat, der Dritte aber nach dem Zeitpunkt des vollstreckbaren Titels nicht mehr seiner Einflusssphäre unterliegt. So wurde im Fall eines Vertriebsverbots (ergänzender Leistungsschutz) angenommen, dass der Schuldner auch dafür Sorge zu tragen habe, dass die angegriffenen Ausführungsformen, die auf der letzten Handelsstufe noch nicht abgesetzt sind, dem Endverbraucher nicht mehr angeboten werden.2311 Das gelte auch dann, wenn die Abnehmer des Schuldners nicht in dessen Vertriebsorganisation eingebunden und als eigenständige Unternehmen auch nicht weisungsabhängig sind.2312 In einem solchen Fall ist nach obergerichtlicher Rechtsprechung der Hinweis erforderlich, dass der Vertrieb dem Schuldner gerichtlich untersagt ist, weil der Abnehmer das regelmäßig zum Anlass nehmen wird, entsprechend zu reagieren, um eine Inanspruchnahme seiner selbst zu vermeiden.2313 (c) Abweichende Auffassung und Stellungnahme. Dem ist das OLG Düsseldorf 870 (2. Zivilsenat)2314 in einem gleichgelagerten patentrechtlichen Fall zu Recht entgegengetreten. Es hat hier überzeugend darauf abgestellt, dass es einen Unterschied macht, ob der Dritte in die Vertriebsorganisation des Schuldners etwa als Handelsvertreter oder Vertriebsunternehmen oder auch als sonstiger vertraglich gebundener Vertriebspartner2315 eingebunden ist, oder ob es sich lediglich um eine reine Käufer-Verkäufer Beziehung handelt, die mit dem Umsatzgeschäft abgeschlossen ist. Es kann eben nicht ausreichen, dass der Schuldner vor Erlass des Titels eine Ursache für den späteren Erfolg gesetzt hat. Es ist ferner erforderlich, dass der Dritte auch dem Einflussbereich des

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2307 OLG Köln 12.3.2008 – 6 W 21/08, GRUR-RR 2008, 365 f. – Möbelhandel; Teplitzky Kap. 57 Rn. 26; Fezer/Büscher § 12 Rn. 392; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.7. 2308 BGH 22.10.1992 – IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076, 1077 ff. – Straßenverengung. 2309 OLG Hamburg 31.8.1988 – 3 W 84/88, GRUR 1989, 150, 151 – Werbematerial. 2310 KG 20.2.1989 – 25 W 7770/88, GRUR 1989, 707 – Zeitungswerbung. 2311 OLG Köln 12.3.2008 – 6 W 21/08, GRUR-RR 2008, 365 f. – Möbelhandel. 2312 OLG Köln 12.3.2008 – Möbelhandel a.a.O. 365. 2313 OLG Köln 12.3.2008 – Möbelhandel a.a.O. 365 f.; ähnlich OLG Zweibrücken 25.5.1999 – 3 W 114/99, GRUR 2000, 921 – Chronoslim: Rückruf aus verschiedenen Handelsstufen aufgrund des Unterlassungstitels erforderlich; zustimmend Teplitzky Kap. 57 Rn. 26. 2314 OLG Düsseldorf 22.9.2013 – I-2 W 37/11, BeckRS 2013, 21057. 2315 Vgl. hierzu LG Düsseldorf 19.10.2007 – 4a O 113/07, GRUR-RR 2008, 110.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Schuldners dergestalt zuzurechnen ist, dass seine Handlungen dem Schuldner noch zugerechnet werden können. Anderenfalls würde man allein an eine Handlung anknüpfen, nämlich das Inverkehrbringen, die vor dem (vollstreckbaren) Titel lag und als solche nicht gemäß § 890 ZPO sanktioniert werden kann. Ferner ist es augenscheinlich, dass damit ein allgemeiner Rückrufanspruch auf der Basis der Unterlassungsverpflichtung begründet würde. Das kann nicht überzeugen, weil der Gesetzgeber hierfür nur für bestimmte Rechtsgebiete, etwa das Patentrecht, eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage geschaffen hat, vgl. § 140a Abs. 3 PatG. Eine so weit gehende Pflicht zum aktiven Tätigwerden hat auch das Bundesverfas871 sungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2006 nicht gebilligt.2316 Im entschiedenen Fall arbeitete der Schuldner mit mehreren Verlagen zusammen und gab mit diesen die fraglichen Telefonbücher heraus, war sogar mit diesen in einer BGB-Gesellschaft tätig. Der Gläubiger hatte hier einen Verbotstitel erwirkt, der dem Schuldner bestimmte Äußerungen mit Blick auf die geschäftliche Tätigkeit des Gläubigers bezüglich des Geschäfts mit Anzeigenkunden des Schuldners und der mit diesem zusammenarbeitenden Verlage untersagte.2317 Wenn diese Verlage dann die dem Schuldner verbotenen Äußerungen weiter verbreiten und zwar auch nach nochmaligem Hinweis gegenüber dem Schuldner, dann muss der Schuldner hier striktere Maßnahmen ergreifen. Diese sind ihm möglich und das Handeln der Verlage ist ihm auch wegen der geschäftlichen Verbundenheit mit denselben zurechenbar.2318 (4) Verbotsirrtum 872

(a) Grundsätze. Die Berufung auf einen Verbotsirrtum ist grundsätzlich möglich, jedoch sind die Hürden für den Schuldner hoch. Hierbei wird in der Regel die Rechtsprechung zum Rechtsirrtum bei der Frage der den Schadensersatzanspruch begründenden Verantwortlichkeit herangezogen.2319 Danach ist ein Rechtsirrtum nur dann entschuldigt, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte.2320 Auf dieser Basis exkulpiert auch ein abweichender Rechtsrat nicht, wenn der Schuldner bei Anwendung der erforderlichen und gebotenen Sorgfalt die Bedenklichkeit seines Handelns erkennen konnte.2321

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(b) Stellungnahme. Mit Blick auf den anwaltlichen Rat ist die Exkulpation in der Tat zweifelhaft. Sie kann nur in Ausnahmefällen einer klaren anwaltlichen Falschberatung in Betracht kommen. Wenn der Anwalt seiner Sorgfaltspflicht entsprechend, was regelmäßig der Fall sein wird, auf die konkrete Möglichkeit der abweichenden Beurteilung aufmerksam gemacht hat, so kann man das Verschulden nicht wegen der Einholung des Rechtsrates verneinen, auch wenn der Rechtsanwalt die Zuwiderhandlung im Ergebnis als rechtmäßig eingeordnet hat. Hatte der Anwalt hingegen ausnahmsweise die Qualifikation als Zuwiderhandlung von vornherein ausgeschlossen, was nach den Prämissen objektiv unrichtig wäre, so kann das dem Schuldner nicht angelastet werden. Richtigerweise wird man in diesen Fällen darauf abstellen, ob es sich um einen rechtlich

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2316 2317 2318 2319 2320 2321

BVerfG 4.12.2006 – 1 BvR 1200/04, GRUR 2007, 618 – Organisationsverschulden. BVerfG 4.12.2006 – Organisationsverschulden, a.a.O. BVerfG 4.12.2006 – Organisationsverschulden, a.a.O. Tz. 14 f. Teplitzky Kap. 57 Rn. 27. BGH 6.5.1999 – I ZR 199/96, GRUR 1999, 923, 928 – Tele-Info-CD. Teplitzky Kap. 57 Rn. 27 m.w.N. in Fn. 151; Ahrens/Spätgens Kap. 64 Rn. 73.

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XII. Zwangsvollstreckung

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

schwierig gelagerten Fall handelt, in dem man mit guten Gründen eine abweichende Auffassung objektiv vertreten konnte. Das wird gerade im Anwendungsbereich der Kernbereichslehre durchaus vorkommen können. Liegt ein solcher rechtlicher Zweifelsfall vor, in dem auch die Auffassung der fehlenden Zuwiderhandlung sehr gut vertretbar ist, so kann das Verschulden jedenfalls bis zur erstinstanzlichen Entscheidung im Vollstreckungsverfahren ausnahmsweise entfallen. dd) Rechtsnachfolger des Titelschuldners. Die Zwangsvollstreckungsmaßnah- 874 men gegen den Rechtsnachfolger des Titelschuldners erfordern eine Vollstreckungsklausel, die den Rechtsnachfolger als neuen Titelschuldner ausdrücklich benennt (§ 727 Abs. 1 ZPO und § 929 Abs. 1 ZPO). Ist die Rechtsnachfolge nach Zuwiderhandlung eingetreten, so kommt eine Festsetzung gegen den Rechtsnachfolger jedoch auch bei Vorliegen der umschreibenden Klausel nicht in Betracht. Dafür ist es unerheblich, ob eine gesellschaftsrechtliche (hierzu (2)) oder erbrechtliche Universalsukzession eingetreten ist (hierzu (1)). (1) § 779 ZPO. § 779 ZPO bestimmt zwar, dass die zur Zeit des Todes des Schuld- 875 ners begonnene Zwangsvollstreckung in seinen Nachlass fortgesetzt wird. Das gilt jedoch nach herrschender Lehre nicht für die Festsetzung eines Ordnungsmittels nach Eintritt des Erbfalls.2322 Die Vollstreckung kann den Willen des Schuldners nicht mehr beugen und die repressive Ahndung strafrechtlichen Charakters ist gegen seinen Rechtsnachfolger nicht möglich. Es handelt sich um eine persönliche Verantwortlichkeit des verstorbenen Schuldners. Das steht in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH zum Erkenntnisverfahren, wonach die auf Grund des persönlichen Verhaltens des Unterlassungsschuldners begründete Wiederholungsgefahr als ein in seiner Person begründeter tatsächlicher Umstand nicht auf den Rechtsnachfolger übergeht.2323 In Analogie zu strafrechtlichen Grundsätzen ist das Verfahren zu beenden. Hinsichtlich eines noch nicht rechtskräftigen Titels gilt der Tod als persönlicher („Straf“-)Aufhebungsgrund.2324 Verfahrensmäßig gilt, dass die ansonsten nur für das Erkenntnisverfahren geltenden Unterbrechungs- und Aussetzungstatbestände der §§ 239, 246 ZPO ausnahmsweise analoge Anwendung finden.2325 Der Erbe des Schuldners ist am Verfahren zu beteiligen und der Antragsteller muss das Verfahren für erledigt erklären. Dem kann sich der Rechtsnachfolger anschließen, so dass gemäß § 91a ZPO noch über die Kosten zu entscheiden ist. Schließt sich der Rechtsnachfolger nicht an, so kommt es zum Feststellungsstreit.2326 (2) Gesellschaftsrechtliche Rechtsnachfolge. Nichts anderes gilt, wenn es um ei- 876 nen gesellschaftsrechtlichen Rechtsnachfolgetatbestand, insbesondere nach dem Umwandlungsgesetz, geht. Eine Zuwiderhandlung, die von dem im Wege einer Verschmelzung erloschenen Rechtsträger begangen wurde, kann nicht durch Festsetzung gegen

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2322 OLG Hamm 30.3.1985 – 4 W 104/84, WRP 1985, 573 – Tod des Schuldners eines Unterlassungstitels; Zöller/Stöber § 779 Rn. 2; Musielak/Lackmann § 779 Rn. 1; Stein/Jonas/Münzberg § 779 Rn. 5; Schuschke/ Walker/Raebel § 779 Rn. 1. 2323 BGH 16.3.2006 – I ZR 92/03, GRUR 2006, 879, 880 Tz. 17 – Flüssiggastank; h.L.: Teplitzky Kap. 15 Rn. 12; Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 153; Fezer/Büscher § 8 Rn. 118. 2324 OLG Hamm 30.3.1985 – 4 W 104/84, WRP 1985, 573, 574 – Tod des Schuldners eines Unterlassungstitels. 2325 OLG Hamm 30.3.1985 – Tod des Schuldners eines Unterlassungstitels, a.a.O. 2326 OLG Hamm 30.3.1985 – Tod des Schuldners eines Unterlassungstitels, a.a.O.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

den Rechtsnachfolger (die aufnehmende Gesellschaft) geahndet werden.2327 Es gelten dieselben Erwägungen, die für den Tod des Schuldners angeführt werden.2328 Ferner ist diese Auffassung konsistent mit der vom BGH zum Erkenntnisverfahren vertretenen Linie, wonach die Zuwiderhandlung der erloschenen Gesellschaft keine Wiederholungsgefahr für deren Rechtsnachfolger begründet, weil es sich dabei um einen tatsächlichen, in der Person des Zuwiderhandelnden begründeten Umstand handelt, der für die Verhältnisse (den Willenszustand) der anderen Person des Rechtsnachfolgers nichts präjudiziert.2329 877

ee) Darlegungs- und Beweislast. Die Darlegungs- und Beweislast liegt sowohl für die Zuwiderhandlung also auch für das Verschulden grundsätzlich beim Gläubiger.2330 Glaubhaftmachung genügt nicht. Vollbeweis ist auch dann erforderlich, wenn es sich um einen Verfügungstitel handelt. Für das Verschulden wird allerdings im Ergebnis, mit unterschiedlichen Begründungen,2331 das Gegenteil vertreten. Letztlich muss der Schuldner dartun, warum er trotz des objektiven Verstoßes mangels Verschulden nicht haftet. Das überzeugt, weil der Gläubiger schlicht keine Möglichkeit hat, Negativtatsachen mit Blick auf das Verschulden, also die Absenz exkulpierender Umstände, vorzutragen oder zu beweisen. ff) Einwendungen

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(1) Materielle Einwendungen. Materiell-rechtliche Einwendungen des Schuldners, die den materiellen Anspruch betreffen, sind im Verfahren gemäß § 890 ZPO nicht zulässig. Sie sind im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen. Das gilt auch für die Verjährung des Unterlassungsanspruchs, sollte sie überhaupt in Betracht kommen.

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(2) Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung, § 9 EGStGB. Etwas anderes gilt für die Verfolgungsverjährung gemäß § 9 Abs. 1 EGStGB. Sie beträgt 2 Jahre und beginnt, sobald die maßgebliche Handlung beendet ist. Sie kommt nach der Rechtsprechung des BGH dann nicht mehr in Betracht, wenn ein Ordnungsmittel festgesetzt ist, auch dann, wenn diese Festsetzung nicht rechtskräftig ist, weil der Beschluss mit der Beschwerde angegriffen ist.2332 Die Ordnungsmittelfestsetzung schließt die Verfolgungsverjährung gemäß § 9 Abs. 1 EGStG mithin grundsätzlich aus. In Betracht kommt ferner die Vollstreckungsverjährung des § 9 Abs. 2 EGStGB. 880 Danach ist die Vollstreckung eines festgesetzten Ordnungsmittels ausgeschlossen, wenn seit der Festsetzung 2 Jahre vergangen sind. Dieser Einwand hat signifikant an Bedeutung verloren, seit der BGH entschieden hat, dass der sofortigen Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss aufschiebende Wirkung zukommt, so dass der Ausnahmetatbestand des § 9 Abs. 2 S. 4 Nr. 1 EGStGB gegeben ist, weil die Vollstreckung aufgrund der aufschiebenden Wirkung nicht fortgesetzt werden kann.2333

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2327 OLG Köln 14.10.2008 – W 104/08, GRUR-RR 2009 192, 193 – Bestrafungsverfahren gegen Rechtsnachfolger. 2328 OLG Köln 14.10.2008 – Bestrafungsverfahren gegen Rechtsnachfolger, a.a.O. 2329 BGH 26.4.2007 – I ZR 34/05, GRUR 2007, 995 Tz. 11 – Schuldnachfolge. 2330 Nachweise bei Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.8 und Teplitzky Kap. 57 Rn. 28 in Fn. 154. 2331 Vgl. die Darstellungen bei Ahrens/Spätgens Kap. 64 Rn. 77; Teplitzky Kap. 57 Rn. 28 m.w.N. 2332 BGH 5.11.2004 – IXa ZB 18/04, GRUR 2005, 269 – Verfolgungsverjährung. 2333 BGH 17.8.2011 – I ZB 20/11, GRUR 2012, 427 f. – Aufschiebende Wirkung.

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XII. Zwangsvollstreckung

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

d) Art und Höhe des Ordnungsmittels aa) Allgemeine Grundsätze. Aufgrund des strafähnlichen Sanktionscharakters des 881 Ordnungsmittels nach § 890 ZPO ist es nach der Rechtsprechung des BGH erforderlich, die Bemessung primär mit Blick auf das Verhalten des Schuldners vorzunehmen.2334 Entscheidend ist dabei der Unwertgehalt des Titelverstoßes, wofür aber neben dem Verschuldensgrad auch die Folgen für den Gläubiger in Betracht zu ziehen sind. Ferner dürfe sich der Titelverstoß für den Schuldner wirtschaftlich nicht lohnen, so dass weitere Zuwiderhandlungen auch schon deshalb unterbleiben (präventive Funktion).2335 Insofern ist also auch der Vorteil des Schuldners aus dem Titelverstoß mit in Betracht zu ziehen.2336 Für den Unwertgehalt entscheidend sind ferner Art, Umfang und Dauer des Verstoßes.2337 bb) Keine schematische Ausrichtung am Streitwert der Hauptsache. Nach die- 882 sen Grundsätzen ist insbesondere eine schematische Bemessung des Ordnungsgeldes unter Ausrichtung am Streitwert des Erkenntnisverfahrens nicht zulässig, weil der Streitwert des Ausgangsverfahrens sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an den dort geltend gemachten Ansprüche richtet und damit nichts über die Schwere der konkreten Zuwiderhandlung, den Grad des Verschuldens und den mit dem Verstoß für den Schuldner verbundenen wirtschaftlichen Vorteil indiziert.2338 cc) Eine Zuwiderhandlung und die Bewertung mehrerer Zuwiderhandlungen (1) Natürliche Handlungseinheit. Zunächst ist zu ermitteln, wann überhaupt eine 883 selbständige Zuwiderhandlung vorliegt. Dabei wird regelmäßig bereits eine wertende Betrachtungsweise erforderlich sein, die in der Judikatur und im Schrifttum unter dem strafrechtlich geprägten Begriff der „natürlichen Handlungseinheit“ behandelt wird. Zu einer natürlichen Handlungseinheit können danach für die Zwecke des § 890 ZPO mehrere Verhaltensweisen zusammengefasst werden, die auf Grund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen.2339 Das ist etwa bei der Verteilung einer Vielzahl verbotswidriger Werbeprospekte der Fall.2340 (2) Lehre vom Fortsetzungszusammenhang. Die Zusammenfassung mehrerer 884 Zuwiderhandlungen nach der vormals im Strafrecht geltenden, inzwischen vom BGH für das Strafrecht aufgegebenen2341 Lehre vom Fortsetzungszusammenhang hat der BGH für

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2334 BGH 30.9.1993, GRUR 1994, 146, 147 f. – Vertragsstrafebemessung. 2335 BGH 30.9.1993 – Vertragsstrafebemessung, a.a.O.; OLG Köln 27.5.1987, WRP 1987, 569; Vorauflage/ Jestaedt Vor § 13 E Rn. 63 m.w.N. in Fn. 108; Köhler WRP 1993, 666, 673 ff. 2336 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 265 – Euro-Einführungsrabatt. 2337 BGH 23.10.2003 – Euro-Einführungsrabatt, a.a.O.; h.L., vgl. etwa Teplitzky Kap. 57 Rn. 34 m.w.N. 2338 BGH 30.9.1993, GRUR 1994, 146, 147 f. – Vertragsstrafebemessung; Vorlauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 63; Köhler WRP 1993, 666, 675 unter III 3. 2339 BGH 18.12.2008 – I ZB 32/06, GRUR 2009, 427, 428 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel; vgl. BGH 20.9.1960, BGHZ 33,163, 167 f. = GRUR 1961, 307 – Krankenwagen II; BGH 25.1.2001 – I ZR 323/ 98, BGHZ 146, 318, 326 = GRUR 2001, 758 – Trainingsvertrag; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.149 und Rn. 6.4. 2340 OLG Nürnberg 19.8.1998 – 3 W 106-98, NJW-RR 1999, 723, 725 vor e). 2341 BGH 3.5.1994, BGHSt 40, 138 = NJW 1994, 1663; BGH 20.6.1994, BGH 20.6.1994, BGHSt 40,195, 197 = NJW 1994, 2368; BGH 19.12.1995, BGHSt 41, 385, 393 ff. = NJW 1996, 1973; BGH 17.7.1997, BGHSt 43, 149, 152 = NJW 1997, 3322; BGH 19.11.1997, BGHSt 43, 312, 315 = NJW 1998, 1652.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

§ 890 ZPO inzwischen zu Recht abgelehnt.2342 Es ist kaum zu rechtfertigen, dass der Täter, der von vornherein vorsätzlich die Begehung mehrerer Taten ins Auge gefasst hat, privilegiert wird.2343 Gleichwohl könnten bestimmte Wertungskriterien, die gegen eine Zusammenrechnung von Sanktionen wegen Einzelverstößen, also für deren Zusammenfassung sprechen, auch weiterhin bei der Bemessung der Höhe des Ordnungsmittels berücksichtigt werden.2344 Die Höhe des Ordnungsmittels ist stets durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beschränkt.2345 Mehrere Teilakte innerhalb einer juristischen Person, insbesondere eines Mitarbeiters, können auf nur ein Organisationsverschulden zurückzuführen sein.2346 Mit der Kenntnis von diesen Verstößen durch Einreichung eines Ordnungsmittelantrages wird dieser Zusammenhang aber unterbrochen.2347 Bei der Festsetzung sollen unbekannt gebliebene Zuwiderhandlungen auch weiterhin als miterledigt gelten.2348 Letzteres kann meines Erachtens nur überzeugen, wenn ein enger Zusammenhang mit den beurteilten Zuwiderhandlungen vorliegt. Für andere Fälle schützt den Schuldner die Verfolgungsverjährung nach § 9 Abs. 1 EGStG. Er hatte keinen Anlass, davon auszugehen, dass auch nicht gleichartige Verstöße mit abgegolten sein sollten. 885

dd) Tatrichterliches Ermessen und Überprüfung in der Rechtsbeschwerde. Die Wahl und die Bemessung des Ordnungsmittels liegen im Ermessen des Tatrichters, dessen Ausübung sich von den vorstehenden Gesichtspunkten leiten lassen muss. Die tatrichterliche Entscheidung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob alle wesentlichen Umstände rechtsfehlerfrei gewürdigt worden sind und ob von dem Ermessen gemäß dem Gesetzeszweck unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Gebrauch gemacht worden ist.2349 Sofern keine Feststellung mit Blick auf die maßgeblichen Umstände getroffen worden sind, ist die Entscheidung aufzuheben und zur erneuten Verhandlung an die Tatsacheninstanz (Beschwerdegericht) zurückzuverweisen.2350 e) Verfahren aa) Erste Instanz

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(1) Zuständigkeit. Zuständig ist das Prozessgericht des ersten Rechtszuges, § 890 Abs. 1 ZPO, also das Gericht, welches den Titel im Erkenntnisverfahren erlassen hat; wurde der Titel in der Rechtsmittelinstanz erlassen, ist auch hier das Gericht erster Instanz zuständig. Nichts anderes gilt für Prozessvergleiche. Zuständig ist das Prozessgericht des ersten Rechtszuges, in dem Verfahren, das durch den Vergleich beendet wurde, gleich ob das in erster Instanz oder in der Rechtsmittelinstanz geschehen ist.

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2342 BGH 18.12.2008 – I ZB 32/06, GRUR 2009, 427, 428 Tz. 14 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel. So auch die h.L. Teplitzky Kap. 57 Rn. 35; Fezer/Büscher § 12 Rn. 313; Harte/Henning/ Brüning Vorb. § 12 Rn. 322 f.; MünchKommUWG/Ehricke Vorb. § 12 Rn. 156; Melullis Rn. 906, 946; Stein/ Jonas/Brehm § 890 Rn. 41; einschränkend Ahrens/Ahrens Kap. 66 Rn. 4: Anwendung bei § 890 möglich. 2343 So bereits zur Vertragsstrafe BGH 25.1.2001 – I ZR 323/98, NJW 2001, 2622, 2623 ff. – Trainingsvertrag. 2344 BGH 18.12.2008 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel, a.a.O. 428 Rn. 14. 2345 OLG Nürnberg 19.8.1998, NJW-RR 1999, 723, 725; Ahrens/Ahrens Kap. 66 Rn. 4. 2346 BGH 18.12.2008 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel, a.a.O. 428 Rn. 14. 2347 BGH 18.12.2008 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel, a.a.O. 428 Rn. 14. 2348 Ahrens/Ahrens Kap. 66 Rn. 5; OLG Stuttgart GRUR 1986, 335. 2349 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 265 – Euro-Einführungsrabatt. 2350 BGH 30.9.1993, GRUR 1994, 146, 147 f. – Vertragsstrafebemessung.

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XII. Zwangsvollstreckung

A. Besonderheiten des Klageverfahrens

Das Prozessgericht ist hier nicht als „Vollstreckungsgericht“ im Sinne des 887 § 764 ZPO tätig, sondern als Vollstreckungsorgan. Die Beschlüsse nach § 890 ZPO unterliegen damit immer der sofortigen Beschwerde, auch wenn der Schuldner gesetzeswidrig nicht gehört wurde.2351 (2) Anwaltszwang. Für das Verfahren nach § 890 ZPO herrscht, bei Verfahren vor 888 den Landgerichten, auch dann Anwaltszwang, wenn das im Erkenntnisverfahren (bei einer einstweiligen Beschlussverfügung) nicht der Fall war. Das ergibt sich daraus, dass die Erklärung zur Protokoll der Geschäftsstelle für § 890 ZPO, anders als für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, nicht vorgesehen ist, § 78 Abs. 5 ZPO.2352 (3) Anhörung und mündliche Verhandlung. Die vorherige Anhörung des Schuld- 889 ners ist erforderlich, eine mündliche Verhandlung hingegen nicht, § 128 Abs. 4 ZPO. In der Praxis finden mündliche Verhandlung in diesen Fällen auch nur selten statt. bb) Rechtsmittel (1) Beschwerde (a) Zuständigkeit. Da die Entscheidung gemäß § 890 ZPO ohne mündliche Ver- 890 handlung ergehen kann, ist gemäß § 793 ZPO die sofortige Beschwerde das Rechtsmittel gegen den Beschluss gemäß § 890 ZPO. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 569 Abs. 1 ZPO binnen einer Notfrist von zwei Wochen beim iudex a quo, das Gericht dessen Entscheidung angefochten wird, oder beim iudex ad quem, dem Beschwerdegericht, einzulegen. Da das Untergericht der Beschwerde abhelfen kann (§ 572 ZPO) empfiehlt sich aus praktischen Gründen die Einlegung der Beschwerde beim iudex a quo. (b) Aufschiebende Wirkung. Nach dem klaren Wortlaut des § 570 Abs. 1 ZPO in der 891 Neufassung durch das ZPO-Reformgesetz des Jahres 2002 hat die sofortige Beschwerde nunmehr aufschiebende Wirkung.2353 Das ist teilweise abweichend gesehen worden, weil sich aus der amtlichen Begründung ergebe, dass der Gesetzgeber insofern eine Erweiterung der Ausnahmeregelungen – grundsätzlich hat die sofortige Beschwerde keine aufschiebende Wirkung – nicht gewollt habe.2354 Das hat der BGH überzeugend abweichend beurteilt. Die Gesetzesbegründung ist hier nämlich keineswegs eindeutig; den eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 570 Abs. 1 ZPO kann man deshalb nicht als bloßes „Redaktionsversehen“ unbeachtet lassen.2355 Im Lichte der eindeutigen Klärung durch den BGH hat sich diese Streitfrage aber letztlich erübrigt.

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2351 Stein/Jonas/Brehm § 891 Rn. 5. 2352 H.L. Stein/Jonas/Brehm § 891 Rn. 1.; Ahrens/Ahrens Kap. 67 Rn. 30, der allerdings Brehm unrichtigerweise für die Gegenauffassung zitiert; a.A. OLG Köln 4.5.1987, NJW-RR 1988, 254. 2353 BGH 17.8.2011 − I ZB 20/11, NJW 2011, 3791, 3792. 2354 Vgl. OLG Köln 7.1.2003 – 25 WF 209/02, NJW-RR 2003, 716716; MünchKommZPO/Lipp § 570 Rn. 3; Stein/Jonas/Brehm § 888 Rn. 48 u. § 890 Rn. 70; Zöller/Stöber § 888 Rn. 15; Prütting/Gehrlein/Olzen ZPO, 3. Aufl., § 888 Rn. 33 u. § 890 Rn. 29; Thomas/Putzo/Reichold § 570 Rn. 1; Thomas/Putzo/Seiler § 888 Rn. 18 u. § 890 Rn. 40; Schuschke/Walker § 888 Rn. 51; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZwangsvollstreckungsR, § 38 Rn. 21. 2355 Teplitzky Kap. 57 Rn. 36 hält diese Auffassung auch weiterhin für vorzugswürdig, zitiert aber die jüngere BGH Rechtsprechung aus 2011 nicht; auch Ahrens/Ahrens Kap. 67 Rn. 12 mit Fn. 14 lässt die Frage der aufschiebenden Wirkung offen, ohne den BGH zu zitieren. Ausdrücklich gegen die neue BGH-Linie Zöller/Stöber § 888 Rn. 15.

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(2) Rechtsbeschwerde. In den §§ 574 bis 577 ist durch das ZPO-Reformgesetz des Jahres 2002 erstmals die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde eingeführt worden. Die Rechtsbeschwerde gilt auch für Ordnungsmittelbeschlüsse gemäß § 890 ZPO, die wegen Zuwiderhandlung gegen einen Titel des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgen.2356 Zwar verweist § 574 Abs. 1 S. 2 auf die entsprechende Anwendung des § 542 Abs. 2 ZPO, wonach die Revision gegen Urteile im einstweiligen Rechtsschutz nicht stattfindet. Diese entsprechende Anwendung gilt aber nach h.L. nur für Entscheidungen im einstweiligen Verfügungsverfahren selbst, also Beschlüsse des Oberlandesgerichts, nicht aber für Folgesachen.2357 Da die Rechtsbeschwerde durch Gesetz gegen Beschlüsse nach § 890 ZPO nicht aus893 drücklich vorgesehen ist, muss sie gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO durch das Beschwerdegericht in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich zugelassen werden. Sie ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zuzulassen, wenn die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist (Nr. 1) oder es die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern (Nr. 2). An diese Entscheidung ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden. Insbesondere gibt es keine Nichtzulassungsbeschwerde.2358 Das Rechtsbeschwerdegericht ist ausschließlich der BGH. Grosch/Feddersen

2. Vollstreckung anderer Ansprüche aus dem UWG In der Praxis des Wettbewerbsrechts ist der – obgleich von § 8 Abs. 1 S. 1 an erster Stelle genannte – Beseitigungsanspruch gegenüber dem Unterlassungsanspruch von nachrangiger Bedeutung.2359 Gegenstand des Beseitigungsanspruchs sind Maßnahmen zur Ausräumung des durch die wettbewerbswidrige Handlung eingetretenen Störungszustands,2360 also etwa die Richtigstellung einer irreführenden Werbung durch berichtigende Veröffentlichungen oder Versendung von Aufklärungsschreiben2361 oder – als Sonderform des Beseitigungsanspruchs2362 bei wettbewerbswidrigen Tatsachenbehauptungen – der Widerruf.2363 Soweit der Störungszustand durch Registereintragung (z.B. einer Firma oder Marke) ausgelöst worden ist, richtet sich der Beseitigungsanspruch auf Löschung bzw. Einwilligung in die Löschung der Registereintragung.2364 895 Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche sind hingegen auch im Wettbewerbsprozess an der Tagesordnung. Häufig flankieren sie einen Schadensersatzfest-

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2356 So schon – ohne Begründung – BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02, GRUR 2004, 264, 265 – EuroEinführungsrabatt; jetzt z.B. Harte/Henning/Brüning Vor § 12 Rn. 326; Teplitzky Kap. 57 Rn. 37a; Ahrens/ Spätgens Kap. 67 Rn. 15–20. 2357 BGH 18.12.2008 – I ZB 32/06, GRUR 2009, 427, 428 Tz. 10 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel m.w.N.; Musielak/Ball § 542 Rn. 5; Zöller/Heßler § 542 Rn. 9; Ahrens/Spätgens Kap. 67 Rn. 17 in Fn. 20. 2358 Allg. Meinung; vgl. Ahrens/Spätgens Kap. 67 Rn. 18; Zöller/Heßler §574 Rn. 16. 2359 Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 94; Teplitzky Kap. 58 Rn. 1. 2360 S. § 8 Rn. 69 ff. sowie – speziell auch schon zu Fragen der Vollstreckung solcher Maßnahmen – § 12 Rn. 459–477. 2361 KG 27.3.2013 – 5 U 112/11 – VersorgW 2013, 275; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.93. 2362 S. § 8 Rn. 78. 2363 Einen weiteren Sonderfall stellt der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung bei wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsklage nach § 12 Abs. 3 dar, der zwar funktional ein Beseitigungsanspruch, formal aber prozessuale Nebenentscheidung des Unterlassungsausspruchs ist, durch die der Gläubiger zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten des Schuldners befugt wird; s. im Einzelnen § 12 E Rn. 3 u. 37. 2364 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.94.

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stellungsantrag, können aber auch der Vorbereitung eines Beseitigungsanspruchs dienen.2365 a) Rechtsgrundlagen der Vollstreckung. Die Vollstreckung eines auf Vornahme 896 einer Handlung gerichteten Titels richtet sich nach dem Charakter der Handlung. Ist die Handlung vertretbar, so erfolgt ihre Vollstreckung nach § 887 ZPO; die nicht vertretbare Handlung wird nach § 888 ZPO vollstreckt.2366 Der Anspruch auf Einwilligung in die Löschung einer Registereintragung unterfällt – weil auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet – der Spezialvorschrift des § 894 ZPO, der die Abgabe der Erklärung mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung fingiert.2367 Soweit es um die Vollstreckung von Handlungspflichten geht, die aus einem Unter- 897 lassungstitel resultieren, weil ihre Nichtvornahme die titulierte Unterlassungspflicht verletzt2368 (klassische Beispiele sind die Beseitigung von Firmenschildern oder Werbeplakaten;2369 heutzutage z.B. auch die Beseitigung von Internet-Suchmaschinen-Einträgen, die auf Handlungen des Schuldners zurückgehen2370), so kommt neben der Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO auch die Handlungsvollstreckung nach den §§ 887, 888 ZPO in Betracht.2371 Angesichts der klaren gesetzgeberischen Entscheidung für die Trennung zwischen Unterlassungs- und Handlungsvollstreckung sollte es – und so sieht es auch die ganz überwiegende Rechtsprechung2372 – im Falle des Unterlassungstitels jedoch bei der ausschließlichen Anwendung des § 890 ZPO verbleiben.2373 Ob der Titel ein Unterlassungs- oder Handlungsgebot enthält, ist ggf. im Wege der Auslegung zu ermitteln.2374 Feddersen

b) Verfahren. Für den Vollstreckungsantrag ausschließlich zuständiges Gericht ist 898 gemäß § 887 Abs. 1, § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 802 ZPO das Prozessgericht des ersten Rechtszugs, das dem Schuldner vor dem Beschluss rechtliches Gehör zu gewähren hat (§ 891 Satz 1 ZPO). Das Gericht prüft die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen, nicht aber die materielle Richtigkeit des Titels.2375 Die Kostenentscheidung

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2365 BGH 18.2.1972 – I ZR 82/70 – GRUR 1972, 558, 560 – Teerspritzmaschinen; 9.11.1995 – I ZR 220/95 – GRUR 1996, 78, 79 – Umgehungsprogramm; Harte/Henning/Seitz § 8 Rn. 150; Teplitzky Kap. 38 Rn. 6. 2366 BGH 30.1.2014 – I ZR 19/13 – WM 2014, 1322 – Gebundener Versicherungsvermittler; OLG Hamburg 18.9.1997 – 3 U 39/97 – OLGR 1998, 13; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.72; Teplitzky Kap. 58 Rn. 6. 2367 Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 94; Teplitzky Kap. 58 Rn. 6. 2368 S. Rn. 869 ff. 2369 OLG Düsseldorf 25.6.1969 – 2 W 40/69 – GRUR 1970, 376; OLG Hamburg 28.9.1972 – 3 W 90/72 – MDR 1973, 415. 2370 Vgl. BGH 13.11.2013 – I ZR 77/12 – GRUR 2014, 595 Rn. 29 – Vertragsstrafenklausel (betreffend eine entsprechende vertragliche Unterlassungsverpflichtung). 2371 Für ein Wahlrecht des Gläubigers Lindacher GRUR 1985, 423, 426 ff.; für die Anwendung der §§ 887, 888 ZPO auch schon Henckel AcP 74 (1974), 97, 102 und Brehm ZZP 89 (1976), 178, 189 ff. 2372 BGH 25.1.2007 – I ZB 58/06 – NJW-RR 2007, 863; BAG 28.2.2006 – 1 AZR 460/04 – BAGE 117, 137; BayObLG 6.5.1999 – 2Z BR 47/99 – NZM 1999, 769; OLG Hamburg 20.12.1966 – 3 W 101/66 – GRUR 1967, 618; 28.9.1972 – 3 W 90/72 – WRP 1973, 276; OLG Koblenz 8.7.1964 – 2 W 183/64 – MDR 1965, 51; OLG Köln 7.3.1994 – 2 W 32/94 – OLGZ 1994, 599; OLG München 22.9.1992 – 6 W 2048/92 – GRUR 1993, 510; OLG Stuttgart 30.11.1979 – 2 W 51/79 – WRP 1980, 104; a.A. OLG Hamm 7.9.1973 – 14 W 67/73 – OLGZ 1974, 63; OLG München 22.2.1972 – 6 W 611/72 – GRUR 1972, 502; OLG Zweibrücken 21.11.2003 – 3 W 104/03 – OLGR 2004, 100. 2373 Harte/Henning/Seitz § 8 Rn. 150; Schuschke/Walker/Sturhahn § 890 Rn. 2; Teplitzky WRP 1984, 365, 366 ff.; ders. Kap. 58 Rn. 4. 2374 Vgl. OLG Saarbrücken 6.4.2000 – 5 W 22/00 – NJW-RR 2001, 163; Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 2; Schuschke/Walker/Sturhahn § 890 Rn. 2; Teplitzky Kap. 58 Rn. 4a. 2375 Schuschke/Walker § 887 Rn. 14.

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richtet sich nach den allgemeinen Regeln (§ 891 Satz 3 ZPO i.V.m. §§ 91 bis 93, 95 bis 100, 106, 107 ZPO). Gegen den Beschluss eines Amts- oder Landgerichts ist gemäß § 793 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 ZPO die sofortige Beschwerde gegeben, die – sofern das erstinstanzliche Prozessgericht ein Landgericht war – dem Anwaltszwang unterliegt.2376 Die Beschwerde hat im Falle der Festsetzung von Zwangsmitteln aufschiebende Wirkung.2377 899

c) Bestimmtheitsgebot. Das schon im Erkenntnisverfahren gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu prüfende Erfordernis der Bestimmtheit des Klageantrags wirkt in das Vollstreckungsverfahren hinüber, denn nur ein hinsichtlich der Parteien sowie des Inhalts und Umfangs der geschuldeten Leistung bestimmter Titel ist vollstreckungsfähig.2378 Eine möglichst konkrete Bezeichnung der Beseitigungshandlung ist danach geboten.2379 Der materiellrechtliche Inhalt des Beseitigungsanspruchs ist allerdings häufig2380 nicht auf eine spezifische Maßnahme gerichtet, sondern kennzeichnet lediglich den – ggf. auf verschiedene Arten und Weisen zu erreichenden – Beseitigungserfolg, wobei dem Schuldner zur Vermeidung einer unverhältnismäßigen Belastung die Auswahl unter mehreren Handlungsmöglichkeiten zusteht.2381 Im Falle solchermaßen bestehender Handlungsalternativen ist das Bestimmtheitsgebot gewahrt, wenn dem Schuldner alternativ die Vornahme einer der bezeichneten Handlungen in der Weise auferlegt wird, dass er verurteilt wird, nach seiner Wahl eine der spezifisch bezeichneten Handlungen vorzunehmen.2382 Um eine unzulässige alternative Klagenhäufung handelt es sich hierbei nicht, denn der Antrag konkretisiert lediglich das dem Schuldner obliegende abstrakte Handlungsgebot, das nun einmal auf verschiedene Weisen vollzogen werden kann, und hält sich deshalb innerhalb desselben Streitgegenstands.2383

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d) Einwände des Schuldners. Dass der Schuldner den Erfüllungseinwand im Vollstreckungsverfahren nach den §§ 887, 888 ZPO nicht (mehr) geltend machen kann, wenn der Beschluss über die Anordnung der Zwangsvollstreckung rechtskräftig geworden ist, steht außer Frage.2384 Unterschiedlich wird hingegen beurteilt, ob dies vor Rechtskraft des Beschlusses möglich ist. Stellt man – wie Teile der älteren Rechtsprechung und Literatur2385 – darauf ab, dass der Erfüllungseinwand materiellrechtlicher Natur ist, so ist es konsequent, den Schuldner auf die Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO zu verweisen. Teilweise wird der Einwand im Vollstreckungsverfahren unter Hinweis auf die Vorschrift des § 775 Nr. 4 u. 5 ZPO für zulässig gehalten, wenn die Erfüllung in tat-

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2376 Zöller/Stöber § 887 Rn. 13. 2377 BGH 17.8.2011 – I ZB 20/11 – NJW 2011, 3791 Rn. 8 ff. – Aufschiebende Wirkung I; 16.5.2012 – I ZB 52/11 – Aufschiebende Wirkung II. 2378 BGH 6.11.1985 – IVb ZR 73/84 – NJW 1986, 1440; Zöller/Stöber § 704 Rn. 2. 2379 Harte/Henning/Brüning Vorb zu § 12 Rn. 345; Teplitzky Kap. 24 Rn. 8 u. Kap. 58 Rn. 5. 2380 So etwa in BGH 21.9.1960 – V ZR 89/59 – NJW 1960, 2335, 2335 und 22.10.1976 – V ZR 36/75 – BGHZ 67, 252, 253, nicht aber in BGH 28.1.1977 – I ZR 109/75 – GRUR 1977, 614, 616 – Gebäudefassade m. Anm. Fezer. 2381 S. § 8 Rn. 73. 2382 BGH 12.3.1954 – I ZR 201/52 – GRUR 1954, 337 – Radschutz; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.85; Ohly/ Sosnitza § 8 Rn. 81; Teplitzky Kap. 24 Rn. 8. 2383 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.86; Teplitzky Kap. 24 Rn. 8 Fn. 22 a.E. 2384 OLG Karlsruhe 19.7.2005 – 20 WF 65/05 – MDR 2006, 472; Stein/Jonas/Münzberg § 887 Rn. 27; Zöller/Stöber § 888 Rn. 11; Teplitzky Kap. 58 Rn. 13. 2385 OLG Bamberg 1.10.1982 – 5 W 39/82 – RPfleger 1983,79; OLG Düsseldorf 2.11.1981 – 20 W 35/81 – BauR 1982, 196; OLG Hamm 21.3.1984 – 26 W 4/84 – OLGZ 1984, 254; OLG Koblenz 2.10.1990 – 5 W 619/90 – MDR 1991, 547; Baur/Stürner Rn. 40.9; Schuschke/Walker § 887 Rn. 15.

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sächlicher Hinsicht unstreitig oder „liquide beweisbar“ ist.2386 Demgegenüber hält der Bundesgerichtshof die Erhebung des Erfüllungseinwands im Vollstreckungsverfahren vor Rechtskraft des Beschlusses gemäß §§ 887, 888 ZPO für zulässig, weil nach dem Wortlaut des § 887 ZPO, an welchen auch die Vorschrift des § 888 ZPO anknüpfe, die Nichterfüllung tatbestandliche Voraussetzung der Zwangsvollstreckung sei und die Zulassung des Einwands auch prozessökonomisch sinnvoll sein könne.2387 Angesichts der vorstehenden Kontroverse ist dem Schuldner jedoch auch für eine parallel zum Vollstreckungsverfahren erhobene Klage nach § 767 ZPO ein Rechtsschutzbedürfnis zuzubilligen.2388 Der Einwand, die Vornahme der Handlung sei objektiv unmöglich, ist im Vollstre- 901 ckungsverfahren ebenfalls zuzulassen. Denn Unmögliches kann vom Schuldner, der insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist,2389 schlechterdings nicht verlangt und deshalb auch im Wege der Zwangsvollstreckung nicht durchgesetzt werden.2390 Tatbestandliche Anhaltspunkte dafür, dass die Möglichkeit der Handlung Vollstreckungsvoraussetzung ist, geben sowohl § 887 Abs. 1 ZPO („deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann“) als auch § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO („wenn sie [die Handlung] ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt“).2391 Subjektive Unmöglichkeit (Unvermögen) entlastet den Schuldner nur, wenn der Schuldner darlegen und beweisen kann, dass es ihm – und sei es auch aufgrund eigenen Verschuldens2392 – nicht möglich ist, die Handlung von einem Dritten vornehmen zu lassen; finanzielle Leistungsunfähigkeit schützt den Schuldner vor Vollstreckung aber nicht.2393 Fehlende Zumutbarkeit der Handlungsvornahme ist hingegen kein valider Einwand im Vollstreckungsverfahren.2394 Dies gilt auch für weitere Einwände, mit denen der Schuldner etwa geltend macht, der Gläubiger sei infolge Abtretung oder Pfändung nicht mehr Forderungsinhaber oder sie sei wegen Verzichts oder Aufrechnung erloschen.2395 e) Vollstreckung vertretbarer Handlungen (§ 887 ZPO). Die Pflicht zur Vornahme 902 einer vertretbaren Handlung wird gemäß § 887 ZPO durch Ersatzvornahme in der Weise vollstreckt, dass das Gericht den Gläubiger dazu ermächtigt, die Handlung selbst oder durch Beauftragte – ggf. nach Erwirkung eines Kostenvorschusstitels nach § 887 Abs. 2 ZPO – durchzuführen.2396 Vertretbar ist eine Handlung, wenn sie durch einen Dritten vor-

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2386 KG 18.9.2002 – 24 W 199/02 – NJW-RR 2003, 214; OLG Köln 28.10.1992 – 19 W 39/92 – MDR 1993, 579; OLG München 26.3.2002 – 7 W 691/02 – NJW-RR 2002, 1034; Schuschke/Walker § 887 Rn. 15. 2387 BGH 5.11.2004 – IXa ZB 32/04 – BGHZ 161, 67 m. krit. Bespr. Kannowski/Distler NJW 2005, 865; BGH 26.4.2007 – I ZB 82/06 – NJW-RR 2007, 1475; Harte/Henning/Brüning Vorb zu § 12 Rn. 350; Zöller/Stöber § 887 Rn. 7; Teplitzky Kap. 58 Rn. 13; Schuschke/Walker § 887 Rn. 16. 2388 BGH 6.10.2005 – I ZR 322/02 – GRUR 2006, 419 unter II.7 – Noblesse; Teplitzky Kap. 58 Rn. 13 Fn. 32. 2389 Stein/Jonas/Brehm § 887 Rn. 23. 2390 Stein/Jonas/Brehm § 887 Rn. 23; Harte/Henning/Brüning Vorb zu § 12 Rn. 351; Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 100 (zu § 888 ZPO); a.A. Schuschke/Walker § 887 Rn. 17. 2391 Vgl. OLG Hamm 18.2.1988 – 14 W 147/87 – NJW-RR 1988, 1087; OLG Zweibrücken 17.3.1998 – 3 W 53/98 – NJW 1998, 1767; LG Dessau-Roßlau 3.5.2012 – 5 T 36/12 – JurBüro 2012, 441; Stein/Jonas/Brehm § 888 Rn. 10. Der BGH 7.4.2005 – I ZB 2/05 – NJW-RR 2006, 202 hat allerdings einem Schuldner, der als ehemaliger Mieter zur Beseitigung von Wohnungsmängeln verurteilt war, im Vollstreckungsverfahren den Einwand verwehrt, dass die Mängelbeseitigung aufgrund der maroden Bausubstanz des Gebäudes nicht zum Erfolg führen könne, also unmöglich sei. 2392 BGH 18.12.2008 – I ZB 68/08 – GRUR 2009, 794 Rn. 20 – Auskunft über Tintenpatronen (zu § 888 ZPO). 2393 Stein/Jonas/Brehm § 887 Rn. 23. 2394 BGH 7.4.2005 – I ZB 2/05 – NJW-RR 2006, 202; Schuschke/Walker § 887 Rn. 17. 2395 Stein/Jonas/Brehm § 887 Rn. 27; Schuschke/Walker § 887 Rn. 17. 2396 Schuschke/Walker § 887 Rn. 25, 27.

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genommen werden kann, ohne dass das Erfüllungsinteresse des Gläubigers berührt wird, weil sich aus seiner Sicht am wirtschaftlichen Leistungserfolg und -charakter nichts ändert.2397 Dies sind typischerweise Handlungen mechanischer oder technischer Art, wie sie Gegenstand von Dienst- oder Arbeitsverträgen sein können.2398 Die Herausgabe oder Leistung von Sachen ist nach § 887 Abs. 3 ZPO keine vertretbare Handlung im Sinne der Vorschrift. 903 Eine Handlung, die die Zustimmung eines Dritten erfordert (etwa weil für die Durchführung der Handlung die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks erforderlich ist2399 oder ein Werbeschild von dem einem Dritten gehörenden Gebäude entfernt werden muss2400), ist nur dann eine vertretbare Handlung im Sinne des § 887 ZPO, wenn der Dritte der Handlung zugestimmt hat oder zu ihrer Duldung verurteilt ist; das Bestehen einer (nicht titulierten) Zustimmungsverpflichtung des Dritten gegenüber dem Schuldner reicht nicht aus.2401 Fehlt die Zustimmung, richtet sich die Vollstreckung nach § 888 ZPO, denn die ggf. notwendige gerichtliche Geltendmachung durch den Schuldner ist eine nicht vertretbare Handlung.2402 Zur Vermeidung dieser Komplikationen wird empfohlen, der Gläubiger möge – soweit ein eigener Anspruch des Gläubigers etwa unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme besteht – sogleich auch den Dritten gerichtlich in Anspruch nehmen.2403 Ein Verschulden des Schuldners an der Nichterfüllung ist für die Anordnung der 904 Ersatzvornahme, die allein die Durchsetzung der Beseitigungsmaßnahme bezweckt, nicht aber Sanktionscharakter hat, nicht erforderlich.2404 905

f) Vollstreckung nicht vertretbarer Handlungen (§ 888 ZPO). Eine nicht vertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO liegt vor, wenn ein Dritter die Handlung nicht vornehmen darf oder die Vornahme durch ihn mit dem (auch wirtschaftlich betrachteten) Inhalt der Verpflichtung unvereinbar ist.2405 Ein wichtiger Fall der nicht vertretbaren Handlung ist im wettbewerbsrechtlichen Kontext die Vornahme einer nur vom Willen des Schuldners abhängenden Auskunft und Rechnungslegung.2406 Ist für die Handlung die Mitwirkung eines Dritten erforderlich, so muss der Schuldner alle ihm zustehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten bis zur – tendenziell hoch anzusetzenden – Zumutbarkeitsgrenze ausschöpfen, um den Dritten zur Mitwirkung zu bewegen.2407 Im Falle der Auskunftserteilung muss sich etwa die auskunftsverpflichtete Konzerngesell-

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2397 OLG Bamberg 2.2.1983 – 2 WF 14/83 – MDR 1983, 499; OLG Düsseldorf 9.2.1998 – 9 W 7/98 – NJWRR 1998, 1768; Stein/Jonas/Brehm § 887 Rn. 6; Zöller/Stöber § 887 Rn. 2; Schuschke/Walker § 887 Rn. 2. 2398 Stein/Jonas/Brehm § 887 Rn. 10. 2399 OLG Frankfurt 15.4.1982 – 20 W 125/82 – MDR 1983, 141. 2400 OLG Koblenz 14.1.1982 – 6 W 549/81 – WRP 1982, 427. 2401 BGH 27.11.2008 – I ZB 46/08 – NJW-RR 2009, 443 Rn. 8; Stein/Jonas/Brehm § 887 Rn. 10; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.21; Teplitzky Kap. 58 Rn. 15. 2402 Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 96; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.21; Teplitzky Kap. 58 Rn. 15. 2403 Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 98; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 6.22; Teplitzky Kap. 58 Rn. 15, der zutreffend darauf hinweist, dass die früher in diesem Zusammenhang gleichfalls genannte Inanspruchnahme des Dritten als (Mit-)Störer aufgrund der Aufgabe der Störerhaftung im Wettbewerbsrecht durch den Bundesgerichtshof (s. BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Rn. 48 – Kinderhochstühle im Internet I; 12.7.2012 – I ZR 54/11 – GRUR 2013, 301 Rn. 49 – Solarinitiative; 18.6.2014 – I ZR 242/12 – Geschäftsführerhaftung) an Bedeutung verloren hat. 2404 Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 98; Teplitzky Kap. 58 Rn. 14. 2405 Stein/Jonas/Brehm § 888 Rn. 4. 2406 BGH 18.12.2008 – I ZB 68/08 – GRUR 2009, 794 Rn. 20 – Auskunft über Tintenpatronen; Stein/Jonas/Brehm § 887 Rn. 14, § 888 Rn. 5; Teplitzky Kap. 58 Rn. 8. 2407 BGH 18.12.2008 – I ZB 68/08 – GRUR 2009, 794 Rn. 21 – Auskunft über Tintenpatronen; Stein/Jonas/Brehm § 888 Rn. 13; Teplitzky Kap. 58 Rn. 15.

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schaft darum bemühen, die bei ihr fehlenden, bei einer anderen Konzerngesellschaft aber vorhandenen Kenntnisse zu erlangen und hierzu notfalls auch den Rechtsweg beschreiten.2408 Nicht vertretbar ist auch der Widerruf2409 wettbewerbswidriger Tatsachenbehaup- 906 tungen.2410 Nach a.A. soll diese Konstellation der Vorschrift des § 894 ZPO unterfallen, die Abgabe des Widerrufs also bei Rechtskraft der Entscheidung fingiert werden, weil der persönliche Zwang zum expliziten Widerruf das Persönlichkeitsrecht des Schuldners unverhältnismäßig beeinträchtige.2411 Dem ist entgegenzuhalten, dass das berechtigte Interesse des Gläubigers an einer Beseitigung der durch eine unwahre Tatsachenbehauptung eingetretenen Störung durch eine rechtliche Fiktion nur ungenügend befriedigt wird; dem Persönlichkeitsrecht des Schuldners kann durch inhaltliche Gestaltung des Widerrufs Rechnung getragen und so eine nicht angebrachte Demütigung vermieden werden.2412 Die Vollstreckung nicht vertretbarer Handlungen erfolgt durch das Beugemittel 907 des Zwangsgelds. Mangels Sanktionscharakters bedarf es auch hier keines Verschuldens.2413 B. Abmahnung und Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung Feddersen Schrifttum Schrifttum § 12 Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Ahrens Zum Ersatz der Verteidigeraufwendungen bei unberechtigter Abmahnung, NJW 1982, 2477; ders. Die Mehrfachverfolgung desselben Wettbewerbsverstoßes, WRP 1983, 1; ders. Unterlassungsschuldnerschaft beim Wechsel des Unterlassungsinhabers, GRUR 1996, 518; ders. Rechtspolitisch vorbildliche Instrumente der Anspruchsdurchsetzung im Wettbewerbsprozeß, FS Lindacher (2007) 1; Aigner Beseitigung der Wiederholungsgefahr bei Abbedingung des § 348 HGB in der strafbewehrten Unterlassungserklärung, GRUR 2007, 950; Allmendinger Probleme bei der Umsetzung namens- und markenrechtlicher Unterlassungsverpflichtungen im Internet, GRUR 2000, 966; Amschewitz Kostentragung bei Sequestrationsverfügungen ohne vorherige Abmahnung, WRP 2012, 401; Bär-Bouyssière Anspruchsverjährung bei Verstoß gegen wettbewerbliche Unterwerfungserklärung, NJW 1996, 1657; Bacher Die Beeinträchtigungsgefahr als Voraussetzung für Unterlassungsklagen im Wettbewerbsrecht und in anderen Gebieten des Zivilrechts (1996); Bärenfänger Der Kostenersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag – eine Abrechnung, GRUR 2012, 461; Bandt Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs in vertragsstrafebewehrten Unterlassungsverpflichtungen, WRP 1982, 5; Bauer/Diller Kündigung durch Einwurf-Einschreiben – Ein Kunstfehler! NJW 1998, 2795; Berberich Beweislastverteilung bei § 93 ZPO im Hinblick auf den Zugang einer Abmahnung, NJ 2007, 317; Berlit Zur Frage der Einräumung einer Aufbrauchfrist im Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Urheberrecht, WRP 1998, 250; Berneke Der enge Streitgegenstand von Unterlas-

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2408 BGH 18.12.2008 – I ZB 68/08 – GRUR 2009, 794 Rn. 21 – Auskunft über Tintenpatronen; Stein/Jonas/Brehm § 888 Rn. 13; Teplitzky Kap. 58 Rn. 15; s. auch OLG Hamburg 22.7.2003 – 14 W 56/03 – ZMR 2003, 863; OLG Karlsruhe 27.11.1998 – 18 WF 82/98 – FamRZ 1999, 1436. 2409 Zu den materiellrechtlichen Voraussetzungen des Widerrufs s. § 8 Rn. 80 ff. 2410 OLG Frankfurt 23.10.1997 – 16 W 43/97 – MDR 1998, 986; OLG Köln 18.9.1991 – 11 W 52/91 – MDR 1992, 184; OLG Zweibrücken 6.4.1990 – 3 W 50/90 – NJW 1991, 304; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.109; Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 105; Teplitzky Kap. 26 Rn. 16. Der BGH 3.5.1977 – VI ZR 36/74 – BGHZ 68, 331, 336 – Abgeordnetenbestechung – hat diese Frage offengelassen. 2411 OLG Frankfurt 25.9.1981 – 13 W 43/81 – NJW 1982, 113; OLG Hamm 12.3.1991 – 9 U 202/90 – NJW-RR 1992, 634; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 183; Stein/Jonas/Brehm § 888 Rn. 5 f. möchte ohne Rückgriff auf § 894 ZPO die Veröffentlichung des rechtskräftigen Urteils ausreichen lassen. 2412 BVerfG 28.1.1970 – 1 BvR 719/68 – BVerfGE 28, 1 unter B.3; BGH 14.6.1977 – VI ZR 111/75 – BGHZ 69, 181 unter II.1 – Heimstättengemeinschaft; OLG Frankfurt 15.3.1993 – 6 W 11/93 – GRUR 1993, 697; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 1.109; Teplitzky Kap. 26 Rn. 10. 2413 Vorauflage/Jestaedt Vor § 13 E Rn. 102; Teplitzky Kap. 58 Rn. 14.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

sungsklagen des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts in der Praxis, WRP 2007, 579; Bernreuther Zur Auslegung und Inhaltskontrolle von Vertragsstrafevereinbarungen, GRUR 2003, 114; ders. Zusammentreffen von Unterlassungserklärung und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, GRUR 2001, 400; ders. Der negative Feststellungsantrag im einstweiligen Verfügungsverfahren, WRP 2010, 1191; ders. Titelgläubiger, Vertragsgläubiger und erneuter Unterlassungsschuldner, WRP 2012, 796; Blaurock Die Schutzrechtsverwarnung (1970); Böse Höhe und Verwirkung von Vertragsstrafen in Unterwerfungserklärungen, MDR 2014, 809; Borck Obliegt es dem Opfer, den Täter zu warnen? WRP 1974, 241; ders. Wieso erledigt die Unterwerfungserklärung den Unterlassungsanspruch? WRP 1974, 372; ders. Erledigung der Hauptsache durch Unterwerfung zu Gunsten Dritter? WRP 1978, 7; ders. Gegenzüge oder: Wie man zweckmäßig auf Unterlassungsansprüche reaiert, WRP 1980, 375; ders. Ansichten und Argumente zur Erstattungsfähigkeit der Abmahnkosten, WRP 1981, 438; ders. Wiederholungsgefahr – Dringlichkeit – Abmahnung, NJW 1981, 2721; ders. Über Schwierigkeiten im Gefolge von Mehrfachabmahnungen, WRP 1985, 311; ders. Die einseitige Erledigungserklärung im Unterlassungsrechtsstreit WRP 1987, 5; ders. Über unrichtig gewordene Unterlassungstitel und deren Behandlung, WRP 2000, 9; ders. Andere Ansichten in Kostenfragen, WRP 2001, 20; Bornkamm Unterlassungstitel und Wiederholungsgefahr, FS Tilmann (2003) 769; Borowski Die erfolgreiche Abmahnung bei Wettbewerbsverstößen, ZAP 2011, 383; Brandi-Dohrn Die Abnehmerverwarnung in Rechtsprechung und Praxis, GRUR 1981, 679; Braunert Der Fortsetzungszusammenhang im Recht des unlauteren Wettbewerbs nach dem Beschluss des Großen Strafsenats, KTS 1994, 441; Brehm Zum Verhältnis von Vertragsstrafe und gerichtlichem Ordnungsmittel – Zur revisionsgerichtlichen Überprüfung des Verhältnisses von Vertragsstrafe und Vollstreckungszwang gemäß ZPO § 890, ZZP 111 (1998), 215; Buchmann Neuere Entwicklungen im Recht der lauterkeitsrechtlichen Abmahnung bei Wettbewerbsverstößen, WRP 2012, 1345; Bürglen Streitwertgrenze zur Landgerichtsinstanz als Bemessungskriterium für ein angemessenes Vertragsstrafeversprechen? FS Erdmann (2002) 785; Büscher Klagehäufung im Gewerblichen Rechtsschutz – alternativ, kumulativ, eventuell? GRUR 2012, 16; Burchert Der Zugang der Abmahnung, WRP 1985, 478; Burgard Das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen im Zeitalter moderner Telekommunikation, AcP 195 (1995), 74; Busch Zurückweisung einer Abmahnung bei Nichtvorlage der Originalvollmacht nach § 174 S. 1 BGB? GRUR 2006, 477; Chudziak Die Erstattung der Rechtsanwaltskosten des unbegründet Abmahnenden, GRUR 2012, 133; Cichon Abmahnung ohne ordnungsgemäße Vollmacht – analog § 174 BGB zurückweisbar? GRUR-Prax 2010, 121; Conrad Abgabe einer Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechts- und Zahlungspflicht und Aufwendungsersatz, WRP 2001, 187; ders. Der Zugang der Abmahnung, WRP 1998 124; Crezelius Konstitutives und deklaratorisches Schuldanerkenntnis, DB 1977, 1541; Danckwerts TÜV-Entscheidungen des BGH – und wie die Anwälte darauf reagieren müssen, AnwBl 2012, 411; Deichfuss Die Antwortpflicht des Abgemahnten und § 146 PatG, FS Bornkamm (2014) 1025; Deutsch Gedanken zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung, WRP 1999, 25; ders. Der BGH-Beschluss zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung und seine Folgen für die Praxis, GRUR 2006, 374; Dittmar Die Berücksichtigung vorprozessual entstandener Anwaltskosten im Kostenfestsetzungsverfahren, NJW 1986, 2088; Doepner Wiederholungsgefahr – Ausräumung mit Drittwirkung? FS Mes (2009) 71; Döring Die aufschiebend befristet abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung nach einem Wettbewerbsverstoß, WRP 2007, 728; Dornis/Förster Die Unterwerfung: Rechtsnatur und Rechtsnachfolge, GRUR 2006, 195; Dörner Rechtsgeschäfte im Internet, AcP 202 (2002) 363; Ehlers Die Aufbrauchsfrist und ihre Rechtsgrundlage, GRUR 1967, 77; Eichelberger Die Drittunterwerfung im Wettbewerbsrecht, WRP 2009, 270; Eichmann Die Rechtsnatur der Abmahnung und der Verwarnung, FS Helm (2002) 287; Einsiedler Geschäftsführung ohne Auftrag bildet keine Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten wettbewerbsrechtlicher Abmahnschreiben und Abschlussschreiben, WRP 2003, 354; Enders Gerichtliche Geltendmachung nicht anzurechnender Anwaltsgebühren – Erhöhung des Gegenstandswertes? JurBüro 2004, 57; Engler Unterlassungs- und Vertragsstrafeansprüche von Wettbewerbsverbänden nach der Neuregelung ihres Klagerechts durch das Gesetz zur Änderung des UWG, NJW 1995, 2185; Ernst Abmahnungen aufgrund von Normen außerhalb des UWG, WRP 2004, 1133; Ernst/Wittmann Die Abmahnung per E-Mail – Ein echtes Problem, MarkenR 2010, 273; Eser Probleme der Kostentragung bei der vorprozessualen Abmahnung und beim Abschlussschreiben in Wettbewerbsstreitigkeiten, GRUR 1986, 35; Faber Die Verjährung des Anspruchs auf Erstattung der Verwarnungskosten in Wettbewerbssachen, WRP 1986, 371; von Falck Anmerkung zu BGH 26.6.1970 – I ZR 14/69– GRUR 1970, 558 – Sanatorium, GRUR 1970, 561; von Falckenstein Verbraucherverbandsklage, Schädigungen der Konsumenten und UWG-Novelle, WRP 1978, 502; Faust Zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes aus § 823 BGB, JZ 2006, 365; Fenn Schadenshaftung aus unberechtigter Klage oder Rechtfertigungsgrund der Inanspruch-

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nahme eines gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens? ZHR 132 (1969) 344; Fischer Vertragsstrafe und vertragliche Schadensersatzpauschalierung (1981); ders. Rechtsnatur und Funktionen der Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht unter besonderer Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, FS Piper (1996) 205; Flechsig/Hertel/Vahrenhold Die Veröffentlichung von Unterlassungsurteilen und Unterlassungserklärungen, NJW 1994, 2441; Foerste Umschreibung des Unterlassungstitels bei Betriebserwerb – negatorische Haftung und Betriebsinhaberhaftung nach § 13 Abs. 4 UWG, GRUR 1998, 450; Friehe Haftet der Schuldner einer vertragsstrafebewehrten Unterlassungsverpflichtung für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen? WRP 1977, 158; Fritzsche Die Kündigung wettbewerblicher Unterlassungsverträge wegen Wegfalls der Sachbefugnis des Gläubigers, WiB 1997, 802; ders. Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage (2000); Gaede/Meister Geschäftsführung ohne Auftrag – Kostenerstattung ohne Grenzen? WRP 1984, 246; Gerstenberg Zur (Gegen-)Abmahnung als Retourkutsche, WRP 2011, 1116; Godendorff Schadensersatz wegen unberechtigter Verwarnung im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht (2006/2007); Goldbeck Zur Ermittlung des sachlich zuständigen Gerichts bei der Vertragsstrafenklage wettbewerbsrechtlichen Ursprungs, WRP 2006, 37; ders. Der „umgekehrte“ Wettbewerbsprozess – Eine Untersuchung zur unberechtigten Abmahnung im Lauterkeitsrecht (2008); Goldmann BGH beendet ein Ärgernis – Keine Zurückweisung einer Abmahnung ohne Vollmachtsnachweis analog § 174 BGB, GRURPrax 2010, 524; Gottschalk Wie kann eine Unterlassungsvereinbarung erlöschen? GRUR 2004, 827; ders. UWG-Reform: Die Auswirkungen auf Vertragsstrafeversprechen und gerichtliche Unterlassungstitel, WRP 2004, 1321; Gottwald Zum Recht der Vertragsstrafe – Ein kritischer Blick über den Zaun, FS Söllner (2000), 379; Günther Zur Höhe der Geschäftsgebühr bei Abmahnungen im Wettbewerbsrecht, gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, WRP 2009, 118; Günther/Beyerlein Abmahnen nach dem RVG – ein Gebühren-Eldorado? WRP 2004, 1222; Günther/Pfaff Gegen die unbedingte Erstattung von Patentanwaltskosten in Geschmacksmuster- und Markensachen, WRP 2010, 708; von Gravenreuth Mehrfachabmahnung auch bei Sonderschutzrechten? WRP 1986, 191; Gregor Der OK-Vermerk des Telefaxprotokolls als Zugangsnachweis? NJW 2005, 2885; Gruber Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch nach einem „Zweitverstoß“, WRP 1991, 279; ders. Drittwirkung (vor)gerichtlicher Unterwerfungen? GRUR 1991, 354; ders. Die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr als Beweiserleichterung, WRP 1991, 368; ders. Grundsatz des Wegfalls der Wiederholungsgefahr durch Unterwerfung, WRP 1992, 71; Grüber Die missbräuchliche Abmahnung und Verfahrenseinleitung im Wettbewerbsrecht (1991); Haag Nachträglicher Wegfall der Wirkungen einer Abschlusserklärung, WRP 2009, 795; Haarmann Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Dauerrechtsverhältnissen (1979); Haedicke Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch unberechtigte Verwarnungen aus Immaterialgüterrechten, Jura 2006, 528; Hahn Die Haftung des Unternehmensinhabers nach § 8 Abs. 2 UWG (2007); Hansens Die außergerichtliche Vertretung in Zivilsachen – Teil 1, RVGreport 2004, 57; Hantke Zur Beurteilung der Mehrfachverfolgung eines Wettbewerbsverstoßes als rechtsmissbräuchlich (§ 13 Abs. 5 UWG), FS Erdmann (2002) 831; Hartung Das neue Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – Ein Überblick über praxisrelevante Neuerungen des Vergütungsrechts, NJW 2004, 1409; Hartwig Die auflösend bedingte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, FS Pagenberg (2006) 301; Hau Materiellrechtliche Verpflichtung als Titelersatz, FS Lindacher (2007) 39; Heckelmann Zum wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsvertrag bei Wegfall der Geschäftsgrundlage und dem Verbot geltungserhaltender Reduktion nach dem AGBG, WRP 1995, 166; Heckelmann/Wettich Zur Frage der Angemessenheit von Vertragsstrafen oder: Nachdenken ist angesagt, WRP 2003, 184; Heidenreich Zum Kostenerstattungsanspruch für eine wettbewerbsrechtliche Gegenabmahnung, WRP 2004, 660; Heinz/ Stillner Abmahnung ohne schriftliche Vollmacht, WRP 1993, 379; dies. Übernahme einer an einen Dritten zu zahlenden Vertragsstrafe als ausreichendes Strafgedinge bei Wettbewerbsverstößen? WRP 1976, 657; dies. Noch einmal zur Problematik eines Vertragsstrafeversprechens zugunsten eines Dritten, WRP 1977, 248; Helle Die Begrenzung des zivilrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit und der Ehre gegenüber Äußerungen in rechtlich geordneten Verfahren, GRUR 1982, 207; Hess, C. Die Vertragsstrafe (1993); Hess, G. Unterwerfung als Anerkenntnis? WRP 2003, 353; ders. Vertragsstrafe bei der Verteilung von Werbematerial, WRP 2004, 296; ders. Vertragsstrafenklage und wettbewerbsrechtliche Gerichtszuständigkeit, FS Ullmann (2006) 927; ders. Aufwendungsersatz ohne Aufwendung? – Zum Anspruch auf Zahlung statt Freistellung bei der Abmahnkostenerstattung, jurisPR-WettbR 10/2011 Anm. 3; ders. Abmahnkostenerstattung nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG: Zahlung oder Freistellung? FS Bornkamm (2014) 375; Hesse Ist § 14 UWG auf die Abnehmerverwarnung aus Patenten und Gebrauchsmustern anwendbar? GRUR 1979, 438; Hiersemann Die wettbewerbsrechtliche Abmahnung und ihre Kosten, NJW 1971, 777; Hirsch/Traub Rechtsanwaltsvergütung nach Inkrafttreten des RVG, WRP 2004, 1226; Hoene Negative Feststellungsklage – Rechtsmissbrauch

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

oder Verfahrenstaktik? WRP 2008, 44; Hölscher Die inhaltlichen Anforderungen an die Unterwerfungserklärung, WRP 1995, 385; Horn Die unberechtigte Verwarnung aus gewerblichen Schutzrechten (1971); Horschitz Atypische Vertragsstrafen, NJW 1973, 1958; Isele Vertragliche Unterlassungsansprüche bei Rechtsnachfolge auf Seiten des Unterlassungsschuldners, WRP 2011, 292; Jackowski Der Missbrauchseinwand nach § 8 Abs. 4 UWG gegenüber einer Abmahnung, WRP 2010, 38; Janal Die Errichtung und der Zugang einer Erklärung in Textform gem. § 126b BGB, MDR 2006, 368; Jennewein Zur Erstattung von Abmahnkosten bei Verbänden, WRP 2000, 129; Kaiser Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht (1999); Keil Drum prüfe, wer sich ewig bindet: Unterlassungspflichten nach altem HWG vs. Neues HWG – Handlungsoptionen, PharmR 2013, 66; Keller Negative Feststellungsklage, gegenläufige Leistungsklage und Verzicht auf deren Rücknahme, WRP 2000, 908; Kiethe Der wettbewerbsrechtliche Handlungsbegriff beim Vertragsstrafeversprechen, WRP 1986, 644; Kircher Der Sequestrationsantrag im einstweiligen Rechtsschutz: Ausweg aus der Obliegenheit zur Abmahnung? FS Schilling (2007) 293; Kisseler Gebührenvereine im Zwielicht, WRP 1982, 123; ders. Der Mißbrauch der Klagebefugnis gemäß § 13 Abs. 5 UWG, WRP 1989, 623; ders. Die Aufbrauchsfrist im vorprozessualen Abmahnverfahren, WRP 1991, 691; Klaka Anmerkung zu BGH 15.10.1969 – I ZR 3/68 – Fotowettbewerb, GRUR 1970, 190; ders. Ehrverletzende Äußerungen in Zivilprozessen, GRUR 1973, 515; ders. Anmerkung zu BGH 21.4.1983 – I ZR 201/80 – GRUR 1983, 602 – Vertragsstraferückzahlung, GRUR 1983, 604; Klein Keine Vertragsstrafe für die Schwebezeit, GRUR 2007, 664; ders. Hauptsacheverfahren oder Eilverfahren – worauf bezieht sich die Abmahnung? GRUR 2012, 882; Knütel Verfallsbereinigung, nachträglicher Verfall und Unmöglichkeit bei der Vertragsstrafe, AcP 175 (1975) 44; Koblitz Alte Versprechen, neue Probleme – Vom hoffentlich vorletzten Wort des BGH zur „Altunterwerfung“, WRP 1997, 382; Koch BGH: Wettbewerbsrechtliche Abmahnung ohne Vollmachtsnachweis wirksam, GRUR-Prax 2010, 517; Köhler Zum „Wiederaufleben der Wiederholungsgefahr“ beim wettbewerblichen Unterlassungsanspruch, GRUR 1989, 804; ders. Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsvertrag: Rechtsnatur und Grenzen der Wirksamkeit, FS v. Gamm (1990) 57; ders. Vertragliche Unterlassungspflichten, AcP 190 (1990) 496; ders. Die wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüche (Unterlassung, Beseitigung, Widerruf), NJW 1992, 137; ders. Grenzen der Mehrfachklage und Mehrfachvollstreckung im Wettbewerbsrecht, WRP 1992, 359; ders. Der Schadensersatz-, Bereicherungs- und Auskunftsanspruch im Wettbewerbsrecht, NJW 1992, 1477; ders. „Natürliche Handlungseinheit“ und „Fortsetzungszusammenhang“ bei Verstößen gegen Unterlassungstitel und strafbewehrte Unterlassungserklärungen, WRP 1993, 666; ders. Vereinbarung und Verwirkung der Vertragsstrafe, FS Gernhuber (1993) 207; ders. Die wettbewerbsrechtliche Abmahnung, WiB 1994, 16; ders. Das strafbewehrte Unterlassungsversprechen im Wettbewerbsrecht, WiB 1994, 97; ders. Vertragsstrafe und Schadensersatz, GRUR 1994, 260; ders. Die Begrenzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, GRUR 1996, 82; ders. Zur Verjährung des vertraglichen Unterlassungsund Schadensersatzanspruchs, GRUR 1996, 231; ders. „Abmahnverhältnis“ und „Unterwerfungsverhältnis“, FS Piper (1996) 309; ders. Die Auswirkungen der Unternehmensveräußerung auf gesetzliche und vertragliche Unterlassungsansprüche, WRP 2000, 921; ders. Zur Erstattungsfähigkeit von Abmahnkosten, FS Erdmann (2002) 845; ders. Rechtsnatur und Rechtsfolgen der missbräuchlichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen (§ 8 Abs. 4 UWG), FS Schricker (2005) 725; ders. Zur Geltendmachung und Verjährung von Unterlassungsansprüchen, JZ 2005, 489; ders. Die notarielle Unterwerfungserklärung – eine Alternative zur strafbewehrten Unterlassungserklärung? GRUR 2010, 6; ders. Neubeurteilung der wettbewerblichen Haftung des Rechtsnachfolgers eines Unternehmers? WRP 2010, 475; ders. Wegfall der Erstbegehungsgefahr durch „entgegengesetztes Verhalten“? GRUR 2011, 879; Körner Natürliche Handlungseinheit und fortgesetzte Handlung bei der Unterlassungsvollstreckung und bei Vertragsstrafeversprechen, WRP 1982, 75; Kohlhaas Übernahme einer an einen Dritten zu zahlenden Vertragsstrafe als ausreichendes Strafgedinge bei Wettbewerbsverstößen, WRP 1977, 91; Kroitzsch Die Unterlassungsverpflichtungserklärung und das Vertragsstrafeversprechen aus kartellrechtlicher Sicht, WRP 1984, 117; Kues Mehrfachabmahnung und Aufklärungspflicht, WRP 1985, 196; Kugelberg Das Verhältnis des gesetzlichen zum vertraglichen Unterlassungsanspruch im Wettbewerbsrecht (1989); Kunath Kostenerstattung bei ungerechtfertigter Verwarnung – neuer Lösungsansatz, WRP 2000, 1074; ders. Zur Nachfragepflicht des Abmahnenden – Kostenbegünstigung des Verletzers durch neuere Entscheidungen? WRP 2001, 238; Kurbjuhn Anmerkung zu BGH 15.10.1969 – I ZR 3/68 – Fotowettbewerb, NJW 1970, 604; Lachmann Telex-Unterwerfung nicht vollwertig? GRUR 1989, 96; Lehment Zur Bedeutung der Kerntheorie für den Streitgegenstand, WRP 2007, 237; Lindacher Phänomenologie der Vertragsstrafe (1972); ders. Wettbewerbliche Unterlassungsverpflichtung und Vertragsstrafeversprechen nach „Hamburger Brauch“, WRP 1975, 7; ders. Gesicherte Unterlassungserklärung, Wiederholungsgefahr und Rechtsschutzbedürfnis, GRUR 1975, 413; ders. Die Haftung wegen

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Schrifttum

B. Abmahnung und Unterwerfung

unberechtigter Schutzrechtsverwarnung oder Schutzrechtsklage, ZHR 144 (1980) 350; ders. Der „Gegenschlag“ des Abgemahnten, FS v. Gamm (1990) 83; ders. Streitwertunabhängige landgerichtliche Zuständigkeit für Vertragsstrafeklagen, FS Ullmann (2006) 977; ders. Dogmatik der wettbewerblichen Unterlassungserklärung, FS Canaris (2007) 1393; Loewenheim Probleme der vorprozessualen Abmahnung bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Verbände, WRP 1979, 839; ders. Die Erstattung der Abmahnkosten der Verbände in der neueren Rechtsentwicklung, WRP 1987, 286; Lorenz Schwebende Unwirksamkeit und Präklusion im Zwangsvollstreckungsrecht, NJW 1995, 2258; Loritz Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattung der Anwaltskosten bei vorprozessualen Abmahnungen unter besonderer Berücksichtigung des Wettbewerbs- und Warenzeichenrechts, GRUR 1981, 883; Luckner Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Preisangabenverordnung – Folgen und Aussichten, WRP 1984, 186; Lührig/Lux Die Behandlung von Mehrfachverstößen gegen strafbewehrte Unterlassungserklärungen, FS Helm (2002) 321; Mankowski Für einen Wegfall des Fortsetzungszusammenhangs bei der Unterlassungsvollstreckung, WRP 1996, 1144; Mayer Die Folgen rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen, WRP 2011, 534; Meier-Beck Die Verwarnung aus Schutzrechten – mehr als eine Meinungsäußerung! GRUR 2005, 535; ders. Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung als Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb, WRP 2006, 790; ders. Zu den Auswirkungen der UWG-Novelle vom 25.7.1994 auf bestehende Unterlassungsverpflichtungen, FS Piper (1996) 375; Melullis Zum Unkostenerstattungsanspruch bei der Verwarnung durch Verbände im gewerblichen Rechtsschutz, WRP 1982, 1; Menke Die negative Feststellungsklage in der wettbewerbsrechtlichen Praxis, WRP 2012, 55; Mes Unterwerfungserklärung und Kostenerstattung, GRUR 1978, 345; Möller, M. Kostenerstattung bei Selbstbeauftragung, AnwBl 2007, 526; ders. Der Gesetzgeber, das BVerfG, der BGH und § 97a II UrhG, NJW 2010, 2999; ders. Abmahnung und Abschlussschreiben – Gebührensätze und weitere Fragen, AnwBl 2011, 52; ders. Das Ende der urheberrechtlichen Massenabmahnungen? NJW 2011, 2560; Nägele Wegfall der Geschäftsgrundlage bei „alten“ Unterwerfungsverträgen infolge des UWGÄndG 1994? WRP 1995, 1023; Nees Die angemessene Vertragsstrafe, WRP 1983, 200; Niebling Die wettbewerbsrechtliche Abmahnung, NJ 2011, 89; Nieder Außergerichtliche Konfliktlösung im gewerblichen Rechtsschutz (1998); ders. Aufbrauchfrist via Unterwerfungserklärung? WRP 1976, 289 und WRP 1999, 583; ders. Die vertragsstrafenbewehrte Unterwerfung im Prozessvergleich, WRP 2001, 117; Nill Sachliche Zuständigkeit bei Geltendmachung der Kosten von Abschlussschreiben, GRUR 2005, 740; Nordemann Die Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Abmahnkosten bei Urheberrechtsverletzungen, WRP 2005, 184; Nosch Die Abmahnung im Zivilrecht (2012); Ohl Der Rechtsschutz gegenüber unberechtigter Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte, GRUR 1966, 172; Ohrt „Procura necesse est“ oder: Vollmachtsnachweis bei Abmahnschreiben und Kostenerstattung, WRP 2002, 1035; Omsels Zur Unlauterkeit der gezielten Behinderung von Mitbewerbern – § 4 Nr. 10 UWG, WRP 2004, 136; ders. Die Erstattung von Patentanwaltskosten für die vorprozessuale Mitwirkung bei einer Kennzeichensache, MarkenR 2009, 27; Oppermann Konstruktion und Rechtspraxis der Geschäftsführung ohne Auftrag, AcP 193 (1993) 497; Otto Die neue Geschäftsgebühr mit Kappungsgrenze nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, NJW 2004, 1420; Pabst Zur Frage der Erstattung von Abmahnkosten im Buchhandel, AfP 1998, 163; Pastor Die Aufbrauchsfrist bei Unterlassungsverurteilungen GRUR 1964, 245; ders. Die Notwendigkeit einer Verwarnung im Wettbewerbsrecht, GRUR 1968, 177; ders. Das Rechtsschutzbedürfnis bei Verstößen gegen eine gesicherte Unterwerfungserklärung, GRUR 1974, 423; ders. Die „Berliner Eisbein“-Grundsätze, WRP 1974, 607; ders. Die UWG-Reform und der Mißbrauch der Verbandsklagebefugnis aus § 13 UWG, WRP 1978, 245; ders. Kostenerstattung bei erfolgreicher Verwarnung, WRP 1979, 423; Pauly Aktuelle Entwicklungen zur Wirksamkeit von Vertragsstrafen, MDR 2005, 781; Petersen Probleme des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsvertrags, GRUR 1978, 156; Peukert Änderung der Rechtsprechung zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung? MittdtschPatAnw 2005, 73; Pfister Erfordernis des Vollsmachtsnachweises bei Abmahnschreiben, WRP 2002, 799; A. Pohlmann Aufklärungspflichten des abgemahnten Wettbewerbers, FS Ehmann (2005) 11; P. Pohlmann Zustandekommen wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsverträge durch Verwarnung und Unterwerfungserklärung, BB 1995, 1249; Pokrant Zur vorprozessualen Erfüllung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, FS Erdmann (2002) 863; Prelinger Klagebefugnis der Abmahnvereine? NJW 1982, 211; ders. Ersatz von Abmahnkosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag? AnwBl 1984, 533; Pucher Dokumentation der „örtlichen Besonderheiten“ in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum gewerblichen Rechtsschutz, WRP 1982, 13; Putz Beweisfragen bei Einschreibesendungen, NJW 2007, 2450; Quiring Zur Haftung wegen unbegründeter Verwarnungen, WRP 1983, 317; Rappert Die vorprozessuale Antwortpflicht des Nichtstörers im wettbewerbsrechtlichen Abmahnverfahren (1998); Rehart Fiktive Abmahnkosten in einem anderen Licht, Gleichzeitig eine Anmerkung zum Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 12.11.2008,

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Az.: 5 U 245/07, WRP 2009, 532; Rehmann Zur Erstattungsfähigkeit von Patentanwaltsgebühren neben Rechtsanwaltsgebühren bei vorgerichtlicher Abmahnung von Patentverletzungen, GRUR 1985, 332; Reinholz Maßnahmen gegen Abmahnungen selbst ernannter Wettbewerbshüter, MDR 2003, 72; Renner Abmahnung – Blaues Auge oder Beinbruch? Die missbräuchliche Verfolgung von Unterlassungsansprüchen, HFR 2009, 140; Reuthal Die unberechtigte wettbewerbsrechtliche Abmahnung unter besonderer Berücksichtigung der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung (1985); Rieble Wegfall wettbewerblicher Vertragsstrafen durch das UWG-Änderungsgesetz? GRUR 1995, 252; ders. Das Ende des Fortsetzungszusammenhangs im Recht der Vertragsstrafe, WM 1995, 828; ders. Zur Kündigung von Unterlassungsverträgen im Wettbewerbsrecht nach Wegfall der Sachbefugnis des Unterlassungsgläubigers, JZ 1997, 904; ders. Verjährung „verhaltener“ Ansprüche – am Beispiel der Vertragsstrafe, NJW 2004, 2270; ders. „Kinderwärmekissen“ und Vertragsstrafendogmatik – Besprechung von BGH, Urt. v. 17.7.2008 – I ZR 168/05, GRUR 2009, 181 – Kinderwärmekissen, GRUR 2009, 824; ders. Vertragsstrafklage und gerichtliche Zuständigkeit, JZ 2009, 716; Rödding Die Rechtsprechung zur Drittunterwerfung – ein Irrweg? WRP 1988, 514; Sack Die Haftung für unbegründete Schutzrechtsverwarnungen, WRP 2005, 253; ders. Der Beschluss des Großen Zivilsenats des BGH vom 15.7.2005 zur Haftung für unbegründete Schutzrechtsverwarnungen – Ende der Diskussion? BB 2005, 2368; ders. Unbegründete Schutzrechtsverwarnungen (2006); ders. Notwendige Differenzierungen bei unbegründeten Abnehmerverwarnungen, WRP 2007, 708; ders. Unbegründete Schutzrechtsverwarnungen – lückenloser Unternehmensschutz durch das UWG seit 2004, NJW 2009, 1642; Schimmelpfennig Unterlassungsklage bei Wettbewerbsverstößen trotz vorliegender strafbewehrter Unterlassungsverpflichtung? Zugleich eine Stellungnahme zum Urteil des OLG Hamburg vom 25. Oktober 1973 (GRUR 1974, 108), GRUR 1974, 201; M. Schmid Geschäftsführung ohne Auftrag als Anspruchsgrundlage für Kostenerstattung von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen? GRUR 1999, 312; K. Schmidt Wettbewerbsrechtliche und vereinsrechtliche Instrumente gegen die Tätigkeit der Abmahnvereine, NJW 1983, 1520; ders. Unselbständige und selbständige Vertragsstrafeversprechen, Bemerkungen zur Akzessorietät der Vertragsstrafe, FS Heinrichs (1998) 529; M. Schmidt Streitgegenstand und Kernbereich der konkreten Verletzungsform im lauterkeitsrechtlichen Verfügungsverfahren, GRURPrax 2012, 179; Schmittmann Zur Problematik der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung mittels Telefax, WRP 1994, 225; Schmitz-Temming Einzelhandel und Vertragsstrafe am Beispiel der C&A-Rabattaktion, WRP 2003, 189; Schramm Die Rechtsnatur der Unterlassungserklärung zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr, MittdtschPatAnw 1959, 260; Schnepel Zum Streit um das „Wiederaufleben der Wiederholungsgefahr“ beim wettbewerblichen Unterlassungsanspruch, WRP 1994, 467; Schnur Das Verhältnis von Widerruf einer Behauptung und Bekanntmachung der Gerichtsentscheidung als Mittel zur Rufwiederherstellung, GRUR 1978, 225, 473; Schons Die ersten Entscheidungen zur Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG, NJW 2005, 1024; ders. Ein Jahr RVG – Versuch einer Bestandsaufnahme, NJW 2005, 3089; ders. Zur Höhe der Geschäftsgebühr bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen und zur Einholung eines Kammergutachtens bei Klagen gegen Kostenerstattungsschuldner, AGS 2007, 501; Schotthöfer Rechtsprobleme bei mehrfachem Vorgehen gegen ein- und denselben Wettbewerbsverstoß, WRP 1979, 529; ders. Rechtliche Probleme im Verhältnis zwischen Feststellungsklage und Unterlassungsklage im Wettbewerbsrecht, WRP 1986, 14; Schulte Anforderungen an die Beantwortung einer Verwarnung, GRUR 1980, 470; Schulz Kostenerstattung bei erfolgloser Abmahnung, WRP 1990, 658; ders. Die neuen Verjährungsvorschriften des UWG, WRP 2005, 274; ders. Schubladenverfügung und die Kosten der nachgeschobenen Abmahnung, WRP 2007, 589; Schuschke Wiederholte Verletzungshandlungen: Natürliche Handlungseinheit, Fortsetzungszusammenhang und Gesamtstrafe im Rahmen des § 890 ZPO, WRP 2000, 1008; Selke Erstattung von Rechtsanwaltskosten bei unberechtigter Abmahnung aus culpa in contrahendo, WRP 1999, 286; Sessinghaus Abschied von der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung – auf Wiedersehen im UWG? WRP 2005, 823; Sommerlad Nichtigerklärung einer Rechtsnorm durch das Bundesverfassungsgericht – Dargestellt am Beispiel der Entscheidung zur Preisangabenverordnung, NJW 1984, 1489; Sosnitza Vom Fortsetzungszusammenhang zur natürlichen und rechtlichen Handlungseinheit – Vertragsstrafe und Ordnungsgeld, FS Lindacher (2007) 161; Spätgens Zur Natur, Gestaltung und Funktion wettbewerblicher Unterwerfungserklärungen, FS Gaedertz (1992) 545; ders. Drittwirkung bei Bewilligung einer Aufbrauchsfrist, WRP 1994, 693; ders. Des Anwalts Hindernisparcours – Fallen und Handicaps – Insbesondere: Vollmachtsnachweis bei der Abmahnung? FS Samwer (2008) 205; ders. Anmerkungen zur sogenannten Schubladenverfügung und zur Zurückweisung anwaltlicher Abmahnungen ohne Originalvollmacht, FS Loschelder (2010) 355; Steinbeck Die strafbewehrte Unterlassungserklärung: ein zweischneidiges Schwert! GRUR 1994, 90; Steines Die strafbewehrte Unterlassungserklärung: Einziges Mittel zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr, NJW 1988, 1359; Steiniger Abmahnung – auch

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Schrifttum

B. Abmahnung und Unterwerfung

bei notorischen Rechtsverletzern? WRP 1999, 1195; ders. Unterlassungstitel – Verletzungshandlung – Kerntheorie – oder warum man Untersagungsgeboten Folge leisten sollte, WRP 2000, 1415; Steinmetz Der „kleine“ Wettbewerbsprozess (1993); Stieper Klagehäufung im Gewerblichen Rechtsschutz – alternativ, kumulativ, eventuell? GRUR 2012, 5; Stöber Ansprüche auf Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten bei unberechtigter Inanspruchnahme, AGS 2006, 261; Streppel Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr, MDR 2007, 929; Strömer/Grootz Die „veranlasste Initiativunterwerfung“ – ein untauglicher Versuch? WRP 2008, 1148; Tack Zur „Wiederholten Unterwerfung“ in Wettbewerbsstreitigkeiten, WRP 1984, 455; Teplitzky Die Rechtsfolgen der unbegründeten Ablehnung einer strafbewehrten Unterlasssungserklärung, GRUR 1983, 609; ders. Unterwerfung und „konkrete Verletzungsform“, WRP 1990, 26; ders. Die (Unterwerfungs-)Vertragsstrafe in der neueren BGH-Rechtsprechung, WRP 1994, 709; ders. Zur Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage für Unterwerfungsverträge als Folge der Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG, WRP 1995, 275; ders. Zur Frage der überregionalen Drittwirkung einer Unterwerfungserklärung auf Abmahnung eines nur regional tätigen Gläubigers, WRP 1995, 359; ders. Unterwerfung oder Unterlassungsurteil? Zur Frage des aus der Verletzerperspektive „richtigen“ Streiterledigungsmittels, WRP 1996, 171; ders. Die wettbewerbsrechtliche Unterwerfung heute – Neuere Entwicklungen eines alten Streitbereinigungsmittels, GRUR 1996, 696; ders. Die Auflösung von Unterwerfungsverträgen mit nicht mehr verfolgungsberechtigten Gläubigern, WRP 1996, 1004; ders. Streitgegenstand und materielle Rechtskraft im wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsprozess, GRUR 1998, 320; ders. Der I. Zivilsenat des BGH und das allgemeine Zivilprozessrecht, FS Erdmann (2002) 889; ders. Die jüngste Rechtsprechung des BGH zum wettbewerbsrechtlichen Anspruchs- und Verfahrensrecht Teil I bis XI, GRUR 1989, 461; GRUR 1990, 393; GRUR 1991, 709; GRUR 1992, 821; GRUR 1993, 857; GRUR 1994, 765; GRUR 1995, 627; GRUR 1997, 691; GRUR 1999, 1050; GRUR 2003, 272; GRUR 2007, 177; ders. Zur Frage der Rechtmäßigkeit unbegründeter Schutzrechtsverwarnungen – Zugleich eine Besprechung von BGH „Verwarnung aus Kennzeichenrecht“, GRUR 2005, 9; ders. Aktuelle Probleme der Abmahnung und Unterwerfung sowie des Verfahrens der einstweiligen Verfügung im Wettbewerbs- und Markenrecht, WRP 2005, 654; ders. Die prozessualen Folgen der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung, WRP 2005, 1433; ders. Die Regelung der Abmahnung in § 12 Abs. 1 UWG, ihre Reichweite und einige ihrer Folgen, FS Ullmann (2006) 999; ders. Der Streitgegenstand in der neuesten Rechtsprechung des I. Zivilsenats des BGH, WRP 2007, 1; ders. Zum Verhältnis von Feststellungs- und Leistungsklage im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und des Wettbewerbsrechts, FS Lindacher (2007) 185; ders. Eingeschränkte Unterwerfungserklärungen, VuR 2009, 83; ders. Kosten der zweiten Abmahnung – Kräutertee, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 21.1.2010, Az.: I ZR 47/10, LMK 2010, 300699; ders. Kein Aufwendungsersatz für eine erst nach Erwirkung einer einstweiligen Verfügung ausgesprochenen Abmahnung – Schubladenverfügung, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 7.10.2009, Az.: I ZR 216/07, LMK 2010, 298094; ders. Abmahnung und Vollmachtsvorlage – Zum noch relevanten Rest des Meinungsstreits, WRP 2010, 1427; ders. Der Streitgegenstand der schutz- und lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsklage vor und nach den „TÜV“-Entscheidungen des BGH, GRUR 2011, 1091; ders. Wie weit führt der „erste Schritt“? Anmerkungen zur Streitgegenstandserweiterung im BGH-Urteil „Branchenbuch Berg“, WRP 2012, 261; Tetzner Die Aufbrauchsfrist bei Unterlassungsurteilen, NJW 1966, 1545; ders. Klagenhäufung im Wettbewerbsrecht, GRUR 1981, 803; Tilmann Kostenhaftung und Gebührenberechnung bei Unterlassungsklagen gegen Streitgenossen im gewerblichen Rechtsschutz, GRUR 1986, 691; Tomson Ganz oder gar nicht? – Berechnung und gerichtliche Geltendmachung der anrechnungsfrei verbleibenden Geschäftsgebühr, NJW 2007, 267; Tönnies Kostenerstattung bei Abmahnung wegen Markenanmeldung, MittdtschPatAnw 2010, 55; Traub Die Anwendung des § 278 BGB auf die Erfüllung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsversprechen, FS Gaedertz (1992) 563; Tyra Notwendigkeit der Mitwirkung eines Patentanwalts als Voraussetzung der Gebührenerstattung in Kennzeichen- und Geschmacksmusterstreitsachen, WRP 2007, 1059; Ullmann Erstbegehungsgefahr durch Vorbringen im Prozeß? WRP 1996, 1007; ders. Die Verwarnung aus Schutzrechten – mehr als eine Meinungsäußerung? GRUR 2001, 1027; ders. Eine unberechtigte Abmahnung – Entgegnung, WRP 2006, 1070; Ulrich Die Aufklärungspflicht des Abgemahnten – Zur sinngemäßen Anwendung des § 93 ZPO zugunsten des Klägers/Antragstellers, WRP 1985, 117; ders. Die vorprozessualen Informationspflichten des Anspruchsgegners in Wettbewerbssachen, ZIP 1990, 1377; ders. Die Aufbrauchsfrist in Verfahren der einstweiligen Verfügung, GRUR 1991, 26; ders. Auswirkungen der UWG-Novelle 1994 auf abgeschlossene wettbewerbsrechtliche Streitfälle, WRP 1995, 86; ders. Die Kosten der Abmahnung und die Aufklärungspflichten des Abgemahnten, WRP 1995, 282; ders. Die fortgesetzte Handlung im Zivilrecht, WRP 1997, 73; ders. Die Wettbewerbszentrale und das „Fotowettbewerb“-Urteil, WRP 1997, 918; ders. Der Zugang der Abmahnung,

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

WRP 1998, 124; ders. Die Abmahnung und der Vollmachtsnachweis, WRP 1998, 258; Ultsch Zugangsprobleme bei elektronischen Willenserklärungen, dargestellt am Beispiel der Electronic Mail, NJW 1997, 3007; v. Ungern-Sternberg Grundfragen des Klageantrags bei urheber- und wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen – Teil II; GRUR 2011, 486; Ungewitter Zur Verjährung des Aufwendungsersatzanspruchs bei Abmahnungen, GRUR 2012, 697; Völp Änderung der Rechts- oder Sachlage bei Unterlassungstiteln, GRUR 1984, 486; Vogt, A. Abmahnung – Eilbedürfnis – Wiederholungsgefahr, NJW 1980, 1499; ders./Vogt, S. Die Entwicklung des Wettbewerbsrechts in den Jahren 1982 und 1983, NJW 1984, 2860; Vorwerk Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung auf dem Prüfstand, ZIP 2005, 1157; Wagner Abschied von der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung? ZIP 2005, 49; ders./Thole Kein Abschied von der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung, NJW 2005, 3470; Walchner Der Beseitigungsanspruch im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (1998); Waschmann Die unberechtigte Verwarnung aus Kennzeichenrecht (2010); Weglage/Pawliczek Die gerichtliche Geltendmachung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Geschäftsgebühr, NJW 2005, 3100; Weidert Kostenerstattung im Abmahnwesen, AnwBl 2004, 595; Weisert Rechtsprobleme der Schubladenverfügung, WRP 2007, 504; Wiebe Bindung an Unterlassungsverträge nach der Novellierung von § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG, WRP 1995, 75; Wiemann Abmahnung und Abschlussschreiben als wettbewerbsrechtliche Instrumente außergerichtlicher Streitbeilegung nach der UWG-Novelle 2004 (2006); Wietzorek Der Beweis des Zugangs von Anhängen in E-Mails, MMR 2007, 156; Wilhelm Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, FS Canaris (2007) Bd. 1, 1293; Wilke/Jungeblut Abmahnung und Schutzschrift im gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 1994; Willems Beweis und Beweislastverteilung bei Zugang einer E-Mail – Fallkonstellationen unter besonderer Betrachtung elektronischer Bewerbungen, MMR 2013, 551; Winkler Probleme der Schutzrechtsverwarnung, GRUR 1980, 526; Zapfe Fortsetzung der BGH-Rechtsprechung Parallelverfahren I und II, WRP 2011, 1122; Zimmermann Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung (2008).

Systematische Übersicht I.

Systematische Übersicht Abmahnung ____ 1 1. Abmahnung als Rechtsbegriff ____ 1 2. Formalitäten der Abmahnung ____ 12 a) Form ____ 12 b) Abmahnung durch Stellvertreter ____ 13 c) Zugang der Abmahnung ____ 21 3. Inhalt der Abmahnung ____ 28 a) Angabe der Parteien ____ 29 b) Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhaltens ____ 32 c) Unterlassungsverlangen ____ 34 d) Fristsetzung ____ 38 e) Geltendmachung weiterer Ansprüche ____ 43 4. Erforderlichkeit der Abmahnung ____ 44 a) Regel ____ 44 b) Erfolglosigkeit der Abmahnung ____ 45 c) Unzumutbarkeit ____ 49 5. Abmahnungsverhältnis ____ 52 a) Reaktionspflichten bei gegebener Verletzungshandlung ____ 52 b) Reaktionspflichten bei Fehlen einer Verletzungshandlung? ____ 59 6. Kosten der Abmahnung ____ 61

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§ 12 Abs. 1 S. 2 ____ 61 aa) Begriff der berechtigten Abmahnung ____ 63 bb) Erforderliche Aufwendungen ____ 73 b) Geschäftsführung ohne Auftrag ____ 81 c) Schadensersatz ____ 85 d) Prozessualer Kostenerstattungsanspruch ____ 88 e) Verjährung ____ 90 7. Unberechtigte Abmahnung ____ 91 a) Begriff ____ 91 b) Feststellungsklage ____ 92 c) Unterlassungsanspruch ____ 94 d) Schadensersatzanspruch ____ 106 Unterwerfung ____ 108 1. Einleitung ____ 108 2. Unterwerfung und Wegfall der Wiederholungsgefahr ____ 109 a) Formalien ____ 109 aa) Form der Unterwerfung ____ 109 bb) Zugang ____ 112 b) Inhalt ____ 113 aa) Unterlassungsversprechen ____ 114 a)

II.

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Alphabetische Übersicht

3.

bb) Vertragsstrafeversprechen ____ 124 c) Wirkungen auf die Wiederholungsgefahr ____ 136 aa) Rechtsgeschäftliche Voraussetzungen ____ 136 bb) Drittwirkung ____ 141 cc) Beurteilungszeitpunkt ____ 149 d) Prozessuale Relevanz der Unterwerfung ____ 150 aa) Unterwerfung im laufenden Erkenntnisverfahren ____ 150 bb) Unterwerfung nach Rechtskraft des Unterlassungstitels ____ 151 Unterlassungsvertrag ____ 152 a) Funktion und Rechtsnatur ____ 152 b) Zustandekommen ____ 154 c) Wirksamkeit ____ 156 aa) Bestimmtheitsanforderungen ____ 156 bb) Anfechtung ____ 157 cc) Kartellrechtliche Schranken ____ 158 dd) AGB-Kontrolle ____ 160 d) Inhalt und Auslegung ____ 161 e) Beendigung ____ 167 aa) Kündigung ____ 168 bb) Wegfall der Geschäftsgrundlage ____ 170 cc) Kondiktion ____ 171 f) Rechtsnachfolge ____ 172 aa) Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite ____ 172

B. Abmahnung und Unterwerfung

4.

bb) Rechtsnachfolge auf Schuldnerseite ____ 180 g) Verjährung ____ 185 aa) Verjährungsfrist ____ 185 bb) Beginn der Verjährung ____ 186 h) Gerichtliche Geltendmachung ____ 187 Vertragsstrafeversprechen ____ 188 a) Begriff, Funktion und Rechtsnatur ____ 188 b) Verwirkung der Vertragsstrafe ____ 191 aa) Zuwiderhandlung ____ 191 bb) Verschulden ____ 199 c) Höhe der Vertragsstrafe ____ 201 aa) Wirksamkeit der Vereinbarung ____ 201 bb) Herabsetzung und Billigkeitskontrolle ____ 203 d) Rechtsmissbrauch ____ 207 e) Rechtsnachfolge ____ 208 f) Verjährung ____ 209 aa) Verjährungsfrist ____ 209 bb) Beginn der Verjährung ____ 210 g) Verhältnis zu weiteren Sanktionen ____ 211 aa) Unterlassungsanspruch ____ 211 bb) Ordnungsgeld ____ 212 cc) Schadensersatz ____ 213

Alphabetische Übersicht Alphabetische Übersicht Abgrenzbarkeit von Teilen des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs 122 Abmahnbefugnis 3, 29, 102 Abmahnkosten 23, 43, 61 ff., 85, 106 Abmahnobliegenheit 11, 44 Abmahnungsverhältnis 9, 52 ff. Abmahnung durch Stellvertreter 13 ff. Abnehmerverwarnung 96, 98, 102 Abschlussschreiben 62 Abschlusserklärung 127, 134 Abschreckungswirkung der Vertragsstrafe 109, 125 f. Absolute Vertragsstrafe 128, 201 Abtretung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs 173 ff. Abtretungsverbot 177

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Abwehrklausel 63 Abwehrkosten 106 Adressat der Abmahnung 31 Änderung der tatsächlichen Umstände 167 Allgemeine Geschäftsbedingungen 160, 197, 199 Akzessorietät des Vertragsstrafeversprechens 172, 188 Alternative Geltendmachung 33 Androhung gerichtlicher Schritte 34 Anfechtung des Unterlassungsvertrags 157 Angabe der Parteien 29 Angemessene Frist 39 f. Anlass zur Klage (§ 93 ZPO) 22, 32, 37, 44 ff. Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr 77 Anschein einer Wettbewerbsverletzung 59, 166

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Anschwärzung (§ 4 Nr. 8) 98, 101, 104 Anstifter 31 Annahmeverweigerung 27 Anspruchsberechtigung 175 Arbeitskraft 73 Arglistige Täuschung 157 Aufbrauchsfrist in Unterwerfung 119 Aufklärungspflicht 23, 52 ff., 93, 143, 146 Auflösende Bedingung der Unterwerfung 120, 167 Auflösende Bedingung des Vollmachtsnachweises 20 Auflösende und aufschiebende Bedingung der Unterwerfung 120 Auflösende und aufschiebende Befristung der Unterwerfung 121 Aufwendungen 73 ff., 82 Auskunftsanspruch 43 Auslegung der Unterwerfung 116, 161 ff., 195 Auslauffall 46 Ausschluss kerngleicher Handlungen in Unterwerfung 124 Bedingung der Unterwerfung 118, 120 Beendigung des Unterlassungsvertrags 167 Befreiende Schuldübernahme 180 Befreiungsanspruch 73 Befristung der Unterwerfung 118, 121 Begriff der Abmahnung 1, 3, 8 Begründete Abmahnung 63 Berechtigungsanfrage 34, 46 Berechtigte Abmahnung 63 ff. Bereicherungsrecht 171 Beseitigungsanspruch 43 Bestimmtheit der Unterwerfung 113 ff. Bestrafungsverfahren (§ 890 ZPO) 195 Beurteilungszeitpunkt für Wegfall der Wiederholungsgefahr 149 Beweismittel 29 Billiges Ermessen des Vertragsstrafengläubigers 129 Billigkeitskontrolle 203 ff. Binnenabmahnung 95 Briefliche Abmahnung 24 f. Buchpreisbindungstreuhänder 79 Charakteristische Bezeichnung des Verstoßes 32, 114, 116 Culpa in Contrahendo 167 „Damoklesschwert“ 137 Darlegungs- und Beweislast 143, 203, 206 Dauerschuldverhältnis 153, 168 Detektei 73 Direktabmahnung 95, 98, 102, 103 Doppelnatur der Abmahnung 10, 16 Drittabmahnung 48, 95, 101, 102, 103, 106 Drittbegünstigendes Vertragsstrafeversprechen 131

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Drittschuldnerauskunft 60 Drittunterwerfung 52, 58, 64, 143 ff. Drittwirkung der Unterwerfung 119, 141 ff. Eindeutigkeit der Unterwerfung 113 ff. Einschaltung eines Rechtsanwalts 74, 78 Einschränkung der Unterwerfung 118 Einschreiben-Abmahnung 25, 27 E-Mail-Abmahnung 12, 24 f., 50 Endtermin 42 Entbehrlichkeit des Zugangs der Annahmeerklärung bei Unterwerfung 138 f., 154 Entlastung der Gerichte 5 Erfolglosigkeit der Abmahnung 45 f. Erforderlichkeit der Abmahnung 44 ff., 68 Erfüllungsgehilfe 110, 134, 200 Erfüllungssicherungsfunktion der Vertragsstrafe 125, 188, 193, 195 Erkennbares Fehlschlagen 26 Erledigungserklärung nach Unterwerfung 150 Ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsverlangen 34 Ernsthaftigkeit der Unterwerfung 111, 123, 134, 144 f. Erstbegehungsgefahr 4, 35, 55, 64, 108, 149 Externe Abmahnung 95 Fachverband 78 f., 80, 99 Fehlerhafte Adressatenbezeichnung 26 Feststellungsklage 2, 92 Feststellungsinteresse 92 Fiktive Abmahnkosten 73 Form der Abmahnung 12 Form der Unterwerfung 109 ff., 154 Fortführung des Handelsgeschäfts (§ 25 HGB) 182 Fortsetzungszusammenhang 135, 193 ff. Freistellungsanspruch 73 Fristenlauf 42 Fristsetzung 38 ff. Fristverlängerung 41, 58 Funktion der Abmahnung 5 Funktion der Vertragsstrafe 125, 188 ff. Gegenabmahnung 2, 63, 93 Gegenstandswert 76 Gerichtliche Geltendmachung 187 Geschäftliche Handlung 99 Gehilfe 31 Genugtuungsfunktion der Vertragsstrafe 125 Gesamtrechtsnachfolge 179, 184 Geschäftsähnliche Handlung 9 f., 15, 17, 21 Geschäftsführung ohne Auftrag 1, 60, 63, 67, 68 f., 81 ff., 90, 107 Geschäftsgebühr 75, 77 Gesellschaft 31, 46, 162 Gesetzesänderung 167 Gesinnungswandel 115 Gewohnheitsrecht 1

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Alphabetische Übersicht

Gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 10) 98, 102 Gutachten der Rechtsanwaltskammer 75 Haftungsbeschränkungen in Unterwerfung 131 ff. Hamburger Brauch 129 f., 134, 202 Handlungseinheit 129, 135, 193 ff. Handlungspflicht zur Beseitigung eines Störungszustands 164 Handwerkskammer 78, 99 Herabsetzung (§ 4 Nr. 7) 98, 101 Herabsetzung der Vertragsstrafe 203 ff. Höchstpersönlicher Charakter des Unterlassungsanspruchs 174, 182 f. Höchstrichterliche Klärung 167 Höhe der Rechtsanwaltsgebühren 75 Höhe der Vertragsstrafe 128, 132, 193, 201 ff. Industrie- und Handelskammer 99 Informationspflichten 166 Inhalt der Abmahnung 28 ff. Inhalt der Unterwerfung 113 ff., 161 Inhaltsänderung des Unterlassungsanspruchs 174 Initiativunterwerfung 137, 145 Interesse und mutmaßlicher Wille 82 Interne Abmahnung 95 Invitatio ad offerendum 9 f., 137, 154 Irreführung (§ 5 Abs. 1 Nr. 3) 98, 103 Juristische Person 31, 46 Karitative Organisation als Vertragsstrafengläubiger 131 Kartellrechtliche Schranken des Unterlassungsvertrags 158 f. Kaufmännisches Vertragsstrafeversprechen 132, 204 Kerngleichheit 105, 116, 124, 130, 191 Klageveranlassung (§ 93 ZPO) 22, 32, 37, 44 ff. Kollusives Zusammenwirken von Unterwerfungsschuldner und -gläubiger 144 Kommerzialisierung der Anspruchsverfolgung 174 Kondiktion der Unterwerfung 171 Kongruenz der Unterwerfung 116 konkrete Verletzungsform 114 Kostenfestsetzung 89 Kostenpauschale 79, 80 Kostenvermeidungsfunktion 5 Kreditgefährdung (§ 824 BGB) 98, 104 Kündigung des Unterlassungsvertrags 167 ff., 175 f. Kündigungsvorbehalt in Unterwerfung 115, 120 Kumulative Geltendmachung 33, 36 Leistungsklage 92 Leistungsbestimmungsrecht 129 f., 134, 202, 206 Mangel der Vertretungsmacht 16 Manifestation des Unterlassungswillens 35 Markenrecht 1, 81

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B. Abmahnung und Unterwerfung

Mehrfachabmahnung 48, 63, 68, 82, 87 Mehrheit von Verstößen 193 ff. Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) 101, 105 Mehrheit von Schuldnern 198 Messefälle 50 Minderjährige Adressaten 26 Mitarbeiter 31, 46 Mitverschulden 205 Mündliche Abmahnung 12, 50 Nachfasspflicht des Abmahners 58 Näheverhältnis zwischen Unterwerfungsschuldner und -gläubiger 144 Natürliche Handlungseinheit 129, 135, 193 ff. Negative Feststellungsklage 2, 92 Notariell beurkundete Unterwerfung 127 Novation 110, 153 Obliegenheit zur Abmahnung 11, 44 „Ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage“ 115 Ordnungsgemäße Absendung 26 Ordnungsmittel 58, 212 Organe juristischer Personen 31, 46, 114, 198 Organisationsverschulden 200 Originalvollmacht 14 Pactum de non petendo 177 Patentanwalt 74, 84 Patentrecht 1, 81 Persönlich haftende Gesellschafter 31, 46 Pfändung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs 178 Positive Forderungsverletzung des Abmahnungsverhältnisses 52 Presserecht 1, 81 Primärverletzer 95, 106 Privilegierung des prozessualen Rechtsschutzes 94 ff. Privilegierung der subjektiv berechtigten Abmahnung 69, 82 Privilegierung der subjektiv redlichen Abmahnung 95 ff., 106 Prozessrechtliche Informationspflicht 53 Prozessuale Wirkung der Unterwerfung 150 ff. Prozessualer Kostenerstattungsanspruch 88 Prozessvorbereitungskosten 73 Prüfungs- und Überlegungszeitraum 38 Quantitative Bedeutung der Abmahnung 6 Reaktionspflichten des Abmahnenden 58 Reaktionspflichten des Abgemahnten 52 ff., 59 f. Realakt 15 Rechtliche Begründung 32 Rechnungslegungsanspruch 43 Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 96 f., 106 Rechtsanwalt 74

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

rechtsgeschäftliche Wirksamkeit des Unterlassungsversprechens 114, 140, 154 Rechtskraftwirkung des Unterlassungsurteils 64 Rechtskräftiger Unterlassungstitel im Hauptsacheverfahren 64, 127, 134, 151 Rechtsmissbrauch 66, 102, 107, 169, 199, 207 Rechtsnachfolge 172 ff., 208 Rechtsnatur des Unterlassungsvertrags 109, 153 Rechtsschutzbedürfnis 94 f., 98 Rechtsschutzvereitelung 49 Regelgebühr 75 Regional tätiger Unterwerfungsgläubiger 147 Relative Vertragsstrafe 128 f., 202 Richterrecht 1 Rücksichtnahmepflichten 166, 207 Rückwirkung des Unterlassungsvertrags 192 Schadensausgleichsfunktion der Vertragsstrafe 128 Schadensersatzanspruch 23, 43, 85, 106 Schadensminderungspflicht 85 Sanktionsfunktion der Vertragsstrafe 125, 137, 139, 188 Schriftform 111 Schubladenverfügung 72 Schuldanerkenntnis 110 f., 153 f. Schuldbeitritt 181 Schuldhafter Verstoß 133 Schuldversprechen 110 f., 153 f. Schutzrechtsübertragung 172 Schutzrechtsverletzung 1 Schwere und hartnäckige Verstöße 47, 51 Sekundäre Darlegungslast für Absendung 22 Sekundärverletzer 95 Sequestration 49 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB) 60, 96, 98, 104 Sonderrechtsverhältnis 52 ff., 166 Spürbarkeit (Kartellrecht) 158 Stellvertretung 13 ff., 114, 120 Störer 31 Streitgegenstand 32 f., 36 Streitvermeidungsfunktion 5, 28, 31, 46, 48, 63, 68, 70, 93, 97, 123 Streitwert 76, 79, 89 Streitwertminderung 76 Tatsachenbehauptung 101, 103 Täter 31 Teilnehmer 31 Teilweise berechtigte Abmahnung 65, 80 Teilunterwerfung 122 ff., 139, 148, 154 Telefax-Abmahnung 12, 24 f. Telegramm-Abmahnung 12 Telefonische Abmahnung 12, 50 territoriale Beschränkung der Unterwerfung 118, 124

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Testkauf 73, 207 Toleranzgrenze 75 Übermaßabmahnung 37, 65, 117 Übermittlungsrisiko 22 Umsatzsteuerpflicht der Kostenpauschale 79 Unberechtigte Abmahnung 91 ff. Unberechtigte Annahmeverweigerung 27 Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung 94, 96 f., 107 „Unclean hands“ 207 Unredliche Abmahnung 98 Unsachliche Beeinflussung (§ 4 Nr. 1) 98, 100 Unteilbarkeit der Wiederholungsgefahr 141 Unterlassungsanspruch gegen Abmahnung 94 Unterlassungsverlangen 3, 34 Unterlassungsverpflichtungserklärung 4, 20, 36, 56, 58, 64, 71, 87, 108 ff. Unterlassungsversprechen (einfaches) 35 Unterwerfungsvertrag 29 Unterlassungswille 113 Unwiderruflichkeit der zugegangenen Unterwerfung 112 Unzumutbarkeit der Abmahnung 47, 49 ff. Urheberrecht 7, 81 Veranlassung zur Klage (§ 93 ZPO) 22, 32, 37, 44 ff. Verallgemeinerung in Unterwerfung 114, 116, 122 Verband als Unterwerfungsgläubiger 155 Verbraucherverband 99 Verbundene Unternehmen 31, 46, 48 Verfahrensgebühr 75, 77 Verfolgungsbereitschaft des Unterwerfungsgläubigers 137, 142 Vergleich 109, 127, 153 f., 158, 168, 212 Verhaltensleitende Wirkung der Vertragsstrafe 137 Verhältnismäßigkeit 212 Verjährter Unterlassungsanspruch 63, 67, 82 Verjährung des Kostenerstattungsanspruchs 90 Verjährung des Unterlassungsanspruchs 185 ff. Verjährung des Vertragsstrafenanspruchs 209 ff. Verletzungshandlung 32 Verlustrisiko 22 Verschulden bei Vertragsschluss 53, 60 Verschuldenserfordernis bei Vertragsstrafe 133, 199 Verwarnung 1 Vertrag zugunsten Dritter 147 Vertragsangebot 10, 15 f., 154 Vertragsfreiheit 152 Vertragsstrafe 35, 125 ff. Vertragsübernahme 180 Vertreter ohne Vertretungsmacht 16 Vertretungsmängel bei der Unterwerfung 140

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I. Abmahnung

Verwirkung der Vertragsstrafe 191 ff. Verwirkungseinwand 207 Verzicht 148 Vollstreckungsgegenklage 151 Vorbeugender Unterlassungsanspruch 55 Vorbereitungs- und Versuchshandlungen 165 Vorformulierte Erklärung 36 Vorrang der Leistungsklage 92 Vorsätzlicher Verstoß 47, 51 Vorvertragliches Verschulden 167 Vorwurf des wettbewerbswidrigen Verhaltens 32 Warnfunktion 5 Wegfall der Aktivlegitimation 168, 170 Wegfall der Geschäftsgrundlage des Unterlassungsvertrags 157, 170, 204 Wegfall der Wiederholungsgefahr 29, 35 f., 52, 64, 87, 108 ff., 136 ff. Werturteil 101, 105 Wettbewerbsverband 56, 78 f., 80 Widerrufsvorbehalt in Unterwerfung 115 Wiederaufleben der Wiederholungsgefahr 149 Wiederholter Zustellversuch 27 Wiederholungsabmahnung 71

B. Abmahnung und Unterwerfung

Wiederholungsgefahr 3, 16, 108 Willensbetätigung 154 Willenserklärung 9, 10, 21 Willensmängel bei der Unterwerfung 140 Wirksamkeit des Unterlassungsvertrags 156 Zahlungsunfähiger Unterwerfungsschuldner 126 Zahlungsunwilliger Unterwerfungsschuldner 126 Zeitpunkt des Zugangs 24, 64 Zinsen 73 Zugang der Abmahnung 21 ff., 24, 82, 86, 90 Zugang der Unterwerfung 112, 136, 138 f., 145 Zugangsbeweis 25 Zugangsfiktion 27 Zulässigkeitsvoraussetzung 11 Zurückweisung der Abmahnung 14 ff. Zusammenfassung von Einzelverstößen 135 Zustandekommen des Unterlassungsvertrags 136, 154 f. Zuvielforderung 37 Zuwiderhandlung 191 Zweifel an der Anspruchsberechtigung 30 Zweitabmahnung 70, 78, 82, 87

I. Abmahnung I. Abmahnung 1. Abmahnung als Rechtsbegriff. Mit der Vorschrift des § 12 Abs. 1 UWG hat der Ge- 1 setzgeber des UWG 2003 erstmals das Rechtsinstitut der Abmahnung kodifiziert, welches in der wettbewerbsrechtlichen Praxis der 1960er Jahre entwickelt und im Laufe der Zeit auf richterrechtlicher Grundlage anerkannt wurde.1 Die Abmahnung gilt nicht nur im Recht des unlauteren Wettbewerbs, sondern gleichermaßen im Urheberrecht,2 Markenrecht,3 Patentrecht4 und Presserecht5 als probates Mittel zur außergerichtlichen Streitbeilegung.6 Die

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1 Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 8, 13; Ahrens/Deutsch6 Kap. 1 Rn. 4 f.; Teplitzky Kap. 41 Rn. 1: „schon seit langem ganz allgemein – partiell auch kraft Gewohnheitsrecht – anerkannt“; ders. FS Ullmann, S. 99, 1003 f.; Köhler FS Erdmann, S. 845, 850: „richterrechtlich geschaffenes, mittlerweile im Kern gewohnheitsrechtlich verfestigtes Rechtsinstitut“. 2 Aus der jüngeren Rspr. s. etwa BGH 17.7.2008 – I ZR 219/05 – GRUR 2008, 996 Tz. 10 – Clone-CD; 26.3.2009 – I ZR 44/06 – GRUR 2009, 660 Tz. 22 – Resellervertrag; 1.12.2010 – I ZR 196/08 – GRUR 2011, 724 – Zweite Zahnarztmeinung II; Wandtke/Bullinger/Kefferpütz Urheberrecht3 (2009) Vor §§ 97 ff. UrhG Rn. 3, § 97a Rn. 1; Schricker/Loewenheim/Wild Urheberrecht4 (2010) § 97a Rn. 1 ff. 3 BGH 22.1.2009 – I ZR 139/07 – GRUR 2009, 502 – pcb; 29.7.2009 – I ZR 169/07 – GRUR 2010, 239 Tz. 51 – BTK; 24.2.2011 – I ZR 181/09 – GRUR 2011, 754 – Kosten des Patentanwalts II; Ingerl/Rohnke Vorbemerkungen zu §§ 14–19d Rn. 294 ff.; v. Gamm GeschmacksmusterG2 (1989) Einf. Rn. 30; Eichmann/ v. Falckenstein GeschmacksmusterG3 (2005) § 42 Rn. 44. 4 BGH 20.12.1994 – X ZR 56/93 – BGHZ 128, 220 – Kleiderbügel; 7.6.2005 – X ZR 247/02 – GRUR 2005, 848 unter III. – Antriebsscheibenaufzug; Benkard/Scharen Patentgesetz10 (2006) Vor §§ 9 bis 14 PatG Rn. 13 ff.; Schulte/Kühnen PatentG8 (2008) § 139 Rn. 189 ff. 5 BGH 25.11.1986 – VI ZR 57/86 – BGHZ 99, 133 –Veröffentlichungsbefugnis beim Ehrenschutz; 21.6.2011 – VI ZR 73/10 – WRP 2011, 1190; 12.7.2011 – VI ZR 214/10 – WRP 2011, 1192; OLG Frankfurt 30.3.2000 – 16 W 12/00 – OLGR 2001, 116; OLG Nürnberg 5.12.1986 – 9 W 3492/86 – NJW-RR 1987, 695; Paschke/Berlit/Meyer Hamburger Komm. Gesamtes Medienrecht (2008) 42. Abschnitt Rn. 26; Soehring Presserecht4 (2010) § 30 Rn. 15; s. auch BGH 12.12.2006 – VI ZR 175/05 – GRUR 2007, 620 Tz. 12 – Immobilienwertgutachten. 6 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.1; Teplitzky Kap. 41 Rn. 1 mit Fn. 2. Für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Abmahnung etwa auf Namensschutz (§ 12 BGB), Besitzschutz (§ 862 BGB) und

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Abmahnung einer Schutzrechtsverletzung wird traditionell als Verwarnung bezeichnet; dieser Begriff findet aber auch synonym für die wettbewerbsrechtliche Abmahnung Verwendung.7 Mit der Einführung des § 12 Abs. 1 war eine Rechtsänderung nicht beabsichtigt: Die 2 Gesetzesbegründung des RegE 2003 verweist ausdrücklich darauf, dass durch die Normierung der Kostentragungspflicht die Rechtsprechung nachvollzogen werde, die über die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag einen Aufwendungsersatzanspruch des Abmahnenden hergeleitet habe.8 § 12 Abs. 1 ist in seinem Anwendungsbereich, also für den Ersatz der Kosten einer Abmahnung, die wegen eines auf das UWG gestützten Unterlassungsanspruchs ausgesprochen wird, allerdings eine gegenüber den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag vorrangige Spezialregelung,9 so dass die §§ 677 ff. BGB hierfür nicht mehr zur Anwendung gelangen.10 Denn unbeschadet des weitgehenden Gleichklangs der Rechtsfolgen beider Anspruchsgrundlagen entspricht es der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, dass der durch § 12 Abs. 1 S. 2 gewährte Anspruch an die Stelle des zuvor der Geschäftsführung ohne Auftrag entnommenen Anspruchs treten sollte.11 Gleichermaßen entspricht es allerdings der Intention des Gesetzgebers, dass die im Rahmen der früheren Behandlung des Abmahnkostenersatzes anerkannten Rechtsgrundsätze auch unter dem § 12 Abs. 1 fortgelten.12 § 12 Abs. 1 sperrt hingegen nicht die Anwendung der §§ 677, 678, 683 BGB im Falle der Gegenabmahnung zur Abwehr einer unberechtigten Abmahnung13 oder vor Erhebung einer negativen Feststellungsklage,14 weil diese Fallkonstellationen nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers außerhalb seines Anwendungsbereichs liegen. Aus dem Charakter der wettbewerbsrechtlichen Spezialität des § 12 Abs. 1 folgt zugleich, dass mangels Bestehens einer Regelungslücke eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 1 auf außerhalb des Lauterkeitsrechts liegende Sachverhalte nicht in Betracht kommt, weil auf diese die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag weiterhin anwendbar sind.15

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Eigentumsschutz (§ 1004 BGB) plädiert Ahrens FS Lindacher, S. 1, 3. Zur Abmahnung außerhalb des Wettbewerbsrechts s. auch BGH 12.12.2006 – VI ZR 175/05 – GRUR 2007, 620 Tz. 12 – Immobilienwertgutachten. Für eine das gesamte Zivilrecht einschließlich des Vertrags- und Arbeitsrechts erfassende Darstellung der Abmahnung s. Nosch, S. 3 ff. 7 Teplitzky, Kap. 41 Rn. 1; für die Beibehaltung dieser terminologischen Differenzierung Nirk/Kurtze Rn. 102; s. auch Eichmann FS Helm, S. 287, 290. 8 RegE UWG 2003, S. 25. 9 Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 1 mit Fn. 4; Teplitzky FS Ullmann, S. 999, 1001 f.; ders. Kap. 41 Rn. 97; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 144; s. auch (zu § 97a UrhG) Wandtke/ Bullinger/Kefferpütz Urheberrecht3 (2009) § 97a UrhG Rn. 1. 10 Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 17; Goldbeck S. 64 f.; MünchKommBGB/Seiler § 677 Rn. 35; Schuschke/ Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 29; a.A. (Anspruchskonkurrenz) BGH 7.10.2009 – I ZR 216/07 – GRUR 2010, 257 Tz. 9 – Schubladenverfügung; 21.1.2010 – I ZR 47/09 – GRUR 2010, 354 Tz. 8, 10 – Kräutertee; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 79, 90; Schulz WRP 2007, 589, 592. 11 In einem solchen Fall verdrängt die speziellere Norm die allgemeine, vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft6 [1991] S. 267 f. 12 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 2; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.1; Teplitzky Kap. 41 Rn. 1; ders. FS Ullmann, S. 999. Zu den durch die Einführung des Begriffs der „berechtigten Abmahnung“ gleichwohl anzuerkennenden Änderungen gegenüber dem früheren Rechtszustand s. Rn. 63, 67 ff. 13 Goldbeck S. 233; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.75; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 28; Teplitzky Kap. 41 Rn. 74, 80a; Harte/Henning/Omsels § 4 Nr. 10 Rn. 178; s. Rn. 107. 14 Fezer/Büscher § 12 Rn. 49; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 113; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.75; Teplitzky Kap. 41 Rn. 74; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 32; s. Rn. 93. 15 BGH 17.7.2008 – I ZR 219/05 – GRUR 2008, 996 Tz. 10 – Clone-CD; OLG Hamburg 11.5.2006 – 3 U 101/ 05 – MarkenR 2007, 155; 19.7.2007 – 3 U 241/06 – GRUR-RR 2008, 370; OLG München 9.3.2006 – 29 U 4994/ 05 – GRUR- RR 2006, 176; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 96; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.86, 1.90; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 1; Teplitzky Kap. 41 Rn. 1; ders. FS Ullmann, S. 999, 1004.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Den Begriff der Abmahnung definiert die Gesetzesbegründung des RegE UWG 2003 3 in Anknüpfung an den schon zuvor etablierten Sprachgebrauch für den Fall einer bereits vorgenommenen Verletzungshandlung wie folgt: Im Wettbewerbsrecht bezeichnet der Begriff der Abmahnung die Mitteilung eines Anspruchsberechtigten an einen Verletzer, dass er sich durch eine genau bezeichnete Handlung wettbewerbswidrig verhalten habe, verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen und binnen einer bestimmten Frist eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung abzugeben.16

Abmahnen kann mithin nur, wer gemäß § 8 Abs. 3 Inhaber eines wettbewerblichen Anspruchs sein kann, also insbesondere Mitbewerber und Wettbewerbsverbände; die Anspruchsberechtigung gemäß § 8 Abs. 3 konstituiert die Abmahnbefugnis.17 Anspruchsgegner ist jeder, gegen den ein solcher Anspruch bestehen kann. Steht eine Verletzungshandlung noch aus, ist sie aber aufgrund der Umstände ernst- 4 haft zu besorgen (Erstbegehungsgefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 2),18 so ist dies ebenfalls tauglicher Gegenstand einer an den potentiellen Verletzer gerichteten Abmahnung. Auf die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung zielt sie dann allerdings nicht, da die Erstbegehungsgefahr bereits durch die Beseitigung der zu ihrer Annahme führenden Umstände – also etwa durch einfaches (ungesichertes) Unterlassungsversprechen – ausgeräumt werden kann.19 Primäre Funktion der Abmahnung ist die im Interesse beider Parteien liegende, 5 schnelle und kostengünstige außergerichtliche Streiterledigung: Unterwirft sich – im Falle einer bereits geschehenen Verletzungshandlung – der Abgemahnte durch ein strafbewehrtes Unterlassungsversprechen, entfällt die Wiederholungsgefahr und ist der abmahnende Anspruchsinhaber ohne Prozess gesichert (Streitvermeidungsfunktion).20 Der Abmahnung wird teilweise zudem die Funktion einer – für das Verschulden im Rahmen des Schadensersatz bedeutsamen – Warnung zugeschrieben, weil der Abgemahnte hinsichtlich des Wettbewerbsverstoßes bösgläubig werde.21 Weiter nimmt die Abmahnung dem Abgemahnten die Möglichkeit, im folgenden Prozess den Unterlassungsanspruch „sofort“ im Sinne des § 93 ZPO anzuerkennen und erspart mithin dem Abmahnenden Kostennachteile (Kostenvermeidungsfunktion).22 Verschiedentlich wird der Abmahnung

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16 RegE UWG 2003, S. 25. 17 Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 112; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.68. 18 S. § 8 Rn. 36 ff. 19 St. Rspr., s. BGH 23.2.1989 – I ZR 18/87 – GRUR 1989, 432 Tz. 39 – Kachelofenbauer I; 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174 Tz. 42 – Berühmungsaufgabe; 11.7.1991 – I ZR 31/90 – GRUR 1992, 116 Tz. 15 – Topfgucker-Scheck; 15.1.2009 – I ZR 57/07 – GRUR 2009, 841 Tz. 23 – Cybersky; 12.7.2011 – X ZR 56/09 – GRUR 2011, 995 Tz. 29 – Besonderer Mechanismus; Teplitzky Kap. 10 Rn. 20 f. Hieran ist auch unter Berücksichtigung der Kritik Fritzsches, S. 186, und Köhlers in GRUR 2011, 879, 883 festzuhalten, der für die Ausräumung der Erstbegehungsgefahr nach Abmahnung die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangt. Die Ankündigung einer Verhaltensänderung vor tatsächlicher Begehung des Verstoßes rechtfertigt – anders als nach bereits begangenem Verstoß – in der Regel das Vertrauen auf zukünftige Unterlassung, s. § 8 Rn. 42 sowie Teplitzky Kap. 10 Rn. 21 f. 20 BGH 1.6.2006 – I ZR 167/03 – GRUR 2007, 164 Tz. 12 – Telefax-Werbung II; 21.1.2010 – I ZR 47/09 – GRUR 2010, 354 Tz. 8 – Kräutertee; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.4; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 3; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 9f; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 2; Heidenreich WRP 2004, 660. 21 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.5; Goldbeck S. 28; Köhler FS Piper, S. 309, 315; Nosch S. 13 („Hinweisfunktion“); MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 10; vgl. auch Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 77. 22 BGH 1.6.2006 – I ZR 167/03 – GRUR 2007, 164 Tz. 12 – Telefax-Werbung II; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.5; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 3; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 10; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 2.

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ferner die eigenständig neben die Parteiinteressen tretende Funktion zugeschrieben, eine unnötige Inanspruchnahme der Gerichte zu verhindern.23 Diese gerichtliche Entlastungswirkung der Abmahnung ist allerdings bloßer Reflex der Streitvermeidungsfunktion.24 Dass aber die Streiterledigung durch Abmahnung und Unterwerfung in der wettbewerbsrechtlichen Praxis eine erhebliche Bedeutung hat, steht außer Frage. Die in der Literatur – in Ermangelung aussagekräftiger Erhebungen – geäußerten Schätzungen gehen dahin, dass der weitaus größte Teil aller Streitigkeiten auf diese Weise erledigt wird.25 Der seit dem 1.9.2008 in Kraft befindliche § 97a UrhG regelt als lex specialis26 in Absatz 1 – inhaltsgleich mit § 12 Abs. 1 – den urheberrechtlichen Abmahnkostenerstattungsanspruch, sieht allerdings – insoweit abweichend – in Absatz 2 eine Deckelung der Anspruchshöhe in Bagatellfällen auf € 100 vor.27 § 5 Abs. 1 UKlaG verweist für die im Verbandsklageverfahren ausgesprochenen Abmahnungen auf § 12 Abs. 1. Die rechtliche Kategorisierung der Abmahnung ist umstritten. Praktische Bedeutung erlangt der Streit um die Rechtsnatur für die Bestimmung der formalen Anforderungen (Zugang, Vollmachtsnachweis) an die Abmahnung.28 Überwiegend wird die Abmahnung als geschäftsähnliche Handlung29 beurteilt, auf die – sofern die Voraussetzungen einer Analogie30 vorliegen – anerkanntermaßen die gesetzlichen Vorschriften über die Willenserklärungen analog anwendbar sind.31 Geschäftsähnliche Handlungen sind nach Larenz32 Aufforderungen und Mitteilungen, die auf Ansprüche oder Rechtsverhältnisse Bezug nehmen und vielfach im Bewusstsein der dadurch ausgelösten Rechtsfolgen ausgesprochen werden, ohne jedoch unmittelbar auf den Eintritt dieser Rechtsfolgen gerichtet zu sein; Letzteres unterscheidet sie von den

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23 OLG Köln 16.3.1984 – 6 W 14/84 – WRP 1984, 349 und 6.1.1985 – 6 W 69/85 – WRP1986, 426, 427; KG 2.6.1987 – 5 W 2258/87 – WRP 1988, 167, 168; OLG Saarbrücken 2.11.1987 – 1 U 110/87 – WRP 1988, 198, 199; OLG Stuttgart 9.2.1996 – 2 W 57/95 – WRP 1996, 477, 478; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 95; Kircher FS Schilling, S. 293, 295. 24 Goldbeck S. 28; ablehnend auch Teplitzky Kap. 1 Rn. 3 sowie Ahrens/Deutsch6, Kap. 1 Rn. 10; Spätgens FS Gaedertz, S. 545, 546, spricht von „Nebeneffekt“. 25 Ahrens/Achilles Kap. 2 Rn. 3: 80–95%; Teplitzky Kap. 1 Rn. 3: 90–95%; Heckelmann/Wettich, WRP 2003, 184: 90%; Kisseler, WRP 1991, 691, 692: auf zehn außergerichtlich erledigte Verfahren komme ein Gerichtsprozess; Eser GRUR 1986, 35: 80–90%. 26 So die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 16/5048, S. 49. 27 Eingeführt durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums v. 7.7.2008 (BGBl I 1191); zu § 97a Abs. 2 UrhG: OLG Brandenburg 3.2.2009 – 6 U 58/08 – GRUR-RR 2009, 217; LG Hamburg 30.4.2010 – 308 S 12/09 – GRUR-RR 2010, 404; LG Köln 21.4.2010 – 28 O 596/09 – GRUR-RR 2010, 406; s. (auch zur Kritik) Schricker/Loewenheim/Wild § 97a Rn. 34; Möller NJW 2010, 2999. 28 Hierzu nachf. Rn. 12 ff. 29 KG 26.2.1982 – 5 U 5698/81 – WRP 1982, 528; KG 6.4.1982 – 5 U 1247/82 – WRP 1982, 467; OLG Hamm 30.11.1983 – 4 W 191/83 – WRP 1984, 220; OLG Nürnberg 4.1.1991 – 3 W 3523/90 – GRUR 1991, 387; OLG Düsseldorf 13.7.2000 – 20 W 37/00 – WRP 2001, 52; OLG Düsseldorf 11.8.09 – 20 U 253/08 – GRUR-Prax 2009, 23; OLG Dresden 26.8.1998 – 14 W 1697/97 – NJWE-WettbR 1999, 140. Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 69 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.10; Nosch S. 14 f.; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 3, 11; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 14; Ohrt WRP 2002, 1035, 1036. Köhler FS Piper, S. 309, 315, versteht die Abmahnung explizit als auf die Einhaltung der Unterlassungspflicht gerichtete Mahnung im Sinne der Verzugsregeln des BGB; zweifelnd Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 13. 30 Dies sind: planwidrige Gesetzeslücke und – wertend zu ermittelnde – Ähnlichkeit des geregelten und nicht geregelten Sachverhalts (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft6 [1991] S. 373, 381 f.). 31 BGH 17.10.2000 – X ZR 97/99 – BGHZ 145, 343, 348 Tz. 2; BAG 14.8.2002 – 5 AZR 341/01 – NJW 2003, 236 Tz. 18; Palandt/Ellenberger Überbl v § 104 Rn. 7; Larenz/Wolf Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts9 (2004) § 22 Rn. 7. 32 Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts7 (1989) § 26 S. 512.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Willenserklärungen, welche eine gewollte Rechtsfolge herbeiführen.33 Soweit eine Abmahnung in Rede steht, die kein Unterwerfungsvertragsangebot enthält,34 ist ihre Einordnung als geschäftsähnliche Handlung stimmig: Die Abmahnung ist als an den Verletzer gerichtete Unterlassensaufforderung zunächst einmal auf einen faktischen Erfolg35 – zukünftige Unterlassung des beanstandeten Verhaltens – gerichtet; sie mahnt aber auch – in rechtlicher Hinsicht – die Einhaltung des Unterlassungsanspruchs an,36 bewirkt eine Konkretisierung des zwischen Abmahnendem und Verletzer bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses,37 begründet den Kostenerstattungsanspruch nach § 12 Abs. 1 S. 2 sowie den Ausschluss der für den Abmahnenden negativen Kostenfolge des § 93 ZPO38 – jeweils gesetzliche Rechtsfolgen –, und beinhaltet schließlich als invitatio ad offerendum noch keinen auf den Abschluss eines vertragsstrafebewehrten Unterlassungsvertrags gerichteten Rechtsbindungswillen. Beinhaltet aber die Abmahnung – wie meistens – auch das Unterwerfungsvertrags- 10 angebot des Abmahnenden, so ist sie zwar noch immer mahnende Aufforderung zur Unterwerfung, stellt aber eine Willenserklärung dar.39 Diese rechtliche Ambivalenz betont die Lehre von der Doppelnatur der Abmahnung.40 Diese Betrachtungsweise verdient den Vorzug gegenüber der gleichfalls vertretenen Auffassung, das Vertragsangebot trete in diesem Fall neben die Abmahnung und berühre deren Charakter als geschäftsähnliche Handlung nicht:41 die rechtstechnische Aufspaltung eines einheitlichen lebenssachverhaltlichen und rechtsgeschäftlichen Geschehens – Kombination von Abmahnung und Vertragsangebot – in einzelne Bestandteile erscheint gezwungen; ein Bedürfnis hierfür besteht nicht.42

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33 Palandt/Ellenberger Überbl v § 104 BGB Rn. 2. 34 Köhler FS Gernhuber, S. 207, 208 f. 35 Unter Hinweis auf den faktischen Aspekt wird die Abmahnung teilweise auch als bloßer Realakt eingeordnet: OLG Köln 25.1.1985 – 6 W 159/84 – WRP 1985, 360; OLG Karlsruhe 17.4.1990 – 4 W 117/87 – NJW-RR 1990, 1323; OLG Frankfurt 26.7.2001 – 6 W 132/01 – OLGR 2001, 270; 8.12.2009 – 11 U 72/07 – GRUR-RR 2010, 221. 36 Köhler FS Piper, S. 309, 315. 37 Hierzu Rn. 52 ff. 38 Wegen dieser dem gerichtlichen Verfahren vorgelagerten Funktion sprechen Pastor Der Wettbewerbsprozeß3 (1980) S. 49 und Ahrens/Deutsch6 Kap. 1 Rn. 31 von der Abmahnung als einer der Prozesshandlung ähnlichen Maßnahme. 39 BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 unter II.6.a) – Fortsetzungszusammenhang; 25.4.2002 – I ZR 296/99 – GRUR 2002, 824 unter II.1.a) – Teilunterwerfung; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 18 – Testfundstelle; KG 11.7.1986 – 5 U 1878/85 – WRP 1986, 680; OLG Düsseldorf 6.12.1994 – 20 U 66/94 – WRP 1995, 223, 226; OLG Karlsruhe 29.12.1988 – 4 U 215/87 – WRP 1990, 51; OLG Köln 23.11.1984 – 6 U 96/84 – GRUR 1985, 148, 149; Ahrens/Achilles Kap. 7 Rn. 3, 10; Ahrens/Deutsch6 Kap. 1 Rn. 31; Burchert WRP 1985, 478, 479 f.; Eichmann FS Helm, S. 287, 297; Fischer FS Piper, S. 205, 209; Fritzsche S. 283; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 208 f.; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 125; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.115; Petersen GRUR 1978, 156 f.; Pokrant FS Erdmann, S. 863, 866; Teplitzky Kap. 8 Rn. 3; a.A. die früher h.M., die in der Abmahnung stets eine invitatio ad offerendum erkannte: OLG Hamburg 18.12.1986 – 3 U 138/86 – GRUR 1988, 240 (Ls.); LG Freiburg 21.8.1980 – 3 S 96/80 – WRP 1980, 719; Borck WRP 1974, 372. 40 BGH 19.5.2010 – I ZR 140/08 – GRUR 2010, 1120 Tz. 15 – Vollmachtsnachweis; OLG Braunschweig 13.8.2004 – 2 W 101/04 – GRUR 2004, 887; Teplitzky Kap. 41 Rn. 5; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 5; Ahrens/Deutsch6 Kap. 1 Rn. 31; Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 12 Rn. 9; Pfister WRP 2002, 799, 800 f. 41 OLG Celle 2.9.2010 – 13 U 34/10 – WRP 2010, 1409; OLG Düsseldorf 21.11.2006 – 20 U 22/06 – ZUM-RD 2007, 579; 11.8.2009 – 20 U 253/08 – GRUR-Prax 2009, 23; Ahrens/Achilles Kap. 2 Rn. 17; Goldbeck S. 37; Nosch S. 15; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 11 a.E.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 14. 42 Vgl. BGH 19.5.2010 – I ZR 140/08 – GRUR 2010, 1120 Tz. 15 – Vollmachtsnachweis.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Wie die Gesetzesformulierung in § 12 Abs. 1 S. 1 („sollen … abmahnen“) erkennen lässt, besteht keine Pflicht zur Abmahnung.43 Vielmehr handelt es sich um eine Obliegenheit,44 deren Befolgung vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens im Hinblick auf die andernfalls drohende Kostenfolge des § 93 ZPO ein Gebot des eigenen Interesses des Gläubigers ist:45 die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ist im Regelfall erst dann erforderlich, wenn ein Schuldner den Versuch der außergerichtlichen Streitbeilegung ablehnt oder ignoriert. Die Vornahme einer Abmahnung ist auch keine Zulässigkeitsvoraussetzung für ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren.46 2. Formalitäten der Abmahnung

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a) Form. Die Abmahnung unterliegt weder kraft gesetzlicher Vorschrift noch nach ihrem Sinn und Zweck einem Formzwang.47 Ihre Form kann also mit Blick auf Praktikabilität und Beweisbarkeit48 der jeweiligen Kommunikationsform frei gewählt werden; neben der (fern-)mündlichen Abmahnung49 ist hier die postalische oder botenmäßige50 Versendung sowie die Nutzung von Telegramm, Telefax51 oder E-Mail52 zu nennen.

b) Abmahnung durch Stellvertreter. Die Zulässigkeit der Stellvertretung gemäß § 164 Abs. 1 S. 1 BGB bei der Abmahnung wird – unabhängig von ihrer rechtlichen Einordnung – allgemein zu Recht nicht bezweifelt.53 Uneinigkeit besteht allerdings in der Frage, ob die Abmahnung des Stellvertreters, 14 welcher keine Originalvollmacht beigefügt ist, gemäß § 174 BGB bei unverzüglicher Zurückweisung unwirksam ist. Es stellt sich die Frage der analogen Anwendung dieser ihrem Wortlaut nach für einseitige Rechtsgeschäfte geltenden Vorschrift. Es darf vorweggenommen werden, dass es angesichts dieser Kontroverse ein Gebot anwaltlicher Vorsicht ist, nach Möglichkeit der Abmahnung eine Originalvollmacht beizufügen.54 13

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43 So ausdrücklich RegE UWG 2003, S. 25. 44 BGH 7.10.2009 – I ZR 216/07 – GRUR 2010, 257 Tz. 9 – Schubladenverfügung; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.7; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 2; Nosch S. 13; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 13; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 4. 45 Zum Begriff der Obliegenheit s. Palandt/Grüneberg Einl v § 241 Rn. 13. 46 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.7; Teplitzky Kap. 41 Rn. 2; Fezer/Büscher § 12 Rn. 2; Ahrens/Achilles Kap. 2 Rn. 8. 47 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.22; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 21; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 17; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 2; Teplitzky Kap. 41 Rn. 10. 48 Zur Bedeutung des Zugangsbeweises s. Rn. 22 f. 49 OLG Frankfurt 23.3.1984 – 6 W 160/83 – WRP 1984, 416; 3.5.1984 – 6 W 58/84 – GRUR 1984, 693; 29.1.1987 – 6 W 284/86 – GRUR 1988, 32; OLG Stuttgart 26.7.1985 – 2 W 38/85 – WRP 1986, 54; OLG Karlsruhe 5.6.1985 – 6 W 28/85 – WRP 1986, 421; OLG München 18.5.1987 – 29 W 1085/87 – WRP 1988, 62; 1.4.1997 – 29 W 1034/97 – NJWE-WettbR 1998, 65; OLG Hamburg 23.4.2009 – 3 U 151/07 – WRP 2009, 1152 (Ls.), Magazindienst 2009, 762; OLG Nürnberg 30.10.1989 – 3 W 2870/89 – Magazindienst 1990, 356. 50 OLG Hamburg 18.7.1988 – 3 U 111/88 – GRUR 1989, 151; KG 2.2.1993 – 5 W 6448/92 – GRUR 1993, 778 (red. Ls.), NJW 1993, 3336. 51 OLG Düsseldorf 1.9.1989 – 2 W 79/89 – GRUR 1990, 310; KG 21.10.1993 – 25 W 5805/93 – WRP 1994, 39; OLG Hamburg 29.12.1993 – 3 W 197/93 – NJW-RR 1994, 629; vgl. auch OLG Dresden 10.9.1997 – 14 W 854/97 – WRP 1997, 1201; Schmittmann WRP 1994, 225. 52 LG Hamburg 7.7.2009 – 312 O 142/09 – MMR 2010, 654; hierzu Ernst/Wittmann MarkenR 2010, 273. 53 Siehe nur Harte/Henning/Brüning, § 12 Rn. 31; MünchKommUWG/Ottofülling, § 12 Rn. 19 Piper/Ohly/ Sosnitza § 12 Rn. 11. 54 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 32; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 14; juris-PK/Hess § 12 Rn. 14.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Die vor Veröffentlichung der „Vollmachtsnachweis“-Entscheidung des Bundesge- 15 richtshofs55 ergangene Rechtsprechung war in der Frage der Vorlage einer Abmahnungsvollmacht uneinheitlich. Nicht für erforderlich gehalten wurde die Vollmachtsvorlage, weil die Abmahnung als bloßer Realakt eingeordnet wurde,56 weil mit der Abmahnung ein Unterwerfungsvertragsangebot einherging57 oder weil die Berufung auf § 174 BGB als treuwidrig beurteilt wurde, wenn der Abgemahnte das mitübersandte Unterwerfungsvertragsangebot zugleich angenommen hatte.58 Andererseits wurde die Anwendbarkeit des § 174 BGB mit dem Hinweis auf den Charakter der Abmahnung begründet, welche der verzugsbegründenden Mahnung vergleichbar, also geschäftsähnliche Handlung sei; auch bestehe ein berechtigtes Interesses des Abgemahnten, Klarheit über die Vollmacht des Abmahnenden zu erlangen.59 Unter dem Aspekt der Veranlassung zur Klageerhebung ist dem Abgemahnten ferner zugebilligt worden, den Nachweis der Vertretungsmacht zu verlangen, sofern er für diesen Fall die Abgabe eines strafbewehrten Unterlassungsversprechens in Aussicht stellte.60 Mit der Entscheidung des BGH vom 19.5.201061 ist für die Praxis geklärt, dass § 174 BGB jedenfalls auf eine Abmahnung keine Anwendung findet, die mit einem Unterwerfungsvertragsangebot verbunden ist. Folgt man der Lehre von der Doppelnatur der Abmahnung,62 so ist die Frage der ana- 16 logen Anwendung des § 174 BGB schon im Ausgangspunkt für die Fälle zu verneinen, in denen die Abmahnung mit einem Unterwerfungsvertragsangebot verbunden ist; denn bei dieser setzt sich für die hier vorzunehmende rechtsgeschäftliche Beurteilung ihr Charakter als auf den Abschluss eines Vertrags – eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts – gerichtete Willenserklärung durch, auf welche eine Regelung über einseitige Rechtsgeschäfte auch nicht analog Anwendung finden kann.63 Die Folgen eines etwaigen Mangels der Vollmacht ergeben sich aus den §§ 177, 179 BGB: Genehmigt der Vertretene den Vertragsschluss des Vertreters ohne Vertretungsmacht gemäß § 177 Abs. 1 BGB, so wird der Unterwerfungsvertrag wirksam;64 während seiner schwebenden Unwirksamkeit muss der Abgemahnte je-

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55 BGH 19.5.2010 – I ZR 140/08 – GRUR 2010, 1120 – Vollmachtsnachweis m. Anm. Buchmann ZErb 2011, 140, Goldmann GRUR-Prax 2010, 524, Hess jurisPR-WettbR 11/2010 Anm. 2, Höppner jurisPR-ITR 1/2011 Anm. 4, Koch GRUR-Prax 2010, 517, Ludwig K&R 2010, 812. 56 OLG Köln 25.1.1985 – 6 W 159/84 – WRP 1985, 360; OLG Karlsruhe 17.4.1990 – 4 W 117/87 – NJW-RR 1990, 1323; OLG Frankfurt 26.7.2001 – 6 W 132/01 – OLGR 2001, 270; 8.12.2009 – 11 U 72/07 – GRUR-RR 2010, 221. 57 OLG Hamburg 19.7.2007 – 3 U 241/06 – GRUR-RR 2008, 370; LG Hamburg 29.4.2008 – 312 O 913/07 – GRUR-RR 2009, 198, 199. 58 OLG Celle 2.9.2010 – 13 U 34/10 – WRP 2010, 1409. 59 OLG Nürnberg 4.1.1991 – 3 W 3523/90 – GRUR 1991, 387; OLG Düsseldorf 19.4.1999 – 20 W 55/98 – NJWE-WettbR 1999, 263; 13.7.2000 – 20 W 37/00 – WRP 2001, 52; 15.9.2009 – 20 U 164/08 – GRUR-RR 2010, 87 (Zurückweisung nach Fristverlängerungsgesuch nicht unverzüglich i.S.d. § 174 BGB); siehe auch OLG Celle 18.12.1981 – 2 U 202/81 – MDR 1982, 410 (mietrechtliche Abmahnung wegen vertragswidrigen Gebrauchs). 60 OLG Hamburg 11.3.1982 – 3 W 17/82 – WRP 1982, 478; 6.9.1985 – 3 W 98/85 – NJW 1986, 2119; 23.8.2006 – 3 W 88/06 – Magazindienst 2007, 564; KG 14.10.1994 – 5 W 3075/94 – KGR Berlin 1995, 46; OLG Stuttgart 11.6.1999 – 2 W 24/99 – NJWE-WettbR 2000, 125; OLG Dresden 26.8.1998 – 14 W 1697/97 – GRUR 1999, 377 (Ls.), NJWE-WettbR 1999, 140. 61 BGH 19.5.2010 – I ZR 140/08 – GRUR 2010, 1120 – Vollmachtsnachweis. 62 S. Rn. 10. 63 BGH 19.5.2010 – I ZR 140/08 – GRUR 2010, 1120 Tz. 15 – Vollmachtsnachweis; OLG Braunschweig 13.8.2004 – 2 W 101/04 – GRUR 2004, 887; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.27; Teplitzky Kap. 41 Rn. 5; ders. WRP 2010, 1427 f.; Fezer/Büscher § 12 Rn. 10; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 5, 31; Ahrens/Deutsch6 Kap. 1 Rn. 108. Gegen die Anwendung des § 174 BGB auf das Unterwerfungsvertragsangebot auch MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 21; Pfister WRP 2002, 799, 800. 64 Vgl OLG Hamburg 9.1.2007 – 3 U 183/06 – OLGR 2008, 5.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

derzeit mit der Genehmigung durch den Vertretenen rechnen.65 Andernfalls richtet sich die Haftung des vollmachtlosen Vertreters, sofern er den Mangel der Vertretungsmacht kannte, gemäß § 179 Abs. 1 BGB nach Wahl des anderen Teils – hier: des Abgemahnten – auf Erfüllung oder Schadensersatz. Wählt der andere Teil, dessen Vertrauen auf den Bestand der Vollmacht geschützt werden soll, Erfüllung, so begründet § 179 Abs. 1 BGB zwischen den Parteien ein gesetzliches Schuldverhältnis mit wechselseitigen Erfüllungsansprüchen nach Maßgabe des mangels Vertretungsmacht gescheiterten Vertrags.66 Der Abgemahnte wird nun im Falle des vollmachtlosen Unterwerfungsvertragsangebots kaum Erfüllung wählen, also in der Sache das strafbewehrte Unterwerfungsschuldverhältnis zur Entstehung bringen, wenn er nach den konkreten Umständen mit einem Fortbestand der Wiederholungsgefahr und folglich mit der Inanspruchnahme durch weitere Gläubiger rechnen muss. Konstruktiv aber ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass das gemäß § 179 Abs. 1 S. 1 BGB nach Maßgabe des gescheiterten Unterwerfungsvertrags gestaltete gesetzliche Unterwerfungsschuldverhältnis – sofern den sonstigen diesbezüglichen Anforderungen im jeweiligen Einzelfall genügt ist67 – auch die Wiederholungsgefahr entfallen lässt.68 In einem solchen Fall kann der Vertreter ohne Vertretungsmacht dann seinerseits Erfüllung, eben Unterlassung und ggf. auch Vertragsstrafe fordern.69 Kannte der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht, so ist seine Haftung gemäß § 179 Abs. 2 BGB auf das Vertrauensinteresse begrenzt; Erfüllungsansprüche bestehen also nicht.70 Es bleibt die Frage, welche Relevanz die Einordnung der Abmahnung als geschäfts17 ähnliche Handlung im Übrigen – also bei Fehlen71 bzw. ungeachtet72 eines Unterwerfungsvertragsangebots – für die Anwendbarkeit des § 174 BGB besitzt. Denn eine analoge Anwendung der für die Willenserklärung geltenden Vorschriften auf geschäftsähnliche Handlungen kommt nur in Betracht, wenn nicht nur das Gesetz insoweit planwidrig lückenhaft ist, sondern die Charakteristik der geschäftsähnlichen Handlung bei wertender Betrachtung eine Gleichbehandlung mit der Willenserklärung erfordert. Zu fragen ist, ob die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften den spezifischen Eigenarten und der Interessenlage der jeweiligen geschäftsähnlichen Handlung Rechnung trägt; keinesfalls darf sie schematisch erfolgen.73 Die Befürworter der analogen Anwendung des § 174 BGB berufen sich auf das 18 ebenso wie bei der einseitigen Willenserklärung bestehende Interesse des Abgemahnten, Klarheit über das Bestehen der Vollmacht und die Wirksamkeit der Abmahnung zu erlangen.74 Er sei es schließlich, der eine Unterwerfungserklärung abgeben und sich Pflich-

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65 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.27; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 21. 66 MünchKommBGB/Schramm § 179 Rn. 32; Palandt/Ellenberger § 179 Rn. 5. 67 Dazu s. Rn. 113 ff. 68 A.A. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.27; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 21. 69 A.A. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.27. 70 Palandt/Ellenberger § 179 Rn. 7. 71 S Rn. 9. 72 S. Rn. 10 Fn. 41. 73 BGH 17.10.2000 – X ZR 97/99 – BGHZ 145, 343, 348 Tz. 21 (keine analoge Anwendung von § 174 BGB auf die Anmeldung von Ersatzansprüchen nach dem Reisevertragsrecht); siehe auch BAG 14.8.2002 – 5 AZR 341/01 – NJW 2003, 236 Tz. 18 (keine analoge Anwendung von § 174 BGB auf die Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist); Palandt/Ellenberger Überbl v § 104 Rn. 7; Larenz/Wolf Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts9 (2004) § 22 Rn. 7. 74 OLG Nürnberg 4.1.1991 – 3 W 3523/90 – GRUR 1991, 387; OLG Düsseldorf 19.4.1999 – 20 W 55/98 – NJWE-WettbR 1999, 263; 13.7.2000 – 20 W 37/00 – WRP 2001, 52; 15.9.2009 – 20 U 164/08 – GRUR-RR 10, 87; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 78; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 11; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Schwippert § 84 Rn. 14; Ahrens/Achilles Kap. 2 Rn. 15, 17; Ulrich WRP 1998, 258, 259; Ohrt WRP 2002, 1035, 1036; Cichon GRUR-Prax 2010, 124; Nosch S. 27; für die Anwendung des § 174 BGB auf eine Abmahnung ohne Vertragsangebot auch Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.27; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 21.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

ten aus dem Abmahnverhältnis aussetzen solle;75 demgegenüber sei die dem Gläubiger angesonnene Beifügung einer Vollmacht oder ihre direkte Übermittlung an den Schuldner (§ 174 S. 2 BGB) nur geringfügig belastend.76 Eine Würdigung der spezifischen Interessenlage führt allerdings zu dem Ergebnis, 19 dass die analoge Anwendung des § 174 BGB unangemessen ist.77 Mit der (berechtigten) Abmahnung verfolgt der Gläubiger im eigenen, aber – wie § 1 S. 2 UWG zu entnehmen ist – auch allgemeinen Interesse an der Wahrung des unverfälschten Wettbewerbs eilbedürftig die Unterbindung weiterer deliktischer Handlungen des Abgemahnten. Anders als die einseitige Willenserklärung im rechtsgeschäftlichen Kontext der §§ 164 ff. BGB ist die Abmahnung also nicht vorrangig Instrument privatautonomer Rechtsgestaltung, sondern dient der Abwehr fortdauernder Beeinträchtigungen deliktsrechtlich geschützter Interessen des Verletzten. Das Gewissheitsinteresse des Abgemahnten ist in dieser Konstellation eben nicht vergleichbar mit der typischen Schutzbedürftigkeit des Empfängers einer Anfechtung, Kündigung, Zustimmung, Bevollmächtigung oder eines Rücktritts, auf deren Rechtsfolgen er sich einrichten können und deshalb durch das Verlangen der Vollmachtsvorlage sichergehen muss, dass sie nicht mangels Vollmacht gemäß § 180 S. 1 BGB unwirksam sind:78 der Delinquent darf sich bereits durch die Abmahnung als solche – sei sie nun mit oder ohne Vollmacht ausgesprochen – „ertappt“ fühlen und kann sich entsprechend verhalten. Es fehlt also an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte, weil weniger das Interesse des Abgemahnten, sondern vielmehr dasjenige des Abmahnenden die Charakteristik der Abmahnung bestimmt.79 Das Postulat hingegen, die effektive Rechtsdurchsetzung, welcher die Abmahnung zuvörderst dient, möge nicht durch die Auferlegung weiterer Förmlichkeiten erschwert werden,80 ist aus Sicht der Praxis zwar verständlich, dogmatisch allerdings nicht tragend.81 Sollte im Einzelfall dennoch ein berechtigtes Interesse des Abgemahnten an der 20 Vollmachtsvorlage bestehen, so kann diesem dadurch Rechnung getragen werden, dass der Abgemahnte ankündigt, bei Vorlage der Vollmacht eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben82 oder – einem Vorschlag Teplitzkys83 folgend – sich unter der auflösenden Bedingung des innerhalb einer Frist unterbliebenen Nachweises der Vollmacht zu unterwerfen. c) Zugang der Abmahnung. Die Abmahnung kann ihre Streit- und Kostenvermei- 21 dungsfunktion nur erfüllen, wenn sie dem Abgemahnten zugeht.84 Die Frage des Zu-

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75 Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 78. 76 Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 11. 77 Teplitzky Kap. 41 Rn. 6a; ders. WRP 2010, 1427 f; ebenfalls ablehnend: Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 31; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 37; Ahrens/Deutsch6 Kap. 1 Rn. 108; Eichmann FS Helm, S. 287, 312; Heinz/Stillner WRP 1993, 379, 381; Kunath WRP 2001, 238; Pfister WRP 2002, 799, 800; Busch GRUR 2006, 477, 479. 78 Vgl. MünchKommBGB/Schramm § 174 Rn. 1. 79 Vgl. Teplitzky Kap. 41 Rn. 6a; Fezer/Büscher § 12 Rn. 11. 80 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 31; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 20. 81 Vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.27. 82 OLG Hamburg 11.3.1982 – 3 W 17/82 – WRP 1982, 478; 6.9.1985 – 3 W 98/85 – NJW 1986, 2119; 23.8.2006 – 3 W 88/06 – Magazindienst 2007, 564; KG 14.10.1994 – 5 W 3075/94 – KGR Berlin 1995, 46; OLG Stuttgart 11.6.1999 – 2 W 24/99 – NJWE-WettbR 2000, 125; OLG Dresden 26.8.1998 – 14 W 1697/97 – GRUR 1999, 377 (Ls.), NJWE-WettbR 1999, 140; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 33; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 37; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 22. 83 Teplitzky Kap. 8 Rn. 8, Kap. 41 Rn. 6a; ders. VuR 2009, 83, 85 und WRP 2010, 1427, 1431; zustimmend Busch GRUR 2006, 477, 480, u. Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 12 Rn. 22. 84 Köhler FS Erdmann, S. 845, 855.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

gangs der Abmahnung ist aber nicht nur in diesem funktionalen Sinn von Bedeutung, sondern auch für ihre rechtlichen Folgewirkungen. Dass die Abmahnung als geschäftsähnliche Handlung bzw. – sofern sie ein Unterwerfungsvertragsangebot enthält – als Willenserklärung85 nur wirksam ist, wenn sie zugegangen ist, folgt aus § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, dessen ggf. analoge Anwendung – ebenso wie diejenige der weiteren Vorschriften der §§ 130 bis 133 BGB – hier interessengerecht ist.86 22 Anlass zur Klage im Sinne des § 93 ZPO gibt – sofern nicht die Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich ist87 – nur derjenige Antragsgegner/Beklagte, welcher die infolge Zugangs der Abmahnung eröffnete Möglichkeit zur außergerichtlichen Streitbeilegung ungenutzt verstreichen lässt.88 Die Frage, welche Partei im Hinblick auf § 93 ZPO das Risiko des Verlusts der Abmahnung bei der Übermittlung zu tragen habe, hat die Praxis lange Zeit überwiegend zulasten des Abgemahnten beantwortet: es sei dem Abmahnenden nicht zuzumuten und mit der Effektivität der Rechtsdurchsetzung nicht vereinbar, ihn mit dem Kostenrisiko zu belasten, wenn der Abgemahnte im Prozess den Zugang der Abmahnung, welche ihm die Möglichkeit einer kostengünstigen Streitbeilegung verschaffe, bestreite und den Anspruch anerkenne.89 Andere Stimmen hielten hingegen den Abmahnenden für beweisbelastet, weil auch im Rahmen des § 93 ZPO von dem Wirksamkeitserfordernis des Zugangs nicht abgesehen werden könne.90 Der Bundesgerichtshof91 sieht im Sinne der erstgenannten Auffassung den Abgemahnten beweisbelastet, betont jedoch den prozessualen Kontext der Beweislastfrage: Der Abgemahnte berufe sich auf die vom kostenrechtlichen Grundsatz des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO abweichende Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO und müsse folglich deren tatsächliche Voraussetzungen – den Nichtzugang der (empfangsbedürftigen) Abmahnung – darlegen und beweisen. Nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast müsse der Abmahnende sodann durch qualifizierten Vortrag92 zu den genauen Umständen des Versands der Abmahnung den Abgemahnten in die Lage versetzen, den ihm obliegenden

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85 S. Rn. 9 f. 86 Vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.29a, 1.84; Köhler FS Erdmann, S. 845, 855; Nosch S. 17. 87 Dazu Rn. 44 ff. 88 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.29. 89 OLG Köln 3.10.1983 – 6 W 103/83 – GRUR 1984, 142; 25.1.1985 – 6 W 159/84 – WRP 1985, 360; OLG Hamm 30.11.1983 – 4 W 191/83 – WRP 1984, 220; 31.7.1986 – 4 W 65/86 – WRP 1987, 43; OLG Düsseldorf 1.6.1994 – 2 W 17/94 – WRP 1995, 40; OLG Frankfurt a.M. 25.1.1995 – 19 W 18/94 – NJW-RR 1996, 62; OLG Stuttgart 9.2.1996 – 2 W 57/95 – WRP 1996, 477; OLG Jena 16.2.1998 – 2 W 761/97 – OLG-NL 1998, 110; 11.09.2006 – 2 W 371/06 – WRP 2007, 102; OLG Karlsruhe 11.6.2003 – 6 U 210/02 – WRP 2003, 1146; OLG Dresden, zitiert bei Marx WRP 2004, 970, unter Aufgabe von 10.9.1997 – 14 W 854/97 – WRP 1997, 1201; OLG Braunschweig 13.8.2004 – 2 W 101/04 – GRUR 2004, 887; Teplitzky9 Kap. 41 Rn. 6b; ders. WRP 2005, 654, 655; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 25 f.; Fezer/Büscher § 12 Rn. 6; Melullis Rn. 793a; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 24 f.; Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 12 Rn. 44; Ahrens/Deutsch6 Kap. 1 Rn. 100 f. 90 KG 2.4.1992 – 25 W 939/92 – WRP 1992, 716; 21.10.1993 – 25 W 5805/93 – WRP 1994, 39; OLG Düsseldorf 14.6.1996 – 20 W 13/96 – NJWE-WettbR 1996, 256; 21.6.2000 – 2 W 23/00 – GRUR-RR 2001, 199; OLG Dresden 10.9.1997 – 14 W 854/97 – WRP 1997, 1201; OLG Schleswig 25.4.2007 – 6 W 10/07 – GRUR-RR 2008, 138; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 73, 80; Hefermehl/Köhler/Bornkamm27 (2009) § 12 Rn. 1.33; Ulrich WRP 1998, 124 f.; Eichmann FS Helm, S. 287, 310 f. 91 21.12.2006 – I ZB 17/06 – GRUR 2007, 629 Tz. 13 – Zugang des Abmahnschreibens m. Anm. Hess jurisPR-WettbR 7/2007 Anm. 4 = jurisPR extra 2007, 203 und Stürner jurisPR-BGHZivilR 50/2007 Anm. 4.; so bereits Ahrens Wettbewerbsverfahrensrecht (1983) S. 140; hierzu auch Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.33a und – ebenfalls zustimmend – Fezer/Büscher § 12 Rn. 7, Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 32, Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 15 (mit Einschränkungen), Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 6 mit Fn. 27 a.E.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 32 f. und Teplitzky Kap. 41 Rn. 6b. 92 Nicht aber durch den Beweis desselben: die Beweislast verbleibt beim Abgemahnten, s. Fezer/ Büscher § 12 Rn. 7; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 32; Stürner jurisPR-BGHZivilR 50/2007 Anm. 4.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Beweis einer negativen Tatsache zu führen. Diese Lösung überzeugt, weil die Anwendung allgemeiner Grundsätze der Darlegungslast angemessene Ergebnisse ermöglicht und zugleich das materiellrechtlich zwingende Erfordernis des Zugangs der Abmahnung unberührt bleibt.93 Soweit der Zugang der Abmahnung tatsächliche Voraussetzung einer vom Abmah- 23 nenden klageweise geltend gemachten materiellrechtlichen Anspruchsnorm ist, verbleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass er für sämtliche Tatbestandsmerkmale dieser Norm darlegungs- und beweispflichtig ist. Macht der Abmahnende also Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 S. 2 geltend oder verlangt er Schadensersatz wegen Verletzung einer aus dem Abmahnverhältnis resultierenden Aufklärungspflicht, so hat er auch den Zugang der Abmahnung als Wirksamkeitsvoraussetzung darzulegen und zu beweisen.94 Eine Willenserklärung ist zugegangen, wenn sie so in den Bereich des Empfängers 24 gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat.95 Für den Zeitpunkt des Zugangs ist darauf abzustellen, wann nach der Verkehrsanschauung mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist; dies ist nicht nach den individuellen Verhältnissen des Empfängers,96 sondern einer generalisierten Betrachtungsweise zu beurteilen.97 Briefe gehen mit Aushändigung an den Empfänger, bei Einwurf in einen Briefkasten oder ein Postfach dann zu, sobald mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist.98 Ein Telefax ist spätestens mit Abschluss des Druckvorgangs,99 nach neuerer Auffassung bereits mit Abschluss der Speicherung100 am Empfangsgerät des Adressaten zugegangen; erfolgt dies außerhalb der üblichen Geschäftszeit, so geht das Telefax erst am folgenden Werktag zu.101 E-Mails gehen im Grundsatz mit abrufbarer Speicherung im Postfach des Empfängers zu, sofern dieser seine E-Mail-Adresse durch Verwendung nicht nur in privatem, sondern geschäftlichem Zusammenhang zum Empfang von Willenserklärungen im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt hat.102 Eine gefestigte Verkehrsanschauung zur Frage des Zeitpunkts üblicher Kenntnisnahme einer E-mail besteht allerdings (noch) nicht; man wird im geschäftlichen Verkehr je nach den Umständen des

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93 Ahrens/Achilles Kap. 2 Rn. 40; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 6; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 32; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 32. 94 KG 14.5.2013 – 5 U 49/12 – WRP 2013, 1061; LG Hamburg 22.8.1995 – 312 O 264/95 – Magazindienst 1996, 122; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 6; Fezer/Büscher § 12 Rn. 65; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn 34; Goldbeck S. 74; Teplitzky Kap. 41 Rn. 88a; s. auch Köhler FS Erdmann, S. 845, 854; a.A. Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 82. 95 BGH 3.11.1976 – VIII ZR 140/75 – BGHZ 67, 271; 13.2.1980 – VIII ZR 5/79 – NJW 1980, 990; 26.11.1997 – VIII ZR 22/97 – BGHZ 137, 205; 21.1.2004 – XII ZR 214/00 – NJW 2004, 1320; BAG 11.11.1992 – 2 AZR 328/92 – NJW 1993, 1093; Palandt/Ellenberger § 130 Rn. 5. 96 Erlangt allerdings der Empfänger tatsächlich früher als üblicherweise zu erwarten Kenntnis, so ist Zugang bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgt, s. Palandt/Ellenberger § 130 Rn. 5; MünchKommBGB/Einsele § 130 Rn. 16. 97 BGH 21.1.2004 – XII ZR 214/00 – NJW 2004, 1320 Tz. 16; Palandt/Ellenberger § 130 Rn. 6. 98 Palandt/Ellenberger § 130 Rn. 6; s. auch BGH 10.2.1994 – IX ZR 7/93 – VersR 1994, 586. 99 BGH 3.6.1987 – IVa ZR 292/85 – BGHZ 101, 276; 21.1.2004 – XII ZR 214/00 – NJW 2004, 1320 Tz. 13; Palandt/Ellenberger § 130 Rn. 7. 100 So in Übertragung des in BGH 25.4.2006 – IV ZB 20/05 – BGHZ 167, 214 für das Rechtsmittel-Telefax aufgestellten Grundsatzes auf den Rechtsverkehr zwischen Privaten BGH 7.7.2011 – I ZB 62/10 – GRUR-RR 2011, 344 (Ls.) – Faxzugang; OLG Celle v. 19.6.2008 – 8 U 80/07 – VersR 2008, 1477; OLG Karlsruhe 30.9.2008 – 12 U 65/08 – VersR 2009, 245; Erman/Palm § 130 Rn. 9. 101 OLG Rostock 24.9.1997 – 5 U 23/96 – NJW-RR 1998, 526, 527. 102 OLG Köln 5.12.2006 – 3 U 167/05 – Hamburger Seerechts-Report 2007, 109 (red. Ls.); LG Hamburg 7.7.2009 – 312 O 142/09 – MMR 2010, 654; hierzu Ernst/Wittmann MarkenR 2010, 273; AG Meldorf 29.3.2011 – 81 C 1601/10 – Beck RS 2011 06904 m. Anm. Klinger jurisPR-ITR 9/2011 Anm. 2; Palandt/Ellenberger § 130 Rn. 7a; MünchKommBGB/Einsele § 130 Rn. 18.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Einzelfalls von einer regelmäßigen Kontrolle des Postfaches ausgehen dürfen.103 Im Falle der Verwendung einer E-Mail-Adresse zu ausschließlich privaten Zwecken ist sie allerdings mangels entsprechender Widmung keine geeignete Empfangseinrichtung für rechtsgeschäftliche Erklärungen.104 Für die Sicherheit des Zugangsbeweises textlicher Erklärungen gilt: Die Absendung 25 des Briefs begründet keinen Anscheinsbeweis für seinen Zugang.105 Ob die ordnungsgemäße Dokumentation eines Einwurf-Einschreibens die Annahme eines Anscheinsbeweises rechtfertigt, wird zwar vermehrt angenommen, aber nicht einheitlich beurteilt.106 Im Falle des Übergabe-Einschreibens wird zwar die Übergabe der Sendung an den Empfänger auf dem Rückschein beweiskräftig dokumentiert; trifft aber der Zusteller den Empfänger nicht an, so bewirkt die Hinterlassung eines Benachrichtigungsscheins noch nicht107 ihren Zugang.108 Der mit „ok“-Vermerk versehene Telefax-Sendebericht rechtfertigt ebenso wenig eine tatsächliche Vermutung für den Zugang der Abmahnung109 wie eine E-Mail-Sendebestätigung; allerdings kommt nach vordringender Auffassung die Annahme eines Anscheinsbeweises in Betracht, wenn der Versender der E-Mail eine Eingangs- oder Lesebestätigung vorweisen kann.110 Will man die vorgenannten Unwägbarkeiten des Zugangsnachweises ausschließen, so bleibt nur die – allerdings kostenträchtige und zeitaufwändige, daher in der Abmahnpraxis kaum in Betracht kommende – Zustellung vermittels des Gerichtsvollziehers gemäß § 132 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 193 f. ZPO. Jedenfalls dürfte es angebracht sein, durch die Wahl paralleler Übermittlungswege das Verlustrisiko zu verringern.111 Pragmatisch ist auch die Empfehlung, Sicherheit über den Zugang der etwa per Telefax oder E-Mail versandten Abmahnung durch sodann aktenmäßig zu notierende telefonische Nachfrage beim Empfänger zu erlangen.112 Zur ordnungsgemäßen Absendung der Abmahnung gehört die zutreffende Na26 mens- und Adressbezeichnung und (bei Postversand) Frankierung.113 Die fehlerhafte Bezeichnung der Firma oder Rechtsform des Adressaten steht dem Zugang der Ab-

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103 Siehe die in voranstehender Fn. genannten Nachweise sowie Ultsch NJW 1997, 3007; Dörner AcP 202 (2002) 263; Mankowski NJW 2004, 1901, 1902; Janal MDR 2006, 368. 104 MünchKommBGB/Einsele § 130 Rn. 18; Reichold in: jurisPK-BGB5 (2010) § 130 Rn. 15; Ultsch NJW 1997, 3007; Dörner AcP 202 (2002) 363, 368 a.A. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.30; Ernst NJW-CoR 1997, 165, 166; Mankowski NJW 2004, 1901, 1902. 105 BGH 17.2.1964 – II ZR 87/61 – NJW 1964, 1176; OLG Hamm 27.9.1990 – 4 W 89/90 – GRUR 1991 254; OLG Schleswig 13.2.2004 – 4 U 67/03 – SchlHA 2005, 50; Palandt/Ellenberger § 130 Rn. 21. 106 Dafür OLG Saarbrücken 20.3.2007 – 4 U 83/06 – OLGR 2007, 601; LAG Köln 14.8.2009 – 10 Sa 84/09 – Arbeitsr. Entscheidungen 2010, 90 (starke Indizwirkung); AG Paderborn 3.8.2000 – 51 C 76/00 – NJW 2000, 3722; AG Erfurt 20.6.2007 – 5 C 1734/06 – MDR 2007, 1338; Palandt/Ellenberger § 130 Rn. 21; Reichert NJW 2001, 2523, 2524; Putz NJW 2007, 2450; ablehnend LAG Hamm 5.8.2009 – 3 Sa 1677/08 – PflegeRecht 2010, 72; AG Kempten 22.8.2006 – 11 C 432/05 – NJW 2007, 1215; Bauer/Diller NJW 1998, 2795. 107 U.U. aber die Versäumung der Abholfrist durch den Empfänger, dazu sogleich Rn. 27. 108 BGH 3.11.1976 – VIII ZR 140/75 – BGHZ 67, 271, 275; 26.11.1997 – VIII ZR 22/97 – BGHZ 137, 205; OLG Brandenburg 3.11.2004 – 9 UF 177/04 – NJW 2005, 1585; OLG Hamburg 25.4.2012 – 3 W 2/12 – WRP 2012, 1153 (auch zur Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast im Eilverfahren bei Streit um die tatsächlichen Voraussetzungen der Annahme einer Zugangsfiktion bei nicht abgeholtem Einschreiben); Reichold in: jurisPK-BGB5 (2010) § 130 Rn. 41; MünchKommBGB/Einsele § 130 Rn. 21, 38. 109 OLG Schleswig 25.4.2007 – 6 W 10/07 – GRUR-RR 2008, 138; siehe auch BGH 7.12.1994 – VIII ZR 153/93 – NJW 1995, 665; a.A. Gregor NJW 2005, 2885. 110 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.30; Fezer/Büscher § 12 Rn. 8; Mankowski NJW 2004, 1901 f. 111 BGH 21.12.2006 – I ZB 17/06 – GRUR 2007, 629 Tz. 13 – Zugang des Abmahnschreibens; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.35; aus Praktikabilitätsgründen ablehnend MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 29. 112 juris-PK/Hess § 12 Rn. 16. 113 Zu Adressfehlern siehe OLG Düsseldorf 10.7.1996 – 2 W 20/96 – WRP 1996, 1111; OLG Köln 21.1.2008 – 6 W 182/07 – Magazindienst 2008, 804.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

mahnung allerdings nicht im Wege, wenn sich aus den Umständen ohne weiteres ergibt, dass Adressat der Inhaber des angeschriebenen Unternehmens ist.114 Gleichermaßen muss ein Filialunternehmen den Zugang der Abmahnung bei einer Zweigstelle gegen sich gelten lassen, die – etwa weil sie in der angegriffenen Werbung genannt ist – als Empfangseinrichtung des Unternehmens anzusehen ist.115 Die Abmahnung darf an eine in der Werbung genannte Adresse des Werbenden versandt werden.116 Die an einen Minderjährigen gerichtete Abmahnung bedarf für ihre Wirksamkeit gemäß § 131 Abs. 1 und 2 BGB (analog) des Zugangs an den gesetzlichen Vertreter.117 Ist der Zugang der Abmahnung für den Absender erkennbar fehlgeschlagen, so muss er nochmals abmahnen, sofern nicht der damit verbundene weitere Zeitverlust unzumutbar ist.118 Für die unberechtigte Annahmeverweigerung im Rahmen (vor-)vertraglicher Be- 27 ziehungen ist anerkannt, dass der Empfänger einer Willenserklärung, welcher ihre Entgegennahme ohne Grund verweigert, obwohl er mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, sich ggf. gemäß § 242 BGB so behandeln lassen muss, als wäre die Abmahnung zugegangen (Zugangsfiktion); Zugangszeitpunkt ist das Angebot zur Aushändigung.119 Eine Wiederholung des Zustellversuchs darf angesichts der eindeutigen Willensbetätigung des Empfängers als sinnlos erachtet werden.120 Die Übertragung dieser Grundsätze auf die wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist geboten: Der im geschäftlichen Verkehr Handelnde muss stets – umso mehr im Falle wettbewerbswidrigen Verhaltens – mit dem Zugang sein Unternehmen betreffender, rechtserheblicher Erklärungen rechnen und hat diese, werden sie ihm dargeboten, auch entgegenzunehmen.121 Wird hingegen ein bei der Post niedergelegtes Einschreiben mit Rückschein nicht abgeholt und geht dieses nach Ablauf der Lagerfrist an den Absender zurück, so kommt dem Versäumnis des Empfängers im Stadium der Vertragsanbahnung nach Auffassung des Bundesgerichtshofs erst dann ein die Zugangsfiktion nach Treu und Glauben auslösendes Gewicht zu, wenn der Absender alles für den Zugang Erforderliche und ihm Zumutbare getan habe; dies erfordere einen weiteren Zustellversuch.122 Dies wird auch

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114 OLG Celle 4.7.2011 – 13 W 58/11 – WRP 2011, 1669; OLG Frankfurt 6.10.2008 – 6 W 89/08 – WRP 2009, 347; kein Zugang daher in OLG Düsseldorf 10.7.1996 – 2 W 20/96 – WRP 1996, 1111; s. auch OLG Dresden 10.9.1997 – 14 W 854/97 – WRP 1997, 1201; LG Göttingen 30.4.2010 – 7 O 66/09 – WRP 2010, 1292 (red. Ls.); Ahrens/Achilles Kap. 2 Rn. 23. 115 OLG Stuttgart 9.10.1997 – 3 W 33/97 – WRP 97, 1232 (red.Ls.); OLG Naumburg 30.12.1998 – 7 W 41/98 – WRP 1999, 570; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.30; Teplitzky9 Kap. 41 Rn. 6b Fn. 46. 116 LG Neuruppin 23.8.1995 – 6 O 60/95 – WRP 1995, 1003. 117 OLG München 28.9.2001 – 29 W 2398/01 – ZUM-RD 2001, 561, Magazindienst 2001, 1415; AG Meldorf 14.12.1988 – 31 C 585/87 – NJW-RR 89, 2548; offengelassen in BGH 3.2.2011 – I ZA 17/10 – GRUR-RR 2011, 159 (Ls.), ZUM 2011, 493 Tz. 7; Teplitzky9 Kap. 41 Rn. 6b Fn. 46; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 27. 118 KG 7.5.1992 – 25 W 726/92 – WRP 1992, 716; OLG Frankfurt 8.10.1979 – 6 W 98/79 – GRUR 1980, 186; OLG Köln 6.6.1988 – 6 W 36/88 – NJW-RR 1989, 58; OLG Stuttgart 30.12.1982 – 2 68/82 – WRP 1983, 361; LG Berlin 11.3.2008 – 15 O 545/06 – Magazindienst 2008, 537; a.A. OLG Bremen 21.5.1993 – 2 W 36/93 – (juris). 119 BGH 27.10.1982 – V ZR 24/82 – NJW 1983, 929; BGH 17.4.1996 – IV ZR 202/95 – NJW 1996, 1967; OLG Hamm 5.10.2010 – 4 U 64/10 – Magazindienst 2011, 34; Reichold in: jurisPK-BGB5 (2010) § 130 Rn. 27. Weitere Begründungen in der Literatur: die Erklärung sei bereits in den Machtbereich des Empfängers gelangt, s. Erman/Palm § 130 Rn. 23; der Empfänger verletze schuldhaft seine Obliegenheit zur Entgegennahme, s. MünchKommBGB/Einsele § 130 Rn. 18. 120 BGH 27.10.1982 – V ZR 24/82 – NJW 1983, 929; 26.11.1997 – VIII ZR 22/97 – BGHZ 137, 205 unter II.2.a). 121 KG 9.2.1989 – 25 U 3910/88 – GRUR 1989, 618; OLG Hamm 5.10.2010 – 4 U 64/10 – Magazindienst 2011, 34; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.34a; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 28. 122 BGH 26.11.1997 – VIII ZR 22/97 – BGHZ 137, 205 unter II.2.a); anders noch BGH 18.12.1970 – IV ZR 52/69 – VersR 1971, 262; 3.11.1976 – VIII ZR 140/75 – BGHZ 67, 271; ablehnend MünchKommBGB/Einsele § 130 Rn. 38, die von ggf. entschuldbarer Obliegenheitsverletzung ausgeht. Zur möglichen Exkulpation siehe auch OLG Bamberg 21.5.2010 – 4 W 38/10 – WM 2010, 1457, sowie zum verspäteten Zugang infolge Nachsendeauftrags BGH 17.4.1996 – IV ZR 202/95 – NJW 1996, 1967.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

für den Bereich des Wettbewerbsrechts zu gelten haben, sofern nicht aufgrund eines besonderen Eilbedürfnisses im Einzelfall ein nochmaliger Zustellversuch dem Abmahnenden schlechthin nicht zumutbar und die Annahme der Zugangsfiktion deshalb angemessen ist.123 28

3. Inhalt der Abmahnung. Die Abmahnung kann ihre Streitvermeidungsfunktion nur erfüllen, wenn sie den Abgemahnten in die Lage versetzt, die Berechtigung des vom Abmahnenden geltend gemachten Unterlassungsbegehrens zu prüfen. Es muss sich aus der Abmahnung also ergeben, wer gegenüber wem einen Anspruch geltend macht und welcher Vorwurf erhoben wird; um den Weg zur Streiterledigung zu weisen, ist weiter das Verlangen nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung, ferner eine Erklärungsfrist und – für den Fall, dass die Unterwerfung nicht erfolge – die Androhung gerichtlicher Maßnahmen erforderlich.124

a) Angabe der Parteien. Die genaue Bezeichnung der Parteien ist im Hinblick auf den angestrebten Unterwerfungsvertrag wichtig, damit im Verletzungsfall keine Zweifel über die Identität von Gläubiger und Schuldner bestehen.125 Die Bezeichnung des Abmahnenden dient zudem der Überprüfung seiner Abmahnbefugnis, also der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 Nrn. 1 bis 4. Diese Prüfung ist für den Abgemahnten von Bedeutung, weil die Unterwerfung nur dann den Wegfall der Wiederholungsgefahr zur Folge haben kann, wenn sie gegenüber einem nach dem UWG anspruchsberechtigten Gläubiger erfolgt.126 Soweit die der Anspruchsberechtigung zugrunde liegenden Tatsachen nicht – insbesondere bei der Abmahnung durch Mitbewerber oder geläufige Einrichtungen nach Nr. 2 – dem Abgemahnten bekannt sind oder sich aus den Umständen hinreichend klar ergeben, ist in der Abmahnung hierzu schlüssig vorzutragen; die Vorlage von Beweismitteln ist nicht erforderlich.127 Ein auf der Grundlage von § 8 Abs. 3 Nr. 2 vorgehender Verband muss dann Angaben zum Satzungszweck, zu der Anzahl der auf demselben Markt tätigen Mitgliedsunternehmen und der persönlichen, sachlichen und finanziellen Ausstattung machen.128 Ein Verbraucherverband nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 hat auf den Umstand seiner Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen hinzuweisen. 30 Im Falle von Zweifeln an der Anspruchsberechtigung des Abmahnenden empfiehlt es sich für den Abgemahnten, bei der auf weitere Informationen zielenden Rückfrage Unterwerfungsbereitschaft für den Fall ihrer Beibringung anzukündigen, um dem Anschein unzulässiger Verzögerung vorzubeugen.129 Die Abmahnung ist an den Schuldner des Unterlassungsanspruchs zu richten, also 31 denjenigen, der als Täter oder Teilnehmer (Anstifter, Gehilfe) den lauterkeitsrechtlichen 29

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123 Vgl. Nosch S. 19. Einen weiteren Zustellversuch halten für stets unzumutbar Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.34a sowie MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 28; s. auch OLG Karlsruhe 4.11.1996 – 6 W 123/96 – WRP 1997, 477. S. auch OLG Hamburg 25.4.2012 – 3 W 2/12 – WRP 2012, 1153. 124 Diese Voraussetzungen sind unstreitig, s. nur Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.12; Fezer/Büscher § 12 Rn. 12; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 38. 125 Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 40. 126 Teplitzky Kap. 7 Rn. 4. 127 OLG Köln 25.1.1985 – 6 W 159/84 – WRP 1985, 360; OLG Hamburg 20.2.2009 – 3 W 161/08 – K&R 2009, 406; Fezer/Büscher § 12 Rn. 12; Ahrens/Achilles Kap. 2 Rn. 21; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.13; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 29. 128 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.13; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 32; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 38. 129 OLG Hamburg 11.3.1982 – 3 W 17/82 – WRP 1982, 478; 20.2.2009 – 3 W 161/08 – K&R 2009, 406; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 115 schlägt alternativ eine Unterwerfung unter der auflösenden Bedingung vor, dass die Informationen nicht erfolgen.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Verstoß oder die Schutzrechtsverletzung begangen hat. Die Inanspruchnahme des Störers, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung des rechtswidrigen Zustands mitgewirkt hat,130 kommt in der Praxis nunmehr allein noch im Bereich der Verletzung absoluter (Schutz-)Rechte in Betracht, weil der Bundesgerichtshof die Störerhaftung im Lauterkeitsrecht nicht mehr anwendet.131 Abzumahnen sind auch Organe juristischer Personen, persönlich haftende Gesellschafter von Personengesellschaften und handelnde Mitarbeiter, die neben der Gesellschaft in Anspruch genommen werden sollen.132 Die Frage nach der Abmahnobliegenheit gegenüber jedem einzelnen dieser Schuldner ist mit Blick auf die Streitvermeidungsfunktion der Abmahnung zu beantworten: Weil aus dem Umstand, dass sich das Unternehmen nicht unterwirft, nicht mit hinreichender Sicherheit allgemein darauf geschlossen werden kann, dass seine Organe, persönlich haftenden Gesellschafter oder handelnden Mitarbeiter sich gleichfalls nicht unterwerfen werden, behält die Streitvermeidungsfunktion der Abmahnung in jedem dieser Schuldverhältnisse eigenständige Bedeutung.133 Umgekehrt kann auf die Abmahnung einer Gesellschaft nicht verzichtet werden, wenn nur ihr Organ erfolglos abgemahnt wurde: hier muss der Gläubiger damit rechnen, dass das Organ nur wegen des Fehlens zusätzlicher Voraussetzungen der persönlichen Haftung134 die Unterwerfung abgelehnt hat.135 Auch im Falle kapitalmäßig und persönlich verbundener Unternehmen, die einen gemeinschaftlichen Verstoß begangen haben, ist Vorsicht geboten: Zwar mag nach den Gegebenheiten des Einzelfalls die Abmahnung nicht nur des einen, sondern auch des anderen Unternehmens tatsächlich als unnötiger Formalismus betrachtet werden.136 Das Risiko der Bewertung allerdings, die Nichtunterwerfung des einen Unternehmens gelte auch im Verhältnis zum Schwesterunternehmen als Klageveranlassung im Sinne des § 93 ZPO, trägt allein der Gläubiger; eine getrennte Abmahnung ist deshalb auch hier ratsam. b) Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhaltens. Dem Abgemahnten muss die „ge- 32 nau bezeichnete“ Verletzungshandlung mitgeteilt werden.137 Nur wenn der Abge-

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130 So die herkömmliche Definition, s. BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53 – BGHZ 14, 163 unter III. – Constanze II; 5.12.1975 – I ZR 122/74 – GRUR 1976, 256, 257 – Rechenscheibe; 7.7.1988 – I ZR 36/87 – GRUR 1988, 829 unter II.2.a) – Verkaufsfahrten II; 9.2.2006 – I ZR 124/03 – GRUR 2006, 875 Tz. 32 – RechtsanwaltsRanglisten; Teplitzky Kap. 14 Rn. 4. 131 BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 48 – Kinderhochstühle im Internet I; tendenziell distanziert bereits BGH 15.5.2003 – I ZR 292/00 – GRUR 2003, 969, 970 – Ausschreibung von Vermessungsleistungen; 24.6.2003 – KZR 32/02 – BGHZ 155, 189 unter II.1.a) – Buchpreisbindung; 11.3.2004 – I ZR 304/01 – BGHZ 158, 236 unter II.2.b)bb)(1)– Internet-Versteigerung I. Hierzu im Einzelnen § 8 Rn. 100 ff. und Teplitzky Kap. 14 Rn. 4 ff. 132 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.14; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 36. 133 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.14; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 36; a.A. für den Fall der Abmahnung eines Unternehmens, nicht aber auch des ebenfalls in Anspruch genommenen Organs LG Berlin 4.8.1977 – 16 O 219/77 – WRP 1977, 671; LG Dortmund 4.12.2003 – 16 O 107/03 – WRP 2004, 520 (Ls.); auch nach Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 37 ist die zusätzliche Abmahnung des Organs „in der Regel“ entbehrlich. 134 So haftet das Organ für Verstöße der Gesellschaft nur dann persönlich, wenn es selbst an der Rechtsverletzung entweder durch positives Tun beteiligt war oder aufgrund einer deliktsrechtlichen Garantenstellung sie hätte verhindern müssen, BGH 18.6.2014 – I ZR 242/12 – WM 2014, 1479 – Geschäftsführerhaftung; weniger restriktiv die frühere Rspr., s. BGH 26.9.1985 – I ZR 86/83 – GRUR 1986, 248, 251 – Sporthosen; 22.4.2009 – I ZR 216/06 – GRUR 2009, 845 Tz. 47 – Internet-VideoRecorder. 135 KG 8.3.2011 – 5 U 155/10 – Magazindienst 2011, 499. 136 OLG Hamburg 19.9.1973 – 3 W 117/73 – WRP 1973, 537; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.14; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 35. 137 RegE UWG 2003 S. 25.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

mahnte erkennen kann, welcher Vorwurf ihm gemacht wird, ist er in der Lage zu beurteilen, ob er dem Unterwerfungsverlangen Folge leisten soll; die Abmahnung hat daher die konkrete Verletzungshandlung in charakteristischer Weise zu bezeichnen und den daraus hergeleiteten Wettbewerbsverstoß anzugeben.138 Beweismittel sind nicht erforderlich.139 Kommt es, weil der Abgemahnte sich nicht unterworfen hat, sodann zum Prozess, hat er nur insoweit Veranlassung zur Klage gegeben, als der mit der Klage verfolgte prozessuale Anspruch bereits Gegenstand der Abmahnung war.140 Verfehlt daher die Beschreibung in der Abmahnung das tatsächliche Geschehen, so ist sie unwirksam.141 Eine rechtliche Bewertung des gerügten Verstoßes ist nicht konstitutiver Bestandteil der Abmahnung, daher berührt auch eine unrichtige rechtliche Qualifizierung die Wirksamkeit der Abmahnung nicht.142 Mit der neuerdings durch den Bundesgerichtshof verfolgten Ausdehnung des Streitgegenstandsbegriffs143 verringert sich zudem das Risiko des Abmahnenden, dass eine Modifikation der in der Abmahnung vorgenommenen Einordnung im gerichtlichen Verfahren als streitgegenstandsrelevant angesehen wird und dem Gegner hinsichtlich eines im Gerichtsverfahren „neu“ hinzugekommenen Streitgegenstands die Möglichkeit des sofortigen Anerkenntnisses eröffnet. So sieht der BGH neuerdings etwa eine zum Gegenstand der Beanstandung gemachte konkrete Verletzungshandlung als einen Streitgegenstand an, mag sie auch unter mehreren tatsächlichen Aspekten als irreführend144 oder unter verschiedenen lauterkeitsrechtlichen Aspekten145 beanstandet werden. Im Markenrecht steht durch die Positionierung des BGH nunmehr für die Praxis fest, dass Identitäts-, Verwechslungs- und Bekanntheitsschutz gem. § 14 Abs. 2 Nrn. 1–3, § 15 Abs. 2 u. 3 MarkenG einen einheitlichen Streitgegenstand bil-

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138 OLG Hamburg 18.7.1988 – 3 W 87/88 – WRP 1989, 32; 1.7.1994 – 3 W 92/94 – WRP 1995, 125; 5.3.1996 – 3 W 17/96 – 3 W 18/96 – 3 W 19/96 – WRP 1996, 773; OLG Köln 31.3.1987 – 6 W 14/87 – WRP 1988, 56; OLG Düsseldorf 11.7.1991 – 2 W 32/91 – OLGR Düsseldorf 1991, 13; OLG Koblenz 22.1.1981 – 6 U 1037/80 – GRUR 1981, 671; 6.6.1983 – 6 W 246/83 – WRP 1983, 700; OLG Bremen 30.3.1987 – 2 W 8/87 – NJW-RR 1988, 625; OLG Frankfurt 29.1.1987 – 6 W 284/86 – GRUR 1988, 32; OLG München 1.4.1997 – 29 W 1034/97 – NJWEWettbR 1998, 65; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 14; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 39; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.15; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 37; vgl. auch (zu einer urheberrechtlichen Abmahnung) OLG Köln 4.6.2012 – 6 W 81/12 – Magazindienst 2012, 749. 139 KG 4.1.1983 – 5 W 5541/82 – GRUR 1983, 673; vgl. auch OLG Hamburg 1.8.1990 – 3 W 79/90 – GRUR 1991, 81 (Ls.). 140 Vgl. KG 11.9.2007 – 5 W 85/06 – GRUR-RR 2008, 29; Teplitzky Kap. 41 Rn. 15. 141 BGH 11.12.2003 – I ZR 74/01 – GRUR 2004, 344 Tz. 27 – Treue-Punkte; OLG Düsseldorf 11.7.1991 – 2 W 32/91 – OLGR 1991, 13; 15.1.2008 – 20 U 108/07 – (juris); vgl. auch KG 19.10.1979 – 5 W 2299/79 – WRP 1980, 80; OLG Hamburg 9.7.1998 – 3 U 220/97 – WRP 1999, 969, 970; 20.7.2006 – 5 W 86/06 – GRUR-RR 2007, 175; LG Dresden 20.2.2006 – 44 O 508/05 – InstGE 6, 288. 142 KG 20.7.2012 – 5 U 90/11 – WRP 2012, 1562; OLG Hamburg 30.9.1992 – 3 W 105/92 – Magazindienst 1993, 137; OLG Koblenz 22.1.1981 – 6 U 1037/80 – GRUR 1981, 671; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 42; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.15; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 42; Teplitzky Kap. 41 Rn. 15. 143 BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10 – GRUR 2012, 184 Tz. 15 m. Anm. Heil – Branchenbuch Berg; 8.3.2012 – I ZR 75/10 – GRUR 2012, 621 – OSCAR; 13.9.2012 – I ZR 230/11 – BGHZ 194, 314 – Biomineralwasser; s. M. Schmidt GRURPrax 2012, 179 ff.; Teplitzky GRUR 2011, 1091; ders. WRP 2012, 261 ff. Zur Streitgegenstandsproblematik im Einzelnen s. § 12 Rn. 208 ff. 144 BGH 30.6.2011 – I ZR 157/10 – GRUR 2012, 184 Tz. 15 – Branchenbuch Berg; 13.9.2012 – I ZR 230/11 – BGHZ 194, 314 – Biomineralwasser; OLG Hamburg 3.5.2012 – 3 U 155/10 – WRP 2012, 1594; anders früher BGH 8.6.2000 – I ZR 269/97 – GRUR 2001, 181 unter II.2.a)aa) – dentalästhetika I; 28.3.2002 – I ZR 283/99 – GRUR 2002, 725 unter II.2 – Haar-Transplantationen; 15.3.2003 – I ZR 217/00 – GRUR 2003, 798 unter II.3.c)aa) – Sanfte Schönheitschirurgie; s. Teplitzky WRP 2012, 261, 262. 145 BGH 24.1.2013 – I ZR 136/11 – GRUR 2013, 951- Regalsystem (zu § 4 Nr. 9 lit. a] und b]); 16.5.2013 – I ZR 175/12 – GRUR 2014, 91 – Treupunkte-Aktion (zu § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und § 4 Nr. 4); 17.7.2013 – I ZR 34/12 – GRUR 2014, 298 – Runes of Magic (zu § 3 Abs. 3 i.V.m. Nr. 28 des Anhangs und § 4 Nrn. 1 und 2); 17.7.2013 – I ZR 21/12 – GRUR 2013, 1052 – Einkaufswagen II (zu § 4 Nr. 9 lit. a] und b] sowie § 5 Abs. 2).

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

den.146 Es bleibt aber dabei, dass jedes Schutzrecht stets einen eigenen Streitgegenstand darstellt,147 und zwar auch, wenn die Rechtsverfolgung auf Schutzrechte sowie lauterkeitsrechtliche Grundlagen gestützt wird. 148 Geht die gerichtliche Inanspruchnahme daher über die Abmahnung hinaus, weil ein weiteres, in der Abmahnung nicht genanntes Schutzrecht geltend gemacht wird, so hat der Abgemahnte insoweit keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.149 Liegen mehreren mit der Abmahnung erhobenen Vorwürfen verschiedene Streit- 33 gegenstände zugrunde, so empfiehlt es sich klarzustellen, welcher der Streitgegenstände beanstandet wird oder dass die Abmahnung sich auf sämtliche Streitgegenstände (kumulativ) bezieht; von einer alternativen Geltendmachung ist abzuraten.150 Zwar unterliegt die Abmahnung als vorprozessuale Handlung nicht dem strengen prozessualen Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der eine alternative Klagehäufung ausschließt;151 auch eine nach diesem Maßstab unbestimmte Abmahnung vermag einen Erstattungsanspruch auszulösen.152 Jedoch kann die Abmahnung ihre Streitbeilegungsfunktion nur erfüllen, wenn sie dem Abgemahnten bei einer Mehrheit von Streitgegenständen Klarheit darüber verschafft, hinsichtlich welchen Streitgegenstands eine gerichtliche Auseinandersetzung droht. Darf der Abgemahnte wegen der unklaren Fassung der Abmahnung davon ausgehen, der Gläubiger begnüge sich mit einer von mehreren alternativ vorgebrachten Beanstandungen, und unterwirft er sich entsprechend, so hat er zur späteren gerichtlichen Verfolgung eines anderen alternativ abgemahnten Vorwurfs keine Veranlassung gegeben.153 c) Unterlassungsverlangen. Weiteres inhaltliches Merkmal der Abmahnung ist ein 34 ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsverlangen. Hierdurch unterscheidet sich die Abmahnung von der vor allem im Immaterialgüterrecht geläufigen Berechtigungsanfrage, mit der nur ein der Rechtswahrung dienender Meinungsaustausch eingeleitet werden soll und die deshalb eine auf das behauptete Recht bezogene, definitive Unterlassensaufforderung nicht beinhaltet.154 Ob ein Unterlassungsverlangen ernsthaft und

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146 BGH 8.3.2012 – I ZR 75/10 – GRUR 2012, 621 Tz. 32 – OSCAR; diese Fragen offenlassend noch BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09 – GRUR 2011, 521 Tz. 3 f. – TÜV I; 17.8.2011 – I ZR 108/09 – GRUR 2011, 1043 Tz. 27 f. – TÜV II. S. hierzu Büscher/Dittmer/Schiwy § 14 MarkenG Rn. 698. 147 BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09 – GRUR 2011, 521 Tz. 4 – TÜV I; 17.8.2011 – I ZR 108/09 – GRUR 2011, 1043 Tz. 28 – TÜV II; 8.3.2012 – I ZR 75/10 – GRUR 2012, 621 Tz. 30 – OSCAR; 19.4.2012 – I ZR 86/10 – GRUR 2012, 1145 Rn. 18 – Pelikan (Marken und Unternehmenskennzeichen). 148 BGH 12.5.2011 – I ZR 53/10 – GRUR 2012, 58 Rn. 14 – Seilzirkus (Urheberrecht und § 4 Nr. 9 lit. a] und b]); 24.1.2013 – I ZR 60/11 – GRUR 2013, 397 – Peek & Cloppenburg III (Unternehmenskennzeichen, lauterkeitsrechtliche Irreführung und vertragliches Wettbewerbsverbot); 27.3.2013 – I ZR 100/11 – GRUR 2013, 631 – AMARULA/Marulablu (Markenrecht und lauterkeitsrechtliche Irreführung); 22.1.2014 – I ZR 164/12 – GRUR 2014, 393 – wetteronline.de (Namensrecht und § 4 Nr. 10). 149 BGH 22.1.2009 – I ZR 139/07 – GRUR 2009, 502 – pcb. 150 Einen Ausnahmefall beschreibt OLG Hamm 8.4.1986 – 4 U 352/85 – WRP 1987, 261. 151 Zum Verbot der alternativen Klagehäufung siehe BGH 24.3.2011 – I ZR 108/09 – GRUR 2011, 521 – TÜV I; 17.8.2011 – I ZR 108/09 – GRUR 2011, 1043 m. Anm. Harte-Bavendamm – TÜV II; Büscher GRUR 2012, 16; DanckwertsAnwBl 2012, 411; Stieper GRUR 2012, 5; Teplitzky GRUR 2011, 1091 ff. 152 BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03 – GRUR 2007, 607 Tz. 24 – Telefonwerbung für „Individualverträge“. 153 OLG Hamburg 26.10.2012 – 3 W 72/12 – WRP 2013, 250. 154 Zur Abgrenzung Schutzrechtsverwarnung/Berechtigungsanfrage s. BGH 5.11.1962 – I ZR 39/61 – BGHZ 38, 200 unter III.1 – Kindernähmaschinen; 10.7.1997 – I ZR 42/95 – GRUR 1997, 896 – „Mecki“-Igel III; 15.1.2009 – I ZR 123/06 – GRUR 2009, 878 Tz. 16 – Fräsautomat; 12.7.2011 – X ZR 56/09 – GRUR 2011, 995 Tz. 29 – Besonderer Mechanismus; OLG Braunschweig 15.11.2000 – 2 W 266/00 – OLGR 2001, 11; OLG Düsseldorf 29.3.2012 – 2 U 1/12 – GRURPrax 2012, 352; 15.2.1990 – 2 U 48/89 – GRUR 1990, 548 (Ls.); OLG Frankfurt 6.12.2005 – 11 U 28/05 – BeckRS 2005, 30366106 = BeckRS 2006, 02860; OLG Karlsruhe

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

endgültig ist, entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalls aus der Perspektive des verständigen Adressaten (objektiver Empfängerhorizont).155 Die Ernsthaftigkeit und Endgültigkeit des Unterlassungsverlangens wird dem Abgemahnten durch die Androhung vermittelt, zur Durchsetzung des verfolgten Anspruchs nötigenfalls gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.156 Die Frage, ob stets eine ausdrückliche Verfahrensandrohung erfolgen muss157 oder ob auch eine konkludente Drohung genügt,158 ist zugunsten der letztgenannten Auffassung zu beantworten. Denn die Absicht zur gerichtlichen Verfolgung ergibt sich im geschäftlichen Verkehr in aller Regel bereits aus den Umständen (anwaltliche Geltendmachung, Verlangen einer strafbewehrten Unterwerfung). Das Vertrauen des Abgemahnten auf die in der Abmahnung enthaltene Ankündigung des Gläubigers, eine bestimmte Verfahrensart (Eil- oder Hauptsacheverfahren) einleiten zu wollen, ist nicht schutzwürdig; entscheidet sich der Gläubiger anders, so kann der Abgemahnte hieraus weder Zulässigkeitseinwendungen noch Schadensersatzforderungen herleiten.159 Verzichtet der Gläubiger nach der Abmahnung auf die gerichtliche Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs, klagt aber auf Zahlung der Abmahnkosten, so folgt aus diesem Umstand allein nicht, dass er es bereits mit der Abmahnung nicht ernst gemeint habe.160 Auf welche Art der Manifestation des Unterlassungswillens die Abmahnung ge35 richtet sein muss, hängt von der Rechtsnatur des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs ab. Da im Falle des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs die anspruchsbegründende Erstbegehungsgefahr schon durch die Beseitigung der zu ihrer Annahme führenden Umstände ausgeräumt wird, kann der Streit – je nach den Umständen des Falles – bereits durch bloße Abstandnahme oder ein einfaches (ungesichertes) Versprechen des Abgemahnten beigelegt werden, die beanstandete Handlung zukünftig nicht mehr vorzunehmen;161 der Qualifikation als ernsthafte Unterlassungsaufforderung

_____ 12.10.1983 – 6 U 119/83 – GRUR 1984, 143; LG Mannheim 7.4.2006 – 7 O 47/06 – GRUR-RR 2007, 304 (Ls.), NJOZ 2007, 2709; 23.2.2007 – 7 O 276/06 – BeckRS 2007, 03873 m. Anm. Ullmann jurisPR-WettbR 4/2007 Anm. 2; Goldbeck S. 31 f.; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.169; Ullmann GRUR 2001, 1027 f. Kritisch zu dieser Abgrenzung allerdings Sack WRP 2005, 253, 256, da auch der bloße „Schutzrechtshinweis“ dem Adressaten erhebliche Schwierigkeiten bereiten könne. 155 Goldbeck S. 33. 156 Eichmann FS Helm, S. 287, 305. S. auch OLG Düsseldorf 6.3.2014 – I-2 U 90/13 (Beifügung des Entwurfs einer Unterwerfungserklärung spricht für ernsthaftes, endgültiges Unterlassungsverlangen). 157 OLG Hamburg 19.12.1985 – 3 W 135/85 – WRP 1986, 292; OLG München 20.12.1978 – 6 W 2487/78 – WRP 1979, 888; 19.1.1981 – 6 W 2676/80 – WRP 1981, 601; OLG Stuttgart 3.1.1983 – 2 W 58/82 – WRP 1983, 362; Borck WRP 2001, 20 f. 158 BGH 1.6.2006 – I ZR 167/03 – GRUR 2007, 164 Tz. 12 – Telefax-Werbung II; KG 24.5.2005 – 5 W 70/05 – GRUR-RR 2005, 323; OLG Hamburg 1.8.1990 – 3 W 79/90 – GRUR 1991, 81 (Ls.); so auch die h.M. in der Literatur: Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 37; Teplitzky Kap. 41 Rn. 14; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.21; Fezer/Büscher § 12 Rn. 24; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 61; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 18; Büscher/ Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 27; juris-PK/Hess § 12 Rn. 9; Ahrens/Achilles Kap. 2 Rn. 29; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 27; Eichmann FS Helm, S. 287, 305 f. 159 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.21a; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 61; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 27; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 18; a.A. Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 38. 160 BGH 1.6.2006 – I ZR 167/03 – GRUR 2007, 164 Tz. 13 – Telefax-Werbung II; a.A. LG Frankfurt 24.5.2002 – 3/12 O 31/02 – GRUR-RR 2003, 197; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.21b; Ahrens/Achilles Kap. 2 Rn. 29; Köhler FS Erdmann, S. 845, 853 f. 161 St. Rspr., s. BGH 23.2.1989 – I ZR 18/87 – GRUR 1989, 432 Tz. 39 – Kachelofenbauer I; 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174 Tz. 42 – Berühmungsaufgabe; 11.7.1991 – I ZR 31/90 – GRUR 1992, 116 Tz. 15 – Topfgucker-Scheck; 15.1.2009 – I ZR 57/07 – GRUR 2009, 841 Tz. 23 – Cybersky; 12.7.2011 – X ZR 56/09 – GRUR 2011, 995 Tz. 29 – Besonderer Mechanismus; Fezer/Büscher § 12 Rn. 18; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.16; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 43; Nosch S. 4; Teplitzky Kap. 10 Rn. 20 f.; zur abweichenden Meinung Fritzsches, S. 186, und Köhlers in GRUR 2011, 879, 883, s. Rn. 4.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

steht daher in einem solchen Fall nicht entgegen, dass mit der Abmahnung keine strafbewehrte Unterwerfung verlangt wird.162 Für die Beseitigung der bei bereits geschehenem Verstoß gegebenen Wiederholungsgefahr reicht hingegen ein solches einfaches Unterlassungsversprechen nicht aus, weil der im Verletzungsfalle allenfalls ausgelöste vertragliche Schadensersatzanspruch163 kein den Schuldner von zukünftigen Verstößen hinreichend abschreckendes Übel darstellt; es bedarf vielmehr zusätzlich einer Strafbewehrung, also des Versprechens, im Verletzungsfalle eine Vertragsstrafe zu zahlen.164 In diesem Fall weist der Abmahnende dem Abgemahnten mit dem Verlangen einer Unterlassungsverpflichtungserklärung den Weg zu einer außergerichtlichen Beilegung des Streits.165 Da es Sache des Abgemahnten ist, die für die Ausräumung der Begehungsgefahr 36 notwendige Erklärung abzugeben, ist dem Erfordernis des Unterlassungsverlangens genügt, wenn der Abmahnende allgemein eine dem mit der Abmahnung beanstandeten Vorwurf entsprechende Unterlassungserklärung verlangt; üblich und zur Vermeidung von Unklarheiten empfehlenswert ist allerdings die Beifügung einer vorformulierten Erklärung, die das zu unterlassende Verhalten in einer am prozessualen Bestimmtheitsgebot orientierten Weise bezeichnet. 166 Bezieht sich das Unterlassungsverlangen auf mehrere Streitgegenstände, so ist deren kumulative Geltendmachung anzugeben, um den Umfang der Beanstandung klarzustellen167 und späterem Streit über die Auslegung der Unterwerfungserklärung vorzubeugen. Eine Zuvielforderung hinsichtlich des Gegenstands oder der Reichweite des Unter- 37 lassungsanspruchs sowie der Vertragsstrafe (sog. Übermaßabmahnung) steht der Wirksamkeit der Abmahnung, die ein solches Unterwerfungsvertragsangebot beinhaltet, nicht entgegen;168 Klageveranlassung im Sinne des § 93 ZPO ist allerdings nur anzunehmen, wenn der nach erfolgloser Abmahnung gerichtlich verfolgte Anspruch bereits in der Abmahnung enthalten war, also allenfalls ein Minus – nicht aber ein aliud 169– zum ursprünglich abgemahnten Begehren darstellt.170 Ist die der Abmahnung beigefügte vorformulierte Erklärung nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, so hat der Abgemahnte, wenn er sich gleichlautend unterwirft, nicht zu einer Klage Anlass gegeben, mit welcher der Gläubiger den Unterlassungsanspruch weiterverfolgt.171

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162 BGH 12.7.2011 – X ZR 56/09 – GRUR 2011, 995 Tz. 29 – Besonderer Mechanismus. 163 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.6. 164 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 unter II.1.c)aa) – Kurze Verjährungsfrist; Piper/Ohly/ Sosnitza § 12 Rn. 16; Teplitzky Kap. 41 Rn. 14. 165 BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03 – GRUR 2007, 607 Tz. 24 – Telefonwerbung für „Individualverträge“; 21.1.2010 – I ZR 47/09 – GRUR 2010, 354 Tz. 8 – Kräutertee; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.16. 166 Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 21; Fezer/Büscher § 12 Rn. 19; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.16 f. Zu den an die Unterwerfung zu stellenden inhaltlichen Anforderungen s. Rn. 113 ff. 167 S. Rn. 32. 168 BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03 – GRUR 2007, 607 Tz. 24 – Telefonwerbung für „Individualverträge”; OLG Hamburg 23.6.1977 – 3 W 68/77 – WRP 1977, 808; OLG Stuttgart 5.10.1984 – 2 W 45/84 – WRP 1985, 53; Fezer/Büscher § 12 Rn. 65; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 16; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.6. A.A. (im Falle eines nicht geschäftlich tätigen, rechtlich nicht beratenen Urheberrechtsverletzers) OLG Köln 20.5.2011 – 6 W 30/11 – MMR 2011, 613. 169 OLG Stuttgart 12.7.1996 – 2 W 39/96 – WRP 1996, 1229; ein aliud verneinend KG 23.1.1987 – 5 U 5933/86 – GRUR 1988, 933. 170 BGH 16.11.2006 – I ZR 191/03 – GRUR 2007, 607 Tz. 24 – Telefonwerbung für „Individualverträge“; siehe auch OLG Hamburg 23.6.1977 – 3 W 68/77 – WRP 1977, 808; 18.7.1988 – 3 W 87/88 – WRP 1989, 32; OLG Köln 31.3.1987 – 6 W 14/87 – WRP 1988, 56; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 23. 171 Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 19; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.18; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 44.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

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d) Fristsetzung. Üblich und zweckmäßig ist die Setzung einer Frist, binnen derer die geforderte Unterwerfungserklärung abzugeben sei.172 Sie liegt im beiderseitigen Klarheitsinteresse: Die Fristsetzung verschafft dem Schuldner einen sicheren Prüfungsund Überlegungszeitraum; für den Gläubiger hingegen markiert der Fristablauf den Zeitpunkt, bis zu welchem er mit der gerichtlichen Durchsetzung seines Anspruchs jedenfalls warten muss, um dem Kostenrisiko des § 93 ZPO zu entgehen.173 Die Berufung auf § 93 ZPO steht dem Schuldner aber auch nach Fristablauf offen, sofern seine Unterwerfungserklärung bei dem Gläubiger eingegangen ist, bevor dieser ein gerichtliches Verfahren eingeleitet hat.174 Andererseits schadet die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens vor Fristablauf dem Gläubiger nicht, sofern bis zum Fristablauf keine Unterwerfungserklärung des Schuldners eingegangen ist.175 Die Fristsetzung ist aber kein konstitutives Merkmal der Abmahnung: Die Streiterledigungsfunktion erfordert sie nicht, weil der Schuldner angesichts des Inhalts der Abmahnung – insbesondere der Androhung eines gerichtlichen Verfahrens – erkennen kann, dass die außergerichtliche Beilegung eine zeitlich begrenzte Reaktion voraussetzt, auch wenn ihm eine Frist nicht gesetzt wird.176 Fehlt daher eine Fristsetzung, so beginnt – ebenso wie im Falle der unangemessen kurzen Fristsetzung177 – eine angemessene Frist zu laufen. Die Angemessenheit der Frist ist im Wege einer Interessenabwägung nach den 39 Einzelfallumständen zu bestimmen.178 Auf Seiten des Gläubigers besteht je nach Schweregrad und Gefährlichkeit des Verstoßes ein eiliges Bedürfnis an der baldigen Unterbindung weiterer Verstöße;179 ihm droht zudem im Falle zögerlichen Vorgehens der Verlust der prozessualen Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2. Auf Seiten des Schuldners ist für die Fristbemessung der Schwierigkeitsgrad der Angelegenheit und die Frage von Bedeutung, ob eine innerbetriebliche Rechtsabteilung oder ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden muss.180 Tendenziell führt die vorzunehmende Interessenabwägung zu kurzen, d.h. nach Tagen181 oder gar Stunden182 bemessenen Fristen.

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172 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 47; Fezer/Büscher § 12 Rn. 21. 173 OLG Düsseldorf 18.3.1987 – 2 W 25/87 – WRP 1988, 107; OLG Köln 4.3.1981 – 6 W 3/81 – WRP 1981, 339; Ahrens/Achilles Kap. 2 Rn. 33; Teplitzky Kap. 41 Rn. 17. Entgegen OLG Frankfurt 13.1.1986 – 6 W 338/85 – NJW-RR 1987, 37 rechtfertigt die Fortsetzung der als wettbewerbswidrig beanstandeten Handlung während der gesetzten Frist nicht ohne weiteres die sofortige gerichtliche Inanspruchnahme. 174 OLG Köln 14.3.1984 – 6 W 19/84 – WRP 1984, 505; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 59; Fezer/Büscher § 12 Rn. 23; Teplitzky Kap. 41 Rn. 18. 175 OLG Düsseldorf 18.3.1987 – 2 W 25/87 – WRP 1988, 107; OLG Hamburg 17.5.1990 – 3 W 51/90 – GRUR 1991, 80; Teplitzky Kap. 41 Rn. 18. 176 Str.; wie hier OLG Nürnberg 30.10.1989 – 3 W 2870/89 – Magazindienst 1990, 356; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 35; Fezer/Büscher § 12 Rn. 21; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 47; Ahrens/Deutsch6 Kap. 1 Rn. 72; a.A. KG 13.7.1979 – 5 W 2031/79 – WRP 1979, 861; OLG Hamburg 19.12.1985 – 3 W 135/85 – WRP 1996, 292; Teplitzky Kap. 41 Rn. 14; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 23. 177 Dazu sogleich Rn. 40. 178 OLG Stuttgart 13.9.1989 – 2 W 150/88 – WRP 1990, 777; 31.3.2004 – 2 W 44/03 – WRP 2004, 1395 (Ls.) Magazindienst 2004, 1063; Fezer/Büscher § 12 Rn. 22; Ahrens/Achilles Kap. 2 Rn. 33 f. 179 Ahrens/Achilles Kap. 2 Rn. 33; Teplitzky Kap. 41 Rn. 17. 180 KG 13.7.1979 – 5 W 2031/79 – WRP 1979, 861; OLG Hamburg 28.4.1989 – 3 W 41/89 – GRUR 1989, 630; OLG Köln 4.3.1981 – 6 W 3/81 – WRP 1981, 339. 181 OLG Düsseldorf 18.3.1987 – 2 W 25/87 – WRP 1988, 107; 12.1.2004 – 2 W 39/03 – InstGE 4, 159; OLG Frankfurt 9.12.1985 – 6 W 265/85 – WRP 1986, 404; OLG Hamburg 17.5.1990 – 3 W 51/90 – GRUR 1991, 80; OLG Karlsruhe 31.5.1976 – 4 W 41/76 – WRP 1977, 44; 17.2.2009 – 4 W 59/08 – Magazindienst 2009, 331; OLG Stuttgart 31.3.2004 – 2 W 44/03 – WRP 2004, 1395 (Ls.) Magazindienst 2004, 1063. 182 OLG Hamburg 30.9.1988 – 3 W 109/88 – GRUR 1989, 151; 14.3.1997 – 3 W 30/97 – Magazindienst 1997, 730; OLG Frankfurt 9.9.1996 – 6 W 107/96 – WRP 1996, 1194; OLG Köln 26.7.1999 – 6 W 37/99 – Magazindienst 1999, 1274; OLG München 18.5.1987 – 29 W 1085/87 – WRP 1988, 62; OLG Stuttgart 13.9.1997 – 2 W 39/97 – OLGR 1998, 5.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Eine unangemessen kurze Frist setzt eine angemessene Frist in Lauf.183 Von dem 40 Abgemahnten ist, sofern er sich binnen letzterer erklären möchte, unter dem Aspekt der Rücksichtnahme zu verlangen, dass er den Abmahnenden unter Angabe der angestrebten Antwortfrist informiert, um eine voreilige gerichtliche Inanspruchnahme zu verhindern.184 Hat der Gläubiger allerdings bereits vor Ablauf der angemessenen Frist eine einstweilige Verfügung erwirkt, dann besteht auch keine Notwendigkeit der außergerichtlichen Unterwerfung mehr: der Schuldner kann sich zur Wahrung des Kostenvorteils aus § 93 ZPO auf den Kostenwiderspruch beschränken.185 Eine Fristverlängerung kommt in Betracht, wenn der Abgemahnte in seiner Bitte um 41 Verlängerung dem Abmahnenden gegenüber angibt, warum er die gesetzte angemessene Frist nicht einzuhalten in der Lage ist, sofern eine Fristverlängerung für den Abmahnenden nach den Umständen des Einzelfalls zumutbar ist.186 Auch hier ist aus Sicht des Abmahnenden an das mit einer voreiligen gerichtlichen Inanspruchnahme verbundene Kostenrisiko zu denken.187 Entscheidungshindernisse, die auf betrieblichen Organisationsmängeln beruhen, vermögen ein Fristverlängerungsgesuch allerdings nicht zu rechtfertigen.188 Für den Lauf der Fristen gelten die §§ 186 ff. BGB. Allerdings ist die Angabe eines 42 bestimmten Endtermins derjenigen eines Zeitraums vorzuziehen, da der Gläubiger andernfalls bei Unkenntnis des genauen Zugangszeitpunkts im Unklaren über das Fristende ist.189 Die Erklärung muss bis Fristablauf bei dem Gläubiger eingegangen sein; unschädlich ist ein späterer Eingang nur, wenn der Gläubiger das gerichtliche Verfahren noch nicht eingeleitet hat.190 e) Geltendmachung weiterer Ansprüche. Die Geltendmachung von Auskunfts-, 43 Rechnungslegungs-, Schadensersatz- und Beseitigungsansprüchen sowie der durch die Abmahnung ausgelösten Kostenforderung sind von der eigentlichen – auf den Unterlassungsanspruch gerichteten – Streiterledigungsfunktion der Abmahnung nicht um-

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183 BGH 19.10.1989 – I ZR 63/88 – GRUR 1990, 381, 382 – Antwortpflicht des Abgemahnten; KG 3.12.1976 – 5 W 3635/76 – WRP 1977, 582; OLG Hamburg 28.11.1988 – 3 W 151/88 – GRUR 1989, 297 (Ls.); 17.5.1990 – 3 W 51/90 – GRUR 1991, 80; 7.9.1995 – 3 W 75/95 – WRP 1995, 1043; OLG Köln 7.6.1982 – 6 W 59/82 – WRP 1982, 669; 25.7.1996 – 6 W 36/96 – WRP 1996, 1214; 14.10.1998 – 6 W 93/97 – NJWE-WettbR 1999, 92; OLG München 18.5.1987 – 29 W 1085/87 – WRP 1988, 62; 22.9.1992 – 6 W 2126/92 – Magazindienst 1993, 332; s. auch OLG Hamm 1.12.1977 – 4 W 125/77 – WRP 1978, 225; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.20; Harte/Henning/ Brüning § 12 Rn. 49; Fezer/Büscher § 12 Rn. 21. 184 OLG Hamburg 28.11.1988 – 3 W 151/88 – GRUR 1989, 297; 17.5.1990 – 3 W 51/90 – GRUR 1991, 80; 31.1.2005 – 5 W 150/04 – Magazindienst 2005, 1355; OLG Köln 19.9.1983 – 6 W 96/83 – WRP 1984, 164; Teplitzky Kap. 41 Rn. 16; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 53; a.A. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.20. 185 KG 2.10.1998 – 5 U 5410/98 – AfP 1999, 173; OLG Frankfurt 9.12.1985 – 6 W 265/85 – WRP 1986, 404; 9.9.1996 – 6 W 107/96 – WRP 1996, 1194; OLG Hamburg 29.3.2007 – 3 U 193/06 – AfP 2008, 510. 186 KG 13.7.1979 – 5 W 2031/79 – WRP 1979, 861; OLG Frankfurt 9.5.2000 – 6 W 52/00 – GRUR-RR 2001, 72; OLG Hamburg 30.9.1988 – 3 W 109/88 – GRUR 1989, 151; 17.5.1990 – 3 W 51/90 – GRUR 1991, 80; OLG Hamm 1.12.1977 – 4 W 125/77 – WRP 1978, 225; OLG Köln 19.9.1983 – 6 W 96/83 – WRP 1984, 164; OLG Stuttgart 13.9.1989 – 2 W 150/88 – WRP 1990, 777; 31.3.2004 – 2 W 44/03 – WRP 2004, 1395 (Ls.) Magazindienst 2004, 1063; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 33; Teplitzky Kap. 41 Rn. 16. 187 Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 33. 188 OLG Karlsruhe 17.2.2009 – 4 W 59/08 – Magazindienst 2009, 331 (Versäumnis, die Erreichbarkeit des längere Zeit abwesenden Geschäftsführers oder eines Vertreters sicherzustellen); siehe auch OLG Hamburg 17.5.1990 – 3 W 51/90 – GRUR 1991, 80 (bei Fristablauf am 29.12. müsse organisatorisch zumindest die Bitte um Fristverlängerung sichergestellt werden) und 14.3.1997 – 3 W 30/97 – Magazindienst 1997, 730 (in Eilfällen müsse auch binnen 24 Stunden reagiert werden können). 189 Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 29; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 55; Teplitzky Kap. 41 Rn. 18. 190 OLG Köln 14.3.1984 – 6 W 19/84 – WRP 1984, 505; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 59; Fezer/Büscher § 12 Rn. 23; Teplitzky Kap. 41 Rn. 18.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

fasst und daher nicht notwendiger Bestandteil derselben.191 Ihre Geltendmachung kann sogar – im Gegenteil – mit dem Ziel der Streitbeilegung in Konflikt geraten, weil sie – mehr noch als das Unterlassungsbegehren – zur Abwehr herausfordert.192 Die Einigungsbereitschaft wird gefördert, wenn der Gläubiger für den Fall der Unterwerfung bei Kostenübernahme durch den Schuldner auf – ohnehin in aller Regel im Lauterkeitsrecht wenig versprechende – Auskunfts- und Schadensersatzansprüche verzichtet.193 4. Erforderlichkeit der Abmahnung 44

a) Regel. Im Regelfall kann der Gläubiger eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs der für ihn nachteiligen Kostenentscheidung nach § 93 ZPO bei prozessualem Anerkenntnis des Schuldners nur entgehen, wenn er den Schuldner vor der Einschaltung des Gerichts abgemahnt hat; § 12 Abs. 1 S. 1 konstituiert die Obliegenheit des Gläubigers zur Abmahnung.194 Hingegen trifft – umgekehrt – den wegen eines Wettbewerbsverstoßes Abgemahnten vor der Erhebung einer negativen Feststellungsklage in der Regel keine Abmahnungsobliegenheit.195 Die Fassung des § 12 Abs. 1 S. 1 als SollBestimmung macht deutlich, dass in atypischen Fällen von der Abmahnung abgesehen werden kann; die Gesetzesbegründung spricht davon, dass dem Gläubiger das Kostenrisiko nach § 93 ZPO drohe, wenn er eine „mögliche und zumutbare Abmahnung“ unterlasse.196 Das Gesetz knüpft hiermit an die in der wettbewerbsrechtlichen Praxis und Literatur bereits zuvor197 anerkannte Sichtweise an, dass es in bestimmten – ihren Voraussetzungen nach durchaus umstrittenen – Ausnahmefällen nicht angemessen ist, dem Gläubiger vor der Einschaltung des Gerichts eine Abmahnung abzuverlangen.

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b) Erfolglosigkeit der Abmahnung. Wenn feststeht, dass die Abmahnung den Schuldner nicht zur Unterwerfung bewegen kann, so verfehlt sie – gleichwohl vorgenommen – ihren streiterledigenden Zweck.198 Der Schuldner gibt dann, auch wenn er nicht abgemahnt wird, Veranlassung für die Inanspruchnahme des Gerichts, so dass von dem Gläubiger eine Abmahnung sinnvollerweise nicht erwartet werden kann.199 Das Problem dieser Fallgruppe, in welcher die Frage der Klageveranlassung auf letztlich hypothetischer Grundlage (Geschehensverlauf bei – unterbliebener – Abmahnung) beurteilt werden muss, liegt in der mit einer hypothetischen Betrachtung notwendig verbundenen Unsicherheit,200 die dem das Prognoserisiko tragenden Gläubiger Anlass geben sollte, bei verbleibenden relevanten Zweifeln vorsichtshalber abzumahnen. Maßgeblich ist die objektivierte Sicht des Gläubigers auf das vorprozessuale Verhalten des Schuldners, denn ein Anlass zur Klage kann begriffsnotwendig nur aus Umständen hergeleitet werden, die vor der Klageerhebung bestanden haben. 201 Das Verhalten des

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191 Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 41. 192 Teplitzky Kap. 41 Rn. 19; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 28. 193 „Berliner Vergleich“ nach Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 43; Teplitzky Kap. 41 Rn. 20; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 28. 194 S. Rn. 11. 195 S. Rn. 93. 196 RegE UWG 2003, S. 25. 197 S. nur Ahrens, Wettbewerbsverfahrensrecht (1983) S. 140 ff., sowie Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 84 f. 198 MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 122. 199 Teplitzky Kap. 41 Rn. 23 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.49 f.; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 6; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 122. 200 Teplitzky Kap. 41 Rn. 24. 201 BGH 27.6.1979 – VIII ZR 233/78 – NJW 1979, 2040 unter II.3; 3.3.2004 – IV ZB 21/03 – NJW-RR 2004, 999 Tz. 15; 8.3.2005 – VIII ZB 3/04 – NJW-RR 2005, 1005 Tz. 5 f.; 30.5.2006 – VI ZB 64/05 – BGHZ 168, 57

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Schuldners nach Klageerhebung kann allenfalls dann bedeutsam sein, wenn daraus Rückschlüsse auf eine seinerzeitige Veranlassung der Klage gezogen werden können.202 Lässt allerdings das Verhalten des Gläubigers erkennen, dass er eine Abmahnung selbst für erforderlich gehalten hat, muss er sich hieran festhalten lassen:203 Erwirkt er zunächst eine einstweilige Verfügung („Schubladenverfügung“) und mahnt den Schuldner erst danach ab, so hat der Gläubiger gemäß § 93 ZPO die Kosten zu tragen, sofern sich der Schuldner fristgerecht unterwirft oder auf einen Kostenwiderspruch beschränkt.204 Erkennt der Schuldner hingegen seine Unterlassungspflicht nicht an, so findet § 93 ZPO keine Anwendung, weil sich das nur im Falle der Unterwerfung bestehende Kostenrisiko des Gläubigers, der ohne Abmahnung das Gericht angerufen hat, dann gerade nicht realisiert hat.205 Eine Abmahnung wird in aller Regel erfolglos bleiben, wenn der – offenkundig un- 46 belehrbare – Schuldner einer zuvor vertraglich vereinbarten oder gerichtlich titulierten Unterlassungsverpflichtung zuwider handelt,206 sofern der erneute Verstoß nicht erkennbar einen auf mangelnder Sorgfalt bei der Verbotsbeachtung beruhenden „Auslauffall“ darstellt.207 Auch im Falle des erneuten Verstoßes nach einem vorangegangenen, bereits erfolglos abgemahnten Erstverstoß bedarf es nur dann wegen voraussichtlicher Erfolglosigkeit nicht der Abmahnung, wenn der erneute Verstoß sich als kerngleich mit dem Erstverstoß erweist.208 Aus der Vornahme einer weiteren, der früheren lediglich ähnlichen Verletzungshandlung kann hingegen ohne weiteres nicht auf die Erfolglosigkeit einer erneuten Abmahnung geschlossen werden.209 Vorsichtig zu bewerten ist auch

_____ Tz. 10; OLG Düsseldorf 13.10.1969 – 2 W 68/69 – GRUR 1970, 432; OLG Frankfurt 16.9.1991 – 25 W 68/91 – NJW-RR 1993, 126; OLG München 17.11.1983 – 5 W 1852/83 – MDR 1984, 409; OLG Stuttgart 9.5.1986 – 2 W 26/86 – NJW-RR 1987, 426; a.A. OLG Köln 7.3.1977 – 6 W 4/77 – WRP 1977, 357; offengelassen in OLG Köln 6.1.1985 – 6 W 69/85 – WRP 1986, 426; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.49; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 14; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 5; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 7. 202 BGH 27.6.1979 – VIII ZR 233/78 – NJW 1979, 2040 unter II.3; OLG Frankfurt 16.9.1991 – 25 W 68/91 – NJW-RR 1993, 126; 30.8.2001 – 6 W 138/01 – Magazindienst 2001, 1382; OLG Hamburg 29.11.2001 – 3 W 167/01 – MDR 2002, 716; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.49; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 14; Piper/Ohly/ Sosnitza § 12 Rn. 5; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 7. 203 OLG Hamburg 31.1.2005 – 5 W 150/04 – Magazindienst 2005, 1355. 204 KG 2.10.1998 – 5 U 5410/98 – AfP 1999, 173; OLG Düsseldorf 18.3.1987 – 2 W 25/87 – WRP 1988, 107; OLG Hamburg 24.4.2002 – 3 W 28/02 – OLGR 2003, 196; OLG Frankfurt 9.12.1985 – 6 W 265/85 – WRP 1986, 404, 405; 9.9.1996 – 6 W 107/96 – WRP 1996, 1194; 9.5.2000 – 6 W 52/00 – GRUR-RR 2001, 72; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.58. 205 OLG Hamburg 17.5.1990 – 3 W 51/90 – GRUR 1991, 80; OLG Köln 23.2.1987 – 6 W 126/86 – NJW-RR 1988, 187; 19.6.1998 – 6 U 186/97 – Magazindienst 1998, 942; OLG München 22.9.1992 – 6 W 2126/92 – Magazindienst 1993, 332; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 20; Weisert WRP 2005, 504, 506; a.A. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.58. 206 BGH 7.12.1989 – I ZR 62/88 – GRUR 1990, 542, 543 – Aufklärungspflicht des Unterwerfungsschuldners; OLG Hamburg 2.4.1987 – 3 U 46/87 – NJW 1988, 1920 (Ls.) NJW-RR 1988, 680; 9.6.1989 –3 W 65/89 – GRUR 1989, 707; OLG Düsseldorf 23.10.1997 – 20 W 31/97 – WRP 1998, 1028, 1029; OLG Nürnberg 3.10.1980 – 3 W 1790/80 – WRP 1981, 290, 291; 5.12.1980 – 3 W 2689/80 – WRP 1981, 229; 3.10.1980 – 3 W 1790/80 – WRP 1981, 290; OLG Saarbrücken 11.7.2000 – 1 W 192/00 – Magazindienst 2000, 908; OLG Schleswig 7.11.2000 – 6 W 34/00 – OLGR 2001, 66; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.49 f.; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 13; Fezer/Büscher § 12 Rn. 27; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 17; Nosch S. 7; Teplitzky GRUR 1990, 393, 395; a.A. OLG Frankfurt 30.8.2001 – 6 W 138/01 – Magazindienst 2001, 1382. 207 OLG Hamburg 29.11.2001 – 3 W 167/01 – MDR 2002, 716; Ahrens/Deutsch6 Kap. 2 Rn. 51; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 13. 208 A.A. OLG Stuttgart 9.5.1986 – 2 W 26/86 – NJW-RR 1987, 426 und Teplitzky Kap. 41 Rn. 38 (auch „ganz ähnliche Verletzungshandlung“ bedarf nicht erneuter Abmahnung); Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 18 („zureichende Vergleichbarkeit“). 209 OLG Hamburg 22.3.2007 – 3 U 202/06 – Magazindienst 2008, 63; 29.3.2007 – 3 U 193/06 – AfP 2008, 510; a.A. die in der vorstehenden Fn. Genannten.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

die Äußerung einer Rechtsansicht im Zuge von Verhandlungen oder als Reaktion auf eine Berechtigungsanfrage: treten nicht weitere, gegen die Erfolgsaussicht der Abmahnung sprechende Umstände hinzu, wird man auch im Falle einer solchen „Berühmung“ auf eine Abmahnung nicht ohne Kostenrisiko verzichten dürfen.210 Im Falle der gemeinsamen Inanspruchnahme verbundener Unternehmen oder eines Unternehmens und seiner Organe, persönlich haftenden Gesellschafter oder handelnden Mitarbeiter kann aus dem Umstand, dass sich der eine Anspruchsgegner nicht unterwirft, nicht mit hinreichender Sicherheit allgemein darauf geschlossen werden, dass die weiteren Anspruchsgegner sich gleichfalls nicht unterwerfen werden; vielmehr behält die Streitvermeidungsfunktion der Abmahnung in jedem dieser Schuldverhältnisse eigenständige Bedeutung.211 Der Umstand, dass auf eine Abmahnung einer nicht im Wettbewerb stehenden – mithin nicht abmahnbefugten – Konzernobergesellschaft keine Unterwerfung erfolgt ist, rechtfertigt keinesfalls die Annahme, der Abgemahnte werde sich auch gegenüber dem im Wettbewerb stehenden Tochterunternehmen des Abmahners nicht außergerichtlich unterwerfen.212 47 Die Erfolgsaussicht ist der Abmahnung nicht allein deshalb abzusprechen, weil der Verletzer schuldhaft, insbesondere vorsätzlich, handelt;213 gerade der bewusst taktierende Schuldner wird sich lieber kostensparend unterwerfen, als es auf einen aussichtslosen Prozess ankommen zu lassen.214 Es stellt sich hier vielmehr die – regelmäßig zu bejahende215 – Frage, ob dem Gläubiger eine Abmahnung zugemutet werden kann.216 Gleiches gilt für Fälle besonders schwerer oder hartnäckiger Wettbewerbsverstöße: weil der Schuldner hier durchaus zur Unterwerfung bereit sein kann, ist die Abmahnung nicht stets ohne Erfolgsaussicht, sondern allenfalls unzumutbar.217

_____

210 OLG Frankfurt 17.1.1972 – 6 W 398/71 – BB 1972, 379; 12.1.1981 – 6 W 152/80 – WRP 1981, 282; OLG Hamburg 31.1.2006 – 5 W 12/06 – GRUR 2006, 616; LG Mannheim 7.4.2006 – 7 O 47/06 – GRUR-RR 2007, 304; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.51; anders für Fälle „eindeutiger und gefestigt erscheinender Berühmung“ Teplitzky Kap. 41 Rn. 27. Ullmann in jurisPR-WettbR 7/2006 Anm. 3 (abl. Anm. zu OLG Hamburg 31.1.2006 – 5 W 12/06 – GRUR 2006, 616) sieht in einer die Rechtsverletzung negierenden Reaktion auf die Berechtigungsanfrage hinreichende Klageveranlassung im Sinne des § 93 ZPO. 211 Siehe hierzu Rn. 31; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.14; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 36; a.A. für den Fall der Abmahnung eines Unternehmens, nicht aber auch des ebenfalls in Anspruch genommenen Organs LG Berlin 4.8.1977 – 16 O 219/77 – WRP 1977, 671; LG Dortmund 4.12.2003 – 16 O 107/03 – WRP 2004, 520 (Ls.); auch nach Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 37 ist die zusätzliche Abmahnung des Organs „in der Regel“ entbehrlich. 212 Unzutreffend daher OLG Nürnberg 22.7.2011 – 3 W 1426/11 – und LG Nürnberg-Fürth 18.5.2011 – 3 O 8784/10. Die gegen diese Entscheidungen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof (26.10.2012 – Vf. 101-VI-11 – WRP 2013, 231) mit der Begründung abgewiesen, sie verstießen nicht gegen das Willkürverbot des Art. 118 Abs. 1 der Verfassung des Freistaats Bayern; kritisch hierzu Ahrens WRP 2013, 231. 213 So aber die früher in der Rspr. h.M.: KG 19.10.1979 – 5 W 2759/79 – WRP 1980, 203; OLG Frankfurt 8.11.1984 – 6 W 137/84 – GRUR 1985, 240; 14.4.1989 – 6 W 23/89 – GRUR 1989, 630; OLG Hamm 7.8.1979 – 4 W 72/79 – WRP 1979, 805; OLG Karlsruhe 29.11.1976 – 4 W 81/76 – WRP 1977, 117; OLG Köln 6.1.1985 – 6 W 69/85 – WRP 1986, 426; 31.5.2000 – 6 W 28/00 – OLGR 2001, 12; OLG Stuttgart 3.3.1977 – 2 U 175/76 – WRP 1977, 512; 24.3.2000 – 2 U 202/99 – NJW-RR 2001, 257. 214 KG 15.8.1988 – 25 W 3478/88 – GRUR 1988, 930; OLG Hamburg 4.3.1971 – 3 W 14/71 – GRUR 1973, 50; 17.7.1995 – 3 W 64/95 – GRUR 1995, 836; OLG Köln 25.1.1988 – 6 W 5/88 – GRUR 1988, 487; 1.11.2002 – 5 W 139/02 – WRP 2003, 101; OLG Oldenburg 12.3.1990 – 1 W 12/90 – GRUR 1990, 548; OLG München 16.6.1982 – 6 W 1364/82 – WRP 1983, 45; 18.4.1996 – 29 W 616/96 – WRP 1996, 930; OLG Saarbrücken 2.11.1987 – 1 U 110/87 – WRP 1988, 198; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.52; Teplitzky Kap. 41 Rn. 25; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 7; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 22; a.A. Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 12 Rn. 14. 215 Hierzu s. Rn. 50. 216 Teplitzky Kap. 41 Rn. 25; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.53; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 9. 217 OLG Hamburg 27.1.1972 – 3 W 8/72 – WRP 1972, 262 u. 388; 23.8.1973 – 3 W 91/73 – WRP 1973, 651; Teplitzky Kap. 41 Rn. 26; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.53.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Die Beurteilung der Mehrfachabmahnung, also der Abmahnung desselben Versto- 48 ßes durch mehrere Gläubiger, unterliegt einem Wandel. Weithin wurde bisher die Auffassung vertreten, aus der Erfolglosigkeit der (dem Gläubiger bekannten)218 Drittabmahnung könne nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass auch eine weitere Abmahnung zwecklos sei: aus den Umständen – der Person des Erstabmahnenden, dem Fehlen einer Begründung oder den für die Ablehnung genannten Gründen – könne sich ergeben, dass eine Unterwerfung gegenüber dem neuerlich Abmahnenden nicht auszuschließen sei.219 Ausnahmsweise wurde eine (weitere) Abmahnung durch ein Unternehmen, welches mit dem erstabmahnenden Unternehmen konzernmäßig verbunden ist, als unnötig angesehen: auch die zwar nicht vom selben Gläubiger, aber aus demselben Lager stammende zweite Abmahnung werde ebenso wenig Erfolg haben wie die erste.220 Bedenkt man aber, dass der Schuldner bereits durch die erste Abmahnung hinreichend gewarnt und zur außergerichtlichen Streitbeilegung aufgefordert worden ist, so kann eine weitere Abmahnung stets – unabhängig von der Person des Abmahners und den der Verweigerung einer Unterwerfung im Einzelfall zugrundeliegenden Motiven – die Streiterledigungsfunktion nicht mehr erfüllen.221 Der funktionale Gesichtspunkt – Tauglichkeit zur außergerichtlichen Streitbeilegung – wird hierbei von dem normativen Aspekt überlagert, eine als unangemessen empfundene Vervielfältigung der kostenmäßigen Belastung des Schuldners zu vermeiden.222 Hat also der Gläubiger Kenntnis von der erfolglosen Drittabmahnung, so muss er vor der prozessualen Inanspruchnahme des Schuldners diesen nicht erneut abmahnen, um im Falle des Anerkenntnisses die Kostenfolge des § 93 ZPO zu vermeiden; tut er es – dies ist ihm unbenommen – gleichwohl, kann er hierfür Aufwendungsersatz nicht verlangen.223 c) Unzumutbarkeit. Dem Gläubiger ist eine Abmahnung nicht zuzumuten, wenn sie 49 ein nur mit Hilfe eines gerichtlichen Verfahrens durchsetzbares Rechtsschutzziel gefährdete. Deshalb muss er vor Beantragung eines mit dem Unterlassungsantrag verbundenen Sequestrationsantrags nicht abmahnen, es sei denn, die Gefahr des Verlustes oder Beiseiteschaffens der sicherzustellenden Gegenstände ist aus Sicht des Gläubigers verlässlich auszuschließen.224 In den für diese Konstellation typischen Fällen des Vertriebs

_____

218 Ist dem Gläubiger die vorangegangene, erfolglose Drittabmahnung nicht bekannt, so ist nach seiner – im Rahmen des § 93 ZPO maßgeblichen – subjektiven Sicht eine (weitere) Abmahnung erforderlich. Problematisch ist dann aber die Frage des Aufwendungsersatzes (dazu Rn. 68 f.). 219 OLG Frankfurt 16.4.1974 – 6 W 22/74 – WRP 1974, 417 und 6.4.1982 – 6 U 114/81 – WRP 1982, 589; OLG Hamm 7.8.1979 – 4 W 72/79 – WRP 1979, 805; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 99; Teplitzky Kap. 41 Rn. 27; Ahrens/Deutsch6 Kap. 2 Rn. 50; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 10. 220 OLG Saarbrücken 18.9.1989 – 1 W 35/89 – WRP 1990, 548; Teplitzky Kap. 41 Rn. 27 Fn. 173; siehe auch BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371 unter II.2.c) bb) – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung (zur gleichzeitigen Abmahnung konzernverbundener Unternehmen). 221 Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 9; Teplitzky Kap. 41 Rn. 27a; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 45. 222 Vgl. BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371 unter II.2.b) – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; BGH 21.1.2010 – I ZR 47/09 – GRUR 2010, 354 Tz. 9 – Kräutertee; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.45, 1.55. 223 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.55; Teplitzky Kap. 41 Rn. 27a; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 11 f.; juris-PK/Hess § 12 Rn. 24; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 45; Götting/Nordemann/SchmitzFohrmann/Schwab, § 12 Rn. 11. 224 KG 10.7.1983 – 5 W 2286/83 – WRP 1984, 325; OLG Düsseldorf 28.10.1996 – 2 W 55/96 – WRP 1997, 471; 1.4.1998 – 2 W 71/97 – NJWE-WettbR 1998, 234; OLG Frankfurt 13.6.1983 – 6 W 34/83 – GRUR 1983, 753; 24.10.2005 – 6 W 149/05 – GRUR 2006, 264; 9.11.2005 – 6 W 138/05 – InstGE 6, 51; 25.1.2010 – 6 W 4/10 –; OLG Hamburg 14. 6. 2006 – 5 U 21/06 – GRUR-RR 2007, 29; OLG Nürnberg 18.3.1981 – 3 W 39/81 – WRP 1981, 342; 3.2.1995 – 3 W 4140/94 – WRP 1995, 427; OLG Stuttgart 24.3.2000 – 2 U 202/99 – NJW-RR 2001, 257; LG Düsseldorf 16.3.2010 – 4a O 238/09 – InstGE 12, 234; LG Hamburg 14.4.2009 – 312 O 497/08 – GRUR-RR 2010, 88 (Ls.); Amschewitz WRP 2012, 401 ff.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.48; Teplitzky Kap. 41

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

schutzrechtsverletzender Ware ist – ohne dass der Gläubiger besondere Verdachtsmomente darzulegen hätte225 – die ernste Besorgnis der Rechtsschutzvereitelung stets gerechtfertigt.226 Bestehen allerdings Zweifel am Sicherungsinteresse des Gläubiges, weil er lediglich die erwirkte Unterlassungsverfügung, nicht aber die Sequestrationsanordnung vollzieht und vermag er keine triftigen Gründe hierfür vorzubringen, so steht dem Schuldner, der lediglich Kostenwiderspruch erhoben hat, die Berufung auf § 93 ZPO offen.227 Die weitere Gruppe der besonders dringlichen Fälle, in denen eine Abmahnung 50 (ebenfalls) unter dem Aspekt der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes für unzumutbar gehalten wurde, weil der Schuldner in der zwischen Abmahnung und Einleitung des gerichtlichen Verfahrens verstreichenden Zeit ungehindert sein wettbewerbswidriges – typischerweise im Zusammenhang mit Sonderveranstaltungen stehendes – Handeln fortsetzen und davon profitieren konnte,228 hat ihre praktische Bedeutung aufgrund der Liberalisierung des Preis- und Rabattrechts weitgehend verloren; für die verbleibenden Fallkonstellationen besonderer Dringlichkeit – etwa Messefälle – ist im Zeitalter der schnellen Kommunikationsmittel eine (fern-)mündlich ausgesprochene bzw. per Telefax oder E-Mail versandte Abmahnung229 mit entsprechend knapper Fristsetzung230 in aller Regel auch bei besonderer Dringlichkeit möglich und zumutbar.231

_____ Rn. 30 f.; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 44; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 6; Schuschke/Walker/ Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 22; siehe auch Kircher FS Schilling, S. 293, 295, der eine Abmahnung in Sequestrationsfällen nicht für unzumutbar, sondern deswegen für entbehrlich hält, weil sie nicht mehr funktionsgerecht einsetzbar ist. 225 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.48; Teplitzky Kap. 41 Rn. 31. 226 Zu diesem Ergebnis gelangt ganz überwiegend auch diejenige Rechtsprechung, die in erster Linie auf die Betrachtung der jeweiligen Einzelfallumstände abstellt: OLG Hamburg 4.10.1977 – 3 W 126/77 – WRP 1978, 146; 12.6.1984 – 3 W 94/84 – GRUR 1984, 758; OLG Köln 13.4.1983 – 6 W 32/83 – WRP 1983, 453; 2.5.1984 – 6 W 48/84 – WRP 1984, 641, 642 (allerdings dem Gläubiger eine Darlegungslast für Verdachtsmomente aufbürdend); OLG München 21.1.1999 – 29 W 3305/98 – NJWE-WettbR 1999, 239; LG Hamburg 19.3.2004 – 308 O 58/04 – GRUR-RR 2004, 191; anders allerdings OLG Braunschweig 6.12.2004 – 2 W 237/04 – GRUR 2005, 360 (Ls.), GRUR-RR 2005, 103 und OLG Hamburg 28.7.1987 – 3 W 77/87 – GRUR 1988, 241 (Ls.) = WRP 1988, 47. 227 KG 25.4.2008 – 5 W 39/06 – GRUR-RR 2008, 372; Amschewitz WRP 2012, 401, 404; Teplitzky Kap. 41 Rn. 30 mit Fn. 191. 228 BGH 7.12.1989 – I ZR 62/88 – GRUR 1990, 542 – Aufklärungspflicht des Unterwerfungsschuldners (Dringlichkeit infolge Intensivierung der Wirkung wiederholter wettbewerbswidriger Werbung); OLG Hamburg 22.5.1969 – 3 W 47/69 – GRUR 1969, 483 (Verstoß während des Winterschlussverkaufs); 28.03.1974 – 3 W 37/74 – GRUR 1975, 39 und 23.12.1976 – 3 U 205/76 – WRP 1977, 113 (Verstoß während der Karenzzeit vor Saisonschlussverkauf); OLG Hamm 17.9.1987 – 4 W 122/87 – GRUR 1988, 858 (Ls.) (Verstoß im Zusammenhang mit befristeter Sonderveranstaltung); OLG Naumburg 10.4.1995 – 2 W 36/94 – WRP 1996, 264 (Ls.) (Ankündigung einer unzulässigen Sonderveranstaltung). 229 Zur Formfrage siehe Rn. 12. 230 Zur Bestimmung der im Einzelfall angemessenen Frist siehe Rn. 39. 231 OLG Düsseldorf 15.5.1979 – 2 W 22/79 – WRP 1979, 793; OLG Frankfurt 23.3.1984 – 6 W 160/83 – GRUR 1984, 910 (Ls.), WRP 1984, 416; 3.5.1984 – 6 W 58/84 – GRUR 1984, 693; 29.1.1987 – 6 W 284/86 – GRUR 1988, 32; OLG Köln 26.5.1986 – 6 W 43/86 – WRP 1986, 626; OLG Stuttgart 26.7.1985 – 2 W 38/85 – WRP 1986, 54; OLG München 18.5.1987 – 29 W 1085/87 – WRP 1988, 62; OLG Nürnberg 30.10.1989 – 3 W 2870/89 – Magazindienst 1990, 356; OLG Schleswig 4.4.2000 – 6 W 7/00 – WRP 2000, 1327, 1328; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.46 f.; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 15; Teplitzky Kap. 41 Rn. 33; Büscher/Dittmer/ Schiwy Vor § 12 Rn. 41; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 21; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 10; juris-PK/Hess § 12 Rn. 20.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Nur im Ausnahmefall – etwa bei besonders schwerwiegenden oder hartnäckigen 51 Verstößen232 oder planmäßig krimineller Vorgehensweise233 – kann die Befürchtung, der abgemahnte Verletzer werde bei auch nur kurzer Fristsetzung die verbleibende Zeit zur Intensivierung des Wettbewerbsverstoßes und zur Erlangung einer „Unlauterkeitsrendite“234 nutzen, die Annahme der Unzumutbarkeit einer Abmahnung rechtfertigen.235 Allein der Umstand vorsätzlichen Handelns hat hingegen kein hinreichendes Gewicht, um die Abmahnung als unzumutbar anzusehen.236 5. Abmahnungsverhältnis a) Reaktionspflichten bei gegebener Verletzungshandlung. Nachdem der Bun- 52 desgerichtshof anerkannt hatte, dass eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung mit der Wiederholungsgefahr den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch auch im Verhältnis zu Drittgläubigern zu beseitigen vermag,237 zeigte sich in der Praxis das Erfordernis, einer „Fallenstellerei“238 des Schuldners gegenüber Drittgläubigern vorzubeugen: Hatten diese von der Unterwerfung keine Kenntnis, so endete ihr nach erfolgloser Abmahnung eingeleitetes gerichtliches Vorgehen, in dessen Verlauf der Schuldner offenbarte, sich gegenüber einem früher Abmahnenden bereits vorprozessual unterworfen zu haben, mit dem Prozessverlust.239 Mit der Entscheidung „Aufklärungspflicht des Abgemahnten“240 hat der Bundesgerichtshof sodann erstmals ausgesprochen, dass sich die „beliebige Sonderbeziehung“ zwischen allen Wettbewerbern, die (lediglich) durch ihr allgemeines Wettbewerbsstreben verbunden seien, durch die wettbewerbswidrige Handlung des Verletzers und weiter durch die Abmahnung zu einem den Grundsätzen von Treu und Glauben unterworfenen, deliktsrechtlich begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis der Parteien konkretisiert habe, welches den Abgemahnten ver-

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232 OLG Düsseldorf 23.10.1997 – 20 W 31/97 – WRP 1998, 1028, 1029; OLG Hamburg 17.7.1995 – 3 W 64/95 – GRUR 1995, 836 (Ls.) = WRP 1995, 1037; OLG Hamm 27.8.1982 – 4 W 138/82 – GRUR 1982, 687; OLG Karlsruhe 23.5.1979 – 6 U 243/78 – GRUR 1979, 558, 560; OLG Koblenz 16.1.1997 – 4 W 736/96 – WRP 1997, 367, 368; OLG Köln 23.11.1983 – 6 W 137/83 – WRP 1984, 295; 1.8.1994 – 15 W 49/94 – AfP 1995, 506; OLG Stuttgart 20.2.1978 – 2 W 61/77 – WRP 1978, 837; LG Duisburg 14.7.1999 – 45 O 53/99 – WRP 1999, 1202; LG Hamburg 8.2.2000 – 312 O 668/99 – GRUR 2000, 553 (Ls.) = NJWE-WettbR 2000, 223; 8.6.2004 – 312 O 100/04 – Magazindienst 2005, 1012; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 22; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.53; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 130; Teplitzky Kap. 41 Rn. 35 u. 39; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 22. 233 KG 1.11.2002 – 5 W 139/02 – WRP 2003, 101; Teplitzky Kap. 41 Rn. 40. 234 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.53. 235 OLG Düsseldorf 12.11.1992 – 2 W 73/92 – OLGR 1993, 90; OLG Köln 31.5.2000 – 6 W 28/00 – Magazindienst 2000, 998; Fezer/Büscher § 12 Rn. 31; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 6; Büscher/Dittmer/ Schiwy Vor § 12 Rn. 43; juris-PK/Hess § 12 Rn. 23. 236 KG 2.6.1987 – 5 W 2258/87 – WRP 1988, 167; 15.8.1988 – 25 W 3478/88 – GRUR 1988, 930; OLG Karlsruhe 12.8.1985 – 6 W 50/85 – WRP 1986, 165; OLG Köln 25.1.1988 – 6 W 5/88 – GRUR 1988, 487; OLG Oldenburg 12.3.1990 – 1 W 12/90 – GRUR 1990, 548; OLG München 18.4.1996 – 29 W 616/96 – WRP 1996, 930; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.52; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 43; Fezer/Büscher § 12 Rn. 28; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 17; anders die in Fn. 213 bei Rn. 47 genannte, früher in der Rspr. herrschende Auffassung. 237 BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241 – Rechtsschutzbedürfnis; 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186 – Wiederholte Unterwerfung I. 238 Ahrens FS Lindacher, S. 3, 9. 239 Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 1; Borck WRP 1985, 311, 316 f.; Kues WRP 1985, 196, 197; Tack WRP 1984, 455, 457; Teplitzky Kap. 41 Rn. 50; s. auch Ulrich WRP 1985, 117, 124 f. 240 BGH 19.6.1986 – I ZR 65/84 – GRUR 1987, 54 mit Anm. Lindacher ebda.; s. auch BGH 13.5.1987 – I ZR 79/85 – GRUR 1987, 640 – Wiederholte Unterwerfung II; 5.11.1987 – I ZR 212/85 – GRUR 1988, 313, 314 – Auto F. GmbH.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

pflichte, den andernfalls überflüssig und aussichtlos prozessierenden Abmahnenden darüber aufzuklären, dass eine Drittunterwerfung erfolgt ist; die Verletzung dieser Aufklärungspflicht stelle eine schadensersatzbegründende positive Forderungsverletzung dar.241 Das Bestehen von Reaktionspflichten aus dem „Abmahnungsverhältnis“, das aus 53 der Abmahnung einer tatsächlich erfolgten wettbewerbswidrigen Verletzungshandlung erwächst, wird heute242 in Rechtsprechung243 und Literatur244 im Grundsatz nicht mehr in Frage gestellt. Dieses Sonderrechtsverhältnis wird zum Teil deliktsrechtlich245 eingeordnet, zum Teil aber auch als Fall des Verschuldens bei Vertragsschluss gesehen: Weil die Abmahnung auf den Abschluss eines Unterlassungsvertrags gerichtet sei, begründe sie eine – mittlerweile in § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB kodifizierte – vorvertragliche Sonderbeziehung. 246 Die deliktische Einordnung des Abmahnungsverhältnisses ist vorzugswürdig. Es stellt eine Überdehnung des tatsächlichen Geschehens dar, die Abmahnung, mit welcher der Abgemahnte ungebeten zur Unterwerfung gedrängt werden soll, als Vertragsanbahnung oder (einseitige) Aufnahme von Vertragsverhandlungen zu betrachten, durch welche Pflichten des Abgemahnten begründet werden; jedenfalls aber kann sie das vertragsähnliche, zur beiderseitigen Rücksichtnahme verpflichtende Vertrauensverhältnis nicht begründen, solange der Abgemahnte sich völlig passiv verhält.247 Dass es sich bei der (weiteren) Abmahnung jedenfalls wegen der gegenüber einem 54 Dritten erfolgten Unterwerfung um eine (ab dem Zeitpunkt der Unterwerfung) unberechtigte Abmahnung handelt,248 steht der Annahme einer Reaktionspflicht des Abgemahnten nicht entgegen: Zwar ist durch die Unterwerfung der Unterlassungsanspruch

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241 A.a.O. S. 55; für die Annahme eines (durch die Abmahnung begründeten) Rechtsverhältnisses zuvor schon OLG Köln 18.12.1978 – 6 W 42/78 – WRP 1979, 392; 7.6.1982 – 6 W 21/82 – 6 W 22/82 – WRP 1983, 42; 11.10.1982 – 6 W 96/82 – WRP 1983, 172. 242 Ablehnend seinerzeit KG 11.3.1983 – 5 U 537/82 – WRP 1983, 677; 10.2.1984 – 5 U 402/83 – WRP 1985, 152; Schulte, GRUR 1980, 470, 472. Das von Lindacher, GRUR 1987, 55, 56, vertretene Postulat einer prozessrechtlichen Informationspflicht, deren Verletzung eine dem Abgemahnten ungünstige Kostenentscheidung zur Folge haben sollte, überzeugt nicht: es ließe den Abmahnenden schutzlos, wenn ein gerichtliches Verfahren nicht eingeleitet wird, ihm aber gleichwohl infolge des Aufklärungsverschuldens ein Schaden – etwa in Gestalt außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten – entstanden ist, s. Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 49. 243 KG 25.10.1988 – 5 U 1875/87 – WRP 1989, 659; OLG Frankfurt 27.10.1988 – 6 U 169/87 – WRP 1989, 391; 31.8.1990 – 6 W 129/90 – GRUR 1991, 638 (Ls.)=WRP 1991, 243; OLG Hamburg 5.3.1996 – 3 W 17/96 – 3 W 18/96 – 3 W 19/96 – WRP 1996, 773; 9.7.1998 – 3 U 220/97 – WRP 1999, 969; OLG Köln 19.6.1998 – 6 U 186/97 – Magazindienst 1998, 942; OLG Naumburg 16.01.2009 – 10 W 57/08 – (juris); OLG Stuttgart 21.11.1986 –2 U 204/86 – NJW-RR 1987, 344; 29.10.1993 – 2 U 123/93 – WRP 1994, 61; LG Berlin 12.3.1993 – 15 O 1123/92 – Magazindienst 1993, 525; LG Darmstadt 8.1.2008 – 16 O 164/07 – GRUR-RR 2008, 375. 244 Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 47; Fezer/Büscher § 12 Rn. 38; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Schwippert § 84 Rn. 35; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 67; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.61; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 89; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 20; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 24; Teplitzky Kap. 41 Rn. 53 f.; juris-PK/Hess § 12 Rn. 58. 245 Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 35; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 67; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.61; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 89. 246 OLG Köln 8.6.1990 – 6 U 241/89 – GRUR 1991, 74; Traub WRP 1989, 393, 394; Ulrich ZIP 1990, 1377, 1381; ders. WRP 1995, 282, 285; Goldbeck S. 83 ff.; Rappert S. 39 ff.; Selke WRP 1999, 286, 288. 247 Vgl. BGH 1.12.1994 – I ZR 139/92 – GRUR 1995, 167, 169 – Kosten bei unbegründeter Abmahnung; KG 8.11.1990 – 25 U 1879/90 – WRP 1991, 310; OLG Hamburg 24.11.2008 – 5 W 117/08 – WRP 2009, 335; OLG Köln 27.10.2000 – 6 U 209/99 – GRUR 2001, 525, 529; Köhler FS Piper, S. 309, 318; Pohlmann FS Ehmann, S. 11, 17; Teplitzky Kap. 41 Rn. 61; a.A. Goldbeck S. 83 ff. 248 Zum Begriff der Berechtigung der Abmahnung siehe nachfolgend Rn. 63 ff.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

erga omnes entfallen, jedoch wirkt die Reaktionspflicht als Nebenpflicht zugunsten des Zweitabmahners nach.249 Das Abmahnungsverhältnis besteht auch, wenn mit der Abmahnung eine zukünf- 55 tige Wettbewerbsverletzung angegriffen wird, hinsichtlich derer Erstbegehungsgefahr anzunehmen ist. Denn der vorbeugende Unterlassungsanspruch ist in Verbindung mit der Abmahnung in gleicher Weise wie der Verletzungsunterlassungsanspruch zur Begründung einer sonderrechtlichen Pflichtenbeziehung geeignet.250 Der Pflichtengehalt des in besonderem Maße von Treu und Glauben bestimmten 56 Abmahnverhältnisses251 ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände zu bestimmen: es ist über solche Umstände aufzuklären, hinsichtlich welcher der Gegner redlicherweise Aufklärung erwarten darf.252 Die Reaktionspflicht des Abgemahnten ist durch die Rechtsprechung in verschiedener Hinsicht präzisiert worden. So schuldet der Abgemahnte fristgerechte Aufklärung über eine erfolgte Drittunterwerfung nicht nur im Verhältnis zu einem Wettbewerber, sondern gegenüber jedem nach § 8 Abs. 3 Anspruchsberechtigten, also etwa einem Wettbewerbsverband.253 Mitzuteilen ist nicht nur die Tatsache der Unterwerfung als solche, sondern die Angabe hat sich unter Vorlage jedenfalls der Unterwerfungserklärung (besser noch: auch der Erstabmahnung)254 auf die Person des Unterwerfungsgläubigers zu erstrecken, um den Abmahnenden in die Lage zu versetzen, den Wegfall der Wiederholungsgefahr zu überprüfen.255 Denn hierfür ist von Bedeutung, ob die Unterwerfungserklärung inhaltlich und hinsichtlich der Strafbewehrung ausreichend, ob sie ernsthaft und der Unterwerfungsgläubiger zur Verfolgung von etwaigen Verstößen willens und in der Lage ist.256 Beruft sich der Abgemahnte auf ein rechtskräftiges Urteil in der Hauptsache, die Abgabe einer Abschlusserklärung nach einstweiliger Verfügung oder eine (vom Gläubiger nicht angenommene) Unterwerfung,257 so hat er auch diese Angaben zu belegen.258 Entsprechendes gilt für Umstände, wegen derer sich der Abgemahnte auf die Ausräumung der Erstbegehungsgefahr beruft. Hingegen umfasst die Informationspflicht des Abgemahnten nicht solche Umstände, die der Abmahnende – etwa durch Einsichtnahme in das Handelsregister – selbst aufklären kann.259

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249 Borck WRP 1985, 311, 317; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 73; gegen die Annahme einer solchen nachwirkenden Pflicht Köhler FS Piper, S. 309, 317 ff., der die Aufklärungspflicht des Abgemahnten stattdessen aus dem Unterwerfungsverhältnis mit dem Erstabmahnenden herleitet, welchem Schutzwirkung auch für den Zweitabmahnenden zukomme. 250 Fezer/Büscher § 12 Rn. 38; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 68; Teplitzky Kap. 41 Rn. 59 Fn. 286. 251 Vgl. nur BGH 19.6.1986 – I ZR 65/84 – GRUR 1987, 54 – Aufklärungspflicht des Abgemahnten; 13.5.1987 – I ZR 79/85 – GRUR 1987, 640 – Wiederholte Unterwerfung II; 19.10.1989 – I ZR 63/88 – GRUR 1990, 381 – Antwortpflicht des Abgemahnten. 252 Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 8 ff.; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 66; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.64. 253 BGH 19.6.1986 – I ZR 65/84 – GRUR 1987, 54 – Aufklärungspflicht des Abgemahnten – mit Anm. Lindacher ebda.; 13.5.1987 – I ZR 79/85 – GRUR 1987, 640 – Wiederholte Unterwerfung II; 5.5.1988 – I ZR 151/86 – GRUR 1988, 716 – Aufklärungspflicht gegenüber Verbänden; OLG Hamburg 24.3.1988 – 3 U 150/87 – WRP 1989, 28. 254 Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 8; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 71. 255 OLG Hamburg 5.3.1996 – 3 W 17/96 – 3 W 18/96 – 3 W 19/96 – WRP 1996, 773; s. auch BGH 22.6.1989 – I ZR 120/87 – GRUR 1989, 758 unter II.2 – Gruppenprofil – und OLG Dresden 16.3.1999 – 14 W 1689/98 – WRP 2000, 430 (red. Ls.). 256 Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 8; Teplitzky Kap. 41 Rn. 52. 257 Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr im Einzelnen s. § 8 Rn. 18 ff. 258 Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 9. 259 OLG Frankfurt 27.10.1988 – 6 U 169/87 – WRP 1989, 391 m. Anm. Traub ebda.; Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 11; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.64; Ulrich ZIP 1990, 1377, 1380.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

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Der Abgemahnte ist nicht nur zur Information, sondern auch zu fristgemäßer Reaktion auf die Abmahnung verpflichtet, hat also dem Abmahnenden binnen der gesetzten oder – bei zu kurzer Fristsetzung – angemessener Frist die Unterwerfung oder deren Ablehnung mitzuteilen;260 verletzt der Abgemahnte diese Pflicht und unterwirft sich nach Fristablauf, aber vor Zustellung der Klage, so schuldet er Verzugsschadensersatz in Gestalt der dem Abmahnenden unnötig erwachsenen Rechtsverfolgungskosten.261 Auch die unzutreffende Beantwortung der Abmahnung stellt eine schadensersatzbegründende Pflichtverletzung dar.262 Im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärung infolge nicht (rechtzeitig) mitgeteilter Drittunterwerfung kommt ferner in Betracht, dem Schuldner im Zuge der nach § 91a ZPO zu treffenden Kostenentscheidung die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.263 Bei der Annahme von Reaktionspflichten des Abmahnenden ist Zurückhaltung 58 geboten, nimmt dieser doch bereits mit der Abmahnung Rücksicht auf Interessen des Abgemahnten.264 So ist der Abmahnende nicht verpflichtet, Nachforschungen über den Verbleib der vom Verletzer angekündigten Unterwerfung anzustellen,265 vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens auf ein unpräzises Fristverlängerungsgesuch266 oder eine von dem mit der Abmahnung übersandten Entwurf erheblich abweichende, inhaltlich völlig unzureichende Unterwerfungserklärung267 noch einmal nachzufassen; erreicht nur die vom Abgemahnten angebotene Vertragsstrafe nicht die erforderliche Höhe, so ist der Abmahnende – zumal, wenn er vorher ein überhöhtes Vertragsstrafeversprechen verlangt hat – wegen des gleichwohl zum Ausdruck kommenden Willens zur Streitbeilegung allerdings gehalten, auf eine Erhöhung des Vertragsstrafeversprechens hinzuwirken.268 Hält der Abmahnende die vom Abgemahnten übersandte Drittunterwerfung für unzureichend, so ist ihm im Hinblick auf die dokumentierte Bereitschaft des Abgemahnten zur außergerichtlichen Streitbeilegung ebenfalls ein nochmaliger Hinweis abzuverlangen.269 Eine Nachfrage ist auch angebracht, wenn die Übersendung der Unter-

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260 BGH 19.10.1989 – I ZR 63/88 – GRUR 1990, 381 – Antwortpflicht des Abgemahnten; vgl. auch schon KG 19.10.1979 – 5 W 2299/79 – WRP 1980, 80. 261 BGH 19.10.1989 – I ZR 63/88 – GRUR 1990, 381 – Antwortpflicht des Abgemahnten; vgl. auch OLG Hamburg 24.3.1988 – 3 U 150/87 – WRP 1989, 28. Die Verpflichtung des Abgemahnten zum Verzugsschadensersatz begründet Köhler FS Piper, S. 309, 315 f. mit dem die Annahme einer speziellen Antwortpflicht nicht erfordernden Verständnis der Abmahnung als Mahnung bezüglich des Unterlassungsanspruchs. 262 OLG Hamburg 9.7.1998 – 3 U 220/97 – WRP 1999, 969, 970; LG Bamberg 4.7.2007 – 2 HK O 5/07 – WRP 2007, 1119; LG Hamburg 10.9.1997 – 315 O 425/97 – WRP 1998, 102. 263 OLG Hamm 5.10.2010 – 4 U 64/10 – Magazindienst 2011, 34; OLG Naumburg 16.1.2009 – 10 W 57/08 – (juris); LG Darmstadt 8.1.2008 – 16 O 164/07 – GRUR-RR 2008, 375. 264 Vgl. BGH 8.11.2007 – I ZR 172/05 – GRUR 2008, 360 Tz. 19 – EURO und Schwarzgeld; Kunath WRP 2001, 238; Fezer/Büscher § 12 Rn. 42; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 75. 265 OLG Celle 29.7.2008 – 13 W 82/08 – GRUR 2009, 198. Gleichermaßen muss der Gläubiger nicht nachfassen, wenn er nach Abgabe einer formlosen Unterlassungserklärung die Übersendung einer schriftlichen Bestätigung derselben verlangt hat und diese ausgeblieben ist, BGH 8.3.1990 – I ZR 116/88 – GRUR 1990, 530 unter III.3.d) – Unterwerfung durch Fernschreiben; OLG Düsseldorf 31.1.1994 – 2 W 124/93 – GRUR 1994, 852 (Ls.); Kaiser S. 218; insoweit a.A. KG 14.11.1986 – 5 W 4941/86 – GRUR 1988, 567 (Wiederholung der Aufforderung erforderlich). 266 OLG Hamburg 31.1.2005 – 5 W 150/04 – Magazindienst 2005, 1355. 267 OLG München 8.3.2010 – 6 W 931/10 – Magazindienst 2010, 546; s. auch KG 17.10.2011 – 5 W 193/11 – Magazindienst 2011, 972; OLG Hamburg 19.12.1985 – 3 W 135/85 – WRP 1986, 292 und 2.9.1991 – 3 W 85/91 – GRUR 1992, 479 (red.Ls.). 268 KG 3.10.1986 – 5 W 4195/86 – WRP 1987, 34; OLG Hamburg 14.4.1988 – 3 W 35/88 – GRUR 1988, 929; für eine weitergehende Nachfasspflicht des Abmahnenden plädiert Fritzsche S. 283. 269 KG 10.8.1984 – 5 U 2377/84 – WRP 1985, 154; a.A. Kunath WRP 2001, 238, 239.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

werfung270 oder deren ordnungsgemäße Ausfertigung271 für den Abmahnenden erkennbar versehentlich unterbleibt. Antwort auf die Frage, ob er nach Erlass eines gerichtlichen Verbots wegen einer weiteren Handlung Ordnungsmittel zu beantragen gedenke, schuldet der Abmahnende jedoch nicht.272 b) Reaktionspflichten bei Fehlen einer Verletzungshandlung? Ob auch dann ein 59 pflichtenbegründendes Abmahnungsverhältnis besteht, wenn die Abmahnung unbegründet ist, weil zu keiner Zeit ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch bestanden hat, ist in Rechtsprechung und Literatur lange Zeit kontrovers diskutiert worden. Geklärt ist heute allerdings, dass eine Aufklärungspflicht des Abgemahnten nicht besteht, wenn der Abmahnende grundlos einer rechtlichen Fehleinschätzung des wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstandenden Verhaltes des Abgemahnten unterliegt.273 Eine Aufklärungspflicht des unbegründet Abgemahnten ist allerdings verschiedentlich in Fällen angenommen worden, in denen aufgrund objektiver Umstände der Anschein einer Wettbewerbsverletzung des sodann Abgemahnten bestand274 oder eine solche zwar zunächst, nicht mehr jedoch nach einer dem Abmahnenden unbekannten Sachverhaltsentwicklung auf Seiten des Abgemahnten vorlag.275 Nach dem (auch hier vertretenen)276 deliktsrechtlichen Begründungsansatz ist die 60 vorgenannte Rechtsprechung abzulehnen, weil sich ohne eine wettbewerbswidrige Handlung ein deliktisches Sonderrechtsverhältnis nicht ergeben kann. Der bloße Anschein einer wettbewerbswidrigen Handlung vermag also keine Reaktionspflichten zu begründen.277 Dass Aufklärungspflichten im Falle der unberechtigten Abmahnung auch nicht aus den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag hergeleitet werden können, ist einhellige Meinung, denn sie entspricht nicht dem mutmaßlichen Willen des Abgemahnten.278 Demgegenüber wird auf der Grundlage der quasivertraglichen Sichtweise weiterhin angenommen, dass der unbegründet Abgemahnte jedenfalls gegenüber demjenigen Abmahnenden aufklärungspflichtig ist, der unvermeidbar gutgläubig von

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270 KG 30.10.1989 – 25 W 4855/89 – WRP 1990, 415, 418; OLG Hamm 16.10.1990 – 4 W 107/90 – GRUR 1991, 638 (red. Ls.); OLG Köln 7.6.1982 – 6 W 21/82 – 6 W 22/82 – WRP 1983, 42; vgl. auch OLG Frankfurt 29.3.1990 – 6 W 14/90 – GRUR 1991, 81 (Ls.), JurBüro 1990, 1217. 271 OLG Karlsruhe 19.3.1990 – 6 W 17/90 – Magazindienst 1990, 892. 272 BGH 8.11.2007 – I ZR 172/05 – GRUR 2008, 360 Tz. 19 – EURO und Schwarzgeld. 273 BGH 1.12.1994 – I ZR 139/92 – GRUR 1995, 167 unter III.2. – Kosten bei unbegründeter Abmahnung; s. auch OLG Düsseldorf 21.2.2002 – 2 U 33/01 – GRUR-RR 2002, 213; OLG Hamburg 24.11.2008 – 5 W 117/08 – WRP 2009, 335; OLG Köln 3.8.1995 – 6 W 60/95 – Magazindienst 1995, 1283; 27.10.2000 – 6 U 209/99 – GRUR 2001, 525, 529; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.63; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 91; Ahrens/ Spätgens Kap. 5 Rn. 13; Teplitzky Kap. 41 Rn. 57; früher a.A. Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 52, Ulrich WRP 1995, 282, 284 ff., Traub WRP 1989, 393. 274 OLG Hamburg 19.12.1968 – 3 W 127/68 – WRP 1969, 119; OLG Köln 18.12.1978 – 6 W 42/78 – WRP 1979, 392 (Anschein noch bestehender Dringlichkeit); 20.8.1979 – 6 W 52/79 – WRP 1979, 816; 7.6.1982 – 6 W 21/82 – 6 W 22/82 – WRP 1983, 42; 11.10.1982 – 6 W 96/82 – WRP 1983, 172; 8.6.1990 – 6 U 241/89 – GRUR 1991, 74; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 52; Lindacher FS v. Gamm, S. 83, 87; a.A. KG 8.11.1990 – 25 U 1879/90 – GRUR 1991, 259 (Ls). 275 OLG Frankfurt 5.2.1979 – 6 W 7/79 – WRP 1979, 311; OLG Stuttgart 1.6.1984 – 2 W 11/84 – WRP 1984, 651; zu den vorgenannten Entscheidungen s. Ulrich WRP 1985, 117, 118 f. 276 Zur Diskussion des deliktischen bzw. quasivertraglichen Begründungsansatzes s. Rn. 53. 277 BGH 1.12.1994 – I ZR 139/92 – GRUR 1995, 167 unter III.2.– Kosten bei unbegründeter Abmahnung; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 38; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 69, 105; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.63; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 91. 278 BGH 1.12.1994 – I ZR 139/92 – GRUR 1995, 167 unter III.2.c) – Kosten bei unbegründeter Abmahnung; Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 15; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 27; Teplitzky Kap. 41 Rn. 60.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

einem Wettbewerbsverstoß ausgeht.279 Gegen die Anwendung der Grundsätze über vorvertragliche Schuldverhältnisse sprechen allerdings die bereits ausgeführten Bedenken;280 im Falle der unbegründeten Abmahnung ist es in besonderer Weise augenfällig, dass der Versuch der Vertragsanbahnung mangels Interesses des Abgemahnten zum Scheitern verurteilt und zur Begründung von vertrauensbasierten Pflichten des Abgemahnten daher nicht geeignet ist.281 Eine weitere Auffassung plädiert für die analoge Anwendung des § 840 ZPO: Im Falle der unbegründeten Abmahnung sei eine der Drittschuldnerauskunft gemäß § 840 ZPO vergleichbare Interessenlage gegeben, denn auch die in dieser Vorschrift geregelte, schadensersatzbewehrte Auskunftspflicht des Drittschuldners setze nicht voraus, dass die gepfändete Forderung tatsächlich bestehe; die analoge Anwendung des § 840 ZPO sei daher jedenfalls in dem Fall gerechtfertigt, dass sich der Abmahnende unverschuldet und unvermeidbar im Irrtum über die Passivlegitimation des Abgemahnten befunden habe.282 Entgegen dieser Auffassung liegen aber die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 840 ZPO mangels Vergleichbarkeit der in Frage stehenden Sachverhalte nicht vor.283 Denn der durch § 840 ZPO geschützte Vollstreckungsgläubiger macht – anders als der Abmahnende – keinen eigenen Anspruch geltend, sondern eine Fremdforderung, in deren Bestehen er als außenstehender Dritter keinen Einblick haben kann.284 Für diese besondere Konstellation sieht § 840 ZPO ausnahmsweise eine – andernfalls nicht gegebene – Auskunftspflicht des zu Unrecht in Anspruch Genommenen vor.285 Für den Abmahnenden gilt hingegen der Grundsatz, dass sich der (vermeintliche) Gläubiger eines Anspruchs selbst die für die Rechtsverfolgung notwendigen Kenntnisse beschaffen muss und das Risiko einer Fehleinschätzung nicht auf den zu Unrecht in Anspruch Genommenen verlagert werden kann.286 Ansprüche des unbegründet Abmahnenden können sich daher nur im Extremfall des arglistig agierenden Abgemahnten gemäß § 826 BGB ergeben.287 6. Kosten der Abmahnung a) § 12 Abs. 1 S. 2. Nach § 12 Abs. 1 S. 2 kann Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Im Rahmen der Kostenerstattung ist der Abmahnende nicht nur für die Berechtigung der Abmahnung und die Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten darlegungs- und beweispflichtig, sondern auch für die Wirksamkeit der Abmahnung, die ihren Zugang erfordert.288 Die der Abmahnung eigene Streit- und Kostenvermeidungsfunktion erfüllt auch das 62 Abschlussschreiben, mit welchem der Gläubiger nach Erlass einer einstweiligen Verfü61

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279 Goldbeck S. 83, 86 f.; ähnlich schon Ulrich WRP 1985, 117, 121 und ZIP 1990, 1377, 1381 (Abmahnender „erkennbar unwissend“). 280 S. Rn. 53. 281 BGH 1.12.1994 – I ZR 139/92 – GRUR 1995, 167 unter III.2.b) – Kosten bei unbegründeter Abmahnung; Nosch S. 45; Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 16. 282 Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 52; Ulrich WRP 1995, 282, 286. 283 Hahn S. 225 ff.; Teplitzky Kap. 41 Rn. 61. 284 Hahn S. 226 f. 285 Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 17; Hahn S. 226; Teplitzky Kap. 41 Rn. 61. 286 BGH 1.12.1994 – I ZR 139/92 – GRUR 1995, 167 unter II.2.d) – Kosten bei unbegründeter Abmahnung; Hahn S. 227. 287 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 69; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.63; Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 14 zieht auch § 823 BGB in Betracht. 288 Teplitzky Kap. 41 Rn. 88a; s. Rn. 21, 23.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

gung den Schuldner zur Vermeidung eines Hauptsacheverfahrens dazu auffordert, die einstweilige Titulierung als endgültige Regelung anzuerkennen.289 Die vor der Einführung des § 12 Abs. 1 weithin nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag290 angenommene Erstattungsfähigkeit der Kosten des Abschlussschreibens wird heutzutage mit Blick auf seine Funktionsähnlichkeit teilweise mit einer analogen Anwendung des § 12 Abs. 1 S. 2 begründet.291 Es fehlt allerdings an einer hierfür erforderlichen Regelungslücke, denn außerhalb des Anwendungsbereichs des § 12 Abs. 1 S. 2, der sich auf die Kostenerstattung bei Abmahnung eines Unterlassungsanspruchs beschränkt,292 bleiben die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag anwendbar.293 aa) Begriff der berechtigten Abmahnung. „Berechtigt“ ist eine Abmahnung im 63 Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2, wenn der nach § 8 Abs. 3 anspruchsberechtigte und daher zur Abmahnung befugte 294 Abmahnende einerseits einen durchsetzbaren wettbewerbsrechtlichen Anspruch innehat295 und andererseits die Abmahnung funktionsgerecht eingesetzt wird, sie also zur außergerichtlichen Streitbeilegung geeignet und erforderlich ist.296 Im Ausgangspunkt entspricht dieses Voraussetzungspaar den Kriterien, die schon vor Einführung des § 12 Abs. 1 S. 2 für die Erstattungsfähigkeit der Abmahnkosten nach dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag verlangt wurden, also den Kriterien der objektiven Nützlichkeit und der Übereinstimmung mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Interesse des Verletzers;297 Modifikationen ergeben sich nur hinsichtlich der beiden Fallkonstellationen der Abmahnung eines verjährten Anspruchs298 und der Mehrfachabmahnung.299 Auf den Erfolg der Abmahnung – also darauf, ob der Schuldner sich

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289 Vgl. BGH 2.3.1973 – I ZR 5/72 – GRUR 1973, 384 – Goldene Armbänder; 5.12.1980 – I ZR 179/78 – GRUR 1981, 447 – Abschlußschreiben; 5.7.1990 – I ZR 148/88 – GRUR 1991, 76 – Abschlußerklärung; 30.3.1989 – I ZR 85/87 – BGHZ 107, 136 – Bioäquivalenz-Werbung; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.69. Zum Abschlussschreiben im Einzelnen s. § 12 C Rn. 258 ff. 290 S. die in vorstehender Fn. genannte Rspr. des BGH, ferner OLG Frankfurt 24.1.1989 – 6 W 8/89 – GRUR 1989, 374; 13.3.2003 – 6 U 3/02 – GRUR-RR 2003, 274; OLG Stuttgart 18.11.1983 – 2 U 90/83 – WRP 1984, 230. 291 Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 50; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.78; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.73; Nill GRUR 1995, 740, 741; juris-PK/Hess § 12 Rn. 139. 292 S. Rn. 2. 293 Vgl. BGH 4.2.2010 – I ZR 30/08 – GRUR 2010, 1038 Tz. 26 – Geschäftsgebühr für Abschlussschreiben; Fezer/Büscher § 12 Rn. 181; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 662; Teplitzky Kap. 43 Rn. 30. 294 S. Rn. 3. 295 Insoweit wird von „begründeter Abmahnung“ gesprochen, s. BGH 7.10.2009 – I ZR 216/07 – GRUR 2010, 257 Tz. 7 – Schubladenverfügung; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.80 und Teplitzky Kap. 41 Rn. 56 Fn. 277; vgl. auch BGH 1.7.2010 – I ZR 161/09 – GRUR 2011, 163 Tz. 25 – Flappe; 9.9.2010 – I ZR 193/07 – GRUR 2010, 1136 Tz. 26 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE. 296 BGH 21.1.2010 – I ZR 47/09 – GRUR 2010, 354 Tz. 8 – Kräutertee; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.68, 1.80 f.; Teplitzky Kap. 41 Rn. 27a, 84c; ders. FS Ullmann, S. 999, 1000 f. Entgegen OLG Hamm 31.1.2012 – I-4 U 169/11 – GRUR 2012, 543 berührt die Verwendung einer sog. Abwehrklausel, mit welcher der Abmahnende von seinen Mitbewerbern verlangt, ihrerseits zunächst auf eine anwaltliche Abmahnung zu verzichten und selbst Kontakt aufzunehmen, nicht die Berechtigung einer sogleich im Namen des Klauselverwenders ausgesprochenen anwaltlichen Abmahnung, OLG Celle 28.3.2013 – 13 U 19/13 – WRP 2013, 934. 297 Grundlegend BGH 15.10.1969 – I ZR 3/68 – BGHZ 52, 393 – Fotowettbewerb; ausführlich zum nurmehr historischen Streit um die Anwendung der Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag auf die wettbewerbsrechtliche Abmahnung Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 140 ff. Neuerlich kritisch Bärenfänger GRUR 2012, 461, 462 ff. 298 Dazu nachfolgend Rn. 67. 299 Dazu nachfolgend Rn. 68 f.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

unterwirft300 – kommt es für die Frage ihrer Berechtigung nicht an.301 Hingegen erfasst § 12 Abs. 1 nicht den Fall der Gegenabmahnung, die der zu Unrecht Abgemahnte vor der Erhebung einer gegen den sich zu Unrecht eines Anspruchs berühmenden Abmahnenden gerichteten negativen Feststellungsklage ausspricht.302 Denn § 12 Abs. 1 stellt allein für die vorprozessuale Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche einen Kostenerstattungsanspruch zur Verfügung;303 in Betracht kommt vielmehr die Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag.304 Für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs kommt es auf den Zeitpunkt des 64 Zugangs der Abmahnung an,305 denn in diesem Zeitpunkt wird sie gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam.306 Ob also das beanstandete Verhalten wettbewerbswidrig ist, richtet sich nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage.307 Auch für den etwaigen Untergang des Unterlassungsanspruchs ist der Zugangszeitpunkt maßgeblich: Mangels Unterlassungsanspruchs ist eine Abmahnung daher nicht berechtigt, wenn vor ihrem Zugang die Wiederholungsgefahr entfallen ist,308 weil sich der Abgemahnte gegenüber einem Dritten strafbewehrt unterworfen hat309 oder er sich gegenüber dem Abmahnenden auf einen von einem Dritten vor Zugang der Abmahnung erwirkten rechtskräftigen Unterlassungstitel im Hauptsacheverfahren beruft.310 Gleiches gilt, wenn vor Zugang der Abmahnung durch geeignete Handlungen des Schuldners – etwa ein einfaches (ungesichertes) Unterlassungsversprechen311 – die Erstbegehungsgefahr entfällt.312 Macht der Gläubiger Abmahnkostenerstattung nach einer außergerichtlichen Unterwerfung des Schuldners geltend, so entbindet die Unterwerfung das Gericht nicht von der Prüfung, ob der mit der Abmahnung geltend gemachte Anspruch tatsächlich bestand; denn die Unterwerfung beinhaltet – auch dann, wenn sie nicht mit dem rein deklaratori-

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300 „Erfolg“ in diesem Sinne meint entgegen OLG Stuttgart 9.2.1996 – 2 W 57/95 – WRP 1996, 477 nicht den Zugang der Abmahnung, für den der Gläubiger im Rahmen des Kostenerstattungsanspruchs sehr wohl darlegungs- und beweispflichtig ist, s. Rn. 23. 301 BGH 22.9.1983 – I ZR 166/81 – GRUR 1984, 129, 131 – shop-in-the-shop; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.85; Teplitzky Kap. 41 Rn. 89. 302 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 112; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.75; Goldbeck S. 101; Heidenreich WRP 2004, 660, 664; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 113; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 27. 303 Goldbeck S. 101. 304 Hierzu s. Rn. 81 ff. 305 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.84; a.A. (Zeitpunkt der Absendung) Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 82. 306 S. Rn. 21. 307 BGH 22.9.2005 – I ZR 55/02 – GRUR 2006, 75 Tz. 24 – Artenschutz; 19.4.2007 – I ZR 57/05 – GRUR 2007, 981 Tz. 15 – 150% Zinsbonus; 11.3.2009 – I ZR 194/06 – GRUR 2009, 1064 Tz. 13 – Geld-zurückGarantie II; 30.4.2009 – I ZR 148/07 – (juris); 16.7.2009 – I ZR 50/07 – GRUR 2010, 248 Tz. 15 – Kamerakauf im Internet; 22.10.2009 – I ZR 73/07 – GRUR 2010, 352 Tz. 9 – Hier spiegelt sich Erfahrung; 11.3.2010 – I ZR 27/08 – GRUR 2010, 939 Tz. 16 – Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; 31.3.2010 – I ZR 75/08 – GRUR 2010, 1022 Tz. 13 – Ohne 19% Mehrwertsteuer; 19.5.2010 – I ZR 140/08 – GRUR 2010, 1120 – Vollmachtsnachweis; 18.11.2010 – I ZR 155/09 – GRUR 2011, 617 Tz. 29 – Sedo; 28.9.2011 – I ZR 145/10 – GRUR-RR 2012, 96 (Ls.), MMR 2012, 39 Tz. 8 – Tigerkopf; Teplitzky Kap. 41 Rn. 84a m. Fn. 457. 308 Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn.10; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 81; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.84 f.; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 12, 24. 309 S. nur BGH 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290 unter II.2.b) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; 21.2.2008 – I ZR 142/05 – GRUR 2008, 815 Tz. 14 – Buchführungsbüro. 310 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450 unter II.2.b) – Begrenzte Preissenkung; Teplitzky Kap. 7 Rn. 4 f. 311 S. nur BGH 23.2.1989 – I ZR 18/87 – GRUR 1989, 432 Tz. 39 – Kachelofenbauer I; 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174 Tz. 42 – Berühmungsaufgabe; 11.7.1991 – I ZR 31/90 – GRUR 1992, 116 Tz. 15 – Topfgucker-Scheck; 15.1.2009 – I ZR 57/07 – GRUR 2009, 841 Tz. 23 – Cybersky; Teplitzky Kap. 10 Rn. 20 f.; a.A. Köhler GRUR 2011, 879, 883. 312 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 81.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

schen Zusatz „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ versehen ist –, kein Anerkenntnis des Unterlassungsanspruchs.313 Die Rechtskraft eines dem Prozess um die Abmahnkosten vorangegangenen Unterlassungsurteils erstreckt sich nicht auf die Frage, ob der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch zugrundelag.314 Die Berechtigung der Abmahnung wird durch den Inhalt des mit ihr verfolgten ge- 65 setzlichen Unterlassungsanspruchs definiert. Eine über den Anspruch hinausgehende Abmahnung („Übermaßabmahnung“)315 ist also nur im Umfange des Anspruchs berechtigt (teilweise berechtigte Abmahnung).316 Eine Abmahnung ist dann nicht „berechtigt“ im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2, wenn der 66 Abmahnende an der Geltendmachung des mit der Abmahnung verfolgten Unterlassungsanspruchs gemäß § 8 Abs. 4 wegen Rechtsmissbrauchs317 gehindert ist.318 In einem solchen Fall ist die auf Zahlung der Abmahnkosten gerichtete Klage zwar zulässig, weil der aus § 8 Abs. 4 folgende Ausschluss der Prozessführungsbefugnis319 allein den Unterlassungsanspruch betrifft; die Zahlungsklage ist jedoch unbegründet, weil es am durchsetzbaren Anspruch fehlt.320 In diesem Sinne ist die rechtsmissbräuchliche Abmahnung also unwirksam.321 Ist der den Gegenstand der Abmahnung bildende Unterlassungsanspruch bereits 67 verjährt, so besteht nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag kein Ersatzanspruch, weil die Abmahnung eines verjährten Anspruchs, den der Abgemahnte durch Erhebung der Verjährungseinrede zu Fall bringen kann, schwerlich seinem Interesse entspricht.322 Die Einführung des Begriffs der Berechtigung gestattet allerdings eine differenzierte Betrachtungsweise, denn der bestehende Unterlassungsanspruch ist durchsetzbar, solange der Schuldner die Verjährungseinrede nicht erhoben hat. In einem solchen Fall dient die Abmahnung der Klärung, ob die Einrede der Verjährung erhoben wird; sie ist ferner geeignet, für den Fall des Unterbleibens der Einrede die Kostenfolge des § 93 ZPO auszuschließen.323 Diese Gründe sprechen dafür, im Rahmen des

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313 BGH 24.9.2013 – I ZR 219/12 – GRUR 2013, 1252 Tz. 10 – Medizinische Fußpflege; OLG Celle 15.11.2012 – 13 U 57/12 – WRP 2013, 208; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 88; Hess WRP 2003, 353; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.37, 109, 111f; Labesius WRP 2013, 312; Mes GRUR 1978, 345, 346; a.A. KG 16.8.1977 – 5 U 2942/76 – WRP 1977, 793 m. ablehnender Anm. Burchert ebda.; AG Charlottenburg 9.9.2002 – 213 C 167/02 – WRP 2002, 1472 (red. Ls.); AG Dinslaken 28.4.2004 – 34 C 26/04 – WRP 2004, 1078 (Ls.); AG Oberhausen 6.8.1999 – 36 C 240/99 – WRP 2000, 137; AG Rotenburg (Wümme) 17.9.2002 – 5 C 450/02 – WRP 2003, 414 (Ls.); Conrad WRP 2001, 187. 314 BGH 31.5.2012 – I ZR 45/11 – GRUR 2012, 949 Tz. 35 ff.– Missbräuchliche Vertragsstrafe. 315 Dazu bereits Rn. 37. 316 Vgl. BGH 10.12.2009 – I ZR 149/07 – GRUR 2010, 744 Tz. 50, 52 – Sondernewsletter; 11.3.2010 – I ZR 27/08 – GRUR 2010, 939 Tz. 41 – Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; Teplitzky Kap. 41 Rn. 86a. Zum Umfang der Kostenerstattung in diesem Fall s.u. Rn. 80. 317 Zum Rechtsmissbrauch im Einzelnen s. § 8 Rn. 249 ff. 318 BGH 15.12.2011 – I ZR 174/10 – GRUR 2012, 730 Tz. 13 – Bauheizgerät; 31.5.2012 – I ZR 45/11 – GRUR 2012, 949 Tz. 32 – Missbräuchliche Vertragsstrafe; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn.11; Büscher/Dittmer/Schiwy § 12 Rn. 17; Fezer/Büscher § 12 Rn. 22; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 80; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.83; Jackowski WRP 2010, 38, 39; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 25; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 32; Renner Humboldt Forum Recht 2009, 140, 151. 319 BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371 unter II.3 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; Zum Streit um die Einordnung des § 8 Abs. 4 siehe § 8 Rn. 252 ff. 320 BGH 1.6.2006 – I ZR 167/03 – GRUR 2007, 164 Tz. 11 (Telefax-Werbung II); Jackowski WRP 2010, 38, 39. 321 BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371 unter II.3 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; Köhler FS Erdmann, S. 845, 857; Teplitzky GRUR 2003, 272, 279. 322 OLG Karlsruhe 12.10.1983 – 6 U 250/82 – WRP 1984, 100, 102; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 151. 323 Teplitzky FS Ullmann, S. 999, 1008 (mit dem Vorschlag, bei Erledigung des Rechtsstreits infolge Erhebung der Verjährungseinrede im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO zugunsten des

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

§ 12 Abs. 1 S. 2 die Abmahnung eines verjährten Unterlassungsanspruchs vor Erhebung der Verjährungseinrede als berechtigt anzusehen.324 Bei näherer Betrachtung besteht im Ergebnis ein Gleichklang mit den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag: Erhebt der Abgemahnte die Verjährungseinrede, so ist ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die erklärtermaßen interessewidrige Abmahnung ausgeschlossen.325 Unterbleibt hingegen die Einrede, so entspricht die Abmahnung dem auch nach § 683 BGB jedenfalls maßgeblichen tatsächlichen Willen des Abgemahnten. Bestimmt man die weitere Voraussetzung der berechtigten Abmahnung nach § 12 68 Abs. 1 S. 2, die Erforderlichkeit der Abmahnung – in Übereinstimmung mit dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag326 – rein objektiv, so ergibt sich im Falle der Mehrfachabmahnung, also der Abmahnung desselben Verstoßes durch mehrere Gläubiger,327 dass – unabhängig von der Kenntnis des Abmahnenden – alle der ersten Abmahnung folgenden weiteren Abmahnungen schon deshalb unberechtigt sind, weil sie den Zweck der außergerichtlichen Streitbeilegung nicht mehr erfüllen können.328 Weil aber im Rahmen des § 93 ZPO von jeher zu Recht auf die objektivierte Perspektive des schutzwürdigen Gläubigers abgestellt wird,329 ergibt sich der Widerspruch, dem Gläubiger, der von einer vorangegangenen Abmahnung nichts weiß, einerseits im Kontext des § 93 ZPO eine Abmahnung abzuverlangen, ihm aber andererseits mangels „Berechtigung“ im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2 einen Anspruch auf Kostenerstattung zu versagen.330 Nach überwiegender Ansicht ist eine Abmahnung daher (schon) dann „berechtigt“, wenn sie als aus der objektivierten Gläubigerperspektive erforderlich erscheint.331 69 Die Absicht des Gesetzgebers, mit der Einführung des § 12 Abs. 1 S. 2 die Rechtsprechung zur Kostentragungspflicht des Abgemahnten nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag „nachzuvollziehen“,332 steht dieser zutreffenden Auffassung nicht entgegen. Denn abgesehen davon, dass unter der Geltung des § 12 Abs. 1 S. 2 die zuvor nach dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag anerkannten Grundsätze weitgehend weiterhin anwendbar sind, ist der neu eingeführte, gesetzlich nicht definierte Begriff der „berechtigten Abmahnung“ der vorstehenden systematisch sinnvollen Aus-

_____ Abmahnenden den Umstand zu berücksichtigen, dass der Abgemahnte vorprozessual die Einrede unterlassen hat). 324 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.83; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 96; Nosch S. 16; Ahrens/ Scharen Kap. 11 Rn.10; Teplitzky Kap. 41 Rn. 84c; ders. FS Ullmann, S. 999, 1008; a.A. OLG Hamm 30.6.2009 – 4 U 54/09 – (juris); Goldbeck S. 59. 325 Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 96; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.83. 326 BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371 unter II.2.b) – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; BGH 21.1.2010 – I ZR 47/09 – GRUR 2010, 354 Tz. 10 – Kräutertee; Teplitzky GRUR 2003, 272, 279, ders. WRP 2005, 654, 655. 327 Hierzu s. bereits Rn. 48. 328 Für eine rein objektive Betrachtungsweise Fezer/Büscher § 12 Rn. 64; Goldbeck S. 58 f.; Götting/ Nordemann/Schmitz-Fohrmann/Schwab, § 12 Rn. 38; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 29; juris-PK/Hess § 12 Rn. 40. 329 Siehe nur BGH 27.6.1979 – VIII ZR 233/78 – NJW 1979, 2040 unter II.3; 3.3.2004 – IV ZB 21/03 – NJWRR 2004, 999 Tz. 15; 8.3.2005 – VIII ZB 3/04 – NJW-RR 2005, 1005 Tz. 5 f.; 30.5.2006 – VI ZB 64/05 – BGHZ 168, 57 Tz. 10; OLG Düsseldorf 13.10.1969 – 2 W 68/69 – GRUR 1970, 432; OLG Frankfurt 16.9.1991 – 25 W 68/91 – NJW-RR 1993, 126; OLG München 17.11.1983 – 5 W 1852/83 – MDR 1984, 409; OLG Stuttgart 9.5.1986 – 2 W 26/86 – NJW-RR 1987, 426; Büscher/Dittmer/Schiwy § 12 Rn. 16; Nosch S. 5. 330 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.44, 1.81; Teplitzky Kap. 41 Rn. 27a, 84c; ders. FS Ullmann, S. 999, 1001, 1007. 331 OLG Oldenburg 10.2.2012 – 6 U 247/11 – WRP 2012, 1138; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 9; Büscher/ Dittmer/Schiwy § 12 Rn. 16 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.44, 1.81; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 77, 81; Teplitzky Kap. 41 Rn. 27a, 84c. 332 RegE 2003, S. 25.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

legung zugänglich.333 Die Koppelung der Merkmale „Berechtigung“ im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2 und „Entbehrlichkeit“ im Sinne des § 93 ZPO führt auch nicht zur einer unbilligen Benachteiligung desjenigen Gläubigers, der überobligationsmäßig eine Abmahnung ausspricht;334 denn der sehenden Auges eine nicht erforderliche Abmahnung aussprechende Gläubiger ist hinsichtlich des mit ihr verbundenen Kostenaufwands nicht schutzwürdig. 335 Die Privilegierung der subjektiv berechtigten lauterkeitsrechtlichen Abmahnung ist im Hinblick auf die dem System der privatautonomen Anspruchsverfolgung nach § 1 u.a. zugrundeliegende Wahrnehmung öffentlicher Interessen zudem wertungsmäßig gerechtfertigt: auch mit der nur subjektiv erforderlichen Abmahnung sollte für den Abmahnenden im Interesse einer effektiven lauterkeitsrechtlichen Kontrolle ein Kostenrisiko nicht verbunden sein. Eine Zweitabmahnung im Sinne der erneuten, nunmehr anwaltlichen Abmahnung 70 desselben Verstoßes nach einer von demselben Gläubiger selbst ausgesprochenen ersten Abmahnung hatte der Bundesgerichtshof in der für die wettbewerbsrechtliche Anwendung der Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag grundlegenden „Fotowettbewerb“Entscheidung noch als zweckentsprechende, für den Schuldner kostenpflichtige Rechtsverfolgung eingeordnet. 336 Im Lichte der heute herrschenden Erkenntnis, dass der Schuldner bereits durch die erste Abmahnung hinreichend gewarnt und zur außergerichtlichen Streitbeilegung aufgefordert worden ist und folglich eine weitere Abmahnung stets die Streiterledigungsfunktion nicht mehr erfüllen kann,337 wird hingegen die Zweitabmahnung wegen desselben oder auch nur eines kerngleichen338 Verstoßes nicht mehr als berechtigt angesehen.339 Ebenso wie im Falle der Mehrfachabmahnung340 erlangt bei dieser Bewertung neben dem funktionalen Gesichtspunkt – Tauglichkeit zur außergerichtlichen Streitbeilegung – maßgeblich der normative Aspekt Bedeutung, eine als unangemessen empfundene Vervielfältigung der kostenmäßigen Belastung des Schuldners zu vermeiden.341 Mahnt der Gläubiger den Schuldner wegen eines neuen Verstoßes ab, nachdem 71 dieser sich auf die Abmahnung eines Erstverstoßes hin strafbewehrt unterworfen hatte (Wiederholungsabmahnung),342 um den Versuch zu unternehmen, den neu begründeten gesetzlichen Unterlassungsanspruch343 durch Erlangung eines erheblich erhöhten Vertragsstrafeversprechens des Schuldners zu beseitigen,344 ist auch diese Abmahnung

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333 Teplitzky FS Ullmann, S. 999 f., 1001, 1007. 334 So die Kritik von Goldbeck S. 58. 335 Büscher/Dittmer/Schiwy § 12 Rn. 14. 336 BGH 15.10.1969 – I ZR 3/68 – BGHZ 52, 393 – Fotowettbewerb. 337 Teplitzky Kap. 41 Rn. 27a; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 45. 338 BGH 19.7.2012 – I ZR 199/10 – GRUR 2013, 307 Tz. 31 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung. 339 BGH 21.1.2010 – I ZR 47/09 – GRUR 2010, 354 Tz. 9 – Kräutertee (anwaltliche Abmahnung nach Eigenabmahnung eines Wettbewerbsverbands); OLG Hamburg 11.3.2009 – 5 U 35/08 – WRP 2009, 1569; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.45, 1.55. Dies gilt natürlich erst recht, wenn der Abgemahnte auf die nicht mit einem strafbewehrten Unterwerfungsverlangen versehene Eigenabmahnung die geforderten Erklärungen abgibt, OLG Frankfurt 10.1.2012 – 11 U 36/11 – MMR 2012, 249. 340 Hierzu s. Rn. 48, 68 f. 341 Vgl. BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371 unter II.2.b) – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; BGH 21.1.2010 – I ZR 47/09 – GRUR 2010, 354 Tz. 9 – Kräutertee; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.45, 1.55. 342 Begriff nach Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 107. 343 BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241 – Rechtsschutzbedürfnis; 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186 – Wiederholte Unterwerfung I. 344 Zu dieser Möglichkeit siehe BGH 7.12.1989 – I ZR 237/87 – GRUR 1990, 534 – Abruf-Coupon; kritisch hierzu Teplitzky Kap. 8 Rn. 53.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

berechtigt.345 Denn aus diesem Vorgehen spricht die (durch die Erstunterwerfung gestützte) Einschätzung des Gläubigers, auch den neuerlichen Streit außergerichtlich beilegen bzw. eine solche Streiterledigung nicht hinreichend sicher ausschließen zu können. Bestehen aber relevante Zweifel an der Erfolglosigkeit der Abmahnung, so kann sie auch im Kontext des § 93 ZPO nicht als entbehrlich angesehen werden.346 Der Gläubiger, der ggf. das mit einer Fehleinschätzung der Entbehrlichkeit der Abmahnung verbundene Kostenrisiko zu tragen hätte, darf dann mithilfe der Abmahnung den „sicheren Weg“ wählen. Berechtigt – und auch nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht er72 stattungsfähig347 – ist nur eine solche Abmahnung, die vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens erfolgt. Denn nur dann kann sie den Zweck der außergerichtlichen Streiterledigung erfüllen. Dies folgt auch aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 S. 1: „(…) sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen (…)“. Die erst nach Erwirkung einer sog. Schubladenverfügung versandte Abmahnung begründet also keine Kostenerstattungsansprüche.348 73

bb) Erforderliche Aufwendungen. Der bürgerlich-rechtliche Begriff der Aufwendung beinhaltet die freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten im Interesse eines anderen.349 Im Auftragsrecht, auf dessen Erstattungsregeln das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag verweist (§§ 683, 670 BGB), ist anerkannt, dass hiervon solche Vermögensopfer erfasst sind, die sich – wie etwa Prozess- oder Rechtsanwaltskosten – im Einzelfall als notwendige Folge der Auftragsausführung ergeben.350 Nur tatsächlich vorgenommene Vermögensopfer, die durch die Abmahnung351 verursacht wurden, sind als Aufwendung erstattungsfähig, nicht aber lediglich fiktive Kosten: weder kann daher die gesetzliche Vergütung gefordert werden, wenn der Abmahnende seinem Rechtsanwalt aufgrund vertraglicher Abrede eine andere, der Höhe nach nicht dargelegte (womöglich geringere) Vergütung schuldet, noch kann eine tatsächlich nicht vorgenommene Abmahnung im Rahmen der nach unstreitiger Verfahrenserledigung zu treffenden Kostenentscheidung berücksichtigt werden.352 Erforderlich sind solche Aufwendungen, die aus Sicht des Handelnden im Zeitpunkt ihrer Erbringung vernünftiger-

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345 OLG Jena 7.10.2009 – 2 U 272/09 – MDR 2010, 827. 346 S. Rn. 45. 347 A.A. insoweit Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 9; Schulz WRP 2007, 589, 590. 348 BGH 7.10.2009 – I ZR 216/07 – GRUR 2010, 257 Tz. 8 ff. – Schubladenverfügung; OLG Köln 7.12.2007 – 6 U 118/07 – WRP 2008, 379; OLG München 9.3.2006 – 29 U 4994/05 – GRUR-RR 2006, 176; Büscher/ Dittmer/Schiwy § 12 Rn. 20 f.; Goldbeck S. 57; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.82a; Spätgens FS Loschelder, S. 355, 360 f.; Teplitzky Kap. 41 Rn. 86; Weisert WRP 2007, 504, 505 f. 349 So schon RGZ 75, 208, 211; BGH 30.5.1960 – II ZR 113/58 – NJW 1960, 1568; 12.10.1972 – VII ZR 51/72 – BGHZ 59, 328; 26.4.1989 – IVb ZR 42/88 – NJW 1989, 2816; MünchKommBGB/Krüger § 256 Rn. 2. 350 BGHZ 69, 235, 241; 23.6.1998 – XI ZR 294/97 – NJW-RR 1998, 1511; Erman/Berger § 670 Rn. 8; MünchKommBGB/Seiler § 670 Rn. 8. 351 Hierzu zählen – entgegen LG Kaiserslautern 28.11.2007 – HK O 50/07 – WRP 2008, 527– nicht die Kosten der Anrufung einer Einigungsstelle; diese sind nach erfolgloser Abmahnung auch nicht nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag zu erstatten, BGH 5.7.2001 – I ZR 104/99 – GRUR 2001, 1166 – Fernflugpreise. 352 OLG Celle 16.9.1981 – 13 W 65/81 – WRP 1981, 649; 20.3.1996 – 13 U 185/95 – WRP 1996, 757; OLG Düsseldorf 30.10.1979 – 2 W 80/79 – WRP 1980, 416; OLG Hamburg 12.11.2008 – 5 U 245/07 – (juris); OLG Köln 1.6.1981 – 6 W 16/81 – WRP 1981, 481; 6.1.1986 – 6 W 69/85 – WRP 1986, 426; OLG München 5.10.2006 – 29 U 3143/06 – Magazindienst 2007, 168; OLG Schleswig 7.7.1972 – 6 W 10/72 – GRUR 1973, 103; OLG Stuttgart 3.1.1986 – 2 W 29/85 – WRP 1986, 359; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 18, 45; Ahrens/Achilles Kap. 12 Rn. 2; Rehart WRP 2009, 532, 534; Steinmetz S. 52; a.A. OLG Köln 7.2.1969 – 6 W 71/68 – NJW 1969, 935; OLG Koblenz 9.4.1979 – 6 U 1044/78 – GRUR 1979, 496; Pastor Der Wettbewerbsprozeß3 S. 198 ff.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

weise veranlasst sind.353 Für die Prüfung der Erforderlichkeit der Aufwendungen können die im Rahmen des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO geltenden Grundsätzen der Notwendigkeit von Prozessvorbereitungskosten herangezogen werden.354 Zu erstatten sind daher zum einen etwa Porto- oder Zustellungskosten, zum anderen aber auch – soweit für die Ausführung der Abmahnung erforderlich – die Kosten der vorgelagerten Sachverhaltsrecherche (Testkauf, Detektei).355 Hingegen wird der mit der Abmahnung verbundene Aufwand von Arbeitskraft des selbst abmahnenden Unternehmers oder seiner Mitarbeiter als nicht ausscheidbare und daher auch nicht erstattungsfähige Kostenposition angesehen.356 Bis zur Vornahme der in einer Zahlung bestehenden Aufwendung kann der Erstattungsgläubiger nicht auf Zahlung, sondern gemäß § 257 BGB lediglich auf Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit klagen.357 Bürgerlich-rechtlich wird zwar vertreten, dass ausnahmsweise eine Zahlungsklage möglich sein soll, wenn die Inanspruchnahme des Gläubigers aus der übernommenen Forderung mit Sicherheit feststehe;358 jedoch wird diese Annahme im wettbewerbsrechtlichen Kontext kaum mit hinreichender Verlässlichkeit getroffen werden können.359 Die in der Rechtsprechung zu verzeichnende Tendenz, in Anlehnung an die schadensersatzrechtlichen Regelungen der §§ 249, 250 BGB eine Zahlungsklage auch dann für möglich zu halten, wenn der Schuldner eine Zahlungsfrist hat verstreichen lassen bzw. die Ersatzleistung ernsthaft und endgültig verweigert hat,360 ist hingegen mit dem Begriff der Aufwendung als tatsächliches Vermögensopfer nicht zu vereinbaren; weder ist hier Raum für eine analoge Anwendung des §§ 250 BGB,361 noch kann dieser Vorschrift ein allgemeiner Rechtsgedanke über die Umwandlung eines Befreiungs- in einen Zahlungsanspruch entnommen werden.362 Diese dogmatischen Bedenken werden vermieden, wenn in dieser Konstellation ein auf Zahlung gerichteter Schadensersatzanspruch statt der – zunächst nur auf Freistellung gerichteten – Leistung gem. § 281 Abs. 1 S. 1 BGB zuerkannt wird, nachdem der Schuldner die – bereits mit der Abmahnung gesetzte – Frist zur Freistellung hatte verstreichen lassen bzw. durch die Zurückweisung der Abmahnung die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hatte, so dass gem. § 281 Abs. 2 BGB eine Fristsetzung gem. § 281 Abs. 2 BGB ohnehin entbehrlich ist.363 Diese Lösung ist, sofern sich die Weigerung des Schuldners tatsächlich darauf bezieht, Abmahnkosten (überhaupt) nicht zahlen zu müssen (und

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353 Zu § 670 BGB: BGH 19.9.1985 – IX ZR 16/85 – BGHZ 95, 375 unter II.2.c)bb); 17.7.2008 – I ZR 219/05 – GRUR 2008, 996 Tz. 11 – Clone-CD; 28.9.2011 – I ZR 145/10 – GRUR-RR 2012, 96 (Ls.), MMR 2012, 39 Tz. 14 – Tigerkopf; MünchKommBGB/Seiler § 670 Rn. 9. 354 Teplitzky Kap. 41 Rn. 92; hierzu s. etwa Zöller/Herget § 91 ZPO Rn. 12 ff. 355 Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 19. Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten des Testkaufs gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO vgl. OLG München 19.2.2004 – 29 W 886/04 – GRUR-RR 2004, 190 u. 16.3.2004 – 29 W 867/04 – GRUR-RR 2005, 40 (Ls.). 356 LG Braunschweig 8.8.2007 – 9 O 482/07 – GRUR-RR 2008, 214; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 19; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 155; Teplitzky Kap. 41 Rn. 94. 357 BGH 28.9.2011 – I ZR 145/10 – GRUR-RR 2012, 96 (Ls.), MMR 2012, 39 Tz. 13 – Tigerkopf; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.92a; Hess FS Bornkamm, S. 375; MünchKommBGB/Seiler § 670 Rn. 13; Palandt/Sprau § 670 Rn. 3; Ungewitter GRUR 2012, 697, 698. 358 RG 2.12.1911 – V 266/11 – RGZ 78, 26, 34; MünchKommBGB/Krüger § 257 Rn. 5. 359 Vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.92a. 360 BGH 6.2.2013 – I ZR 106/11 – GRUR 2013, 925 Tz. 59 – VOODOO; OLG Frankfurt 23.8.2011 – 6 U 49/11 – BB 2011, 2562; OLG Hamm 22.11.2011 – I-4 U 98/11 – GRUR-RR 2012, 282, 285; OLG Köln 12.10.2007 – 6 U 76/07 – MMR 2008, 477; 23.7.2010 – 6 U 31/10 – WRP 2010, 1284 (Ls); OLG Stuttgart 19.4.2012 – 2 U 91/11 – GRUR-RR 2012, 412, 414. 361 Hess jurisPR-WettbR 10/2011 Anm. 3; ders. FS Bornkamm, S. 376. 362 BGH 9.10.1991 – XII ZR 2/90 – NJW 1992, 114 unter 3. 363 OLG Hamm 23.10.2012 – I-4 U 134/12 – WRP 2013, 378.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

nicht lediglich darauf, es bestehe nur ein Freistellungs-, aber kein Zahlungsanspruch),364 konstruktiv stringent365 und kommt zudem dem pragmatischen Bedürfnis entgegen, auf den umständlichen Weg der Freistellung zu verzichten. Geldaufwendungen sind vom Zeitpunkt ihrer Vornahme an vom Erstattungsschuldner gemäß § 256 S. 1 ZPO zu verzinsen.366 Ein Wettbewerbsunternehmen darf in der Regel die Einschaltung eines Rechts74 anwalts zur Verfolgung selbst eines klaren und eindeutigen Wettbewerbsverstoßes auch dann für erforderlich halten, wenn es über eine eigene Rechtsabteilung verfügt; es ist, weil dies nicht zu seinen originären Aufgaben zählt, nicht gehalten, die Rechtsabteilung zur Beobachtung und Verfolgung des Wettbewerbsverhaltens einzusetzen.367 Da für die Frage der Erforderlichkeit die tatsächlichen Organisationsverhältnisse maßgeblich sind, kann anderes gelten, sofern die Rechtsabteilung tatsächlich mit der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen befasst ist.368 Die Beweislast dafür, dass anwaltliche Hilfe nicht erforderlich war, trägt der Abgemahnte.369 Ein Rechtsanwalt kann allerdings für die im eigenen Namen vorgenommene Geltendmachung eines einfach erkennbaren wettbewerbsrechtlichen Anspruches keinen Aufwendungsersatz verlangen. 370 In Wettbewerbssachen ist die Mandatierung (auch) eines Patentanwalts in der Regel nicht erforderlich; anderes gilt nur dann, wenn die besondere Sachkunde des Patentanwalts für die Beurteilung schwieriger technischer oder naturwissenschaftlicher Vorfragen benötigt wird.371 Die Höhe der Rechtsanwaltskosten beläuft sich, wenn der Auftrag des Rechtsan75 walts auf die Abmahnung beschränkt ist und es sich deshalb um eine eigenständige au-

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364 Hierauf weist Hess FS Bornkamm, S. 375, 379 f. zutreffend hin. 365 Vorsichtig zustimmend auch Hess FS Bornkamm, S. 375, 379 f. 366 Hierzu Jennewein WRP 2000, 129, 130. 367 BGH 8.5.2008 – I ZR 83/06 – GRUR 2008, 928 – Abmahnkostenersatz; 17.7.2008 – I ZR 219/05 – GRUR 2008, 996 Tz. 36, 38 – Clone-CD (für urheberrechtl. Abmahnung); 4.2.2010 – I ZR 30/08 – GRUR 2010, 1038 Tz. 23 f. – Kosten für Abschlussschreiben; 19.5.2010 – I ZR 140/08 – GRUR 2010, 1120 Tz. 26 – Vollmachtsnachweis; OLG Frankfurt 9.2.2006 – 6 U 94/05 – OLGR 2006, 978; 6.3.2008 – 6 U 85/07 – OLGR 2008, 849; OLG Karlsruhe 8.11.1995 – 6 U 57/95 – WRP 1996, 591; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 21; Nordemann WRP 2005, 184, 186. An der in BGH 6.5.2004 – I ZR 2/03 – GRUR 2004, 789 – Selbstauftrag geäußerten (allerdings die Entscheidung nicht tragenden) Auffassung, Unternehmen mit einer eigenen Rechtsabteilung seien ebenso wie Wettbewerbsverbände in der Lage, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße ohne anwaltlichen Rat zu erkennen, hält der I. Zivilsenat des BGH nicht fest, s. BGH 17.7.2008 – I ZR 219/05 – GRUR 2008, 996 Tz. 39 – Clone-CD; a.A. für „einfach gelagerte, zweifelsfreie Fälle“ BGH 12.12.2006 – VI ZR 175/05 – GRUR 2007, 620 Tz. 11; 12.12.2006 – VI ZR 188/05 – GRUR 2007, 621 Tz. 11; OLG Düsseldorf 20.2.2001 – 20 U 194/00 – GRUR-RR 2002, 215; s. auch OLG Hamburg 11.5.2006 – 3 U 101/05 – MarkenR 2007, 155. 368 Vgl. BGH 8.5.2008 – I ZR 83/06 – GRUR 2008, 928 Tz. 13, 17– Abmahnkostenersatz; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 21. 369 Melullis Rn. 806; Nordemann WRP 2005, 184, 186. 370 BGH 6.5.2004 – I ZR 2/03 – GRUR 2004, 789 – Selbstauftrag (berufsrechtlicher Verstoß); BGH 12.12.2006 – VI ZR 175/05 – GRUR 2007, 620 Tz. 13 (Abmahnung wegen unerwünschter Telefonwerbung außerhalb des Wettbewerbsrechts); 12.12.2006 – VI ZR 188/05 – GRUR 2007, 621 Tz. 13 (Abmahnung wegen unerwünschter E-Mail-Werbung außerhalb des Wettbewerbsrechts); 12.9.2013 – I ZR 208/12 – GRUR 2013, 1259 – Empfehlungs-E-Mail; OLG Düsseldorf 30.8.2005 – 20 U 42/05 – MMR 2006, 559 (Verstoß gegen die Impressumspflicht gem. TDG); Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.93; Teplitzky Kap. 41 Rn. 82; anders im Falle wettbewerbsrechtlich angegriffener herabsetzender Äußerungen bei Beauftragung der eigenen Sozietät trotz bestehender eigener Spezialkenntnisse im Medienrecht KG 20.5.2009 – 24 U 54/08 – AfP 2010, 271. 371 OLG Frankfurt 2.2.1989 – 6 W 166/88 – GRUR 1989, 375; 24.8.1992 – 6 W 84/92 – GRUR 1993, 161; OLG Jena 12.3.2002 – 2 W 45/02 – GRUR-RR 2003, 30; OLG Koblenz 22.1.1987 – 14 W 53/87 – GRUR 1987, 941; OLG Köln 2.8.2000 – 17 W 170/00 – GRUR 2001, 184; 15.3.2006 – 17 W 315/03 – GRUR-RR 2006, 350; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 2.121; vgl. auch KG 14.1.2000 – 25 W 2536/99 – GRUR 2000, 803; s. auch Rn. 84.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

ßergerichtliche Tätigkeit handelt,372 auf eine Geschäftsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 2300 VV RVG. Die Festlegung der jeweiligen Gebühr innerhalb des von Nr. 2300 VV RVG vorgesehenen Gebührenrahmens von 0,5 bis 2,5 hat der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände, insbesondere des Schwierigkeitsgrads und der Bedeutung der Angelegenheit nach billigem Ermessen festzulegen; ist die Bestimmung unbillig, so ist sie im Verhältnis zu einem auf Erstattung in Anspruch genommenen Dritten nicht verbindlich (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Nr. 2300 VV RVG legt fest, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Diese Regelung ist dem gesetzgeberischen Willen entsprechend373 dahin zu verstehen, dass die Gebühr in Höhe von 1,3 in durchschnittlichen Fällen – so wie zuvor die 7,5/10 Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO a.F. – die Regelgebühr ist.374 Auch im durchschnittlichen Fall einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung ist daher von einer 1,3-Gebühr auszugehen;375 es handelt sich bei der Abmahnung nicht nur um ein Schreiben einfacher Art im Sinne der Nr. 2303 VV RVG.376 Wer sich auf eine Abweichung von der Regelgebühr beruft, ist hierfür darlegungs- und beweispflichtig.377 Die Kappung der – sich bei Zugrundelegung des Gebührenrahmens auf 1,5 belaufenden378 – Mittelgebühr für durchschnittliche Fälle bei einer Höhe von 1,3 hat zur Folge, dass sich das Ermessen des Rechtsanwalts bei der Gebührenbestimmung in Fällen dieser Art auf die Festlegung einer 1,3-Gebühr reduziert und eine darüberhinausgehende Bestimmung im Drittverhältnis gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht verbindlich ist; die Anerkennung einer prozentual bestimmten Toleranzgrenze379 ist hier mit dem Willen des Gesetzgebers zur Schaffung einer Regelgebühr für Durchschnittsfälle nicht vereinbar.380 Das in § 14 Abs. 2 RVG geregelte Erfordernis, im Rechtsstreit über die

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372 OLG Frankfurt 9.2.2006 – 6 U 94/05 – OLGR 2006, 978; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 22; Hirsch/Traub WRP 2004, 1226, 1229. 373 S. Begründung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes zu der seinerzeit in Ziff. 2400 enthaltenen Regelung in BT-Drs. 15/1971, S. 207. 374 BGH 31.10.2006 – VI ZR 261/05 – NJW-RR 2007, 420 Tz. 9; Otto NJW 2004, 1420, 1421; Weglage/ Pawliczek NJW 2005, 3100. 375 BGH 19.5.2010 – I ZR 140/08 – GRUR 2010, 1120 Tz. 26 – Vollmachtsnachweis; KG 20.5.2009 – 24 U 54/08 – AfP 2010, 271; OLG Frankfurt 6.3.2008 – 6 U 85/07 – OLGR 2008, 849; OLG Hamburg 28.2.2007 u. 29.3.2007 – 3 U 254/06 – WRP 2007, 1380 (Ls.); Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.94; a.A. (1,5-Gebühr) MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 157; a.A. LG Köln 28.6.2007 – 81 O 242/06 – AGS 2007, 499 (notwendiges wettbewerbsrechtliches Spezialwissen rechtfertige stets eine 1,8-Gebühr); zu (sämtlich kennzeichenrechtlichen) Fällen überdurchschnittlichen Umfangs oder Schwierigkeitsgrades s. BGH 29.7.2009 – I ZR 169/07 – GRUR 2010, 239 Tz. 51 – BTK; OLG Düsseldorf 21.11.2006 – 20 U 241/05 – GRURRR 2007, 102 (1,5-Gebühr); OLG München 6.12.2007 – 29 U 4013/07 – MMR 2008, 334 (1,8-Gebühr); LG München 19.10.2005 – 7 O 17799/04 – MMR 2006, 339 (1,9-Gebühr); s. ferner Günther WRP 2009, 118; ders./Beyerlein WRP 2004, 1222. 376 OLG Frankfurt 9.2.2006 – 6 U 94/05 – OLGR 2006, 978; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 21. 377 OLG Hamburg 28.2.2007 – 3 U 254/06 – WRP 2007, 1380; Schons NJW 2005, 1024, 1025. 378 Günther WRP 2009, 118; Hansens RVGreport 2004, 57, 59; Hartung NJW 2004, 1409, 1414; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 85; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.94; Otto NJW 2004, 1420, 1421; Schons NJW 2005, 1024, 1025; Weglage/Pawliczek NJW 2005, 3100. 379 Eine solche folgt nach h.M. aus dem Ermessen, welches dem Rechtsanwalt bei der Gebührenbestimmung eingeräumt ist, s. BGH 13.1.2011 – IX ZR 110/10 – NJW 2011, 1603; 8.5.2012 – VI ZR 273/11 – NJW-RR 2012, 887; OLG Hamm 1.3.2007 – (2) 4 Ausl A 34/05 (220/06) – JurBüro 2007, 310; OLG Koblenz 15.9.2004 – 1 Ws 562/04 – NJW 2005, 918; OLG München 24.9.2003 – 11 WF 1419/03 – MDR 2004, 176; AG Aachen 27.12.2004 – 84 C 576/04 – AnwBl 2005, 233; Gerold/Schmidt/Mayer RVG19 (2010) § 14 Rn. 12, 20; s. auch Hartmann Kostengesetze40 (2010) § 14 RVG Rn. 24. 380 BGH 11.7.2012 – VIII ZR 323/11 – AGS 2012, 373; 13.11.2013 – X ZR 171/12 – GRUR 2014, 206 – Einkaufskühltasche; BVerwG 17.8.2005 – 6 C 7/04 – NJW 2006, 247 Tz. 28 (zu § 12 Abs. 1 S. 1 BRAGO); OLG Celle 28.12.2011 – 14 U 107/11 – ZfSch 2012, 105; OLG Jena 2.2.2005 – 9 Verg 6/04 – JurBüro 2005, 303; AG Halle/Saale 20.7.2011 – 93 C 57/10 – AGS 2011, 421 m. Anm. Nugel, in: jurisPR-VerkR 18/2011 Anm. 4; a.A.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Höhe der Gebühr ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer einzuholen, gilt anerkanntermaßen nur für den Gebührenrechtstreit im Verhältnis Rechtsanwalt-Mandant, nicht aber im Dritt- (Erstattungs-)Verhältnis.381 Ist der Rechtsanwalt nicht nur mit der Abmahnung, sondern zugleich auch mit der Einleitung des gerichtlichen (Hauptsacheoder Eil-)Verfahrens beauftragt und führt bereits die Abmahnung zum Erfolg, so beträgt die (allein) anfallende Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 lediglich 0,8.382 76 Der für die Gebührenhöhe gemäß § 2 Abs. 1 RVG maßgebliche Wert des Gegenstands der anwaltlichen Abmahntätigkeit entspricht dem für die jeweilige Angelegenheit ggf. zugrunde zu legenden gerichtlichen Hauptsachestreitwert, denn die Abmahnung zielt ebenfalls auf die endgültige Beilegung des Streits.383 Liegen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 vor, so hat eine Streitwertminderung zu erfolgen.384 Die Bestimmung des Gegenstandswertes liegt im Ermessen des Tatsachengerichts, das über den Anspruch auf Abmahnkostenerstattung entscheidet; die Kontrolle des Revisionsgerichts beschränkt sich auf die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung.385 Nach Vorbemerkung 3 Abs. IV VV RVG ist die Geschäftsgebühr, die wegen desselben 77 Gegenstandes anwaltlicher Tätigkeit entsteht, zur Hälfte, maximal mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Weil es sich bei dem mit der Abmahnung und einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch um „denselben Gegenstand“ im Sinne dieser Vorschrift handelt, war in der Rechtsprechung die Auffassung weit verbreitet, dass ggf. im Kostenfestsetzungsverfahren die Verfahrensgebühr nur in dem durch die Anrechnung der Geschäftsgebühr reduzierten Umfange festzusetzen sei.386 Seit Inkrafttreten des § 15a RVG am 5.8.2009 ist durch die in Absatz 2 dieser Vorschrift enthaltene Regelung allerdings geklärt, dass sich die in Vorbemerkung 3 Abs. IV

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BGH 13.1.2011 – IX ZR 110/10 – NJW 2011, 1603 Tz. 18 m. Anm. Quandel, in: jurisPR-ITR 17/2011 Anm. 5 (aus dem Urteil BGH 11.7.2012 – VIII ZR 323/11 – AGS 2012, 373 ergibt sich allerdings, dass der IX. Zivilsenat auf Anfrage des VIII. Zivilsenats mitgeteilt hat, aus dem Urteil vom 13.1.2011 a.a.O. ergebe sich „nichts anderes“) . 381 BVerwG 17.8.2005 – 6 C 7/04 – NJW 2006, 247 Tz. 20 (zu § 12 Abs. 2 S. 1 BRAGO); OLG München 6.12.2007 – 29 U 4013/07 – MMR 2008, 334; a.A. LG Köln 28.6.2007 – 81 O 242/06 – AGS 2007, 499; Schons NJW 2005, 1024, 1025; ders. NJW 2005, 3089, 3091; ders. AGS 2007, 501. 382 Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 2; kritisch zu der Konsequenz, dass die Anwaltsvergütung bei weitergehendem Auftrag geringer ausfällt, Borck WRP 2001, 20, 21 f. und Melullis Rz. 806a. Der Abmahnende muss sich nicht entgegenhalten lassen, seinem Rechtsanwalt nicht zugleich Klageauftrag erteilt zu haben, OLG Hamburg 18.6.1981 – 3 U 7/81 – WRP 1981, 470. 383 KG 16.8.1977 – 5 U 2942/76 – WRP 1977, 793; OLG Köln 23.8.1978 – 6 U 55/78 – GRUR 1979, 76; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 25; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.96; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 161. 384 OLG Stuttgart 20.3.1992 – 2 U 267/91 – WRP 1992, 589 (zu § 23a a.F.); LG Münster 4.4.2007 – 2 O 594/06 – MMR 2008, 130; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 25. 385 BGH 16.3.2000 – I ZR 229/97 – GRUR 2002, 187 – Lieferstörung; BGH 26.3.2009 – I ZR 44/06 – GRUR 2009, 660 Tz. 22 – Resellervertrag; 26.3.2009 – I ZR 43/06 – Tz. 21 (juris); 26.3.2009 – I ZR 42/06 – Tz. 21 (juris); 29.7.2009 – I ZR 169/07 – GRUR 2010, 239 Tz. 51 – BTK; Teplitzky Kap. 41 Rn. 92. 386 BGH 14.8.2008 – I ZB 103/07 – AGS 2008, 574; 2.10.2008 – I ZB 30/08 – WRP 2009, 75 – Kürzung der Verfahrensgebühr; OLG Hamburg 2.6.2007 – 8 W 107/07 – MDR 2007, 1224; OLG Frankfurt 18.10.2007 – 6 167/07 – OLGR 2008, 408; vgl. auch BGH 7.3.2007 – VIII ZR 86/06 – NJW 2007, 2049; 14.3.2007 – VIII ZR 184/06 – NJW 2007, 2050; 11.7.2007 – VIII ZR 310/06 – NJW 2007, 3500; 22.1.2008 – VIII ZB 57/07 – NJW 2008, 1323; 30.4.2008 – III ZB 8/08 – FamRZ 2008, 1346; OLG Oldenburg 8.5.2008 – 8 W 57/08 – (juris); siehe auch Streppel MDR 2007, 929; a.A. KG 20.7.2005 – 1 W 285/05 – AGS 2005, 515; 17.7.2007 – 1 W 256/07 – AGS 2007, 439; 31.3.2008 – 1 W 111/08 – AGS 2008, 216; OLG Hamm 24.5.2005 – 23 W 45/05 – JurBüro 2006, 202; 27.9.2007 – 23 W 182/07 – JurBüro 2008, 138; OLG Koblenz 15.3.2007 – 14 W 170/07 – JurBüro 2007, 429; 11.10.2007 – 14 W 667/07 – JurBüro 2007, 636; OLG München 30.8.2007 – 11 W 1779/07 – MDR 2008, 412; OLG Stuttgart 30.10.2007 – 8 W 442/07 – OLGR 2008, 149; Schons NJW 2005, 3089, 3091; Tomson NJW 2007, 267.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

VV RVG bestimmte Anrechnung vorrangig auf das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant bezieht, hingegen ein Dritter sich auf eine Verringerung der Verfahrensgebühr nur berufen kann, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.387 Ist z.B. die in derselben Angelegenheit angefallene Verfahrensgebühr des Eilverfahrens bereits vollen Umfangs in einem Kostenfestsetzungsbeschluss tituliert, so kann die Geschäftsgebühr in einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren nur noch zur Hälfte verlangt werden.388 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist also die Verfahrensgebühr auch bei identischem Gegenstand der vorgerichtlichen Tätigkeit in voller Höhe festzusetzen. Ein nach § 8 Abs. 3 anspruchsberechtigter Fach- oder Wettbewerbsverband muss 78 zur eigenhändigen Verfolgung typischer und durchschnittlich schwieriger Wettbewerbsverstöße in der Lage sein und kann deshalb Erstattung der Kosten einer anwaltlichen Abmahnung in solchen Fällen nicht verlangen.389 Denn die Fähigkeit zur satzungsgemäßen Interessenwahrnehmung ist gerade Voraussetzung dafür, diesen Verbänden eine Anspruchsberechtigung zuzusprechen.390 Die Vornahme einer Zweitabmahnung durch einen Rechtsanwalt nach vorheriger eigenhändiger Abmahnung des Verbandes begründet mangels „Berechtigung“ im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2391 keinen Aufwendungsersatzanspruch.392 In der Praxis ist anerkannt, dass nach § 8 Abs. 3 anspruchsberechtigte Fach- oder 79 Wettbewerbsverbände im Rahmen des § 12 Abs. 1 S. 2 Anspruch auf Zahlung einer Kostenpauschale haben;393 dies auch dann, wenn die Abmahnung nur teilweise berechtigt

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387 S. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG19 (2010) § 15a Rn. 5 f., 16 ff. Nach Auffassung des BGH ist § 15a RVG auch auf aus der Zeit vor seinem Inkrafttreten herrührende „Altfälle“ anwendbar, weil der Gesetzgeber lediglich den schon zuvor bestehenden Rechtszustand „klargestellt“ habe: BGH 2.9.2009 – II ZB 35/07 – NJW 2009, 3101; 3.2.2010 – XII ZB 177/09 – AGS 2010, 106; 31.3.2010 – XII ZB 20/10 – (juris); 7.7.2010 – XII ZB 79/10 – AGS 2010, 460; 7.2.2011 – I ZB 95/09 – Magazindienst 2011, 313 (die frühere, in vorangegangener Fn. genannte Senatsrechtsprechung aufgebend); 7.2.2011 – I ZB 96/09 – GRUR-RR 2011, 200 (Ls.) – Abzug der Geschäftsgebühr I; 3.2.2011 – I ZB 47/10 – GRUR-RR 2011, 232 (Ls.) – Abzug der Geschäftsgebühr II; 28.4.2011 – I ZB 61/08 – GRUR-RR 2011, 288 (Ls.) – Abzug der Geschäftsgebühr III; 22.6.2011 – I ZB 86/10 – GRUR-RR 2011, 392 (Ls.) – Abzug der Geschäftsgebühr IV; 28.9.2011 – I ZB 29/10 – GRUR-RR 2012, 136 (Ls.); 1.6.2011 – XII ZB 363/10 – FamRZ 2011, 1222; kritisch hingegen zu dieser „Rechtsprechungsänderung“ BGH 29.9.2009 – X ZB 1/09 – WRP 2009, 1554 – Gebührenanrechnung im Nachprüfungsverfahren. Zu einem Fall des § 15a RVG s. BGH 22.3.2011 – VI ZR 63/10 – WRP 2011, 894. 388 KG 3.8.2012 – 5 U 169/11 – WRP 2012, 1565. 389 BGH 12.4.1984 – I ZR 45/82 – GRUR 1984, 691 – Anwaltsabmahnung; 5.10.1989 – I ZR 56/89 – GRUR 1990, 282 – Wettbewerbsverein IV; 18.12.2003 – I ZB 18/03 – GRUR 2004, 448 – Auswärtiger Rechtsanwalt IV; 21.1.2010 – I ZR 47/09 – GRUR 2010, 354 Tz. 9 – Kräutertee; so zuvor schon OLG Koblenz 9.4.1979 – 6 U 1044/78 – WRP 1979, 387, und OLG Karlsruhe 8.2.1984 – 6 U 22/83 – WRP 1984, 339; stärker auf die Gegebenheiten des Einzelfalles abstellend hingegen OLG Frankfurt 21.1.1982 – 6 U 152/80 – WRP 1982, 335 und OLG Hamburg 25.2.1982 – 3 U 105/81 – WRP 1982, 477; a.A. für Handwerksinnung OLG München 14.11.1991 – 6 U 2793/91 – GRUR 1992, 327. 390 BGH 8.5.2008 – I ZR 83/06 – GRUR 2008, 928 Tz. 15 – Abmahnkostenersatz; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 27; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.93a; s. auch BGH 26.5.1994 – I ZR 85/92 – BGHZ 126, 145 Verbandsausstattung II. 391 S. Rn. 70. 392 BGH 21.1.2010 – I ZR 47/09 – GRUR 2010, 354 Tz. 9 – Kräutertee. 393 BGH 5.10.1989 – I ZR 56/89 – GRUR 1990, 282 – Wettbewerbsverein IV; 11.4.1991 – I ZR 82/89 – GRUR 1991, 684 – Verbandsausstattung; 4.10.1990 – I ZR 39/89 – GRUR 1991, 550 – Zaunlasur; 11.4.1991 – I ZR 166/89 – GRUR 1991, 685 – Zirka-Preisangabe; 11.11.1993 – I ZR 315/91 – GRUR 1994, 311 – Finanzkaufpreis ohne Mehrkosten; 8.10.1998 – I ZR 94/97 – WRP 1999, 509 – Kaufpreis je nur 1,– DM; 25.3.2010 – I ZR 68/09 – GRUR 2010, 1115 – Freier Architekt; OLG Dresden 14.7.2010 – 12 U 357/10 – (juris); OLG Düsseldorf 9.8.2001 – 2 U 113/00 – Magazindienst 2001, 1226; OLG Hamburg 5.4.1990 – 3 U 72/89 – GRUR 1993, 930 (Ls.), AfP 1990, 215; OLG Schleswig 13.8.1996 – 6 U 13/96 – WRP 1996, 1123; OLG München 18.3.2010 – 29 U

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

ist.394 Die Zubilligung einer solchen Pauschale steht mit dem Erfordernis des tatsächlichen Vermögensopfers395 in Einklang, weil die Verbände ihre personellen und sachlichen Ressourcen gerade für die satzungsgemäße Abmahntätigkeit vorhalten.396 Die Höhe der Kostenpauschale ist in Anwendung des § 287 S. 1 ZPO im Wege der Schätzung dadurch zu ermitteln, dass die auf die Abmahntätigkeit des Verbandes entfallenden Gesamtkosten – hierzu zählen allerdings nicht Kosten der Existenz und Grundausstattung des Verbands397 – durch die Anzahl der zu erwartenden Abmahnungen geteilt wird; eine solche Schätzung bedarf allerdings genauen Sachvortrags des jeweiligen Verbandes zu seiner Kostenstruktur auf der Grundlage etwa von Statistiken, Haushaltsplänen und Kostenrechnungen.398 Die Kostenpauschale ist umsatzsteuerpflichtig, weil die Abmahnung eine gegen Entgelt erbrachte Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 UStG darstellt.399 Ihre Geltendmachung neben dem Unterlassungsanspruch erhöht gemäß § 4 Abs. 1 ZPO nicht den Streitwert.400 Eine Abmahnkostenpauschale kann auch der im Interesse der Verlegerschaft tätige Buchpreisbindungstreuhänder gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 BuchpreisbindungsG erstattet verlangen.401 80 Im Falle der teilweise berechtigten Abmahnung besteht der Erstattungsanspruch, wie dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 S. 2 entnommen werden kann, „soweit die Abmahnung berechtigt ist“, also nur im Umfang des Unterlassungsanspruchs. Seine Höhe richtet sich – dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO entsprechend402 – nach dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils der Abmahnung zum Gegenstandswert der gesamten Abmahnung, nicht hingegen nach dem Streitwert des berechtigten Teils.403 Dies ist angebracht, da so den Parteien der aus der Gebührendegression resultierende Vorteil erhalten bleibt.404 Die Kostenpauschale eines Wettbewerbsverbands ist allerdings auch bei nur teilweise berechtigter Abmahnung in voller Höhe erstattungsfähig, weil die mit der Abmahnung verbundenen Kosten unabhängig von der Höhe des Streitwerts der beanstandeten Wettbewerbshandlung anfällt.405

_____ 5513/09 – GRUR-Prax 2011, 40; OLG Stuttgart 30.7.2009 – 2 U 4/09 – Magazindienst 2009, 974; Ahrens/ Scharen Kap. 11 Rn. 30; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 87; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.98; Loewenheim WRP 1979, 839, 843 f. und 1987, 286, 289; Teplitzky Kap. 41 Rn. 94; a.A. Borck WRP 2001, 20, 22. 394 Hierzu sogleich Rn. 80. 395 S. Rn. 73. 396 OLG Hamburg 5.4.1990 – 3 U 72/89 – GRUR 1993, 930 (Ls.), AfP 1990, 215; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 28; Loewenheim WRP 1987, 286, 289. 397 KG 19.12.1988 – 25 U 2645/88 – WRP 1989, 238; 22.10.1990 – 25 U 4302/89 – WRP 1991, 398; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 33; Teplitzky Kap. 41 Rn. 94; a.A. KG 13.12.1985 – 5 U 5178/85 – WRP 1986, 384; 30.9.1986 – 5 U 4375/86 – GRUR 1987, 540. 398 KG 22.10.1990 – 25 U 4302/89 – WRP 1991, 304; OLG Hamburg 19.8.2009 – 5 U 12/08 – Magazindienst 2009, 1147; OLG Karlsruhe 23.2.2000 – 6 U 96/99 – WRP 2000, 1417; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 33; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 178; Teplitzky Kap. 41 Rn. 94. 399 BFH 16.1.2003 – V R 92/01 – GRUR 2003, 718. 400 OLG Stuttgart 30.7.2009 – 2 U 4/09 – Magazindienst 2009, 974. 401 OLG Frankfurt 8.12.2009 – 11 U 72/07 – GRUR-RR 2010, 221. 402 Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 164. 403 BGH 10.12.2009 – I ZR 149/07 – GRUR 2010, 744 Tz. 52 – Sondernewsletter; 11.3.2010 – I ZR 27/08 – GRUR 2010, 939 Tz. 41 – Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; 31.5.2012 – I ZR 45/11 – GRUR 2012, 949 – Missbräuchliche Vertragsstrafe; KG 30.6.2009 – 5 U 73/06 – (juris Rz. 79); OLG Hamm 13.8.2009 – 4 U 71/09 – MMR 2010, 28; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 2, 36 m. Fn. 170; juris-PK/Hess § 12 Rn. 35; a.A. (keine Quotelung, sondern Maßgeblichkeit des Streitwerts des berechtigten Teils) OLG Frankfurt 6.3.2008 – 6 U 85/07 – OLGR 2008, 849; 30.10.2008 – 16 U 237/07 – ZLR 2009, 490; OLG Stuttgart 10.12.2009 – 2 U 51/09 – MMR 2010, 284. 404 Teplitzky Kap. 41 Rn. 86a; juris-PK/Hess § 12 Rn. 35. 405 BGH 8.10.1998 – I ZR 94/97 – WRP 1999, 509 – Kaufpreis je nur 1,– DM; 15.12.1999 – I ZR 159/97 – GRUR 2000, 337 – Preisknaller; 16.7.2008 – VIII ZR 348/06 – BGHZ 177, 253 Tz. 50; 2.10.2008 – I ZR 220/05

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

b) Geschäftsführung ohne Auftrag. Mit der Einführung des § 12 Abs. 1 hat der Ge- 81 setzgeber für den Bereich des unlauteren Wettbewerbs eine gegenüber dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag vorrangige Spezialregelung für den Ersatz der Kosten einer Abmahnung geschaffen, die wegen eines auf das UWG gestützten Unterlassungsanspruchs ausgesprochen wird, so dass nach hier vertretener Auffassung die §§ 677 ff. BGB insoweit nicht mehr zur Anwendung gelangen.406 Für die weiteren Rechtsgebiete, in denen das Erfordernis der Abmahnung ebenfalls allgemein anerkannt ist – Urheberrecht, Markenrecht, Patentrecht, Presserecht – und in denen eine Spezialregelung – wie etwa im Urheberrecht mit § 97a UrhG – nicht besteht, verbleibt es aber bei dem in der Rechtsprechung 407 und überwiegend auch in der Literatur 408 zu Recht anerkannten Grundsatz, dass der Abmahnende Kostenerstattung nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen kann. Aus diesem Grunde ist dort für eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 1 kein Raum.409 Die Abmahnung als Fremdgeschäftsführung im Sinne des § 677 BGB löst gemäß 82 § 683 S. 1 BGB nur dann einen Aufwendungsersatzanspruch aus, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsführers entspricht. Für die Bestimmung des Interesses, aus dem sich – wenn der wirkliche Wille (wie meistens) nicht feststellbar ist – regelmäßig auch der mutmaßliche Wille ergibt, ist auf die objektive Nützlichkeit, nicht ihre Beurteilung aus der Sicht des Abmahnenden, im Zeit-

_____ – GRUR 2008, 1118 – MobilPlus-Kapseln; 4.12.2008 – I ZR 100/06 – GRUR 2009, 413 – Erfokol-Kapseln; 11.3.2009 – I ZR 194/06 – GRUR 2009, 1064 – Geld-zurück-Garantie II; 10.12.2009 – I ZR 149/07 – GRUR 2010, 744 Tz. 50, 52 – Sondernewsletter; 17.8.2011 – I ZR 134/10 – GRUR 2012, 82 Tz. 20 – Auftragsbestätigung; OLG Frankfurt 13.12.1990 – 6 U 39/89 – GRUR 1991, 690; OLG Stuttgart 30.7.2009 – 2 U 4/09 – Magazindienst 2009, 974; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.99; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 86; Teplitzky Kap. 41 Rn. 96. 406 S. Rn. 2. 407 St. Rspr. seit der grundlegenden Entscheidung BGH 15.10.1969 – I ZR 3/68 – BGHZ 52, 393 – Fotowettbewerb; 2.3.1973 – I ZR 5/72 – GRUR 1973, 384 – Goldene Armbänder; 22.9.1983 – I ZR 166/81 – GRUR 1984, 129, 131 – shop-in-the-shop; 12.4.1984 – I ZR 45/82 – GRUR 1984, 691 – Anwaltsabmahnung (die in dieser Entscheidung angedeuteten Zweifel an der Anwendbarkeit der GoA [„Geht man davon aus, dass die Abmahnung auch eine Geschäftsführung … im Sinne von § 683 BGB darstellt …“] sind in späteren Entscheidungen nicht weiterverfolgt worden); 21.3.1985 – I ZR 166/82 – GRUR 1985, 924 – Schallplattenimport II; 4.10.1990 – I ZR 39/89 – GRUR 1991, 550 – Zaunlasur; 21.3.1991 – I ZR 151/89 – GRUR 1991, 679 – Fundstellenangabe; 11.4.1991 – I ZR 166/89 – GRUR 1991, 685 – Zirka-Preisangabe; 23.5.1991 – I ZR 265/89 – GRUR 1991, 847 – Kilopreise II; 26.9.1991 – I ZR 149/89 – BGHZ 115, 210 – Abmahnkostenverjährung; 11.11.1993 – I ZR 315/91 – GRUR 1994, 311 – Finanzkaufpreis ohne Mehrkosten; 24.11.1999 – I ZR 171/97 – GRUR 2000, 731 – Sicherungsschein; 15.12.1999 – I ZR 159/97 – GRUR 2000, 337 – Preisknaller; 7.12.2000 – I ZR 158/98 – GRUR 2001, 450 – Franzbranntwein-Gel; 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; 3.7.2003 – I ZR 297/00 – GRUR 2003, 899 – Olympiasiegerin; 1.6.2006 – I ZR 167/03 – GRUR 2007, 164 Tz. 12 – Telefax-Werbung II; 24.2.2011 – I ZR 181/09 – GRUR 2011, 754 – Kosten des Patentanwalts II. 408 Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 17; Erman/Dornis § 683 Rn. 19; Eser GRUR 1986, 35; Fezer/Büscher § 12 Rn. 60 f.; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 90; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.77; Loewenheim WRP 1987, 286; MünchKommBGB/Seiler § 683 Rn. 17; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 145; K. Schmidt NJW 1983, 1520, 1522; Schulz WRP 1990, 658; Steinmetz S. 23 ff.; Teplitzky Kap. 41 Rn. 84; Staudinger/Bergmann Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 295 (für Anwendung des § 679 1. Alt. BGB – Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Interesses des Abgemahnten wegen des öffentlichen Interesses an der Beseitigung von Wettbewerbsverstößen); a.A. Einsiedler WRP 2003, 354; Gaede/Meister WRP 1984, 246, 249; Hiersemann NJW 1971, 777; Köhler FS Erdmann S. 845, 847 ff.; Kurbjuhn NJW 1970, 604, 605; Loritz GRUR 1981, 883, 885 f.; Nosch S. 69; Oppermann AcP 193 (1993) 497 ff.; Pastor WRP 1979, 423, 427; MünchKommBGB/Seiler § 677 Rn. 35; M. Schmid GRUR 1999, 312. Für eine ausführliche Darstellung des Streits um die Anwendung der Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag auf die wettbewerbsrechtliche Abmahnung s. Vorauflage/ Kreft Vor § 13 C Rn. 140 ff. 409 S. Rn. 2.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

punkt der Übernahme der Geschäftsführung abzustellen.410 Ist der Unterlassungsanspruch infolge Unterwerfung des Verletzers bereits untergegangen, so fehlt es an der objektiven Nützlichkeit der Abmahnung.411 Auch die Abmahnung eines verjährten Anspruchs ist regelmäßig nicht objektiv nützlich.412 Im Falle der markenrechtlichen Löschungsklage nach § 55 MarkenG fehlt es mangels rechtswidrigen Störungszustands ebenfalls an der Nützlichkeit der Abmahnung.413 Die bezüglich der relevanten Perspektive abweichende Behandlung der Mehrfachabmahnung im Rahmen des § 12 Abs. 1 S. 2, für deren Berechtigung nicht auf eine rein objektive Betrachtung, sondern auf die objektivierte Gläubigersicht abzustellen ist, ist als Privilegierung der subjektiv berechtigten Abmahnung im lauterkeitsrechtlichen System der privatautonomen Kontrolle (auch) im öffentlichen Interesse gerechtfertigt;414 außerhalb des UWG besteht hierfür kein Bedürfnis.415 Ist also die Abmahnung nicht geeignet, die Streiterledigungsfunktion zu erfüllen, weil eine bereits zuvor (durch denselben oder andere Gläubiger) ausgesprochene (Zweitbzw. Mehrfach-)Abmahnung ohne Erfolg geblieben ist416 oder der Abmahnende bereits zuvor eine einstweilige Verfügung erwirkt hat,417 so fehlt es an der objektiven Nützlichkeit. Ebenso wie im Falle des § 12 Abs. 1 S. 2418 hat der Abmahnende auch nach den Re83 geln der Geschäftsführung ohne Auftrag den Zugang der Abmahnung darzulegen und zu beweisen, um einen Aufwendungsersatzanspruch geltend machen zu können.419 Die Geschäftsführung liegt nur dann im gemäß § 683 S. 1 BGB für die Kostenerstattung maßgeblichen Interesse des Verletzers, wenn sie die ihr zugedachte Streitvermeidungsfunktion erfüllen kann, indem sie den Verletzer tatsächlich erreicht.420 Hinsichtlich des Merkmals der Erforderlichkeit der Aufwendungen gilt der bereits 84 im Rahmen des § 12 Abs. 1 S. 2 dargestellte Maßstab.421 Ob die Kosten der vorprozessualen Hinzuziehung eines Patentanwalts erforderliche Aufwendungen darstellen, ist davon abhängig, ob – wie zumeist in Patent- oder Gebrauchsmusterstreitsachen – die besondere technische oder naturwissenschaftliche Sachkunde des Patentanwalts vonnöten ist oder ob Aufgaben zu erledigen sind, die – wie etwa Recherchen zum Registerstand

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410 Erman/Dornis § 683 Rn. 5; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.91; Palandt/Sprau § 683 Rn. 4 f.; MünchKommBGB/Seiler § 683 Rn. 4, 10; Teplitzky Kap. 41 Rn. 86. 411 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 91. 412 OLG Karlsruhe 12.10.1983 – 6 U 250/82 – WRP 1984, 100, 102. Die im Rahmen des § 12 Abs. 1 S. 2 durch den Begriff der „Berechtigung“ ermöglichte differenzierte Betrachtungsweise dieser Fallgruppe steht mit den Wertungen der Geschäftsführung ohne Auftrag in Einklang, s. Rn. 68 f. 413 BGH 13.6.1980 – I ZR 96/78 – GRUR 1980, 1074 – Aufwendungsersatz (zu § 11 WZG); die Obliegenheit zur Abmahnung besteht gleichwohl: KG 4.8.2006 – 5 W 47/06 – WRP 2007, 210. 414 S. Rn. 69. 415 Vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.91; a.A. (für Maßgeblichkeit der Gläubigerperspektive in den Fällen der Mehrfachabmahnung auch im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag) Teplitzky Kap. 41 Rn. 84d; ders. FS Ullmann, S. 999, 1011. 416 BGH 21.1.2010 – I ZR 47/09 – GRUR 2010, 354 Tz. 8, 10 – Kräutertee; OLG Hamburg 11.3.2009 – 5 U 35/08 – WRP 2009, 1569; vgl. BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371 unter II.2.b) – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; s. Rn. 48, 70. 417 BGH 7.10.2009 – I ZR 216/07 – GRUR 2010, 257 Tz. 9 – Schubladenverfügung. 418 S. Rn. 23. 419 Köhler FS Erdmann, S. 845, 854; Voraufl/Kreft Vor § 13 C Rn. 76; Teplitzky Kap. 41 Rn. 88a; a.A. OLG Stuttgart 9.2.1996 – 2 W 57/95 – WRP 1996, 477; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 17; Harte/Henning/ Brüning § 12 Rn. 92; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 146; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 14. 420 Köhler FS Erdmann, S. 845, 854. 421 S. Rn. 73 ff.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

oder zur Benutzungslage – zum typischen Arbeitsgebiet eines Patentanwalts gehören;422 selbst wenn es sich um typisch patentanwaltliche Tätigkeiten handelt, ist die Einschaltung des Patentanwalts aber dann nicht „erforderlich“, wenn der ebenfalls beauftragte Rechtsanwalt aufgrund seiner Sachkunde im gewerblichen Rechtsschutz selbst dazu imstande muss.423 Hingegen folgt die Erstattungsfähigkeit der Patentanwaltskosten nicht schon aus einer analogen Anwendung der für das gerichtliche Verfahren geltenden § 143 Abs. 3 PatG, § 27 Abs. 3 GebrMG, § 140 Abs. 3 MarkenG oder § 52 Abs. 4 GeschMG, die einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch für Patentanwaltskosten ohne Rücksicht darauf bereitstellen, ob die Einschaltung des Patentanwalts erforderlich war.424 Eine solche analoge Anwendung ist zwar in der Vergangenheit teilweise befürwortet worden.425 Die neuere Rechtsprechung verneint jedoch zu Recht das Bestehen einer Regelungslücke und hält im Rahmen der für die außergerichtliche Kostenerstattung allein einschlägigen materiellrechtlichen Anspruchsgrundlagen eine solche Privilegierung der patentanwaltlichen Kostenerstattung für nicht gerechtfertigt.426 c) Schadensersatz. Abmahnkosten sind als Kosten der Rechtsverfolgung im 85 Rahmen des bei schuldhaftem Handeln bestehenden Schadensersatzanspruches des verletzten Mitbewerbers gemäß § 9 S. 1 UWG bzw. des Rechtsinhabers gemäß § 14 Abs. 6 MarkenG, § 42 Abs. 2 S. 1 GeschmMG, § 139 Abs. 2 S. 1 PatG, § 42 Abs. 2 S. 1 GebrMG, § 97 Abs. 2 UrhG zu ersetzen, soweit sie erforderlich waren.427 Dass die Abmahnung adäquat

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422 BGH 24.2.2011 – I ZR 181/09 – GRUR 2011, 754 – Kosten des Patentanwalts II; 21.12.2011 – I ZR 196/10 – GRUR 2012, 756 – Kosten des Patentanwalts III; OLG Düsseldorf 30.10.2007 – 20 U 52/07 – MittdtschPatAnw 2008, 561; OLG Frankfurt 12.11.2009 – 6 U 130/09 – GRUR-RR 2010, 127; 5.1.2012 – 6 U 107/10 – GRUR-RR 2012, 308; LG Berlin 18.9.2007 – 15 O 698/06 – MMR 2008, 354; LG Hamburg 19.10.2004 – 312 O 798/04 – NJOZ 2005, 3684; LG Mannheim 24.3.2009 – 2 O 62/08 – MMR 2009, 579 (Ls.); Günther/Pfaff WRP 2010, 708, 709 f.; Tyra WRP 2007, 1059, 1063; s. auch OLG Düsseldorf 1.12.1994 – 2 U 45/94 – MittdtschPatAnw 1996, 141 (Einschaltung eines Patentanwalts zur Abwehr einer Abmahnung) u. 14.4.2011 – 2 U 21/10 – GRUR-Prax 2011, 255 (Mitwirkung des Patentanwalts an Abschlussschreiben im Gebrauchsmusterrecht). 423 BGH 10.5.2012 – I ZR 70/11 – GRUR 2012, 759 Tz. 17 – Kosten des Patentanwalts IV; s. auch BGH 24.2.2011 – I ZR 181/09 – GRUR 2011, 754 Tz. 26 – Kosten des Patentanwalts II. 424 BGH 3.4.2003 – I ZB 37/02 – GRUR 2003, 639 – Kosten des Patentanwalts I; OLG Köln 14.8.2009 – 17 W 182/09 – Rpfleger 2010, 112; OLG München 30.1.2004 – 29 W 665/04 – GRUR-RR 2004, 128; OLG Zweibrücken 28.10.2008 – 4 W 89/08 – GRUR-RR 2009, 327; Ingerl/Rohnke § 140 Rn. 71; Eichmann/v. Falckenstein GeschmacksmusterG3 (2005) § 52 Rn. 15. 425 BGH 26.2.2009 – I ZR 219/06 – GRUR 2009, 888 – Thermoroll; KG 30.7.2010 – 5 U 161/08 – GRUR-RR 2010, 403; OLG Frankfurt 22.3.1990 – 6 U 96/89 – GRUR 1991, 72; OLG Hamburg 19.7.2007 – 3 U 241/06 – GRUR-RR 2008, 370; OLG Hamm 6.5.2010 – 4 U 5/10 – GRUR-RR 2010, 404; OLG Karlsruhe 24.10.1984 – 6 U 78/84 – GRUR 1985, 36; 26.8.1998 – 6 U 36/98 – GRUR 1999, 343; 16.6.2006 – 6 W 46/06 – GRUR-RR 2006, 302; OLG Köln 28.4.2006 – 6 U 222/05 – Magazindienst 2006, 1198; OLG München 24.6.1982 – 6 U 1147/82 – WRP 1982, 542; OLG Nürnberg 15.3.2011 – 3 U 1644/10 – MarkenR 2011, 183; OLG Stuttgart 9.8.2007 – 2 U 23/07 – WRP 2007, 1265; Ingerl/Rohnke § 140 Rn. 61; Büscher/Dittmer/Schiwy § 140 MarkenG Rn. 24; Fezer Markenrecht § 140 Rn. 1076; Omsels MarkenR 2009, 27, 31; Rehmann GRUR 1985, 332, 335. 426 BGH 24.2.2011 – I ZR 181/09 – GRUR 2011, 754 – Kosten des Patentanwalts II; 21.12.2011 – I ZR 196/10 – GRUR 2012, 756 – Kosten des Patentanwalts III; OLG Düsseldorf 30.10.2007 – 20 U 52/07 – MittdtschPatAnw 2008, 561; OLG Frankfurt 12.11.2009 – 6 U 130/09 – GRUR-RR 2010, 127; LG Berlin 18.9.2007 – 15 O 698/06 – MMR 2008, 354; LG Hamburg 19.10.2004 – 312 O 798/04 – NJOZ 2005, 3684; LG Mannheim 24.3.2009 – 2 O 62/08 – MMR 2009, 579 (Ls.); Günther/Pfaff WRP 2010, 708, 709 f.; Tyra WRP 2007, 1059, 1063; s. auch OLG Düsseldorf 14.4.2011 – 2 U 21/10 – GRUR-Prax 2011, 255 (Mitwirkung des Patentanwalts an Abschlussschreiben im Gebrauchsmusterrecht). 427 BGH 4.3.1982 – I ZR 19/80 – GRUR 1982, 489 – Korrekturflüssigkeit; 26.4.1990 – I ZR 127/88 – GRUR 1990, 1012 – Pressehaftung; 26.9.1991 – I ZR 149/89 – GRUR 1992, 176 – Abmahnkostenverjährung 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; 23.11.2006 – I ZR 276/03 – GRUR 2007, 631 – Abmahnaktion; 12.12.2006 – VI ZR 175/05 – GRUR 2007, 620 Tz. 10; 4.3.2008 – VI ZR 176/07 –

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

kausale Folge der Verletzungshandlung ist, entspricht heute einhelliger Ansicht:428 vor dem Hintergrund der andernfalls gemäß § 93 ZPO drohenden Kostenbelastung im gerichtlichen Verfahren ist der Abmahnende als zur Vornahme der Abmahnung – einer angemessenen, ihm nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht sogar obliegenden 429 – Maßnahme „herausgefordert“ anzusehen. 430 Gegen die Schadensposition Abmahnkosten wird allerdings eingewandt, der Schutzzweck der Schadensersatznormen – Ausgleich der durch die Verletzungshandlung verursachten Nachteile – erfasse die Abmahnkosten nicht, weil die Abmahnung nicht auf die Verfolgung einer bereits geschehenen Gesetzesverletzung, sondern auf die Unterbindung zukünftiger Verletzungshandlungen gerichtet sei.431 Gerade dieser Aspekt rechtfertigt allerdings die Einbeziehung der Abmahnkosten in den Schadensersatz. Denn es ist anerkannt, dass solche Aufwendungen schadensersatzfähig sind, die der Berechtigte im Zeitpunkt ihrer Vornahme zur Abwendung eines konkret bevorstehenden Schadens als erforderlich ansehen durfte.432 Hiervon abzugrenzen sind Maßnahmen, die als „Mühewaltung bei der Rechtswahrung“ dem eigenen Aufgabenkreis des Geschädigten zuzuordnen und daher nicht als Schaden ersatzfähig sind.433 Die Abmahnung dient nun nicht nur im Falle der andauernden Verletzungshandlung, sondern auch bei bereits abgeschlossener Verletzungshandlung der Abwehr weiter drohenden Schadens, der als Folge zukünftiger Verstöße aufgrund der vorangegangenen Rechtsverletzung ernsthaft zu besorgen ist und folglich mit dieser in dem bei der Schutzzweckbetrachtung erforderlichen inneren Zusammenhang steht.434 86 Anders als im Rahmen des § 12 Abs. 1 S. 2 oder der Geschäftsführung ohne Auftrag435 ist der Zugang der Abmahnung für die Kostenerstattung als Schadensersatz nicht erforderlich. Denn im Rahmen der schadensersatzrechtlichen Betrachtung ist allein auf

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WRP 2008, 805 Tz. 5; 29.7.2009 – I ZR 169/07 – GRUR 2010, 239 Tz. 51 – BTK; OLG Frankfurt 27.9.1984 – 6 U 107/83 – GRUR 1985, 239; OLG Hamburg 29.5.1980 – 3 U 1/80 – WRP 1980, 629; OLG Karlsruhe 24.10.1984 – 6 U 78/84 – GRUR 1985, 36; 8.11.1995 – 6 U 57/95 – NJW-RR 1996, 748; OLG Köln 23.8.1978 – 6 U 55/78 – GRUR 1979, 76; OLG München 4.2.1988 – 6 U 3435/87 – GRUR 1988, 843; OLG Stuttgart 20.3.1992 – 2 U 267/91 – WRP 1982, 589; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 93 u. § 12 Rn. 23; Fezer/Büscher § 12 Rn. 62; Goldbeck S. 63; Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 94; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 101; Ingerl/Rohnke § 14 Rn. 386; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 31; Teplitzky Kap. 34 Rn. 3 f. u. Kap. 41 Rn. 82. 428 Fezer/Büscher § 12 Rn. 62; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 102; Köhler FS Erdmann, S. 845, 846; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.88; Teplitzky Kap. 41 Rn. 82; a.A. noch Borck WRP 1980, 438, 441. 429 Köhler FS Erdmann, S. 845, 846; Teplitzky Kap. 41 Rn. 82. 430 Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 153; zur psychisch vermittelten Kausalität in den sog. Herausforderungsfällen s. BGH 4.7.1994 – II ZR 126/93 – NJW 1995, 126;17.10.2000 – X ZR 169/99 – NJW 2001, 512; Palandt/Grüneberg Vorb v § 249 BGB Rn. 41. 431 Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 13; zustimmend für Wettbewerbsverstöße, die mit einer Einzelhandlung abgeschlossen sind (z.B. einmalige Zeitungsanzeige), nicht aber für Dauerhandlungen Köhler/Bornkamm § 9 Rn. 1.29; ders. FS Erdmann, S. 845, 846; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.88; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 150. 432 Vgl. BGH 6.4.1976 – VI ZR 246/74 – BGHZ 66, 182 unter II.1 – Der Fall Bittenbinder; 6.4.1979 – I ZR 94/77 – NJW 1979, 2197 unter II. – Falschmeldung; 30.9.1993 – I ZR 258/91 – BGHZ 123, 303 unter II.4.b); 23.11.2006 – I ZR 276/03 – GRUR 2007, 631 Tz. 23 – Abmahnaktion; MünchKommBGB/Oetker § 249 Rn. 193 f. 433 BGH 9.3.1976 – VI ZR 98/75 – BGHZ 66, 112 unter II.1.b); 6.11.1979 – VI ZR 254/77 – BGHZ 75, 230 unter II.1.a)bb); MünchKommBGB/Oetker § 249 Rn. 198; vgl. ferner BGH 1.4.1993 – I ZR 70/91 – BGHZ 122, 172 unter II.3.a) – Verfügungskosten. 434 Fezer/Büscher § 12 Rn. 62; Harte/Henning/Goldmann § 9 Rn. 94; MünchKommUWG/Fritzsche § 9 Rn. 74; Goldbeck S. 63; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 31; Teplitzky Kap. 30 Rn. 30 m. Fn. 96 u. Kap. 41 Rn. 82; für Dauerhandlung bejaht in BGH 23.11.2006 – I ZR 276/03 – GRUR 2007, 631 Tz. 21 – Abmahnaktion. 435 Hierzu s. Rn. 23 bzw. 83.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

die auf Seiten des Abmahnenden eintretende, durch die Vornahme der Abmahnung verursachte Minderung seines Vermögens abzustellen, die im Falle der anwaltlichen Abmahnung im Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Auftraggeber zu sehen ist. Dieser Anspruch entsteht bereits dann, wenn der Rechtsanwalt nach Erteilung des Auftrags die ersten auftragsgemäßen Tätigkeiten entfaltet,436 ist also vom Zugang der Abmahnung unabhängig. Sofern der Abmahnende keine Kenntnis von der vorherigen Abmahnung des Verlet- 87 zers durch andere Gläubiger hat (Mehrfachabmahnung), ist die von ihm vorgenommene Abmahnung – auch wenn sie in diesem Fall ihre Streiterledigungsfunktion nicht mehr erfüllen kann – aus vernünftiger ex-ante-Perspektive erforderlich und daher der mit ihr verbundene Kostenaufwand als adäquat kausaler Schaden ersatzfähig. Dies gilt auch dann, wenn der Abgemahnte sich bereits gegenüber einem anderen Gläubiger strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet hat und deshalb infolge Wegfalls der Wiederholungsgefahr der Unterlassungsanspruch erloschen ist.437 Insofern geht die schadensersatzrechtliche Erstattungsfähigkeit der Abmahnkosten über die an das Fortbestehen des Unterlassungsanspruchs geknüpfte Kostenerstattung nach § 12 Abs. 1. S. 2 bzw. Geschäftsführung ohne Auftrag hinaus.438 Hingegen ist auch im Rahmen des Schadensersatzes eine Zweitabmahnung durch denselben Gläubiger als nicht erforderlich anzusehen.439 d) Prozessualer Kostenerstattungsanspruch. Außerhalb eines Prozessrechtsver- 88 hältnisses ist für die Anwendung des § 91 ZPO kein Raum, so dass aus einer (analogen) Anwendung dieser Norm ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht hergeleitet werden kann.440 Im Rahmen eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens können die Kosten der 89 Abmahnung, etwa die für die Abmahnung anfallende Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, nicht im Wege der Kostenfestsetzung geltend gemacht werden, weil sie – ebenso wie die Kosten der vorgerichtlichen Mahnung außerhalb des Wettbewerbsrechts441 – nicht Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO darstellen; die Abmahnung bereitet den Rechtsstreit nicht vor, sondern soll diesen gerade vermeiden.442 Die

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436 Vgl. Mayer/Kroiß/Gierl RVG4 (2009) § 8 Rn. 1; Gerold/Schmidt/Madert RVG19 (2010) § 1 Rn. 228. 437 OLG München 4.2.1988 – 6 U 3435/87 – GRUR 1988, 843; LG Hamburg 18.1.1989 – 15 S 5/88 – GRUR 1990, 216; LG Köln 14.7.1987 – 31 S 4/87 – GRUR 1987, 741; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 14; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 102; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.89; Teplitzky Kap. 41 Rn. 82. 438 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.89; s. Rn. 64 u. 82. 439 Vgl. BGH 21.1.2010 – I ZR 47/09 – GRUR 2010, 354 Tz. 8, 10 – Kräutertee; Teplitzky Kap. 41 Rn. 82; s. Rn. 70. 440 BGH 15.10.1969 – I ZR 3/68 – BGHZ 52, 393 – Fotowettbewerb (mit Nachweisen zu der in der älteren Lit. u. Rspr. vertretenen gegenteiligen Ansicht); 4.11.1987 – IVb ZR 83/86 – NJW 1988, 2032; 19.10.1989 – I ZR 63/88 – GRUR 1990, 381, 382 – Antwortpflicht des Abgemahnten; 6.5.2004 – I ZR 2/03 – GRUR 2004, 789 Tz. 14 – Selbstauftrag; 12.12.2006 – VI ZR 188/05 – GRUR 2007, 621 Tz. 16; 12.12.2006 – VI ZR 224/05 – NJW 2007, 1458 Tz. 19; OLG Hamburg 20.1.1983 – 3 U 146/82 – GRUR 1983, 200; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 13; Loritz GRUR 1981, 883, 887. 441 BGH 27.4.2006 – VII ZB 116/05 – NJW 2006, 2560; 30.1.2007 – X ZB 7/06 – NJW 2007, 3289. 442 BGH 20.10.2005 – I ZB 21/05 – GRUR 2006, 439 – Geltendmachung der Abmahnkosten; 7.3.2007 – VIII ZR 86/06 – NJW 2007, 2049 Tz. 12; 14.8.2008 – I ZB 103/07 – AGS 2008, 574; 2.10.2008 – I ZB 30/08 – WRP 2009, 75; KG 1.11.2005 – 1 W 334/05 – WRP 2006, 382 (Ls.).; OLG Frankfurt 6.12.1984 – 6 W 154/84 – GRUR 1985, 328; 24.1.2005 – 6 W 9/05 – GRUR 2005, 360; OLG Hamburg 8.10.1984 – 8 W 77/84 – MDR 1985, 243; 18.1.2005 – 8 W 296/04 – MDR 2005, 898; OLG Hamm 20.5.1996 – 23 W 87/96 – MDR 1997, 205; OLG Koblenz 3.11.1980 – 14 W 427/80 – WRP 1981, 226; OLG Rostock 21.5.1996 – 1 W 73/96 – WRP 1996, 790; OLG Saarbrücken 7.4.1997 – 6 W 122/97 – OLGR 1997, 159; Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 3, 23; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 87; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.92; a.A. BGH 11.12.1986 – III ZR 268/85 – WM

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Kosten der Abmahnung sind also im Wege der Zahlungsklage – ggf. gemäß § 4 Abs. 1 ZPO als Nebenforderung ohne Auswirkung auf den Streitwert443 gemeinsam mit dem Unterlassungsbegehren in der Hauptsache – geltend zu machen.444 90

e) Verjährung. Nach § 11 Abs. 1 verjährt der in § 12 Abs. 1 S. 2 geregelte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ebenso wie ein darauf gerichteter Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 9 in sechs Monaten.445 Die Anwendung der kurzen Verjährungsfrist des UWG auf den – seinerzeit nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag zugesprochenen – Erstattungsanspruch für die Kosten lauterkeitsrechtlicher Abmahnungen war schon vor der Einführung des § 12 Abs. 1 anerkannt.446 Die Verjährung des aus Geschäftsführung ohne Auftrag folgenden Erstattungsanspruchs für Abmahnungen außerhalb des UWG447 richtet sich nach derjenigen des jeweils geltend gemachten Unterlassungsanspruchs, also zumeist – infolge Verweisung in § 20 MarkenG, § 49 GeschmMG § 141 PatG, § 24f GebrMG, § 102 UrhG – nach den Verjährungsvorschriften des BGB (insbesondere §§ 195, 199 BGB).448 Eine analoge Anwendung des § 11 ist lediglich auf den Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Reaktionspflichten aus dem Abmahnverhältnis zu befürworten.449 Werden mit der Abmahnung konkurrierende Ansprüche aus UWG und anderer Rechtsgrundlage geltend gemacht, so richtet sich die Verjährung im Grundsatz450 nach der für den jeweiligen Anspruch geltenden Verjährungsfrist; zu prüfen ist allerdings, ob eine der konkurrierenden Verjährungsregeln ausschließliche

_____ 1987, 247; OLG Düsseldorf 4.9.2000 – 20 W 57/00 – AnwBl 2001, 187; OLG Dresden 22.10.1996 – 4 W 820/96 – GRUR 1997, 318; OLG Köln 7.2.1969 – 6 W 71/68 – NJW 1969, 935; OLG München 16.4.1982 – 11 W 1594/81 – JurBüro 1982, 1190; OLG Nürnberg 30.4.1992 – 3 W 845/92 – WRP 1992, 588; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 159; Borck WRP 2001, 20, 23; Dittmar NJW 1986, 2088, 2089 f.; Staudinger/Bergmann Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 295. 443 BGH 21.12.2011 – I ZR 83/11 – GRUR-RR 2012, 136 – Streitwert ohne Abmahnkosten; 9.2.2012 – I ZR 142/11 – GRUR-RR 2012, 271 (Ls.) – Matratzen-Test-Werbung; ferner (außerhalb des Wettbewerbsrechts) BGH 30.1.2007 – X ZB 7/06 – NJW 2007, 3289 Tz. 7; 15.5.2007 – VI ZB 18/06 – MDR 2007, 1149; 12.6.2007 – VI ZR 200/06 – AGS 2007, 578; LG Berlin 9.5.2005 – 5 O 162/05 – MDR 2005, 1318; Teplitzky Kap. 49 Rn. 29b. Streitwerterhöhend wirken geltend gemachte Abmahnkosten aber dann, wenn und soweit der Rechtsstreit beiderseits im Übrigen für erledigt erklärt worden ist und die Abmahnkosten deshalb von der Nebenforderung zur Hauptforderung werden, BGH 13.8.2009 – I ZR 33/08 – Magazindienst 2009, 1001 (Beschluss v. 19.11.2009 über die Anhörungsrüge in juris); 4.4.2012 – IV ZB 19/11 – MDR 2012, 738. Soweit sich die geforderten Abmahnkosten nur teilweise auf einen geltend gemachten Hauptanspruch beziehen, ist der Streitwert anteilig erhöht, BGH 17.1.2013 – I ZR 107/12 – GRUR-RR 2013, 448 – Rezeptbild. 444 Ahrens/Scharen Kap. 11 Rn. 23; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 87; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.92; s. auch Schons NJW 2005, 3089, 3091. 445 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.3. 446 BGH 26.9.1991 – I ZR 149/89 – GRUR 1992, 176 – Abmahnkostenverjährung; KG 16.10.1990 – 5 U 7495/88 – NJW-RR 1991, 1520; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 189 f.; Teplitzky Kap. 16 Rn. 22 u. Kap. 41 Rn. 97. 447 Im Bereich des UWG verdrängt § 12 Abs. 1 S. 2 die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag, s. Rn. 2. 448 Teplitzky Kap. 41 Rn. 97. 449 BGH 26.9.1991 – I ZR 149/89 – BGHZ 115, 210 – Abmahnkostenverjährung; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.16; Teplitzky Kap. 16 Rn. 22. 450 So zur Verjährung konkurrierender Ansprüche aus Delikt und UWG schon RG 25.10.1935 – II 106/35 – RGZ 149, 114, 117; BGH 29.4.1958 – I ZR 56/57 – GRUR 1959, 31 – Feuerzeug als Werbegeschenk; 22.12.1961 – I ZR 152/59 – BGHZ 36, 252 – Gründerbildnis (allerdings [entgegen BGH 29.4.1958 – I ZR 56/57 – GRUR 1959, 31] kurze UWG-Verjährung, wenn Handlung zugleich Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb); 10.1.1968 – Ib ZR 149/65 – GRUR 1968, 367 – Corrida (zum Verhältnis UWG/ WZG); 26.1.1984 – I ZR 195/81– GRUR 1984, 820 – Intermarkt II; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.4; Teplitzky Kap. 16 Rn. 16.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Geltung beansprucht.451 Dieses ist jedoch im Verhältnis des § 11 zu den genannten Verjährungsvorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts nicht der Fall.452 Die Anspruchsverjährung beginnt mit dem Zugang der Abmahnung.453 7. Unberechtigte Abmahnung a) Begriff. Ist die Abmahnung unberechtigt,454 weil die beanstandete Handlung 91 nicht wettbewerbswidrig, der Abmahnende nicht gemäß § 8 Abs. 3 zur Abmahnung befugt, der Unterlassungsanspruch infolge Unterwerfung erloschen oder wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar oder die Abmahnung gemäß § 8 Abs. 4 rechtsmissbräuchlich ist, so stellt sich die Frage, ob dem Abgemahnten Gegenrechte zustehen.455 b) Feststellungsklage. Der Abgemahnte kann der unberechtigten Anspruchsbe- 92 rühmung zunächst mit der Klage auf Feststellung entgegentreten, dass er zur Vornahme der beanstandeten Handlung berechtigt sei bzw. dem Abmahnenden der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zustehe.456 Die Zulässigkeit der Feststellungsklage ist nicht vom Ablauf der in der Abmahnung gesetzten oder gar einer darüber hinausgehenden Wartefrist abhängig.457 Der Vorrang der Leistungsklage458 steht der Annahme des Feststellungsinteresses nicht entgegen, sofern deren Erfolgsaussicht – wie im Falle des Unterlassungsbegehrens gegen eine unberechtigte Abmahnung wegen eines Wettbewerbsverstoßes459 – zweifelhaft ist: die Feststellungsklage führt hier zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der im Zusammenhang mit der Abmahnung

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451 BGH 10.1.1968 – Ib ZR 149/65 – GRUR 1968, 367 – Corrida; 26.1.1984 – I ZR 195/81– GRUR 1984, 820 – Intermarkt II; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.4. 452 Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.5; Ingerl/Rohnke § 20 Rn. 5 f.; Wandtke/Bullinger/Bohne Urheberrecht3 (2009) § 102 Rn. 1; Teplitzky Kap. 16 Rn. 19; Benkard/Rogge/Grabinski PatentG10 (2006) § 141 Rn. 2 f.; Schulte/Kühnen PatentG8 (2008) § 141 Rn. 12. 453 KG 20.5.2009 – 24 U 54/08 – AfP 2010, 271; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 22; MünchKommUWG/ Fritzsche § 11 Rn. 116; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 64; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 25; a.A. Melullis Rn. 807 (Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts); Ungewitter GRUR 2012, 697, 698 (Gleichlauf mit der Verjährung des Unterlassungsanspruchs). 454 Zur Terminologie s. Rn. 63 sowie Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 3, Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 104, Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.68. 455 Zur strafrechtlichen Relevanz unberechtigter Mahnungen s. BGH 5.9.2013 – 1 StR 162/13 – NJW 2014, 401, OLG Köln 14.5.2013 – III-1 RVs 67/13 – GRUR-RR 2013, 341. 456 BGH 30.3.1954 – I ZR 153/52 – GRUR 1954, 346 – Strahlenkranz; 16.4.1969 – I ZR 59–60/67 – GRUR 1969, 479 – Colle de Cologne; 13.12.1984 – I ZR 107/82 – GRUR 1985, 571 – Feststellungsinteresse; 22.1.1987 – I ZR 230/85 – BGHZ 99, 340 – Parallelverfahren I; 7.7.1994 – I ZR 30/92 – GRUR 1994, 846 – Parallelverfahren II; 12.7.1995 – I ZR 85/93 – GRUR 1995, 697 – FUNNY PAPER; 5.10.2000 – I ZR 224/98 – GRUR 2001, 354 – Verbandsklage gegen Vielfachabmahner; 29.4.2004 – I ZR 233/01 – GRUR 2004, 790 – Gegenabmahnung; 8.11.2007 – I ZR 172/05 – GRUR 2008, 360 – EURO und Schwarzgeld; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.74; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 113; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 6; Keller WRP 2000, 908, 909 f.; Teplitzky Kap. 41 Rn. 68; Eichmann FS Helm, S. 287, 316; Lindacher FS v. Gamm, S. 83, 84 ff.; Zapfe WRP 2011, 1122; vgl. auch OLG Frankfurt 155.7.2003 – 6 U 204/02 – GRUR-RR 2004, 64. 457 OLG Hamm 24.9.2009 – 4 U 104/09 – Magazindienst 2011, 49 m. Anm. Zapfe WRP 2011, 1122; Lindacher FS v. Gamm, S. 83, 86; Teplitzky Kap. 41 Rn. 69; a.A. Schotthöfer WRP 1986, 14, 15; Pastor Der Wettbewerbsprozeß3 (1980) S. 613. 458 Hierzu BGH 22.1.1987 – I ZR 230/85 – BGHZ 99, 340 – Parallelverfahren I; 7.7.1994 – I ZR 30/92 – GRUR 1994, 846 – Parallelverfahren II; 20.11.2003 – I ZR 102/02 – NJW-RR 2004, 497 unter II.2.b); 21.12.2005 – X ZR 17/03 – BGHZ 165, 305 Tz. 12 – Detektionseinrichtung I; Teplitzky FS Lindacher, S. 185, 189. 459 Hierzu s. Rn. 94 ff.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

aufgetretenen Streitpunkte.460 Bei gegenläufiger, zum Feststellungsbegehren spiegelbildlicher Unterlassungsklage des Abmahnenden entfällt das Feststellungsinteresse allerdings in dem Zeitpunkt, in welchem die Unterlassungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann,461 sofern nicht die rechtskräftige Entscheidung über die Feststellungsklage unmittelbar bevorsteht.462 Die bloße Abstandnahme von der Berühmung beseitigt in der Regel das Feststellungsinteresse nicht.463 93 Den zu Unrecht Abgemahnten trifft regelmäßig keine Obliegenheit zur Abmahnung vor Erhebung der Feststellungsklage.464 Die Streiterledigungsfunktion erfordert eine solche Gegenabmahnung in der Regel nicht, weil der zunächst Abmahnende sich bewusst eines Anspruchs berühmt und das damit verbundene Risiko der Feststellungsklage kennt.465 Mit dem schutzwürdigen Interesse des unberechtigt Abgemahnten an sofortigem Rechtsschutz wäre ein mit der Klageerhebung verbundenes, aus § 93 ZPO folgendes Kostenrisiko nicht vereinbar.466 Eine Gegenabmahnung ist aber ausnahmsweise dann zu verlangen, wenn sie nach den Umständen dem mutmaßlichen Willen und dem Interesse des unberechtigt Abmahnenden entspricht: wenn etwa durch die Richtigstellung der Abmahnung zugrundeliegender, offensichtlich unzutreffender tatsächlicher Annahmen damit zu rechnen ist, dass der unberechtigt Abmahnende seinen Standpunkt aufgeben werde,467 oder wenn nach Ablauf der in der Abmahnung genannten Frist für längere Zeit keine gerichtlichen Schritte eingeleitet worden sind.468 Zwar

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460 BGH 13.12.1984 – I ZR 107/82 – GRUR 1985, 571 unter II.3.b) – Feststellungsinteresse I; vgl. auch BGH 9.6.1983 – III ZR 74/82 – NJW 1984, 1118; 13.5.1987 – I ZR 75/85 – GRUR 1987, 938 – Videorechte. 461 BGH 7.10.1958 – I ZR 69/57 – BGHZ 28, 203 – Berliner Eisbein; 20.6.1984 – I ZR 61/82 – GRUR 1985, 41 – REHAB; 22.1.1987 – I ZR 230/85 – BGHZ 99, 340 – Parallelverfahren I; 21.12.1989 – IX ZR 234/88 – NJW-RR 1990, 1532; 15.7.2010 – I ZR 168/09 – GRUR-RR 2010, 496 (red. Ls.) – Verzicht auf Klagerücknahme; OLG Düsseldorf 4.10.1990 – 2 U 201/89 – GRUR 1992, 208; Keller WRP 2000, 908, 911 f.; Hoene WRP 2008, 44, 45; Teplitzky Kap. 41 Rn. 70; s. auch OLG Nürnberg 13.6.2006 – 3 U 517/06 – GRUR-RR 2007, 45. 462 BGH 21.6.1955 – I ZR 74/54 – BGHZ 18, 22; 18.10.1967 – VIII ZR 9/66 – NJW 1968, 50; 28.6.1973 – VII ZR 200/72 – NJW 1973, 1500; 22.1.1987 – I ZR 230/85 – BGHZ 99, 340 – Parallelverfahren I; 21.12.1989 – IX ZR 234/88 – NJW-RR 1990, 1532; Teplitzky Kap. 41 Rn. 70 u. Kap. 52 Rn. 20 f. 463 OLG Hamburg 25.7.2002 – 3 U 322/01 – Magazindienst 2003, 205; Harte/Henning/Brüning Vor § 12 Rn. 123; Teplitzky Kap. 41 Rn. 68; Zöller/Greger § 256 ZPO Rn. 7c. 464 BGH 29.4.2004 – I ZR 233/01 – GRUR 2004, 790 unter II.4 – Gegenabmahnung; 6.10.2005 – I ZB 37/05 – GRUR 2006, 168 Tz. 11 – Unberechtigte Abmahnung; OLG Frankfurt 12.1.1981 – 6 W 152/80 – WRP 1981, 282; 24.5.1984 – 6 W 44/84 – GRUR 758; 29.5.1989 – 6 W 49/89 – GRUR 1989, 705; OLG Hamburg 14.1.1994 – 3 W 195/93 – Magazindienst 1994, 464; OLG Hamm 6.7.1984 – 4 W 54/84 – GRUR 1985, 84; 10.1.1989 – 4 W 7/89 – GRUR 1989, 297 (Ls.); 17.9.1991 – 4 W 93/91 – OLGR 1992, 38; OLG Köln 6.1.1986 – 6 W 97/85 – WRP 1986, 428; OLG Stuttgart 2.5.1985 – 2 W 11/85 – WRP 1985, 449; 10.6.1988 – 2 U 102/88 – WRP 1988, 766; 24.11.1999 – 2 W 61/99 – NJWE-WettbR 2000, 100; 17.8.2011 – 4 W 40/11 – MMR 2011, 833; Ahrens/Achilles Kap. 4 Rn. 5 f.; Fezer/Büscher § 12 Rn. 48; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 39; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 113; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.74; Lindacher FS v. Gamm, S. 83, 87; Teplitzky Kap. 41 Rn. 74; ders. WRP 2005, 654, 656; a.A. KG 6.11.1979 – 5 W 2915/79 – WRP 1980, 81, 206; OLG Frankfurt 29.10.1981 – 6 U 36/81 – WRP 1982, 295 und 23.8.1990 – 6 W 171/90 – AfP 1991, 627 (jeweils zum Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO); OLG München 5.4.1984 – 6 W 2931/83 – GRUR 1985, 161 (zum Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO); LG Köln 3.11.1988 – 31 O 402/88 – GRUR 1989, 542; Borck WRP 2001, 20, 26; Eichmann FS Helm, S. 287, 316; Goldbeck S. 98 ff. 465 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 113; Heidenreich WRP 2004, 660, 663. 466 Lindacher FS v. Gamm, S. 83, 87. 467 BGH 29.4.2004 – I ZR 233/01 – GRUR 2004, 790 unter II.4 – Gegenabmahnung; OLG Frankfurt 17.1.1972 – 6 W 398/71 – GRUR 1972, 670; 12.1.1981 – 6 W 152/80 – WRP 1981, 282; OLG Düsseldorf 26.6.1979 – 2 W 34/79 – WRP 1979, 719; OLG Köln 11.10.1982 – 6 W 96/82 – WRP 1983, 172; 29.1.2004 – 6 W 8/04 – WRP 2004, 782; OLG München 24.7.1997 – 29 W 1879/97 – WRP 1997, 979; LG Köln 11.11.1987 – 26 O 93/87 – JurBüro 1988, 1565; Fezer/Büscher § 12 Rn. 49; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 113; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.75; Teplitzky Kap. 41 Rn. 74. 468 BGH 29.4.2004 – I ZR 233/01 – GRUR 2004, 790 unter II.4 – Gegenabmahnung; OLG Oldenburg 19.2.2004 – 1 W 5/04 – WRP 2004, 652; OLG Stuttgart 24.11.1999 – 2 W 61/99 – NJWE-WettbR 2000, 100;

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

besteht in diesen Fällen mangels zugrundeliegenden Unterlassungsanspruchs keine Aufklärungspflicht des zunächst Abgemahnten;469 die hier ausnahmsweise bestehende Eignung zur außergerichtlichen Streitvermeidung rechtfertigt aber die Annahme einer – zudem zumutbaren – Obliegenheit zur Gegenabmahnung.470 Sofern dem zu Unrecht Abgemahnten vor Erhebung der Feststellungsklage eine Gegenabmahnung obliegt, um das aus § 93 ZPO folgende Kostenrisiko auszuschließen, so kann er hierfür auch Kostenerstattung nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen.471 c) Unterlassungsanspruch. Die Frage, ob der zu Unrecht Abgemahnte Unterlas- 94 sung der in der Abmahnung enthaltenen Anspruchsberühmung verlangen kann, wird für die wettbewerbsrechtliche Abmahnung einerseits und die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung472 andererseits unterschiedlich beantwortet. Im Ausgangspunkt ist allerdings anerkannt, dass die Unterlassung der gerichtlichen oder behördlichen Verfolgung unberechtigter Ansprüche473 ebenso wie die Unterlassung bei dieser Gelegenheit erhobener prozessualer Behauptungen474 – vorbehaltlich der Voraussetzungen insbesondere des § 826 BGB475 – nicht verlangt werden kann, weil anderenfalls die Erlangung staatlichen Rechtsschutzes ungebührlich erschwert würde und weil verfahrensimmanente Regelungen die unberechtigt in Anspruch genommene Partei hinreichend schützen; einer solchen Rechtsverfolgung fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Dieses Privileg des prozessualen Rechtsschutzes erstreckt sich auch auf dem staatlichen Verfahren vorgelagerte Äußerungen.476 Die wettbewerbsrechtliche Literatur sieht Unterlassungsansprüche gegenüber der 95 unberechtigten, aber subjektiv redlichen Abmahnung überwiegend als infolge prozessualer Privilegierung ausgeschlossen an, weil die Abmahnung eine im Hinblick auf § 93

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Fezer/Büscher § 12 Rn. 49; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 113; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.75; Teplitzky Kap. 41 Rn. 74. 469 S. Rn. 60. 470 Ahrens/Deutsch6 Kap. 2 Rn. 34; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 113. 471 BGH 29.4.2004 – I ZR 233/01 – GRUR 2004, 790 unter II.4 – Gegenabmahnung; Fezer/Büscher § 12 Rn. 49; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 113; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.75; Teplitzky Kap. 41 Rn. 74. 472 Zu dieser s. § 3 Rn. 566 ff. 473 BGH 7.3.1956 – V ZR 106/54 – BGHZ 20, 169; 3.10.1961 – VI ZR 242/60 – BGHZ 36, 18; 22.6.1976 – X ZR 44/74 – GRUR 1976, 715 – Spritzgießmaschine; 13.3.1979 – VI ZR 117/77 – BGHZ 74, 9; 23.5.1985 – IX ZR 132/84 – BGHZ 95, 10; 26.6.2001 – IX ZR 209/98 – BGHZ 148, 175; 25.3.2003 – VI ZR 175/02 – BGHZ 154, 269; 11.11.2003 – VI ZR 371/02 – NJW 2004, 446; 12.11.2004 – V ZR 322/03 – NJW-RR 2005, 315; 15.7.2005 – GSZ 1/04 – BGHZ 164, 1 unter III.2.b) – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung; 19.1.2006 – I ZR 217/03 – GRUR 2006, 433 Tz. 17 – Unbegründete Abnehmerverwarnung; 23.1.2008 – VIII ZR 246/06 – NJW 2008, 1147 Tz. 8; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 12, 14; Deutsch WRP 1999, 25, 29; Fenn ZHR 132 (1969) 344, 349; Goldbeck S. 112 ff.; Meier-Beck GRUR 2005, 535, 539; Teplitzky Kap. 19 Rn. 16; ders. GRUR 2005, 9, 15; Ullmann GRUR 2001, 1027, 1028; Wagner ZIP 2005, 49, 55. 474 BVerfG 25.2.1987 – 1 BvR 1086/85 – NJW 1987, 1929; 25.9.2006 – 1 BvR 1898/03 – NJW-RR 2007, 840; BGH 14.1.1965 – KZR 9/63 – GRUR 1965, 381; Weinbrand; 13.7.1965 – VI ZR 70/64 – NJW 1965, 1803; 3.12.1968 – VI ZR 140/67 – NJW 1969, 463 – Ostflüchtlinge; 24.11.1970 – VI ZR 70/69 – GRUR 1971, 175 – Steuerhinterziehung; 14.11.1972 – VI ZR 102/71 – MDR 1973, 304 – halbseiden; 10.6.1986 – VI ZR 154/85 – NJW 1986, 2502; 9.4.1987 – I ZR 44/85 – GRUR 1987, 568 – Gegenangriff; 13.10.1987 – VI ZR 83/87 – NJW 1988, 1016 – Tonbandmitschnitt; 17.12.1991 – VI ZR 169/91 – NJW 1992, 1314; 18.10.1994 – VI ZR 74/94 – GRUR 1995, 66 – Konkursverwalter; 22.1.1998 – I ZR 177/95 – GRUR 1998, 587 – Bilanzanalyse Pro 7; 16.11.2004 – VI ZR 298/03 – WRP 2005, 236; 11.12.2007 – VI ZR 14/07 – NJW 2008, 996; 10.12.2009 – I ZR 46/07 – BGHZ 183, 309 – Fischdosendeckel; Goldbeck S. 115 f.; Helle GRUR 1982, 207, 209; Klaka GRUR 1973, 515; Teplitzky Kap. 19 Rn. 16; Ullmann WRP 1996, 1007, 1010; ders. GRUR 2001, 1027, 1028; Wagner ZIP 2005, 49, 55. 475 BGH 13.3.1979 – VI ZR 117/77 – BGHZ 74, 9 unter II.1.a). 476 BGH 14.6.1977 – VI ZR 111/75 – NJW 1977, 1681 unter I.2.b) – Heimstättengemeinschaft; 22.1.1998 – I ZR 177/95 – GRUR 1998, 587 – Bilanzanalyse Pro 7.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

ZPO notwendige Maßnahme im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung sei; der zu Unrecht Abgemahnte sei hinreichend durch die Möglichkeit geschützt, negative Feststellungsklage zu erheben.477 Dem ist mit der Einschränkung zuzustimmen, dass das Postulat der prozessualen Privilegierung der redlichen wettbewerbsrechtlichen Abmahnung allerdings die Versagung von Unterlassungsansprüchen nur im Falle der Abmahnung des vermeintlich wettbewerbswidrig handelnden Primärverletzers (interne, Binnen- oder Direktabmahnung) verlangt.478 Denn nur die Direktabmahnung – nicht aber die Abmahnung des Sekundärverletzers (externe oder Drittabmahnung) – ist bezogen auf das Streitverhältnis Abmahner-Primärverletzer prozessvorbereitende Maßnahme.479 Festzuhalten ist also, dass – durch Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses für die Verfolgung eines Unterlassungsanspruchs – nur die redliche Direktabmahnung prozessual privilegiert ist. Ein weiteres zutreffendes Argument gegen Unterlassungsansprüche im Falle der unberechtigten Abmahnung besagt, eine solche gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko.480 Auch der Bundesgerichtshof gewährt regelmäßig keine Unterlassungsansprüche gegen unberechtigte wettbewerbsrechtliche Abmahnungen.481 96 Die prozessuale Privilegierung der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung hat der Große Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs482 allerdings abgelehnt und sich – entgegen der Auffassung des vorlegenden I. Zivilsenats, der allein die Vorschriften des UWG angewendet sehen wollte483 – für ein Festhalten an der traditionellen Rechtsprechung484 ausgesprochen, nach der eine mindestens fahrlässig ausgesprochene unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und aus-

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477 Ahrens/Deutsch5 (2005) Kap. 3 Rn. 7 ff.; Deutsch WRP 1999, 25, 28; ders. GRUR 2006, 374, 375; Fezer/ Büscher § 12 Rn. 52; Gerstenberg WRP 2011, 1116, 1119 f.; Harte/Henning/Brüning Vorb zu § 12 Rn. 74 u. § 12 Rn. 107; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.69; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 30; a.A. OLG Stuttgart 21.1.2010 – 2 U 8/09 – (juris); Köhler/Piper3 (2002) Vor § 13 a.F. Rn. 202; Harte/Henning/Keller § 2 Rn. 50; Meier-Beck WRP 2005, 535, 538 ff. 478 Zur Terminologie s. Lindacher FS v. Gamm, S. 83, 84 f., Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.167, Godendorff S. 122, Goldbeck S. 34 f. 479 OLG Stuttgart 21.1.2010 – 2 U 8/09 – (juris); Meier-Beck GRUR 2005, 535, 539; ders. WRP 2006, 790, 791; Teplitzky GRUR 2005, 9, 13; ders. WRP 2005, 1433, 1435; ders. Kap. 41 Rn. 77, 79b; Goldbeck S. 164 ff., 292; vgl. auch BGH 15.7.2005 – GSZ 1/04 – BGHZ 164, 1 unter III.2.b) – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung; 21.12.2005 – X ZR 72/04 – GRUR 2006, 219 Tz. 14 – Detektionseinrichtung II . Zu den Folgen dieser Differenzierung sogleich Rn. 98. 480 Ahrens NJW 1982, 2477, 2478; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 13; Melullis Rn. 49; Schuschke/Walker/ Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 42; vgl. BGH 16.4.1969 – I ZR 59/67 – I ZR 60/67 – GRUR 1969, 479 unter B.I. – Colle de Cologne (unberechtigte Abmahnungen als zumutbare „Beeinträchtigungen, wie sie rechtliche Meinungsverschiedenheiten auch sonst im Wirtschaftsleben mit sich bringen“) und 12.12.2006 – VI ZR 224/05 – NJW 2007, 1458 Tz. 14. 481 BGH 8.2.1963 – Ib ZR 132/61 – WRP 1965, 97 – Kaugummikugeln; 16.4.1969 – I ZR 59/67 – I ZR 60/67 – GRUR 1969, 479 unter B.I. – Colle de Cologne; 13.12.1984, Az. I ZR 107/82, GRUR 1985, 571 – Feststellungsinteresse; 30.6.1994 – I ZR 40/92 – GRUR 1994, 841 – Suchwort; 5.10.2000 – I ZR 224/98 – GRUR 2001, 354 – Verbandsklage gegen Vielfachabmahner; 20.1.2011 – I ZR 31/10 – GRUR-RR 2011, 343 (red. Ls.) – Unberechtigte Abmahnung. 482 BGH 15.7.2005 – GSZ 1/04 – BGHZ 164, 1 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung; hierzu Deutsch GRUR 2006, 374; Faust JZ 2006, 365; Haedicke Jura 2006, 528; Meier-Beck WRP 2006, 790; Sack BB 2005, 2368; Teplitzky WRP 2005, 1433; Wagner/Thole NJW 2005, 3470. 483 BGH 12.8.2004 – I ZR 98/02 – GRUR 2004, 958 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht I. 484 RG 27.2.1904 – I 418/03 – RGZ 58, 24 – Juteartikel; BGH 15.6.1951 – I ZR 59/50 – BGHZ 2, 387 – Mülltonnen; 4.5.1954 – I ZR 149/52 – BGHZ 13, 210 – Prallmühle I; 5.11.1962 – I ZR 39/61 – BGHZ 38, 200 – Kindernähmaschinen; 11.12.1973 – X ZR 14/70 – BGHZ 62, 29 – Maschenfester Strumpf; 22.6.1976 – X ZR 44/74 – GRUR 1976, 715 – Spritzgießmaschine; 19.1.1979 – I ZR 166/76 – GRUR 1979, 332 – Brombeerleuchte; 7.6.1990 – III ZR 74/88 – BGHZ 111, 349 unter I.3.b); 23.2.1995 – I ZR 15/93 – GRUR 1995, 424 – Abnehmerverwarnung; 30.11.1995 – IX ZR 115/94 – GRUR 1996, 812; 17.4.1997 – X ZR 2/96 – GRUR 1997, 741 – Chinaherde; 13.4.2000 – I ZR 220/97 – GRUR 2001, 54 – SUBWAY/Subwear.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

geübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB darstellt: Es müsse im Interesse der Freiheit des Wettbewerbs sichergestellt werden, dass der Schutzrechtsinhaber für eine schuldhafte Verkennung des Schutzbereichs seines Ausschließlichkeitsrechts einzustehen habe, weil andernfalls der Schutzrechtsinhaber dessen Schutzbereich risikolos nach eigenem Gutdünken bestimmen könne; insbesondere im Falle der sog. Abnehmerverwarnung, also der Verwarnung nicht des unmittelbar konkurrierenden Herstellers, sondern seiner Abnehmer, könne einem potentiell existenzgefährdenden Eingriff in Kundenbeziehungen nicht anders als durch die Zubilligung eines deliktischen Unterlassungsanspruchs entgegengetreten werden.485 Die Übertragung der nach der Entscheidung des Großen Zivilsenats des BGH für die 97 unberechtigte Schutzrechtsverwarnung geltenden Regel – Haftung auch für Fahrlässigkeit im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB – auf die wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist nicht angemessen.486 Die typologische Annahme, eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung sei per se für den Abgemahnten weniger gefährlich als eine Schutzrechtsverwarnung,487 dürfte zwar in dieser Allgemeinheit kaum zu verifizieren sein.488 Nimmt man aber mit dem Großen Zivilsenat des Bundesgerichtshofs an, dass die Zubilligung von Rechtsschutz gegen eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung Folge der spezifisch immaterialgüterrechtlichen Abwägungslage ist, die es erfordert, der aus einer unberechtigten Geltendmachung des Ausschließlichkeitsrechts resultierenden, daher überschießenden Einschränkung des freien Wettbewerbs entgegenzuwirken, so kann festgestellt werden, dass eine vergleichbare Lage im Falle der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung nicht gegeben ist.489 Vor allem aber erfordert der Schutzzweck der effektiven privatautonomen Wettbewerbskontrolle die haftungsrechtliche Privilegierung der redlichen Abmahnung: Müsste der unberechtigt Abmahnende auch bei nur leichter Fahrlässigkeit stets Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche des Abgemahnten gewärtigen, ginge dies zu Lasten des bewährten Systems der außergerichtlichen Streitbeilegung mittels

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485 BGH 15.7.2005 – GSZ 1/04 – BGHZ 164, 1 unter B. II. – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung; s. sodann BGH 21.12.2005 – X ZR 72/04 – GRUR 2006, 219 – Detektionseinrichtung II; 19.1.2006 – I ZR 98/02 – GRUR 2006, 432 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II; 19.1.2006 – I ZR 217/03 – GRUR 2006, 433 – Unbegründete Abnehmerverwarnung; 30.1.2007 – X ZR 53/04 – BGHZ 171, 13 – Funkuhr II; 15.1.2009 – I ZR 123/06 – GRUR 2009, 878 Tz. 16 – Fräsautomat; a.A. noch der der Entscheidung des Großen Zivilsenats vorangegangene Vorlagebeschluss BGH 12.8.2004 – I ZR 98/02 – GRUR 2004, 958 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht I –, ferner OLG Düsseldorf 20.2.2003 – 2 U 135/02 – GRUR 2003, 814 sowie aus der Literatur Blaurock S. 57 ff.; Deutsch WRP 1999, 25; ders. GRUR 2006, 374; Horn S. 154 ff.; Quiring WRP 1983, 317; Sack S. 16 ff.; ders. WRP 1976, 733; ders. WRP 2005, 253, 257; ders. BB 2005, 2368, 2371; Ullmann GRUR 2001, 1027, 1028 ff.; Wagner/Thole NJW 2005, 3470; MünchKommBGB/Wagner § 823 Rn. 200. 486 BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 63 – Kinderhochstühle im Internet I; 20.1.2011 – I ZR 31/10 – GRUR-RR 2011, 343 (red. Ls.) – Unberechtigte Abmahnung; Ahrens NJW 1982, 2477, 2478; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.70; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 10; a.A. Erman/Schiemann § 823 Rn 68; Godendorff S. 39 ff. 487 BGH 22.7.2010 – I ZR 139/08 – GRUR 2011, 152 Tz. 63 – Kinderhochstühle im Internet I; 20.1.2011 – I ZR 31/10 – GRUR-RR 2011, 343 (red. Ls.) – Unberechtigte Abmahnung; OLG Hamm 11.12.1979 – 4 U 139/79 – WRP 1980, 216. 488 Vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.70; Sack WRP 1976, 733, 742; Kur GRUR 1981, 558, 564; Quiring WRP 1983, 317, 320. 489 BGH 20.1.2011 – I ZR 31/10 – GRUR-RR 2011, 343 (red. Ls.) – Unberechtigte Abmahnung; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.70; a.A. für den Bereich des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes (§ 4 Nr. 9 UWG) OLG Frankfurt 7.12.1989 – 6 U 160/88 – NJW-RR 1991, 1006; OLG Stuttgart 10.9.2009 – 2 U 11/09 – GRUR-RR 2010, 298; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.169; Gloy/Loschelder/Erdmann/Melullis § 80 Rn. 127; Goldbeck S. 159; Harte/Henning/Omsels § 4 Nr. 10 Rn. 179; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 A Rn. 43; Teplitzky Kap. 41 Rn. 78.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Abmahnung und Unterwerfung im Lauterkeitsrecht.490 Für den Bereich der unberechtigten wettbewerbsrechtlichen Abmahnung hat es daher bei der gegenüber dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB vorrangigen Anwendung der kodifizierten Regeln des lauterkeits- und bürgerlichrechtlichen Haftungsrechts zu verbleiben. Der Schutzzweck der prozessualen Privilegierung beschränkt sich auf die redliche 98 Direktabmahnung.491 Auch für die Abwehr einer redlichen Direktabmahnung kann allerdings ein Rechtsschutzbedürfnis in solchen Ausnahmefällen nicht verneint werden, in denen die Abmahnung nicht nur unbegründet ist, sondern in Kenntnis ihres Berechtigungsmangels als wettbewerbliche Störmaßnahme instrumentalisiert wird (unredliche Abmahnung); als Anspruchsgrundlagen kommen hier die Tatbestände des § 4 Nrn. 1, 7, 8, 10 (unsachliche Beeinflussung, Herabsetzung, Anschwärzung, gezielte Behinderung), des § 5 (Irreführung) oder der §§ 824, 826 BGB (Kreditgefährdung, sittenwidrige vorsätzliche Schädigung) in Betracht.492 Hingegen scheidet die Anwendung der Generalklausel des § 3 Abs. 1 aus, weil andernfalls die Begrenzungsfunktion der Spezialtatbestände des § 4 konterkariert würde.493 Nicht prozessual privilegiert – folglich tauglicher Gegenstand einer unter dem Aspekt des Rechtsschutzbedürfnisses zulässigen Unterlassungsklage – ist ferner die Drittabmahnung, denn sie wirkt sich nicht auf das etwaige prozessuale Streitverhältnis zwischen Abmahnendem und vermeintlichem Primärverletzer aus.494 Dies ist nicht nur zwingende Folge der Schutzzweckbetrachtung, sondern auch wertungsmäßig angemessen, weil die wettbewerbsrechtliche Drittabmahnung – ebenso wie die Abnehmerverwarnung im Bereich der Immaterialgüterrechte – für die Kundenbeziehung des Mitbewerbers potentiell besonders gefährlich ist: auch hier scheut der Dritte üblicherweise die Auseinandersetzung mit dem Abmahnenden und neigt daher dazu, der Abmahnung Folge zu leisten.495 Die Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften ist eröffnet, weil die Ab99 mahnung durch einen Mitbewerber – ebenso wie diejenige durch einen Fachverband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2, sofern er zur Förderung fremden Wettbewerbs handelt496 – regelmäßig eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 darstellt;497 dem-

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490 Fezer/Büscher § 12 Rn. 53; Fezer/Götting § 4–10 Rn. 50; Harte/Henning/Omsels § 4 Nr. 10 Rn. 174; Goldbeck S. 200; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.166 f. 491 S. Rn. 95. 492 Vgl. BGH 16.4.1969 – I ZR 59–60/67 – GRUR 1969, 479 – Colle de Cologne; 13.12.1984 – I ZR 107/82 – GRUR 1985, 571 – Feststellungsinteresse; 30.6.1994 – I ZR 40/92 – GRUR 1994, 841 – Suchwort; 5.10.2000 – I ZR 224/98 – GRUR 2001, 354 – Verbandsklage gegen Vielfachabmahner; 9.9.2010 – I ZR 98/08 – GRUR 2010, 1133 – Bonuspunkte; OLG Dresden 3.3.1998 – 14 U 1385/97 – NJWE-WettbR 1999, 49; OLG Frankfurt 6.12.2005 – 11 U 28/05 – BeckRS 2005 30366106; OLG Hamburg 4.6.1998 – 3 U 246/97 – NJW-RR 1999, 1060; OLG Köln 27.10.2000 – 6 U 209/99 – GRUR 2001, 525; OLG Stuttgart 26.7.1991 – 2 U 280/90 – WRP 1992, 202; LG Frankfurt 9.5.2007 – 2/6 O 682/06 – GRUR-RR 2007, 377; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 8 f.; Piper/Ohly/ Sosnitza § 12 Rn. 30; Teplitzky Kap. 41 Rn. 76, 79. 493 Fezer/Büscher § 12 Rn. 53; Goldbeck S. 211 f.; a.A. (für die Abmahnung des Mitbewerbers) Godendorff S. 127 f., 154. 494 S. Rn. 95. 495 Vgl. BGH 19.1.1979 – I ZR 166/76 – GRUR 1979, 332, 336 – Brombeerleuchte; 15.7.2005 – GSZ 1/04 – BGHZ 164, 1, 4 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung; 19.1.2006 – I ZR 217/03 – GRUR 2006, 433 Tz. 18 – Unbegründete Abnehmerverwarnung; 15.1.2009 – I ZR 123/06 – GRUR 2009, 878 Tz. 17 – Fräsautomat; Teplitzky Kap. 41 Rn. 76. 496 BGH 15.1.2009 – I ZR 123/06 – GRUR 2009, 878 Tz. 15 – Fräsautomat; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.168; Goldbeck S. 195; Wiemann S. 181; vgl. auch BGH 23.5.1996 – I ZR 122/94 – WRP 1996, 1099 – Testfotos II. 497 Teplitzky Kap. 41 Rn. 76; Goldbeck S. 194; Wiemann S. 172; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.71 (jedenfalls bei Kenntnis des Fehlens eines Anspruchs).

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

gegenüber handeln Verbraucherverbände (§ 8 Abs. 3 Nr. 3)498 und Industrie- und Handelskammern bzw. Handwerkskammern (§ 8 Abs. 3 Nr. 4)499 in der Regel nicht „geschäftlich“. § 4 Nr. 1 schützt nur die Entscheidungsfreiheit der auf der Marktgegenseite befind- 100 lichen Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer (Vertikalverhältnis), nicht aber diejenige der Mitbewerber im Horizontalverhältnis.500 Die in der unberechtigten Abmahnung des Mitbewerbers etwa liegende unsachliche Beeinflussung unterfällt daher allein § 4 Nr. 10.501 Ob die mit der Abmahnung verbundene Androhung der Einleitung gerichtlicher Schritte etwa gegenüber Abnehmern die im Rahmen des § 4 Nr. 1 bei richtlinienkonformer Auslegung erforderliche Intensität einer Belästigung, Nötigung oder unzulässigen Beeinflussung502 erreicht, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls.503 Den Tatbeständen des § 4 Nr. 7 und 8 ist gemeinsam, dass sie die Kundgabe der her- 101 absetzenden bzw. anschwärzenden Äußerung nicht gegenüber dem hierdurch Verletzten, sondern gegenüber Dritten zum Gegenstand haben; sie sind also mangels Drittbezugs für die unberechtigte Abmahnung des vermeintlichen Primärverletzers nicht einschlägig, sondern allein für die – der prozessualen Privilegierung nicht unterliegenden504 – Drittabmahnung.505 Anders als § 4 Nr. 7, der sowohl herabsetzende oder verunglimpfende Tatsachenbehauptungen als auch Werturteile erfasst,506 verbietet § 4 Nr. 8 nur Tatsachenbehauptungen, die geschäftsschädigend und nicht erweislich wahr sind.507 In diesem Zusammenhang erlangt mithin die Frage Bedeutung, ob der Vorwurf einer Schutzrechtsverletzung oder wettbewerbswidrigen Handlung eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil darstellt.508 Sie ist dahingehend – differenzierend – zu beantworten,509 dass sachverhaltsbezogene Angaben – etwa die Behauptung, es sei die den Gegenstand der Abmahnung bildende Handlung in beschriebener Weise vorgenommen worden – tatsächlicher Natur sind, wohingegen die daran anknüpfende rechtliche Subsumtion ein Werturteil darstellt, bei dessen lauterkeitsrechtlicher Würdigung dem

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498 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.168; Goldbeck S. 197; Wagner ZIP 2005, 49, 52; a.A. Wiemann S. 173. 499 Goldbeck S. 196; vgl. auch (zu § 1 a.F.) LG Mannheim 13.8.1982 – 7 O 79/82 – WRP 1983, 53. 500 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 1.20; a.A. Wiemann S. 183 f. 501 Godendorff S. 123, 143. 502 Vgl. BGH 29.10.2009 – I ZR 180/07 – GRUR 2010, 455 Tz. 17 – Stumme Verkäufer II; 31.3.2010 – I ZR 75/08 – GRUR 2010, 1022 Tz. 16 – Ohne 19% Mehrwertsteuer; 24.6.2010 – I ZR 182/08 – GRUR 2010, 850 Tz. 13, 16 – Brillenversorgung II; 3.3.2011 – I ZR 167/09 – GRUR 2011, 747 Tz. 26 – Kreditkartenübersendung; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 1.9. 503 Vgl. (zu § 1 a.F. und der Drohung mit strafrechlichen Konsequenzen) OLG Köln 24.1.1992 – 6 U 153/91 – OLGR 1992, 119; zu den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 im Einzelnen s. dort Rn. 27 ff. 504 S. Rn. 95, 98. 505 Godendorff S. 123; Goldbeck S. 204; zum nach § 4 Nrn. 7 u. 8 erforderlichen Drittbezug s. Harte/ Henning/Bruhn § 4 Nr. 8 Rn. 29; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 7.13 und 8.18. 506 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 7.12; zu den Voraussetzungen des § 4 Nr. 7 im Einzelnen s. dort Rn. 32 ff. 507 BGH 19.1.2006 – I ZR 217/03 – GRUR 2006, 433 Tz. 16 – Unbegründete Abnehmerverwarnung; Teplitzky Kap. 41 Rn. 76 Fn. 349; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.179; zu § 4 Nr. 8 im Einzelnen s. dort Rn. 13 ff. 508 Für Tatsachenbehauptung (die Behauptung der Rechtsverletzung beinhalte einen dem Beweis zugänglichen tatsächlichen Kern) Beater § 19 Rn. 55, 58; Blaurock S. 74 ff.; Sack S. 153 ff.; ders. WRP 2005, 253, 262; ders. BB 2005, 2368, 2372; ders. NJW 2009, 1642, 1644; Wagner/Thole NJW 2005, 3470, 3471; für Meinungsäußerung (die Behauptung der Rechtsverletzung sei das Ergebnis einer rechtlichen Bewertung) Ohl GRUR 1966, 172; Hesse GRUR 1979, 438, 441; Horn S. 136 f.; Lindacher ZHR 144 (1980), 350, 361; Reuthal S. 194 ff.; Vorwerk ZIP 2005, 1157, 1161; vgl. BGH 19.1.1979 – I ZR 166/76 – GRUR 1979, 332 – Brombeerleuchte (Einordnung als „überwiegend wertend“ nicht rechtsfehlerhaft). 509 S. etwa Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 9; Brandi-Dohrn GRUR 1981, 679; Eichmann FS Helm, S. 282, 294; Goldbeck S. 45 ff.; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.178; Peukert MittdtschPatAnw 2005, 73, 74; Winkler GRUR 1980, 526, 528; Teplitzky GRUR 2005, 9, 13; Ullmann GRUR 2001, 1027, 1030; Zimmermann S. 355 f.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) gebührend Rechnung getragen werden kann.510 Der Tatbestand der gezielten Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 setzt voraus, dass die 102 wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeiten des Mitbewerbers beeinträchtigt wird und dass weitere Umstände das Verdikt der Unlauterkeit rechtfertigen. Eine relevante Beeinträchtigung wird man im Falle der unberechtigten Direktabmahnung des Mitbewerbers allenfalls dann annehmen können, wenn sich der Abmahner dessen Unerfahrenheit oder Wehrlosigkeit zunutze macht, nicht hingegen im Normalfall des – auch „robusten“ – Wettbewerbs unter Zuhilfenahme rechtlicher Mittel.511 Anders im Falle der unberechtigten Abmahnung eines Dritten, dessen Inanspruchnahme das vermeintlich wettbewerbswidrige Verhalten des Primärverletzers zugrundeliegt: Ebenso wie bei der Abnehmerverwarnung im Bereich der Immaterialgüterrechte scheut der Dritte üblicherweise die Auseinandersetzung mit dem Abmahnenden und wird daher dazu neigen, der Abmahnung Folge zu leisten, so dass der Abmahnung eine erhebliche Gefahr für die Kundenbeziehungen des Mitbewerbers innewohnt.512 Hier wird eine hinreichende Beeinträchtigung des Mitbewerbers eher anzunehmen sein.513 Unlauter ist eine Behinderung des Mitbewerbers im Allgemeinen dann, wenn der Handelnde die Beeinträchtigung gerade bezweckt.514 Im Falle der Abmahnung führt also noch nicht der Mangel ihrer Berechtigung als solcher zur Annahme einer gezielten Behinderung,515 sondern erst die Feststellung, dass die Abmahnung vorrangig nicht durch die Verfolgung eigener legitimer Wettbewerbsinteressen, sondern die Störung des Mitbewerbers motiviert ist.516 Hiervon ist auszugehen, wenn der Abmahnende weiß, dass die Abmahnung unberechtigt ist, oder er sich dieser Kenntnis bewusst verschließt.517 Hingegen ist ein Unterlassungsanspruch nicht gegeben, wenn eine Abmahnung zunächst auf einen unbestätigten Verdacht hin, aber auf der Grundlage vernünftiger Erwägungen ausgesprochen wird,518 auch dann nicht, wenn sich der Abmahnende im Zeitpunkt der Abmahnung rechtlicher Zweifel bewusst war,519 ferner selbst dann nicht, wenn dem Abmahnenden Fahrlässigkeit bei

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510 Vgl. KG 20.5.2009 – 24 U 54/08 – AfP 2010, 271; OLG Köln 8.10.2010 – 6 U 88/10 – WRP 2011, 779. 511 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.167. 512 Vgl. BGH 19.1.1979 – I ZR 166/76 – GRUR 1979, 332, 336 – Brombeerleuchte; 15.7.2005 – GSZ 1/04 – BGHZ 164, 1, 4 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung; 19.1.2006 – I ZR 217/03 – GRUR 2006, 433 Tz. 18 – Unbegründete Abnehmerverwarnung; 15.1.2009 – I ZR 123/06 – GRUR 2009, 878 Tz. 17 – Fräsautomat; Teplitzky Kap. 41 Rn. 76. 513 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 108; vgl. auch (einen Anspruch nach § 1 a.F. verneinend) KG 24.2.2004 – 5 U 273/03 – GRUR-RR 2004, 258. 514 BGH 7.10.2009 – I ZR 150/07 – GRUR 2010, 346 Tz. 12 – Rufumleitung; 20.1.2005 – I ZR 29/02 – GRUR 2005, 581 – The Colour of Elégance; MünchKommUWG/Jänich § 4 Nr. 10 Rn. 11 f. 515 Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 8 f.; Goldbeck S. 209; Teplitzky Kap. 41 Rn. 76. 516 Goldbeck S. 208 f.; Wiemann S. 176 f. 517 BGH 9.9.2010 – I ZR 98/08 – GRUR 2010, 1133 – Bonuspunkte; OLG Frankfurt 6.12.2005 – 11 U 28/05 – BeckRS 2005 30366106; OLG Hamm 3.12.2009 – 4 U 149/09 – ITRB 2010, 55; LG Frankfurt 9.5.2007 – 2/6 O 682/06 – GRUR-RR 2007, 377; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 9; Fezer/Götting § 4–10 Rn. 51; Godendorff S. 124 f.; Goldbeck S. 210 f.; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.167; Omsels WRP 2004, 136; Sessinghaus WRP 2005, 823, 825; Vorwerk ZIP 2005, 1157, 1161 f.; Wiemann S. 179. 518 So zur unzulässigen Behinderung nach § 1 a.F. BGH 8.2.1963 – Ib ZR 132/61 – WRP 1965, 97 – Kaugummikugeln; s. auch (zum Übernahmeverschulden im Rahmen des § 678 BGB) OLG Frankfurt 26.5.1989 – 6 U 87/88 – GRUR-RR 1989, 858; Vorauflage/Kreft Vor § 13 C Rn. 195; vgl. auch Teplitzky Kap. 41 Rn. 76. 519 OLG Hamburg 1.3.1990 – 3 U 192/89 – GRUR 1991, 561 (Ls.) sowie (zum Übernahmeverschulden im Rahmen des § 678 BGB) 20.1.1983 – 3 U 146/82 – GRUR 1983, 200 und 19.9.2002 – 3 U 54/99 – NJW-RR 2003, 857; s. auch OLG Hamm 3.12.2009 – 4 U 149/09 – VuR 2010, 116; Harte/Henning/Omsels § 4 Nr. 10 Rn. 178.

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I. Abmahnung

B. Abmahnung und Unterwerfung

der Ermittlung des Sachverhalts oder der rechtlichen Beurteilung vorzuwerfen ist.520 Im Fall der für den Abgemahnten wettbewerblich potentiell besonders nachteiligen Abmahnung eines Dritten darf allerdings der Abmahnende eine überzeugende Gegenvorstellung des vermeintlichen Primärverletzers bei der Vornahme weiterer Abmahnungen nicht ignorieren;521 tut er es doch, so handelt er hinsichtlich des Berechtigungsmangels mindestens mit bedingtem Vorsatz. Ist das gerügte Verhalten tatsächlich wettbewerbswidrig und ist die Abmahnung nur wegen fehlender Abmahnbefugnis im Sinne des § 8 Abs. 3 oder wegen Rechtsmissbrauchs (§ 8 Abs. 4) zu beanstanden, so fehlt es regelmäßig an der Unlauterkeit der von der Abmahnung ausgehenden Behinderung.522 Enthält die Abmahnung in tatsächlicher Hinsicht 523 unzutreffende Angaben, so 103 kommt auch ein Verstoß gegen das Verbot irreführender geschäftlicher Handlungen524 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 in Betracht.525 War die Anwendung dieser Vorschrift zuvor auf „Werbung“ im Vertikalverhältnis im Sinne der Irreführungsrichtlinie – also solche gegenüber der Marktgegenseite – beschränkt,526 so ist diese Beschränkung im Zuge der UWG-Reform 2008 infolge der Ersetzung des Tatbestandsmerkmals „Werbung“ durch dasjenige der „geschäftlichen Handlung“ entfallen; auch die Abmahnung gegenüber Mitbewerbern (Horizontalverhältnis) ist nunmehr hiervon erfasst.527 Für die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs – nicht aber eines Schadensersatzanspruchs528 – nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 wegen (nur) fahrlässig irreführender unberechtigter Direktabmahnung fehlt es allerdings am Rechtsschutzbedürfnis; im Verhältnis zum vermeintlichen Primärverletzer ist erst der vorsätzlich irreführenden Abmahnung die prozessuale Privilegierung zu versagen.529 Hingegen unterliegt der Unterlassungsanspruch wegen fahrlässig irreführender unberechtigter Drittabmahnung dieser Einschränkung nicht.530 Anders als im Falle der Anschwärzung des Mitbewerbers gegenüber Dritten durch 104 „nicht erweislich wahre Tatsachen“ gemäß § 4 Nr. 8531 hat nach dem deliktsrechtlichen Tatbestand des § 824 BGB (Kreditgefährdung) der Mitbewerber die Unwahrheit der behaupteten Tatsache zu beweisen; im Regelfall dürften sich in der praktischen An-

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520 Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 8; Fezer/Götting § 4–10 Rn. 51; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.167; Goldbeck S. 174; Sack WRP 2005, 253, 257; vgl. auch Omsels WRP 2004, 136; zu weitgehend daher BGH 30.10.1962 – I ZR 128/61 – Zahnprothesen-Pflegemittel – GRUR 1963, 197, 202 (zur Unterlassung verurteilte Beklagte „musste in Betracht ziehen, dass Warnungen der im Unterlassungsausspruch gekennzeichneten Art (…) rechtswidrig sein könnten.“); a.A. (im Falle der Abmahnung „ohne jeden greifbaren Anhaltspunkt für ein wettbewerbswidriges Verhalten“) Ahrens NJW 1982, 2477, 2478, Wiemann S. 179 und Goldbeck S. 210 f. bzw. (für „ersichtlich ins Blaue hinein“ ausgesprochene Abmahnung) Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 8 sowie (bei grober Fahrlässigkeit) Peukert MittdtschPatAnw 2005, 73, 74. 521 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.167; Lindacher FS v. Gamm, S. 83, 84 f.; Teplitzky Kap. 41 Rn. 77. 522 BGH 5.10.2000 – I ZR 224/98 – GRUR 2001, 354 – Verbandsklage gegen Vielfachabmahner (zu § 1 a.F.); OLG Hamm 3.12.2009 – 4 U 149/09 – ITRB 2010, 55. 523 Zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil s. Rn. 101. 524 Zur Einordnung der Abmahnung als geschäftliche Handlung bereits vorstehend Rn. 99. 525 Vgl. (zu §§ 1, 3 a.F.) BGH 23.2.1995 – I ZR 15/93 – GRUR 1995, 424 – Abnehmerverwarnung sowie (zu § 4 Nr. 8) BGH 19.1.2006 – I ZR 217/03 – GRUR 2006, 433 Tz. 16 – Unbegründete Abnehmerverwarnung – und (zu §§ 1, 3 a.F.) OLG Köln 24.1.1992 – 6 U 153/91 – OLGR 1992, 119; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 8; Fezer/ Büscher § 12 Rn. 52; Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 129 ff. u. § 12 Rn. 1.71; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 30; Ullmann GRUR 2001, 1027, 1030; a.A. für irreführende Drittverwarnungen Harte/Henning/Bruhn § 4 Nr. 8 Rn. 8 sowie Godendorff S. 153 (§ 4 Nrn. 7 u. 8 als leges speciales); vgl. auch KG 24.2.2004 5 U 273/03 – GRUR-RR 2004, 258. 526 Zur früheren Rechtslage s. Zimmermann S. 199. 527 Köhler/Bornkamm § 5 Rn. 2.30; Goldbeck S. 212; a.A. Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 9. 528 Hierzu Rn. 106. 529 S. Rn. 98. 530 Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 8. 531 Hierzu vorstehend Rn. 101.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

wendung auch im Hinblick auf den Rechtfertigungsgrund des § 824 Abs. 2 BGB (keine Haftung bei Verfolgung berechtigter Interessen) unterschiedliche Ergebnisse kaum ergeben.532 Im Rahmen des § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung) ist – ebenso wie im Falle des § 4 Nr. 10533 – von vorsätzlichem Handeln auszugehen, wenn der Abmahnende Kenntnis vom Mangel der Berechtigung der Abmahnung hat oder sich dieser Kenntnis bewusst verschließt; hinzutreten muss allerdings ein auf den Schadenseintritt bezogener Vorsatz.534 Die §§ 824, 826 BGB erlangen eigenständige Bedeutung, sofern die lauterkeitsrechtlichen Vorschriften mangels Wettbewerbsverhältnisses – etwa im Falle eines Verbraucherverbands im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 3 – nicht anwendbar sind.535 105 Der Unterlassungsanspruch ist gemäß § 8 Abs. 1 S.1 2. Alt. seinem Inhalt nach auf die Unterlassung künftiger identischer oder kerngleicher Abmahnungen gerichtet.536 Darüber hinaus kann der Gläubiger im Falle der Tatsachenbehauptung gegenüber Dritten537 – wegen Unvereinbarkeit mit der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) jedoch nicht im Falle eines Werturteils538 – gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 1. Alt. Beseitigung durch Widerruf verlangen.539 106

d) Schadensersatzanspruch. Die prozessuale Privilegierung der redlichen Direktabmahnung wirkt sich auf die Zulässigkeit der Unterlassungsklage aus, hat aber keine materiell rechtfertigende Wirkung;540 sie steht deshalb in ihrem Anwendungsbereich der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen nicht entgegen.541 Sofern also die tatbestandlichen Voraussetzung etwa der §§ 4 (Nrn. 7, 8, 10), 5542 in Verbindung mit § 9 bzw. der §§ 824, 826 BGB erfüllt sind, kann der zu Unrecht Abgemahnte bzw. der durch eine Drittabmahnung geschädigte vermeintliche Primärverletzer Schadensersatz verlangen, der den für die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Abwehr der Abmahnung anfallenden Kostenaufwand umfasst.543 Mangels durch die unberechtigte Abmahnung ausgelösten vorvertraglichen Vertrauens kommt culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB)544 als Anspruchsgrundlage für Schadensersatz nicht in Betracht: weil der Abgemahnte mit der Abmahnung ungebeten zur Unterwerfung gedrängt werden soll, handelt es sich hierbei weder um „Vertragsverhandlungen“ noch um einen anderweitig im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB vertrauensinduzierenden Sachverhalt.545 Auch ein Rückgriff auf das

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532 Goldbeck S. 289; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 9. 533 S. vorstehend Rn. 102. 534 Goldbeck S. 290; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.168; Palandt/Sprau § 826 Rn. 10 f. 535 Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 10.168; Goldbeck S. 289. 536 Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 11; Teplitzky Kap. 41 Rn. 79. 537 Zum Erfordernis des Drittbezugs s. BGH 3.5.1988 – VI ZR 276/87 – NJW 1989, 774. 538 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.97. 539 BGH 3.5.1988 – VI ZR 276/87 – NJW 1989, 774; 23.2.1995 – I ZR 15/93 – GRUR 1995, 424 – Abnehmerverwarnung; Ahrens/Achilles Kap. 3 Rn. 11; Teplitzky Kap. 41 Rn. 79. 540 S. Rn. 94 f. 541 BGH 22.1.1998 – I ZR 177/95 – GRUR 1998, 587 – Bilanzanalyse Pro 7; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.70 f.; Goldbeck S. 124; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 109; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 30; a.A. Ahrens/Deutsch5 (2005) Kap. 3 Rn. 7 ff.; Deutsch WRP 1999, 25, 28; ders. GRUR 2006, 374, 375. 542 Hierzu s. Rn. 100 ff. 543 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 109; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.70 f.; Fezer/Büscher § 12 Rn. 53. 544 Für deren Anwendung Chudizak GRUR 2012, 133, 138, Quiring WRP 1983, 317, 322 ff., Selke WRP 1999, 286, 288 f., MünchKommUWG/Jänich § 4 Nr. 10 Rn. 129 (zur Schutzrechtsverwarnung). 545 Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 16; Goldbeck S. 243 f.; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 95; s. auch die Nachweise in Rn. 53, 60.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB ist im Falle der unberechtigten wettbewerbsrechtlichen Abmahnung nicht eröffnet.546 Ein Schadensersatzanspruch des zu Unrecht Abgemahnten kann sich ferner aus 107 § 678 BGB ergeben.547 Denn die Abmahnung ist als „Geschäft des Abgemahnten“ im Sinne der Geschäftsführung ohne Auftrag anzusehen.548 § 12 Abs. 1 S. 2 ist nur für den Fall der berechtigten Abmahnung vorrangige Spezialvorschrift und steht deshalb der Anwendung des § 678 BGB auf die unberechtigte Abmahnung nicht entgegen.549 Ein Übernahmeverschulden im Sinne des § 678 BGB liegt vor, wenn der Geschäftsführer den entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn erkennen musste, also mindestens fahrlässig gehandelt hat.550 Gegen die Anerkennung einer Fahrlässigkeitshaftung für unberechtigte Abmahnungen spricht allerdings – ebenso wie gegen die Übertragung der Grundsätze zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung551 –, dass sie der Funktionsfähigkeit der Abmahnung als Mittel der außergerichtlichen Streitbeilegung zuwiderliefe. Eine Haftung nach § 678 BGB sollte daher nicht angenommen werden, wenn ungeachtet bestehender Zweifel an der Berechtigung vernünftige Gründe die Abmahnung rechtfertigen.552 Für den Fall der rechtsmissbräuchlichen Abmahnung sieht § 8 Abs. 4 S. 2 in der seit dem 9.10.2013 geltenden Fassung einen Anspruch des Abgemahnten auf Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten vor; Satz 3 der Vorschrift in neuer Fassung stellt klar, dass weitergehende Ersatzansprüche unberührt bleiben. II. Unterwerfung II. Unterwerfung 1. Einleitung. Im System der außergerichtlichen Streitbeilegung im Wettbewerbs- 108 recht, gleichermaßen aber auch im Urheberrecht, Markenrecht, Patentrecht und Pres-

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546 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.72; Fezer/Büscher § 12 Rn. 53; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 108; s. hierzu bereits Rn. 97. 547 OLG Düsseldorf 14.12.1999 – 10 W 125/99 – JurBüro 2000, 423; OLG Hamburg 20.1.1983 – 3 U 146/82 – GRUR 1983, 200; 19.9.2002 – 3 U 54/99 – NJW-RR 2003, 857; OLG Hamm 15.3.1988 – 4 U 235/87 – GRUR 1988, 772; 18.2.2010 – 4 U 158/09 – (juris); OLG Frankfurt 26.5.1989 – 6 U 87/88 – GRUR 1989, 858 (zur Schutzschrift); OLG München 8.1.2008 – 29 W 2738/07 – GRUR-RR 2008, 461 (im Falle einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung); LG Berlin 1.6.2007 – 103 O 246/06 – MD 2007, 868; LG Düsseldorf 21.4.1989 – 20 S 227/88 – GRUR 1989, 543; LG Detmold 7.3.1984 – 8 S 15/83 – GRUR 1984, 376; LG Frankfurt/Main 4.12.2009 – 3-12 O 123/09 – MMR 2010, 242; LG Freiburg 30.8.1983 – 11 S 1/83 – WRP 1983, 711; LG Mainz 13.11.1990 – 3 S 183/90 – GRUR 1994, 80; LG Ravensburg 7.7.1987 – 1 KfH S 194/87 – BB 1987, 2042; LG Stuttgart 7.7.2009 – 17 O 118/09 – WRP 2009, 1313; LG Wiesbaden 8.11.1987 – 1 S 268/84 – GRUR 1987, 658; AG Charlottenburg 1.10.1998 – 4 C 95/98 – JurBüro 1999, 83; Fezer/Büscher § 12 Rn. 54; Goldbeck S. 233; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 110; Harte/Henning/Omsels § 4 Nr. 10 Rn. 178; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.75; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 28;Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 Rn. 32; Teplitzky Kap. 41 Rn. 80 f.; a.A. LG Mannheim 16.11.1984 – 7 S 4/84 – GRUR 1985, 328; AG Kempen 30.4.1987 – 11 C 19/87 – GRUR 1987, 657; Ahrens NJW 1982, 2477, 2479;; Selke WRP 1999, 286, 287 f.; Heidenreich WRP 2004, 660, 661 f. 548 S. Rn. 81. Die Verteidigung gegen die unberechtigte Abmahnung ist hingegen ein objektiv eigenes Geschäft des zu Unrecht Abgemahnten, so dass ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 BGB nicht in Betracht kommt, s. Chudziak GRUR 2012, 133, 135 u. Heidenreich WRP 2004, 660, 664; a.A. Kunath WRP 2000, 1074, 1076 f. 549 S. Rn. 2. 550 MünchKommBGB/Seiler § 678 Rn. 6. 551 S. Rn. 97. 552 OLG Hamburg 20.1.1983 – 3 U 146/82 – GRUR 1983, 200; 19.9.2002 – 3 U 54/99 – NJW-RR 2003, 857; OLG Hamm 18.2.2010 – 4 U 158/09 – (juris); LG Berlin 1.6.2007 – 103 O 246/06 – MD 2007, 868; LG Hamburg 21.11.2008 – 310 S 1/08 – MMR 2009, 871; LG Stuttgart 7.7.2009 – 17 O 118/09 – WRP 2009, 1313; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 110; Heidenreich WRP 2004, 660, 662; Selke WRP 1999, 286, 288; a.A. Goldbeck S. 235; vgl. auch Ahrens NJW 1982, 2477, 2479.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

serecht553 bezeichnet der Begriff der Unterwerfung die typischerweise strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung nach vorangegangener Verletzungshandlung, beinhaltet also ein regelmäßig durch das Versprechen einer Vertragsstrafe untermauertes Unterlassungsversprechen.554 Die Unterwerfung zielt nach heute nahezu einhelligem Verständnis auf die Beseitigung der Wiederholungsgefahr als Tatbestandsvoraussetzung des gesetzlichen Verletzungsunterlassungsanspruchs.555 Die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ist eine empfangsbedürftige, den rechtsgeschäftlichen Regeln der §§ 104 ff. BGB unterliegende Willenserklärung,556 die die Annahme eines mit der Abmahnung unterbreiteten Angebots auf Abschluss eines vertragsstrafebewehrten Unterlassungsvertrags oder ihrerseits ein solches Angebot beinhaltet, sofern ein Vertragsangebot nicht vorausgegangen ist oder es sich um eine abändernde Annahme im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB handelt.557 Demgegenüber bedarf es zur Abwendung der Erstbegehungsgefahr bei noch ausstehender, aufgrund der Umstände aber ernsthaft zu besorgender Verletzungshandlung (§ 8 Abs. 1 S. 2) einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung nicht, da die Erstbegehungsgefahr bereits durch die Beseitigung der zu ihrer Annahme führenden Umstände – also etwa durch bloße Abstandnahme oder einfaches (ungesichertes) Unterlassungsversprechen – ausgeräumt werden kann.558 Nachfolgend wird die Unterwerfung zunächst funktional, also im Hinblick auf ihre Eignung erörtert, die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Sodann werden die beiden rechtsgeschäftlichen Elemente Unterlassungsvertrag und Vertragsstrafe in den Blick genommen.

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553 S. hierzu die Nachweise in Rn. 1. 554 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 unter II.1.c)aa) – Kurze Verjährungsfrist; Büscher/ Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 50; Fezer/Büscher § 8 Rn. 65; Fritzsche S. 307, 312; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 116; jurisPK/Hess § 12 Rn. 45; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.101; Teplitzky GRUR 1996, 696. So auch der Sprachgebrauch im RegE UWG 2003, S. 25 („strafbewehrte Unterwerfungserklärung“). 555 BGH 24.11.1983 – I ZR 192/81 – GRUR 1984, 214 unter III. – Copy-Charge; 19.3.1992 – I ZR 166/90 – GRUR 1993, 53 – Ausländischer Inserent; 5.5.1994 – I ZR 168/92 – GRUR 1994, 818 – Schriftliche Voranmeldung; 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1997, 379 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; 10.7.1997 – I ZR 62/95 – GRUR 1998, 483 – Der M.-Markt packt aus; 19.3.1998 – I ZR 264/95 – GRUR 1998, 1045 – Brennwertkessel; 31.5.2001 – I ZR 82/99 – GRUR 2002, 180 – Weit-Vor-Winter-Schluß-Verkauf; 22.11.2001 – I ZR 138/99 – GRUR 2002, 694 – shell.de; 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 – Vertragsstrafevereinbarung; 21.2.2008 – I ZR 142/05 – GRUR 2008, 815, Rz. 14 – Buchführungsbüro; Ahrens/Achilles Kap. 9 Rn. 1 ff.; Fritzsche S. 307; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 114; Fezer/Büscher § 8 Rn. 88; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.101 ff., 1.106; Spätgens FS Gaedertz, S. 545, 546; Teplitzky Kap. 8 Rn. 33a; a.A. (die Unterwerfung beseitige lediglich die durch die Verletzungshandlung begründete tatsächliche Wiederholungsvermutung) Ahrens/Schulte5 Kap. 9 Rn. 19 ff., 27 f.; Borck WRP 1985, 311, 313; Rödding WRP 1988, 514, 516; hiergegen Teplitzky8 (2002) Kap. 8 Rn. 33a ff. 556 Nach dem spezifischen Zweck der Unterwerfung ist allerdings die Anwendung einzelner Vorschriften über Rechtsgeschäfte – namentlich der §§ 146, 147 BGB – regelmäßig abbedungen, s. Rn. 138. 557 Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 3; Fezer/Büscher § 8 Rn. 66 f.; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 16; Teplitzky Kap. 8 Rn. 3. Fritzsche S. 308 plädiert darüber hinaus dafür, die Unterwerfung wegen des unabhängig vom Zustandekommen des Unterlassungsvertrags von Rechts wegen eintretenden Fortfalls der Wiederholungsgefahr zugleich als geschäftsähnliche Handlung einzuordnen. 558 St. Rspr., s. BGH 23.2.1989 – I ZR 18/87 – GRUR 1989, 432 Tz. 39 – Kachelofenbauer I; 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174 Tz. 42 – Berühmungsaufgabe; 11.7.1991 – I ZR 31/90 – GRUR 1992, 116 Tz. 15 – Topfgucker-Scheck; 15.1.2009 – I ZR 57/07 – GRUR 2009, 841 Tz. 23 – Cybersky; 12.7.2011 – X ZR 56/09 – GRUR 2011, 995 Tz. 29 – Besonderer Mechanismus; Teplitzky Kap. 10 Rn. 20 f.; a.A. Köhler GRUR 2011, 879, 883 (hierzu s. Rn. 4).

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

2. Unterwerfung und Wegfall der Wiederholungsgefahr a) Formalien aa) Form der Unterwerfung. Die Frage, ob die Unterwerfung formbedürftig sei, 109 hat die frühere Literatur überwiegend verneint.559 Auch der Bundesgerichtshof hat ausgesprochen, dass der durch die Unterwerfung bezweckte Wegfall der Wiederholungsgefahr allein von inhaltlichen Anforderungen, nicht aber der Form der Erklärung abhänge.560 Mittlerweile hat sich jedoch die zutreffende Auffassung durchgesetzt, dass die Formfrage mit Blick auf die Rechtsnatur des mit der Unterwerfung erstrebten Unterlassungsvertrags zu beantworten ist.561 Denn die Wiederholungsgefahr entfällt nicht schon durch die (ernsthafte) Erklärung des Schuldners, zukünftige Verstöße zu unterlassen, sondern – unabhängig davon, ob der Adressat die Erklärung annimmt562 – nur dann, wenn die abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung rechtsgeschäftlich dazu geeignet – hier: formwirksam – ist, die Vertragsstrafenverpflichtung zu begründen, die den Schuldner von zukünftigen Verstößen abschrecken soll.563 Nur dann, wenn die Unterwerfung einem etwaig für den Unterlassungsvertrag geltenden Formerfordernis genügt, kann sie also ihren Zweck – die Beseitigung des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs – erfüllen. Der Streit, ob der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsvertrag seiner Rechtsnatur 110 nach ein kausales (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis,564 ein Vergleich (§ 779 BGB),565 ein Vertrag sui generis566 oder ein abstraktes Schuldversprechen bzw. Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB)567 darstelle, ist unter Berücksichtigung der zu seinem Abschluss führenden Parteiinteressen typischerweise im Sinne der letztgenannten Auffassung zu beantworten:568 Die Parteien bezwecken mit dem Unterlassungsvertrag in der Regel, eine

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559 Fritzsche S. 313. 560 BGH 8.3.1990 – I ZR 116/88 – GRUR 1990, 530 unter III.3.c) – Unterwerfung durch Fernschreiben; s. auch KG 14.11.1986 – 5 W 4941/86 – GRUR 1988, 567; 1.9.1987 – 5 W 3965/87 – GRUR 1988, 568; 9.2.1988 – 5 U 4830/86 – DB 1988, 1544; OLG Düsseldorf 31.1.1994 – 2 W 124/93 – GRUR 1994, 852 (Ls.); OLG Köln 12.7.1991 – 6 U 44/91 – JurPC 1992, 1450. 561 Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 53; Fezer/Büscher § 12 Rn. 68; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Schwippert § 84 Rn. 41; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 130; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.103; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 182 f.; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 15; Teplitzky Kap. 8 Rn. 4. 562 S. Rn. 136. 563 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.116; Teplitzky Kap. 8 Rn. 4. 564 OLG Köln 11.4.1984 – 6 U 264/83 – GRUR 1984, 674; Lindacher GRUR 1975, 413, 414 ff.; ders. FS Canaris, S. 1393, 1394; Mes GRUR 1978, 345, 346. 565 Kugelberg S. 78 ff. 566 Petersen GRUR 1978, 156; Nirk/Kurtze Rn. 112; Tetzner GRUR 1981, 803, 806. 567 Ahrens, Wettbewerbsverfahrensrecht S. 387 Fn. 92; Köhler FS v. Gamm, 57, 64 ff.; Vorauflage/ders. Vor § 13 a.F. B Rn. 90; ders. GRUR 1996, 231. 568 So die in der vorstehenden Fn. genannten Autoren und die ganz h.M. in Rspr. und Lit.: BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 unter II.1.c)aa) – Kurze Verjährungsfrist (abstraktes Schuldversprechen); 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331 unter II. – Altunterwerfung II („abstrakte Unterlassungsverpflichtung“); 5.3.1998 – I ZR 202/95 – GRUR 1998, 954 unter II.3.b) – Altunterwerfung III (abstraktes Schuldanerkenntnis); 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 27 – Testfundstelle (abstraktes Schuldanerkenntnis); OLG Braunschweig 18.12.1997 – 2 U 114/97 – WRP 1998, 315 (abstraktes Schuldanerkenntnis); Dornis/Forster GRUR 2006, 195, 196; Fezer/Büscher § 8 Rn. 68; Fritzsche S. 280 f.; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 121; Hartwig FS Pagenberg, S. 301, 305; jurisPK/Hess § 12 Rn. 52; Gruber WRP 1992, 71, 86; Kaiser S. 30, 216; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.103, 1.113; Melullis Rn. 619; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 182; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 49; Pokrant FS Erdmann, S. 863, 865; Teplitzky Kap. 8 Rn. 5.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

selbständige vertragliche, auf Unterlassung gerichtete Leistungsverpflichtung (vgl. § 241 Abs. 1 S. 2 BGB) des Schuldners anstelle des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs zu schaffen (Novation), um dem Gläubiger eine schnelle Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen, im Interesse des Schuldners durch den Fortfall der Wiederholungsgefahr die Gefahr der Inanspruchnahme durch weitere Gläubiger auszuschließen und – für beide Seiten gleichermaßen – die Rechtslage für die Zukunft außergerichtlich zu klären.569 Das Verständnis des Unterlassungsvertrags als abstraktes Schuldversprechen kann zwanglos die gegenüber dem gesetzlichen Unterlassungsanspruch erweiterte vertragliche Haftung für Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB erklären und harmoniert zudem mit den Grundsätzen über den Wegfall der Wiederholungsgefahr, weil zwar der gesetzliche Unterlassungsanspruch nicht erst mit Vertragsschluss, sondern bereits mit Zugang der Unterwerfung entfällt,570 es sich hierbei jedoch um die von Gesetzes wegen vorverlagert eintretende, nichtsdestoweniger aber von den Parteien beabsichtigte Rechtsfolge des Unterlassungsvertrags handelt.571 Hier liegt der Haupteinwand gegen die Einordnung als kausales Schuldanerkenntnis: ein gesetzlicher Anspruch, der infolge der Unterwerfung entfällt, kann schlechterdings nicht Gegenstand eines bestätigenden Anerkenntnisses sein.572 Mangels wechselseitigen Nachgebens ist schließlich die außerprozessuale Unterwerfung typischerweise573 auch kein Vergleich, denn mit dem Verzicht des Gläubigers auf die gerichtliche Geltendmachung des gesetzlichen Anspruchs gibt dieser keine Rechtsposition auf: der gesetzliche Anspruch ist bereits infolge Unterwerfung untergegangen.574 111 Handelt es sich also bei dem Unterlassungsvertrag typischerweise um ein abstraktes Schuldversprechen bzw. -anerkenntnis im Sinne der §§ 780, 781 BGB, so bedarf die Erteilung der Unterlassungserklärung als Leistungsversprechen575 der gesetzlichen Schriftform gemäß § 126 BGB. Da allerdings Unterwerfungen häufig im kaufmännischen Verkehr erklärt werden und hier § 350 HGB von der Schriftform der §§ 780, 781 BGB für Handelsgeschäfte (§ 343 HGB) entbindet, ist die praktische Relevanz einer etwaigen Formunwirksamkeit gemäß § 125 S. 1 BGB eher gering.576 Gleiches gilt im Hinblick auf § 782 BGB für die im Vergleichswege erteilte Unterwerfung. Bedeutsamer ist vielmehr der materielle Aspekt, dass im Falle der formlos wirksamen Unterwerfung die Weigerung des Schuldners, die von dem Gläubiger angeforderte schriftliche Fixierung der Erklärung herzugeben, Zweifel an der Ernsthaftigkeit des formlos erklärten Unterlassungswillens begründet. Weil ein solches Verhalten dem berechtigten Interesse des Gläubigers zuwiderläuft, im Streitfalle seine aus dem Unterlassungsvertrag folgenden Ansprüche ohne Beweisschwierigkeiten durchsetzen zu können, bleibt hier die Wiederholungsgefahr bestehen.577 Im Ergebnis wird also auch ein Kaufmann – auf Anforderung – eine Unter-

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569 Köhler FS v. Gamm, 57, 64 ff.; Vorauflage/ders. Vor § 13 a.F. B Rn. 90; ders. GRUR 1996, 231. 570 S. Rn. 136 ff. 571 Köhler FS v. Gamm, 57, 66; Vorauflage/ders. Vor § 13 a.F. B Rn. 90; Fritzsche S. 280. 572 Köhler FS v. Gamm, 57, 60 f.; Teplitzky Kap. 8 Rn. 5. 573 Kommt es infolge von Verhandlungen vor Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung tatsächlich zu einem wechselseitigen Nachgeben, indem etwa der Gläubiger von weitergehenden Ansprüchen Abstand nimmt, so kann der Unterlassungsvertrag auch Vergleichscharakter haben; hierzu Fritzsche S. 277 f. 574 Köhler FS v. Gamm, 57, 62; Teplitzky Kap. 8 Rn. 5; a.A. Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 16; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 122. 575 Nicht hingegen die Annahmeerklärung des Gläubigers, die auch konkludent erfolgen kann, vgl. BGH 18.10.1990 – IX ZR 258/89 – NJW 1991, 228; Palandt/Sprau § 780 Rn. 6. 576 Gruber WRP 1992, 71, 86 f.; Kaiser S. 30. 577 BGH 8.3.1990 – I ZR 116/88 – GRUR 1990, 530 unter III.3.c) – Unterwerfung durch Fernschreiben; KG 14.11.1986 – 5 W 4941/86 – GRUR 1988, 567; 1.9.1987 – 5 W 3965/87 – GRUR 1988, 568; 9.2.1988 – 5 U

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

werfung schriftlich erklären müssen. Nach überwiegender Auffassung vermag ausnahmsweise auch eine formunwirksame Unterwerfung die Wiederholungsgefahr auszuräumen, wenn aufgrund besonderer Umstände – etwa wegen Zeitmangels oder technischer Schwierigkeiten – an der Ernsthaftigkeit der Erklärung keine Zweifel bestehen und sie umgehend und ohne gesonderte Aufforderung durch den Gläubiger formwirksam nachgeholt wird.578 bb) Zugang. Als Willenserklärung wird die Unterlassungsverpflichtungserklärung 112 gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB mit ihrem Zugang wirksam; ab diesem Zeitpunkt ist sie unwiderruflich (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB).579 Beweispflichtig für den Zugang der Unterwerfung ist der Schuldner, weil er sich auf ihre ihm günstige Rechtsfolge des Wegfalls der Wiederholungsgefahr beruft.580 b) Inhalt. Die inhaltlichen Anforderungen an die Unterwerfung ergeben sich aus ih- 113 rem Zweck, durch die Beseitigung der Wiederholungsgefahr den gesetzlichen Unterlassungsanspruch auszuschließen: sie muss eindeutig und hinreichend bestimmt sein, durch das Versprechen einer angemessenen Vertragsstrafe den ernstlichen Willen des Schuldners erkennen lassen, die betreffende Handlung nicht mehr zu begehen, sowie den gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang voll abdecken.581 Im Hinblick auf die Konsequenz der Anspruchsvernichtung ist bei der Prüfung des Wegfalls der Wiederholungsgefahr ein strenger Maßstab anzulegen; Zweifel gehen zu Lasten des für den Wegfall der Wiederholungsgefahr darlegungsbelasteten Schuldners.582 aa) Unterlassungsversprechen (1) Eindeutigkeit. Aus der Unterwerfung muss sich der eindeutige Wille zur Ver- 114 pflichtung ergeben. Hierzu gehört, dass die Person des Erklärenden ebenso erkennbar ist wie ihre Berechtigung zur Abgabe einer solchen Erklärung für den Unterlassungsschuldner; bestehen Zweifel an der rechtlichen Verbindlichkeit der Erklärung eines Or-

_____ 4830/86 – DB 1988, 1544; OLG Düsseldorf 31.1.1994 – 2 W 124/93 – GRUR 1994, 852 (Ls.); OLG Köln 12.7.1991 – 6 U 44/91 – JurPC 1992, 1450; OLG München 19.5.1993 – 6 W 1350/93 – NJW 1993, 3146; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 53; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 132; jurisPK/Hess § 12 Rn. 53; Kaiser S. 216 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.104; Melullis Rn. 620 ff.; a.A. Lachmann GRUR 1989, 96 ff. 578 Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 18 (auch für den Fall einer vom Schuldner irrtümlich für formwirksam gehaltenen Unterwerfung); Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 130, 132; Kaiser S. 216; Teplitzky Kap. 8 Rn. 6 f.; hinsichtlich der Notwendigkeit einer Aufforderung a.A. Fezer/Büscher § 8 Rn. 68; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.104 a.E. 579 OLG Hamm 27.9.1990 – 4 W 89/90 – GRUR 1991, 254; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.116; Teplitzky Kap. 8 Rn. 3. 580 KG 30.10.1989 – 25 W 4855/89 – WRP 1990, 415, 418; OLG Hamm 27.9.1990 – 4 W 89/90 – GRUR 1991, 254; LG Marburg 15.2.2007 – 4 O 86/06 – WRP 2007, 1125; Teplitzky Kap. 8 Rn. 3. 581 BGH 1.4.1993 – I ZR 136/91 – GRUR 1993, 677 unter II.3.a) – Bedingte Unterwerfung; 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290 unter II.2.b) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1997, 379 unter II.1 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; 31.5.2001 – I ZR 82/99 – GRUR 2002, 180 unter II.1 – Weit-Vor-Winter-Schluß-Verkauf; 15.2.2007 – I ZR 114/04 – BGHZ 171, 151 unter III.1.a) – Wagenfeld-Leuchte; 21.2.2008 – I ZR 142/05 – GRUR 2008, 815 Tz. 14 – Buchführungsbüro; Fezer/Büscher § 8 Rn. 69; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 137 ff.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.101. 582 BGH 13.5.1987 – I ZR 79/85– GRUR 1987, 640 unter II.3.a) – Wiederholte Unterwerfung II; 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290 unter II.2.b) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1997, 379 unter II.1 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; OLG Köln 12.2.2010 – 6 U 127/09 – GRURRR 2010, 339; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 42; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.123; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 5.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

gans oder Stellvertreters, so beseitigt die Erklärung die Wiederholungsgefahr nicht.583 Aus der Erklärung muss der Zeitpunkt hervorgehen, ab welchem sie gelten soll.584 Der Verpflichtungswille muss auch inhaltlich eindeutig zum Ausdruck kommen. Das Verhalten, dessen Unterlassung versprochen wird, muss hinreichend bestimmt beschrieben werden: Weil die durch eine in bestimmter Weise charakterisierte Verletzungshandlung ausgelöste Wiederholungsgefahr nur dann ausgeschlossen wird, wenn keinem Zweifel unterliegt, dass ebensolches wettbewerbswidriges Verhalten zukünftig unterlassen werden soll, ist erforderlich, dass das Unterlassungsversprechen sämtliche Merkmale erfasst, die das Charakteristische der Verletzungshandlung ausmachen (konkrete Verletzungsform);585 die Zulässigkeit oder gar Erforderlichkeit von Verallgemeinerungen richtet sich nach der Reichweite des auszuräumenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs.586 Von dem Erfordernis der inhaltlichen Bestimmtheit für den Wegfall der Wiederholungsgefahr zu trennen ist die Frage der rechtsgeschäftlichen Wirksamkeit des Unterlassungsversprechens (etwa als Grundlage eines Vertragsstrafeverlangens): eine Unterwerfung, die die Wiederholungsgefahr nicht auszuräumen vermag, weil sie hinsichtlich des zu unterlassenden Verhaltens zu unspezifisch ist, kann gleichwohl rechtsgeschäftlich hinreichend bestimmt und daher zur Begründung einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung geeignet sein.587 115 Eine Unterlassungsverpflichtungserklärung unter dem Vorbehalt des Widerrufs, des Bestehens des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs588 oder der Kündigung589 ist mangels Eindeutigkeit nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr auszuschließen.590 Gleiches gilt für die bloße Ankündigung der Unterwerfung oder möglicherweise nur deklaratorische Hinweise auf eine bereits abgegebene Erklärung.591 Hingegen ist der Vorbehalt unschädlich, man gebe die Unterlassungsverpflichtungserklärung „ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage“ oder „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich“ ab; unschädlich ist es auch, wenn die Unterwerfung nicht das Anerkenntnis enthält, die Kosten der Abmahnung zu schulden, obgleich der Gläubiger ein entsprechendes Verlangen in die von ihm mit der Abmahnung übersandte vorformulierte Erklärung aufgenommen hat: der Wegfall der Wiederholungsgefahr setzt nicht voraus, dass der Schuldner (auch) den gesetzlichen Unterlassungsanspruch oder den durch die

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583 OLG Hamm 26.4.1979 – 4 U 7/79 – WRP 1979, 662; LG Köln 19.6.1978 – WRP 1982, 139; Ahrens/ Achilles Kap. 8 Rn. 6. 584 OLG Hamm 26.4.1979 – 4 U 7/79 – WRP 1979, 662; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 6; Teplitzky Kap. 8 Rn. 15. 585 KG 19.1.1989 – 25 U 4290/88 – GRUR 1990, 143; OLG Jena 25.6.2008 – 2 U 21/08 – GRUR-RR 2008, 397 (markenrechtliche Unterwerfung); OLG Koblenz 3.7.1986 – 6 U 591/85 – WRP 1986, 694; Fezer/Büscher § 8 Rn. 69; Fritzsche S. 310; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 138; Teplitzky Kap. 8 Rn. 16; ders. WRP 1990, 26; Spätgens FS Gaedertz, S. 545, 558 f.; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 36. 586 Dazu sogleich Rn. 116. 587 KG 19.1.1989 – 25 U 4290/88 – GRUR 1990, 143; OLG Karlsruhe 29.12.1988 – 4 U 215/87 – WRP 1990, 51; OLG Koblenz 3.7.1986 – 6 U 591/85 – WRP 1986, 694; Fischer FS Piper, S. 205, 209; Teplitzky Kap. 8 Rn. 16; ders. WRP 1990, 26; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 147; diese Differenzierung vernachlässigend OLG Frankfurt 14.1.1988 – 6 U 206/86 – GRUR 1988, 563. 588 Staudinger/Rieble Vorbem zu §§ 339 ff. Rn. 93. 589 Unschädlich ist allerdings der auf die Änderung der Gesetzeslage oder Rechtsprechung abstellende Kündigungsvorbehalt, s. Rn. 120. 590 BGH 21.2.2008 – I ZR 142/05 – GRUR 2008, 815 Tz. 14 – Buchführungsbüro; KG 9.5.1986 – 5 W 975/86 – WRP 1987, 322; OLG Hamm 1.10.1985 – 4 U 52/85 – NJW-RR 1986, 922; OLG Köln 7.6.1982 – 6 W 59/82 – WRP 1982, 669; Fritzsche S. 311; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.124; Teplitzky Kap. 8 Rn. 9; BGH 15.3.1984 – I ZR 74/82 – GRUR 1984, 593 unter II.5 – adidas-Sportartikel – lässt diese Frage offen. 591 KG 6.4.1976 – 5 U 881/76 – WRP 1976, 472; OLG Hamm 26.4.1979 – 4 U 7/79 – WRP 1979, 662; 21.7.1987 – 4 U 106/87 – WRP 1988, 334; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 6.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Abmahnung ausgelösten Kostenerstattungsanspruch anerkennt.592 Es liegt vielmehr im legitimen Interesse des Schuldners, nach einer ohne Präjudiz erklärten Unterwerfung über das Bestehen der gesetzlichen Unterlassungspflicht im Abmahnkostenprozess streiten zu können.593 (2) Kongruenz. Ob die Unterwerfung ihrem Inhalt und Umfang nach die Wieder- 116 holungsgefahr ausräumt, richtet sich nach dem Inhalt und Umfang des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs. Da die durch eine Verletzungshandlung ausgelöste Wiederholungsvermutung sich nicht allein auf genau identische Verletzungshandlungen beschränkt, sondern auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen umfasst, räumt eine Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr nur dann umfassend594 aus, wenn sie sich nicht nur auf identische, sondern – insoweit verallgemeinernd – auf alle Handlungen erstreckt, die zwar leicht abgewandelt sind, aber gleichfalls das Charakteristische der Verletzungshandlung aufweisen.595 Verfehlt die Unterwerfung hingegen die Charakteristik der Verletzungshandlung596 oder beschreibt sie eine andersartige Handlungs-

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592 BGH 18.2.1972 – I ZR 82/70 – GRUR 1972, 558 unter IV.1 – Teerspritzmaschinen; 21.2.2008 – I ZR 142/05 – GRUR 2008, 815 Tz. 19 – Buchführungsbüro; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 1, 23; Büscher/Dittmer/ Schiwy Vor § 12 Rn. 54; Fezer/Büscher § 8 Rn. 73; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.109 und 1.111; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 176, 190; Teplitzky VuR 2009, 83, 85; s. auch OLG Hamm 13.10.1981 – 4 U 233/81 – WRP 1982, 233. Von der Auffassung des RG und des frühen BGH, Voraussetzung des Wegfalls der Wiederholungsgefahr sei „bessere Einsicht“ bzw. ein „Gesinnungswandel“ des Schuldners (RG 23.3.1920 – II 468/19 – RGZ 98, 267, 269; 5.6.1935 – II 332/34 – RGZ 148, 114, 119 f., BGH 20.5.1952 – I ZR 168/51 – GRUR 1953, 37, 40 – Schlachtergenossenschaft) hat sich der BGH in nachfolgenden Entscheidungen zunächst vorsichtig (BGH 28.1.1955 – I ZR 88/53 – GRUR 1955, 390, 392 – Schraubenmutterpresse), sodann klarer (BGH 25.5.1962 – I ZR 181/60 – GRUR 1962, 650, 651 m. Anm. Heydt ebda. – Weinetikettierung) distanziert; vgl. auch BGH 30.9.1964 – Ib ZR 65/63 – GRUR 1965, 198, 202 – Küchenmaschine. 593 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 88; Hess WRP 2003, 353; jurisPK-UWG/ders. § 12 Rn. 63; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.37, 109, 111 f.; Mes GRUR 1978, 345, 346; a.A. KG 16.8.1977 – 5 U 2942/76 – WRP 1977, 793 m. ablehnender Anm. Burchert ebda.; AG Charlottenburg 9.9.2002 – 213 C 167/02 – WRP 2002, 1472 (red. Ls.); AG Dinslaken 28.4.2004 – 34 C 26/04 – WRP 2004, 1078 (Ls.); AG Oberhausen 6.8.1999 – 36 C 240/99 – WRP 2000, 137; AG Rotenburg (Wümme) 17.9.2002 – 5 C 450/02 – WRP 2003, 414 (Ls.); Conrad WRP 2001, 187. 594 Zum etwaigen partiellen Ausschluss der Wiederholungsgefahr s. Rn. 122 ff. 595 BGH 16.2.1989 – I ZR 76/87 – GRUR 1989, 445 unter II.2.b)aa) – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung; 25.4.1991 – I ZR 134/90 – GRUR 1991, 772 unter III. – Anzeigenrubrik I; 25.6.1992 – I ZR 136/90 – GRUR 1992, 858 unter II.5 – Clementinen; 1.4.1993 – I ZR 85/91 – GRUR 1993, 579 unter II.5 – Römer GmbH; 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290 unter II.2.b) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1997, 379 unter II.1 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; 29.2.1996 – I ZR 6/94 – GRUR 1996, 796 unter III. – Setpreis; 17.7.1997 – I ZR 40/95 – GRUR 1997, 931 unter II.1.b) – Sekundenschnell; 5.3.1998 – I ZR 229/95 – GRUR 1998, 1039 unter II.2.b) – Fotovergrößerungen; 10.12.1998 – I ZR 141/96 – GRUR 1999, 509 unter IV.2.a) – Vorratslücken; 15.12.1999 – I ZR 159/97 – GRUR 2000, 337 unter I.2.d) – Preisknaller; 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907 unter I.3.a)(4) – Filialleiterfehler; 14.11.2002 – I ZR 137/00 – GRUR 2003, 446 unter II.2 – Preisempfehlung für Sondermodelle; 3.7.2003 – I ZR 297/00 – GRUR 2003, 899 unter II.1.a) – Olympiasiegerin; 11.3.2004 – I ZR 81/01 – GRUR 2004, 517 unter II.4 – E-Mail-Werbung; 11.9.2008 – I ZR 58/06 – GRUR 2009, 418 Tz. 18 – Fußpilz; 10.6.2009 – Az. I ZR 37/07 – GRUR 2010, 167 Tz. 22 – Unrichtige Aufsichtsbehörde; OLG Hamburg 16.5.2012 – 3 U 89/11 – WRP 2012, 1619 (Ls.); OLG Bamberg 1.7.2013 – 3 U 77/13 – Magazindienst 2013, 917; LG Hagen 10.5.2013 – 1 S 38/13 – WRP 2013, 1257; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 5; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 57; Fezer/ Büscher § 8 Rn. 69; Fritzsche S. 309 f.; juris-PK/Hess § 12 Rn. 49; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.123; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 5; Teplitzky Kap. 6 Rn. 9, Kap. 8 Rn. 16; ders. GRUR 1996, 696, 698. 596 BGH 24.11.1999 – I ZR 189/97 – GRUR 2000, 438 unter III. – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; OLG Hamm 15.12.1994 – 4 U 190/94 – WRP 1995, 411; Teplitzky Kap. 8 Rn. 16c.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

form,597 so besteht die Wiederholungsgefahr fort. Es empfiehlt sich die ausdrückliche Klarstellung, dass die Unterwerfung auch kerngleiche Verletzungsformen mit einbeziehe.598 Auch wenn eine solche Klarstellung fehlt, ist die Unterwerfung im Hinblick auf ihren Zweck – Ausräumung der Wiederholungsgefahr – nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB – also unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts, sondern auch der Umstände ihrer Abgabe und der Interessenlage der Parteien599 – in der Regel dahingehend auszulegen, dass sie sich auch auf kerngleiche Verletzungshandlungen bezieht.600 Eine solche Auslegung ist allerdings dann nicht möglich, wenn der Wille zur Erstreckung auf kerngleiche Formen durch Zusätze oder Veränderungen – auch auf Nachfrage des Gläubigers601 – unklar bleibt602 oder sich aus den Umständen ein Wille zur Beschränkung allein auf identische Handlungen ergibt, etwa weil der Schuldner eine ihm vom Gläubiger angesonnene Erstreckung auf kerngleiche Handlungen ablehnt603 oder angesichts eines auch kerngleiche Formen erfassenden Klageantrags die im Prozess erfolgende Unterwerfung auf die konkrete Verletzungsform beschränkt.604 Zweifel an der Reichweite der Unterlassungsverpflichtung können auch nachträglich – etwa durch entsprechende Erklärungen im Unterlassungsprozess – ausgeräumt werden.605 Stützt der Gläubiger seine Beanstandung einer konkreten Verletzungsform alternativ auf mehrere Irreführungsaspekte, so beseitigt eine Unterwerfung auch dann die Wiederholungsge-

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597 BGH 15.3.1984 – I ZR 74/82 – GRUR 1984, 593 unter II.5 – adidas-Sportartikel; OLG Stuttgart 20.5.2010 – 2 U 95/09 – Magazindienst 2010, 876; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 36. 598 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 148; Teplitzky Kap. 8 Rn. 16b; ders. GRUR 1996, 696, 698. 599 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61 unter II.1.a) – Preisvergleichsliste; 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 unter II.4 – Fortsetzungszusammenhang; 27.1.1994 – I ZR 1/92 – GRUR 1994, 387 unter II.1 – Back-Frites; 17.7.1997 – I ZR 40/95 – GRUR 1997, 931 unter II.1.a) – Sekundenschnell; 25.1.2001 – I ZR 323/98 – BGHZ 146, 318 unter II.1 – Trainingsvertrag; 3.7.2003 – I ZR 297/00 – GRUR 2003, 899 unter II.1.a) – Olympiasiegerin; 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 18 – Vertragsstrafevereinbarung; 10.6.2009 – Az. I ZR 37/07 – GRUR 2010, 167 Tz. 19 – Unrichtige Aufsichtsbehörde; Spätgens FS Gaedertz, S. 545, 556; Teplitzky Kap. 8 Rn. 14. 600 BGH 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290 unter II.2.b) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; 10.7.1997 – I ZR 62/95 – GRUR 1998, 483 unter II.3 – Der M.-Markt packt aus; 17.7.1997 – I ZR 40/95 – GRUR 1997, 931 unter II.1.b) – Sekundenschnell; 3.7.2003 – I ZR 297/00 – GRUR 2003, 899 unter II.1.a) – Olympiasiegerin; 11.9.2008 – I ZR 58/06 – GRUR 2009, 418 Tz. 18 – Fußpilz; OLG Hamburg 28.3.1996 – 3 U 198/95 – NJWE-WettbR 1996, 249; 26.7.2001 – 3 U 322/00 – OLGR 2001, 455; OLG Karlsruhe 11.3.1998 – 6 U 110/97 – WRP 1998, 902; OLG Köln 22.10.1999 – 6 U 88/99 – WRP 2000, 226; 12.2.2010 – 6 U 127/09 – GRURRR 2010, 339; OLG München 15.7.1999 – 29 U 2268/99 – Magazindienst 1999, 1290; OLG Schleswig 14.10.1997 – 6 U 40/97 – NJWE-WettbR 1998, 91; OLG Stuttgart 21.8.2008 – 2 U 41/08 – OLGR 2009, 329; Fezer/Büscher § 8 Rn. 175; Fritzsche S. 320; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 44; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 145; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 5; Teplitzky Kap. 8 Rn. 16. 601 OLG Köln 12.2.2010 – 6 U 127/09 – GRUR-RR 2010, 339. 602 OLG Hamburg 27.7.2009 – 5 W 76/09 – Magazindienst 2010, 732; 21.11.2011 – 3 U 117/11 – Magazindienst 2012, 52. 603 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450 unter II.1 – Begrenzte Preissenkung; OLG Frankfurt 11.11.1996 – 6 W 136/96 – WRP 1997, 101; 31.5.2011 – 11 W 15/11 – GRUR-RR 2011, 338; OLG Hamburg 15.6.1995 – 3 U 31/95 – NJWE-WettbR 1996, 37; 28.3.1996 – 3 U 198/95 – NJWE-WettbR 1996, 249; 27.7.2009 – 5 W 76/09 – Magazindienst 2010, 732; OLG Köln 14.7.1995 – 6 U 146/94 – NJWE-WettbR 1996, 66; Fritzsche S. 321; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 146; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.123; Teplitzky Kap. 8 Rn. 16a; ders. GRUR 1996, 696, 698; ders. WRP 2005, 654, 657 f. 604 So der Sachverhalt in BGH 11.3.2004 – I ZR 81/01 – GRUR 2004, 517 – E-Mail-Werbung; hierzu Fezer/ Büscher § 8 Rn. 176. 605 BGH 13.5.1987 – I ZR 79/85 – GRUR 1987, 640 unter II.3.d) – Wiederholte Unterwerfung II; 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290 unter II.2.b) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; 10.7.1997 – I ZR 62/95 – GRUR 1998, 483 unter II.3 – Der M.-Markt packt aus; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 143, 148; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.123.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

fahr, wenn sie lediglich auf einen der geltend gemachten Irreführungsaspekte Bezug nimmt, andere hingegen in Abrede stellt.606 Eine hinter dem Unterwerfungsverlangen des Gläubigers zurückbleibende Unter- 117 werfung des Schuldners führt zum Wegfall der Wiederholungsgefahr, sofern das Verlangen des Gläubigers hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung – insoweit gemessen am gesetzlichen Unterlassungsanspruch – oder hinsichtlich der Vertragsstrafe übermäßig war, die Unterwerfung aber dem gesetzlichen Anspruch genügt bzw. eine Vertragsstrafe in hinreichender Höhe beinhaltet.607 Es ist allerdings Sache des Schuldners, den Umfang der Erklärung auf das erforderliche Maß zurückzuführen.608 Schöpft nicht das Verlangen des Gläubigers, sondern erst die diesem gegenüber erweiterte Unterwerfung den gesetzlichen Anspruch voll aus609 oder erfasst die Unterwerfung nicht nur das beanstandete Verhalten, sondern weitere Handlungsformen,610 so bestehen angesichts des berechtigten Interesses des Schuldners, weitere Abmahnungen zu vermeiden, keine Zweifel an ihrer Ernsthaftigkeit.611 (3) Einschränkungen. Die in der Rechtsprechung verbreitete Formulierung, die Un- 118 terwerfung müsse uneingeschränkt, unbedingt und ohne die Angabe eines Endtermins erfolgen,612 zielt ebenfalls darauf, das Unterlassungsversprechen an der Reichweite des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs zu messen. Enthält die Unterwerfung daher eine Einschränkung, Bedingung oder Befristung, der auch der gesetzliche Unterlassungsanspruch unterliegt, so ist dies für den Wegfall der Wiederholungsgefahr unschädlich.613 Besteht etwa – wie allerdings nur selten614 – der Unterlassungsanspruch nur territorial beschränkt, darf diese Einschränkung auch in die Unterwerfung aufgenommen werden.615 Behält sich der Schuldner in der Unterwerfung eine Aufbrauchsfrist vor – also die 119 den Unterlassungsanspruch ausschließende Befugnis, für bestimmte Zeit noch die wettbewerbswidrige Handlung bzw. Umstellungs- oder Beseitigungsmaßnahmen vorzunehmen616 –, so hängt die Eignung der Unterwerfung zur Beseitigung des gesetzlichen Unter-

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606 OLG Hamburg 26.10.2012 – 3 W 72/12 – Magazindienst 2012. 607 Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 59. 608 BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127 unter II.2.c) – Vertragsstrafeversprechen (überhöhtes Vertragsstrafeverlangen); OLG Hamburg 14.4.1988 – 3 W 35/88 – GRUR 1988, 929 (überhöhtes Vertragsstrafeverlangen); Fezer/Büscher § 8 Rn. 83. Zur etwaigen Nachfasspflicht des Gläubigers bei unzureichender Unterwerfung s. Rn. 58; s. aber KG 11.9.2007 – 5 W 85/06 – GRUR-RR 2008, 29. 609 OLG Köln 10.11.2010 – 6 W 100/10 – ZUM-RD 2011, 686 (urheberrechtl. Unterwerfung). 610 OLG Köln 11.11.2010 – 6 W 157/10 – WRP 2011, 112 (urheberrechtl. Unterwerfung). 611 Zur Dritten gegenüber fortbestehenden Wiederholungsgefahr bei unzureichender Unterwerfung s. Rn. 148. 612 BGH 31.5.2001 – I ZR 82/99 – GRUR 2002, 180 unter II.1 – Weit-Vor-Winter-Schluß-Verkauf; 21.2.2008 – I ZR 142/05 – GRUR 2008, 815 Tz. 14 – Buchführungsbüro; s. auch BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – Vertragsstrafeversprechen, 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290 unter II.2.b) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I, 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1997, 379 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; 13.6.2006 – X ZR 153/03 – GRUR 2006, 839 Tz. 26 – Deckenheizung. 613 Fritzsche S. 310 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.126. 614 Zum Regelfall der bundesweiten Erstreckung des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs s. nur BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165 unter II.3.e)cc) – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; 10.12.1998 – I ZR 141/96 – GRUR 1999, 509 unter II. – Vorratslücken; 6.7.2000 – I ZR 243/97 – GRUR 2001, 85 unter II.3.c) – Altunterwerfung IV. 615 BGH 24.4.1986 – I ZR 127/84 – GRUR 1986, 814 unter II.1 – Whisky-Mischgetränk; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.128. 616 Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.58; Teplitzky Kap. 57 Rn. 17; zu Begriff und Voraussetzungen der Aufbrauchsfrist s. im Einzelnen § 8 Rn. 50 ff.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

lassungsanspruchs nach heute praktisch einhelliger Ansicht davon ab, ob eine Aufbrauchsfrist wegen der unverhältnismäßigen Härte eines sofortigen Verbots auch im Falle der gerichtlichen Geltendmachung zu bewilligen wäre: es wäre widersprüchlich, dem Schuldner an außergerichtlicher Verpflichtung mehr abzuverlangen, als er im Falle der gerichtlichen Titulierung schuldete.617 Dogmatisch befriedigend lässt sich dieses Ergebnis allein mit der Rechtsnatur der Aufbrauchsfrist als materiellrechtlich wirkender Beschränkung des Unterlassungsanspruchs618 erklären; versteht man die Aufbrauchsfrist hingegen als prozessuale, lediglich die Vollstreckung des Unterlassungstitels beschränkende Maßnahme,619 so leuchtet nicht recht ein, warum der Schuldner außergerichtlich über eine dem Gericht vorbehaltene Maßnahme soll verfügen können.620 Weil der Schuldner mit dem Vorbehalt der Aufbrauchsfrist gerade die (zeitlich begrenzte) Fortsetzung des rechtswidrigen Verhaltens ankündigt, kann insoweit nicht sogleich, sondern allenfalls ab dem Ende der Aufbrauchsfrist von einem Entfallen der Wiederholungsgefahr gesprochen werden,621 sofern das Versprechen im Übrigen trennscharf abgrenzbar622 und ernsthaft ist.623 Die Frage, ob der gesetzliche Unterlassungsanspruch hinsichtlich des für die Dauer der Aufbrauchsfrist vorbehaltenen rechtswidrigen Verhaltens fortbesteht, ist hingegen – auf der Basis des vorzugswürdigen materiellrechtlichen Wirkungsverständnisses (s.o.) – eine solche der inhaltlichen Reichweite des Anspruchs; ihre Beantwortung hängt davon ab, ob die – ggf. in der Darlegungslast des Schuldners liegenden624 – tatsächlichen Voraussetzungen der Bewilligung einer Aufbrauchsfrist gegeben sind.625 Da diese Beurteilung eine umfassende Abwägung der Interessen des Schuldners, des Gläubigers und auch der (sämtliche Mitbewerber sowie die Marktgegenseite einschließenden) Allgemeinheit beinhaltet,626 sind zwar – je nach Situation des jeweiligen Verletzten – abweichende Abwägungsergebnisse denkbar;627 in der Mehrheit der Fälle wird man aber davon ausgehen dürfen, dass dem durch eine im Einzelfall berechtigte Aufbrauchsfrist bewirkten Ausschluss des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs zumindest faktisch Drittwirkung zukommt.628 Weil es aber dem (Dritt-)Gläubiger, der die

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617 Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 37; Vorauflage/Kreft Vor § 13 a.F. C Rn. 126; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 20; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 55 f.; Fezer/Büscher § 8 Rn. 72; Fritzsche S. 311; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 140; Kisseler WRP 691, 696 ff.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.130; Spätgens WRP 1994, 693 ff., Teplitzky Kap. 8 Rn. 10; ders. VuR 2009, 83 f. 618 So die heute ganz h.M.: BGH 10.5.1974 – I ZR 80/73 – GRUR 1974, 735, 737 – Pharmamedan; 25.1.1990 – I ZR 19/87 – BGHZ 110, 156 unter III. – HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz; OLG Karlsruhe 10.4.1991 – 6 U 164/90 – GRUR 1991, 619; Ahrens/Bähr Kap. 38 Rn. 9; Berlit WRP 1998, 250, 251; Büscher/ Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 55 f.; Döring WRP 2007, 728, 729; Fezer/Büscher § 8 Rn. 72; Kisseler WRP 691, 693; Köhler GRUR 1996, 82, 90; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.59 und § 12 Rn. 130; Fritzsche S. 249; MünchKommUWG/ders. § 8 Rn. 121; Melullis Rn. 893; Spätgens WRP 1994, 693; Teplitzky Kap. 8 Rn. 10; ders. GRUR 1996, 696, 698; Ulrich GRUR 1991, 26. 619 So die früher h.M.: BGH 31.5.1960 – I ZR 16/59 – GRUR 1960, 563, 567 – Sektwerbung; Pastor Der Wettbewerbsprozeß3 (1980) S. 882 ff.; ders. GRUR 1964, 245 ff.; heute noch vertreten von Harte/Henning/ Brüning Vor § 12 Rn. 236; s. auch Tetzner NJW 1966, 1545, 1547. 620 Teplitzky Kap. 8 Rn. 10; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 56; Fritzsche S. 311. 621 Vgl. BGH 31.5.2001 – I ZR 82/99 – GRUR 2002, 180 – Weit-Vor-Winter-Schluß-Verkauf; Teplitzky Kap. 8 Rn. 10. 622 Vgl. Teplitzky Kap. 8 Rn. 12. 623 Vgl. OLG Köln 12.9.1997 – 6 U 106/97 – Magazindienst 1997, 1212; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 56; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.130; Pastor Der Wettbewerbsprozeß3 (1980) S. 103; Teplitzky Kap. 8 Rn. 10. 624 Berlit WRP 1998, 250, 253. 625 Fritzsche S. 247 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.130; Teplitzky Kap. 8 Rn. 10. 626 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.63, 1.65; s. § 8 Rn. 52. 627 Vorauflage/Kreft Vor § 13 a.F. C Rn. 128. 628 Vgl. Berlit WRP 1998, 250, 253; Kisseler WRP 1991, 691, 698; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.130; Teplitzky Kap. 8 Rn. 10.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Aufbrauchsfrist für nicht berechtigt hält, offensteht, einen auf das vorbehaltene rechtswidrige Verhalten bezogenen Unterlassungsantrag gerichtlich zu verfolgen, sollte der Schuldner sorgsam prüfen, ob und in welchem Maße der Vorbehalt einer Aufbrauchsfrist erforderlich ist; er trägt das Risiko einer zu lang bemessenen Aufbrauchsfrist.629 Eine aufschiebend bedingte Unterwerfung vermag die Wiederholungsgefahr nicht 120 auszuräumen.630 Wirksam ist hingegen die (bei ihrem Eintritt die Unterlassungspflicht ex nunc beseitigende)631 auflösende Bedingung, dass die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verhaltens durch Gesetz oder höchstrichterliche Rechtsprechung festgestellt werde, weil ein solcher Vorbehalt zum einen keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Versprechens begründet, sich rechtswidriger Handlungen zu enthalten.632 Zum anderen ergäbe sich ein Wertungswiderspruch, sähe man diesen Vorbehalt als schädlich an: denn der Unterwerfungsschuldner stünde dann schlechter als der Schuldner eines rechtskräftigen Hauptsachetitels, der im Wege der Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO die Änderung der Rechtslage gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung geltend machen könnte.633 Aus diesen Gründen ist auch ein auf die Änderung der Gesetzeslage oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung abstellender Kündigungsvorbehalt unschädlich.634 Der Bundesgerichtshof hat ferner ausgesprochen, dass es dem auf Unterlassung in Anspruch Genommenen u.U. nicht zumutbar sein könne, sich unabhängig vom Ausgang eines anderweitig geführten Prozesses zu unterwerfen, und daher im Einzelfall die auflösende Bedingung des dem sich Unterwerfenden günstigen Ausgangs des anderweitigen Prozesses als zulässig erachtet.635 Dies begegnet in Fällen der Verletzung absoluter Rechte (gewerblicher Schutzrechte ebenso wie des Persönlichkeitsrechts), 636 in welchen die Rechtsverfolgung in der Regel in der Hand (nur) eines Berechtigten liegt, keinen Bedenken; bei der Anwendung dieser Lösung auf lauterkeitsrechtliche Fälle mit einer unüberschaubaren Vielzahl potentiell Anspruchsberechtigter – die Wiederholungsgefahr muss hier erga omnes ausgeräumt werden – ist hingegen Zurückhaltung angebracht.637 Im Regelfall räumt daher die auflösende Bedingung des Ausgangs eines – auch zwischen denselben Parteien geführten638 – Rechtsstreits die Wiederholungsgefahr nicht aus.639 Erst

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629 OLG Schleswig 25.2.1997 – 6 U 59/96 – OLGR 1997, 194; Fezer/Büscher § 8 Rn. 168; Fritzsche S. 248; Vorauflage/Kreft Vor § 13 a.F. C Rn. 127. 630 BGH 15.1.1957 – I ZR 56/55 – GRUR 1957, 352, 354 – Pertussin II; Fezer/Büscher § 8 Rn. 70; Pokrant FS Erdmann, S. 863, 868; Fezer/Büscher § 8 Rn. 70; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 140; Schuschke/Walker/ Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 6; Teplitzky Kap. 8 Rn. 8; ders. VuR 2009, 83, 84. 631 BGH 26.9.1996 – I ZR 194/95 – GRUR 1997, 386 unter II. – Altunterwerfung II; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.129. 632 BGH 1.4.1993 – I ZR 136/91 – GRUR 1993, 677 unter II.3.a) – Bedingte Unterwerfung; BGH 26.9.1996 – I ZR 194/95 – GRUR 1997, 386 unter II. – Altunterwerfung II; OLG Düsseldorf 3.7.2007 – 20 U 10/07 – OLGR 2008, 256; OLG Karlsruhe 7.5.2012 – 6 U 187/10 – WRP 2012, 1296; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 166; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.129; Pokrant FS Erdmann, S. 863, 868; Teplitzky Kap. 8 Rn. 8; ders. VuR 2009, 83, 84; ablehnend Ingerl/Rohnke Vorbem. zu §§ 14–19d MarkenG Rn. 98. 633 Vgl. (zur notwendigen Reichweite des Rechteverzichts bei der Abschlusserklärung) BGH 2.7.2009 – I ZR 146/07 – GRUR 2009, 1096 unter II.1.b) – Mescher weis; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 20. 634 Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 20; s. auch Rn. 167. 635 BGH 30.10.1956 – I ZR 199/55 – GRUR 1957, 342, 347 – Underberg; BGH 15.1.1957 – I ZR 56/55– GRUR 1957, 352, 354 – Pertussin II; 12.7.1963 – Ib ZR 174/61 – GRUR 1964, 82, 86 – Lesering; 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 208 – Neues aus der Medizin; 26.9.1985 – I ZR 86/83 – GRUR 1986, 248 unter III.2 – Sporthosen; hierzu Hartwig FS Pagenberg, S. 310 ff. 636 OLG München 23.7.2003 – 21 U 2918/03 – NJW-RR 2003, 1487. 637 Vgl. auch OLG Hamburg 24.1.2002 – 3 U 294/01 – NJOZ 2002, 2285 (die Ernsthaftigkeit einer prozessbezogenen Bedingung verneinend); Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 166. 638 Insoweit – nach in VuR 2009, 83, 86 anklingenden Zweifeln – weiterhin a.A. Teplitzky Kap. 8 Rn. 13. 639 BGH 1.4.1993 – I ZR 136/91 – GRUR 1993, 677 unter II.3.b) – Bedingte Unterwerfung; 1.10.1996 – VI ZR 206/95 – GRUR 1997, 125 unter III.1.b) – Künstlerabbildung in CD-Einlegeblatt; OLG Schleswig

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

recht nicht hinreichend ist die unbestimmte Bezugnahme auf Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilung einzelner Tatbestandsmerkmale.640 Besteht im Falle der Abmahnung durch einen Stellvertreter ein berechtigtes Interesse des Abgemahnten an der Vorlage einer Vollmacht dessen, in dessen Namen die Abmahnung erfolgt ist, so ist es sinnvoll, dem Abgemahnten die Unterwerfung unter der auflösenden Bedingung des innerhalb einer Frist unterbliebenen Nachweises der Vollmacht zu gestatten.641 121 Die Beurteilung aufschiebender Befristungen hat sich gewandelt: wurden diese früher als generell ungeeignet angesehen, die Wiederholungsgefahr auszuräumen,642 sieht man heute aufschiebend befristete Unterwerfungen, die hinsichtlich ihres Wirkungszeitpunkts hinreichend bestimmt sind und im Einzelfall keinen Ernsthaftigkeitszweifeln unterliegen, zu Recht im Regelfall als geeignet an, um den gesetzlichen Unterlassungsanspruch (erst) ab dem Zeitpunkt ihres Wirkungseintritts auszuschließen;643 zur Unterbindung zeitlich davor liegenden rechtswidrigen Verhaltens muss der Gläubiger ggf. gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.644 Eine auflösende Befristung der Unterwerfung ist – wie insbesondere im Bereich des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes645 – denkbar, wenn der gesetzliche Unterlassungsanspruch ebenfalls befristet ist; der Schuldner soll sich außergerichtlich nicht über das Maß des gesetzlichen Anspruchs hinaus verpflichten müssen.646 Eine Beschränkungen des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs nicht widerspiegelnde auflösende Befristung der Unterwerfung lässt allerdings, sofern nicht im Einzelfall ein berechtigtes Interesse des Schuldners an der Befristung zu akzeptieren ist,647 die Wiederholungsgefahr unberührt, denn sie ist zur hinreichenden Sicherung des Gläubigers gegen zukünftiges rechtswidriges Verhalten nicht geeignet;648 dies gilt etwa für Befristungen auf den rechtskräftigen Abschluss des jeweiligen gerichtlichen Verfahrens649 oder wegen der Notwendigkeit weiterer Sachverhaltsaufklärung.650

_____ 24.11.1998 – 6 U 60/98 – OLGR 1999, 70; OLG Köln 24.8.2007 – 6 U 60/07 – GRUR-RR 2008, 88 (Abstellen auf divergierende OLG-Rspr.); Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 166; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 6; a.A. Hartwig FS Pagenberg, S. 301, 313. 640 So etwa die auflösende Bedingung, dass der Kläger „als nicht mehr klagebefugt i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG“ oder sein Verhalten als „rechtsmissbräuchlich angesehen“ werde, OLG Düsseldorf 8.3.2010 – 20 U 131/09 – Magazindienst 2010, 518 u. 7.9.2010 – 20 U 129/09 – Magazindienst 2010, 1069 oder (im Falle der Irreführung über die Wirksamkeit eines Präparats) der Vorbehalt „solange keine Wirksamkeitsnachweise gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 2 DiätVO hierfür vorliegen“, OLG Hamburg 20.8.2009 – 3 W 68/09 – A&R 2009, 282; s. auch OLG Hamburg 16.1.2003 – 3 U 151/02 – Magazindienst 2003, 786. 641 Teplitzky Kap. 8 Rn. 8, Kap. 41 Rn. 6a; ders. VuR 2009, 83, 85 und WRP 2010, 1427, 1431; zustimmend Busch GRUR 2006, 477, 480, u. Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 12 Rn. 22; s. Rn. 20. 642 BGH 15.1.1957 – I ZR 56/55 – GRUR 1957, 352, 354 – Pertussin II; 1.4.1993 – I ZR 136/91 – GRUR 1993, 677 unter II.3.a) – Bedingte Unterwerfung; OLG München 15.1.1998 – 6 U 4087/97 – Magazindienst 1998, 421; 7.1.1999 – 6 U 3490/98 – Magazindienst 1999, 582; Fritzsche S. 310; Melullis Rn. 616. 643 BGH 31.5.2001 – I ZR 82/99 – GRUR 2002, 180 unter II.1. – Weit-Vor-Winter-Schluß-Verkauf; OLG Karlsruhe 24.6.1998 – 6 U 165/97 – NJWE-WettbR 1999, 116; Döring WRP 2007, 728 ff.; Fezer/Büscher § 8 Rn. 70; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 140; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.129; Teplitzky Kap. 8 Rn. 13a; ders. VuR 2009, 83, 84. 644 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.132; Teplitzky VuR 2009, 83, 84. 645 Vgl. BGH 19.1.1973 – I ZR 39/71 – BGHZ 60, 168 – Modeneuheit; 10.11.1983 – I ZR 158/81 – GRUR 1984, 453 – Hemdblusenkleid. 646 S. Rn. 118, 120. 647 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.132; Teplitzky Kap. 8 Rn. 13. 648 Teplitzky VuR 2009, 83, 85. 649 OLG Hamm 23.5.2006 – 4 U 56/06 – (juris); jurisPK-UWG/Hess § 12 Rn. 62. 650 OLG München 29.7.1980 – 6 W 1509/80 – GRUR 1980, 1017; a.A. OLG Frankfurt 29.1.1981 – 6 W 151/80 – WRP 1982, 34.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

(4) Teilunterwerfung. Bleibt eine Unterwerfungserklärung in der Beschreibung 122 des zu unterlassenden Verhaltens hinter der Reichweite des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs zurück (Teilunterwerfung),651 so versteht sich, dass sie die Wiederholungsgefahr hinsichtlich des nicht erfassten Anspruchsumfangs nicht auszuräumen vermag.652 Dies gilt etwa für vom gesetzlichen Unterlassungsanspruch eingeschlossene Verallgemeinerungen, die in der Unterwerfung nicht oder nur unzureichend enthalten sind.653 Der Wegfall der Wiederholungsgefahr hinsichtlich der von der Teilunterwerfung erfassten Handlungsform hängt zunächst davon ab, dass es sich hierbei um einen sicher abgrenzbaren Teil des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs handelt: denn nur dann herrscht die erforderliche Klarheit über den Inhalt des an die Stelle des gesetzlichen Anspruchs tretenden vertraglichen Unterlassungsanspruchs.654 Bezieht sich die Unterwerfung etwa allein auf identische Handlungsformen unter Ausschluss kerngleicher Formen, so steht dies dem Wegfall der Wiederholungsgefahr hinsichtlich ersterer nicht entgegen, denn es handelt sich hierbei um einen hinreichend sicher abgrenzbaren Anspruchsteil.655 Zu prüfen ist weiter, ob wegen der vorgenommenen Einschränkung die Ernsthaf- 123 tigkeit der Teilunterwerfung insgesamt in Frage steht.656 Regelmäßig rechtfertigt aber der aus der Einschränkung sprechende Wille des Schuldners, (nur) in ihrem, nicht aber im darüber hinausgehenden Umfang den Streit um die Unterlassungspflicht beizulegen, Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Teilunterwerfung nicht, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten.657 Dies kann anders liegen, wenn ein sinnvolles Interesse des Schuldners an der Einschränkung der Unterwerfung nicht erkennbar ist oder die Teilunterwerfung berechtigte Interessen des Gläubigers beeinträchtigt, indem ihm etwa die Anspruchsverfolgung ungebührlich erschwert wird.658 Das Interesse des Schuldners an (wenigstens) teilweiser Streitbeilegung, welches der auf einen ausgrenzbaren An-

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651 Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 45. Diesem Begriff unterfällt also eine Unterwerfung nicht, die nach einem zu weitgehenden Verlangen des Gläubigers die Unterlassungspflicht bzw. Vertragsstrafenhöhe auf das angemessene Maß zurückführt, dazu s. Rn. 117. 652 Teplitzky Kap. 8 Rn. 16a. 653 BGH 11.10.1990 – I ZR 35/89 – GRUR 1991, 254 unter 3. – Unbestimmter Unterlassungsantrag; 28.3.1996 – I ZR 39/94 –GRUR 1996, 781 unter II.2.c) – Verbrauchsmaterialien; 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450 – Begrenzte Preissenkung; 29.4.2010 – I ZR 202/07 – GRUR 2010, 749 Tz. 45 – Erinnerungswerbung im Internet; KG 14.12.1999 – 5 U 9419/98 – GRUR 2000, 553 (Ls.), Magazindienst 2000, 581; OLG Hamburg 19.1.1995 – 3 U 203/94 – NJW-RR 1996, 166; OLG Frankfurt 11.11.1996 – 6 W 136/96 – WRP 1997, 101; OLG Hamm 15.11.1988 – 4 U 35/88 – WRP 1989, 260 m. Anm. Oppermann WRP 1989, 713; 15.12.1994 – 4 U 190/94 – WRP 1995, 411 m. Anm. Hölscher WRP 1995, 385; OLG Stuttgart 17.11.1995 – 2 U 175/95 – WRP 1996, 469; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 5; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 146; Teplitzky Kap. 8 Rn. 16a; ders. GRUR 1996, 696, 698. 654 BGH 24.4.1986 – I ZR 127/84 – GRUR 1986, 814 unter II.1 – Whisky-Mischgetränk; 19.10.2000 – I ZR 89/98 – GRUR 2001, 422 unter II.2.a) – ZOCOR; 25.4.2002 – I ZR 296/99 – GRUR 2002, 824 unter II.1.b) und c) – Teilunterwerfung; OLG Bremen 26.3.1998 – 2 U 120/97 – OLGR 1998, 228; OLG Hamburg 10.3.2005 – 5 U 83/04 – Magazindienst 2005, 1336; 29.1.2009 – 5 W 188/08 – GRUR-RR 2009, 446; OLG Köln 22.3.2002 – 6 W 102/01 – Magazindienst 2002, 1057; Fezer/Büscher § 8 Rn. 74; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 170; jurisPK/Hess § 12 Rn. 51; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.131; Teplitzky Kap. 8 Rn. 16a; v. Ungern-Sternberg GRUR 2011, 488 Fn. 26. 655 Ahrens/Deutsch6 Kap. 1 Rn. 58; offengelassen in BGH 24.11.1999 – I ZR 189/97 – GRUR 2000, 438 unter II.2 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; zweifelnd Teplitzky Kap. 8 Rn. 16a. 656 BGH 10.7.1997 – I ZR 62/95 – GRUR 1998, 483 unter II.3 – Der M.-Markt packt aus; OLG Hamburg 10.3.2005 – 5 U 83/04 – OLGR 2006, 93; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 58; juris-PK/Hess § 12 Rn. 50; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.123. 657 BGH 19.10.2000 – I ZR 89/98 – GRUR 2001, 422 unter II.2.a) – ZOCOR; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.125; jurisPK-UWG/Hess § 12 Rn. 64; Teplitzky Kap. 8 Rn. 16a; ders. WRP 2005, 654, 658. 658 BGH 15.2.2007 – I ZR 114/04 – BGHZ 171, 151 – Wagenfeld-Leuchte; OLG Hamburg 29.1.2009 – 5 W 188/08 – GRUR-RR 2009, 446; Fezer/Büscher § 8 Rn. 74; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.131; Teplitzky Kap. 8 Rn. 9.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

spruchsteil bezogenen Teilunterwerfung indiziell zu entnehmen ist, stellt allerdings gemeinhin ein für die Ernsthaftigkeit der Erklärung sprechendes berechtigtes Interesse dar. In aller Regel fehlt es auch an einer Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Gläubigers, denn es ist dem Gläubiger im Normalfall zuzumuten, den Gegenstand der Unterwerfung bildende Teilansprüche aus einem gerichtlichen Antrag auszunehmen bzw. – im Falle des nach Abschluss des Unterlassungsvertrages begangenen Verstoßes – im Wege der Vertragsstrafenklage anstelle des Ordnungsmittelverfahrens (oder neben einem solchen) vorzugehen.659 Mit der § 266 BGB entlehnten (schuldrechtlichen) Erwägung, der Gläubiger müsse sich mit einer Teilleistung nicht zufriedengeben,660 kann das Fortbestehen der Wiederholungsgefahr nicht begründet werden; denn auf die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung hat der Gläubiger keinen Anspruch.661 Ist an der Ernsthaftigkeit der Teilunterwerfung nicht zu zweifeln, muss sich der Gläubiger vielmehr – wie auch sonst etwa im Falle eines Teilanerkenntnisses – auf die eintretende Beschränkung des verbleibenden Streitstoffs einstellen.662 Soweit daher – wie überwiegend – einer Unterwerfung, die entgegen dem Verlan124 gen des Gläubigers kerngleiche Handlungen ausschließt, die Ernsthaftigkeit wegen des erkennbar hinter dem gesetzlichen Anspruch zurückbleibenden Verpflichtungswillens abgesprochen wird,663 kann dem nach vorstehenden Ausführungen nicht gefolgt werden. Wegen des aus ihr sprechenden Willens zur teilweisen Streiterledigung ist vielmehr auch eine kerngleiche Formen ausschließende Unterwerfung üblicherweise als hinreichend ernsthaft anzusehen.664 Fehlt es an weiteren, gegen die Ernsthaftigkeit der Erklärung sprechenden Umständen, kann weiter – entgegen der überwiegenden Ansicht665 – auch eine territorial eingeschränkte Teilunterwerfung, deren räumlicher Wirkungsbereich klar abgegrenzt ist,666 im Regelfall als ernsthaft gelten.667 bb) Vertragsstrafeversprechen 125

(1) Sicherung der Unterlassung. Die Wiederholungsgefahr entfällt durch die Unterwerfung nur dann, wenn der Schuldner für jeden Fall668 der Verletzung des angestreb-

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659 Vgl. BGH 24.4.1986 – I ZR 127/84 – GRUR 1986, 814 unter II.1 – Whisky-Mischgetränk. 660 So OLG Hamburg 29.1.2009 – 5 W 188/08 – GRUR-RR 2009, 446; Ingerl/Rohnke Vorbem. zu §§ 14–19d MarkenG Rn. 97. 661 Köhler FS Piper, S. 309, 315; s. auch Teplitzky Kap. 8 Rn. 16a bei Fn. 120. 662 Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 22. 663 OLG Hamburg 27.7.2009 – 5 W 76/09 – Magazindienst 2010, 732; OLG Köln 12.2.2010 – 6 U 127/09 – GRUR-RR 2010, 339; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 58; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 146; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.123; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 5; a.A. OLG Frankfurt 11.11.1996 – 6 W 136/96 – NJWE-WettbR 1997, 92; zweifelnd Teplitzky Kap. 8 Rn. 16a; ders. WRP 2005, 654, 658. 664 Vgl. Teplitzky GRUR 1996, 696, 698. 665 OLG Hamburg 29.1.2009 – 5 W 188/08 – GRUR-RR 2009, 446; LG Braunschweig 25.8.2004 – 9 O 409/04 – GRUR-RR 2005, 221 (red. Ls.), NJOZ 2004, 3564 (zum Markenrecht); Götting/Nordemann/SchmitzFohrmann/Schwab § 12 Rn. 74; Teplitzky Kap. 8 Rn. 9. 666 Hieran fehlte es im Fall BGH 26.10.2000 – I ZR 144/98 – (nicht veröffentlicht), der eine Abschlusserklärung mit dem – auf der (unzutreffenden) Vorstellung von der räumlichen Beschränkung der Anspruchsberechtigung gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 a.F. beruhenden – Vorbehalt betraf, dass die einstweilige Verfügung „räumlich nur insoweit Gültigkeit besitze, als die Klägerin die Verletzung durch einen späteren Verstoß oder das Vorliegen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG geltend machen könne“ (Urteilsumdruck S. 3). 667 Vgl. BGH 24.4.1986 – I ZR 127/84 – GRUR 1986, 814 unter II.1 – Whisky-Mischgetränk; Büscher/ Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 60; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.134. 668 Dass die Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ versprochen wird, ergibt sich, auch wenn diese Formulierung fehlen sollte, i.d.R. im Wege der Auslegung, BGH 14.2.1985 – I ZR 20/83 – GRUR 1985, 937 unter II.2 – Vertragsstrafe bis zu ... II.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

ten vertraglichen Unterlassungsanspruchs ein Vertragsstrafeversprechen abgibt, das seinem Inhalt und den Umständen nach dazu geeignet ist, den Schuldner effektiv von zukünftigen Verletzungshandlungen abzuhalten. In ihrem Droh- und Abschreckungspotential verwirklicht sich nach allgemeinem bürgerlich-rechtlichen Verständnis 669 die Sanktions- oder Erfüllungssicherungsfunktion der Vertragsstrafe bzw. – nach wettbewerbsrechtlicher Sichtweise670 – die eigenständige Funktion der Beseitigung des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs. Die weitere anerkannte Funktion der Vertragsstrafe als Instrument des pauschalierten Schadensausgleichs671 erlangt hingegen im Kontext des Wegfalls der Wiederholungsgefahr – hier geht es ausschließlich um die Prognose zukünftigen Unterlassens672 – keine Bedeutung.673 Das Vertragsstrafeversprechen eines zahlungsunfähigen Schuldners hat keine 126 hinreichend abschreckende Wirkung und berührt den Fortbestand der Wiederholungsgefahr nicht.674 Dies gilt vor allem wegen der fehlenden Aussicht, die ggf. verwirkte Vertragsstrafe zu realisieren, darüber hinaus – bezogen auf das Unterlassungsversprechen – aber auch deshalb, weil in der wirtschaftlichen Krise die Hemmschwelle gegenüber Wettbewerbsverstößen herabgesetzt sein kann.675 Ernsten Unterlassungswillen kann der Schuldner in dieser Lage regelmäßig auch nicht durch das Anbieten von Sicherheiten dokumentieren,676 denn diese dürften – insbesondere als inkongruente Leistungen gem. § 131 InsO, womöglich gar als vorsätzliche Benachteiligung gem. § 133 InsO – der Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff. InsO unterliegen. Hingegen rechtfertigt bloße Zahlungsunwilligkeit die Annahme, es fehle der Erklärung die Ernsthaftigkeit, angesichts der Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung und Zwangsvollstreckung einer im Verstoßfalle verwirkten Vertragsstrafe im Regelfall nicht.677 Insbesondere kann nicht auf einen a priori fehlenden Unterlassungswillen geschlossen werden, wenn die Zahlungsunwilligkeit mit der Wahrnehmung einer legitimen Rechtsverteidigung gegenüber einem Ver-

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669 BGH 6.11.1967 – VIII ZR 81/65 – BGHZ 49, 84 unter A.I.3; 30.6.1976 – VIII ZR 267/75 – NJW 1976, 1886 unter II.2.a) – Adressenmaterial; 12.3.1981 – VII ZR 293/79 – NJW 1981, 1509 unter II.3.a); 18.11.1982 – VII ZR 305/81 – BGHZ 85, 305 unter II.1.a); C. Hess S. 30; Fischer S. 38; ders. FS Piper, S. 205, 214; Kaiser S. 201; Knütel AcP 175 (1975) S. 44, 54; MünchKommBGB/Gottwald Vorbemerkung zu §§ 339 ff. Rn. 6; Staudinger/ Rieble Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 14 ff.; Erman/Schaub Vorbemerkung zu §§ 339–345 Rn. 1. 670 Teplitzky Kap. 20 Rn. 2; ders. WRP 1994, 709, 711; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 111; hiergegen Fischer FS Piper, S. 205, 217, Kaiser S. 201 und Staudinger/Rieble Vor § 339 Rn. 40 ff. Nach Lindacher S. 59, dient die Vertragsstrafe allein dem Interesse des Gläubigers an „Realerfüllung“. 671 BGH 27.11.1974 – VIII ZR 9/73 – BGHZ 63, 256 unter II.2.c) u. d); 12.10.1978 – VII ZR 139/75 – BGHZ 72, 222 unter I.2.b)bb); 12.3.1981 – VII ZR 293/79 – NJW 1981, 1509 unter II.3.a); 18.11.1982 – VII ZR 305/81 – BGHZ 85, 305 unter II.1.a); Kaiser S. 11 f.; MünchKommBGB/Gottwald Vorbemerkung zu §§ 339 ff. Rn. 6; Staudinger/Rieble Vorbem. zu § 339 ff. Rn. 15, 34; Erman/Schaub Vorbemerkung zu §§ 339–345 Rn. 1; gegen die Schadensausgleichsfunktion Lindacher S. 57 ff., Soergel/ders. Vor § 339 Rn. 5 5. Nach C. Hess S. 204 ff. hat die Vertragsstrafe ferner Genugtuungsfunktion. 672 Vgl. BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95 – BGHZ 133, 316 unter II.2.c)ee) – Altunterwerfung I; 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331 unter II.2.c)ee) – Altunterwerfung II. 673 BGH 27.5.1987 – I ZR 153/85 – GRUR 1987, 748 unter I.2.a) – Getarnte Werbung II; 30.9.1993 – I ZR 54/91 – GRUR 1994, 146, 147 – Vertragsstrafebemessung; Fischer FS Piper, S. 205, 216; Kaiser S. 230; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 38; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 302; Teplitzky Kap. 8 Rn. 19; a.A. Heinz/Stillner WRP 1976, 657 und WRP 1977, 248. Die frühere Rspr. des BGH spricht von einer Vorrangstellung der Sanktionsfunktion, s. etwa BGH 26.6.1970 – I ZR 14/69– GRUR 1970, 558 unter II. – Sanatorium („Sicherung von Schadensersatzansprüchen nur Nebenzweck“). Zur Bedeutung der Schadensausgleichsfunktion bei der nachträglichen Bestimmung der Vertragsstrafe s. Rn. 203. 674 Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 43; Teplitzky Kap. 8 Rn. 24; Tetzner GRUR 1981, 803, 807; vgl. auch OLG Hamburg 6.5.1971 – 3 U 188/70 – MDR 1971, 1016; 25.10.1973 – 3 U 128/73 – GRUR 1974, 108. 675 Tetzner GRUR 1981, 803, 807. 676 A.A. Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 43; Teplitzky Kap. 8 Rn. 24. 677 Kaiser S. 228; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 43; a.A. Teplitzky Kap. 8 Rn. 24.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

tragsstrafeverlangen einhergeht. Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterwerfung sind angebracht, wenn der im Ausland ansässige Verletzer die Vereinbarung eines inländischen Gerichtsstands verweigert.678 Verpflichtet sich der Schuldner im Wege des vor Gericht abgeschlossenen Ver127 gleichs zur Unterlassung, so ist das vertragliche Unterlassungsversprechen Gegenstand eines gem. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vollstreckbaren Titels. Wenn es auch üblich ist, dass der sich im Vergleichswege unterwerfende Schuldner zugleich ein Vertragsstrafeversprechen abgibt,679 so ist dies unter dem Aspekt der Sicherung der Unterlassungsverpflichtung nicht erforderlich: denn die titulierte Unterlassungsverpflichtung ist mittels der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel nach § 890 ZPO vollstreckbar.680 Enthält der Vergleich auch ein Vertragsstrafeversprechen, so hat der Gläubiger im Falle des Verstoßes die Wahl zwischen Ordnungsmittelantrag und Geltendmachung der Vertragsstrafe.681 Dass für den Fortfall der Wiederholungsgefahr regelmäßig die Bestrafungsdrohung aus einem (auch Drittgläubigern entgegengehaltenen) gerichtlichen Titel ausreicht, ist inzwischen682 für den rechtskräftigen Hauptsachetitel ebenso anerkannt683 wie für die Abschlusserklärung nach ergangener einstweiliger Verfügung;684 es besteht kein Grund, dies für den Fall des Unterwerfungsvergleichs anders zu sehen. Für die Ausräumung der Wiederholungsgefahr ist es – sofern keine Zweifel an der Bereitschaft und Eignung des Titelgläubigers zur Vollstreckung bestehen685 – daher unschädlich, wenn der Unterwerfungsvergleich kein Vertragsstrafeversprechen enthält. Die Wiederholungsge-

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678 KG 25.4.2014 – 5 U 178/11 – WRP 2014, 863. 679 Vgl. BGH 5.2.1998 – III ZR 103/97 – BGHZ 138, 67; OLG Bremen 26.3.1999 – 2 W 25/99 – (juris); OLG Karlsruhe 28.12.2001 – 6 W 101/01 – InVo 2002, 384; OLG Saarbrücken 21.11.1978 – 1 W 26/78 – NJW 1980, 461; 21.1.1979 – 1 W 36/78 – WRP 1979, 235; OLG Stuttgart 12.12.2011 – 2 W 59/11 – WRP 2012, 500; LG Bielefeldt 29.8.2007 – 4 O 293/06 – (juris); LG Düsseldorf 8.11.2006 – 4b O 39/06 – InstGE 7, 185. 680 BGH 3.4.2014 – I ZB 3/12 – Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich; Nieder WRP 2001, 117; wegen des hiermit verbundenen Ausschlusses der Erfüllungsgehilfenhaftung – hierzu s. Rn. 134 – am Wegfall der Wiederholungsgefahr zweifelnd Teplitzky Kap. 7 Rn. 10. 681 BGH 5.10.1951 – I ZR 74/50 – GRUR 1952, 141, 143 – Tauchpumpe; 5.2.1998 – III ZR 103/97 – BGHZ 138, 67; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 32 – Testfundstelle; 3.4.2014 – I ZB 3/12 – Ordnungsmittel nach Prozessvergleich; KG 2.2.1979 – 5 W 4865/78 – WRP 1979, 367; OLG Köln 26.5.1986 – 6 W 36/86 – GRUR 1986, 688; 20.6.1986 – 6 U 56/86 – NJW-RR 1987, 360; 15.12.1986 – 6 W 111/86 – WRP 1987, 265; OLG Saarbrücken 21.11.1978 – 1 W 26/78 – NJW 1980, 461; OLG Stuttgart 12.12.2011 – 2 W 59/11 – WRP 2012, 500; Fezer/Büscher § 8 Rn. 211; Erman/Schaub Vorbemerkung §§ 339–345 Rn. 10; Teplitzky Kap. 20 Rn. 22; a.A. OLG Frankfurt 8.7.2013 – 6 W 64/13 (juris). 682 Anders die früher h.M.: OLG Hamm 19.2.1991 – 4 U 231/90 – GRUR 1991, 706; 12.12.1991 – 4 U 257/91 – WRP 1992, 397; OLG Köln 10.1.1997 – 6 U 78/96 – WRP 1997, 482; Ahrens/Ahrens Kap. 55 Rn. 31; Baumbach/Hefermehl22 (2001) Einl. UWG Rn. 288; Köhler/Piper Vor § 13 Rn. 11; Kugelberg S. 49 ff.; Rödding WRP 1988, 514, 515. 683 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450 – Begrenzte Preissenkung; KG 20.8.1992 – 25 U 2754/92 – WRP 1993, 22; 25.10.1996 – 5 U 4912/96 – WRP 1998, 71; OLG Hamburg 20.6.1984 – 3 W 103/84 – GRUR 1984, 889; OLG Karlsruhe 11.6.1986 – 6 U 29/86 – WRP 1986, 502; 10.4.1991 – 6 U 164/90 – GRUR 1991, 619; 30.3.1995 – 6 W 6/95 – GRUR 1995, 504; vgl. auch schon BGH 5.1.1960 – I ZR 100/58 – GRUR 1960, 379, 381 – Zentrale; Fezer/Büscher § 8 Rn. 94; Harte/Henning/Bergmann § 8 Rn. 19; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 1.50; Teplitzky Kap. 7 Rn. 4a sieht hierin die entscheidende Veränderung der „Gleichgewichtslage“, mit der dieser früher bestehende Nachteil des gerichtlichen Unterlassungstitels gegenüber der Unterwerfung ausgeräumt worden sei. 684 BGH 4.5.2005 – I ZR 127/02 unter II.2.b)bb) – GRUR 2005, 692 – „statt“-Preis; KG 20.8.1992 – 25 U 2754/92 – WRP 1993, 22; OLG Frankfurt 15.08.1996 – 6 U 74/96 – WRP 1997, 44; OLG Hamburg 20.6.1984 – 3 W 103/84 – GRUR 1984, 889; OLG Hamm 12.6.1990 – 4 U 59/90 – WRP 1991, 125; OLG Karlsruhe 22.2.1995 – 6 U 250/94 – GRUR 1995, 510, 513; OLG Zweibrücken 20.11.1998 – 2 U 10/98 – NJWE-WettbR 1999, 66; Fezer/Büscher § Rn. 75; Fritzsche S. 631; Harte/Henning/Bergmann § 8 Rn. 20; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.51, § 12 Rn. 3.77; Teplitzky Kap. 7 Rn. 4a, Kap. 43 Rn. 3. 685 S. Rn. 142 f.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

fahr entfällt gleichermaßen, wenn der Schuldner im Vergleich eine Vertragsstrafe verspricht und der Gläubiger zur Vermeidung einer doppelten Sanktionsdrohung686 auf die Geltendmachung der gesetzlichen Ordnungsmittel ausdrücklich687 verzichtet.688 Aus den vorstehend genannten Gründen vermag auch die nicht mit einem Vertragsstrafeversprechen versehene, zu notarieller Urkunde erklärte Unterwerfung die Wiederholungsgefahr auszuräumen, sofern sich der Schuldner darin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).689 (2) Absolute und relative Vertragsstrafe. Die angemessene Höhe eines in Form ei- 128 nes bestimmten Geldbetrages erteilten Vertragsstrafeversprechens (absolute Vertragsstrafe) richtet sich nach den objektiven Umständen des jeweiligen Einzelfalles unter Berücksichtigung etwa von Art und Umfang des Verstoßes, seiner branchenspezifischen wirtschaftlichen Bedeutung für Gläubiger und Schuldner, des ihm zugrundeliegenden Verschuldens, der auch mithilfe des Nachtatverhaltens des Schuldners zu prognostizierenden Wahrscheinlichkeit weiterer Verstöße sowie der Vermögensverhältnisse des Schuldners (bei Unternehmen: Größe, Umsatz, Ertrag).690 Die Höhe der Vertragsstrafe muss in einem angemessenen Verhältnis zu den wirtschaftlichen Vorteilen stehen, die der Schuldner durch eine Verletzungshandlung erlangen könnte; die Verletzung darf sich nicht „lohnen“.691 Weil die Schadensausgleichsfunktion der Vertragsstrafe im Kontext des Wegfalls der Wiederholungsgefahr keine Rolle spielt,692 ist für die Bestimmung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe nicht von Belang, ob es – wie im Falle der nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 anspruchsberechtigten Verbände und Kammern – an einem Schadensersatzanspruch fehlt.693 Auf die sachliche Gerichtszuständigkeit bezogene Erwägungen haben von Rechts wegen für die Bestimmung der Vertragsstrafenhöhe keine Relevanz.694

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686 Zum Nebeneinander von Vertragsstrafe und Ordnungsmittel s. auch Rn. 212. 687 OLG Saarbrücken 21.11.1978 – 1 W 26/78 – NJW 1980, 461; Kaiser S. 193; Staudinger/Rieble Vorbem zu §§ 339 ff. Rn. 110; a.A. (auch konkludenter Ausschluss möglich und regelmäßig gewollt) OLG Hamm 30.5.1984 – 4 W 73/84 – GRUR 1985, 82. 688 Nieder WRP 2001, 117, 118. 689 Hierzu Köhler GRUR 2010, 6 ff.; s. auch OLG Hamm 8.5.2014 – I-4 W 81/13 (zum Streitwert). 690 BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127 unter II.2.c)bb) – Vertragsstrafeversprechen; 30.9.1993 – I ZR 54/91 – GRUR 1994, 146 unter II.5.a) – Vertragsstrafebemessung (zur Bestimmung einer nach billigem Ermessen des Gläubigers festzusetzenden Vertragsstrafe); 31.5.2001 – I ZR 82/99 – GRUR 2002, 180 unter II.3.a) – Weit-Vor-Winter-Schluß-Verkauf; OLG Celle 5.12.2013 – 13 W 77/13 – WRP 2014, 599; OLG Stuttgart 30.7.2009 – 2 U 4/09 – Magazindienst 2009, 974; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 24; Eichmann FS Helm, S. 287, 296; Fezer/Büscher § 8 Rn. 80; Gruber WRP 1992, 71, 76; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 199; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 39; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.139; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 267 f.; Schmitz-Temming WRP 2003, 189; s. auch Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 170. Gegen die Berücksichtigung des Verschuldens sowie weiterer, für den Gläubiger nicht hinreichend überprüfbarer Umstände aus der Sphäre des Schuldners Nees WRP 1983, 200, 201 und Heckelmann/Wettich WRP 2003, 184, 185. 691 BGH 1.6.1983 – I ZR 78/81 – GRUR 1984, 72 unter II.4.b) – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung (zu den Voraussetzungen der Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB); OLG Oldenburg 12.8.2009 – 1 W 37/09 – GRUR-RR 2010, 252; OLG Hamm 9.3.1978 – 4 U 282/77 – WRP 1978, 395; 25.4.1985 – 4 U 40/85 – WRP 1985, 436; 28.5.1998 – 4 U 251/97 – GRUR 1999, 361; OLG Köln 12.6.1981 – 6 U 16/81 – WRP 1981, 547; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 197; Hess WRP 2004, 296; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.138; Teplitzky Kap. 8 Rn. 18. 692 S. Rn. 125. 693 BGH 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127 unter II.2.c)aa) – Vertragsstrafeversprechen; Teplitzky Kap. 8 Rn. 21. 694 BGH 15.12.2011 – I ZR 174/10 – GRUR 2012, 730 Rn. 24 – Bauheizgerät (zum Rechtsmissbrauchseinwand); Fezer/Büscher § 8 Rn. 80 a.E.; Bürglen FS Erdmann S. 785, 790 f.; a.A. OLG Köln 17.5.2001 – 6 W 41/01 – WRP 2001, 1101.

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§ 12

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Ein Vertragsstrafeversprechen lässt auch dann die Wiederholungsgefahr entfallen, wenn die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe gem. §§ 315, 316 BGB in das billige Ermessen des Gläubigers („neuer Hamburger Brauch“) oder eines Dritten695 gestellt wird.696 Die Interessen des Schuldners werden hier durch die nach den §§ 315 Abs. 3, 319 BGB bestehende Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung gewahrt. Diese Form des (relativen) Vertragsstrafeversprechens ist gegenüber einem betragsmäßig starren Versprechen vorzugswürdig, weil sie die Möglichkeit schafft, auf die jeweiligen Umstände des zukünftigen Verletzungsfalles – gerade auch eines solchen, der wegen seiner Schwere eine besonders hohe, eine vorab fixierte Grenze womöglich übersteigende Vertragsstrafe rechtfertigt –flexibel reagieren zu können.697 Besonders deutlich zeigt sich die Überlegenheit dieser Form der Unterwerfung in – freilich schwer vorhersehbaren698 – Verletzungsfällen, in denen aufgrund der Zusammenfassung einer Vielzahl von Einzelhandlungen im Rahmen der natürlichen Handlungseinheit699 eine – dann nur einmal verwirkte – betragsmäßig bestimmte Vertragsstrafe dem wirtschaftlichen Gewicht des tatsächlichen Geschehens in keiner Weise gerecht wird.700 Die vorteilhafte Flexibilität des Bestimmungsrechts wiegt den für den Gläubiger mit seiner Einräumung verbundenen Nachteil, im Falle eines erneuten Verstoßes das Risiko eines über die Angemessenheit der einseitigen Bestimmung zu führenden Prozesses zu tragen,701 allemal auf. Die vorstehenden Erwägungen gelten aber nicht in gleicher Weise für ein Vertragsstrafeversprechen, welches das Bestimmungsrecht durch eine betragsmäßig bestimmte Obergrenze einschränkt: hier ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs deshalb für die Ausräumung der Wiederholungsgefahr zusätzlich erforderlich, dass das erforderliche Mindestmaß an Flexibilität dadurch hergestellt wird, dass die Obergrenze des Strafrahmens den andernfalls fest zu vereinbarenden Betrag in angemessener Weise, üblicherweise um 100%, übersteigt.702

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695 „Dritter“ kann aber nicht – wie nach „altem Hamburger Brauch“ – das staatliche Gericht in seinem gesetzlichen Wirkungskreis sein, BGH 14.10.1977 – I ZR 119/76 – GRUR 1978, 192 unter II. – Hamburger Brauch; hierzu ausführlich Kaiser S. 44 ff.; siehe ferner (zu einer Vereinbarung, das Gericht solle die Bedeutung einer Vertragsklausel bestimmen) BGH 5.1.1955 – VI ZR 256/53 – LM Nr. 3 zu § 317 BGB. 696 BGH 31.5.1990 – I ZR 285/88 – GRUR 1990, 1051 unter I.2 – Vertragsstrafe ohne Obergrenze; 30.9.1993 – I ZR 54/91 – GRUR 1994, 146 unter II.1 – Vertragsstrafebemessung; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 30 – Testfundstelle; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 33; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 66; Fezer/Büscher § 12 Rn. 86; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 202, 204; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 212 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.142, 144; Lührig/Lux FS Helm, S. 321, 333; Melullis Rn. 632; Teplitzky Kap. 8 Rn. 22. 697 BGH 31.5.1990 – I ZR 285/88 – GRUR 1990, 1051 unter I.2 – Vertragsstrafe ohne Obergrenze. 698 Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 171. 699 Hierzu s. Rn. 135 und 193 ff. 700 So der Fall OLG Köln – 6 U 17/03 – WRP 2004, 387 (rechtskräftig nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde BGH 18.12.2003 – I ZR 147/03 – nicht veröff.): Verstoß gegen das vertragliche Verbot der Werbung für ein Arzneimittel außerhalb der Fachkreise durch Verteilung für das Publikum zugänglichen Werbematerials in 74 Arztpraxen; hierzu Hess WRP 2004, 296, Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.141, Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 170, sowie – dafür plädierend, in einem solchen Fall ein betragsmäßig fixiertes Vertragsstrafeversprechen als für die Ausräumung der Wiederholungsgefahr nicht geeignet anzusehen – Fezer/Büscher § 8 Rn. 80 und Teplitzky Kap. 8 Rn. 22a f. 701 Vgl. BGH 12.7.1984 – I ZR 123/82 – GRUR 1985, 155 unter II.4.a) – Vertragsstrafe bis zu … I; BGH 14.2.1985 – I ZR 20/83 – GRUR 1985, 937 unter II.2 – Vertragsstrafe bis zu ... II; Lührig/Lux FS Helm, S. 321, 333; Pastor Der Wettbewerbsprozeß3 (1980) S. 146. Köhler FS Gernhuber, S. 207, 212 f. weist zu Recht darauf hin, dass das Prozessrisiko gleichermaßen auf Seiten des Schuldners liegt, wenn dieser gegen eine etwaig überhöhte Vertragsstrafenbestimmung des Gläubigers gerichtlich vorgeht. 702 BGH 12.7.1984 – I ZR 123/82 – GRUR 1985, 155 unter II.4.a) – Vertragsstrafe bis zu … I; BGH 14.2.1985 – I ZR 20/83 – GRUR 1985, 937 unter II.2 – Vertragsstrafe bis zu ... II.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Begeht der Schuldner, nachdem er sich zuvor unterworfen hatte, einen erneuten 130 identischen oder kerngleichen Wettbewerbsverstoß, so hat sich die zunächst eingegangene Vertragsstrafenverpflichtung als nicht hinreichend abschreckend erwiesen. Sofern man der Auffassung ist, der Schuldner habe durch solches Verhalten die ihm zunächst eingeräumte Möglichkeit außergerichtlicher Streitbeilegung gleichsam verwirkt,703 kommt allein eine gerichtliche Durchsetzung des aufgrund neuerlich entstandener Wiederholungsgefahr erneut begründeten gesetzlichen Unterlassungsanspruchs 704 in Betracht. Vorzugswürdig ist demgegenüber eine Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Man wird dann die Ernsthaftigkeit einer erneuten Unterwerfung ablehnen müssen, wenn wegen vorsätzlichen oder „renitenten“ Verhaltens die Vertrauenswürdigkeit des Schuldners nachhaltig untergraben ist.705 Fehlt es an solchen Umständen, so wird man mit der überwiegenden Auffassung eine Unterwerfung als geeignetes Streiterledigungsmittel ansehen können, wenn das erneute Vertragsstrafeversprechen gegenüber dem ersten erheblich erhöht ist.706 Eine Unterwerfung nach „neuem Hamburger Brauch“707 genügt in diesem Falle allerdings nicht;708 erforderlich dürfte mindestens die Angabe einer Untergrenze der zukünftig geschuldeten Vertragsstrafe sein.709 (3) Haftungsbeschränkungen. Maßgaben in der Unterwerfung, die die Abschre- 131 ckungswirkung der Vertragsstrafe vermindern, sind tendenziell schädlich für ihre Eignung, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Problematisch ist daher das Versprechen, die Vertragsstrafe nicht dem Adressaten der Unterwerfung, sondern einem Dritten schulden zu wollen. Wenn der Schuldner ernsthaft unterlassen will, so darf für ihn die Frage des durch die Vertragsstrafe Begünstigten eigentlich keine Rolle spielen.710 Gegen das von dem Verlangen des Gläubigers abweichende Vertragsstrafeversprechen zugunsten eines Dritten besteht daher der Verdacht, es erfolge, weil der Schuldner die Zahlung an den Dritten als weniger unangenehm empfinde als diejenige an den Konkurrenten, mithin um die Folgen eines für möglich gehaltenen Verstoßes abzumildern.711 Zudem steht unabhängig davon, ob der – altruistisch tätige – Unterlassungsgläubiger712 oder der

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703 OLG Nürnberg 21.12.1982 – 3 U 2183/82 – GRUR 1983, 399; Gruber WRP 1991, 279, 284; Tetzner GRUR 1981, 803, 811; Lindacher GRUR 1975, 413, 420. 704 BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241– Rechtsschutzbedürfnis; 7.12.1989 – I ZR 237/87 – GRUR 1990, 534 – Abruf-Coupon; 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 – Kurze Verjährungsfrist; Fezer/ Büscher § 8 Rn. 91; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 175; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.157; Teplitzky Kap. 8 Rn. 50; a.A. (der erneute Verstoß belege, dass die ursprüngliche Unterwerfung nicht ernsthaft gewesen sei, so dass der ursprüngliche Anspruch nicht erloschen sei) Borck WRP 1978, 7, 9; Vorauflage/SchultzSüchting § 25 a.F. C Rn. 253. 705 Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 67; Teplitzky Kap. 8 Rn. 53; nach Verschuldensgrad differenzierend Kaiser S. 233 f. 706 BGH 7.12.1989 – I ZR 237/87 – GRUR 1990, 534 unter 4. – Abruf-Coupon; OLG Düsseldorf 28.4.2009 – 20 U 236/08 – (juris); OLG Saarbrücken 11.7.2000 – 1 W 192/00 – OLGR 2000, 538; Ahrens/Achilles Kap. 9 Rn. 6; Fezer/Büscher § 8 Rn. 91; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.157; Melullis Rn. 633; 707 S. Rn. 129. 708 KG 25.1.1993 – 25 U 5487/92 – Magazindienst 1993, 747; OLG Hamburg 20.7.2000 – 3 U 257/99 – Magazindienst 2000, 1111; LG München I 20.8.2007 – 9 O 12701/07 – AfP 2007, 501; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 201. 709 Vgl. Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 201; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.157. 710 Vgl. BGH 27.5.1987 – I ZR 153/85 – GRUR 1987, 748 unter I.2.b) – Getarnte Werbung II; OLG Karlsruhe 27.4.2006 – 4 U 119/04 – WRP 2006, 1038; OLG Naumburg 18.5.1999 – 6 U 10/99 – WRP 2000, 427; Strömer/ Grootz WRP 2008, 1148, 1149, 1151; Teplitzky Kap. 8 Rn. 41. 711 Kaiser S. 231; Teplitzky Kap. 8 Rn. 28. 712 Nach der Auslegungsregel des § 335 BGB darf der Versprechensempfänger im Rahmen des echten Vertrags zugunsten Dritter die Leistung an den Dritten fordern, vgl. Palandt/Grüneberg § 335 Rn. 1. Im vorliegenden Kontext trüge der Unterlassungsgläubiger dann das Prozessrisiko, ohne im Falle des

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

– womöglich hierfür nicht hinreichend gerüstete – Dritte den Anspruch auf Vertragsstrafe geltend macht, in Frage, ob – wie für die Sanktionsdrohung erforderlich – die Einhaltung der Unterlassungspflicht ebenso effektiv überwacht wird wie sonst durch einen eigennützig und professionell handelnden Mitbewerber.713 Evident sind die vorstehenden Bedenken, wenn es sich bei dem Dritten um eine karitative Organisation handelt; hier erhält die Vertragsstrafenzahlung gleichsam den Anstrich einer spendenähnlichen „guten Tat“.714 Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass ein Vertragsstrafeversprechen zugunsten eines Dritten ausnahmsweise als funktionsgerecht angesehen werden kann;715 dies ist etwa der Fall, wenn die Vertragsstrafe zugunsten eines oder mehrerer mit dem Unterlassungsgläubiger konzernverbundener Unternehmen versprochen wird.716 Nach (zutreffender) überwiegender Auffassung bestehen jedoch, weil das Vertragsstrafeversprechen zugunsten eines Dritten in der Regel keine hinreichende Sicherung des Unterlassungsanspruchs bewirkt, durchgreifende Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterwerfung.717 Dies gilt – im Verhältnis zu anderen Gläubigern des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs – auch, wenn das Versprechen zugunsten eines Dritten dem Verlangen des abmahnenden Gläubigers entspricht und deshalb – ungeachtet der (fehlenden) Eignung zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr – an die Stelle seines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs der vertragliche tritt.718 132 Schließt der Schuldner in der Unterwerfung die Anwendung der Vorschrift des § 348 HGB aus, nach welcher eine im kaufmännischen Betrieb versprochene Vertragsstrafe nicht gemäß § 343 BGB wegen unverhältnismäßiger Höhe herabgesetzt werden kann, so steht dies nach heute ganz h.M. wegen der vertraglichen Abdingbarkeit der Vorschrift dem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht entgegen:719 aus der Berufung auf eine ge-

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Obsiegens die Vertragsstrafe zu erhalten, Kaiser S. 230, Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 48, Teplitzky GRUR 1996, 696, 700. 713 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.146; Teplitzky Kap. 8 Rn. 27 f. 714 Vgl. BGH 27.5.1987 – I ZR 153/85 – GRUR 1987, 748 unter I.2.b) – Getarnte Werbung II; OLG Hamburg 13.12.1979 – 3 U 85/79 – WRP 1980, 274; LG Köln 22.8.2012 – 84 O 104/12 – WRP 2013, 123; 20.8.2013 – 33 O 292/12 – WRP 2014, 110; Ahrens FS Lindacher, S. 1, 8; Kaiser S. 231; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.146; Teplitzky Kap. 8 Rn. 27 f.; ders. GRUR 1996, 696, 700. 715 BGH 27.5.1987 – I ZR 153/85 – GRUR 1987, 748 unter I.2.a) – Getarnte Werbung II. 716 BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – GRUR 2002, 357 unter II.2.c)cc) – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; vgl. Teplitzky WRP 1995, 359, 360 f. 717 KG 16.8.1977 – 5 U 2158/77 – WRP 1977, 716; OLG Hamburg 13.12.1979 – 3 U 85/79 – WRP 1980, 274; OLG Hamm 22.9.1981 – 4 U 201/81 – WRP 1982, 105; OLG Karlsruhe 27.4.2006 – 4 U 119/04 – WRP 2006, 1038; OLG Köln 14.6.1985 – 6 U 40/85 – GRUR 1986, 194; OLG München 16.5.1977 – 6 W 1048/77 – WRP 1977, 510; OLG Naumburg 18.5.1999 – 6 U 10/99 – WRP 2000, 427; OLG Oldenburg 25.11.1982 – 1 U 145/82 – GRUR 1983, 195; OLG Stuttgart 10.2.1978 – 2 U 196/77 – GRUR 1978, 539; Ahrens FS Lindacher, S. 1, 8; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 68; Eichelberger WRP 2009, 270, 271 Fn. 11; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 196; Kaiser S. 230 ff.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.146; Loewenheim WRP 1979, 839, 840; Melullis Rn. 634; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 17; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 10; Strömer/ Grootz WRP 2008, 1148, 1149; Teplitzky Kap. 8 Rn. 27; ders. GRUR 1996, 696, 700; zum gleichen Ergebnis kommen, wenngleich aufgrund der – im Kontext des Wegfalls der Wiederholungsgefahr unzutreffenden (s. Rn. 125) – Annahme, die einem Dritten versprochene Vertragsstrafe sei zum Ausgleich des beim Gläubiger entstehenden Schadens nicht geeignet, auch Heinz/Stillner WRP 1976, 657 und WRP 1977, 248; weniger skeptisch Fezer/Büscher § 8 Rn. 87 und Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 30; a.A. OLG Frankfurt WRP 1976, 699; Borck WRP 1978, 7; v. Falck GRUR 1970, 561, 563; Kohlhaas WRP 1977, 91; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 360 ff. 718 Teplitzky Kap. 8 Rn. 27; s. Rn. 148. 719 Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 90; Kotthoff/Gabel, in: Eckey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 8 Rn. 20; Fezer/Büscher § 12 Rn. 69; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 241; Heckelmann/Wettich WRP 2003, 184, 185; Kaiser S. 240; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.145; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 11; Rieble WM 1995, 828, 832; ders. GRUR 2009, 824, 828; Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 168; Teplitzky Kap. 8

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

setzliche Vorschrift zum Schutze vor überhöhten Vertragsstrafen können Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Unterlassungsversprechens nicht hergeleitet werden.720 Verspricht der Schuldner die Vertragsstrafe für den Fall schuldhafter Zuwiderhand- 133 lung, so entspricht dies dem gesetzlichen Leitbild der Verschuldenshaftung und stellt daher keine für den Wegfall der Wiederholungsgefahr schädliche Einschränkung dar.721 Denn nach heute ganz h.M. ist der Wortlaut des § 339 S. 2 BGB, wonach die Vertragsstrafe im Falle der Unterlassungsverpflichtung „mit der Zuwiderhandlung“ eintritt, nicht als Anordnung einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung zu verstehen, weil andernfalls der Unterlassungsschuldner in nicht gerechtfertigter Weise schlechter stünde als der nach § 339 S. 1 BGB nur im Falle des (schuldhaften) Verzugs haftende Schuldner einer Handlungspflicht.722 Eine Unterwerfung für den Fall „schuldhafter Zuwiderhandlung“ beinhaltet keine Abweichung723 von der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregel,724 wonach sich der Schuldner durch den Nachweis, dass ihn kein Verschulden trifft, zu entlasten hat. Diese Formulierung beinhaltet auch keine Abbedingung der grundsätzlich bestehenden725 Haftung für das Verschulden von Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB.726 Ob die Wiederholungsgefahr entfällt, wenn der Schuldner in der Unterwerfung die 134 Haftung für Erfüllungsgehilfen ausdrücklich oder konkludent727 ausschließt, ist um-

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Rn. 30b; ders. VuR 2009, 83, 85; a.A. Aigner GRUR 2007, 950, 954, der einen Ausschluss des § 348 HGB nur dann für unschädlich hält, wenn er mit einer Verdopplung der versprochenen Vertragsstrafe einhergeht. 720 Kaiser S. 240; Teplitzky Kap. 8 Rn. 30b; s. auch Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.145a. 721 BGH 13.5.1982 – I ZR 205/80 – GRUR 1982, 688 unter III. – Senioren-Paß; 12.7.1984 – I ZR 123/82 – GRUR 1985, 155 unter II.3 – Vertragsstrafe bis zu… I; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 11; Teplitzky Kap. 8 Rn. 29. 722 BGH 29.6.1972 – II ZR 101/70 – NJW 1972, 1893 – K-Rabatt-Sparmarken – m. Anm. Lindacher in NJW 1972, 2264; 24.1.1973 – VIII ZR 147/71 – WM 1973, 388; 15.5.1985 – I ZR 25/83 – GRUR 1985, 1065, 1066 – Erfüllungsgehilfe; 30.4.1987 – I ZR 8/85 – GRUR 1987, 648, 649 – Anwalts-Eilbrief; 30.3.1988 – I ZR 40/86 – GRUR 1988, 561, 562 – Verlagsverschulden I; Kaiser S. 106; Lindacher S. 89 f.; MünchKommBGB/Gottwald § 339 Rn. 38; Palandt/Grüneberg § 339 Rn. 15; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 313 ff. 318; a.A. RG 1.4.1935 – VI 541/34 – RGZ 147, 228, 232 f.; BGH 27.1.1955 – II ZR 306/53 – LM Nr 3 zu § 407 BGB. Vgl. auch OLG Köln 30.3.2007 – 6 U 207/06 – WRP 2007, 1272 (Ls.). 723 BGH 29.6.1972 – II ZR 101/70 – NJW 1972, 1893 – K-Rabatt-Sparmarken – m. Anm. Lindacher in NJW 1972, 2264; 13.5.1982 – I ZR 205/80 – GRUR 1982, 688 unter III. – Senioren-Paß; 12.7.1984 – I ZR 123/82 – GRUR 1985, 155 unter II.3 – Vertragsstrafe bis zu … I; Kaiser S. 113; Fezer/Büscher § 8 Rn. 86; Schuschke/ Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 11; a.A. OLG Frankfurt 7.6.1979 – 6 W 49/79 – WRP 1979, 656; Pastor Der Wettbewerbsprozeß3 (1980) S. 143. 724 BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 unter II.6.c)bb)) – Fortsetzungszusammenhang; 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471 unter II.1.d) – Modenschau im Salvatorkeller; 3.7.2003 – I ZR 297/00 – GRUR 2003, 899 unter II.1.b) – Olympiasiegerin; 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 unter II.4.c) – Kinderwärmekissen; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 83 f.; Fezer/Büscher § 8 Rn. 86; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 190, 224; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.152; MünchKommBGB/Gottwald § 339 Rn. 38; Palandt/Grüneberg § 339 Rn. 15; Teplitzky Kap. 20 Rn. 15. 725 15.5.1985 – I ZR 25/83 – GRUR 1985, 1065, 1066 – Erfüllungsgehilfe; 30.4.1987 – I ZR 8/85 – GRUR 1987, 648, 649 – Anwalts-Eilbrief; 30.3.1988 – I ZR 40/86 – GRUR 1988, 561, 562 – Verlagsverschulden I; 22.1.1998 – I ZR 18/96 – GRUR 1998, 963 – Verlagsverschulden II; MünchKommBGB/Gottwald § 339 Rn. 38; Palandt/Grüneberg § 339 Rn. 15; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 322; Teplitzky Kap. 20 Rn. 15; a.A. OLG Hamburg 10.5.1973 – 3 U 135/72 – WRP 1973, 592; OLG Karlrsruhe 28.11.1984 – 6 U 313/83 – GRUR 1985, 472; Lindacher S. 87 ff., Soergel/ders. § 339 BGB Rn. 19 f., ders. GRUR 1975, 413, 415, hält auf der Basis eines rein vollstreckungsrechtlichen Verständnisses der Vertragsstrafe ein persönliches Verschulden des Schuldners für notwendig. 726 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 189; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.155; Teplitzky Kap. 8 Rn. 29; Traub FS Gaedertz, S. 563, 572. 727 Nach h.M. bedarf es für die Annahme eines konkludenten Ausschlusses eindeutiger Anhaltspunkte: BGH 30.4.1987 – I ZR 8/85 – GRUR 1987, 648, 649 – Anwalts-Eilbrief; OLG Hamburg 15.11.1984 – 3 U 99/84 – GRUR 1985, 153; OLG Köln 23.11.1984 – 6 U 96/84 – GRUR 1985, 148, 150; OLG München 3.3.1977 – 6 U

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

stritten. Mit der Begründung, eine solche Einschränkung wecke Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Unterlassungswillens, weil sie dem Schuldner die Möglichkeit gebe, sich hinter dem Verschulden von Hilfspersonen zu „verschanzen“,728 hält die bisher h.M. an der Annahme der Wiederholungsgefahr fest.729 In zunehmendem Maße wird dieser Sichtweise jedoch entgegengehalten, sie führe zu einer unangemessenen Haftungserweiterung im Vergleich zu der Verantwortlichkeit für Verstöße gegen gerichtliche Titel,730 die wegen des – neben der auf die Vermeidung zukünftiger Zuwiderhandlungen gerichteten zivilrechtlichen Beugefunktion bestehenden – strafähnlichen Sanktionscharakters der nach § 890 ZPO verhängten Ordnungsmittel allein persönliches Verschulden umfasst.731 Die Frage der Ernsthaftigkeit des Unterlassungswillens darf in der Tat in Bezug auf den Umfang der Verantwortlichkeit für Verstöße nicht nach zweierlei Maß beurteilt werden: Reicht für den Fortfall der Wiederholungsgefahr regelmäßig die Bestrafungsdrohung aus einem (auch Drittgläubigern entgegengehaltenen) rechtskräftigen gerichtlichen Titel aus – wie inzwischen732 für den rechtskräftigen Hauptsachetitel ebenso anerkannt733 wie für die Abschlusserklärung nach ergangener einstweiliger Verfügung734 –, so ist nicht einzusehen, warum dem Unterwerfungsschuldner zur Erreichung des gleichen

_____ 1716/76 – WRP 1977, 359; a.A. (mit der Begründung, ein über die (vermiedene) gerichtliche Titulierung hinausgehender Haftungsumfang sei regelmäßig nicht gewollt) OLG Hamburg 10.5.1973 – 3 U 135/72 – WRP 1973, 592, OLG Karlsruhe 28.11.1984 – 6 U 313/83 – GRUR 1985, 472, 474 und LG Berlin 26.10.1976 – 15 S 1/76 – WRP 1977, 208. 728 Köhler FS Gernhuber, S. 207, 218. 729 KG 29.4.1993 – 25 U 285/93 – Magazindienst 1993, 743; 21.7.1995 – 5 U 3957/94 – Magazindienst 1995, 1225; OLG Frankfurt 12.12.2002 – 6 W 120/02 – GRUR-RR 2003, 198; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 86; Fezer/Büscher § 8 Rn. 71; Fritzsche S. 189; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 44; MünchKommUWG/ders. § 8 Rn. 55; Gloy/Loschelder/Erdmann/Fritzsche § 79 Rn. 29; Götting/Nordemann/ Schmitz-Fohrmann/Schwab § 12 Rn. 79; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 189; jurisPK-UWG/Hess § 12 Rn. 61; Melullis Rn. 608; Nieder WRP 2001, 117, 119; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 13; Steinbeck GRUR 1994, 90, 93 f. 730 So erstmals Traub FS Gaedertz, S. 563, 569 ff.; Kaiser S. 237 ff.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.156; ders. FS Tilmann, S. 769, 772, 775 f.; Teplitzky Kap. 8 Rn. 29 und VuR 2009, 83, 87 (an der anderweitigen Beurteilung in WRP 1994, 709, 712 und GRUR 1996, 696, 700 nicht festhaltend). Kotthoff/Gabel, in: Ekey/ Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß § 8 Rn. 21 (für Wegfall der Wiederholungsgefahr, sofern der Schuldner eine Vertragsstrafe nach sog. neuem Hamburger Brauch versprochen hat). 731 So grundlegend BVerfG 25.10.1966 2 BvR 506/63 – BVerfGE 20, 323 – nulla poena sine culpa; 14.7.1981 – 1 BvR 575/80 – BVerfGE 58, 159; 23.4.1991 – 1 BvR 1443/87 – BVerfGE 84, 82; BGH 30.9.1993 – I ZR 54/91 – GRUR 1994, 146 unter II.4 – Vertragsstrafebemessung; 23.10.2003 – I ZB 45/02 – BGHZ 156, 335 unter B. II – Euro-Einführungsrabatt; Zöller/Stöber § 890 Rn. 5. 732 Anders die früher h.M.: OLG Hamm 19.2.1991 – 4 U 231/90 – GRUR 1991, 706; 12.12.1991 – 4 U 257/91 – WRP 1992, 397; OLG Köln 10.1.1997 – 6 U 78/96 – WRP 1997, 482; Ahrens/Ahrens Kap. 55 Rn. 31; Baumbach/Hefermehl22 (2001) Einl. UWG Rn. 288; Köhler/Piper Vor § 13 Rn. 11; Kugelberg S. 49 ff.; Rödding WRP 1988, 514, 515. 733 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450 – Begrenzte Preissenkung; KG 20.8.1992 – 25 U 2754/92 – WRP 1993, 22; 25.10.1996 – 5 U 4912/96 – WRP 1998, 71; OLG Hamburg 20.6.1984 – 3 W 103/84 – GRUR 1984, 889; OLG Karlsruhe 11.6.1986 – 6 U 29/86 – WRP 1986, 502; 10.4.1991 – 6 U 164/90 – GRUR 1991, 619; 30.3.1995 – 6 W 6/95 – GRUR 1995, 504; vgl. auch schon BGH 5.1.1960 – I ZR 100/58 – GRUR 1960, 379, 381 – Zentrale; Fezer/Büscher § 8 Rn. 94; Harte/Henning/Bergmann § 8 Rn. 19; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 1.50; Teplitzky Kap. 7 Rn. 4a. 734 BGH 4.5.2005 – I ZR 127/02 unter II.2.b)bb) – GRUR 2005, 692 – „statt“-Preis; KG 20.8.1992 – 25 U 2754/92 – WRP 1993, 22; OLG Frankfurt 15.08.1996 – 6 U 74/96 – WRP 1997, 44; OLG Hamburg 20.6.1984 – 3 W 103/84 – GRUR 1984, 889; OLG Hamm 12.6.1990 – 4 U 59/90 – WRP 1991, 125; OLG Karlsruhe 22.2.1995 – 6 U 250/94 – GRUR 1995, 510, 513; OLG Zweibrücken 20.11.1998 – 2 U 10/98 – NJWE-WettbR 1999, 66; Fezer/Büscher § Rn. 75; Fritzsche S. 631; Harte/Henning/Bergmann § 8 Rn. 20; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.51, § 12 Rn. 3.77; Teplitzky Kap. 7 Rn. 4a, Kap. 43 Rn. 3.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Zwecks eine darüber hinausgehende Haftungsbereitschaft abverlangt werden müsste.735 Da eigenes Verschulden im Sinne des § 276 BGB auch organisatorische Versäumnisse – Fehler bei der Auswahl, Anleitung, Überwachung und Kontrolle des durch den Unterlassungsschuldner auch außerhalb seiner Unternehmensorganisation eingesetzten Hilfspersonals – einschließt,736 ist mit ernsthaften Schutzlücken nicht zu rechnen.737 Schließlich spricht für diese Sichtweise aus praktischer Sicht auch die Sorge, dass die außergerichtliche Streitbeilegung durch – gegenüber der gerichtlichen Beilegung – überschießende Haftungsforderungen an Attraktivität einbüßen könnte.738 Gewährt die Rechtsordnung dem Titelschuldner durch Zusammenfassung von 135 Einzelverstößen eine Vergünstigung bei der Strafzumessung, so rechtfertigt es in der Regel keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterwerfung, wenn der Schuldner sich dem Verlangen des Gläubigers verweigert, diese Vergünstigung auszuschließen: auch hier besteht kein sachlicher Grund, dem Unterwerfungsschuldner eine über den andernfalls titulierten Haftungsumfang hinausgehende Verpflichtung abzuverlangen. Dies war für die Rechtsfigur des – inzwischen auch im Zivilrecht nicht mehr anwendbaren739 – Fortsetzungszusammenhanges anerkannt740 und gilt auch heute, soweit mehrere zusammenhängende und gleichartige Einzelakte (lediglich) eine Handlung im Sinne der natürlichen Handlungseinheit darstellen oder sie zu einer rechtlichen Einheit741 zusammengefasst werden können.742 Eine Ausnahme wird man weiterhin743 für diejenigen Fälle machen müssen, in denen vorsätzliche oder besonders schwere Einzelverstöße angesprochen werden, deren (strafmildernde) Zusammenfassung mit anderen Einzeltaten den berechtigten Interessen des Gläubigers zuwiderläuft.744 c) Wirkungen auf die Wiederholungsgefahr aa) Rechtsgeschäftliche Voraussetzungen. Kann der Unterwerfung der ernsthafte 136 Wille des Schuldners zur zukünftigen Unterlassung entnommen werden, so bewirkt – dies entspricht der heute ganz h.M.745 – schon ihr Zugang – und nicht erst das Zustande-

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735 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.156; ders. FS Tilmann, S. 769, 776; Teplitzky Kap. 8 Rn. 29 und VuR 2009, 83, 87; s. auch Lührig/Lux FS Helm, S. 321; Traub FS Gaedertz, S. 563, 573 f. 736 Staudinger/Rieble § 339 Rn. 328 ff.; Teplitzky Kap. 20 Rn. 15. 737 OLG Karlsruhe 28.11.1984 – 6 U 313/83 – GRUR 1985, 472, 474; Kaiser S. 238. 738 Bornkamm FS Tilmann, S. 769, 775. Fezer/Büscher § 8 Rn. 71 a.E. teilt diese Sorge nicht. 739 BGH 25.1.2001 – I ZR 323/98 – GRUR 2001, 758 – Trainingsvertrag; 18.12.2008 – I ZB 32/06 – GRUR 2009, 427 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel; Bernreuther GRUR 2003, 114, 117; Fezer/Büscher § 8 Rn. 203; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 218; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.148; Lührig/Lux FS Helm, S. 321 ff.; Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 163; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 296; ders. GRUR 2009, 824; Teplitzky Kap. 20 Rn. 17a f.; s. Rn. 195. 740 BGH 20.9.1960 – I ZR 77/59 – BGHZ 33, 163 – Krankenwagen II; 1.6.1983 – I ZR 78/81 – GRUR 1984, 72 – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung; 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 – Fortsetzungszusammenhang; 6.5.1993 – I ZR 144/92 – GRUR 1993, 926 – Apothekenzeitschriften; Baumbach/Hefermehl22 (2001) Einl. UWG Rn. 592; Fischer FS Piper, S. 205, 211; Kaiser S. 68, 239 f.; Ulrich WRP 1997, 73, 74 ff. 741 Hierzu s. Rn. 191 ff. 742 Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 65; Fezer/Büscher § 12 Rn. 84; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 215 ff.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.150; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 38; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 12; Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 164 ff.; Teplitzky Kap. 8 Rn. 30; ders. VuR 2009, 83, 88. 743 So schon BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 unter II.6.d) – Fortsetzungszusammenhang. 744 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 216; Teplitzky Kap. 8 Rn. 30. 745 BGH 13.5.1982 – I ZR 205/80 – GRUR 1982, 688 unter III. – Senioren-Paß; 7.10.1982 – I ZR 120/80 – GRUR 1983, 127 unter II.2.c) – Vertragsstrafeversprechen; 24.11.1983 – I ZR 192/81 – GRUR 1984, 214 unter III. – Copy-Charge; 12.7.1984 – I ZR 123/82 – GRUR 1985, 155 unter II.1 – Vertragsstrafe bis zu … I; 14.2.1985

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

kommen des Unterlassungsvertrags746 – den Fortfall der Wiederholungsgefahr. Diese Differenzierung wirkt sich nicht aus, wenn die Abmahnung bereits die vorformulierte Unterwerfungserklärung enthält und der Schuldner diese mittels seiner Unterwerfung unverändert annimmt: die Abmahnung stellt dann bereits das Vertragsangebot dar, dessen – aus Gründen der Rechtssicherheit ausdrücklich zu erklärende747 – Annahme den Unterwerfungsvertrag zur Entstehung bringt.748 137 Aber auch dann, wenn (erst) die Unterwerfung des Schuldners das Vertragsangebot beinhaltet, bedarf es der Annahme des Angebots durch den abmahnenden Gläubiger749 für den Fortfall der Wiederholungsgefahr nicht. Hierzu werden im Wesentlichen zwei Begründungslinien vertreten. Betont man die primäre Maßgeblichkeit des Willens des Schuldners, der von weiteren Umständen – etwa einer im Falle des Verstoßes gegen die Unterlassungspflicht drohenden Sanktion – nur mittelbar beeinflusst werde, so kommt es im Falle einer ernsthaften Unterwerfung für den Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht darauf an, ob der Gläubiger die Unterwerfung annimmt.750 Weil die Ernsthaftigkeit des Unterlassungswillens sich aber gerade in der Bereitschaft manifestiert, im Verletzungsfalle eine Vertragsstrafe zu zahlen,751 kommt – dieses besagt der weitere, hier geteilte Begründungsansatz – der verhaltensleitenden Wirkung der Sanktionsdrohung der Vertragsstrafe für den Wegfall der Wiederholungsgefahr jedoch sehr wohl maßgebliche Bedeutung zu. Die Unterwerfung bedarf nach dieser Auffassung – auch wenn das

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– I ZR 20/83 – GRUR 1985, 937 unter II.2 – Vertragsstrafe bis zu... II; 24.4.1986 – I ZR 127/84 – GRUR 1986, 814 unter II.1 – Whisky-Mischgetränk; 17.12.1987 – I ZR 190/85 – GRUR 1988, 459 unter II. – Teilzahlungsankündigung; 31.5.1990 – I ZR 285/88 – GRUR 1990, 1051 unter II.1 – Vertragsstrafe ohne Obergrenze; 5.5.1994 – I ZR 168/92 – GRUR 1994, 818 unter II. – Schriftliche Voranmeldung; 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 20 – Vertragsstrafevereinbarung; LG Düsseldorf 21.1.1964 – 4 O 61/63 – GRUR 1965, 103; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 12; Fezer/Büscher § 8 Rn. 65; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 114, 170; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.116–1.118; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 43; Schramm MittdtschPatAnw 1959, 260, 263; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 17; Teplitzky Kap. 8 Rn. 36; ders. GRUR 1983, 609. 746 So die früher h.M. (mit der Folge, dass der Fortfall der Wiederholungsgefahr ggf. in der Disposition des Gläubigers lag, dem allerdings – bei Nichtannahme einer hinreichenden Unterwerfung – das Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs versagt wurde): BGH 14.12.1966 – Ib ZR 125/64 – GRUR 1967, 362, 366 – Spezialsalz I; 18.2.1972 – I ZR 82/70 – GRUR 1972, 558, 559 – Teerspritzmaschinen; OLG Frankfurt 5.7.1984 – 6 U 100/83 – GRUR 1985, 82; OLG Hamm 25.4.1985 – 4 U 40/85 – WRP 1985, 436; OLG Karlsruhe 11.4.1974 – 9 U 117/73 – WRP 1974, 634; 13.2.1985 – 6 U 138/84 – WRP 1985, 437; OLG Köln 24.9.1976 – 6 U 119/76 – WRP 1977, 50; 24.11.1995 – 6 U 4/95 – WRP 1996, 333; OLG München 29.7.1980 – 6 W 1509/80 – GRUR 1980, 1017; Borck WRP 1974, 372, 376; Heinz/ Stillner WRP 1976, 657 (Fn. 3); Nieder WRP 1976, 289; Pastor Der Wettbewerbsprozeß3 (1980) S. 132, 160, 165; Schimmelpfennig GRUR 1974, 201, 202; Gruber WRP 1992, 71, 82 f.; neuerdings auch wieder Doepner FS Mes, S. 71 ff. 747 Fischer FS Piper, S. 205, 209; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 45; Teplitzky WRP 1994, 709, 710. 748 BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 unter II.6.a) – Fortsetzungszusammenhang; 25.4.2002 – I ZR 296/99 – GRUR 2002, 824 unter II.1.a) – Teilunterwerfung; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 18 – Testfundstelle; KG 11.7.1986 – 5 U 1878/85 – WRP 1986, 680; OLG Düsseldorf 6.12.1994 – 20 U 66/ 94 – WRP 1995, 223, 226; OLG Karlsruhe 29.12.1988 – 4 U 215/87 – WRP 1990, 51; OLG Köln 23.11.1984 – 6 U 96/84 – GRUR 1985, 148, 149; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 11; Ahrens/Deutsch6 Kap. 1 Rn. 31; Burchert WRP 1985, 478, 479 f.; Eichmann FS Helm, S. 287, 297; Fischer FS Piper, S. 205, 209; Fritzsche S. 283; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 208 f.; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 125; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.115; Petersen GRUR 1978, 156 f.; Pokrant FS Erdmann, S. 863, 866; Teplitzky Kap. 8 Rn. 3; a.A. die früher h.M., die in der Abmahnung stets eine invitatio ad offerendum erkannte: OLG Hamburg 18.12.1986 – 3 U 138/86 – GRUR 1988, 240 (Ls.); LG Freiburg 21.8.1980 – 3 S 96/80 – WRP 1980, 719; Borck WRP 1974, 372. 749 Zum Sonderfall der Unterwerfung ohne vorangegangene Abmahnung, bei der von der – für den Fortfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen – Verfolgungsbereitschaft des Gläubigers nur ausgegangen werden kann, wenn er die unverlangte Unterwerfung angenommen hat, s. Rn. 145. 750 Teplitzky Kap. 8 Rn. 36; ders. GRUR 1983, 609, 610 und WRP 1996, 171, 173. 751 S. Rn. 125.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

auf die Vertragsstrafe gerichtete vertragliche Schuldversprechen erst752 durch die Annahmeerklärung des Gläubigers zustande kommt – der Annahme durch den Gläubiger nicht, sofern die Sanktionsdrohung der mit der Unterwerfung versprochenen Vertragsstrafe für den Schuldner latent besteht, weil er nach Zugang der Unterwerfung jederzeit – ggf. auch ohne seine Kenntnis der Annahme – mit dem Zustandekommen des Schuldversprechens rechnen muss.753 Mit dem jederzeitigen Entstehen der Vertragsstrafenverpflichtung muss der Schuld- 138 ner allerdings nur dann rechnen, wenn das Unterwerfungsvertragsangebot zum einen entgegen §§ 146, 147 Abs. 2 BGB mit der Folge unbefristet erklärt ist, dass der Gläubiger es jederzeit annehmen kann;754 zum anderen ist erforderlich, dass der Zugang der Annahmeerklärung755 gem. § 151 S. 1 BGB nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Schuldner hierauf verzichtet hat.756 Von beiden vorgenannten Voraussetzungen kann, weil die Unterwerfung nur dann zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks geeignet ist, unstreitig regelmäßig ausgegangen werden, wenn das Vertragsangebot erstmals vom Schuldner ausgegangen ist und deshalb keine Zweifel an der Annahmebereitschaft des Gläubigers bestehen.757 Weicht allerdings die Unterwerfung des Schuldners gegenüber dem vom Gläubiger mit der Abmahnung unterbreiteten Vertragsangebot ab, so dass sie gem. § 150 Abs. 2 BGB als neues Angebot gilt,758 ist nach h.M. ein Zugang der Annahmeerklärung gem. § 151 S. 1 BGB regelmäßig nicht entbehrlich.759 Denn der Schuldner habe ein Interesse zu erfahren, ob der Gläubiger die Unterwerfung als ausreichend ansehe.760

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752 BGH 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 14 – Vertragsstrafevereinbarung; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 17 – Testfundstelle; Teplitzky Kap. 20 Rn. 7. 753 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.117 (Vertragsstrafe als „Damoklesschwert“); ders. FS Tilmann, S. 769, 774; Kaiser S. 220; vgl. auch Teplitzky GRUR 1983, 609, 610; a.A. Klein GRUR 2007, 664, 667 f., der den bloßen Verdacht des Schuldners, der Gläubiger könne die Unterwerfung „irgendwann“ annehmen, nicht als hinreichende Motivation ansieht. 754 BGH 15.3.1984 – I ZR 74/82 – GRUR 1984, 593 unter II.5 – adidas-Sportartikel; 12.7.1984 – I ZR 123/82 – GRUR 1985, 155 unter II.4.b) – Vertragsstrafe bis zu… I; Bornkamm FS Tilmann, S. 769, 774; a.A. – Abbedingung der §§ 146, 147 Abs. 2 BGB für den Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht erforderlich – allerdings BGH 14.2.1985 – I ZR 20/83 – GRUR 1985, 937 unter II.2 – Vertragsstrafe bis zu... II; diesem folgend Eichmann FS Helm, S. 287, 299. 755 Diese erfolgt im Rahmen des § 151 S. 1 BGB durch sog. Willensbetätigung, die den Annahmewillen nach außen hervortreten lässt: BGH 7.5.1979 – II ZR 210/78 – BGHZ 74, 352 unter II.2 (Einzug einer Lastschrift); 10.2.2000 – IX ZR 397/98 – BGHZ 143, 381 unter I.1 (Behalten einer zuvor angeforderten Bürgschaftsurkunde); s. auch OLG Jena 7.10.2009 – 2 U 272/09 – MDR 2010, 827; Fritzsche, S. 284; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 208; MünchKommBGB/Busche § 151 Rn. 6. 756 Bornkamm FS Tilmann, S. 769, 774; Fritzsche S. 284. 757 BGH 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 21 – Testfundstelle (zur Abbedingung der §§ 146 f. BGB); Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.117; ders. FS Tilmann, S. 769, 774; Fritzsche S. 284; Pokrant FS Erdmann, S. 863, 867; Spätgens FS Gaedertz, S. 545, 554; Teplitzky Kap. 8 Rn. 3 (zur Abbedingung der §§ 146 f. BGB). 758 Dies ist bereits bei nur unwesentlichen Abweichungen der Fall, BGH 18.10.2000 – XII ZR 179/98 – NJW 2001, 211, 212; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 19 – Testfundstelle; MünchKommBGB/ Busche § 150 Rn. 8. 759 BGH 10.10.1991 – I ZR 147/89 – GRUR 1993, 34 unter II.3 – Bedienungsanweisung (urheberrechtliche Unterwerfung); 25.4.2002 – I ZR 296/99 – GRUR 2002, 824 unter II.2 – Teilunterwerfung; KG 11.7.1986 – 5 U 1878/85 – WRP 1986, 680; 27.9.2011 – 5 U 137/10 – WRP 2012, 247 (Ls.), Magazindienst 2012, 48; OLG Hamm 12.11.1991 – 4 U 134/91 – OLGR 1992, 90; 18.1.1994 – 4 U 147/93 – OLGR 1994, 90; OLG Frankfurt 3.4.1986 – 6 U 24/85 – GRUR 1986, 626; OLG Karlsruhe 29.12.1988 – 4 U 215/87 – WRP 1990, 51; OLG Köln 23.11.1984 – 6 U 96/84 – GRUR 1985, 148; 12.2.2010 – 6 U 127/09 – GRUR-RR 2010, 339; OLG München 12.11.1998 – 29 U 3730/98 – OLGR 1999, 358; Teplitzky Kap. 8 Rn. 3; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 77, 80; Fezer/ Büscher § 8 Rn. 171; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 127. 760 Fezer/Büscher § 8 Rn. 171; Pokrant FS Erdmann, S. 863, 867 (letzterer allerdings aufgrund der – hier nicht geteilten – Prämisse der früher h.M., für den Fortfall der Wiederholungsgefahr sei der Abschluss des Unterwerfungsvertrags erforderlich).

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

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Handelt es sich bei der abändernden Annahme durch den Schuldner um eine Teilunterwerfung, die den im Hinblick auf den Fortfall der Wiederholungsgefahr zu stellenden weiteren Anforderungen genügt,761 so ist allerdings entgegen der h.M. auch hier allein die Annahme des regelhaften Verzichts auf das Zugangserfordernis gem. § 151 S. 1 BGB interessengerecht.762 Das Interesse des Schuldners ist vorrangig darauf gerichtet, die Wiederholungsgefahr auch gegenüber anderen Gläubigern763 möglichst umgehend auszuräumen, um eine mehrfache Inanspruchnahme zu vermeiden. 764 Ob der Gläubiger an seinem weitergehenden Unterwerfungsverlangen festhält oder sich mit der abgeänderten Unterwerfung zufriedengibt, ist für den Schuldner hingegen von nachrangiger Bedeutung; er wird sich vorsorglich auf das erstere einstellen. Berechtigte Interessen des Gläubigers werden durch die Teilunterwerfung regelmäßig nicht beeinträchtigt,765 dies auch deshalb nicht, weil in der Annahme einer Teilunterwerfung regelmäßig nicht der (auch nur konkludente) Verzicht auf etwaige weitergehende gesetzliche Ansprüche gesehen werden kann.766 Gläubiger und Schuldner muss vielmehr gleichermaßen an einer möglichst umgehenden Begründung des Vertragsstrafenversprechens gelegen sein, wie sie die Anwendung des § 151 S. 1 BGB ermöglicht: weil der Anspruch auf Vertragsstrafe nicht vor Vertragsschluss entstehen kann,767 fehlt es andernfalls in der Zeit zwischen Zugang der Unterwerfung und Erhalt der Annahmeerklärung des Gläubigers an der Sanktionsdrohung der Vertragsstrafe.768 Es ist daher auch im Falle der abändernden Teilunterwerfung regelmäßig davon auszugehen, dass der Schuldner gem. § 151 S. 1 BGB auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet hat.769 Weil es, wie dargestellt,770 für den Fortfall der Wiederholungsgefahr nach heute h.M. 140 auf das Zustandekommen des Unterlassungsvertrags nicht ankommt, schadet auch eine etwaige rechtsgeschäftliche Unwirksamkeit des Unterlassungsvertrags etwa infolge von Willens- oder Vertretungsmängeln nicht. Dies lässt sich auf der Basis der Annahme, dass es – ungeachtet etwaiger Sanktionsdrohungen – allein auf die Ernsthaftigkeit des in der Unterwerfung zum Ausdruck kommenden Unterlassungswillens ankomme,771 leicht erklären. Erkennt man aber – zutreffend – an, dass die Sanktionsdrohung sehr wohl eine relevante verhaltenssteuernde Bedeutung hat,772 kann man dieses Ergebnis nur für den Fall akzeptieren, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Abgabe seiner Unterwerfung da-

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761 S. Rn. 122 ff. 762 Fritzsche S. 284. 763 Hierzu sogleich Rn. 141. 764 Vgl. Pokrant FS Erdmann, S. 863, 866. 765 S. Rn. 123. 766 BGH 25.4.2002 – I ZR 296/99 – GRUR 2002, 824 – Teilunterwerfung; a.A. (das hinter dem Verlangen des Gläubigers zurückbleibende Angebot des Schuldners enthalte regelmäßig ein Vergleichselement, denn der Schuldner wolle nicht Vertragsstrafe und Prozess, sondern Vertragsstrafe unter Ausschluss von Nachforderungen) Staudinger/Rieble § 339 Rn. 48. 767 Vgl. BGH 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 14 – Vertragsstrafevereinbarung; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 17 – Testfundstelle; Pokrant FS Erdmann, S. 863, 866; Teplitzky Kap. 20 Rn. 7; a.A. (der Schuldner wolle unabhängig vom Zugang der Annahmeerklärung rückwirkend auf den Zeitpunkt seiner Unterwerfung gebunden sein) OLG Köln 20.12.2002 – 6 U 104/02 – Magazindienst 2003, 486; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 10; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 185, 214. 768 Diese zeitliche Lücke zwischen Zugang der Unterwerfung und (ausdrücklicher) Annahmeerklärung lässt BGH 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 19 – Testfundstelle – unberücksichtigt. 769 Eichmann FS Helm, S. 287, 299; Fritzsche S. 284; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.118; Spätgens FS Gaedertz, S. 545, 554. 770 S. Rn. 136 f. 771 Teplitzky Kap. 8 Rn. 36; ders. GRUR 1983, 609, 610; s. Rn. 137. 772 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.117 (Vertragsstrafe als „Damoklesschwert“); ders. FS Tilmann, S. 769, 774; Kaiser S. 220; vgl. auch Teplitzky GRUR 1983, 609, 610; s. Rn. 135.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

von ausgeht, dass mit der Entstehung der Vertragsstrafenverpflichtung zu rechnen sei, weil er von etwaigen Unwirksamkeitsgründen keine Kenntnis hat.773 bb) Drittwirkung. Unterwirft sich der Schuldner wirksam gegenüber einem Gläubi- 141 ger des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs,774 so entfällt die Wiederholungsgefahr als materiellrechtliche Tatbestandsvoraussetzung des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs gegenüber sämtlichen Gläubigern („Unteilbarkeit der Wiederholungsgefahr“).775 Es ist denkgesetzlich zwingend, dass ein und dieselbe Handlung nur gegenüber allen Gläubigern gleichermaßen unterlassen werden kann.776 Zugleich führt diese dogmatische Annahme zu einer im Interesse des Schuldners erwünschten Beschränkung der mehrfachen Inanspruchnahme durch verschiedene Gläubiger, weil nach erfolgter Unterwerfung Ansprüche auf Abmahnkostenerstattung nicht mehr entstehen und Unterlassungsansprüche gerichtlich nicht mehr durchgesetzt werden können.777 Eine ungerechtfertigte Benachteiligung der nicht durch eine Unterwerfung nebst Vertragsstrafeversprechen begünstigten weiteren Gläubiger778 liegt hierin nicht, weil die Einräumung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche nicht dem individuellen Erwerbsinteresse, sondern gem. § 1 dem Interesse der Allgemeinheit und der Marktteilnehmer an wettbewerblicher Lauterkeit dient.779 Das Interesse weiterer Gläubiger an „eigener“ Absicherung durch ein Vertragsstrafeversprechen ist nur insoweit schutzwürdig, als diese Absicherung erforderlich ist, um weitere Verstöße zu verhindern; im Falle der Ausräumung der Wiederholungsgefahr durch eine erste Unterwerfung ist es mithin durchaus interessengerecht, weiteren Gläubigern Ansprüche zu versagen.780

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773 Fritzsche S. 343; Köhler FS v. Gamm, S. 57, 68. Nach Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 53 soll insoweit auch schon Kennenmüssen des Schuldners schädlich sein. 774 Die Unterwerfung gegenüber nicht gem. § 8 Abs. 3 UWG Anspruchsberechtigten reicht nicht aus, denn diese bieten keine hinreichende Gewähr dafür, die zukünftige Einhaltung der Unterlassungspflicht überwachen zu können oder zu wollen, s. Rn. 142. Zur gleichwohl gegebenen Wirksamkeit des Unterlassungsvertrags s. Rn. 156. 775 St. Rspr. seit BGH 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186 – Wiederholte Unterwerfung I; 13.5.1987 – I ZR 79/85– GRUR 1987, 640 unter II.1– Wiederholte Unterwerfung II; 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165 unter II.1 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; 22.6.1989 – I ZR 120/87 – GRUR 1989, 758 unter II.2 – Gruppenprofil; KG 22.4.1980 – 5 U 2574/79 – WRP 1981, 379; 10.8.1982 – 5 U 3027/82 – (juris); OLG Koblenz 18.3.1981 – 6 U 47/80 – WRP 1981, 479; Ahrens/Achilles Kap. 9 Rn. 3; Borck WRP 1985, 311, 312; Büscher/ Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 51; Eichelberger WRP 2009, 270, 271; Fezer/Büscher § 8 Rn. 89; jurisPKUWG/Hess § 12 Rn. 54; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.166; Kues WRP 1985, 196 ff.; Teplitzky Kap. 8 Rn. 38; ders. GRUR 1983, 609 f.; a.A. die früher h.M.: OLG Celle 7.7.1982 – 13 W 53/82 – WRP 1983, 606 (Ls.); OLG Hamm 27.10.1976 – 4 W 111/76 – WRP 1977, 595; OLG Koblenz 18.3.1981 – 6 U 47/80 – WRP 1981, 479; OLG München 1.8.1974 – 6 W 1354/74 – WRP 1975, 46; 14.5.1979 – 6 W 1201/79 – WRP 1979, 891; 14.12.1979 – 6 W 2420/79 – WRP 1980, 285; Ahrens WRP 1983, 1, 2; v. Gamm Wettbewerbsrecht5 (1987) Kap. 32 Rn. 10; Pastor Der Wettbewerbsprozeß3 (1980) S. 165; dezidiert gegen die Annahme der Unteilbarkeit Ahrens, in FS Lindacher, S. 1, 8 (mit dem Vorschlag, den Fortfall der Wiederholungsgefahr davon abhängig zu machen, dass jeder Unterlassungsgläubiger im Wege des Vertrags zugunsten Dritter auf die Zahlung der Vertragsstrafe an den ersten Versprechensempfänger Einfluss nehmen kann); Doepner, in: FS Mes, S. 71, 78 ff.; Graf Lambsdorff Rn. 667 ff.; Gruber GRUR 1991, 354, 361 ff.; Krüger GRUR 1984, 785, Rödding WRP 1988, 514. 776 Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 55; Teplitzky Kap. 8 Rn. 38. 777 Vgl. BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165 unter II.1 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; Eichelberger WRP 2009, 270, 271; Fritzsche S. 91; Köhler WRP 1992, 359; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.167; Strömer/Grootz WRP 2008, 1148 f. 778 So Doepner, in: FS Mes, S. 71, 82 ff. („eklatante Gläubigerdiskriminierung“); kritisch auch Gloy/ Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 36 („unverdient komfortable Situation“ des Schuldners). 779 Köhler WRP 1992, 359, 360. 780 Kaiser S. 244.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

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Beruft sich der Unterlassungsschuldner gegenüber einem mit dem Unterwerfungsgläubiger nicht identischen Dritten auf den Fortfall der Wiederholungsgefahr durch Unterwerfung, so wird deutlich, dass die Erfüllung der vorstehend unter 2.a) und b) erörterten formalen und inhaltlichen Erfordernisse einer wirksamen Unterwerfung für das Entfallen der Wiederholungsgefahr zwar notwendig, aber nicht hinreichend ist. Denn die Unterwerfung bietet nur dann ernsthafte Gewähr für die zukünftige Unterlassung, wenn der Unterwerfungsgläubiger in persönlicher und sachlicher Hinsicht bereit und in der Lage ist, Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung durch Verfolgung des anfallenden Vertragsstrafenanspruchs zu ahnden, und der Schuldner sich deshalb einer effektiven Sanktionsdrohung gegenübersieht.781 Ob der Adressat der Unterwerfung den für einen Wegfall der Wiederholungsgefahr zu stellenden Anforderungen genügt, ist im Grundsatz jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden.782 Allerdings besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass im Regelfall an Verfolgungswille und -eignung von Wettbewerbern oder Verbänden nicht zu zweifeln ist.783 Der Schuldner ist aufgrund der aus dem Abmahnverhältnis folgenden Aufklä143 rungspflicht784 dazu verpflichtet, den abmahnenden Gläubiger durch Vorlage der Drittunterwerfungserklärung einschließlich der vorangegangenen Abmahnung785 in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen eines Wegfalls der Wiederholungsgefahr zu überprüfen.786 Beruft sich der Abgemahnte auf ein rechtskräftiges Urteil in der Hauptsache, die Abgabe einer Abschlusserklärung nach einstweiliger Verfügung oder eine (vom Gläubiger nicht angenommene) Unterwerfung, so hat er auch diese Angaben zu belegen.787 Entsprechendes gilt für Umstände, wegen derer sich der Abgemahnte auf die Ausräumung der Erstbegehungsgefahr beruft. Hingegen umfasst die Informationspflicht des Abgemahnten nicht solche Umstände, die der Abmahnende – etwa durch Einsichtnahme in das Handelsregister – selbst aufklären kann.788 Im Prozess liegt die Darlegungs- und Beweislast für die hinreichende Verfolgungsbereitschaft und -eignung des Dritten – wie allgemein für den Fortfall der Wiederholungsgefahr789 – bei dem Verletzer.790

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781 BGH 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186 unter II.2 – Wiederholte Unterwerfung I; 13.5.1987 – I ZR 79/85– GRUR 1987, 640 unter II.1 und 2 – Wiederholte Unterwerfung II; Eichelberger WRP 2009, 270, 273; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.166; Kues WRP 1985, 196, 197 f.; Teplitzky Kap. 8 Rn. 38. 782 BGH 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186 unter II.2 – Wiederholte Unterwerfung I; 13.5.1987 – I ZR 79/85– GRUR 1987, 640 unter II.1 und 2 – Wiederholte Unterwerfung II; OLG Stuttgart 20.5.2010 – 2 U 95/09 – Magazindienst 2010, 876; Eichelberger WRP 2009, 270, 273; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.166. 783 Eichelberger WRP 2009, 270, 273; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.167; Teplitzky Kap. 8 Rn. 38. 784 BGH 19.6.1986 – I ZR 65/84 – GRUR 1987, 54 – Aufklärungspflicht des Abgemahnten; 13.5.1987 – I ZR 79/85 – GRUR 1987, 640 – Wiederholte Unterwerfung II; 19.10.1989 – I ZR 63/88 – GRUR 1990, 381 – Antwortpflicht des Abgemahnten; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 47; Fezer/Büscher § 12 Rn. 38; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 67; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.61; s. Rn. 52 ff. 785 Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 8; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 71. 786 OLG Hamburg 5.3.1996 – 3 W 17/96 – 3 W 18/96 – 3 W 19/96 – WRP 1996, 773; s. auch BGH 22.6.1989 – I ZR 120/87 – GRUR 1989, 758 unter II.2 – Gruppenprofil – und OLG Dresden 16.3.1999 – 14 W 1689/98 – WRP 2000, 430 (red. Ls.). 787 Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 8 f. 788 OLG Frankfurt 27.10.1988 – 6 U 169/87 – WRP 1989, 391 m. Anm. Traub ebda.; Ahrens/Spätgens Kap. 5 Rn. 11; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.64; Ulrich ZIP 1990, 1377, 1380. 789 Hierzu bereits Rn. 113. 790 BGH 13.5.1987 – I ZR 79/85– GRUR 1987, 640 unter II.3.b) – Wiederholte Unterwerfung II; OLG Celle 10.6.2010 – 13 U 191/09 – Magazindienst 2010, 704; OLG Dresden 16.3.1999 – 14 W 1689/98 – WRP 2000, 430 (Ls.); OLG Hamburg 5.3.1996 – 3 W 17/96 – WRP 1996, 773; OLG Jena 27.7.2011 – 2 U 303/11 – Magazindienst 2011, 915; OLG Köln 7.9.2001 – 6 U 129/01 – Magazindienst 2002, 315; Eichelberger WRP 2009, 270, 276; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 42; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.175; Teplitzky Kap. 8 Rn. 41, 43.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Drittunterwerfung sind angebracht, wenn der Ver- 144 folgungswille des Gläubigers durch ein Näheverhältnis zum Schuldner791 in Frage gestellt wird oder gar der Verdacht kollusiven Zusammenwirkens im Sinne einer „vorsorglichen“ Drittunterwerfung besteht.792 Evident ist der mangelnde Verfolgungswille, wenn der Dritte angesichts kerngleicher Verstöße untätig bleibt.793 Allein aufgrund des Umstands, dass der Schuldner sich nicht gegenüber dem ersten, sondern einem nachfolgend abmahnenden, nicht weniger verfolgungswilligen und -geeigneten Gläubiger unterworfen hat, ist allerdings nicht an der Ernsthaftigkeit der Unterwerfung zu zweifeln.794 Ratsam erscheint allemal die Auswahl des „seriösesten Gläubigers“.795 Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterwerfung sind zudem veranlasst, wenn der 145 Schuldner sich gegenüber einem Dritten unterworfen hat, von dem keine Abmahnung ausgegangen ist (Initiativunterwerfung). Der mangelnde Verfolgungswille des Dritten ist in einem solchen Fall evident, wenn er Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß hatte und gleichwohl nicht vorgegangen ist.796 Aber auch bei fehlender Kenntnis des Dritten bestehen erhebliche Bedenken gegen die Ernsthaftigkeit der Drittunterwerfung: weicht der Schuldner der Unterwerfung gegenüber dem Abmahnenden durch Abgabe einer Initiativunterwerfung gegenüber einem Dritten aus, so nährt dies den Verdacht, der Schuldner wolle sich einer effektiven Rechtsverfolgung entziehen oder die Folgen eines zukünftigen Verstoßes abmildern.797 Dies wird zum Teil anders gesehen, wenn die Unterwerfung gegenüber einem seriösen, gleichsam über jeden Zweifel erhabenen Wettbewerbsverband erfolgt.798 Nach zutreffender Ansicht ist allerdings auch hier eher vom

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791 OLG Hamburg 23.4.2009 – 3 U 151/07 – GRUR-RR 2010, 87 (kollegial-fürsorgliche Motivation), Magazindienst 2009, 762; OLG Zweibrücken 6.6.2012 – 4 U 30/12 – Magazindienst 2012, 767 (2. Vorsitzender des Wettbewerbsverbands, demgegenüber die Drittunterwerfung erfolgte, war Gründer der sich unterwerfenden Schuldnerin, deren Geschäftsführerin seine Tochter ist); LG Frankfurt/Oder 31.3.2011 – 14 O 127/09 – WRP 2011, 1342 (Abmahnung, um mit dem Schuldner in einen „ernsten Dialog“ zu treten und ihn zu „läutern“); LG Dresden 22.7.2005 – 44 O 0436/04 – juris – (ehemalige partnerschaftliche Beziehung); LG Koblenz 21.2.1995 – 4 HO 198/94 – WRP 1995, 1004 (Unterwerfung der Tochtergesellschaft gegenüber der Muttergesellschaft); LG Neuruppin 6.6.2002 – 2 O 284/01 – WRP 2002, 1101 (Einzelkaufmann, der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH ist, unterwirft sich gegenüber GmbH & Co. KG). 792 KG 15.8.1988 – 25 W 3478/88 – GRUR 1988, 930; OLG Frankfurt 7.5.1998 – 6 U 161/97 – WRP 1998, 895; OLG Jena 27.7.2011 – 2 U 303/11 – Magazindienst 2011, 915; OLG Köln 2.7.2010 – 6 U 19/10 – VuR 2011, 155; Teplitzky Kap. 8 Rn. 39, 41. 793 OLG Jena 27.7.2007 – 2 U 303/11 – Magazindienst 2011, 915. 794 Eichelberger WRP 2009, 270, 274; a.A. Tack WRP 1984, 455, 457. 795 Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 57; Borck WRP 1985, 311, 315; Vogt/Vogt NJW 1984, 2860, 2864. 796 OLG Düsseldorf 12.9.1996 – 2 U 24/96 – NJWE-WettbR 1997, 21; OLG Hamburg 27.10.1994 – 3 U 109/94 – NJW-RR 1995, 678; Eichelberger WRP 2009, 270, 273. 797 KG 19.2.2013 – 5 U 56/11 – GRUR-RR 2013, 335 m. Anm. Wenn jurisPR-ITR 13/2013 Anm. 5; OLG Hamm 17.9.1991 – 4 U 63/91 – OLGR 1992, 38 (Ls.); OLG Köln 2.7.2010 – 6 U 19/10 – VuR 2011, 155; 21.10.2011 – 6 U 64/11 – WRP 2012, 221; LG Berlin 23.2.2011 – 97 O 2/11 – Magazindienst 2011, 450; Eichelberger WRP 2009, 270, 273 ff.; Fezer/Büscher § 8 Rn. 89; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.168a; Kues WRP 1985, 196; Strömer/ Grootz WRP 2008, 1148, 1150; Teplitzky Kap. 8 Rn. 41; s. auch Tack WRP 1984, 455, 456. 798 OLG Frankfurt 7.5.1998 – 6 U 161/97 – WRP 1998, 895 (Wiederholungsgefahr wegen inhaltlicher Beschränkung der Unterwerfung als fortbestehend erachtet); OLG Hamburg 27.10.1994 – 3 U 109/94 – NJW-RR 1995, 678; OLG Köln 7.5.1986 – 6 W 37/86 – WRP 1986, 506; anders (bei mitgliedschaftlicher Verbundenheit des Schuldners mit dem Verband) KG 18.2.1991 – 25 U 1289/90 – (juris), OLG Hamburg 10.5.1984 – 3 U 15/84 – WRP 1984, 563, Tack WRP 1984, 457; anders weiter (wegen aus dem Satzungszweck des Verbandes folgender Bedenken gegen eine hinreichende Überwachung der Unterlassungsverpflichtung) OLG Frankfurt 7.7.2003 – 1 U 190/02 – NJW-RR 2003, 1430, OLG Köln 21.10.2011 – 6 U 64/11 – WRP 2012, 221; insgesamt hierzu Eichelberger WRP 2009, 270, 273 f. u. Strömer/ Grootz WRP 2008, 1148, 1150.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Fortbestand der Wiederholungsgefahr auszugehen.799 Allgemein dürfte ein berechtigtes Interesse des Schuldners an der Drittunterwerfung nur dann in Betracht kommen, wenn (bereits) der Schuldner Zweifel an der Anspruchsberechtigung des Abmahners oder seiner Fähigkeit zur Verfolgung von Verstößen hegt.800 Ausnahmsweise wird man die Unterwerfung gegenüber einem zur Verfolgung bereiten und geeigneten Verband, der nicht abgemahnt hat, auch dann anerkennen können, wenn der Schuldner von mehreren Gläubigern abgemahnt worden ist.801 In einem solchen Fall bewirkt allerdings der Zugang der Unterwerfung allein den Fortfall der Wiederholungsgefahr noch nicht, weil die Begründung der von dem Vertragsstrafeversprechen ausgehenden Sanktionsdrohung selbst bei dauerhafter Annahmefähigkeit der Unterwerfung und Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung gem. § 151 S. 1 BGB802 aus Sicht des Schuldners ungewiss ist: von der für die Ernsthaftigkeit der Drittunterwerfung erforderlichen Verfolgungsbereitschaft des Dritten, der zuvor nicht abgemahnt hat, kann nur ausgegangen werden, wenn er die unverlangt übersandte Unterwerfung ausdrücklich angenommen hat.803 Verschweigt der Schuldner einem abmahnendem Gläubiger, dass er sich bereits 146 gegenüber einem Dritten unterworfen hat, so rechtfertigt dieser Umstand Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Drittunterwerfung entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht804 nicht.805 Es ist in tatsächlicher Hinsicht nicht überzeugend, aus solchem gegenüber dem einen abmahnenden Gläubiger gezeigten Verhalten – mögen ihm auch unsachliche Motive zugrunde liegen – darauf zu schließen, der Schuldner wolle sich an das gegenüber einem anderen Gläubiger zuvor gegebene Unterlassungsversprechen nicht halten.806 Führt das Schweigen des Schuldners allerdings dazu, dass der Gläubiger einen – infolge der sodann offengelegten Drittunterwerfung scheiternden – Versuch der gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs unternimmt, so hat der Schuldner wegen Verletzung der aus dem Abmahnverhältnis resultierenden Aufklärungspflicht dem Gläubiger seinen Schaden – die Kosten des (unnötigen) Verfahrens – zu ersetzen.807 Aus dem Umstand, dass der Unterwerfungsgläubiger lediglich regional tätig ist, 147 folgen in der Regel keine hinreichenden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterwerfung.808 Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass der nur regional, nicht aber bun-

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799 OLG Celle 10.06.2010 – 13 U 191/09 – Magazindienst 2010, 704; OLG München 26.2.1998 – 6 U 3622/97 – WRP 1998, 912; OLG Stuttgart 20.5.2010 – 2 U 95/09 – Magazindienst 2010, 876; Teplitzky Kap. 8 Rn. 41. 800 Borck WRP 1985, 311, 315; Eichelberger WRP 2009, 270, 275; Fritzsche S. 193; ders., in: Gloy/ Loschelder/Erdmann § 79 Rn. 32; Teplitzky Kap. 8 Rn. 41. 801 OLG Frankfurt 7.5.1998 – 6 U 161/97 – WRP 1998, 895; 7.7.2003 – 1 U 190/02 – NJW-RR 2003, 1430; Fezer/Büscher § 12 Rn. 89; Teplitzky Kap. 8 Rn. 41; OLG Schleswig 14.10.1997 – 6 U 40/97 – NJWE-WettbR 1998, 91(Unterwerfung gegenüber Konzerngesellschaft); a.A. OLG München 26.2.1998 – 6 U 3622/97 – WRP 1998, 912. 802 Zu diesen regelhaft zu vermutenden Eigenschaften der Unterwerfung s. Rn. 137 f. 803 OLG Frankfurt 9.10.2008 – 6 U 128/08 – OLGR 2009, 111; OLG Hamburg 5.6.2008 – 3 U 248/07 – Urteilsumdruck S. 15 f. (nicht veröff.); Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.168a; Strömer/Grootz WRP 2008, 1148, 1153; Teplitzky Kap. 8 Rn. 41; a.A. Eichelberger WRP 2009, 270, 275. 804 KG 14.1.1986 – 5 U 5506/85 – GRUR 1986, 563; OLG Düsseldorf 11.6.2002 – 20 U 19/02 – WRP 2002, 1019; OLG Frankfurt 23.2.1984 – 6 W 6/84 – GRUR 1984, 669; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.174 (für den Fall hartnäckigen oder böswilligen Verschweigens); Kues WRP 1985, 196, 200 f.; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 20 (für den Fall hartnäckigen oder böswilligen Verschweigens); offengelassen in BGH 13.5.1987 – I ZR 79/85– GRUR 1987, 640 unter II.3.d)cc) – Wiederholte Unterwerfung II. 805 Eichelberger WRP 2009, 270, 275; Fezer/Büscher § 8 Rn. 90; Teplitzky Kap. 8 Rn. 41. 806 Teplitzky Kap. 8 Rn. 41. 807 S. Rn. 52, 56 f. 808 Eichelberger WRP 2009, 270, 274; Fezer/Büscher § 8 Rn. 90; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.171; Teplitzky Kap. 8 Rn. 33, 48.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

desweit tätige Gläubiger womöglich nur eingeschränkt zur bundesweiten Überwachung der Unterlassungspflicht willens oder in der Lage ist und hieraus Zweifel an der Wirksamkeit der Sanktionsdrohung für den Fall des erneuten Verstoßes folgen können. Gehört der regional tätige Unterwerfungsgläubiger zu einem bundesweit agierenden Konzernverbund809 oder einer bundesweiten Arbeitsgemeinschaft von Fach- oder Verbraucherverbänden,810 kann allerdings davon ausgegangen werden, dass auch außerhalb des regional beschränkten Tätigkeitsfeldes erfolgende Verstöße effektiv verfolgt werden. Ansonsten stehen die genannten Zweifel im Einzelfall erst dann der Annahme des Wegfalls der Wiederholungsgefahr entgegen, wenn der Schuldner sich auf Verlangen eines weiteren Gläubigers weigert, sein gegenüber dem Erstabmahner abgegebenes Vertragsstrafeversprechen in der Weise zu bestärken, dass er auch dem weiteren Gläubiger (im Wege des echten Vertrags zugunsten Dritter, § 328 Abs. 1 BGB) verspricht, im Falle des Verstoßes gegen das dem Erstabmahner gegebene vertragliche Unterlassungsversprechen letzterem (nicht aber: dem weiteren Gläubiger) die Vertragsstrafe zu zahlen.811 Ist die Unterwerfung ihrem Inhalt nach nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr 148 auszuräumen, gibt sich der Gläubiger aber mit ihr zufrieden, ohne sich die weitere Rechtsverfolgung vorzubehalten, so kann hierin ein Verzicht mit der Folge liegen, dass inter partes der vertragliche Unterlassungsanspruch an die Stelle des gesetzlichen tritt.812 Die Wiederholungsgefahr gegenüber Dritten bleibt in einem solchen Falle von dem etwaigen Inhalt der Parteivereinbarung unberührt.813 Erkennt der Schuldner, dass das Unterwerfungsverlangen den gesetzlichen Anspruch nicht voll ausschöpft, so empfiehlt sich daher zur Vermeidung weiterer Abmahnungen durch andere Gläubiger die Abgabe einer hinreichend erweiterten, kongruenten Unterwerfung.814 Die Annahme einer Teilunterwerfung815 beinhaltet allerdings regelmäßig nicht den Verzicht auf den weitergehenden gesetzlichen Unterlassungsanspruch.816 cc) Beurteilungszeitpunkt. Für die Beurteilung des Wegfalls der Wiederholungsge- 149 fahr durch Unterwerfung maßgeblicher Zeitpunkt ist derjenige der Abgabe der Unterwerfung; nachträglich eintretende Umstände haben nur insoweit Bedeutung, als sie einen Rückschluss auf die bereits anfänglich fehlende Ernsthaftigkeit zulassen.817 Dem liegt in

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809 BGH 17.1.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371 unter II.2.c)cc) – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; OLG Karlsruhe 11.3.1998 – 6 U 110/97 – WRP 1998, 902; OLG Schleswig 14.10.1997 – 6 U 40/97 – NJWE-WettbR 1998, 91; Fezer/Büscher § 8 Rn. 89; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.171. 810 OLG Düsseldorf 11.6.2002 – 20 U 19/02 – WRP 2002, 1019. 811 BGH 17.01.2002 – I ZR 241/99 – BGHZ 149, 371 unter II.2.c)cc) – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; Teplitzky WRP 1995, 359, 360 f. und ders. Kap. 8 Rn. 48 (unter Hinweis auf die ähnliche Situation der Verweigerung einer formwirksamen Bestätigung der zunächst formlos erklärten Unterwerfung, s. Rn. 111); zustimmend Fezer/Büscher § 8 Rn. 90; vgl. dazu auch – allerdings ohne eigene Stellungnahme – Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.171. 812 OLG Frankfurt 12.12.2002 – 6 W 120/02 – GRUR-RR 2003, 198; OLG Hamm 5.3.1998 – 4 U 144/97 – NJWE-WettbR 1990, 90; OLG Stuttgart 29.8.1997 – 2 U 60/97 – WRP 1997, 1219; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 174; Fezer/Büscher § 8 Rn. 78, 180; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.173; Teplitzky Kap. 7 Rn. 10, Kap. 11 Rn. 5; s. auch Rn. 156. 813 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 174; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.173; Teplitzky Kap. 7 Rn. 10; ders. GRUR 1996, 696, 698. 814 OLG Köln 10.11.2010 – 6 W 100/10 – ZUM-RD 2011, 686 (urheberrechtl. Unterwerfung); vgl. Teplitzky Kap. 8 Rn. 16b; ders. GRUR 1996, 696, 698 f. 815 S. Rn. 122 ff. 816 BGH 25.4.2002 – I ZR 296/99 – GRUR 2002, 824 – Teilunterwerfung; Fezer/Büscher § 8 Rn. 181. 817 BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95– GRUR 1997, 382, 385 – Altunterwerfung I; 26.9.1996 – I ZR 194/95 – GRUR 1997, 386 – Altunterwerfung II; OLG Stuttgart 20.5.2010 – 2 U 95/09 – Magazindienst 2010, 876;

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

begrifflicher Hinsicht zugrunde, dass es sich bei der Beurteilung der Wirkungen einer Unterwerfung auf die Wiederholungsgefahr um eine Unterlassungsprognose818 handelt, die durch spätere tatsächliche Entwicklungen nicht berührt wird. Mit der Beseitigung der Wiederholungsgefahr erlischt der gesetzliche Unterlassungsanspruch endgültig; die Wiederholungsgefahr lebt nicht wieder auf, wenn der Schuldner später erklärt, sich nicht mehr an die Unterwerfung halten zu wollen, oder wenn eine Änderung der Marktverhältnisse die Unterwerfung nicht mehr als ausreichend erscheinen lässt.819 Solche nach Abgabe der Unterwerfungserklärung eintretenden Umstände sind allenfalls dahingehend zu untersuchen, ob sie die Annahme rechtfertigen, es bestehe die konkrete Gefahr eines erneuten Verstoßes (Erstbegehungsgefahr).820 Begeht der Schuldner nach der Unterwerfung einen weiteren identischen oder kerngleichen Wettbewerbsverstoß, so löst dies erneut Wiederholungsgefahr aus und begründet einen neuen, neben die vertraglichen Ansprüche821 auf Unterlassung, Vertragsstrafe und Schadensersatz tretenden gesetzlichen Unterlassungsanspruch.822 d) Prozessuale Relevanz der Unterwerfung 150

aa) Unterwerfung im laufenden Erkenntnisverfahren. Weil eine wirksame Unterwerfung die gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung der Wiederholungsgefahr beseitigt, lässt sie ggf. die Begründetheit einer bereits eingereichten Unterlassungsklage entfallen. Ist die Klage noch nicht zugestellt, besteht nach ihrer Rücknahme die Möglichkeit einer Kostenentscheidung nach Billigkeitsaspekten gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.823 Bei Unterwerfung nach Zustellung der Klage ist der Kläger gehalten, den Rechtsstreit in der Hauptsache noch in derselben Instanz für erledigt zu erklären, um der andernfalls

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Eichelberger WRP 2009, 270, 272; Kaiser S. 246; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.168; Teplitzky Kap. 8 Rn. 47; a.A. (für die Berücksichtigung weiterer, auch nach der Abgabe liegender Umstände, insbesondere des zwischenzeitlichen Verhaltens des Schuldners) BGH 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186 unter II.2 – Wiederholte Unterwerfung I; offengelassen in BGH 13.5.1987 – I ZR 79/85– GRUR 1987, 640 unter II.3.d)cc) – Wiederholte Unterwerfung II; KG 14.1.1986 – 5 U 5506/85 – GRUR 1986, 563; OLG Düsseldorf 11.6.2002 – 20 U 19/02 – WRP 2002, 1019; OLG Frankfurt 23.2.1984 – 6 W 6/84 – GRUR 1984, 669; OLG Hamburg 13.2.1986 – 3 U 119/85 – WRP 1986, 560; OLG Köln 7.5.1986 – 6 W 37/86 – WRP 1986, 506; Gruber GRUR 1991, 354, 357; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 56; Kues WRP 1985, 196, 200 f.; Schnepel WRP 1994, 467, 470 ff. 818 BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95 – BGHZ 133, 316 unter II.2.c)ee) – Altunterwerfung I; 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331 unter II.2.c)ee) – Altunterwerfung II; Eichelberger WRP 2009, 270, 272; hierzu bereits Rn. 125. 819 Ahrens/Achilles Kap. 9 Rn. 5; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.178; Köhler/Piper Vor § 13 Rn. 3 (den gegenteiligen, in Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 69 f. und GRUR 1989, 804 ff. vertretenen Standpunkt aufgebend); Teplitzky Kap. 8 Rn. 49; a.A. Graf Lambsdorff Rn. 693 ff. 820 BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95 – BGHZ 133, 316 unter II.2.c)ee) – Altunterwerfung I; 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331 unter II.2.c)ee) – Altunterwerfung II; OLG Stuttgart 30.7.2009 – 2 U 4/09 – Magazindienst 2009, 974; Ahrens/Achilles Kap. 9 Rn. 5; Teplitzky Kap. 8 Rn. 55; s. aber Köhler GRUR 1989, 804, 807. 821 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 – Kurze Verjährungsfrist; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 175; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.157; Teplitzky Kap. 12 Rn. 10 f. 822 BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241– Rechtsschutzbedürfnis; 7.12.1989 – I ZR 237/87 – GRUR 1990, 534 – Abruf-Coupon; 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 – Kurze Verjährungsfrist; 23.10.1997 – I ZR 98/95 – GRUR 1998, 1043 unter II.3 – GS-Zeichen; 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 unter II.2.b)cc) – Vertragsstrafevereinbarung; Fezer/Büscher § 8 Rn. 91; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 175; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.157; Teplitzky Kap. 8 Rn. 50; a.A. (der erneute Verstoß belege, dass die ursprüngliche Unterwerfung nicht ernsthaft gewesen sei, so dass die Wiederholungsgefahr niemals weggefallen sei) Borck WRP 1978, 7, 9; Vorauflage/Schultz-Süchting § 25 a.F. C Rn. 253. 823 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.107; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 24.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

drohenden Abweisung der Klage als unbegründet zu entgehen.824 Nach § 91a ZPO kostenpflichtig ist die Partei, die im Falle der Fortsetzung des Rechtsstreits unterlegen wäre, nicht etwa stets der Schuldner als „freiwillig Unterlegener“.825 Die Möglichkeit der übereinstimmenden Erledigungserklärung besteht – obgleich die Unterwerfung als solche eine neue, nicht berücksichtigungsfähige Tatsache darstellt826 – auch noch in der Revisionsinstanz.827 Schließt sich der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht an, so ist auf den nunmehr als Erledigungsfeststellungsantrag auszulegenden Klageantrag zu prüfen, ob die Klage im Erledigungszeitpunkt zulässig und begründet war.828 bb) Unterwerfung nach Rechtskraft des Unterlassungstitels. Für eine Unterwer- 151 fung nach Rechtskraft des in der Hauptsache erwirkten Unterlassungstitels ist regelmäßig kein Raum, weil mittlerweile829 anerkannt ist, dass die Wiederholungsgefahr durch einen (auch Drittgläubigern entgegengehaltenen) rechtskräftigen Unterlassungstitel inter omnes beseitigt wird.830 Die Präklusionsvorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO stünde andernfalls der wegen Fortfalls der Wiederholungsgefahr durch Unterwerfung konstruktiv eröffneten Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO aber nicht entgegen.831 Denn es ist für die Frage der Präklusion im Grundsatz bedeutungslos, ob eine die Rechtslage ändernde Tatsache schon früher hätte geschaffen werden können.832 Die Anwendung der für gesetzliche Gestaltungsrechte geltenden Regel, dass für die Präklusion nicht auf den Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrechts, sondern der Entstehung des Gestaltungsgrundes abzustellen ist,833 beinhaltete im Falle der Unterwerfung eine unangemessene Beschränkung der Freiheit des Schuldners zu entscheiden, ob und wann er

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824 BGH 24.10.2005 – II ZR 56/04 – NJW-RR 2006, 566 unter 3.; Fezer/Büscher § 8 Rn. 58; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 1.108; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 24. 825 KG 17.10.2011 – 5 W 193/11 – Magazindienst 2011, 972; OLG Frankfurt 13.1.1977 – 6 W 116/76 – WRP 1977, 270; 31.5.2011 – 11 W 15/11 – GRUR-RR 2011, 338; OLG Oldenburg 12.8.2009 – 1 W 37/09 – GRUR-RR 2010, 252; Traub FS Gaedertz, S. 563; Teplitzky Kap. 46 Rn. 45 m.w.N. in Fn. 259; Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 25; a.A. BGH 10.2.2004 – VI ZR 110/03 – MDR 2004, 698; OLG Hamburg 31.1.2005 – 5 W 150/04 – Magazindienst 2005, 1355. 826 BGH 22.6.1989 – I ZR 120/87 – GRUR 1989, 758 unter II.2 – Gruppenprofil. 827 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.110; vgl. auch Teplitzky Kap. 46 Rn. 43. 828 BGH 15.1.1982 – V ZR 50/81 – BGHZ 83, 12 – Erledigung der Hauptsache; 9.5.1996 – I ZR 107/94 – GRUR 1996, 800 unter II. – EDV-Geräte; 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174 unter II. – Berühmungsaufgabe; Teplitzky Kap. 46 Rn. 43. 829 Anders die früher h.M.: OLG Hamm 19.2.1991 – 4 U 231/90 – GRUR 1991, 706; 12.12.1991 – 4 U 257/91 – WRP 1992, 397; OLG Köln 10.1.1997 – 6 U 78/96 – WRP 1997, 482; Ahrens/Ahrens Kap. 55 Rn. 31; Baumbach/Hefermehl22 (2001) Einl. UWG Rn. 288; Köhler/Piper Vor § 13 Rn. 11; Kugelberg S. 49 ff.; Rödding WRP 1988, 514, 515. 830 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450 – Begrenzte Preissenkung; KG 20.8.1992 – 25 U 2754/92 – WRP 1993, 22; 25.10.1996 – 5 U 4912/96 – WRP 1998, 71; OLG Hamburg 20.6.1984 – 3 W 103/84 – GRUR 1984, 889; OLG Karlsruhe 11.6.1986 – 6 U 29/86 – WRP 1986, 502; 10.4.1991 – 6 U 164/90 – GRUR 1991, 619; 30.3.1995 – 6 W 6/95 – GRUR 1995, 504; vgl. auch schon BGH 5.1.1960 – I ZR 100/58 – GRUR 1960, 379, 381 – Zentrale; Fezer/Büscher § 8 Rn. 94; Harte/Henning/Bergmann § 8 Rn. 19; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 1.50; Teplitzky Kap. 7 Rn. 4a. 831 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 171; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.110a; a.A. KG 29.7.2005 – 5 W 93/05 – Magazindienst 2005, 1052, Ahrens/Achilles Kap. 9 Rn. 9. 832 BGH 22.2.1962 – II ZR 119/61 – NJW 1962, 915; 11.3.1983 – V ZR 287/81 – WM 1983, 658 unter II.2.b)aa); 7.7.2005 – VII ZR 351/03 – BGHZ 163, 339 unter II.2.b)cc); Lorenz NJW 1995, 2258, 2259 f.; MünchKommZPO/Schmidt § 767 Rn. 80. 833 So schon RG 20.11.1903 – III 414/03 – RGZ 64, 228; BGH 11.4.1957 – VII ZR 212/56 – BGHZ 24, 97; 16.2.1961 – VII ZR 191/59 – BGHZ 34, 279; 30.3.1994 – VIII ZR 132/92 – BGHZ 125, 351; MünchKommZPO/ Schmidt § 767 Rn. 80; Zöller/Herget § 767 Rn 14.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

sich unterwirft, um eine vertragliche Unterlassungs- und Vertragsstrafenverpflichtung neu zu begründen.834 3. Unterlassungsvertrag a) Funktion und Rechtsnatur. Die außergerichtliche Streitbeilegung im Wettbewerbsrecht lebt von der im Rahmen der Vertragsfreiheit innerhalb der von der Rechtsordnung gezogenen Grenzen gegebenen Möglichkeit, durch die Schaffung vertraglicher Unterlassungspflichten (§§ 241 Abs. 1 S. 2, 311 BGB) die gerichtliche Auseinandersetzung über gesetzliche Unterlassungsansprüche zu vermeiden oder zu beenden.835 Der vertragliche Unterlassungsanspruch tritt, ohne dass der Gläubiger die Wettbewerbswidrigkeit der beanstandeten Handlung nachweisen oder der Schuldner diese eingestehen müsste836 bzw. nachträglich die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens bestreiten könnte,837 an die Stelle des gesetzlichen Anspruchs und bildet die Grundlage eines für den Fall der Zuwiderhandlung gegebenen Vertragsstrafeversprechens.838 153 Der Streit um die Rechtsnatur des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsvertrags – in Betracht kommt die Einordnung als kausales (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis,839 Vergleich (§ 779 BGB),840 Vertrag sui generis841 oder abstraktes Schuldversprechen bzw. Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB)842 – ist aus den bereits genannten Gründen843 im Sinne der letztgenannten Auffassung zu beantworten: Die Parteien bezwecken mit dem Unterlassungsvertrag in der Regel, eine selbständige vertragliche Unterlassungspflicht des Schuldners anstelle des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs zu schaffen (Novation). Der Unterlassungsvertrag ist auf ständiges Unterlassen der beanstandeten Wettbewerbshandlung gerichtet und stellt daher ein Dauerschuldverhältnis dar.844

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b) Zustandekommen. Das Zustandekommen des wettbewerbsrechtlichen Unterwerfungsvertrags richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften über den Vertragsschluss.845 Beinhaltet bereits die Abmahnung – wie häufig – ein etwa durch Beifügung einer vorformulierten Unterwerfung inhaltlich hinreichend bestimmtes Vertragsangebot, so kommt der Unterlassungsvertrag durch den Zugang der mit dem Angebot übereinstimmenden – aus Gründen der Rechtssicherheit ausdrücklich zu erklärenden846 – Un-

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834 Zum Erfordernis der Abwägung zwischen der Entscheidungsfreiheit des Schuldners und dem Normzweck des § 767 Abs. 2 ZPO s. MünchKommZPO/Schmidt § 767 Rn. 82. 835 Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 86; Teplitzky Kap. 11 Rn. 5. 836 S. Rn. 115. 837 Vgl. BGH 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331 unter II. – Altunterwerfung II. 838 Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 86; Teplitzky Kap. 11 Rn. 6. 839 OLG Köln 11.4.1984 – 6 U 264/83 – GRUR 1984, 674; Lindacher GRUR 1975, 413, 414 ff.; ders. FS Canaris, S. 1393, 1394; Mes GRUR 1978, 345, 346. 840 Kugelberg S. 78 ff. 841 Petersen GRUR 1978, 156; Nirk/Kurtze Rn. 112; Tetzner GRUR 1981, 803, 806. 842 Ahrens, Wettbewerbsverfahrensrecht S. 387 Fn. 92; Köhler FS v. Gamm, 57, 64 ff.; Vorauflage/ders. Vor § 13 a.F. B Rn. 90; ders. GRUR 1996, 231. 843 S. Rn. 110 mit den dortigen Nachweisen. 844 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 unter II.1.c)aa) – Kurze Verjährungsfrist; OLG Schleswig 16.10.2001 – 6 U 34/01 – WRP 2002, 123; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 45; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 120; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 89; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.113; Petersen GRUR 1978, 156, 157; Tetzner GRUR 1981, 803, 806. 845 BGH 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 14 – Vertragsstrafevereinbarung; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 27 – Testfundstelle; Teplitzky Kap. 20 Rn. 6. 846 Fischer FS Piper, S. 205, 209; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 45; Teplitzky WRP 1994, 709, 710.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

terwerfung des Schuldners zustande.847 Geht der Unterwerfung ein Angebot nicht voraus oder stellt sie eine abändernde Annahme im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB dar, begründet die Annahme des in der Unterwerfung liegenden Vertragsangebots durch den Gläubiger den Unterlassungsvertrag.848 Im Falle eines erstmaligen Angebots des Schuldners wird einhellig angenommen, dass der Schuldner regelmäßig ein entgegen §§ 146, 147 Abs. 2 BGB unbefristetes Vertragsangebot unterbreitet und auf den Zugang der Annahmeerklärung des Gläubigers gem. § 151 S. 1 BGB verzichtet; dieses Angebot kann der Gläubiger also jederzeit und durch bloße Willensbetätigung annehmen.849 Handelt es sich bei der Unterwerfung des Schuldners hingegen um eine das vorangegangene Angebot des Gläubigers abändernde Annahme, die gem. § 150 Abs. 2 BGB als neues Vertragsangebot gilt,850 so ist nach h.M. ein Zugang der Annahmeerklärung gem. § 151 S. 1 BGB regelmäßig nicht entbehrlich.851 Dem kann jedoch für den Fall der Teilunterwerfung – wie bereits ausgeführt852 – nicht zugestimmt werden: auch in dieser Konstellation ist wegen des Interesses des Schuldners an einem baldmöglichsten Wegfall der Wiederholungsgefahr bzw. des Interesses des Gläubigers an der umgehenden Begründung des Vertragsstrafeversprechens allein die Annahme des regelhaften Verzichts auf das Zugangserfordernis gem. § 151 S. 1 BGB interessengerecht. Dem Gläubiger ist jedenfalls zu empfehlen, eine als unzureichend empfundene Unterwerfung ausdrücklich anzunehmen und zugleich zu erklären, an dem weitergehenden Unterlassungsverlangen festhalten zu wollen, denn dies sichert ihm wenigstens einen minimalen Vertragstrafenanspruch und bewahrt ihn vor dem Risiko, dass ein Gericht die vom Gläubiger zurückgewiesene Unterwerfung als für den Fortfall der Wiederholungsgefahr ausreichend erachtet und mithin den gesetzlichen Anspruch verneint;853 in der bloßen Zurückweisung einer abändernden Unterwerfung wird man ein solches Verhalten allerdings nicht erblicken können.854 Als abstraktes Schuldversprechen bzw. -anerkenntnis im Sinne der §§ 780, 781 BGB bedarf die Erteilung der Unterlassungserklärung als Leistungsversprechen855 – so-

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847 BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 unter II.6.a) – Fortsetzungszusammenhang; 25.4.2002 – I ZR 296/99 – GRUR 2002, 824 unter II.1.a) – Teilunterwerfung; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 18 – Testfundstelle; KG 11.7.1986 – 5 U 1878/85 – WRP 1986, 680; OLG Düsseldorf 6.12.1994 – 20 U 66/94 – WRP 1995, 223, 226; OLG Hamburg 22.8.1974 – 3 U 56/74 – WRP 1974, 686; OLG Karlsruhe 29.12.1988 – 4 U 215/87 – WRP 1990, 51; OLG Köln 23.11.1984 – 6 U 96/84 – GRUR 1985, 148, 149; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 3, 10; Ahrens/Deutsch6 Kap. 1 Rn. 31; Burchert WRP 1985, 478, 479 f.; Eichmann FS Helm, S. 287, 297; Fischer FS Piper, S. 205, 209; Fritzsche S. 283; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 208 f.; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 125; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.115; Petersen GRUR 1978, 156 f.; Pokrant FS Erdmann, S. 863, 866; Teplitzky Kap. 8 Rn. 3; a.A. die früher h.M., die in der Abmahnung stets eine invitatio ad offerendum erkannte: OLG Hamburg 18.12.1986 – 3 U 138/86 – GRUR 1988, 240 (Ls.); LG Freiburg 21.8.1980 – 3 S 96/80 – WRP 1980, 719; Borck WRP 1974, 372. 848 BGH 25.4.2002 – I ZR 296/99 – GRUR 2002, 824 unter II.2 – Teilunterwerfung; 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 15 – Vertragsstrafevereinbarung; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 11; Büscher/Dittmer/ Schiwy Vor § 12 Rn. 77, 80; Fezer/Büscher § 8 Rn. 66 f., 170; Fritzsche S. 308; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 127 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.115; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 16; Teplitzky Kap. 8 Rn. 3. 849 S. Rn. 138. 850 Dies ist bereits bei nur unwesentlichen Abweichungen der Fall, BGH 18.10.2000 – XII ZR 179/98 – NJW 2001, 211, 212; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 19 – Testfundstelle; MünchKommBGB/ Busche § 150 Rn. 8. 851 S. Rn. 138. 852 S. Rn. 139. 853 Köhler FS Gernhuber, S. 207, 209 f.; Kaiser S. 28 f.; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 50. 854 Kaiser S. 29; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 50. 855 Nicht hingegen die Annahmeerklärung des Gläubigers, die auch konkludent erfolgen kann, vgl. BGH 18.10.1990 – IX ZR 258/89 – NJW 1991, 228; Palandt/Sprau § 780 Rn. 6.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

fern nicht im kaufmännischen Verkehr (§§ 343, 350 HGB) oder im Vergleichswege (§ 782 BGB) erklärt – der gesetzlichen Schriftform gemäß § 126 BGB.856 Dass auch Verbände Gläubiger eines durch ein Vertragsstrafeversprechen gesicher155 ten vertraglichen Unterlassungsanspruchs sein können, ist heute allgemein anerkannt, weil der mit einem Vertragsstrafeversprechen gesicherte Unterlassungsvertrag im wettbewerbsrechtlichen Kontext vorrangig der Verhinderung zukünftiger Verstöße und nur nachrangig dem pauschalierten Schadensausgleich dient und es für die Erfüllung des erstgenannten Zwecks auf die (im Falle der Verbände fehlende) Berechtigung zum Schadensersatz gem. § 9 nicht ankommt.857 Die Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs, 3 ist nicht Voraussetzung der Wirksamkeit und Geltendmachung vertraglicher Unterlassungs- oder Vertragsstrafeansprüche.858 c) Wirksamkeit 156

aa) Bestimmtheitsanforderungen. Die Wirksamkeit des Unterlassungsvertrags unterliegt nicht den restriktiven Bestimmtheitsanforderungen, die gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO für den Klageantrag gelten, denn der Unterlassungsvertrag ist nicht unmittelbare Vollstreckungsgrundlage, sondern ggf. (lediglich) Anspruchsgrundlage in einem im Streitfalle folgenden Erkenntnisverfahren; hierfür genügt es, wenn die Unterlassungspflicht zwar nicht bestimmt, aber mithilfe des maßgeblichen Parteiwillens doch bestimmbar ist. 859 Von der Frage der Wirksamkeit ist auch diejenige der Eignung des Unterlassungsvertrags für die Ausräumung der Wiederholungsgefahr zu trennen: eine Unterwerfung, die die Wiederholungsgefahr nicht auszuräumen vermag, weil sie hinsichtlich des zu unterlassenden Verhaltens zu unspezifisch ist oder aus anderen Gründen keinen hinreichend ernsthaften Unterlassungswillen dokumentiert,860 kann gleichwohl rechtsgeschäftlich hinreichend bestimmt und daher zur Begründung einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung geeignet sein.861

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bb) Anfechtung. Der einem relevanten Irrtum unterliegende oder vom Gläubiger arglistig getäuschte Schuldner kann ggf. den Vertrag gem. §§ 119 ff. BGB anfechten.862 Irrt

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856 S. Rn. 111. 857 BGH 26.6.1970 – I ZR 14/69– GRUR 1970, 558 unter II. – Sanatorium; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 88; Teplitzky Kap. 20 Rn. 10; s. bereits Rn. 125. 858 OLG Bremen 19.8.1993 – 2 U 54/93 – (juris); OLG Frankfurt 18.9.1980 – 6 U 204/79 – WRP 1980, 704; OLG Köln 20.6.1986 – 6 U 56/86 – NJW-RR 1987, 360; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 88; s. allerdings OLG München 24.10.1991 – 6 U 2337/91 – WRP 1992, 270 (Anspruchsverfolgung bei fehlender gesetzlicher Anspruchsberechtigung rechtsmissbräuchlich). Zur Anfechtung wegen Fehlens der Anspruchsberechtigung s. Rn. 157. 859 KG 20.2.1989 – 25 U 4290/88 – WRP 1990, 39; OLG Karlsruhe 29.12.1988 – 4 U 215/87 – WRP 1990, 51; OLG Koblenz 3.7.1986 – 6 U 591/85 – WRP 1986, 694; Fischer FS Piper, S. 205, 209 f.; Teplitzky Kap. 20 Rn. 8; ders. WRP 1990, 26, 27. 860 Hierzu s. Rn. 114 ff. 861 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61 unter II.A.1.a) – Preisvergleichsliste; KG 19.1.1989 – 25 U 4290/88 – GRUR 1990, 143; 20.2.1989 – 25 U 4290/88 – WRP 1990, 39; OLG Karlsruhe 29.12.1988 – 4 U 215/87 – WRP 1990, 51; OLG Koblenz 3.7.1986 – 6 U 591/85 – WRP 1986, 694; Fischer FS Piper, S. 205, 209; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 147; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.121; Teplitzky Kap. 8 Rn. 16, Kap. 20 Rn. 8; ders. WRP 1990, 26; diese Differenzierung vernachlässigend OLG Frankfurt 14.1.1988 – 6 U 206/86 – GRUR 1988, 563. 862 OLG Bremen 19.8.1993 – 2 U 54/93 – (juris); OLG Köln 20.6.1986 – 6 U 56/86 – NJW-RR 1987, 360; OLG München 24.1.1985 – 6 U 2640/84 – WRP 1985, 237; OLG Schleswig 16.10.2001 – 6 U 34/01 – WRP 2002, 123; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 45; Gottschalk GRUR 2004, 827, 828; Kaiser S. 116; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.165; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 297. Für Wegfall der Geschäftsgrundlage ex tunc,

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

sich der Schuldner über die Rechtswidrigkeit des abgemahnten Verhaltens, so liegt hierin aber lediglich ein unbeachtlicher Motivirrtum.863 Unterschiedlich wird die Bedeutung eines Irrtums über die Anspruchsberechtigung des Gläubigers im Sinne des § 8 Abs. 3 gesehen. Die auf Mitbewerberstellung oder Verbandsausstattung und Satzungszweck beruhende Anspruchsberechtigung wird z.T. als eine „verkehrswesentliche Eigenschaft“ des Gläubigers im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB beurteilt und dem Schuldner ein Anfechtungsrecht zugesprochen.864 Überwiegend wird dem Schuldner die Anfechtung zu Recht verwehrt, weil es im Risikobereich des Schuldners liegt, die Anspruchsberechtigung wie die Berechtigung einer Abmahnung überhaupt richtig einzuschätzen.865 cc) Kartellrechtliche Schranken. Ein Vertrag, mit dem der Schuldner sich zur Un- 158 terlassung eines nach dem Gesetz unzulässigen wettbewerblichen Verhaltens verpflichtet, ist in der Theorie kartellrechtlich unbedenklich, weil das GWB nur den erlaubten, nicht aber den nach anderen Normen verbotenen Wettbewerb schützt.866 In der Praxis befinden sich die Parteien allerdings bei der Einordnung des jeweiligen Streitfalls häufig in der „Grauzone“ zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem Wettbewerbsverhalten 867 und müssen den Sachverhalt „über das gesetzte und bereits gesprochene Recht“868 hinaus beurteilen. Dieser Unsicherheit Rechnung tragend hat der Bundesgerichtshof für Fälle des Vergleichsschlusses entschieden, dass das Kartellrecht potentiell wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen dann nicht entgegenstehe, wenn die ernsthafte, objektiv begründete Annahme veranlasst sei, der Vertragspartner habe einen Anspruch auf Unterlassung der durch den Vergleich untersagten Handlung und es sei im Falle eines gerichtlichen Verfahrens ernstlich mit einem Verbot zu rechnen; denn beschränke sich eine solche Vereinbarung auf das erforderliche Maß, sei es nicht gerechtfertigt, den Parteien die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung zu verwehren.869 Angesichts des gleichermaßen anerkennenswerten Streitvermeidungsinteresses ist es angemessen, diese Regel auf den Fall der auf eine Abmahnung hin erklärten Unterwerfung – sie stellt mangels wechselseitigen Nachgebens typischerweise

_____ wenn der Abmahnende die Rechtslage falsch dargestellt hat, OLG Stuttgart 16.4.1993 – 2 U 243/92 – WM 1993, 2185. 863 OLG Schleswig 16.10.2001 – 6 U 34/01 – WRP 2002, 123; Kaiser S. 116; s. auch OLG Bremen 19.8.1993 – 2 U 54/93 – (juris): Der Anspruch sei keine „Sache“ i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB und sein Bestehen keine „Eigenschaft“. 864 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 153 (die Anfechtung aber ausschließend, wenn sich die Parteien zuvor über die Anspruchsberechtigung gestritten haben); Kaiser S. 157 f.; differenzierend Fritzsche S. 338 f. (Anfechtung gem. § 119 Abs. 2 BGB, wenn sich der Schuldner gutgläubig einem von mehreren abmahnenden Gläubigern unterworfen hat, dann aber von einem weiteren Gläubiger auf das Fehlen der Anspruchsberechtigung hingewiesen wird). 865 Die Tatbestandsvoraussetzung der verkehrswesentlichen Eigenschaft verneinend OLG Bremen 19.8.1993 – 2 U 54/93 – (juris); Fezer/Büscher § 8 Rn. 178; Rieble GRUR 1995, 252, 254; Staudinger/ders. § 339 Rn. 41. 866 BGH 26.10.1961 – KZR 3/61 – BGHZ 36, 105 unter IV.2.b) – Speditionswerbung; 18.11.1986 – KZR 41/85 – GRUR 1987, 304 – Aktion Rabattverstoß; Immenga/Mestmäcker/Zimmer GWB3 (2001) § 1 Rn. 157; Kaiser S. 115; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 101; ders. FS v. Gamm, S. 57, 71; Kroitzsch WRP 1984, 117, 118; Schulte/Just/Lober Kartellrecht (2012) § 1 Rn. 48; Wiebe WRP 1984, 117, 118. 867 Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 102; Rieble GRUR 1995, 252, 256. 868 Kroitzsch WRP 1984, 117, 118. 869 BGH 15.2.1955 – I ZR 86/53 – BGHZ 16, 296, 303 – Herzwandvasen; 22.5.1975 – KZR 9/74 – BGHZ 65, 147 unter I.2 – Thermalquelle; 5.7.2005 – X ZR 14/03 – GRUR 2005, 845 unter B.II.2.b) – Abgasreinigungsvorrichtung; 7.12.2010 – KZR 71/08 – GRUR 2011, 646 unter II.2.a) – Jette Joop (zu einer markenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarung).

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

keinen Vergleich dar870 – zu übertragen.871 Selbst wenn ein Unterlassungsvertrag im Einzelfall aber eindeutig erlaubtes Verhalten verbietet, dürfte es für einen Verstoß gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV häufig an der weiteren tatbestandlichen Voraussetzung der Spürbarkeit872 der Wettbewerbsbeeinträchtigung fehlen, weil es an einem hinreichenden wettbewerblichen Gewicht des unterlassungspflichtigen Unternehmers oder der betroffenen Einzelmaßnahme fehlt und daher mit der Unterlassung eine relevante Auswirkung auf die Marktverhältnisse nicht verbunden ist.873 In dem kartellrechtlichen Ausnahmefall, dass die nach dem Vertrag geschuldete 159 Unterlassung für das Marktgeschehen spürbar ist, bewirkt der Eintritt nachträglicher Rechtmäßigkeit des zu unterlassenden Verhaltens, dass die Wirksamkeit des Unterlassungsvertrags wegen Verstoßes gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV ex nunc ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Parteien bzw. der Fachöffentlichkeit entfällt.874 160

dd) AGB-Kontrolle. Mit der Abmahnung übersandte Unterlassungsvertragsangebote können den Bestimmungen über Einbeziehung und Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) unterliegen: die Bezugnahme auf einen individuellen Wettbewerbsverstoß steht der Annahme nicht entgegen, dass weitere Klauseln „für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert“ sind (vgl. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB).875 Dies wird man allerdings für den „Gelegenheitsabmahner“, der erstmalig und ohne weitere Verwendungsabsicht eine solche Erklärung versendet, nicht annehmen können, sofern es sich nicht um ein von Dritten – etwa einem Verband – für die mehrfache Verwendung konzipiertes Muster handelt.876

161

d) Inhalt und Auslegung. Die Auslegung des Unterlassungsvertrags folgt den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts; gem. §§ 133, 157 BGB ist unter Berücksichtigung des Inhalts der Vertragserklärungen und der beiderseits bekannten Umstände – insbesondere der Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihres Zwecks, der Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien und ihrer Interessenlage – der

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870 S. Rn. 110. 871 BGH 21.4.1983 – I ZR 201/80 – GRUR 1983, 602 unter IV.2 – Vertragsstraferückzahlung; Kaiser S. 115; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 101; ders. FS v. Gamm, S. 57, 71; Kroitzsch WRP 1984, 117, 118; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 256; ders. GRUR 1995, 252, 256; Teplitzky Kap. 20 Rn. 11; Wiebe WRP 1984, 117, 118. 872 S. zu diesem Begriff Immenga/Mestmäcker/Zimmer GWB3 (2001) § 1 Rn. 256 ff.; Bechtold/Bechtold GWB6 (2010) § 1 Rn. 36 ff. 873 Kaiser S. 116; Rieble GRUR 1995, 252, 256; Teplitzky Kap. 20 Rn. 11; s. auch (zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung) Reuthal S. 239 ff., 242 und Sack S. 80. 874 Fezer/Büscher § 8 Rn. 179; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 101; ders. FS v. Gamm, S. 57, 71, 75; Kaiser S. 126; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 258; ders. GRUR 1995, 252, 256; für den Fall der Rechtsprechungsänderung hinsichtlich des Zeitpunkts a.A. Fritzsche S. 341 (abzustellen sei auf die Verkündung der Entscheidung); s. auch (offenlassend, ob es für die Unwirksamkeit auf den Zeitpunkt der Änderung der Rechtslage oder der Kenntnis der Parteien ankommt) BGH 21.4.1983 – I ZR 201/80 – GRUR 1983, 602 unter IV.2 – Vertragsstraferückzahlung; a.A. (Unwirksamkeit ex tunc im Falle einer für nichtig erkannten Norm) LG Berlin 3.2.1984 – 15 O 676/83 – NJW 1984, 1564. 875 Vgl. BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 unter II.6.a) – Fortsetzungszusammenhang; OLG Düsseldorf 6.12.1994 – 20 U 66/94 – WRP 1995, 223; 23.10.1996 – 11 U 19/96 – WRP 1997, 93, 98; 14.11.2011 – I-20 W 132/11 – CR 2012, 187; OLG Hamburg 29.7.1999 – 3 U 171/98 – Magazindienst 2000, 23; OLG Jena 21.3.2012 – 2 U 602/11 – Magazindienst 2012, 635; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 144; Heckelmann WRP 1995, 166 ff.; Kaiser S. 32; Teplitzky Kap. 20 Rn. 10. 876 Kaiser S. 32; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 78.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

wirkliche Wille der Vertragsparteien zu ermitteln.877 Vor allem dem Inhalt des Abmahnschreibens kann in diesem Zusammenhang Bedeutung zukommen.878 Verbindet der Gläubiger die Abmahnung mit einem Unterwerfungsvertragsangebot, so ist der objektivierte Empfängerhorizont des Schuldners,879 bei erstmaligem oder abänderndem Vertragsangebot des Schuldners derjenige des Gläubigers maßgebliche Perspektive.880 Soweit es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, sind die diesbezüglichen Auslegungsregeln – insbesondere § 305c Abs. 2 (Unklarheitenregel) – zu beachten.881 Die Parteien sind in der inhaltlichen Gestaltung des Unterwerfungsvertrags, vor al- 162 lem also in der Vereinbarung der Reichweite der Unterlassungspflicht prinzipiell frei und an die Merkmale der den Anlass der Unterwerfung bildenden Verletzungsform nicht gebunden.882 Aufgrund des vertraglichen Charakters der Unterwerfung, der auch durch die etwaige Niederlegung in einem Prozessvergleich nicht tangiert wird,883 finden die für die Auslegung von Vollstreckungstiteln maßgeblichen Grundsätze – insbesondere die für die Ermittlung der Reichweite des titulierten Verbots herangezogene Frage nach dem „Kern“ der Unterlassungsverpflichtung, der auch nicht identische, aber das Charakteristische der Verletzungshandlung unberührt lassende Abwandlungen erfasst884 – daher keine unmittelbare Anwendung.885 Weil allerdings der Zweck der Unterwerfung die Er-

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877 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61 – Preisvergleichsliste; 27.1.1994 – I ZR 1/92 – GRUR 1994, 387 unter II.1 – Back-Frites; 17.7.1997 – I ZR 40/95 – GRUR 1997, 931 unter II.1.a) – Sekundenschnell; 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471 unter II.1.b)bb) – Modenschau im Salvatorkeller; 25.1.2001 – I ZR 323/98 – BGHZ 146, 318 unter II.1 – Trainingsvertrag; 3.7.2003 – I ZR 297/00 – GRUR 2003, 899 unter II.1.a) – Olympiasiegerin; 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 18 – Vertragsstrafevereinbarung; 10.6.2009 – Az. I ZR 37/07 – GRUR 2010, 167 Tz. 19 – Unrichtige Aufsichtsbehörde; Fritzsche S. 319; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 143; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.121; Spätgens FS Gaedertz, S. 545, 556; Teplitzky Kap. 8 Rn. 14, Kap. 20 Rn. 8. 878 KG 19.1.1989 – 25 U 4290/88 – GRUR 1990, 143; 20.2.1989 – 25 U 4290/88 – WRP 1990, 39; OLG Karlsruhe 29.12.1988 – 4 U 215/87 – WRP 1990, 51; 10.3.1993 – 6 U 145/92 – Magazindienst 1993, 681; OLG München 13.1.2005 – 6 U 2773/04 – GRUR 2005, 695; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 216 f. 879 BGH 17.7.1997 – I ZR 40/95 – GRUR 1997, 931 unter II.1.a) – Sekundenschnell; Fezer/Büscher § 8 Rn. 174; Fritzsche S. 320. 880 Fezer/Büscher § 8 Rn. 174; Fritzsche S. 320. 881 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 144. 882 Vgl. BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61 unter II.1.a) – Preisvergleichsliste; OLG Hamburg 15.6.1995 – 3 U 31/95 – NJWE-WettbR 1996, 37; Fischer FS Piper, S. 205, 209; Teplitzky Kap. 12 Rn. 13; ders. WRP 1990, 26, 27 f. 883 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 142; Nieder WRP 2001, 117, 120; Teplitzky Kap. 8 Rn. 14. 884 Zur sog. Kernlehre s. BGH 16.2.1989 – I ZR 76/87 – GRUR 1989, 445 unter II.2.b)aa) – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung; 25.4.1991 – I ZR 134/90 – GRUR 1991, 772 unter III. – Anzeigenrubrik I; 25.6.1992 – I ZR 136/90 – GRUR 1992, 858 unter II.5 – Clementinen; 1.4.1993 – I ZR 85/91 – GRUR 1993, 579 unter II.5 – Römer GmbH; 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290 unter II.2.b) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1997, 379 unter II.1 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; 29.2.1996 – I ZR 6/94 – GRUR 1996, 796 unter III. – Setpreis; 17.7.1997 – I ZR 40/95 – GRUR 1997, 931 unter II.1.b) – Sekundenschnell; 5.3.1998 – I ZR 229/95 – GRUR 1998, 1039 unter II.2.b) – Fotovergrößerungen; 10.12.1998 – I ZR 141/96 – GRUR 1999, 509 unter IV.2.a) – Vorratslücken; 15.12.1999 – I ZR 159/97 – GRUR 2000, 337 unter I.2.d) – Preisknaller; 29.6.2000 – I ZR 29/98 – GRUR 2000, 907 unter I.3.a)(4) – Filialleiterfehler; 14.11.2002 – I ZR 137/00 – GRUR 2003, 446 unter II.2 – Preisempfehlung für Sondermodelle; 3.7.2003 – I ZR 297/00 – GRUR 2003, 899 unter II.1.a) – Olympiasiegerin; 11.3.2004 – I ZR 81/01 – GRUR 2004, 517 unter II.4 – E-Mail-Werbung; 11.9.2008 – I ZR 58/06 – GRUR 2009, 418 Tz. 18 – Fußpilz; 10.6.2009 – Az. I ZR 37/07 – GRUR 2010, 167 Tz. 22 – Unrichtige Aufsichtsbehörde; Ahrens/ Achilles Kap. 8 Rn. 5; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 57; Fezer/Büscher § 8 Rn. 69; Fritzsche S. 309 f.; juris-PK/Hess § 12 Rn. 49; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.123; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 5; Teplitzky Kap. 6 Rn. 9, Kap. 8 Rn. 16, Kap. 57 Rn. 12 f.; ders. GRUR 1996, 696, 698. 885 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61 unter II.1.a) – Preisvergleichsliste; 17.7.1997 – I ZR 40/95 – GRUR 1997, 931 unter II.1.a) – Sekundenschnell; 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471 unter II.1.b)bb) – Modenschau im Salvatorkeller; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.121; Teplitzky Kap. 12 Rn. 13; anders

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

setzung des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs ist, kommt der Reichweite dieses Anspruchs – und in diesem Rahmen auch der Kernlehre – bei der Bestimmung des Parteiwillens durchaus Bedeutung zu:886 Einerseits möchte der Schuldner die Wiederholungsgefahr gegenüber allen Gläubigern ausräumen und mithin im Zweifel die Unterwerfung auch auf – vom gesetzlichen Anspruch erfasste – kerngleiche Verletzungshandlungen erstrecken.887 Eine solche Auslegung kommt allerdings dann nicht in Betracht, wenn der Wille zur Erstreckung auf kerngleiche Formen durch Zusätze oder Veränderungen – auch auf Nachfrage des Gläubigers888 – unklar bleibt889 oder sich aus den Umständen ein Wille zur Beschränkung allein auf identische Handlungen ergibt, etwa weil der Schuldner eine ihm vom Gläubiger angesonnene Erstreckung auf kerngleiche Handlungen ablehnt890 oder angesichts eines auch kerngleiche Formen erfassenden Klageantrags die im Prozess erfolgende Unterwerfung auf die konkrete Verletzungsform beschränkt.891 Andererseits kann die begrenzte Reichweite des gesetzlichen Anspruchs auch den Willen des Schuldners zur Unterwerfung limitieren, weil dieser in aller Regel keine Veranlassung hat, sich über diesen Anspruch hinausgehend zu unterwerfen.892 Unterwirft sich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts strafbewehrt, so wird regelmäßig nicht eine persönliche Unterlassungshaftung der Gesellschafter begründet, sondern lediglich eine solche der Gesellschaft; die Gesellschafter haften allein auf das Interesse.893 163 Ob eine weit gefasste, über den gesetzlichen Anspruch hinausgehende Unterwerfung im Hinblick auf den ihr zugrundeliegenden Verletzungsfall einengend auszulegen ist, bedarf der genauen Untersuchung der Einzelfallumstände.894 Bleibt hingegen die

_____ allerdings die früher in der Rspr. überwiegende Meinung: OLG Düsseldorf 19.1.1978 – 2 U 10/78 – WRP 1979, 522; OLG Hamburg 18.12.1986 – 3 U 138/86 – GRUR 1988, 240; OLG Stuttgart 12.9.1986 – 2 U 58/86 – WRP 1987, 200. 886 Fritzsche S. 319; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 290; Spätgens FS Gaedertz, S. 545, 556; s. auch Bacher S. 172. 887 BGH 9.11.1995 – I ZR 212/93 – GRUR 1996, 290 unter II.2.b) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; 10.7.1997 – I ZR 62/95 – GRUR 1998, 483 unter II.3 – Der M.-Markt packt aus; 17.7.1997 – I ZR 40/95 – GRUR 1997, 931 unter II.1.b) – Sekundenschnell; 3.7.2003 – I ZR 297/00 – GRUR 2003, 899 unter II.1.a) – Olympiasiegerin; 11.9.2008 – I ZR 58/06 – GRUR 2009, 418 Tz. 18 – Fußpilz; OLG Hamburg 28.3.1996 – 3 U 198/95 – NJWE-WettbR 1996, 249; 26.7.2001 – 3 U 322/00 – OLGR 2001, 455; OLG Karlsruhe 11.3.1998 – 6 U 110/97 – WRP 1998, 902; OLG Köln 22.10.1999 – 6 U 88/99 – WRP 2000, 226; OLG München 15.7.1999 – 29 U 2268/99 – Magazindienst 1999, 1290; OLG Schleswig 14.10.1997 – 6 U 40/97 – NJWE-WettbR 1998, 91; OLG Stuttgart 21.8.2008 – 2 U 41/08 – OLGR 2009, 329; Fezer/Büscher § 8 Rn. 175; Fritzsche S. 320; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Schwippert § 84 Rn. 44; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 145; Schuschke/Walker/ Kessen Anhang zu § 935 C Rn. 5; Teplitzky Kap. 8 Rn. 16. 888 OLG Köln 12.2.2010 – 6 U 127/09 – GRUR-RR 2010, 339. 889 OLG Hamburg 27.7.2009 – 5 W 76/09 – Magazindienst 2010, 732; 21.11.2011 – 3 U 117/11 – Magazindienst 2012, 52. 890 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450 unter II.1 – Begrenzte Preissenkung; OLG Frankfurt 11.11.1996 – 6 W 136/96 – WRP 1997, 101; 31.5.2011 – 11 W 15/11 – GRUR-RR 2011, 338; OLG Hamburg 15.6.1995 – 3 U 31/95 – NJWE-WettbR 1996, 37; 28.3.1996 – 3 U 198/95 – NJWE-WettbR 1996, 249; 27.7.2009 – 5 W 76/09 – Magazindienst 2010, 732; OLG Köln 14.7.1995 – 6 U 146/94 – NJWE-WettbR 1996, 66; Fritzsche S. 321; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 146; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.123; Teplitzky Kap. 8 Rn. 16a; ders. GRUR 1996, 696, 698; ders. WRP 2005, 654, 657 f. 891 So der Sachverhalt in BGH 11.3.2004 – I ZR 81/01 – GRUR 2004, 517 – E-Mail-Werbung; hierzu Fezer/ Büscher § 8 Rn. 176. 892 Vgl. BGH 3.4.2003 – I ZR 222/00 – GRUR 2003, 889 unter II.1 – Internet-Reservierungssystem; 10.6.2009 – Az. I ZR 37/07 – GRUR 2010, 167 Tz. 22 – Unrichtige Aufsichtsbehörde; OLG Jena 25.4.2007 – 2 U 38/07 – GRUR-RR 2007, 332; Fezer/Büscher § 8 Rn. 175; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 143, 185. 893 BGH 20.6.2013 – I ZR 201/11 – GRUR 2013, 1268 – Markenheftchen II. Zur höchstpersönlichen Natur der Unterlassungspflicht s. Rn. 180. 894 Vgl. KG 20.2.1989 – 25 U 4290/88 – WRP 1990, 39; OLG Karlsruhe 29.12.1988 – 4 U 215/87 – WRP 1990, 51; strenger Staudinger/Rieble § 339 Rn. 292 (der Schuldner – regelmäßig Kaufmann – müsse sich an seiner weit gefassten Erklärung festhalten lassen).

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Unterwerfung hinter dem in der Abmahnung enthaltenen Verlangen des Gläubigers zurück, so spricht dies – weil der Gläubiger sich erkennbar nur in geringerem Umfang hat durchsetzen können – für eine eng am Wortlaut der Unterwerfung orientierte Auslegung.895 Je höher die versprochene Vertragsstrafe im Verhältnis zur Bedeutung des mit ihr gesicherten Unterlassungsanspruchs ist, umso eher ist es geboten, sich bei der Auslegung der Unterwerfung eng an ihrem Wortlaut zu orientieren.896 Die Auslegung des Unterlassungsvertrags kann ergeben, dass der Schuldner nicht 164 nur zur Unterlassung, sondern auch zur Vornahme von Handlungen verpflichtet ist, sofern dies zur Abwendung oder Beseitigung des Störungszustands erforderlich ist; das Unterlassen von erfolgsverhindernden Maßnahmen ist dann pflichtwidrig.897 Typische Fälle sind die Pflichten, einen vor der Unterwerfung erteilten Anzeigenauftrag zu kündigen bzw. das Erscheinen der Anzeige zu verhindern898 oder auf die ordungsgemäße Gestaltung der Anzeige hinzuwirken,899 zuvor verteilte rechtsverletzende Waren oder Werbematerial zurückzuholen900 oder zuvor veranlasste Werbung im Internet zu unterbinden.901 Gleichermaßen durch Auslegung ist zu klären, ob die Parteien Vorbereitungs- und 165 Versuchshandlungen in die Unterlassungspflicht einbeziehen wollten.902 Dies dürfte regelmäßig zu verneinen sein, wenn die Verpflichtung das Ausbleiben eines Erfolgseintritts zum Gegenstand hat; hier zählt allein, dass der Erfolg unterbleibt, selbst wenn der Schuldner alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, um den Erfolg herbeizuführen.903 Bei Anknüpfung an eine bestimmte Handlung ergibt sich aus dem Sinnzusammenhang häufig Aufschluss: Bezieht sich das Verbot ausdrücklich auf eine bestimmte Vertriebsform und werden in der Verpflichtungserklärung zudem Vertriebsform und Werbung unterschieden, so ist (nur) die Werbung für die verbotene Vertriebsform nicht erfasst.904 Ist dem Schuldner das „Ausspannen und Abwerben von Kunden und Mitarbeitern“ verboten, so hat dies Tätigkeits-, nicht Erfolgsbezug und entspricht die Erstreckung auf das Versuchsstadium dem vertragsimmanenten Gebot des wirkungsvollen Schutzes der wirtschaftlichen Interessen des Gläubigers.905

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895 OLG München 13.1.2005 – 6 U 2773/04 – GRUR 2005, 695; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 291. 896 BGH 13.2.2003 – I ZR 281/01 – GRUR 2003, 545 – Hotelfoto; OLG Jena 25.4.2007 – 2 U 38/07 – GRURRR 2007, 332; Ahrens/Achilles Kap. 9 Rn. 3; Fezer/Büscher § 8 Rn. 175; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1; Teplitzky Kap. 8 Rn. 14. 897 Kaiser S. 53; Kiethe WRP 1986, 644; Teplitzky Kap. 20 Rn. 15. 898 OLG Düsseldorf 12.7.1984 – 2 U 5/84 – GRUR 1985, 81; OLG Hamm 19.12.1989 – 4 U 187/89 – NJW-RR 1990, 1197; OLG Köln 10.12.1982 – 6 U 137/82 – WRP 1983, 452; 12.7.1985 – 6 U 19/85 – GRUR 1986, 195. 899 OLG Köln 7.5.1986 – 6 U 210/85 – WRP 1986, 505. 900 KG 11.7.1986 – 5 U 1878/85 – WRP 1986, 680; 30.3.1999 – 5 U 63/98 – KGR 2000, 59; OLG Hamburg 29.11.2006 – 5 U 99/06 – WRP 2007, 844 (Ls.); OLG München 28.5.2014 – 29 W 546/14 – Magazindienst 2014, 698; s. aber OLG Hamburg 4.7.1996 – 3 U 192/95 – NJWE-WettbR 1997, 56 u. dazu Staudinger/Rieble § 339 Rn. 291 (Verpflichtung zur Unterlassung der Herstellung und des Vertriebs eines Produkts umfasst keine Pflicht zum Rückruf bereits vor Unterwerfung hergestellter und vertriebener Ware); ferner auch OLG Karlsruhe 28.12.2001 – 6 W 101/01 – InVo 2002, 384. 901 BGH 13.11.2013 – I ZR 77/12 – GRUR 2014, 595 – Vertragsstrafenklausel; OLG Düsseldorf 17.12.2013 – I-20 U 52/13 – GRUR-RR 2014, 155; OLG Köln 12.2.2010 – 6 U 169/09 – GRUR-RR 2010, 354. 902 Fischer FS Piper, S. 205, 209; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 217; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 284; Teplitzky Kap. 20 Rn. 13. 903 Kaiser S. 104 f.; a.A. Köhler FS Gernhuber, S. 207, 217. 904 OLG Hamburg 30.3.2006 – 3 U 133/05 – OLGR 2007, 569. 905 BGH 1.6.1983 – I ZR 78/81 – GRUR 1984, 72 – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung; für das Erfordernis einer ausdrücklichen Versuchsstrafbarkeit OLG Köln 14.12.1992 – 11 W 58/92 – JurBüro 1993, 627.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

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Der Unterlassungsvertrag, der eine rechtsgeschäftliche Konkretisierung der durch die Verletzungshandlung und die darauf folgende Abmahnung begründeten wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung906 darstellt, beinhaltet ferner nach Treu und Glauben zu bestimmende Rücksichtnahme- und Informationspflichten: So kann der Schuldner verpflichtet sein, den Gläubiger durch rechtzeitige Information über den Charakter eines fremdverschuldeten (Schein-)Verstoßes vor Kostennachteilen zu bewahren, die für den Gläubiger mit einer andernfalls erwartbaren (zum Scheitern verurteilten) Verfahrenseinleitung verbunden sind,907 oder Auskunft darüber zu erteilen, ob er nur einmalig oder öfter gegen die Unterlassungspflicht verstoßen habe.908 Den Gläubiger treffen allerdings bei der Verfolgung von Verstößen, die auf eigenverantwortlichem Verhalten des Schuldners beruhen, regelmäßig keine über das Verbot des Rechtsmissbrauchs hinausgehenden Rücksichtnahme- oder Beobachtungspflichten.909

167

e) Beendigung. Die Parteien des Unterlassungsvertrags können diesen im Wege des Aufhebungsvertrags aufheben.910 Der Vertrag kann ferner durch die Ausübung eines vereinbarten Kündigungsrechts oder den Eintritt einer auflösenden Bedingung enden.911 Die Frage nach der Auswirkung auf die Fortdauer des Unterlassungsvertrags stellt sich aber auch dann, wenn sich die Gesetzeslage ändert, eine höchstrichterliche Klärung der Rechtslage oder eine Veränderung der tatsächlichen Umstände eintritt, dies die Voraussetzungen des vereinbarten Unterlassungsanspruchs berührt und die Parteien hierfür keine vertragliche Vorsorge getroffen haben.

168

aa) Kündigung. Aufgrund des Charakters des Unterlassungsvertrags als Dauerschuldverhältnis912 kommt wegen eingetretener rechtlicher oder tatsächlicher Veränderungen ein Kündigungsrecht des Schuldners aus wichtigem Grund in Betracht, wenn ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 BGB). Ist etwa infolge veränderter Umstände die Aktivlegitimation des Gläubigers entfallen, so kann die Interessenabwägung zu dem Ergebnis führen, dass die Vertragsfortsetzung für den Schuldner unzumutbar ist, auch wenn die Rechtswidrigkeit des zu unterlassenden Verhaltens unberührt bleibt.913 Deutlicher zu-

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906 Hierzu bereits Rn. 52 ff. 907 BGH 7.12.1989 – I ZR 62/88 – GRUR 1990, 542 unter II.1 – Aufklärungspflicht des Unterwerfungsschuldners. 908 BGH 20.6.1991 – I ZR 277/89 – GRUR 1992, 61 unter II.B.2.b) – Preisvergleichsliste. 909 Hierzu s. Rn. 207. 910 Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 46; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 120; Gottschalk GRUR 2004, 827 f.; ders. WRP 2004, 1321; Teplitzky Kap. 20 Rn. 23. Denkbar ist auch ein Anspruch auf Aufhebung wegen vorvertraglichen Verschuldens (jetzt §§ 311 Abs. 2, 280, Abs. 1, 249 BGB): OLG Karlsruhe 11.3.1998 – 6 U 141/97 – Magazindienst 1998, 929; Gottschalk GRUR 2004, 828; MünchKommUWG/Ottofülling § 12 Rn. 297; zurückhaltend aber OLG Bremen 19.8.1993 – 2 U 54/93 – (juris); Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 45 hält – entgegen OLG Karlsruhe a.a.O. – die fahrlässig falsche Darstellung der Rechtslage nicht für ein das Verlangen der Vertragsaufhebung rechtfertigendes vorvertragliches Verschulden, weil es Sache des Schuldners sei, sich selbst kundig zu machen. 911 Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 46; Teplitzky Kap. 20 Rn. 23; zu den Auswirkungen von Kündigungsvorbehalten und Bedingungen auf die Wiederholungsgefahr s. Rn. 115, 120 f. 912 S. Rn. 153. 913 BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95 – GRUR 1997, 382 unter II. – Altunterwerfung I; 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331 unter II. – Altunterwerfung II; 5.3.1998 – I ZR 202/95 – GRUR 1998, 954 unter III.2 – Altunterwerfung III; 6.7.2000 – I ZR 243/97 – GRUR 2001, 85 unter II.2 – Altunterwerfung IV; Fezer/Büscher § 8 Rn. 189; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 162 f.; Kaiser S. 153; Teplitzky Kap. 20 Rn. 25; a.A. Melullis FS Piper, S. 375, 392 f.; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 261; ders. JZ 1997, 904, 907.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

gunsten des Schuldners geht die Abwägung aus, wenn das zu unterlassende Verhalten nachträglich rechtmäßig geworden ist, etwa weil sich Marktverhältnisse oder Verkehrsverständnis gewandelt haben oder die Verbotsnorm oder das beanspruchte Schutzrecht entfallen sind oder wenn sich die höchstrichterliche914 Rechtsprechung zugunsten des Schuldners geändert hat:915 dem Schuldner muss zum einen, um eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung des vertraglichen Unterlassungsschuldners gegenüber dem Schuldner eines gerichtlichen Verbots zu vermeiden, die Berufung auf Umstände gestattet werden, die im Falle eines gerichtlichen Verbots die Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO begründen würden;916 zum anderen wäre es unvertretbar, den Schuldner am vertraglichen Verbot festzuhalten und ihm so wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeiten vorzuenthalten, die seinen Konkurrenten offenstehen (die Überwachung der Einhaltung auch weniger bedeutsamer Unterlassungspflichten ist jedenfalls belastend).917 Fraglich ist, ob die Interessenlage anders zu bewerten ist, wenn die Parteien eine bestehende Unsicherheit über die rechtliche Einordnung durch den Abschluss eines – mangels wechselseitigen Nachgebens im Falle der Unterwerfung auf vorherige Abmahnung in der Regel nicht gegebenen918 – Unterlassungsvergleichs gerade ins vertragliche Kalkül gezogen haben. Die Annahme, in einem solchen Falle werde generell das Veränderungsrisiko auf den Schuldner verlagert, erscheint nicht angemessen; sowohl Parteiwille als auch das Postulat der Wettbewerbsfreiheit werden eher dafür sprechen, den Schuldner nicht an der Unterlassungspflicht festzuhalten.919 Erforderlich ist aber auch hier eine Würdigung der im Einzelfall gegebenen Umstände und Interessen.920 Die außerordentliche Kündigung beseitigt den Unterlassungsvertrag mit Wirkung ex 169 nunc.921 Die Kündigung ist – dies kann jetzt § 314 Abs. 3 BGB entnommen werden – innerhalb angemessener Frist, die mit Kenntniserlangung des Berechtigten zu laufen beginnt, zu erklären;922 die Fristdauer ist nach den Umständen des Einzelfalls, dabei tendenziell großzügig zu bemessen.923 Vertragsstrafen, die wegen vor der Kündigung begangener Verstöße verwirkt worden sind, müssen bezahlt bzw. können nicht zurückgefordert werden,924 sofern nicht ausnahmsweise die Geltendmachung der Vertragsstrafe

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914 Nicht ausreichend ist eine im Risikobereich des Schuldners liegende Änderung in der instanzgerichtlichen Beurteilung, BGH 9.3.2010 – VI ZR 52/09 – WRP 2010, 772 Tz. 15, 21 f.; auch die Rechtsauffassung des DPMA steht einer höchstrichterlichen Leitentscheidung nicht gleich, BGH 8.5.2014 – I ZR 210/12 – WRP 2014, 948 Tz. 25 – fishtailparka. 915 BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95 – GRUR 1997, 382 unter II.2.c)dd) – Altunterwerfung I; OLG Hamburg 28.1.1999 – 3 U 65/98 – NJWE-WettbR 2000, 129; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 53; Fezer/Büscher § 8 Rn. 189; Gottschalk WRP 2004, 1321 f.; Pokrant FS Erdmann, S. 863, 869; Teplitzky Kap. 20 Rn. 25. 916 BGH 8.5.2014 – I ZR 210/12 – WRP 2014, 948 Tz. 24 – fishtailparka. 917 Staudinger/Rieble § 339 Rn. 259. 918 S. Rn. 110. 919 Köhler FS v. Gamm, S. 57, 78 (zum Wegfall der Geschäftsgrundlage); strenger (unter Berufung auf den Grundsatz der Vertragstreue, der nur im Ausnahmefall durchbrochen werden solle) Klaka GRUR 1983, 604. 920 Vgl. OLG Hamburg 3.6.1975 – 3 W 64/75 – WRP 1975, 532 (zum Wegfall der Geschäftsgrundlage); Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 108; Teplitzky Kap. 20 Rn. 27; vgl. auch Kaiser S. 128. 921 BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95 – GRUR 1997, 382 unter II.2.d) – Altunterwerfung I; 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331 unter III.2. – Altunterwerfung II; 5.3.1998 – I ZR 202/95 – GRUR 1998, 954 unter III.2 – Altunterwerfung III; 6.7.2000 – I ZR 243/97 – GRUR 2001, 85 unter II.2 – Altunterwerfung IV; Ahrens/ Achilles Kap. 8 Rn. 46; Fezer/Büscher § 8 Rn. 196; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 163; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 259, 266. 922 BGH 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331 unter III.2.e) – Altunterwerfung II; Ahrens/Achilles Kap. 9 Rn. 47. 923 Fezer/Büscher § 8 Rn. 194. 924 BGH 21.4.1983 – I ZR 201/80 – GRUR 1983, 602 unter III.2 – Vertragsstraferückzahlung; 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471 unter II.1.a) – Modenschau im Salvatorkeller; 6.7.2000 – I ZR 243/97 – GRUR

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, weil – wie höchst selten der Fall – zweifelsfrei und offensichtlich ist, dass der vertragliche Unterlassungsanspruch nicht mehr besteht.925 170

bb) Wegfall der Geschäftsgrundlage. Die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die die früher h.M. im Falle des Eintritts nachträglicher Rechtmäßigkeit926 oder auch (nur) des Wegfalls der Aktivlegitimation des Gläubigers927 heranzog, sind als eigenständiges schuldrechtliches Rechtsinstitut neben der Kündigung aus wichtigem Grund anwendbar;928 sie können nicht nur zur einer Anpassung des Vertrags,929 sondern gem. § 313 Abs. 3 S. 2 BGB auch zur Kündigung führen. Für die Anwendung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage neben der Kündigung aus wichtigem Grund besteht aber häufig praktisch kein Bedürfnis mehr, weil letztere weniger strengen Anforderungen unterliegt:930 wegen des in jedem Dauerschuldverhältnis angelegten Elements der Vertragsbeendigungsfreiheit sind im Falle der Kündigung aus wichtigem Grund geringere Anforderungen an die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung zu stellen als für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage, der nur im Ausnahmefall eine Durchbrechung des Grundsatzes der Vertragstreue („pacta sunt servanda“) gestattet.931 Ein eigener Anwendungsbereich verbliebe, wenn man dem Wegfall der Geschäftsgrundlage im Einzelfall eine Wirkung ex tunc zuspräche, wie dies in der Literatur für den Fall angenommen wird, dass die Parteien bei Abschluss des Vertrags übereinstimmend irrig davon ausgehen, dass das zu unterlassende Verhalten rechtswidrig ist (nicht aber dann, wenn sich der Schuldner angesichts einer Ungewissheit über die Rechtmäßigkeit auf eine Unterwerfung einlässt).932

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2001, 85 unter II.2 – Altunterwerfung IV; KG 17.10.1994 – 25 U 7940/93 – GRUR 1995, 144; OLG Düsseldorf 23.10.1996 – 11 U 19/96 – WRP 1997, 93; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 57; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 164; Melullis FS Piper, S. 375, 392 f.; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 259; a.A. (Kondizierbarkeit wegen späteren Wegfalls des rechtlichen Grundes gem. § 812 Abs. S. 2 1. Hs. BGB) Koblitz WRP 1997, 382, 387. 925 Vgl. BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95 – GRUR 1997, 382 unter II.4.a) – Altunterwerfung I; 6.7.2000 – I ZR 243/97 – GRUR 2001, 85 unter II.3 – Altunterwerfung IV; OLG Karlsruhe 7.5.2012 – 6 U 187/10 – WRP 2012, 1296; s. auch OLG Hamm 17.8.2010 – I-4 U 62/10 – GRUR-RR 2011, 196; OLG Jena 27.9.2006 – 2 U 1076/05 – Magazindienst 2007, 70; OLG München 24.10.1991 – 6 U 2337/91 – WRP 1992, 270; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 57; Gottschalk WRP 2004, 1321, 1323; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 160; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 479; Hartwig FS Pagenberg, S. 301, 309; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.164; Teplitzky Kap. 20 Rn. 35; a.A. („Wer ein offensichtliches Vertragslösungsrecht nicht nutzt, dem ist nicht zu helfen“) Staudinger/ Rieble § 339 Rn. 263, ders. JZ 1997, 904, 908; ablehnend auch Kaiser S. 154 f. 926 BGH 2.5.1972 – VI ZR 47/71 – BGHZ 58, 355 unter II.3; 21.4.1983 – I ZR 201/80 – GRUR 1983, 602 unter III.2 – Vertragsstraferückzahlung; OLG Düsseldorf 6.12.1994 – 20 U 66/94 – WRP 1995, 223; OLG Köln 16.3.1984 – 6 U 211/83 – WRP 1984, 433; OLG München 8.3.1984 – 6 U 2985/83 – GRUR 1984, 375; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 107; Luckner WRP 1984, 186 ff.; Sommerlad NJW 1984, 1489, 1495; Völp GRUR 1984, 486, 491. 927 KG 17.10.1994 – 25 U 7940/93 – GRUR 1995, 144; OLG Stuttgart 3.11.1995 – 2 U 138/95 – WRP 1996, 65; LG Frankfurt 19.10.1994 – 2/6 S 3/94 – WRP 1995, 67; LG München I 15.3.1996 – 21 S 19100/95 – WRP 1996, 810; LG Würzburg 21.12.1994 – 4 S 1749/94 – WRP 1995, 1004 (Ls.); Engler NJW 1995, 2185, 2188; Wiebe WRP 1995, 75; Ulrich WRP 1995, 86; Melullis Rn. 663; Nägele WRP 1995, 1023; a.A. Rieble GRUR 1995, 252; Teplitzky Kap. 20 Rn. 21; ders. WRP 1995, 275; ders. WRP 1996, 1004, 1005. 928 Kaiser S. 121. 929 Vgl. BGH 21.4.1983 – I ZR 201/80 – GRUR 1983, 602 unter III.2 – Vertragsstraferückzahlung; 31.5.1990 – I ZR 233/88 – GRUR 1990, 1005 – Salome I; Gottschalk WRP 2004, 1321, 1322. 930 BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95 – GRUR 1997, 382 unter II.2.b) – Altunterwerfung I; 26.9.1996 – I ZR 194/95 – BGHZ 133, 331 unter III.2.b) – Altunterwerfung II; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 58. 931 BGH 8.5.2014 – I ZR 210/12 – WRP 2014, 948 Tz. 23 – fishtailparka; Haarmann S. 127, 128 f.; Kaiser S. 150 f.; primär auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage abstellend Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.161 f. 932 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 153; Kaiser S. 118; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 106 (für analoge Anwendung des § 779 BGB); ders. FS v. Gamm, S. 57, 77; noch weitergehend (Wegfall ex tunc,

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

cc) Kondiktion. Eine Kondiktion der Unterwerfung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. 171 BGB (condictio indebiti) wegen anfänglich fehlender Wettbewerbswidrigkeit des zu unterlassenden Verhaltens oder gem. § 812 Abs. 1 S. 2 1. Alt. BGB (condictio ob causam finitam) wegen nachträglicher rechtlicher oder tatsächlicher Veränderung kommt nicht in Betracht. Zwar ist die Unterwerfung typischerweise abstraktes Schuldversprechen933 und unterliegt als solches, wie § 812 Abs. 2 BGB klarstellt, der Kondiktion, wenn es am Rechtsgrund fehlt oder dieser später wegfällt. Rechtsgrund der Unterwerfung ist aber regelmäßig die zwischen den Parteien getroffene Zweckvereinbarung, eine gerichtliche Auseinandersetzung über den gesetzlichen Unterlassungsanspruch zu vermeiden und diesen durch einen vertraglichen Anspruch zu ersetzen; dieser Zweck wird bereits mit Abschluss des Unterwerfungsvertrags erreicht und kann daher auch später nicht wegfallen.934 f) Rechtsnachfolge aa) Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite. Veräußert der Gläubiger sein Unterneh- 172 men durch Übertragung sämtlicher zum Unternehmen gehörender Gegenstände einschließlich des vertraglichen Unterlassungsanspruchs auf einen Dritten,935 so bestehen gegen die Wirksamkeit der Abtretung des Anspruchs ebenso wenig Bedenken wie im Falle der – anerkanntermaßen zulässigen936 – gemeinsam mit der Unternehmensveräußerung erfolgenden Abtretung des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs.937 Mit der Abtretung gehen gem. § 401 BGB die für die Forderung bestehenden Neben- und Vorzugsrechte auf den neuen Gläubiger über. Nebenrecht in diesem Sinne ist auch das Vertragsstrafeversprechen,938 das der Sicherung der Unterlassungspflicht dient und daher akzessorisch zu diesem ist;939 von diesem Übergang nicht erfasst ist allerdings der – unstreitig selbständig abtretbare940 – Anspruch auf die bereits verwirkte Vertragsstrafe.941 Der Schuldner, der eine verwirkte Vertragsstrafe an den bisherigen Gläubiger leistet, ist durch § 407 BGB

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wenn der Abmahnende die Rechtslage falsch dargestellt hat) OLG Stuttgart 16.4.1993 – 2 U 243/92 – WM 1993, 2185. 933 S. Rn. 110. 934 BGH 5.3.1998 – I ZR 202/95 – GRUR 1998, 954 unter II.3.b) – Altunterwerfung III; Harte/Henning/ Brüning § 12 Rn. 158; Hartwig FS Pagenberg, S. 301, 309; Köhler FS v. Gamm, S. 57, 65, 78; ders. GRUR 1996, 231 f.; Melullis FS Piper, S. 375, 379 f.; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 260; Teplitzky Kap. 20 Rn. 25 Fn. 147; a.A. Gruber WRP 1992, 71, 86 (für den Fall anfänglich bestehender Rechtmäßigkeit), Koblitz WRP 1997, 382, 387 (bei nachträglicher Veränderung). 935 Zum Fall des § 25 Abs. 1 HGB und den Folgen der Unternehmensveräußerung ohne Abtretung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs s. Rn. 182. 936 BGH 23.9.1992 – I ZR 251/90 – BGHZ 119, 237 unter II.1.c)aa) – Universitätsemblem; Legehennenhaltung 6.7.1995 – I ZR 4/93 – BGHZ 130, 182 unter II.1; 22.2.2001 – I ZR 194/98 – GRUR 2001, 1158 unter II.3.b) – Dorf MÜNSTERLAND; 5.7.2001 – I ZR 311/98 – unter II.1.b) – SPIEGEL-CD-ROM; Fezer/ Büscher § 8 Rn. 114; Köhler AcP 190 (1990), S. 496, 526; Teplitzky Kap. 15 Rn. 3. 937 Für die Gleichbehandlung von gesetzlichem und vertraglichem Anspruch Teplitzky Kap. 15 Rn. 15. 938 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 178 (analoge Anwendung des § 401 BGB); MünchKommBGB/ Gottwald § 339 Rn. 15; MünchKommBGB/Roth § 401 Rn. 9; Erman/Schaub § 339 Rn. 4; K. Schmidt FS Heinrichs, S. 529, 531; Erman/Westermann § 401 Rn. 2; a.A. Staudinger/Busche § 401 Rn. 32; Staudinger/ Rieble § 339 Rn. 403. 939 Zur Akzessorietät der Vertragsstrafe s. Rn. 189. 940 BGH 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 Tz. 25 – Kinderwärmekissen; Erman/Schaub § 339 Rn. 4; Teplitzky Kap. 20 Rn. 21. Ob der Anspruch auf die noch nicht verwirkte Vertragsstrafe isoliert vom Unterlassungsversprechen abtretbar ist, ist umstritten, s. Rn. 208. 941 Palandt/Grüneberg § 401 Rn. 6; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 403; a.A. Erman/Westermann § 401 Rn. 2.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

bzw. – im Falle der Firmenfortführung – gem. § 25 Abs. 1 S. 2 HGB942 geschützt.943 Ist die Unterwerfung durch eine Schutzrechtsverletzung veranlasst, gilt das Vorstehende entsprechend für den Fall der Übertragung des Schutzrechts, auf den die §§ 413, 398 BGB neben den insoweit bestehenden Spezialvorschriften (§ 27 MarkenG, § 15 PatG, § 22 GebrMG, § 29 GeschMG) ergänzend Anwendung finden.944 Die Zulässigkeit der isolierten, d.h. ohne Übertragung des geschützten Rechts oder 173 Rechtsguts (etwa des Unternehmens) erfolgenden945 Abtretung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs ist umstritten. Fraglich ist, ob die gegen die isolierte Abtretung des gesetzlichen Anspruchs angeführten Bedenken – es handele sich um eine gem. § 399 1. Alt. BGB unzulässige Inhaltsänderung946 bzw. eine unzulässige Aufspaltung von Rechtsposition und Abwehranspruch947 – im Falle des vertraglichen Anspruchs gleichermaßen berechtigt sind. Überwiegend wird zu Recht davon ausgegangen, dass der isolierte Wechsel in der 174 Gläubigerstellung des Unterlassungsanspruchs den Inhalt des vertraglichen Anspruchs regelmäßig nicht verändert und deshalb das in § 399 1. Alt. BGB geregelte Abtretungsverbot der Abtretung des Unterlassungsanspruchs nicht entgegensteht.948 Eine Inhaltsänderung im Sinne des § 399 1. Alt. BGB droht anerkanntermaßen, wenn es sich um einen höchstpersönlichen Anspruch handelt, der Anspruch aus seinem rechtlichen Zusammenhang oder seiner rechtlichen Grundlage nicht gelöst werden kann oder die Abtretung wegen eines schutzwürdigen Interesses des Schuldners, nur an eine bestimmte Person leisten zu müssen, für diesen unzumutbar ist.949 Eine Inhaltsänderung unter dem Aspekt der Personengebundenheit des Anspruchs scheidet aus, weil allenfalls die Unterlassungsverpflichtung, deren Inhalt das nicht substituierbare Unterlassen gerade des versprechenden Schuldners ist,950 nicht aber die vertragliche Unterlassungsberechtigung höchstpersönlichen Charakter hat.951 Der vertragliche Anspruch ist auch – anders als der gesetzliche Unterlassungsanspruch – nicht untrennbar mit der durch ihn geschützten Rechtsposition verbunden, sondern stellt eine später hinzutretende, zusätzliche Rechtsmacht des Begünstigten dar, auf welche dieser auch wieder verzichten kann. 952 Schließlich wird man auch eine Unzumutbarkeit der Abtretung für den Schuldner im Regelfall kaum annehmen können. Es trifft zwar zu, dass dem Schuldner

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942 Zum Streit um die dogmatische Einordnung des § 25 Abs. 1 S. 2 HGB s. nur Baumbach/Hopt Handelsgesetzbuch35 (2012) § 25 Rn. 21 m.w.N. 943 Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 197; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 178; Köhler WRP 2000, 921, 927. 944 Ingerl/Rohnke § 27 Rn. 6; Schulte/Kühnen PatG8 (2008) § 15 Rn. 16; Benkard/Ullmann/Grabinski PatG10 (2006) § 22 GebrMG Rn. 3; Eichmann/v. Falckenstein GeschMG4 (2010) § 29 Rn. 3; MünchKommBGB/ Roth § 413 Rn. 5. 945 Köhler AcP 190 (1990), S. 496, 527. 946 BGH 22.2.2001 – I ZR 194/98 – GRUR 2001, 1158 unter II.3.b) – Dorf MÜNSTERLAND; 5.7.2001 – I ZR 311/98 – unter II.1.b) – SPIEGEL-CD-ROM; Fezer/Büscher § 8 Rn. 114; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 3.18; Teplitzky Kap. 15 Rn. 3. 947 RG 15.6.1935 – I 220/34 – RGZ 148, 146 f.; BGH 23.2.1973 – V ZR 109/71 – BGHZ 60, 235 unter 2.b); BAG 12.9.1984 – 1 AZR 342/83 – BAGE 46, 322 unter A.II.2; Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 234; ders.AcP 190 (1990), S. 496, 526. 948 Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 196; Fritzsche S. 450 f.; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 178; Köhler AcP 190 (1990), S. 496, 526; ders. WRP 2000, 921, 926; Melullis Rn. 668; a.A. Teplitzky Kap. 15 Rn. 6, der für eine Gleichbehandlung jedenfalls des vertraglichen Anspruchs mit dem – nicht isoliert abtretbaren – gesetzlichen Anspruch plädiert, weil der vertragliche Anspruch lediglich an dessen Stelle trete; im Ergebnis ebenso Gloy/Loschelder/Erdmann/Fritzsche § 79 Rn. 224. 949 MünchKommBGB/Roth § 399 Rn. 2. 950 S. Rn. 180. 951 Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 197; Köhler WRP 2000, 921, 926. 952 Köhler AcP 190 (1990), S. 496, 528.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

bei Abschluss des Unterlassungsvertrags nicht daran gelegen sein dürfte, dem Gläubiger einen von dessen Gläubigerstellung unabhängigen „handelbaren“ Anspruch zu verschaffen.953 Das Interesse des Schuldners, dauerhaft nur dem Adressaten der Unterwerfung verpflichtet zu sein, ist aber jedenfalls dann nicht schutzwürdig, wenn es sich bei dem neuen Gläubiger um einen Mitbewerber oder anderweitig nach § 8 Abs. 3 Verfolgungsberechtigten handelt.954 Denn der Schuldner hat – mit Ausnahme des Falls der Abmahnung durch mehrere Gläubiger – ohnehin nur die Wahl, ob, nicht aber, gegenüber wem oder zu wessen Gunsten er sich unterwirft, wenn er zuverlässig die Wiederholungsgefahr beseitigen will.955 Dann aber belastet ihn auch die spätere Abtretung des Unterlassungsanspruchs nicht in unzumutbarer Weise. Vielfach wird die Wirksamkeit der Abtretung des vertraglichen Unterlassungsan- 175 spruchs davon abhängig gemacht, dass der Zessionar seinerseits nach § 8 Abs. 3 anspruchsberechtigt ist, weil andernfalls eine der gesetzgeberischen Intention dieser Vorschrift zuwiderlaufende Vermehrung von Verfolgungsberechtigten drohe.956 Der gegen diesen Standpunkt vorgebrachten Kritik ist zwar zuzugeben, dass die Unterwerfung als abstraktes Schuldanerkenntnis eine von den Voraussetzungen des gesetzlichen Anspruchs losgelöste Verpflichtung darstellt.957 Das Fehlen der Anspruchsberechtigung des Neugläubigers nach § 8 Abs. 3 berührt aber – sieht man nicht bereits die Abtretung wegen Unzumutbarkeit als nach § 399 1. Alt. BGB unwirksam an958 – nicht anders als bei nachträglichem Wegfall der Anspruchsberechtigung959 die Zumutbarkeit der Vertragsfortsetzung, so dass dem Schuldner in einer solchen Konstellation ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zuzugestehen sein dürfte.960 Veräußert der Gläubiger sein Unternehmen, ohne zugleich den auf dieses bezoge- 176 nen vertraglichen Unterlassungsanspruch auf den Erwerber zu übertragen, so entfällt mit der Unternehmensinhaberschaft – sofern nicht eine anderweitige unternehmerische Betätigung fortbesteht oder sich anschließt – die Eigenschaft des Gläubigers als Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3. Auch in diesem Fall961 ist dem Schuldner regelmäßig die Vertragsfortsetzung gegenüber einem Vertragspartner, der nicht mehr gem. § 8 Abs. 3 anspruchsberechtigt ist, unzumutbar und dem Schuldner daher ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 314 Abs. 1 BGB) zuzubilligen.962 Den Parteien steht die Möglichkeit offen, die Abtretbarkeit des vertraglichen Unter- 177 lassungsanspruchs gem. § 399 2. Alt. BGB durch Vereinbarung auszuschließen. Besteht ein für den Gläubiger erkennbares Interesse des Schuldners am Ausschluss der Abtretung, so kommt auch die Annahme eines konkludent vereinbarten Abtretungsverbots in Betracht; ein solches kann anzunehmen sein, wenn die Abtretung für den Gläu-

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953 So Teplitzky Kap. 15 Rn. 5. Die Sorge einer übermäßigen Kommerzialisierung der Anspruchsverfolgung (vgl. Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.21 zur Abtretung des gesetzlichen Anspruchs durch Verbände) hat sich – soweit ersichtlich – im Bereich der vertraglichen Ansprüche bisher nicht bewahrheitet; ein Interesse des Gläubigers an der „Auslagerung“ der Anspruchsverfolgung durch Abtretung kann im Einzelfall durchaus berechtigt sein (vgl. Köhler AcP 190 (1990), S. 496, 528. 954 Zu den Konsequenzen des Fehlens der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 siehe sogleich Rn. 175. 955 S. Rn. 131, 144. 956 Fritzsche S. 450 f., Melullis Rn. 668; Teplitzky Kap. 15 Rn. 5. 957 Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 197. 958 Vgl. vorstehend Rn. 174. 959 Hierzu s. Rn. 168. 960 Köhler WRP 2000, 921, 926 f.; a.A. Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 198. 961 Vgl. zum Fall der fehlenden Anspruchsberechtigung des Neugläubigers Rn. 175. 962 Köhler WRP 2000, 921, 926; a.A. Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 199.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

biger erkennbar mit weitergehenden Eingriffen – etwa in Geheimhaltungsinteressen des Schuldners – verbunden wäre.963 Die Pfändung und Verpfändung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs ist 178 möglich; für den vollstreckenden Gläubiger ist aber in aller Regel allein die Pfändung des Anspruchs auf eine bereits verwirkte Vertragsstrafe wirtschaftlich interessant.964 Für die Gesamtrechtsnachfolge – etwa im Falle der Vererbung (§ 1922 Abs. 1 BGB), 179 Verschmelzung (§§ 2, 20 UmwG), Auf- bzw. Abspaltung und Ausgliederung (§§ 123, 131 UmwG) – gelten die vorstehend für die Einzelrechtsnachfolge dargelegten Regeln entsprechend.965 bb) Rechtsnachfolge auf Schuldnerseite. Die Weitergabe der Schuldnerstellung im Wege der befreienden Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB), die eine Sonderrechtsnachfolge unter Identitätswahrung der Schuld darstellt,966 ist nicht nur im Falle des gesetzlichen, sondern auch des vertraglichen Unterlassungsanspruchs ausgeschlossen, weil die Unterlassungsverpflichtung – anders als die Unterlassungsberechtigung967 – regelmäßig an die Person des Versprechenden gebunden ist: Schuldinhalt ist gerade sein – nicht durch einen anderen Schuldner substituierbares – Unterlassen.968 In einer zwischen Gläubiger sowie Alt- und Neuschuldner getroffenen Vereinbarung, durch welche der Altschuldner aus der Unterlassungsverpflichtung entlassen und der Neuschuldner an seiner Stelle zur Unterlassung verpflichtet wird, liegt daher keine befreiende Schuldübernahme im Sinne der §§ 414, 415 BGB, sondern die (zulässige) Kombination von Neubegründung bzw. Erlass des vertraglichen Unterlassungsanspruchs.969 Gleichermaßen zulässig – und im Zweifel gewollt – ist die Kombination von Neubegründung der gesamten, d.h. auch das Vertragsstrafeversprechen einschließenden unterwerfungsvertraglichen Verpflichtungen in der Person des Neuschuldners und die Entlassung des Altschuldners aus dem Vertrag, die allerdings aus dem soeben genannten Grund keine Vertragsübernahme im herkömmlichen Sinne970 darstellt.971 Ein Schuldbeitritt im Sinne der rechtsgeschäftlich begründeten Gesamtschuld972 181 kommt im Falle der Unterlassungspflicht nicht in Betracht, weil diese begrifflich nur von jedem Schuldner selbst erfüllbar ist: die Leistung des einen hat keine Tilgungswirkung zugunsten des anderen Schuldners.973 Die von einem weiteren Schuldner übernommene

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963 Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 197; weitergehend Teplitzky Kap. 8 Rn. 5, der das vertragliche Abtretungsverbot als Regelfall der wettbewerbs- und markenrechtlichen Unterwerfung ansieht; im Ergebnis mit ihm übereinstimmend Gloy/Loschelder/Erdmann/Fritzsche § 79 Rn. 224. 964 Vorauflage/Köhler Vor § 13 a.F. B Rn. 240; ders. AcP 190 (1990), S. 496, 529; ders. WRP 2000, 921, 925,926; Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 197. 965 Vgl. Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 197; Fritzsche S. 454; Teplitzky Kap. 15 Rn. 7. 966 MünchKommBGB/Bydlinski Vorbem. zu §§ 414 ff. Rn. 2; Staudinger/Rieble § 414 Rn. 1. 967 S. Rn. 174. 968 Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 199; Teplitzky Kap. 15 Rn. 8 f.; a.A. (nicht stets höchstpersönlich) Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 182. 969 Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 199; Köhler AcP 190 (1990), S. 496, 529; Teplitzky Kap. 15 Rn. 9. 970 S. hierzu Erman/Röthel Vorbem. zu §§ 414 ff. Rn. 2; MünchKommBGB/Bydlinski Vorbem. zu §§ 414 ff. Rn. 7. 971 Köhler AcP 190 (1990), S. 496, 530. 972 BGH 9.7.2007 – II ZR 30/06 – NJW-RR 2007, 1407 unter II.2; Erman/Röthel Vorbem. zu §§ 414 ff. Rn. 12, 25; MünchKommBGB/Bydlinski Vorbem. zu §§ 414 ff. Rn. 10. 973 BGH 15.4.2008 – X ZB 12/06 – GRUR-RR 2008, 460 Tz. 8 – Inhaltsgleiches Unterlassungsbegehren; KG 14.11.2005 – 1 W 307/05 – KGR 2006, 154; OLG Düsseldorf 30.12.1999 – 20 W 40/99 – GRUR 2000, 825; OLG Frankfurt 21.11.2001 – 6 W 217/01 – MDR 2002, 236; OLG Hamburg 4.5.1998 – 8 W 71/98 – MDR 1998, 989; OLG Karlsruhe 20.4.2009 – 14 W 53/08 – VersR 2009, 948; OLG Koblenz 16.8.1984 – 6 U 771/83 – WRP 1985, 45; OLG Köln 24.2.1993 – 17 W 33/93 – OLGR 1993, 123; OLG Stuttgart 16.12.1997 – 8 W 409/96 –

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

zusätzliche Verpflichtung stellt vielmehr eine eigene, rechtlich selbständige Unterlassungspflicht dar, die u.U. dahingehend auszulegen sein kann, dass der weitere Schuldner auf das Unterlassen des anderen Schuldners hinwirken, von diesem ausgehende Störungen beseitigen oder für etwaige Vertragsstrafen- oder Schadensersatzansprüche mithaften will.974 Unzweifelhaft ist, dass eine bereits verwirkte Vertragsstrafenverpflichtung im Falle 182 der Fortführung eines Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma auf den Erwerber des Unternehmens gem. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB übergeht.975 Nach ganz h.M. haftet der Erwerber nach dieser Vorschrift aber auch eigenständig strafbewehrt für die vom früheren Inhaber begründete vertragliche Unterlassungsverpflichtung.976 Leitgedanke des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB ist nach heute überwiegender Auffassung die Anknüpfung der Haftungskontinuität an die nach außen durch Fortführung der bisherigen Firma in Erscheinung tretende Unternehmenskontinuität.977 Diese Sichtweise führt unter Berücksichtigung der gem. § 26 HGB (befristet) fortdauernden Haftung des Veräußerers zu der Annahme, dass § 25 Abs. 1 S. 1 HGB die Anordnung eines gesetzlichen Schuldbeitritts zu entnehmen ist.978 Aus dem Gesetzeswortlaut, der eine Haftung für „alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten“ vorsieht, folgt, dass nur unternehmensbezogene, mithin als natürliche Folge des Geschäfts erscheinende, nicht aber rein private Verbindlichkeiten des früheren Inhabers eine Haftung des Erwerbers auslösen.979 Hier geht es nicht um den dogmatischen Begriff der „Höchstpersönlichkeit“ der Schuld,980 sondern allein um den ihrer Begründung zugrundeliegenden Zweck. Weil Handelsgesellschaften naturgemäß ausschließlich Geschäftsverbindlichkeiten begründen können, erlangt die Differenzierung zwischen geschäftlicher und privater Verbindlichkeit nur für einzelkaufmännische Veräußerer Bedeutung, für deren Rechtsgeschäfte die Eigenschaft als Handelsgeschäft aber gem. § 344 Abs. 2 HGB gesetzlich vermutet wird.981 Eine Unterlassungspflicht, die ein Kaufmann gegenüber einem nach § 8 Abs. 3 UWG Anspruchsbe-

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JurBüro 1998, 302; Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 199; Fritzsche S. 459; Köhler AcP 190 (1990), S. 496, 529 f.; Teplitzky Kap. 15 Rn. 10; a.A. Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 179. 974 Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 199; Köhler AcP 190 (1990), S. 496, 530; Teplitzky Kap. 15 Rn. 11; Palandt/Grüneberg Überbl v § 420 Rn. 11. Tilmann GRUR 1986, 691, 695 spricht von „Mithaftungsgemeinschaft“, in der jeder Unterlassungsschuldner für das Unterlassen des anderen einzustehen hat. 975 Köhler WRP 2000, 921, 926; Staub/Burgard HGB5 (2009) § 25 Rn. 87. 976 So zum vertraglichen Wettbewerbsverbot bereits RG 14.1.1910 – II 227/09 – RGZ 72, 434, 437; OLG Stuttgart 11.10.1918 – U 269/18 – Recht 1918 Nr. 1705; zur lauterkeitsrechtlichen Unterwerfung BGH 25.4.1996 – I ZR 58/94 – GRUR 1996, 995 unter II. – Übergang des Vertragsstrafeversprechens; OLG Hamm 18.1.1994 – 4 U 125/93 – NJW-RR 1995, 608; Fezer/Büscher § 8 Rn. 160; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 181 ff.; Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 199 f.; Fritzsche S. 459; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.137; Piper/ Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 66; a.A.; Isele WRP 2011, 292 ff.; Köhler WRP 2000, 921, 925 f.; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 415 f. 977 BGH 16.1.1984 – II ZR 114/83 – NJW 1984, 1186; 25.4.1996 – I ZR 58/94 – GRUR 1996, 995 unter II. – Übergang des Vertragsstrafeversprechens; Heymann/Emmerich HGB2 (1995) § 25 Rn. 6 ff., 8; Baumbach/ Hopt HGB35 (2012) § 25 Rn. 1; Thiessen, in: MünchKommHGB3 (2010) § 25 Rn. 11 ff., 18, 24 ff.; Staub/Burgard HGB 5 (2009) § 25 Rn. 8 ff. In der Literatur ist die dogmatische Einordnung des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB – bis hin zur Feststellung, es handele sich um eine „ganz pragmatische, auf die Verkehrserwartungen abgestimmte Vorschrift ohne dogmatischen Hintergrund“ (Staub/Burgard HGB5 (2009) § 25 Rn. 31) – heftig umstritten (s. dazu die vorstehend genannten Literaturnachweise). 978 BGH 8.5.1989 – II ZR 237/88 – WM 1989, 1219; Baumbach/Hopt HGB35 (2012) § 25 Rn. 10; Heymann/ Emmerich HGB2 (1995) § 25 Rn. 26. 979 Baumbach/Hopt HGB35 (2012) § 25 Rn. 11; Thiessen, in: MünchKommHGB3 (2010) § 25 Rn. 66; Staub/ Burgard HGB5 (2009) § 25 Rn. 85. 980 Hierzu sogleich Rn. 183. 981 Thiessen, in: MünchKommHGB3 (2010) § 25 Rn. 66.

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rechtigten im Wege der wettbewerbsrechtlichen Unterwerfung übernimmt, weist diesen geschäftlichen Bezug im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB aber stets auf.982 Die h.M. muss sich allerdings dem von Köhler983 erhobenen Einwand stellen, die ver183 tragliche Unterlassungspflicht unterfalle wegen ihres höchstpersönlichen Charakters nicht der Regelung des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB. Zunächst ist es in der Tat so, dass im Fall der Unterlassungspflicht ein jeder Schuldner nur für sich selbst, nicht aber für einen anderen unterlassen kann und deshalb die Annahme eines Schuldbeitritts mit der Folge einer Gesamtschuld begrifflich ausscheidet.984 Unüberwindbar ist dieser Einwand aber nicht, weil der Haftungseintritt des Unternehmenserwerbers konstruktiv durchaus so erklärbar ist, dass § 25 Abs. 1 S. 1 HGB eine eigenständige strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung des Erwerbers begründet.985 Das hieran anknüpfende Argument, die Erstreckung des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB auf die vertragliche Unterlassungspflicht beinhalte in Gestalt der systemfremden986 „Verdoppelung“ der Ansprüche eine ungerechtfertigte Privilegierung des Gläubigers,987 basiert auf der Prämisse, dass § 25 Abs. 1 S. 1 HGB teleologisch auf die Verbreiterung der Haftungsgrundlage mittels gesamtschuldnerischer Haftung von Veräußerer und Erwerber zu beschränken sei.988 Dieses enge Verständnis der – vor allem unter dem Aspekt des Verkehrsschutzes zu bestimmenden – Haftungskontinuität teilt die h.M. bezogen auf den Übergang der vertraglichen Unterlassungsverpflichtung bisher zu Recht nicht: der Gläubiger soll sich im Falle der Firmenfortführung auf die Einhaltung der eingegangenen unternehmensbezogenen Vertragspflicht verlassen können, auch wenn in der Person des Erwerbers der gesetzliche Unterlassungsanspruch, zu dessen Abwendung der vertragliche Anspruch begründet wurde, mangels Begehungsgefahr zu keinem Zeitpunkt bestanden hat. Deshalb verfängt auch der Hinweis darauf nicht,989 dass die Rechtsnachfolge in den gesetzlichen Unterlassungsanspruch mangels Begehungsgefahr in der Person des Rechtsnachfolgers ausgeschlossen ist.990 Der Gläubigerschutz kann aber im Falle des Inhaberwechsels nicht weiter gehen als bei gleichbleibender Inhaberschaft: Entfällt durch den Inhaberwechsel die Rechtswidrigkeit des zu unterlassenden Verhaltens, etwa weil – bezogen auf die Person des neuen Inhabers – eine Werbung nicht mehr irreführend ist, steht dem neuen Inhaber die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu.991 184 Die Gesamtrechtsnachfolge992 in die vertragliche Unterlassungsverpflichtung ist – bei Beachtung der aus der Personengebundenheit des Unterlassungsanspruchs geltenden Besonderheit, dass an die Stelle der ursprünglichen Unterlassungspflicht des Rechts-

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982 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 182. 983 WRP 2000, 921, 926; ihm folgend Isele WRP 2011, 292, 294. 984 S. Rn. 180. 985 Teplitzky Kap. 15 Rn. 11; s.auch K. Schmidt FS Heinrichs, S. 529, 532 f.: § 25 HGB als Anordnung eines Vertragsübergangs; a.A. Staudinger/Rieble § 339 Rn. 415 (nur die Unterlassungspflicht treffe den Erwerber, das ihn bindende Vertragsstrafeversprechen sichere weiterhin ausschließlich das Unterlassen durch den vormaligen Unternehmensinhaber). 986 Staudinger/Rieble § 339 Rn. 416. 987 Köhler WRP 2000, 921, 926. 988 So Köhler WRP 2000, 921, 926; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 415 f. 989 A.A. Köhler WRP 2000, 921, 926; Isele WRP 2011, 292, 294 f. 990 BGH 16.3.2006 – I ZR 92/03 – GRUR 2006, 879 unter II.2.b – Flüssiggastank; 26.4.2007 – I ZR 34/05 – BGHZ 172, 165 unter II.1 – Schuldnachfolge; 3.4.2008 – I ZR 49/05 – GRUR 2008, 1002 unter B.III.6 – Schuhpark; s. auch BGH 18.3.2010 – I ZR 158/07 – BGHZ 185, 11 unter III.1.b)bb) – Modulgerüst II; Köhler WRP 2000, 921 ff.; Teplitzky Kap. 15 Rn. 12. 991 Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 200. 992 S. Rn. 179.

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vorgängers nunmehr diejenige des Rechtsnachfolgers tritt993 – gleichermaßen möglich.994 Denkbar ist allerdings, dass die Parteien des Unterlassungsvertrags durch Vereinbarung der Höchstpersönlichkeit der Pflicht ihren Übergang ausschließen.995 g) Verjährung aa) Verjährungsfrist. Auf den aus einer (ggf. bevorstehenden) Zuwiderhandlung 185 resultierenden vertraglichen Unterlassungsanspruch ist die für gesetzliche Ansprüche nach dem UWG geltende kurze Verjährungsfrist,996 nunmehr also § 11 analog anwendbar.997 Denn nicht nur sind gesetzlicher Anspruch und an dessen Stelle tretender vertraglicher Anspruch auf das identische Interesse gerichtet, eine bestimmte wettbewerbswidrige Handlung zu unterbinden; auch widerspräche die Anwendung der längeren Verjährung des § 195 BGB dem der kurzen UWG-Verjährung zugrundeliegenden Schutzzweck des besonderen Beschleunigungsbedürfnisses. 998 Hingegen unterliegt der Anspruch auf Zahlung einer verwirkten Vertragsstrafe der Regelverjährung, weil insoweit weder der vorgenannte Interessengleichlauf noch ein besonderes Beschleunigungsinteresse bestehen – es handelt sich um eine im Falle des gesetzlichen Anspruchs nicht gegebene besondere unterwerfungsvertragliche Sanktionsart.999 bb) Beginn der Verjährung. Der aus dem Unterwerfungsschuldverhältnis als Dau- 186 erschuldverhältnis resultierende vertragliche Anspruch auf dauerhaftes Unterlassen unterliegt nicht der Verjährung.1000 Denn solange sich dieser Anspruch mangels Zuwiderhandlung des Schuldners im Erfüllungszustand befindet, hat der Gläubiger weder Anlass noch Möglichkeit, gegen den Schuldner gerichtlich oder außergerichtlich vorzugehen.1001 Erst mit Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis von der Zuwiderhandlung beginnt gem. § 199 Abs. 5 BGB i.V.m. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB der Lauf der Verjährung. Auch wenn diese Vorschrift für den Unterlassungsanspruch an die Stelle der – grundsätzlich gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB für den Verjährungsbeginn relevanten – Anspruchsentstehung ausnahmsweise die Zuwiderhandlung setzt, kann diese Konstellation dogmatisch überzeugend erklärt werden, indem man zwischen der vertraglichen Unterlassungspflicht als unverjährbarem Stammrecht und dem im Verletzungsfalle daraus erwachsenden, klagbaren vertraglichen Verletzungsunterlassungsanspruch differenziert.1002 Besteht der Ver-

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993 Teplitzky Kap. 15 Rn. 13. 994 OLG Karlsruhe 22.1.2014 – 6 U 135/10 – GRUR-RR 2014, 362; Dornis/Förster GRUR 2006, 195, 200; Fritzsche S. 459; Teplitzky Kap. 15 Rn. 13. 995 Teplitzky Kap. 15 Rn. 13 (zugleich für die regelhafte, auch konkludente Annahme einer solchen Vereinbarung); s. auch Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 182. 996 So zu § 21 a.F. BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 unter II.1.c)bb) – Kurze Verjährungsfrist. 997 Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 25; Fezer/Büscher § 11 Rn. 15; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.15; Harte/ Henning/Schulz § 11 Rn. 23; Teplitzky Kap. 16 Rn. 21. Zur Anwendung des § 11 auf Kostenerstattungsansprüche s. Rn. 90. 998 Vgl. BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 unter II.1.c)bb) – Kurze Verjährungsfrist. 999 Vgl. BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 unter II.1.c)bb) – Kurze Verjährungsfrist; Ahrens/ Bornkamm Kap. 34 Rn. 28; Fezer/Büscher § 11 Rn. 15, 20; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.15, 1.48; Nieder WRP 2001, 117, 118; Rieble NJW 2004, 2270; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 25; Teplitzky Kap. 16 Rn. 21. 1000 Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 26; Fritzsche S. 477 f.; MünchKommUWG/ders. § 11 Rn. 27 ff.; Köhler/ Bornkamm § 11 Rn. 1.15; ders. GRUR 1996, 231, 232 f.; ders. JZ 2005, 489, 492 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Schwippert § 83 Rn. 18; Teplitzky Kap. 16 Rn. 1. 1001 Vgl. BGH 16.6.1972 – I ZR 154/70 – BGHZ 59, 72 – Kaffeewerbung (zur Verjährung des gerichtlich festgestellten gesetzlichen Unterlassungsanspruchs); Köhler GRUR 1996, 231, 233; Palandt/Ellenberger § 199 Rn. 22. 1002 So Köhler JZ 2005, 489, 490 ff.; ders./Bornkamm § 11 Rn. 1.15.

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stoß in einer Dauerhandlung, kann während ihres Andauerns Verjährung – ebenso wie im Falle des auf einer Dauerhandlung beruhenden gesetzlichen Anspruchs – nicht eintreten, weil die Verjährung entweder nicht1003 oder hinsichtlich eines jeden Teilakts von neuem1004 zu laufen beginnt. Für den wegen der ernsthaften Besorgnis eines unmittelbar bevorstehenden Verstoßes auf vertraglicher Grundlage erhobenen vorbeugenden Unterlassungsanspruch gilt: Sofern die Erstbegehungsgefahr aus einem andauernden Zustand folgt, kann aus den eben genannten Gründen Verjährung nicht eintreten.1005 Beruht die Erstbegehungsgefahr auf einer einmaligen Handlung (z.B. Anspruchsberühmung), so ist für den Verjährungsbeginn ebenso wie im Falle der bereits erfolgten Zuwiderhandlung gem. § 199 Abs. 5 BGB auf die Vornahme der Handlung abzustellen.1006 187

h) Gerichtliche Geltendmachung. Die gerichtliche Geltendmachung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs unterliegt, wenn dieser – wie regelmäßig – sofort fällig ist,1007 nicht der die Zulässigkeit der Klage betreffenden Vorschrift des § 259 ZPO, weil nicht zukünftiges, sondern sofortiges Unterlassen geschuldet ist.1008 Auch die vertragliche Unterlassungsklage hat jedoch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis zur Voraussetzung, welches nur dann angenommen werden kann, wenn ein Verstoß gegen die Unterlassungspflicht bereits geschehen oder ernstlich zu besorgen ist.1009 Dies ergibt eine gleichsam spiegelbildliche Lage, vergleicht man vertraglichen und gesetzlichen Unterlassungsanspruch: Während für letzteren die Begehungsgefahr nach heute ganz h.M. als materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung einzuordnen ist,1010 wird die Begehungsgefahr im Falle der vertraglichen Unterlassungspflicht nicht als materielle Anspruchsvoraussetzung,1011 hingegen aber als Zulässigkeitserfordernis angesehen. Diese – z.T. als

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1003 So zum gesetzlichen Anspruch BGH 28.9.1973 – I ZR 136/71 – GRUR 1974, 99 unter I. Brünova; 27.2.2003 – I ZR 25/01 – GRUR 2003, 448 unter II.1.d) – Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft); Fezer/ Büscher § 11 Rn. 27; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.21; Gloy/Loschelder/Erdmann/Schwippert § 83 Rn. 7. 1004 Ebenfalls zum gesetzlichen Anspruch MünchKommUWG/Fritzsche § 11 Rn. 103; Schulz WRP 1985, 2005, 274, 278; Harte/Henning/ders. § 11 Rn. 54; Teplitzky Kap. 16 Rn. 3. 1005 So (zum gesetzlichen vorbeugenden Unterlassungsanspruch) OLG Stuttgart 7.8.1992 – 2 U 85/92 – WRP 1993, 351; Vorauflage/Messer § 21 a.F. Rn. 13; Fezer/Büscher § 11 Rn. 12; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.3; Piper/Ohly/Sosnitza § 11 Rn. 21; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 12 ff.; Teplitzky Kap. 16 Rn. 5. 1006 Köhler JZ 2005, 489, 492 ff.; ders./Bornkamm § 11 Rn. 1.15. 1007 Zur Bedeutung einer aufschiebenden Befristung für die Wiederholungsgefahr s. Rn. 121. 1008 Köhler AcP 190 (1990), S. 496, 511; Teplitzky Kap. 51 Rn. 59; vgl. auch Fritzsche S. 586 (für analoge Anwendung des § 259 ZPO auf nicht sofort fällige Ansprüche); a.A. BGH 27.1.1956 – I ZR 146/54 – LM Nr. 2 zu § 241 BGB; offengelassen in BGH 17.3.1964 – I a ZR 193/63 – BGHZ 42, 340 unter III.2 – Gliedermaßstäbe. 1009 BGH 14.12.1988 – VIII ZR 31/88 – NJW-RR 1989, 263, 264 f.; 21.1.1999 – I ZR 135/96 – GRUR 1999, 522 unter V.3 – Datenbankabgleich. 1010 BGH 10.4.1956 – I ZR 165/54 – GRUR 1957, 84, 86 – Einbrandflaschen; 22.9.1972 – I ZR 19/72 – GRUR 1973, 201 unter II.1 – Neues aus der Medizin; 2.12.1982 – I ZR 121/80 – GRUR 1983, 186 unter II.1 – Wiederholte Unterwerfung I; 24.11.1983 – I ZR 192/81 – GRUR 1984, 214 unter III. – Copy-Charge; 13.5.1987 – I ZR 79/85– GRUR 1987, 640 unter II.1– Wiederholte Unterwerfung II; 5.5.1994 – I ZR 168/92 – GRUR 1994, 818 unter II. – Schriftliche Voranmeldung; 10.7.1997 – I ZR 62/95 – GRUR 1998, 483 unter II.3 – Der M.-Markt packt aus; Ahrens/Achilles Kap. 9 Rn. 8.; Fritzsche S. 150 f.; Harte/Henning/Bergmann § 8 Rn. 12; Fezer/Büscher § 8 Rn. 57; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.10; Teplitzky Kap. 6 Rn. 7; a.A. (das Rechtsschutzbedürfnis betreffende Prozessvoraussetzung) die früher h.M.: BGH 12.7.1963 – Ib ZR 174/61 – GRUR 1964, 82, 86 f. – Lesering; 25.5.1965 – VI ZR 19/64 – GRUR 1966, 157, 159 – Wo ist mein Kind?; Bacher S. 159; Lindacher GRUR 1975, 413, 415; Melullis Rn. 569; Tack WRP 1984, 455, 458 f.; Tetzner GRUR 1981, 803, 807. 1011 BGH 21.1.1999 – I ZR 135/96 – GRUR 1999, 522 unter V.2 – Datenbankabgleich; Harte/Henning/ Brüning § 12 Rn. 191.

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misslich bezeichnete1012 – Konsequenz wird vermieden, wenn man zwischen der vertraglichen Unterlassungspflicht als Stammrecht und dem im Verletzungsfalle daraus erwachsenden, klagbaren vertraglichen Verletzungsunterlassungsanspruch bzw. – im Falle bestehender Erstbegehungsgefahr – vorbeugenden Unterlassungsanspruch differenziert.1013 Ist der Verstoß gegen die vertragliche Unterlassungspflicht zugleich wettbewerbswidrig, so besteht bei der abermals auf Unterlassung gerichteten gerichtlichen Inanspruchnahme des Schuldners zwischen dem vertraglichen und dem neu entstandenen gesetzlichen Unterlassungsanspruch Idealkonkurrenz.1014 4. Vertragsstrafeversprechen a) Begriff, Funktion und Rechtsnatur. Nach § 339 S. 1 u. 2 BGB ist die Vertragsstra- 188 fe die dem Gläubiger durch den Schuldner für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die geschuldete Unterlassungsverpflichtung als Strafe versprochene Zahlung einer Geldsumme. In ihrem Droh- und Abschreckungspotential verwirklicht sich nach allgemeinem bürgerlich-rechtlichen Verständnis1015 die Sanktions- oder Erfüllungssicherungsfunktion der Vertragsstrafe bzw. – nach wettbewerbsrechtlicher Sichtweise1016 – die eigenständige Funktion der Beseitigung des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs. Weiterhin dient die Vertragsstrafe als Instrument des pauschalierten Schadensausgleichs, indem der Gläubiger sie als nicht weiter zu beweisenden Mindestbetrag seines Schadensersatzes verlangen kann (§ 340 Abs. 2 BGB).1017 Das Vertragsstrafeversprechen im Sinne des § 339 BGB wird zur Sicherung einer 189 Verbindlichkeit gegeben und ist daher in seinem Bestand, wie § 344 BGB für den Fall der Nichtigkeit des Leistungsversprechens – etwa aufgrund Form-, Gesetzes- oder Sittenverstoßes (§§ 125, 134, 138 BGB) oder Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB)1018 – zu entnehmen ist, von der Wirksamkeit der Verbindlichkeit1019 abhängig, also unselbständig.1020 Diese Akzessorietät des Vertragsstrafeversprechens folgt aus dem – regelmäßig auch in

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1012 Teplitzky Kap. 51 Rn. 59. 1013 So Köhler JZ 2005, 489, 490 ff.; ders./Bornkamm § 11 Rn. 1.15. 1014 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 – Kurze Verjährungsfrist; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 175, 191; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.157; Teplitzky Kap. 12 Rn. 10 f. 1015 BGH 6.11.1967 – VIII ZR 81/65 – BGHZ 49, 84 unter A.I.3; 30.6.1976 – VIII ZR 267/75 – NJW 1976, 1886 unter II.2.a) – Adressenmaterial; 12.3.1981 – VII ZR 293/79 – NJW 1981, 1509 unter II.3.a); 18.11.1982 – VII ZR 305/81 – BGHZ 85, 305 unter II.1.a); C. Hess S. 30; Fischer S. 38; ders. FS Piper, S. 205, 214; Kaiser S. 201; Knütel AcP 175 (1975) S. 44, 54; MünchKommBGB/Gottwald Vorbemerkung zu §§ 339 ff. Rn. 6; Staudinger/Rieble Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 14 ff.; Erman/Schaub Vorbemerkung zu §§ 339–345 Rn. 1; K. Schmidt FS Heinrichs, S. 529 f. 1016 Teplitzky Kap. 20 Rn. 2; ders. WRP 1994, 709, 711; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 111; hiergegen Fischer FS Piper, S. 205, 217, Kaiser S. 201 und Staudinger/Rieble Vor § 339 Rn. 41 f. Nach Lindacher S. 59 dient die Vertragsstrafe allein dem Interesse des Gläubigers an „Realerfüllung“. 1017 BGH 27.11.1974 – VIII ZR 9/73 – BGHZ 63, 256 unter II.2.c) u. d); 12.10.1978 – VII ZR 139/75 – BGHZ 72, 222 unter I.2.b)bb); 12.3.1981 – VII ZR 293/79 – NJW 1981, 1509 unter II.3.a); 18.11.1982 – VII ZR 305/81 – BGHZ 85, 305 unter II.1.a); Fischer S. 32 ff.; Kaiser S. 11 f.; MünchKommBGB/Gottwald Vorbemerkung zu §§ 339 ff. Rn. 6; Staudinger/Rieble Vorbem. zu § 339 ff. Rn. 15, 34; Erman/Schaub Vorbemerkung zu §§ 339– 345 Rn. 1; Teplitzky Kap. 35 Rn. 1; gegen die Schadensausgleichsfunktion Lindacher S. 57 ff., Soergel/ders. Vor § 339 Rn. 5 5. Nach C. Hess S. 204 ff. hat die Vertragsstrafe ferner Genugtuungsfunktion. 1018 Palandt/Grüneberg § 344 Rn. 1. 1019 Zur Wirksamkeit der Unterlassungsverpflichtung s. Rn. 156 ff. 1020 Palandt/Grüneberg § 339 Rn. 1; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 232; Teplitzky Kap. 20 Rn. 4. Bei dem bürgerlich-rechtlich ebenfalls anerkannten selbständigen Vertragsstrafeversprechen fehlt es demgegenüber an einer erzwingbaren Hauptleistungsverpflichtung, Palandt/Grüneberg § 339 Rn. 3; K. Schmidt FS Heinrichs, S. 529, 535 ff.; a.A. Lindacher S. 67 ff. u. Staudinger/Rieble Vorbem zu § 339 Rn. 12 (Vertragsstrafen sicherten stets akzessorisch Rechtspflichten verschiedener Zwangsintensität).

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Wettbewerbssachen gegebenen – Willen der Parteien, eine Strafe nur für den Fall des wirksamen vertraglichen Leistungsversprechens, welches sich auch auf eine Unterlassung beziehen kann (§§ 241 Abs. 1 S. 2, 399 S. 2 BGB), vorzusehen.1021 Vertragsstrafenspezifische Unwirksamkeitsgründe können sich darüber hinaus wegen einer im Einzelfall unverhältnismäßige Höhe der Vertragsstrafe1022 und des Ausschlusses der natürlichen oder rechtlichen Handlungseinheit,1023 aus der Inhaltskontrolle gem. § 138 BGB sowie dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 307–309 BGB) ergeben. Nicht akzessorisch ist das Vertragsstrafeversprechen nach dem Parteiwillen hinge190 gen zur gesetzlichen Unterlassungspflicht, die mithilfe der Unterwerfung gerade ausgeräumt werden soll, weil eine Unterwerfung unter der Rechtsbedingung, dass die gesetzliche Pflicht bestehe, die Wiederholungsgefahr nicht entfallen ließe.1024 Die Akzessorietät bezieht sich – es sei denn, die gesicherte Unterlassungspflicht wird (etwa gem. § 142 Abs. 1 BGB) ex tunc unwirksam – ferner nicht auf einen vor dem Wegfall der Unterlassungspflicht verwirkten Vertragsstrafenanspruch: dieser besteht fort;1025 die bereits gezahlte Vertragsstrafe kann nicht zurückgefordert werden.1026 b) Verwirkung der Vertragsstrafe 191

aa) Zuwiderhandlung. Ob eine Zuwiderhandlung gegen den Inhalt des strafbewehrten Unterlassungsversprechens vorliegt, ist durch Auslegung desselben zu ermitteln.1027 Weil sich – wie dargelegt1028 – die zwecks Ausräumung der Wiederholungsgefahr erklärte Unterwerfung typischerweise nicht nur auf identische, sondern auch auf kerngleiche Handlungsformen bezieht, sind dem Schuldner Umgehungshandlungen mit geringfügig geänderter, die Charakteristik des Verstoßes nicht berührender Erscheinungsform erschwert.1029 Der häufig schwierigen und nur für den jeweiligen Einzelfall zu beantwortenden Frage, ob eine Handlung noch in den Kernbereich der Unterlassungsverpflichtung fällt, kann man sich in der Praxis mit der pragmatischen Überlegung nähern, ob der zu beurteilende Sachverhalt sich so wesentlich von dem Ausgangssachverhalt unterscheidet, dass er eine erneute rechtliche Prüfung am Maßstab des Gesetzesrechts erfordert.1030 Hierbei kann insbesondere der (einschränkenden) Bezugnahme der Unterwerfung auf die konkrete Verletzungsform, bestimmte Handlungsweisen oder Produkte/Dienstleistungen eine Bedeutung zukommen.1031

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1021 Staudinger/Rieble Vorbem zu §§ 339 ff. Rn. 89. 1022 Hierzu s. Rn. 201. 1023 Hierzu s. Rn. 197. 1024 Staudinger/Rieble Vorbem zu §§ 339 ff. Rn. 93; zur Wirkung von Vorbehalten in der Unterwerfung auf die Wiederholungsgefahr s. Rn. 115. 1025 BGH 26.9.1996 – I ZR 265/95 – BGHZ 133, 316 unter II.2.d) – Altunterwerfung I; 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471 unter II.1.a) – Modenschau im Salvatorkeller; KG 17.10.1994 – 25 U 7940/93 – GRUR 1995, 144; OLG Düsseldorf 23.10.1996 – 11 U 19/96 – WRP 1997, 93; OLG Koblenz 16.11.1995 – 6 U 639/94 – WRP 1996, 125; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 242, 266 u. § 340 Rn. 57 ff., 60; Teplitzky Kap. 20 Rn. 23; a.A. BGH 13.3.1953 – I ZR 136/52 – LM § 339 BGB Nr. 2; OLG Jena 27.9.2006 – 2 U 1076/05 – WRP 2007, 210 (Ls.), Magazindienst 2007, 70; LG Frankfurt 19.10.1994 – 2/6 S 3/94 – WRP 1995, 67; Knütel AcP 175 (1975), S. 44, 72 f. 1026 BGH 21.4.1983 – I ZR 201/80 – GRUR 1983, 602 unter II.2 – Vertragsstraferückzahlung. 1027 Hierzu s. Rn. 161 ff. 1028 S. Rn. 162. 1029 Köhler FS Gernhuber, S. 207, 217. 1030 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 186. 1031 Vgl. OLG Karlsruhe 10.3.1993 – 6 U 145/92 – Magazindienst 1993, 681; OLG Köln 15.1.1993 – 6 U 150/92 – NJW-RR 1993, 870; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 186; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 291. Zu weitgehend daher OLG Stuttgart 21.8.2008 – 2 U 41/08 – OLGR 2009, 329 (das Versprechen, verdeckt gewerbliche Zeitungswerbung zu unterlassen, erfasse auch entsprechende Werbung im Internet).

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Eine Zuwiderhandlung setzt das gegenwärtige Bestehen des strafbewehrten Unter- 192 lassungsvertrags voraus; ein Wille der Parteien, rückwirkend auf den Zeitpunkt des Zugangs der Unterwerfung oder darüber hinaus Vertragsstrafenansprüche zu begründen, ist regelmäßig nicht anzunehmen.1032 Im Falle mehrerer Verstöße gegen die Unterlassungspflicht ist vorrangig zu prü- 193 fen, ob diese deshalb nur eine Zuwiderhandlung darstellen, weil sie als natürliche Handlungseinheit – also als eine Handlung im Rechtssinne1033 – anzusehen sind.1034 Dieser aus dem Strafrecht stammende Begriff bezeichnet eine Mehrheit von Verhaltensweisen, die „von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs derart eng miteinander verbunden sind, dass das gesamte Tätigwerden äußerlich (objektiv) für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehöriges Tun erscheint“.1035 Der Bundesgerichtshof hat diesen Rechtsbegriff früh auf das Wettbewerbsrecht übertragen und hält hieran – unter Zustimmung der ganz h.M. in der Literatur1036 – auch nach der Abkehr von dem ebenfalls strafrechtlich geprägten Begriff des Fortsetzungszusammenhangs1037 fest.1038 Gestritten wird allenfalls über das Maß zu verlangender Gleichartigkeit der Einzelakte.1039 Das hinter dieser Praxis stehende Ziel, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen drohender Strafhöhe einerseits und angemessener Beachtung des Erfüllungssicherungszwecks der Vertragsstrafe andererseits zu gewährleisten,1040 hat weiterhin Berechtigung.1041 Maßgeblich ist stets die vertragliche Vereinbarung der Parteien: Im Falle eines zulässigen individualvertraglichen Ausschlusses der natürlichen Handlungseinheit1042 kommt daher eine Zusammenfassung von Verstößen nicht in Betracht. Fehlt – wie meistens – eine Regelung, so kann die Annahme der natürlichen Handlungseinheit dogmatisch als ergänzende Vertragsauslegung auf der Basis vernünftiger Interessenabwägung eingestuft werden.1043

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1032 BGH 18.5.2006 – I ZR 32/03 – GRUR 2006, 878 Tz. 14 – Vertragsstrafevereinbarung; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 17 – Testfundstelle; 21.10.2010 – III ZR 17/10 – MMR 2011, 69; Klein GRUR 2007, 664, 666; Pokrant FS Erdmann, S. 863, 866; Teplitzky Kap. 20 Rn. 7; a.A. (der Schuldner wolle unabhängig vom Zugang der Annahmeerklärung rückwirkend auf den Zeitpunkt seiner Unterwerfung gebunden sein) OLG Köln 20.12.2002 – 6 U 104/02 – Magazindienst 2003, 486 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 185, 214. 1033 BGH 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 Tz. 38 – Kinderwärmekissen; Fezer/Büscher § 12 Rn. 203. 1034 Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 164; Teplitzky Kap. 20 Rn. 16. 1035 BGH 18.12.1984 – 1 StR 596/84 – NJW 1985, 1565 unter 1. 1036 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.149; Fezer/Büscher § 8 Rn. 203; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 219; MünchKommBGB/Gottwald § 399 Rn. 40; Palandt/Grüneberg §§ 339 Rn. 18; Kaiser S. 58; Köhler WRP 1993, 666, 667; Teplitzky Kap. 20 Rn. 16; ders. WRP 2005, 654, 658 f.; a.A. Kiethe WRP 1986, 644 (Handlungsmehrheit bei Möglichkeit des Schuldners, einzelne Verletzungsentscheidungen zu treffen); Staudinger/Rieble § 339 Rn. 296, 298 (absolutes Primat der Vertragsauslegung). 1037 Hierzu sogleich Rn. 195. 1038 BGH 20.9.1960 – I ZR 77/59 – BGHZ 33, 163 unter II.3 – Krankenwagen II; 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471 unter II.1.e) – Modenschau im Salvatorkeller; 25.1.2001 – I ZR 323/98 – BGHZ 146, 318 unter II.1 – Trainingsvertrag; 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 Tz. 38 – Kinderwärmekissen. 1039 Ein engeres Verständnis (Gleichartigkeit im äußeren Geschehensablauf) vertreten Vorauflage/ Jestaedt Vor § 13 E Rn. 27, Kaiser S. 59 f.; Körner WRP 1982, 75, 76, Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 165 f. Hingegen soll nach Köhler WRP 1993, 666, 669 eine Gleichartigkeit nach Inhalt und Ziel der Wettbewerbsmaßnahme ausreichen. 1040 Vgl. BGH 20.9.1960 – I ZR 77/59 – BGHZ 33, 163 unter II.3 – Krankenwagen II; Kaiser S. 57 f.; Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 169; Teplitzky WRP 2005, 654, 658. 1041 Zu den Implikationen für den Fortfall der Wiederholungsgefahr s. aber Rn. 129. 1042 S. Rn. 197. 1043 Vgl. BGH 20.9.1960 – I ZR 77/59 – BGHZ 33, 163 unter II.3 – Krankenwagen II; 25.1.2001 – I ZR 323/98 – BGHZ 146, 318 unter II.1 – Trainingsvertrag; Kaiser S. 57.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

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Als natürliche Handlungseinheit sind in der Rechtsprechung etwa folgende Handlungen angesehen worden: Verteilung von 100 Prospekten auf dem „Genfer Autosalon“ innerhalb von 14 Tagen;1044 die Beilage eines Prospekts in 300 Hefte einer Zeitschriftenausgabe,1045 Verstöße, die aus dem Fortbestehen eines nicht korrigierten Internet-Auftritts beruhten;1046 14 Werbeveröffentlichungen in derselben Tageszeitung in sieben Wochen;1047 gleichzeitige Anzeigen in einer Tageszeitung;1048 auf einem Organisationsmangel beruhend fortdauernde Auslage oder Abgabe von Prospekten in mehreren Filialen wenige Tage nach Abschluss des Unterlassungsvertrags,1049 Auslegung von Werbematerial in 74 Arztpraxen;1050 unterlassener Rückruf an 369 Apotheken übersandten Werbematerials,1051 mehrfache Versendung eines Katalogs derselben Auflage;1052 eine Vielzahl von Rechnungsstellungen im Rahmen eines Massengeschäfts.1053 Verneint wurden die Voraussetzungen der natürlichen Handlungseinheit in folgenden Konstellationen: Verstöße in Versandkatalogen in neun aufeinander folgenden Auflagen,1054 inhaltlich verschiedene Artikel auf einer Internetseite und in einer Zeitungsanzeige,1055 in einer Anzeige enthaltene mehrere Werbungen mit unrichtigen unverbindlichen Preisempfehlungen für unterschiedliche Waren,1056 zweifache Verwendung einer Klausel in verschiedenen Internet-Verkaufsforen1057 sowie 43 Fälle ohne Einwilligung erfolgter Werbeanrufe bei Verbrauchern.1058 Stellen mehrere Verstöße keine natürliche Handlungseinheit dar, so ist die Frage, ob 195 jeder von ihnen die „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ versprochene Vertragsstrafe auslöst oder ob es sich um eine „rechtliche Einheit“ handelt, ebenfalls im Wege der Auslegung der Vereinbarung zu klären. Denn unbeschadet des „Abschieds vom Fortsetzungszusammenhang“1059 (auch) im Zivilrecht,1060 der die sehr weitgehende Möglichkeit der Zusammenfassung mehrerer auch nur fahrlässig begangener Einzelhandlungen zu einer nur eine Vertragsstrafe auslösenden fortgesetzten Tat1061 beendet hat, unterliegt die

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1044 BGH 20.9.1960 – I ZR 77/59 – BGHZ 33, 163 unter III. – Krankenwagen II. 1045 LG Düsseldorf 10.12.1963 – 4 O 241/63 – GRUR 1967, 158. 1046 LG Saarbrücken 10.12.2008 – 9 O 258/08 – (juris). 1047 OLG Bremen 13.10.2005 – 2 U 28/05 – OLGR 2006, 17. 1048 OLG Schleswig 1.7.1997 – 6 U 29/97 – OLGR 1997, 312. 1049 OLG Hamm 13.7.1982 – 4 U 99/82 – WRP 1983, 452. 1050 OLG Köln 28.5.2003 – 6 U 17/03 – WRP 2004, 387. 1051 KG 11.7.1986 – 5 U 1878/85 – WRP 1986, 680. 1052 OLG Koblenz 26.3.1992 – 6 U 30/90 – GRUR 1992, 884. 1053 OLG Köln 25.11.2005 – 6 U 54/05 – Magazindienst 2006, 481. 1054 OLG Koblenz 26.3.1992 – 6 U 30/90 – GRUR 1992, 884. 1055 OLG Celle 1.10.2009 – 13 U 15/09 – Magazindienst 2009, 1130. 1056 KG 21.9.1999 – 5 U 4428/99 – NJW-RR 2000, 1355. 1057 OLG Hamm 18.9.2012 – 4 U 105/12 – MMR 2013, 100. 1058 BGH 25.10.2012 – I ZR 169/10 – NJW 2013, 2683 – Einwilligung in Werbeanrufe II. 1059 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.148. 1060 Grundlegend BGH Großer Senat für Strafsachen 3.5.1994 – GSSt 2/93 – GSSt 3/93 – BGHZ 40, 138; diesem im Zivilrecht folgend BGH 25.1.2001 – I ZR 323/98 – BGHZ 146, 318 unter II.1 – Trainingsvertrag; 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 Tz. 38 – Kinderwärmekissen; Bernreuther GRUR 2003, 114; Fezer/ Büscher § 12 Rn. 203; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 218; Lührig/Lux FS Helm, S. 321 ff.; Staudinger/ Rieble § 339 Rn. 295 f.; ders. GRUR 2009, 824; Sosnitza FS Lindacher, S. 161 ff.; Teplitzky Kap. 8 Rn. 17 f.; zuvor bereits kritisch Braunert KTS 1994, 441 ff.; Körner WRP 1982, 75, 78; Mankowski WRP 1996, 1144; Melullis Rn. 946; Rieble WM 1995, 828 ff.; Schuschke WRP 2000, 1008. Dieser „Abschied“ betrifft auch das Bestrafungsverfahren gem. § 890 ZPO: BGH 18.12.2008 – I ZB 32/06 – GRUR 2009, 427 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel. 1061 BGH 20.9.1960 – I ZR 77/59 – BGHZ 33, 163 – Krankenwagen II; 1.6.1983 – I ZR 78/81 – GRUR 1984, 72 – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung; 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 –

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Festlegung des Begriffs der Zuwiderhandlung im Vertragssinne – und damit auch die Zusammenfassung mehrerer Verstöße – der Parteidisposition.1062 Nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs1063 entspricht es regelmäßig einer interessengerechten Vertragsauslegung, mehrere fahrlässige Einzeltaten als nur einen Verstoß anzusehen, weil eine „Aufsummierung“ von Vertragsstrafen mit dem Gerechtigkeitsgedanken nicht zu vereinbaren sei, wenn ihr nicht ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis des Gläubigers oder die Wahrscheinlichkeit eines hohen Schadens gegenüberstünden; anders sei dies im Falle vorsätzlich begangener Verstöße: hier büße die nur einmal verwirkte Vertragsstrafe ihre Sicherungsfunktion gegen weitere Folgehandlungen im Falle der Zusammenfassung ein und stelle eine ungerechtfertigte Privilegierung des hartnäckigen Verletzers dar. Weitere im Rahmen der Auslegung relevante Gesichtspunkte seien das wirtschaftliche Gewicht der Einzeltaten und die Höhe der für den Fall der Zuwiderhandlung vereinbarten Vertragsstrafe. Hiermit sind die maßgeblichen Auslegungsaspekte, die im Einzelfall – im Falle der Abwesenheit einer ausdrücklichen Regelung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung – zu einer interessengerechten Lösung führen können, zutreffend benannt.1064 Der tatrichterlichen Würdigung hat der BGH es überlassen, ob die zwischenzeitliche Geltendmachung einer Vertragsstrafe der Zusammenfassung mehrerer Handlungen entgegenstehe;1065 dies dürfte regelmäßig nicht der Fall sein.1066 In der Rechtsprechung ist eine rechtliche Einheit in folgenden Konstellationen an- 196 genommen worden: im Abstand mehrerer Monate erfolgende Verwendung von Trainingsvertragsklauseln an unterschiedlichen Standorten eines Sportstudios;1067 mehrere werbliche Artikel für verschiedene Arzneimittel innerhalb einer Zeitschriftenausgabe.1068 Verneint wurde die Annahme einer rechtlichen Einheit für inhaltlich verschiedene Artikel auf Internetseite und in einer Zeitungsanzeige;1069 ferner deshalb, weil zunächst fahrlässig begangene Massenverstöße nach deren Aufdeckung aufgrund eines neuen Handlungsentschlusses fortgesetzt wurden.1070 Der individualvertragliche Ausschluss der Zusammenfassung von Handlungen ist 197 wirksam.1071 Erfolgt ein solcher hingegen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, so greift die Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB: der formularmäßige Ausschluss

_____ Fortsetzungszusammenhang; 6.5.1993 – I ZR 144/92 – GRUR 1993, 926 – Apothekenzeitschriften; Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 116 f.; ders. WRP 1993, 666. 1062 BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 unter II.3 – Fortsetzungszusammenhang; 25.1.2001 – I ZR 323/98 – BGHZ 146, 318 unter II.1 – Trainingsvertrag; Lührig/Lux FS Helm, S. 321, 335; Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 166; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 298 ff., 301; Teplitzky Kap. 20 Rn. 17b; so bereits Köhler FS Gernhuber, S. 207, 218. 1063 BGH 25.1.2001 – I ZR 323/98 – BGHZ 146, 318 unter II.4 – Trainingsvertrag; hierzu eingehend Teplitzky Kap. 20 Rn. 17 f. 1064 Vgl. Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 219 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.149; Fezer/Büscher § 8 Rn. 203; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 218; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 301; Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 169 f.; Teplitzky Kap. 8 Rn. 17b. 1065 BGH 25.1.2001 – I ZR 323/98 – BGHZ 146, 318 unter II.5.b)(2) – Trainingsvertrag. 1066 OLG Hamburg 4.12.1986 – 3 U 139/86 – GRUR 1987, 561; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 221; Fezer/Büscher § 8 Rn. 203. 1067 BGH 25.1.2001 – I ZR 323/98 – BGHZ 146, 318 unter II.5 – Trainingsvertrag. 1068 OLG Nürnberg 15.1.2002 – 3 U 2999/01 – WRP 2002, 585. 1069 OLG Celle 1.10.2009 – 13 U 15/09 – Magazindienst 2009, 1130. 1070 OLG Köln 25.11.2005 – 6 U 54/05 – Magazindienst 2006, 481. 1071 Vgl. BGH 13.2.2003 – I ZR 281/01 – GRUR 2003, 545 – Hotelfoto (Ausschluss des „Fortsetzungszusammenhangs“); 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 Tz. 39 – Kinderwärmekissen (Vereinbarung der Vertragsstrafe „für jedes angebotene, verkaufte oder verbreitete Produkt“); 10.6.2009 – I ZR 37/07 – GRUR 2010, 167 – Unrichtige Aufsichtsbehörde; Fezer/Büscher § 8 Rn.84; Büscher/Dittmer/ Schiwy Vor § 12 Rn. 65; Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 167.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

stellt regelmäßig eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners dar, weil die Möglichkeit der Zusammenfassung von Handlungen ein wesentlicher Grundgedanke des Vertragsstrafenrechts ist.1072 Es spricht aber vieles dafür, im Ausnahmefall des vorsätzlich handelnden Mehrfachtäters dem Ahndungsinteresse des Gläubigers im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung den Vorrang einzuräumen und mithin den formularmäßigen Ausschluss der Zusammenfassung von nachgewiesenermaßen vorsätzlichen Handlungen als wirksam anzusehen.1073 Verstoßen mehrere Schuldner, die nebeneinander – aufgrund der Personenbezo198 genheit der Unterlassungsverpflichtung aber nicht gesamtschuldnerisch1074 – zur Unterlassung verpflichtet sind, gegen die Unterlassungspflicht, so schulden sie wegen des akzessorischen Charakters des Strafversprechens jeder für sich auch die Zahlung der versprochenen Vertragsstrafe.1075 Verspricht ein Schuldner (haftungserweiternd), für die Zahlung der von einem anderen Schuldner verwirkten Vertragsstrafe einstehen zu wollen, so kommt – je nach Vereinbarung – die Einordnung als gesamtschuldnerische, Bürgen- oder Garantiehaftung in Betracht.1076 Andererseits ist an eine (haftungsbeschränkende) gesamtschuldnerische Zahlungsverpflichtung zu denken, wenn – wie im Falle einer juristischen Person und ihres selbständig zur Unterlassung verpflichteten Organs – der Verstoß auf einer einheitlichen Handlung beruht.1077 Handelt das Organ im Rahmen seines organschaftlichen Aufgabenbereichs, so ist die Annahme der wechselseitigen Tilgungswirkung der Strafzahlung durch einen der beiden Schuldner angemessen, weil der Erfüllungssicherungszweck der Vertragsstrafe eine zweifache Zahlung aufgrund einund derselben Handlung nicht erfordert.1078 Dieses – bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung auch den Umständen des Falles entnehmbare1079 – Auslegungsergebnis vermeidet zudem eine (unerwünschte)1080 Verschärfung der außergerichtlichen gegenüber der gerichtlichen Unterlassungshaftung des Organs: für das Ordnungsmittelverfahren ist mittlerweile geklärt, dass bei einem Verstoß des im Rahmen seines Aufgabenbereichs handelnden Organs gegen einen sowohl gegen die juristische Person als auch das Organ bestehenden Unterlassungstitel nur die juristische Person zu bestrafen ist.1081 199

bb) Verschulden. Die Verwirkung der Vertragsstrafe setzt eine schuldhafte Zuwiderhandlung voraus: Nach heute ganz h.M. ist der Wortlaut des § 339 S. 2 BGB, wonach die Vertragsstrafe im Falle der Unterlassungsverpflichtung „mit der Zuwiderhandlung“

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1072 So (zu § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG) BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 ab II.6.b) – Fortsetzungszusammenhang; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.151; Fezer/Büscher § 8 Rn. 84; Kaiser S. 85 ff.; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 8 Rn. 65; Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 167. 1073 Vgl. 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 unter II.6.d) – Fortsetzungszusammenhang; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 216. 1074 S. hierzu bereits Rn. 181. 1075 Ahrens/Achilles Kap. 10 Rn. 10; Graf Lambsdorff Rn. 659; Kaiser S. 48 f.; Teplitzky Kap. 20 Rn. 18. 1076 Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 118; s. auch Teplitzky Kap. 20 Rn. 19. 1077 Ahrens/Achilles Kap. 10 Rn. 10; Kaiser S. 49; Teplitzky Kap. 8 Rn. 19; vgl. auch BGH 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 unter II.4.d) – Kinderwärmekissen (gesamtschuldnerische Vertragsstrafenhaftung von im Vertrag unter einem einheitlichen Schlagwort bezeichneten Konzernunternehmen). 1078 BGH 8.5.2014 – I ZR 210/12 – WRP 2014, 948 Tz. 56 f. – fishtailparka; OLG Köln 21.9.2012 – I-6U 106/12 – WRP 2013, 195; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 209; a.A. Kaiser S. 49. 1079 BGH 8.5.2014 – I ZR 210/12 – WRP 2014, 948 Tz. 56 f. – fishtailparka; OLG Köln 21.9.2012 – I-6U 106/12 – WRP 2013, 195; A.A. Kaiser S. 49 und Teplitzky Kap. 20 Rn. 18 f., die eine ausdrückliche Vereinbarung für erforderlich halten. 1080 Zu diesem Aspekt s. bereits Rn. 134 a.E. 1081 BGH 12.1.2012 – I ZB 43/11 – GRUR 2012, 541 Tz. 7 f. (mit Nachweisen zum Streitstand im Ordnungsmittelverfahren), 8.5.2014 – I ZR 210/12 – WRP 2014, 948 – fishtailparka.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

eintritt, nicht als Anordnung einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung zu verstehen, weil andernfalls der Unterlassungsschuldner in nicht gerechtfertigter Weise schlechter stünde als der nach § 339 S. 1 BGB nur im Falle des (schuldhaften) Verzugs haftende Schuldner einer Handlungspflicht.1082 Das Verschuldenserfordernis ist ein wesentlicher Grundgedanke des Vertragsstrafenrechts und daher, weil es an einem berechtigten Interesse des Gläubigers an einer Garantiehaftung des ohnehin durch die Vertragsstrafe einseitig belasteten Schuldners regelmäßig fehlt, gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen,1083 nach h.M. sehr wohl aber individualvertraglich1084 zuungunsten des Schuldners abänderbar. Wegen der Leitbildfunktion des Verschuldenserfordernisses ist seine ausdrückliche Erwähnung im Vertragsstrafeversprechen verzichtbar.1085 Das Verschulden wird vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB); der Schuldner muss den Entlastungsbeweis führen,1086 an den strenge Anforderungen zu stellen sind.1087 Verschulden bedeutet gem. § 276 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit; für Kaufleute gilt gem. § 347 Abs. 1 HGB die (gesteigerte) „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“.1088 Der Schuldner haftet zudem für das Verschulden von Erfüllungsgehilfen gem. 200 § 278 BGB,1089 also aller Personen, die nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners in seinem Pflichtenkreis als Hilfspersonen tätig wer-

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1082 BGH 29.6.1972 – II ZR 101/70 – NJW 1972, 1893 – K-Rabatt-Sparmarken – m. Anm. Lindacher in NJW 1972, 2264; 24.1.1973 – VIII ZR 147/71 – WM 1973, 388; 15.5.1985 – I ZR 25/83 – GRUR 1985, 1065, 1066 – Erfüllungsgehilfe; 30.4.1987 – I ZR 8/85 – GRUR 1987, 648, 649 – Anwalts-Eilbrief; 30.3.1988 – I ZR 40/86 – GRUR 1988, 561, 562 – Verlagsverschulden I; Kaiser S. 106; Lindacher S. 89 f.; MünchKommBGB/Gottwald § 339 Rn. 38; Palandt/Grüneberg § 339 Rn. 15; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 313 ff.; Teplitzky Kap. 20 Rn. 15; a.A. RG 1.4.1935 – VI 541/34 – RGZ 147, 228, 232 f.; BGH 27.1.1955 – II ZR 306/53 – LM Nr. 3 zu § 407 BGB. 1083 BGH 6.12.2007 – VII ZR 28/07 – NJW-RR 2008, 615 unter II.1; OLG Hamm 25.8.2003 – 35 W 15/03 – NJW-RR 2004, 58; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 103. 1084 BGH 29.6.1972 – II ZR 101/70 – NJW 1972, 1893 – K-Rabatt-Sparmarken; 28.9.1978 – II ZR 10/77 – BGHZ 72, 174 unter 3.b); Kaiser S. 111 f.; das Verlangen einer verschuldensunabhängig anfallenden Vertragsstrafe kann aber Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Gläubigers sein, BGH 15.12.2011 – I ZR 174/10 – GRUR 2012, 730 Tz. 16 ff. – Bauheizgerät m. Anm. Nassall jurisPR-BGHZivilR 14/ 2012 u. Teplitzky LMK 2012, 334938. Gegen die Möglichkeit der verschuldensunabhängigen Vertragsstrafe aber Staudinger/Rieble § 339 Rn. 316, 318 (entweder handele es sich um eine verschuldensabhängige Vertragsstrafe oder eine – den §§ 339 ff. nicht unterfallende – Garantie); dem im Ergebnis vorsichtig zustimmend Teplitzky Kap. 20 Rn. 13 Fn. 57. 1085 OLG Köln 30.3.2007 – 6 U 207/06 – WRP 2007, 1272 (Ls.); Staudinger/Rieble § 339 Rn. 103; a.A. OLG Düsseldorf 8.6.2007 – 24 U 207/06 – MDR 2008, 136. 1086 BGH 13.5.1982 – I ZR 205/80 – GRUR 1982, 688 unter III. – Senioren-Paß; 10.12.1992 – I ZR 186/90 – BGHZ 121, 13 unter II.6.c)bb) – Fortsetzungszusammenhang; 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471 unter II.1.d) – Modenschau im Salvatorkeller. 3.7.2003 – I ZR 297/00 – GRUR 2003, 899 unter II.1.b) – Olympiasiegerin; 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 unter II.4.c) – Kinderwärmekissen; Büscher/ Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 83 f.; Fezer/Büscher § 8 Rn. 86; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 190, 224; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.152; MünchKommBGB/Gottwald § 339 Rn. 38; Palandt/Grüneberg § 339 Rn. 15; Teplitzky Kap. 20 Rn. 15. 1087 OLG Karlsruhe 19.12.2002 – 4 U 83/01 – Magazindienst 2003, 350; Teplitzky Kap. 8 Rn. 15. 1088 Staudinger/Rieble § 339 Rn. 320. 1089 BGH 15.5.1985 – I ZR 25/83 – GRUR 1985, 1065, 1066 – Erfüllungsgehilfe; 30.4.1987 – I ZR 8/85 – GRUR 1987, 648, 649 – Anwalts-Eilbrief; 30.3.1988 – I ZR 40/86 – GRUR 1988, 561, 562 – Verlagsverschulden I; 22.1.1998 – I ZR 18/96 – GRUR 1998, 963 – Verlagsverschulden II; 9.11.2011 – I ZR 204/10 – GRUR-RR 2012, 311 (Ls.); MünchKommBGB/Gottwald § 339 Rn. 38; Palandt/Grüneberg § 339 Rn. 15; Teplitzky Kap. 20 Rn. 15; a.A. (der Schuldner wolle regelmäßig nicht schärfer als nach § 890 ZPO, daher auch nicht für Erfüllungsgehilfen haften) OLG Hamburg 10.5.1973 – 3 U 135/72 – WRP 1973, 592; OLG Karlrsruhe 28.11.1984 – 6 U 313/83 – GRUR 1985, 472; Lindacher (S. 87 ff., Soergel/ders. § 339 BGB Rn. 19 f., ders. GRUR 1975, 413, 415) hält auf der Basis eines rein vollstreckungsrechtlichen Verständnisses der Vertragsstrafe ein persönliches Verschulden des Schuldners für notwendig.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

den.1090 Im Rahmen der Unterlassungspflicht wird eine Hilfsperson tätig, wenn es – etwa im Falle des vom Schuldner für die Werbung eingeschalteten Presseunternehmens – für die Einhaltung der vom Schuldner übernommenen Unterlassungspflicht unerlässlich ist, dass auch die Hilfsperson die verbotene Handlung nicht begeht.1091 Die Verschuldenszurechnung erstreckt sich – unabhängig davon, ob die Hilfsperson die Unterlassungspflicht kennt – daher auch auf unternehmerisch selbständige Dritte einschließlich ihrer – ggf. auch weisungswidrig handelnden – Angestellten.1092 Die Haftung für Erfüllungsgehilfen kann im Wege ausdrücklicher Vereinbarung ausgeschlossen werden.1093 Die deliktischen Normen über die Zurechnung für Verschulden von Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) und Mitarbeitern und Beauftragten (§ 8 Abs. 2, §§ 14 Abs. 7, 15 Abs. 6 MarkenG) sind im vertraglichen Kontext nicht anwendbar.1094 Zu beachten ist aber, dass eigenes Verschulden auch organisatorische Versäumnisse – Fehler bei der Auswahl, Anleitung, Überwachung und Kontrolle des durch den Unterlassungsschuldner auch außerhalb seiner Unternehmensorganisation eingesetzten Hilfspersonals – einschließt.1095 c) Höhe der Vertragsstrafe 201

aa) Wirksamkeit der Vereinbarung. Haben die Parteien eine absolute, also betragsmäßig festgelegte Vertragsstrafe vereinbart, so unterliegt diese Abrede grundsätzlich der Inhaltskontrolle nach § 138 BGB. Allerdings ist die Vereinbarung einer überhöhten Vertragsstrafe nach h.M. angesichts der in § 343 BGB geregelten Herabsetzungsmöglichkeit nur im Ausnahmefall sittenwidrig, wenn besondere Umstände zur Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe – etwa: wirtschaftliche Knebelung, Existenzgefährdung – hinzutreten.1096 Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Vertragsstrafenklausel unterliegt im Hinblick auf ihre ggf. den Schuldner unangemessen benachteiligende Höhe der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.1097 Prinzipiell sind absolute Vertragsstrafen im kaufmännischen Verkehr mit § 307 Abs. 1 BGB vereinbar; aus dieser Vor-

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1090 BGH 9.10.1986 – I ZR 138/84 – BGHZ 98, 330 unter III.3 – Unternehmensberatungsgesellschaft I; 30.3.1988 – I ZR 40/86 – GRUR 1988, 561 unter II.3 – Verlagsverschulden I; 22.1.1998 – I ZR 18/96 – GRUR 1998, 963 unter II.2.b) – Verlagsverschulden II; 9.11.2011 – I ZR 204/10 – GRUR-RR 2012, 311 (Ls.) – Touristen-Information; MünchKommBGB/Grundmann § 278 Rn. 20; Palandt/Grüneberg § 278 Rn. 7. 1091 BGH 22.1.1998 – I ZR 18/96 – GRUR 1998, 963 unter II.2.b) – Verlagsverschulden II. 1092 BGH 30.3.1988 – I ZR 40/86 – GRUR 1988, 561 unter II.3 u. 4 – Verlagsverschulden I; 22.1.1998 – I ZR 18/96 – GRUR 1998, 963 unter II.2.b) – Verlagsverschulden II; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.153; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 188; Kaiser S. 109; einschränkend (Haftung nur für Gehilfen, in deren Aufgabenkreis die Wahrung der Unterlassungspflicht fällt und auf die der Schuldner jedenfalls dem Grunde nach Einfluss nehmen kann) OLG Stuttgart 29.2.1980 – 2 U 177/79 – (zitiert bei Pucher WRP 1982, 13, 14); Vorauflage/Köhler Vor § 13 B Rn. 98; ders. FS Gernhuber, S. 207, 220. 1093 Fezer/Büscher § 8 Rn. 202; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 189; zu den (streitigen) Auswirkungen eines solchen Ausschlusses auf die Wiederholungsgefahr s. Rn. 134. 1094 Staudinger/Rieble § 339 Rn. 326 f.; Teplitzky Kap. 20 Rn. 15. 1095 Staudinger/Rieble § 339 Rn. 328 ff.; Teplitzky Kap. 20 Rn. 15. 1096 BGH 5.10.1951 – I ZR 74/50 – GRUR 1952, 141 – Tauchpumpe; 30.3.1977 – VIII ZR 300/75 – WM 1977, 641 unter I.2.b)hh); OLG Nürnberg 25.11.2009 – 12 U 681/09 – MDR 2010, 277; Palandt/Grüneberg § 339 Rn. 12; MünchKommBGB/Gottwald § 343 Rn. 8; Köhler FS Gernhuber, S. 206, 210 ff.; Erman/Schaub § 343 Rn. 1; a.A. Gernhuber Das Schuldverhältnis (1989) § 34 II 2b; Kaiser S. 161 f.; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 296. 1097 BGH 18.11.1982 – VII ZR 305/81 – BGHZ 85, 305 unter III.1; 13.11.2013 – I ZR 77/12 – GRUR 2014, 595 Tz. 11 ff. – Vertragsstrafenklausel; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 105; Erman/Schaub Vorbemerkung §§ 339– 345 Rn. 4.

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schrift ergibt sich keine Pflicht, ausschließlich relative Vertragsstrafen – etwa nach „neuem Hamburger Brauch“1098 – zu vereinbaren.1099 Dass die Parteien in Ausübung ihrer Vertragsfreiheit eine relative Vertragsstrafe, 202 also das einseitige Recht zur Bestimmung der Vertragsstrafenhöhe durch den Gläubiger („neuer Hamburger Brauch“) oder einen Dritten1100 vereinbaren können, ist heute einhellige Auffassung.1101 Weil an dieser Form der Vertragsstrafevereinbarung ein berechtigtes Interesse besteht – sie ermöglicht dem Gläubiger eine flexible Reaktion auf zukünftige Verstöße des Schuldners und ist daher zur Verhinderung schwerwiegender oder folgenreicher Verstöße besonders geeignet,1102 kann aber im Einzelfall auch für den Schuldner günstig sein1103 – und zudem die gerichtliche Kontrollbefugnis gem. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB besteht, stellt eine solche Vereinbarung keine unangemessene Benachteiligung des Schuldners im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar.1104 bb) Herabsetzung und Billigkeitskontrolle. Nach der – nicht abdingbaren1105 – 203 Vorschrift des § 343 Abs. 1 S. 1 u. 3 BGB kann eine unverhältnismäßig hohe, noch nicht bezahlte Strafe auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Diese Vorschrift dient der Rechtsausübungskontrolle und lässt im Interesse einer einzelfallgerechten Strafzumessung einen richterlichen Eingriff in die von den Parteien privatautonom, aber in notwendiger Unkenntnis der zukünftigen Verletzungsumstände getroffene Vertragsstrafenvereinbarung zu.1106 Für die Beurteilung der Angemessenheit der Vertragsstrafe sind sämtliche Umstände des Einzelfalls, insbesondere die berechtigten Interessen des Gläubigers (nicht nur sein Vermögensinteresse, § 343 Abs. 1 S. 2 BGB), Schwere und Ausmaß des Verstoßes, Verschuldensgrad, wirtschaftliche Lage des Schuldners einschließlich etwaig aus dem Verstoß erlangter Vorteile und die Funktion der Vertragsstrafe zu berücksichtigen, weitere Verstöße zu verhindern.1107 Eine schematische Bemessung (etwa nach Streitwertbruchteilen) kommt nicht

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1098 Hierzu Rn. 202. 1099 BGH 13.11.2013 – I ZR 77/12 – GRUR 2014, 595 Tz. 21 – Vertragsstrafenklausel. 1100 „Dritter“ kann aber nicht – wie nach „altem Hamburger Brauch“ – das staatliche Gericht in seinem gesetzlichen Wirkungskreis sein, BGH 14.10.1977 – I ZR 119/76 – GRUR 1978, 192 unter II. – Hamburger Brauch; hierzu ausführlich Kaiser S. 44 ff. 1101 BGH 31.5.1990 – I ZR 285/88 – GRUR 1990, 1051 unter I.2 – Vertragsstrafe ohne Obergrenze; 30.9.1993 – I ZR 54/91 – GRUR 1994, 146 unter II.1 – Vertragsstrafebemessung; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 30 – Testfundstelle; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 33; Büscher/Dittmer/Schiwy Vor § 12 Rn. 66; Fezer/Büscher § 12 Rn. 86; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 202, 204; Kaiser S. 39 ff.; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 212 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.142, 144; Lindacher S. 81 ff.; Lührig/Lux FS Helm, S. 321, 333; Melullis Rn. 632; Teplitzky Kap. 8 Rn. 22; gegen Bestimmungsrecht des Gläubigers früher Larenz Schuldrecht I13 (1982) I § 24 IIa („sittenwidriges Strafdiktat des Gläubigers“); Staudinger/Kaduk12 (1994) Vor § 339 Rn. 45. 1102 S. hierzu bereits Rn. 129. 1103 Köhler FS Gernhuber, S. 207, 213. 1104 Kaiser S. 42 f. 1105 BGH 13.2.1952 – II ZR 91/51 – BGHZ 5, 133 unter III. 1106 Kaiser S. 178; Staudinger/Rieble § 343 Rn. 6, 12. 1107 BGH 1.6.1983 – I ZR 78/81 – GRUR 1984, 72 unter II.4.b) – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung; 30.9.1993 – I ZR 54/91 – GRUR 1994, 146 unter II.4 – Vertragsstrafebemessung (zu § 315 Abs. 3 BGB); KG 27.9.2011 – 5 U 137/10 – WRP 2012, 247 (Ls.), Magazindienst 2012, 48; OLG Frankfurt 30.4.2004 – 11 U 10/04 – GRUR-RR 2004, 375; OLG Köln 12.10.1984 – 6 U 140/84 – WRP 1985, 108; 1.6.2011 – 6 U 4/11 – WRP 2011, 1489 (zu § 315 BGB); OLG München 29.11.1979 – 6 U 1281/79 – WRP 1980, 283; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.143; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 236; Fezer/Büscher § 8 Rn. 204; Palandt/ Grüneberg § 343 Rn. 7; Kaiser S. 181 ff.; s. hierzu auch Rn. 128.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

in Betracht.1108 Weil die Vertragsstrafe jedenfalls auch dem Schadensausgleich dient,1109 stellt das Mindestmaß des eingetretenen oder wahrscheinlich zu erwartenden Schadens zugleich die bei der Herabsetzung nach § 343 BGB maßgebliche Untergrenze dar.1110 Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung.1111 Die Darlegungs- und Beweislast für alle tatsächlichen, für die Angemessenheit relevanten Umstände trägt der Schuldner.1112 Ist die Höhe der Vertragsstrafe in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung betragsmäßig festgelegt, so respektiert der Bundesgerichtshof einen großzügigen Beurteilungsspielraum der Parteien und beschränkt die die Rechtsfolge der Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB auf Fälle, in denen eine „auf den ersten Blick“ unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe vereinbart wurde: es sei ein strengerer Maßstab anzulegen als bei einem individuell ausgehandelten Strafversprechen, bei dem eine Herabsetzung nach § 242 BGB1113 möglich sei.1114 Hat ein Kaufmann die Vertragsstrafe im Betriebe seines Handelsgewerbes verspro204 chen – die Zugehörigkeit zum Handelsbetrieb wird gem. § 344 Abs. 1 HGB gesetzlich vermutet –, so ist gem. § 348 HGB die Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB ausgeschlossen. Auch die durch einen Kaufmann verwirkte Vertragsstrafe kann aber – sofern nicht § 348 HGB, wie zulässig und ratsam,1115 ohnehin abbedungen wird – im Ausnahmefall nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzupassen1116 oder – bei besonders krassem Missverhältnis zwischen Vertragsstrafe und Bedeutung des Verstoßes – nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu vermindern1117 sein; im letzteren Falle erfolgt allerdings nicht – wie nach § 343 BGB – eine Verminderung auf den angemessenen Betrag, sondern (nur) auf den nach Treu und Glauben noch hinzunehmenden, sich regelmäßig auf das Doppelte der angemessenen Höhe belaufenden Betrag.1118

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1108 BGH 30.9.1993 – I ZR 54/91 – GRUR 1994, 146 unter II.4 – Vertragsstrafebemessung; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 238; Kaiser S. 188; anders OLG Hamburg 14.4.1988 – 3 W 35/88 – GRUR 1988, 929. 1109 Dazu s. Rn. 188. 1110 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 240; Fezer/Büscher § 8 Rn. 204; Teplitzky Kap. 35 Rn. 2; ders. WRP 1994, 709, 712; anders (zu § 315 Abs. 3 BGB) Köhler GRUR 1994, 260, 262 f. u. Kaiser S. 183 f. (es könne auch eine den festgestellten Schaden unterschreitende Vertragsstrafe festgesetzt werden, da der Schaden nur ein Bewertungsaspekt unter vielen sei). 1111 Gernhuber Das Schuldverhältnis (1989) § 34 IV 4; MünchKommBGB/Gottwald § 343 Rn. 19; Kaiser S. 180 f.; Staudinger/Rieble § 343 Rn. 123; a.A. Erman/Schaub § 343 Rn. 4 (Zeitpunkt der Verwirkung der Vertragsstrafe), Palandt/Grüneberg § 343 Rn. 7 (Zeitpunkt der Geltendmachung der Strafe durch den Gläubiger). 1112 Palandt/Grüneberg § 343 Rn. 7; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 214; differenzierend Lindacher, S. 124 ff. (Beweislast derjenigen Partei, die im Rahmen einer vom Gericht anzustellenden „Erforderlichkeitsprüfung“ für sie günstige Tatsachen geltend macht); a.A. Staudinger/Rieble § 343 Rn. 78 ff. und diesem zustimmend Kaiser S. 185 (Anwendung des § 287 ZPO). 1113 S. Rn. 204. 1114 BGH 13.11.2013 – I ZR 77/12 – GRUR 2014, 595 Tz. 19 – Vertragsstrafenklausel, Haus & Grund. 1115 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.145; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 241; Fezer/Büscher § 8 Rn. 85; Staudinger/Rieble § 343 Rn. 41; Teplitzky Kap. 8 Rn. 30b. 1116 BGH 1.6.1983 – I ZR 78/81 – GRUR 1984, 72 unter II.4.b) – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung; Fezer/Büscher § 8 Rn. 207. 1117 BGH 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471 unter II.1.g) – Modenschau im Salvatorkeller; 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 unter II.5.b)aa) – Kinderwärmekissen; OLG Köln 12.10.1984 – 6 U 140/84 – WRP 1985, 108; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.145b f.; Fezer/Büscher § 8 Rn. 208; a.A. OLG Düsseldorf 2.8.2007 – VI-U (Kart) 10/07 – (juris); strikt ablehnend Rieble GRUR 2009, 824 u. Staudinger/ ders. § 343 Rn. 157 ff. („schwer erträgliche Freirechtsschule“). 1118 BGH 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 unter II.5.b)aa) – Kinderwärmekissen; Fezer/Büscher § 8 Rn. 208.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

Gegenüber der einen Antrag des Schuldners voraussetzenden Anwendung des § 343 205 BGB, der in Abs. 1 S. 3 zudem die Rückforderung einer bereits gezahlten überhöhten Strafe ausschließt, bietet die neben § 343 BGB anwendbare, von Amts wegen1119 zu berücksichtigende Vorschrift des § 254 BGB die Möglichkeit, mitwirkendes Verschulden des Gläubigers graduell zu berücksichtigen.1120 Weil aber der Schuldner die Folgen seines eigenverantwortlichen Handelns in aller Regel selbst tragen muss, bleibt die Anwendung des § 254 BGB Ausnahmefällen vorbehalten, in denen das Verhalten des Gläubigers Nähe zum Rechtsmissbrauch1121 aufweist.1122 Entspricht die durch den Gläubiger im Rahmen seines einseitigen Leistungsbe- 206 stimmungsrechts getroffene Vertragsstrafenhöhe nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung gem. § 315 Abs. 3 BGB durch Urteil getroffen. Noch stärker als im Falle der konsensualen Festlegung der Höhe einer zukünftigen Vertragsstrafe, in die nach § 343 BGB eingegriffen werden darf, ist der richterliche Eingriff in die privatautonom getroffene Vereinbarung hier, weil der einseitigen Bestimmung jegliche „Richtigkeitsgewähr“1123 fehlt, aus Gründen des Schuldnerschutzes gerechtfertigt.1124 Die für die Festsetzung durch den Gläubiger ebenso wie für ihre gerichtliche Kontrolle maßgeblichen Billigkeitsaspekte sind im Rahmen einer umfassenden Würdigung der im Einzelfall gegebenen Parteiinteressen und des Vertragszwecks zu ermitteln.1125 Weil die Begriffe der „Billigkeit“ in § 315 BGB und der „Angemessenheit“ in § 343 BGB vernünftigerweise gleichbedeutend zu verstehen sind,1126 kann hinsichtlich der für ihre Beurteilung maßgeblichen Umstände auf die Ausführungen zur Angemessenheit1127 verwiesen werden. Gegenüber § 343 BGB ist § 315 Abs. 3 BGB aber die für den Fall der einseitigen Bestimmung speziellere Norm und daher vorrangig zu prüfen, so dass sie – ungeachtet des § 348 HGB – auch Kaufleuten zugute kommt.1128 Die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der vorgenommenen Bestimmung liegt beim Gläubiger,1129 weil er das Risiko tragen muss, dass sich seine Bestimmung innerhalb des Rahmens der richterlichen Vertretbarkeitskontrolle hält.1130 d) Rechtsmissbrauch. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe unterliegt im Hin- 207 blick auf etwaigen Rechtsmissbrauch dem Maßstab des § 242 BGB, nicht des allein auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche anwendbaren § 8 Abs. 4.1131 Ist allerdings der

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1119 Palandt/Grüneberg § 254 Rn. 72. 1120 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 225; MünchKommBGB/Gottwald § 339 Rn. 46; Kaiser S. 165, 185 f.; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 221; Lindacher S. 97 f.; a.A. (Sperrwirkung des § 343 BGB) Staudinger/Rieble § 339 Rn. 349. 1121 Hierzu s. Rn. 207. 1122 Kaiser S. 165. 1123 Soergel/Lindacher § 343 Rn. 1; vgl. auch Staudinger/Rieble § 343 Rn. 8. 1124 Kaiser S. 731; Lindacher S. 139. 1125 Palandt/Grüneberg § 315 Rn. 10; Erman/Hager § 315 Rn. 19; MünchKommBGB/Würdinger § 315 Rn. 31. 1126 Kaiser S. 188; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 215; s. auch Erman/Schaub § 343 Rn. 2 („praktisch nicht zu trennen“). 1127 S. Rn. 203. 1128 BGH 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 30 – Testfundstelle; MünchKommBGB/Gottwald § 343 Rn. 29; Horschitz NJW 1973, 1958, 1961 f.; Kaiser S. 189; Erman/Schaub § 343 Rn. 2; a.A. Köhler FS Gernhuber, S. 207, 215. 1129 BGH 2.4.1964 – KZR 10/62 – BGHZ 41, 271 unter 3.b) – Werkmilchabzug; 7.2.2006 – KZR 8/05 – GRUR 2006, 699 unter II.2.d) – Stromnetznutzungsentgelt II; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 214; Erman/ Hager § 315 Rn. 23; Erman/Schaub § 343 Rn. 5. 1130 Lindacher S. 82. 1131 BGH 31.5.2012 – I ZR 45/11 – NJW 2012, 3577 Tz. 20 – Missbräuchliche Vertragsstrafe; Harte/ Henning/Bergmann § 8 Rn. 307; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.8; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 448.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Unterwerfung eine nach § 8 Abs. 4 unzulässige Anspruchsverfolgung vorausgegangen, so kann der auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch Genommene diesem Verlangen den Rechtsmissbrauchseinwand entgegensetzen.1132 Der Geltendmachung der Vertragsstrafe steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen treuwidrigen widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) entgegen, wenn der Gläubiger oder seine Hilfsperson den Verstoß des Schuldners veranlasst haben.1133 Ein Testkauf fällt allerdings nicht in diese Kategorie, sofern sich der Testkäufer wie ein gewöhnlicher Kunde verhält und den Verstoß nicht in besonderem Maße – etwa durch hartnäckiges Weiterverhandeln1134 – provoziert.1135 Das bloße Abwarten des Gläubigers, der einen Verstoß des Schuldners geschehen lässt, ist regelmäßig nicht rechtsmissbräuchlich, weil einerseits der Schuldner eigenverantwortlich handelt und andererseits der Gläubiger ein berechtigtes Interesse daran haben kann, Beweise gegen den Schuldner zu sammeln und „zu sehen, wie weit dieser geht und mit welchen Methoden seines Vorgehens (eventuell auch in Zukunft) gerechnet werden muss“.1136 Vor diesem Hintergrund ist die allgemeine Annahme einer Obliegenheit zur Beobachtung des Schuldners, zeitnahen Überprüfung und Geltendmachung von Verstößen1137 auch unter Berücksichtigung der das Abmahnund Unterwerfungsschuldverhältnis prägenden Rücksichtnahmepflichten 1138 nicht gerechtfertigt;1139 vielmehr kommt Rechtmissbrauch erst ab Kenntnis des Gläubigers in Betracht.1140 Rechtsmissbräuchlich ist es daher, wenn der Gläubiger über Jahre Vertragsstrafen ansammelt, um diese in einem existenzgefährdenden Angriff gegen den Schuldner geltend zu machen.1141 Bei der Annahme des Rechtsmissbrauchs wegen Geringfügigkeit des Verstoßes1142 ist Zurückhaltung angebracht, weil hier regelmäßig eine Herabsetzung der Strafe nach §§ 315 Abs. 3, 343 BGB das Mittel der Wahl sein dürfte.1143 Dass der Verstoß spezifische Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigt, steht der Gel-

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1132 OLG Karlsruhe 7.5.2012 – 6 U 187/10 – WRP 2012, 1296; OLG Hamm 17.8.2010 – I-4 U 62/10 – GRURRR 2011, 196; OLG Jena 27.9.2006 – 2 U 1076/05 – Magazindienst 2007, 70; s. auch OLG München 24.10.1991 – 6 U 2337/91 – WRP 1992, 270; MünchKommUWG/Fritzsche § 8 Rn. 479; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 4.6; offengelassen in BGH 31.5.2012 – I ZR 45/11 – NJW 2012, 3577 Tz. 22 – Missbräuchliche Vertragsstrafe. 1133 RG 1.4.1935 – VI 541/34 – RGZ 147, 228, 233; BGH 23.3.1971 – VI ZR 199/69 – NJW 1971, 1126; 1.6.1983 – I ZR 78/81 – GRUR 1984, 72 unter II.2 – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung; 23.1.1991 – VIII ZR 42/90 – NJW-RR 1991, 568 unter I.2a); OLG Karlsruhe 3.11.1983 – 4 U 137/82 – GRUR 1984, 75; OLG Naumburg 10.2.2004 – 11 U 78/03 – VIZ 2004, 246; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 226; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 220 f.; Erman/Schaub § 339 Rn. 10; hinsichtlich der Rechtsgrundlage a.A. (§ 162 Abs. 2 BGB statt § 242 BGB) Staudinger/Rieble § 339 Rn. 342, Knütel AcP 175 (1975), S. 44, 68 f. 1134 So der Fall in OLG Karlsruhe 3.11.1983 – 4 U 137/82 – GRUR 1984, 75. 1135 BGH 14.4.1965 – Ib ZR 72/63 – BGHZ 43, 359 unter II.1 – Warnschild; OLG Hamburg 15.11.1984 – 3 U 99/84 – GRUR 1985, 153; OLG Hamm 30.10.1989 – 4 U 234/89 – GRUR 1991, 638 (Ls.); Harte/Henning/ Brüning § 12 Rn. 226; Kaiser S. 164; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 345; Erman/Schaub § 339 Rn. 10. 1136 BGH 1.6.1983 – I ZR 78/81 – GRUR 1984, 72 unter II.2 – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung; Kaiser S. 165 f.; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 346; a.A. OLG Köln 19.11.1999 – 6 U 103/99 – GRUR-RR 2001, 46 (Rechtsmissbrauch, wenn Gläubiger wegen unzureichender Änderung der beanstandeten Werbung, von der er bereits bei Zugang der Annahmeerklärung Kenntnis hat, kurze Zeit später die Vertragsstrafe verlangt). 1137 So BGH 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471 unter II.1.g) – Modenschau im Salvatorkeller; Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 43. 1138 S. Rn. 52 ff., 58, 166. 1139 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 230. 1140 OLG Frankfurt 13.6.1996 – 6 U 151/95 – GRUR 1996, 996; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 230; a.A. Ahrens/Achilles Kap. 8 Rn. 43. 1141 BGH 18.9.1997 – I ZR 71/95 – GRUR 1998, 471 unter II.1.g) – Modenschau im Salvatorkeller; OLG Koblenz 26.3.1992 – 6 U 30/90 – GRUR 1992, 884; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 229; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 347 (auf den Vernichtungswillen des Gläubigers und § 226 BGB abstellend). 1142 LG Berlin 8.6.1995 – 20 O 67/95 – NJW 1996, 1142; MünchKommBGB/Gottwald § 339 Rn. 45. 1143 Köhler FS Gernhuber, S. 207, 223.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

tendmachung einer Vertragsstrafe im Bereich des (auch) dem Schutz von Allgemeininteressen dienenden Lauterkeitsrechts (vgl. § 1) unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs nicht entgegen.1144 Die lauterkeitsrechtliche Orientierung an Allgemeininteressen steht regelmäßig auch dem Einwand der „unclean hands“ entgegen, mit welchem der Schuldner gegenüber der Geltendmachung der Vertragsstrafe auf vertragsbrüchiges Verhalten des Gläubigers verweist. 1145 Der Vertragsstrafenanspruch kann schließlich verwirkt sein, wenn der Gläubiger ihn jahrelang nicht verfolgt hat und der Schuldner damit rechnen durfte, keiner weiteren Verfolgung ausgesetzt zu sein.1146 e) Rechtsnachfolge. Der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe nach begange- 208 nem Verstoß ist selbständig abtretbar, kann ge- und verpfändet und vererbt werden.1147 Vor Begehung des Verstoßes ist der Anspruch auf Zahlung der (zukünftigen) Vertragsstrafe hingegen nicht selbständig übertragbar, weil er zur gesicherten Verpflichtung akzessorisch ist;1148 er folgt der übertragenen Verpflichtung als Nebenrecht gem. § 401 BGB.1149 f) Verjährung aa) Verjährungsfrist. Der Anspruch auf Zahlung einer verwirkten Vertragsstrafe 209 unterliegt nach ganz h.M. der Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB.1150 Die Vertragsstrafe ist keine unselbständige Nebenleistung im Sinne des § 217 BGB, die der Verjährung der Hauptverbindlichkeit unterläge.1151 Die (analoge) Anwendung der kurzen UWG-Verjährung des § 11 wäre – anders als im Falle des an die Stelle des gesetzlichen Anspruchs tretenden vertraglichen Unterlassungsanspruchs1152 – nicht sachgerecht, weil ein besonderes Beschleunigungsinteresse im Falle der verwirkten Vertragsstrafe nicht besteht – im Gegenteil: auch die verwirkte Vertragsstrafe soll den Schuldner von weiteren Verstößen

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1144 Kaiser S. 167; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 222; s. auch BGH 1.6.1983 – I ZR 78/81 – GRUR 1984, 72 unter II.1 – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung. 1145 Vgl. BGH GRUR 1977, 494 unter I.2 a.E. – DERMATEX; BGH 12.12.1996 – I ZR 7/94 – GRUR 1997, 537 unter II.1.b) – Lifting-Creme; BGH GRUR 1997, 681, 683 – Produktwerbung; Kaiser S. 166; Köhler FS Gernhuber, S. 207, 222 (dort auch zum denkbaren Ausnahmefall der erforderlichen Abwehr eines Verstoßes des Gläubigers); a.A. Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 227; Erman/Schaub § 339 Rn. 10. 1146 OLG Frankfurt 13.6.1996 – 6 U 151/95 – GRUR 1996, 996; Teplitzky Kap. 8 Rn. 21 a.E. 1147 BGH 17.7.2008 – I ZR 168/05 – GRUR 2009, 181 Tz. 25 – Kinderwärmekissen; MünchKommBGB/ Gottwald § 339 Rn. 15; Erman/Schaub § 339 Rn. 4; Teplitzky Kap. 20 Rn. 21. 1148 BGH 24.11.1989 – V ZR 16/88 – BGHZ 109, 230 (erbbaurechtliche Vertragsstrafe), Ahrens/Achilles Kap. 10 Rn. 11; Bamberger/Roth/Janoschek BGB2 (2007) § 339 Rn. 3; Teplitzky Kap. 20 Rn. 21; a.A. Staudinger/Busche § 401 Rn. 32; MünchKommBGB/Gottwald § 339 Rn. 15, Staudinger/Rieble § 339 Rn. 401, Erman/Schaub § 339 Rn. 4, K. Schmidt FS Heinrichs, S. 529, 531 (als künftige Forderung selbständig abtretbar, aber Befugnis zur Einforderung verbleibe beim Gläubiger der Hauptschuld). 1149 Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 178 (analoge Anwendung des § 401 BGB); Staudinger/Busche § 401 Rn. 32; MünchKommBGB/Gottwald § 339 Rn. 15; MünchKommBGB/Roth § 401 Rn. 9; Erman/Schaub § 339 Rn. 4; K. Schmidt FS Heinrichs, S. 529, 531; Erman/Westermann § 401 Rn. 2; a.A. Bamberger/Roth/ Janoschek BGB2 (2007) § 339 Rn. 3; Staudinger/Rieble § 339 Rn. 403. 1150 BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 unter II.1.c)bb) – Kurze Verjährungsfrist; Ahrens/ Achilles Kap. 10 Rn. 12; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 28; Fezer/Büscher § 11 Rn. 15, 20; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.15, 1.48; Nieder WRP 2001, 117, 118; Rieble NJW 2004, 2270; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 25; Teplitzky Kap. 16 Rn. 21, Kap. 20 Rn. 21; a.A. Kaiser S. 173 ff., 177; Ulrich WRP 1996, 379, 381 f. 1151 RG 10.7.1914 – II 233/14 – RGZ 85, 242 f. (zu § 224 BGB a.F.); Kaiser S. 169 (zu § 224 BGB a.F.); Staudinger/Rieble § 339 Rn. 420. 1152 S. Rn. 185.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

abhalten – und weil die Vertragsstrafe eine besondere, im Falle des gesetzlichen Anspruchs nicht gegebene unterwerfungsvertragliche Sanktionsart ist.1153 210

bb) Beginn der Verjährung. Die Verjährung des Zahlungsanspruchs beginnt sowohl im Falle der absoluten als auch der noch zu bestimmenden relativen Vertragsstrafe gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden, d.h. der Verstoß geschehen ist und der Gläubiger hiervon Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen bzw. – im Falle der zehnjährigen Höchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB – mit der Anspruchsentstehung.1154 Nach anderer Auffassung1155 folgt aus dem Charakter des Vertragsstrafenanspruchs als sog. verhaltener Anspruch, der erst erfüllbar sei, wenn der Gläubiger die ihm gem. § 340 BGB zukommende Wahl zwischen Erfüllung und Strafe getroffen habe,1156 dass die Verjährung erst mit Ausübung der Wahl beginne; höchstens dauere die Verjährung – gerechnet vom Zeitpunkt des Strafverfalls – die in § 199 Abs. 4 BGB vorgesehenen zehn Jahre. Jedoch besteht im Falle des zur Sicherung einer vertraglichen Unterlassungspflicht gegebenen Vertragsstrafeversprechens kein echtes Wahlrecht im Sinne der §§ 340 f. BGB, weil die Wahl der Vertragsstrafe das Fortbestehen des Unterlassungsanspruchs nicht tangiert.1157 Dass der Leistungsgegenstand der Konkretisierung durch den Gläubiger bedarf, steht zudem der Annahme einer sofortigen Anspruchsentstehung – mit der Folge eines sofortigen Beginns der Verjährung – nicht entgegen.1158 Die erstgenannte Ansicht ist schließlich auch deshalb vorzugswürdig, weil der bis zur Ausübung des Wahlrechts hinausgeschobene Verjährungsbeginn der Absicht des Gesetzgebers zuwiderliefe, die Verjährung zu verkürzen.1159 g) Verhältnis zu weiteren Sanktionen

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aa) Unterlassungsanspruch. Das Vertragsstrafeverlangen hindert nicht die auf demselben Verstoß basierende Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs:1160 Begeht der Schuldner nach der Unterwerfung einen weiteren identischen oder kerngleichen Wettbewerbsverstoß, so kann der Gläubiger in Idealkonkurrenz sowohl den vertraglichen1161 als auch den im Falle der Wettbewerbswidrigkeit der erneuten Handlung hinzutretenden gesetzlichen Unterlassungsanspruch geltend machen.1162

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1153 Vgl. BGH 12.7.1995 – I ZR 176/93 – BGHZ 130, 288 unter II.1.c)bb) – Kurze Verjährungsfrist; Ahrens/Bornkamm Kap. 34 Rn. 28; Fezer/Büscher § 11 Rn. 15, 20; Köhler/Bornkamm § 11 Rn. 1.15, 1.48; Nieder WRP 2001, 117, 118; Rieble NJW 2004, 2270; Harte/Henning/Schulz § 11 Rn. 25; Teplitzky Kap. 16 Rn. 21, Kap. 20 Rn. 21; a.A. Kaiser S. 173 ff., 177; Ulrich WRP 1996, 379, 381 f. 1154 Ahrens/Achilles Kap. 10 Rn. 12; Teplitzky Kap. 20 Rn. 21. 1155 Palandt/Ellenberger § 199 Rn. 8; Rieble NJW 2004, 2270 f.; Staudinger/ders. § 339 Rn. 426 f. 1156 Zum Begriff des verhaltenen Anspruchs s. Palandt/Grüneberg § 271 Rn. 1. 1157 Ahrens/Achilles Kap. 10 Rn. 12; MünchKommBGB/Gottwald Vorbemerkung §§ 339–345 Rn. 54; Teplitzky Kap. 20 Rn. 21. 1158 MünchKommBGB/Grothe § 199 Rn. 7; Staudinger/Peters/Jacoby § 199 Rn. 15. 1159 Ahrens/Achilles Kap. 10 Rn. 12; MünchKommBGB/Grothe § 199 Rn. 7. 1160 BGH 9.11.1979 – I ZR 24/78 – GRUR 1980, 241 unter III. – Rechtsschutzbedürfnis; 7.12.1989 – I ZR 237/87 – GRUR 1990, 534 – Abruf-Coupon; 5.2.1998 – III ZR 103/97 – BGHZ 138, 67; OLG Stuttgart 19.3.1982 – 2 U 195/81 – WRP 1982, 547; 23.3.1983 – 2 W 22/83 – WRP 1983, 580; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.157; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 243; Fezer/Büscher § 8 Rn. 91, 211; Gruber WRP 1991, 279, 281; Teplitzky Kap. 20 Rn. 22. 1161 Hierzu s. Rn. 187. 1162 S. Rn. 149, 187.

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II. Unterwerfung

B. Abmahnung und Unterwerfung

bb) Ordnungsgeld. Verfügt der Gläubiger sowohl über eine strafbewehrte Unter- 212 werfung des Schuldners als auch einen gerichtlichen Titel, so stehen ihm beide Wege – Vertragsstrafeverlangen und Ordnungsmittelverfahren gem. § 890 ZPO – offen;1163 dies gilt regelmäßig auch im Falle eines Vertragsstrafeversprechens in Form eines gerichtlich protokollierten Vergleichs,1164 sofern nicht die Parteien ausdrücklich die Ordnungsmittelvollstreckung ausschließen, denn die Vertragsstrafe soll die Handlungsmöglichkeiten des Gläubigers erweitern, nicht einschränken.1165 Insbesondere fehlt der gerichtlichen Verfahrenseinleitung nicht das Rechtsschutzbedürfnis.1166 Dem liegt zugrunde, dass diese Sanktionsformen zwar gleichermaßen die Einhaltung der Unterlassungspflicht erzwingen wollen,1167 darüber hinaus aber prinzipiell unterschiedliche Zwecke haben: die Vertragsstrafe sichert private Interessen – etwa den Schadensausgleich1168 –, das Ordnungsmittel hingegen ist eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots.1169 Das verfassungsrechtliche Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) hindert eine parallele Geltendmachung nicht: es handelt sich nicht um die Bestrafung derselben Tat „aufgrund der allgemeinen Strafgesetze“, sondern um die Konkurrenz von öffentlicher Strafe und privatrechtlicher Sanktion.1170 Auch in Ansehung der Zweckverschiedenheit darf allerdings die Summe der wegen eines Verstoßes verhängten Sanktionen nicht zu einer unverhältnismäßigen – hier: übermäßigen – Ahndung unter Zuhilfenahme staatlicher Gerichte führen: Im Ordnungsmittelverfahren muss der in der Festsetzung der Strafe liegende unmittelbare Grundrechtseingriff den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren;1171 bei der das privatrechtliche Verhältnis der Parteien betreffenden Bemessung der Vertragsstrafe ist über die Generalklausel des § 242 BGB die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mittelbar zu beachten.1172 Daher ist sowohl das Ordnungsgeld auf die angemes-

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1163 BGH 5.10.1951 – I ZR 74/50 – GRUR 1952, 141, 143 – Tauchpumpe; 5.2.1998 – III ZR 103/97 – BGHZ 138, 67; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 32 – Testfundstelle; 3.4.2014 – I ZB 3/12 – Ordnungsmittel nach Prozessvergleich; KG 2.2.1979 – 5 W 4865/78 – WRP 1979, 367; OLG Köln 26.5.1986 – 6 W 36/86 – GRUR 1986, 688; 20.6.1986 – 6 U 56/86 – NJW-RR 1987, 360; 15.12.1986 – 6 W 111/86 – WRP 1987, 265; OLG Saarbrücken 21.11.1978 – 1 W 26/78 – NJW 1980, 461; OLG Stuttgart 12.12.2011 – 2 W 59/11 – WRP 2012, 500; Fezer/Büscher §8 Rn. 211; Erman/Schaub Vorbemerkung §§ 339–345 Rn. 10; Teplitzky Kap. 20 Rn. 22; a.A. OLG Frankfurt 8.7.2013 – 6 W 64/13 (juris). 1164 Die Ordnungsmittelandrohung kann allerdings nicht wirksam in den Vergleich aufgenommen werden, BGH 2.2.2012 – I ZB 95/10 – GRUR 2012, 957 – Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren. 1165 OLG Saarbrücken 21.11.1978 – 1 W 26/78 – NJW 1980, 461; Kaiser S. 193; Staudinger/Rieble Vorbem zu §§ 339 ff. Rn. 110; a.A. (konkludenter Ausschluss regelmäßig gewollt) OLG Hamm 30.5.1984 – 4 W 73/84 – GRUR 1985, 82, OLG Stuttgart 12.12.2011 – 2 W 59/11 – WRP 2012, 500 (bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte), Melullis Rn. 664; S. auch OLG Hamburg 10.6.2013 – 7 W 49/13 – MDR 2013, 875 (Vergleich ohne Vertragsstrafeversprechen wurde dahin ausgelegt, dass lediglich ein – nicht mit Ordnungsmitteln vollstreckbarer – vertraglicher Unterlassungsanspruch begründet werden sollte). 1166 Teplitzky Kap. 20 Rn. 22; a.A. OLG Hamm 30.5.1984 – 4 W 73/84 – GRUR 1985, 82; OLG Köln 28.8.1968 – 14 W 46/68 – NJW 1969, 756. 1167 Lindacher S. 187 f.; Sosnitza FS Lindacher, S. 161, 172. 1168 S. Rn. 188. 1169 BGH 5.2.1998 – III ZR 103/97 – BGHZ 138, 67 unter I.3; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 32 – Testfundstelle; Köhler WRP 1993, 666, 672 f.; Erman/Schaub Vorbemerkung §§ 339–345 Rn. 10. 1170 BGH 5.2.1998 – III ZR 103/97 – BGHZ 138, 67 unter I.3; Fischer FS Piper, S. 205, 210; MünchKommBGB/Gottwald Vorbemerkung §§ 339–345 Rn. 53; Kaiser S. 193. 1171 S. nur BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02 – BGHZ 156, 335 unter B.III.2.a) – Euro-Einführungsrabatt. 1172 Vgl. Sachs/Sachs GG6 (2011) Art. 20 Rn. 148 u. vor Art. 1 Rn. 32; vgl. zur Einwirkung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch Köhler GRUR 1996, 82 ff. Nach Staudinger/Rieble Vorbem zu §§ 339 ff. Rn. 107, Teplitzky Kap. 20 Rn. 22 ist das „Gebot der einzelfallgerechten Strafe“ betroffen, das sowohl für staatliche Strafe als auch Vertragsstrafe gelte.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

sene Vertragsstrafe anzurechnen als auch letztere bei der Bemessung eines Ordnungsgeldes mindernd zu berücksichtigen.1173 213

cc) Schadensersatz. Die Ansprüche auf Vertragsstrafenzahlung und Schadensersatz können, wie den §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB zu entnehmen ist, grundsätzlich nebeneinander bestehen:1174 der Gläubiger kann die Vertragsstrafe als Mindestbetrag seines Schadens sowie einen darüber hinausgehenden Schaden geltend machen. Andererseits setzt die Geltendmachung der Vertragsstrafe einen Schaden nicht voraus; fehlt dieser, so kann dies allenfalls zu einer Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB1175 führen. 1176 Prozessual ist zu beachten, dass einer Schadensersatzfeststellungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn kein über den – mit der vorrangigen Leistungsklage verfolgbaren – Vertragsstrafenanspruch hinausgehender Schaden dargelegt wird.1177 Aus § 340 Abs. 2 S. 1 BGB folgt, dass die Vertragsstrafe zur Vermeidung einer unangemessenen, weil den Gläubiger unverdient bereichernden, den Schuldner unzumutbar belastenden1178 Kumulierung ggf. auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen ist, soweit die mit beiden Instrumenten verfolgten Interessen identisch sind. 1179 Wegen dieses Schutzzwecks ist § 340 Abs. 2 S. 1 BGB nur individualvertraglich, nicht aber im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen abdingbar.1180 Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall, in dem der Schuldner zunächst Schadensersatz und später die Vertragsstrafe beansprucht: der Gläubiger kann die Vertragsstrafe nur in dem Umfang verlangen, in dem sie den Schadensersatzanspruch übersteigt.1181 Vom Zweck der Vertragsstrafe als Mindestpauschale für den durch einen Verstoß verursachten Schaden1182 ist der aus der nicht rechtzeitigen Erfüllung des Vertragsstrafenanspruchs resultierende Verzögerungsschaden (etwa zwecks Geltendmachung der Vertragsstrafe entstandene Anwaltskosten) nicht erfasst; diese Position kann daher neben der Vertragsstrafe als Schadensersatz beansprucht werden.1183 Ebenso verhält es sich mit den für die Abmahnung eines Zweitverstoßes gem. § 12 Abs. 1 S. 2 anfallenden Anwaltskosten.1184

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1173 BGH 5.2.1998 – III ZR 103/97 – BGHZ 138, 67 unter I.3; 17.9.2009 – I ZR 217/07 – GRUR 2010, 355 Tz. 32 – Testfundstelle; OLG Köln 26.5.1986 – 6 W 36/86 – GRUR 1986, 688; 15.12.1986 – 6 W 111/86 – WRP 1987, 265; Lindacher S. 188 u. GRUR 1975, 413, 420; Erman/Schaub Vorbemerkung §§ 339–345 Rn. 10; nicht für Anrechnung, sondern (flexibler) für Berücksichtigung einer vorangegangenen Sanktion treten ein OLG Düsseldorf 8.2.1988 – 2 W 14/85 – NJW-RR 1988, 1216, Fezer/Büscher § 8 Rn. 211, Kaiser S. 193, Köhler WRP 1993, 666, 675, Nieder WRP 2001, 117, 118, Staudinger/Rieble Vorbem zu §§ 339 Rn. 107, 111, Teplitzky Kap. 20 Rn. 22, ders. WRP 1994, 709, 713. 1174 Kaiser S. 193 f.; Köhler GRUR 1994, 260, 261. 1175 S. Rn. 203. 1176 BGH 27.11.1968 – VIII ZR 9/67 – NJW 1969, 461 ab II.2.c); 27.11.1974 – VIII ZR 9/73 – BGHZ 63, 256 unter II.2.d); MünchKommBGB/Gottwald § 340 Rn. 8; Köhler GRUR 1994, 260, 261. 1177 BGH 6.5.1993 – I ZR 144/92 – GRUR 1993, 926 unter II.1 – Apothekenzeitschriften; Harte/Henning/ Brüning § 12 Rn. 244; Kaiser S. 194. 1178 Vgl. BGH 27.11.1974 – VIII ZR 9/73 – BGHZ 63, 256 unter II.2.c); Köhler GRUR 1994, 260, 261. 1179 BGH 8.5.2008 – I ZR 88/06 – GRUR 2008, 929 Tz. 9 – Vertragsstrafeneinforderung; Fezer/Büscher § 8 Rn. 205; Köhler GRUR 1994, 260, 261 („Anrechnungsgebot und Kumulierungsverbot“); Teplitzky Kap. 35 Rn. 1. 1180 BGH 27.11.1974 – VIII ZR 9/73 – BGHZ 63, 256 unter II.2. 1181 Köhler GRUR 1994, 260, 261; Lindacher S. 186 f. 1182 S. Rn. 186. 1183 BGH 8.5.2008 – I ZR 88/06 – GRUR 2008, 929 Tz. 9 – Vertragsstrafeneinforderung. 1184 OLG Jena 7.10.2009 – 2 U 272/09 – MDR 2010, 827.

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Schrifttum

C. Einstw. Verf., Abschlusserkl. u. -schreiben

C. Einstweilige Verfügung, Abschlusserklärung und Abschlussschreiben

C. Einstw. Verf., Abschlusserkl. u. -schreiben Schrifttum Schwippert Schrifttum § 12 Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Addicks Welche Anforderungen gibt es bei der Zustellung und Vollziehung von einstweiligen Verfügungen? MDR 1994, 225; Ahrens Der Schadensanspruch nach § 945 ZPO im Streit der Zivilsenate, Festschrift für H. Piper, 1996, S. 31; ders. Die Abschlusserklärung – Zur Simulation der Rechtskraft von Verfügungstiteln, WRP 1997, 907; ders. Die fristgebundene Vollziehung einstweiliger Verfügungen. Für eine Neuinterpretation des § 929 Abs. 2 ZPO, WRP 1999, 1; ders. Die Bildung kleinteiliger Streitgegenstände als Folge des TÜV-Beschlusses, WRP 2013, 129; Alexander Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeitsund Kartellrecht, 2010; Amschewitz Kostentragung bei Sequestrationsverfügungen ohne vorherige Abmahnung, WRP 2012, 401 ff.; Anders Die Zustellung einstweiliger Verfügungen nach dem Zustellungreformgesetz, WRP 2003, 204; Balzer Die Darlegung der Prozessbefugnis und anderer anspruchsbezogener Sachurteilsvoraussetzungen im Zivilprozess, NJW 1992, 2721; Baur Studien zum einstweiligen Rechtsschutz, 1967; Berneke Neues Vorbringen im Berufungsverfahren zu Arrest und einstweiliger Verfügung, Festschrift für W. Tilman, 2003, S. 775; ders. Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl. 2003; Bernreuther Zusammentreffen von Unterlassungserklärung und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, GRUR 2001, 400; ders. Der negative Feststellungantrag im einstweiligen Verfügungsverfahren, WRP 2010, 1191; ders. Titelgläubiger, Vertragsgläubiger und erneuter Unterlassungsschuldner, WRP 2012, 796 ff.; Beyerlein (K)eine zweite Chance – wiederholter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als Dringlichkeitsproblem, WRP 2005, 1463; Blomeyer Die Unterscheidung von Zulässigkeit und Begründetheit bei der Klage und beim Antrag auf Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung, ZZP 81 (1968), 20; Borck Prinzipielles Befriedigungsverbot und obligatorische mündliche Verhandlung, WRP 1972, 238 ff.; ders. Obliegt es dem Opfer, den Täter zu warnen? WRP 1974, 541 ff.; ders. Grenzen richterlicher Formulierungshilfe bei Unterlassungsverfügungen, WRP 1977, 457 ff.; ders. Über die Vollziehung von Unterlassungsverfügungen, WRP 1977, 556 ff.; ders. Kostenfestsetzung aufgrund von Schutzschrift-Hinterlegung? WRP 1978, 262 ff.; ders. Die Zeit und ihr Vergehen im Hinblick auf die Vorschriften §§ 21, 25 UWG 935 ff. ZPO, WRP 1978, 519 ff.; ders. Zur Zurückverweisung des Verfügungsantrags ohne mündliche Verhandlung, WRP 1978 641 ff.; ders. Zur Glaubhaftmachung des Unterlassungsanspruches, WRP 1978, 776 ff.; ders. Kunstfehler und kalkulierte Risiken beim Umgang mit Unterlassungsverfügungen, WRP 1979, 274 ff.; ders. Vom Spiel mit der Verjährung, WRP 1979, 347; ders. Rückwärtsgewandte Feststellungsklage und Fristsetzung nach „Erledigung der Hauptsache“? Einige konservative Bemerkungen zu den §§ 256, 926, 945 ZPO, WRP 1980, 1 ; ders. Das rechtliche Gehör im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, MDR 1988, 908 ff.; ders. Ab wann ist die Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungsverfügung sanktionierbar gem. §890 ZPO? WRP 1989, 360 ff.; ders. Die Vollziehung und die Vollstreckung von Unterlassungstiteln, WRP 1993, 374; ders. Ein letztes Mal noch: Zur Unterlassungvollstreckung, WRP 1996, 181; ders. Zuständigkeitserklärung qua negativer Feststellungsklage, WRP 1997, 265; Brannekämper Wettbewerbsstreitigkeiten mit Auslandsbeziehung im Verfahren der einstweiligen Verfügung, WRP 1994, 661; Bülow Zur prozessrechtlichen Stellung des Antragsgegners im Beschlussverfahren von Arrest- und einstweiliger Verfügung, ZZP 98 (1985) 274ff.; Brückmann Klageänderung und „Umformulierung“ von Unterlassungsanträgen im Wettbewerbsprozess, WRP 1983, 656; Brüggemann Unausgebildete Gegenerschaftsverhältnisse, ZZP 81 (1968), 457; Burchert/Goerl Die Wahrung der Frist des § 926 ZPO im Wettbewerbsverfahren, WRP 1976, 661 ff.; Castendiek Die Amtszustellung als Vollziehung von Urteilsverfügungen mit Unterlassungsgebot, WRP 1979, 527 ff.; Danckwerts Die Entscheidungen über den Eilantrag, GRUR 2008, 763; ders. Aktuelle Entscheidungen zur Dringlichkeit – Welche Risiken birgt ein Vollstreckungsverzicht? GRUR-Prax 2010, 473; ders. Klagehäufung im UWG, Anwaltsbl. 2013, 252; Dethloff Ausländisches Wettbewerbdrecht im einstweiligen Rechtschutz, RabelsZ 1998, 386; Deutsch Die Schutzschrift in Theorie und Praxis, GRUR 1990, 327 ff.; ders. Anspruchskonkurrenzen im Marken – und Kennzeichenrecht, WRP 2000, 854; Du Mesnil de Rochemont Die Notwendigkeit eines bestimmten Antrages bei der Unterlassungsverfügung und die Bindung des Gerichtes an einen solchen Antrag, 1993; Dittmar Die Verjährungsunterbrechung wettbewerbs-rechtlicher Unterlassungsansprüche durch Urteil und einstweilige Verfügung, GRUR 1979, 288 ff.; Doepner Urteilsanmerkung zu OLG Karlsruhe (WRP 1974, 691 ff.) WRP 1974, 693 ff.; ders. Selbstwiderlegung der Dringlichkeit im wettbewerbsrechtlichen Verfügungsverfahren: wider eine feste Zeitspanne, WRP 2011, 1384 ff.; Drettmann Die Berücksichtigung „öffentlicher“ Interessen bei Prüfung der Eilbedürftigkeit des einstweiligen Verfügungsverfahrens nach § 25 UWG, GRUR 1979, 602 ff.; Ehlers Die

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Aufbrauchsfrist und ihre Rechtsgrundlage, GRUR 1967, 77 ff.; Eichmann Die Durchsetzung des Anspruchs auf Drittauskunft, GRUR 1990, 575 ff.; Eikelau Unzulässige wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen Markenanmeldungen, MarkenR 2001, 41; Einsiedler Geschäftsführung ohne Auftrag bietet keine Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten wettbewerbsrechtlicher Abmahnschreiben und Abschlussschreiben, WRP 2003, 354; Engelschall Änderung der Verfahrensvorschriften bei Erwirkung einstweiliger Verfügungen, GRUR 1972, 103 ff.; Eser Probleme der Kostentragung bei der vorprozessualen Abmahnung und beim Abschlussschreiben in Wettbewerbsstreitigkeiten, GRUR 1986, 35; v. Falck Einstweilige Verfügungen in Patent- und Gebrauchsmustersachen, Mitt. 2002, 429; G. Fischer Hat das im einstweiligen Rechtsschutz ergangene rechtskräftige Urteil Bedeutung für den Schadensersatzanspruch aus § 945 ZPO? Festschrift für F. Merz, 1992, S. 81; Fritze Fehlerhafte Zustellung von Arresten und einstweiligen Verfügungen, Festschrift für Gerhard Schiedermair, 1976, S. 141 ff.; ders. Bemerkungen zur einstweiligen Verfügung im Bereich der gewerblichen Schutzrechte und im Wettbewerbsrecht, GRUR 1979, 290 ff.; ders. Die Anordnung von Handlungen, insbesondere Erklärungen zur Beendigung einer andauernden Beeinträchtigung durch einstweilige Verfügung, Festschrift für F. Traub, 1994, S. 113; ders. Gut gemeint – Ziel verfehlt – Negative Feststellungsklage als Hauptsache im Sinne des § 937 Abs. 1 ZPO, GRUR 1996, 571; Fürst Einseitige Antragsrücknahme nach Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung, BB 1974, 890 ff.; v. Gamm Vermutung der Dringlichkeit in Wettbewerbssachen, WRP 1968, 312 ff.; Ganselmayer Die einstweilige Verfügung im Zivilverfahren, 1991; Gleußner Die Vollziehung von Arrest und einstweiliger Verfügung in ihren zeitlichen Grenzen, 1999; Glücklich Die sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte für einstweilige Verfügungen in Wettbewerbssachen, GRUR 1966, 301 ff.; v. Goetze Zurückweisung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung? WRP 1978, 433 ff.; Gruber Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch nach einem „ Zweitverstoß“, WRP 1991, 279 ff.; ders. Die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr als Beweiserleichterung, WRP 1991, 368; ders. Grundsatz des Wegfalls der Wiederholungsgefahr durch Unterwerfung, WRP 1992, 71 ff.; Graf von der Groeben Zuwiderhandlungen gegen die einstweilige Verfügung zwischen Verkündung und Vollziehung des Unterlassungsurteils, GRUR 1999, 674; Gröning „Im Brennpunkt“: Die Kosten des Verfügungsverfahrens nach abgewiesener oder zurückgenommener Hauptklage, WRP 1992, 679; Grunsky Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, JuS 1976, 277 ff.; ders. Die Vollziehungsfrist des § 929 II nach Durchführung eines Widerspruchs- oder Berufungsverfahrens, ZZP 104 (1991), 1; Günther Die Schubladenverfügung – Stolperfalle Dringlichkeit? WRP 2006, 407; Guhn Richterliche Hinweise und „forum shopping“ im einstweiligen Verfügungsverfahren, WRP 2014, 27; Gutsche Vorläufiger Rechtsschutz im Urheberrecht, FS für W. Nordemann, 1999, S. 75; Hadding Zur einstweiligen Verfügung im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, ZHR 130 (1968), 1 ff.; Hall Die Vollstreckung von deutschen Ordnungsgeldbeschlüssen in einem anderen EU-Mitgliedstaat, FS für Bornkamm, 2014, S. 1045; Heil Der Antrag auf Verweisung an die Kammer für Handelssachen (§ 98 Abs. 1 GVG) in einer Schutzschrift, WRP 2014, 24; Hartisch/Nacken Produktpiraterie bei ungeprüften Schutzrechten, WRP 1989, 1; Hase Verjährung von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen und Erledigung der Hauptsache im einstweiligen Verfügungsverfahren, WRP 1985, 254 ff.; Hees Erstattung der Kosten des Eilverfahrens nach Obsiegen in der Hauptsache, MDR 1994, 438; Hegmanns Die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsgerichte zum Erlass von Arrest und einstweiliger Verfügung bei versäumter Vollziehungsfrist, WRP 1984, 120 ff.; Herr Vom Sinn und Unsinn der Schutzschriften, GRUR 1986, 436 f.; ders. Keine Begründungspflicht für Arrest oder einstweilige Verfügung anordnende Beschlüsse, NJW 1993, 2287; Hilgard Die Schutzschrift im Wettbewerbsrecht, 1985; Himmelsbach Taktisches Vorgehen im Wettbewerbsverfahren wird schwieriger, GRURPrax 2010, 71; Hirtz Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast im einstweiligen Rechtsschutz, NJW 1986, 110; Holzapfel Zum einstweiligen Rechtsschutz im Wettbewerbs- und Patentrecht, GRUR 2003, 287; Irmen Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens im einstweiligen Verfügungs- und Arrestverfahren, 1990; Jauernig Der zulässige Inhalt einstweiliger Verfügungen, ZZP 79 (1966), 312; ders. Zum Prüfungs- und Entscheidungsvorrang von Prozessvoraussetzungen, Festschrift für G. Schiedermair, 1976, S. 289; Jestaedt Sortenschutz und einstweilige Verfügung, GRUR 1981, 152; ders. Der Streitgegenstand des wettbewerbsrechtlichen Verfügungsverfahrens, GRUR 1985, 480 ff.; Kehl Einstweilige Verfügung – ähnliche neue Werbung – Was tun? WRP 1999, 46; ders. Von der Marktbeobachtung bis zur Nichtvollziehung – wann ist es dem Anspruchsteller „nicht so eilig“? Festschrift für M. Loschelder, 2010, S. 139; Kieser/Sapemann Vollstreckung von Unterlassungsverfügungen in EU-Staaten: Bestrafungsverfahren in Deutschland wird attraktiver, GRUR-Prax 2012, 155 ff.; Kisseler Die Aufbrauchsfrist im vorprozessualen Abmahnverfahren, WRP 1991, 691 ff.; Klaka Die einstweilige Verfügung in der Praxis, GRUR 1979, 593 ff.; Klette Zur (regelmäßig nicht zulässigen) einstweiligen Ein-

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Schrifttum

C. Einstw. Verf., Abschlusserkl. u. -schreiben

stellung der Zwangsvollstreckung aus Unterlassungs-Urteilsverfügungen, GRUR 1982, 471 ff.; Klein Hauptsacheverfahren oder Eilverfahren – worauf bezieht sich die Abmahnung? GRUR 2012, 88 ff.; Klute Strategische Prozessführung im Verfügungsverfahren, GRUR 2003, 34; ders. Eine Streitschrift wider die Kenntniserlangung – Zustellungsmängel von Beschlussverfügungen und deren Heilung, GRUR 2005, 924 ff.; Knieper Die Vollziehung von Unterlassungsverfügungen, WRP 1997, 815, 817; Koch Besonderheiten der wettbewerbsrechtlichen Verfahrenspraxis beim OLG Rostock WRP 2002, 191; Kochendörfer Der Nachweis der frühzeitigen Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß – Beweiserleichterungen für die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung, WRP 2005, 1459; Koch/Vykydal Immer wieder dringlich? Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG in den Fällen gleichartiger Wettbewerbsverstöße, WRP 2005, 688 ff.; Krahe Die Schutzschrift. Kostenerstattung und Gebührenanfall, 1991; Krenz Die Geschäftsführung ohne Auftrag beim wettbewerbsrechtlichen Abschlussschreiben, GRUR 1995, 31; Krieger Zur Dringlichkeit von einstweiligen Verfügungen im Wettbewerbsrecht, GRUR 1975, 168 ff.; Krüger Das Privatgutachten im Verfahren der einstweiligen Verfügung, WRP 1991, 68 ff.; ders. Zum Streitgegenstandsbegriff WRP 2013, 140; Kunath Zur Auslegung des Begriffs „dringender Fall“ iSd. § 942 Abs. 1 ZPO, WRP 1991, 65 ff.; Kur Irreführende Werbung und Umkehr der Beweislast, GRUR 1982, 663 ff.; Leipold Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, 1971; ders. Die Schutzschrift zur Abwehr einstweiliger Verfügungen gegen Streiks, RdA 1983, 164; Lindacher Gesicherte Unterlassungserklärung, Wiederholungsgefahr und Rechtsschutzbedürfnis, GRUR 1975, 413 ff.; ders. Praxis und Dogmatik der wettbewerblichen Abschlusserklärung, BB 1984, 639; ders. Der „Gegenschlag“ des Abgemahnten, Festschrift für v. Gamm 1990, 83 ff.; ders. Internationale Unterlassungsvollstreckung, Festschrift für H. F. Gaul, 1997, S. 399; ders. Einstweiliger Rechtsschutz in Wettbewerbssachen unter dem Geltungsregime von Brüssel I, Festschrift für D. Leipold, 2009, S. 251; Lippold Nochmals: Begründungspflicht für Arrest oder einstweilige Verfügung anordnende Beschlüsse, NJW 1994, 1110; Lipps Gestaltungsmöglichkeiten der einstweiligen Verfügung im Wettbewerbsprozess, NJW 1970, 226; Lüke Abschlussschreiben und Schutzschrift bei Unterlassungsverfügungen, Festschrift für G. Jahr, 1993, S. 293; Mädrich Das Verhältnis der Rechtsbehelfe des Antragsgegners im einstweiligen Verfügungsverfahren, 1980; May Die Schutzfrist im Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren, 1983; Meier-Beck Die Einstweilige Verfügung wegen Verletzung von Patent- und Gebrauchsmusterrechten, GRUR 1988, 861 ff.; Meister Das Phänomen Produktpiraterie, WRP 1989, 559 ff.; Melullis Zur Bestimmung des Zustellungsempfängers bei Beschlussverfügungen, WRP 1982, 249 ff.; Mes Kenntnis Dritter und Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG, Festschrift für R. Nirk, 1992, S. 661; Münzberg Der Schutzbereich der Normen §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO, Festschrift für H. Lange, 1992, S. 599; Nägele Muss der einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung anordnende Beschluss begründet werden? NJW 1993, 1045; Nieder Aufbrauchsfrist via Unterwerfungserklärung? WRP 1976, 289 ff.; ders. Der Kostenwiderspruch gegen wettbewerbliche einstweilige Verfügungen, WRP 1979, 350 ff.; Nill Sachliche Zuständigkeit bei Geltendmachung der Kosten von Abschlussschreiben, GRUR 2005, 740; Pastor Die Schutzschrift gegen wettbewerbliche einstweilige Verfügungen, WRP 1972, 229 ff.; ders. Die Vollziehung von Urteilsverfügungen (§ 929 ZPO) und deren Amtszustellung nach § 317 ZPO, WRP 1978, 639 ff.; Peters Gilt die Dringlichkeitsvermutung im Markenrecht? – Zugleich Anmerkung zu OLG Düsseldorf vom 27. Mai 1997 – 20 U 38/97 (unveröffentlicht), Mitt. 1999, 48; ders. Die Einrede der Verjährung als ein den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigendes Ereignis, NJW 2001, 2289; Piehler Einstweiliger Rechtsschutz und materielles Recht, 1980; Pietzcker Die Gefahr analoger Ausdehnung der Haftung nach § 945 ZPO, GRUR 1980, 442; Pohlmann Wann ist ein Titel im Sinne von § 929 Abs. 2 ZPO und § 945 ZPO vollzogen? WM 1994, 1277; ders. Die Wahrung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO bei Arrest und einstweiliger Verfügung, KTS 1994, 49; Retzer Widerlegung der „Dringlichkeitsvermutung“ durch Interessenabwägung? Festschrift für K.-J. Melullis, GRUR 2009, 329; Roth Die Kosten des Abschlussschreibens bei Wettbewerbsstreitigkeiten, DB 1982, 1916 ff.; Schabenberger Zur Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB in wettbewerblichen Auseinandersetzungen, WRP 2002, 293; Scherf Wettbewerbliche Unterlassungsverfügung als „Hauptsache“? WRP 1969, 393 ff.; Schilken Die Befriedigungsverfügung, Zulässigkeit und Stellung im System des einstweiligen Rechtsschutzes, 1976; ders. Grundfragen zum Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. III, 2000 (zitiert: Festgabe), S. 593; Schlüter Die Erfüllung der Forderung als Erledigungsgrund im Arrestverfahren, ZZP 80 (1967), 447; Schmidhuber/Haberer Rücknahme und Neueinreichung des Verfügungsantrags – ein rechtsmißbräuchliches Auslaufmodell? WRP 2013, 436; Schmidt M. Streitgegenstand und Kernbereich der konkreten Verletzungsform in lauterkeitsrechtlichen Verfügungsverfahren, GRUR-Prax 2012, 179 ff.; Schmidt-v. Rhein Die Vollziehung der auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung, NJW 1976, 792 ff.; Schmitt-Gaedtke Der Kostenerstattungsanspruch

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Schwippert

§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

des Hinterlegers einer Schutzschrift, WRP 2012, 60 ff.; Schmitz Inhalt und Umfang des Schadensersatzanspruchs nach § 945 ZPO, 1989; Schneider Der Anspruch auf Widerruf im Verfügungsverfahren, AfP 1984, 127; ders. Verspätungsrecht im Eilverfahren, MDR 1988, 1024 ff.; Schote/Lührig Prozessuale Besonderheiten der Einstweiligen Verfügung – Präclusion, Schriftsatzfrist und Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, WRP 2008, 1281; Schröler Vollstreckung und Durchsetzung von Unterlassungsverfügungen im EUAusland, WRP 2012, 185; Schütze Zur Zustellung nach § 176 ZPO im einstweiligen Verfügungsverfahren, BB 1978, 589 ff.; ders. Einstweilige Verfügungen und Arreste im internationalen Rechtsverkehr, insbesondere mit Inanspruchnahme von Bankgarantien, WM 1980, 1438; Schulte-Franzheim Vom Umgang mit der Dringlichkeit des Newcomers, WRP 1999, 70; Schultz-Süchting Einstweilige Verfügungen in Patent- und Gebrauchsmustersachen, GRUR 1988, 571 ff.; A. Schulz Einstweiliger Rechtsschutz gegen Markenanmeldungen, WRP 2000, 258; ders. Schubladenverfügung und die Kosten der nachgeschobenen Anmahnung, WRP 2007, 589; ders. Die Rechte des Hinterlegers einer Schutzschrift, WRP 2009, 1472; Schwerdtner Bindungswirkungen im Arrestprozess, NJW 1970, 597; Schwippert Nach TÜV und Branchenbuch Berg WRP 2013, 135; ders. Der Streitgegenstand nach der Biomineralwasser-Entscheidung des BGH; ders. Staatliches elektronisches Register für Schutzschriften, MarkR 2014,6; Spätgens Anmerkungen zur sogenannten Schubladenverfügung und zur Zurückweisung anwaltlicher Abmahnungen ohne Originalvollmacht, Festschrift für M. Loschelder, 2010, S. 355; Spehl Abschlussschreiben und Abschlusserklärung im Wettbewerbsverfahrensrecht, 1987; Spernath Die Schutzschrift im zivilrechtlichen Verfahren, 2009; Steigüber/Kaneko Automatischer Verfall der einstweiligen Verfügung nach ihrem Erlass? WRP 2013, 873; Steinbeck Ist die negative Feststellungsklage Hauptsache i.S. von § 937 I ZPO? NJW 2007, 1783; Sticken Die „neue“ materielle Prozessleitung (§ 139 ZPO) und die Unparteilichkeit des Richters, 2004; Stolz Einstweiliger Rechtsschutz und Schadensersatzpflicht, 1989; Teplitzky Erfasst die Vermutung des § 25 UWG auch den „dringenden Fall“ im Sinn des § 937 Abs. 2 ZPO? GRUR 1978, 286 ff.; ders. Zur (fehlerhaften) Berücksichtigung der Öffentlichkeits- oder Verbraucherinteressen bei der Prüfung des Verfügungsgrundes, WRP 1978, 117 ff.; ders. Schutzschrift, Glaubhaftmachung und „besondere“ Dringlichkeit bei § 937 Abs. 2 ZPO – drei Beispiele für Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis, WRP 1980, 373 ff.; ders. Die „Schutzschrift“ als vorbeugendes Verteidigungsmittel gegen einstweilige Verfügungen, NJW 1980, 1667 f.; ders. Arrest und einstweilige Verfügung, JuS 1980. 882 ff.; 1981 122 ff.; 435 ff.; ders. Arrest und einstweilige Verfügung 3. Teil, JuS 1981, 435; ders. Streitfragen beim Arrest und bei der einstweiligen Verfügung, DRiZ 1982, 41 ff.; ders. Zur Bindungswirkung gerichtlicher Vorentscheidungen im Schadensersatzprozess nach § 945 ZPO, NJW 1984, 850 ff.; ders. Zur Unterbrechung und Hemmung der Verjährung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche, GRUR 1984, 307 ff.; ders. Das Verhältnis des objektiven Beseitigungsanspruchs zum Unterlassungsanspruch im Wettbewerbsrecht, WRP 1984, 365 ff.; ders. Ist die den Verfügungsanspruch verneinende summarische Entscheidung im Schadensersatzprozess nach § 945 ZPO bindend? DRiZ 1985, 179 ff.; ders. Die Durchsetzung des Schadensersatzzahlungsanspruchs im Wettbewerbsrecht, GRUR 1987, 215 ff.; ders. Zu Meinungsdifferenzen über Urteilswirkungen im Verfahren der wettbewerblichen einstweiligen Verfügung, WRP 1987, 149 ff.; ders. Besprechung von Spehl (siehe oben) WRP 1989, 349 f.; ders. Unterwerfung und „konkrete Verletzungsform“, WRP 1990, 26 ff.; ders. Die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum wettbewerblichen Anspruchs- und Verfahrensrecht IV, GRUR 1992, 821, und VI, GRUR 1994, 765; ders. Unterwerfung oder Unterlassungsurteil? WRP 1996, 171; ders. Neue Entwicklungenbeim wettbewerbs- und markenrechtlichen Auskunftsanspruchs, Festschrift für Winfried Tilmann 2003, 913; ders. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung auf Auskunftserteilung, Festschrift für Gerhart Kreft, 2004, S. 163; ders. Aktuelle Probleme der Abmahnung und Unterwerfung sowie des Verfahrens der einstweiligen Verfügung im Wettbewerbs und Markenrecht, WRP 2005, 654; ders. Die Regelung der Abmahnung in § 12 Abs. 1 UWG, ihre Reichweite und einige ihrer Folgen, Festschrift für E. Ullmann, 2006; ders. Gerichtliche Hinweise im einseitigen Verfahren zur Erwirkung einer einstweiligen Unterlassungsverfügung, GRUR 2008, 34 ff.; ders. Zur Verwirkung des Verfügungsgrunds in Verfahren der einstweiligen Verfügung nach dem UWG und im Markenrecht, Festschrift für M. Loschelder, 2010, S. 391; ders. Zu Formen rechtsmißbräuchlichen Gläubigerverhaltens gemäß § 8 Abs. 4 UWG, 100 Jahre Wettbewerbszentrale, 195; ders. Rücknahme und Neueinreichung des Verfügungsantrags – Eine Erwiderung WRP 2013, 839; ders. Zu offenen Fragen bei der Dringlichkeitsprüfung im Eilverfahren …, WRP 2013,1414; ders. Gewohnheitsunrecht? – Anmerkungen zum Einfluss der normativen Kraft des Faktischen auf die einstweilige Unterlassungsverfügung, FS für Bornkamm, 2014, S. 1073; Thesen Eintritt und Einrede der Verjährung im Verfügungsverfahren als Erledigung der Hauptsache, WRP 1981, 304 ff.; Tilmann Das Haftungsrisiko der Verbraucherverbände, NJW 1975, 1913; ders. Der Schutz gegen Produktpiraterie nach dem Gesetz von 1990, BB 1990, 1565 ff.; Traub Eilverfahren

Schwippert

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Systematische Übersicht

C. Einstw. Verf., Abschlusserkl. u. -schreiben

und Verjährung nach § 21 UWG, WRP 1979, 186 ff.; ders. Wettbewerbliche Verfahrenspraxis, 2. Auflage, 1991; ders. Verlust der Eilbedürftigkeit durch prozessuales Verhalten des Antragstellers, GRUR 1996, 707; ders. Der Anwendungsbereich des § 25 UWG, WRP 2000, 1046; Treffer Zur Vollziehungsfrist gemäß § 929 Abs. 2 ZPO, MDR 1998, 951; Ullmann Die Antragsrücknahme im Eilverfahren, BB 1975, 236 ff.; Ulrich Die Erledigung der Hauptsache im Wettbewerbsprozess, GRUR 1982, 14 ff.; ders. Die Beweislast in Verfahren des Arrestes und der einstweiligen Verfügung, GRUR 1985, 201 ff.; ders. Die „Erledigung“ der einstweiligen Verfügungsverfahren durch nachlässige Prozessführung, WRP 1990, 651; ders. Die Aufbrauchsfrist in Verfahren der einstweiligen Verfügung, GRUR 1991, 26 ff.; ders. Die Befolgung und Vollziehung einstweiliger Unterlassungsverfügungen sowie der Schadensersatzanspruch gem. § 945 ZPO, WRP 1991, 361 ff.; ders. Der Streit um den Titelfortfall – und ein Ende? WRP 1992, 147 ff.; ders. Die unterbliebene Vollziehung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsverfügungen und ihre Folgen, WRP 1996, 84; ders. Die Geltendmachung von Ansprüchen auf Erteilung einer Auskunft im Verfahren der einstweiligen Verfügung, WRP 1997, 135; ders. Ersatz des durch die Vollziehung entstandenen Schadens gemäß § 945 ZPO auch ohne Vollziehung, WRP 1999, 82; Vinck Sachgerechtes Verhalten des Antragsgegners im wettbewerblichen Verfügungsverfahren, WRP 1975, 80 ff.; Völp Änderung der Rechts- oder Sachlage bei Unterlassungstiteln, GRUR 1984, 486 ff.; Vogg Einstweiliger Rechtsschutz und vorläufige Vollstreckbarkeit, 1991; Vogt Abmahnung – Eilbedürfnis – Wiederholungsgefahr, NJW 1980, 1499 ff.; Vohwinkel Neuer Vollziehungsbegriff für § 945 ZPO – Auswirkungen auf § 929 ZPO? GRUR 2010, 977; Vollkommer Erstattung der Kosten des Verfügungsverfahrens nach Klageabweisung in der Hauptsache, WM 1994, 51; Vykydal siehe Koch/Vykydal; Weber Die Vollziehung einstweiliger Verfügungen auf Unterlassung, DB 1981, 877 ff.; ders. Gegenverfügungen im Eilverfahren, WRP 1985, 527 ff.; ders. Die Verdrängung des Hauptsacheverfahrens durch den einstweiligen Rechtsschutz in Deutschland und Frankreich, 1993; Wedemeyer Vermeidbare Klippen des Wettbewerbsrechts, NJW 1979, 293 ff.; Wehlau Die Schutzschrift, 2011; Wehlau/Kalbfus Die Versicherung an Eides Statt als Mittel der Glaubhaftmachung, Mitt. 2011, 165; dies. Die Schutzschrift – Funktion, Gestaltung und prozesstaktische Erwägungen, WRP 2012, 395 ff.; Weisert Rechtsprobleme der Schubladenverfügung, WRP 2007, 504; Wenzel Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, GRUR 1959, 414 ff.; Wilke Verbraucherverbände und Dringlichkeit, WRP 1972, 245 ff.; ders. Abmahnung und Schutzschrift im gewerblichen Rechtsschutz, 1991; Winkler Das Schicksal der einstweiligen Verfügung bis zur Rechtskraft des aufhebenden Urteils, Festschrift für W. v. Stein 1961, 153 ff. = MDR 1962, 88; Wüstenberg Zur Vollziehung aus Unterlassungsverfügungsurteilen, WRP 2010, 1237.

I. II.

III.

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Systematische Übersicht Systematische Übersicht Einführung ____ 1 Zuständigkeit ____ 3 IV. 1. Antrag ohne vorherige Klage ____ 3 2. Antrag nach Auslandsklage? ____ 6 3. Antrag nach Einreichung, vor Erhebung der Klage ____ 8 4. Antrag bei Klage in höherer Instanz ____ 9 5. Antrag nach abgeschlossenem Klageverfahren ____ 11 6. Antrag nach negativer Feststellungsklage ____ 12 7. Rechtshängigkeit eines Erstantrags ____ 16 8. Dringlichkeitsanspruch des Amtsgerichts ____ 17 Inadäquater Verfügungsanspruch ____ 18 1. Auskunft ____ 19 2. Willenserklärung ____ 22 3. Widerrufsanspruch ____ 23 4. Veröffentlichungsanspruch ____ 24 5. Allgemeiner Beseitigungsanspruch ____ 25

6. Feststellungsantrag ____ 26 Verfügungsgrund ____ 27 1. Terminologie ____ 27 2. Prozessvoraussetzung ____ 28 3. Vermutung des § 12 Abs. 2 für Unterlassungsansprüche ____ 29 a) Verteilung der Darlegungslast ____ 30 b) Interessenabwägung ____ 32 c) Analoge Anwendung auf andere UWG-Ansprüche? ____ 34 aa) Beseitigungsansprüche ____ 35 bb) Auskunftsansprüche ____ 36 d) Analoge Anwendung auf Ansprüche außerhalb des UWG? ____ 37 aa) Entsprechung in § 5 UklaG ____ 37 bb) Vertragliche Ansprüche ____ 38 cc) Urheberrecht ____ 39 dd) Markenrecht ____ 40

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

4.

5.

6.

7.

8.

9. 10. 11.

12. 13. 14.

Fortfall wegen Zeitverlust ____ 44 a) Grundproblem ____ 45 b) Regelfristen ____ 46 aa) Elastische Fristen ____ 47 bb) Starre Fristen ____ 48 c) Bemessung der Frist ____ 49 d) Überschreitung der Regelfrist ____ 56 Fristbeginn schon bei grob fahrlässiger Unkenntnis? ____ 57 a) Marktbeobachtungspflicht ____ 58 b) Indiztatsachen für Kenntnis ____ 59 c) Entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 2 UWG ____ 61 d) Obliegenheit zur üblichen Verfolgung des Marktgeschehens? ____ 63 Wessen Kenntnis entscheidet? ____ 65 a) Kenntnis des verantwortlichen Mitarbeiters ____ 66 b) Kenntnisse Dritter ____ 68 Worauf bezieht sich die Kenntnis? ____ 69 a) Kenntnis der relevanten Umstände ____ 69 b) Kenntnis von der ersten Verletzungshandlung ____ 70 Fristbeginn und Erstbegehungsgefahr ____ 71 a) Dringlichkeitsfrist bei Erstbegehungsgefahr ____ 71 b) Verletzungshandlung nach Erstbegehungsgefahr ____ 72 Fristbeginn bei einem Marktneuling ____ 73 Geduldete Verletzungshandlung eines Dritten ____ 74 Zeitlich gebundene Verstöße ____ 75 a) Zeitablauf während des Verfahrens ____ 75 b) Zeitferne Möglichkeit einer neuen Verletzungshandlung ____ 77 Verfügungsantrag nach Hauptsacheklage ____ 78 Dringlichkeitsverlust im Verfahren ____ 79 Verfügungsgrund ____ 80 a) Grundproblematik ____ 81 b) Risikoreiche Prozesshandlungen ____ 82 c) Kritik ____ 83 d) Säumnis im Termin ____ 84 e) Antrag auf Schriftsatznachlass ____ 85

Schwippert

f)

V.

Ausschöpfung der Vollziehungsfrist bei Schubladenverfügung ____ 86 g) Ausnutzung der Berufungsund Berufungsbegründungsfrist ____ 89 h) Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ____ 90 i) Anschlussberufung des Gläubigers ____ 92 j) Hilfsantrag ____ 93 k) Getrennte Angriffe gegen verschiedene Aussagen in einer konkreten Verletzungshandlung ____ 95 15. Forum Shopping ____ 96 a) Problemlage ____ 96 b) Bewertung ____ 97 16. Verfügungsgrund bei neuer Verletzungshandlung nach rechtskräftigem Titel ____ 100 a) Problemlage ____ 100 b) Der Stand der Rechtsprechung ____ 101 c) Kritik ____ 102 17. Kein Kriterium: Eignung des Verfahrens ____ 103 Das Gerichtsverfahren ____ 104 1. Verfahren ohne mündliche Verhandlung ____ 104 a) Rechtshängigkeit mit Antragseingang ____ 104 b) Alleinentscheidung des Vorsitzenden ____ 105 c) Voraussetzungen der Beschlussverfügung ____ 108 d) Schriftliche Stellungnahme des Schuldners ____ 113 e) Ankündigung, dass nicht ohne mündliche Verhandlung entschieden werden ____ 115 f) Schutzschrift ____ 120 g) Glaubhaftmachung ____ 128 h) Förmlichkeiten des Antrags ____ 134 i) Abweisender Beschluss ____ 138 j) Stattgebenden Beschluss ____ 139 k) § 938 Abs. 1 ZPO ____ 142 l) Formblatt bei Tenorierung mit Vervollständigung durch Geschäftsstelle ____ 144 m) Zustellung des Beschlusses ____ 145 n) Rechtsmittelverfahren ____ 146

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Systematische Übersicht

Widerspruchsverfahren ____ 152 a) Zuständiges Gericht ____ 153 b) Anwaltszwang ____ 154 c) Fristenfreiheit ____ 155 d) Widerspruch vor Zustellung ____ 156 e) Widerspruchsbegründung ____ 157 f) Terminsbestimmung ____ 158 g) Verfahrensgrundsätze ____ 159 h) Kostenwiderspruch ____ 160 i) Anfechtbarkeit der Terminierung ____ 165 j) Richterliche Vorbereitungsmaßnahmen ____ 166 k) Ruhendes Verfahrens ____ 168 aa) Vorlage an den EuGH ____ 169 bb) Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ____ 170 l) Verweisung ____ 173 m) Glaubhaftmachung ____ 174 aa) Verteilung der Darlegungslast ____ 175 bb) Mittel der Glaubhaftmachung ____ 176 cc) Wahrscheinlichkeitsgrad ____ 177 dd) Gegenstand der Glaubhaftmachung ____ 179 n) Antragsrücknahme ____ 181 o) Erledigungserklärung ____ 187 aa) Zeitliche Differenzierung ____ 188 bb) Bezug zum Hauptsacheverfahren ____ 189 cc) Erledigung vor Antragseinreichung ____ 190 dd) Erledigendes Ereignis ____ 191 p) Anerkenntnis ____ 193 q) Vergleich ____ 195 r) Urteil ____ 197 aa) Probleme der Tenorierung ____ 198 bb) Aufbrauchsfrist ____ 200 s) Berufungsverfahren ____ 202 aa) Anwendung von Verspätungsvorschriften ____ 203 bb) Antragserweiterung ____ 206 cc) Probleme der Tenorierung ____ 207 Anordnung der Klageerhebung (§ 926 ZPO) ____ 208 1. Verteidigungsmöglichkeiten außerhalb des Verfahrens ____ 208 2.

VI.

899

C. Einstw. Verf., Abschlusserkl. u. -schreiben

2.

Formalien des Antrags und Zuständigkeit ____ 209 3. Antrag vor Beginn des Verfügungsverfahrens ____ 210 4. Anhörung des Gläubigers ____ 211 5. Vorheriger Abschluss des Hauptsacheverfahrens ____ 212 6. Antrag nach Aufhebung der Beschlussverfügung ____ 213 7. Rechtsschutzinteresse für den Antragseingang ____ 214 8. Entscheidung über den Antrag und Rechtsbehelfe ____ 221 9. Bemessung der Klagefrist ____ 222 10. Klage nach Aufhebung der Verfügung ____ 224 11. Gerichtsstand für Hauptsacheklage ____ 225 12. Identität von Klageantrag und Verfügungsantrag ____ 226 13. Glaubhaftmachung rechtzeitiger Klageerhebung ____ 227 14. Zulässigkeit des Aufhebungsantrags ____ 228 15. Begründetheit des Aufhebungsantrags ____ 231 16. Rechtsfolgen der Aufhebung ____ 232 VII. Der Aufhebungsantrag (§ 927 ZPO) ____ 233 1. Verfahrensgrundsätze und Rechtsbehelfsmöglichkeiten ____ 233 2. Zuständigkeit ____ 235 3. Rechtsschutzinteresse ____ 236 4. Begründetheit des Antragseingang ____ 239 a) Rechtskräftige Abweisung der Hauptsacheklage ____ 240 b) Hauptsacheklage mit stattgebendem, nicht rechtskräftigen Instanzurteil ____ 241 c) Nicht rechtskräftige Abweisung der Hauptsacheklage ____ 242 d) Markenverletzungsverfahren und nachträgliche Markenlöschung ____ 243 e) Ablauf der Vollziehungsfrist ____ 244 f) Ablauf der nach § 926 Abs. 1 gesetzten Frist ____ 245 g) Erlöschen des Verfügungsanspruchs ____ 246 h) Erhebung der Verjährungseinrede ____ 248

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

i)

Änderung der Gesetzeslage oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung ____ 249 j) Neue Tatsachen, neue Mittel der Glaubhaftmachung ____ 250 5. Aufrechterhaltung der Eilentscheidung mit anderer Begründung ____ 251 6. Wirkung der Aufhebungsentscheidung ____ 254 7. Kostenentscheidung ____ 256 8. Vollstreckbarkeit des Aufhebungsurteils ____ 257 VIII. Das Abschlussschreiben ____ 258 1. Grund des Abschlussschreibens ____ 258 2. Notwendiger Inhalt ____ 260 3. Eventuelle Begründungspflicht ____ 261 4. Form und Zeitpunkt des Abschlussschreibens ____ 262 5. Bemessung der Frist zur Beantwortung ____ 264 6. Formulierungsvorschlag für die Abschlusserklärung ____ 265 7. Notwendigkeit des Abschlussschreibens zur Vermeidung des § 93 ZPO ____ 267 8. Erfordernis eines zweiten Abschlussschreibens ____ 268 9. Darlegungs und Beweislast für Zugang des Abschlussschreibens ____ 270 10. Kosten des Abschlussschreibens ____ 272 IX. Die Abschlusserklärung ____ 276 1. Anlass für eine Abschlusserklärung ____ 276 2. Wahl zwischen Abschluss- und Unterwerfungserklärung ____ 277 3. Inhalt der Abschlusserklärung ____ 278 4. Teilweise Abschlusserklärung ____ 281 5. Bedingte Erklärungen ____ 283 6. Erklärung ohne Kostenübernahme ____ 284 7. Schriftform? ____ 285 8. Beweislast für Zugang ____ 286 9. Erfordernis der Annahme der Erklärung? ____ 287 10. Rechtsfolgen der ordnungsgemäßen Abschlusserklärung ____ 288 X. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ____ 290 1. Grundgedanke ____ 291 2. Notwendigkeit ____ 292 3. Wiederholte Vollziehung ____ 293 4. Sicherheitsleistung ____ 295

Schwippert

Entbehrlichkeit der Vollziehung ____ 296 Erste Vollziehungsmaßnahme ____ 297 a) Parteizustellung beim Unterlassungsanspruch ____ 297 b) Schuldlose Fristversäumung ____ 298 c) Fristbeginn ____ 299 d) Heilung von Mängeln ____ 301 e) Fristwahrung über § 167 ZPO ____ 302 f) Auslandszustellung ____ 303 g) Einstellung der Zwangsvollstreckung ____ 304 7. Vollziehungsfrist ____ 305 a) Keine Dispositionsbefugnis ____ 305 b) Schuldlose Fristversäumung ____ 306 c) Fristbeginn ____ 307 d) Heilung von Mängeln ____ 308 e) Fristwahrung über § 167 ZPO ____ 311 f) Auslandszustellung ____ 313 g) Einstellung der Zwangsvollstreckung ____ 317 8. Durchführung ____ 318 a) Zustellungsadressat ____ 318 b) Art und Weise der Zustellung ____ 319 c) Übereinstimmung von Originaltitel und zugestelltem Dokument ____ 320 9. Fristversäumung ____ 324 a) Unwirksamkeit der Vollziehung ____ 324 b) Neuer Eilantrag? ____ 325 Schadensersatz nach § 945 ZPO ____ 326 1. Grundgedanke und Rechtsnatur der Haftung ____ 327 2. Haftungsvoraussetzungen ____ 328 a) Erlass einer Verfügung ____ 328 b) (1. Alternative): Fehlende Rechtfertigung der Verfügung von Anfang an ____ 330 c) Bindung des Schadensersatzrichters an Vorentscheidungen ____ 335 d) (2. und 3. Alternative): Frist zur Klagerhebung versäumt ____ 340 e) Vollziehungsschaden ____ 344 f) Umfang ____ 349 g) Mitverschulden ____ 350

5. 6.

XI.

900

I. Einleitung

C. Einstw. Verf., Abschlusserkl. u. -schreiben

Aufrechnungsmöglichkeit ____ 354 Verjährung des Ersatzanspruchs ____ 355 j) Darlegungs- und Beweislast ____ 356 3. Konkurrenzfragen ____ 357 XII. Die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung ____ 359 1. Grundlagen der Vollstreckung ____ 359 a) Wirksamkeit des Verbotes ____ 359 b) Vollstreckbarer Titel ____ 362 2. Vollstreckung gegen ausländische Personen ____ 363 a) Vollstreckung im Inland ____ 363 b) Anerkennung eines Verfügungsbeschlusses ohne Anhörung des Gegners im Ausland ____ 364 h) i)

c)

Ordnungsgeldverfahren im Inland ____ 365 d) Anerkennungsverfahren für ausländische Vollstreckung im Inland ____ 366 XIII. Die Rechtskraft der einstweiligen Verfügung ____ 368 1. Abgrenzung zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens ____ 368 2. Neues Verfügungsverfahren bei neuen Tatsachen und Glaubhaftmachungsmitteln ____ 369 3. Neues Verfügungsverfahren nach Versäumung der Vollziehungsfrist ____ 371 4. Neues Verfügungsverfahren bei neuer Verletzungshandlung ____ 382

I. Einleitung I. Einleitung Es ist guter Standard, bei den Kommentierungen der einstweiligen Verfügung im 1 Wettbewerbsrecht zu betonen, dass diese Verfahren in der Regel zu einer abschließenden Klärung der Streitigkeit führen. Unterwerfung oder Abschlusserklärung machen das anschließende Klageverfahren in vielen Fällen entbehrlich. Diese Bedeutung spiegelt sich wieder in der – vielleicht nicht richtigen, aber – verbreiteten Auffassung, der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens entspreche meist dem Gegenstandswert des Klageverfahrens.1 Kehl hat unlängst für das LG Köln das Verhältnis der Verfügungsverfahren zu den Klageverfahren auf zwei Drittel geschätzt.2 Die praktische Bedeutung des Instituts findet im Umfang seiner gesetzlichen Regelung keine Entsprechung. Europarechtliche Vorgaben gibt es praktisch nicht. Art. 11 der RL über unlautere Geschäftspraktiken verlangt lediglich ein beschleunigtes Verfahren mit vorläufiger oder endgültiger Wirkung. Das UWG beschränkt sich in § 12 Abs. 2 auf die lakonische Aussage, dass einstweilige Verfügungen zur Sicherung der in dem Gesetz bezeichneten Unterlassungsansprüche auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935, 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden können. Immerhin kann aus diesem Hauch einer Regelung die letzte Gewissheit gewonnen werden, dass die aus dem UWG resultierenden Unterlassungsansprüche überhaupt im Rahmen des Verfügungsverfahrens geltend gemacht werden können, nachdem die Sicherungsverfügung des § 935 ZPO und die Regelungsverfügung des § 940 ZPO nicht maßgeschneidert auf die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsverfügung passen.3 Ohnehin ist auch die ZPO-Regelung rudimentär und unglücklich aufgebaut, indem sie nur Huckepack – Bestimmungen als Annex zum Arrestverfahren enthält. Zudem sind beide Eilverfahren unter dem Buch „Zwangsvollstreckung“ eingeordnet, obgleich es darum geht, einen Titel erst zu erstreiten, und wir uns daher nicht im Vollstreckungs-, sondern im Erkenntnisverfahren befinden. Die Kombination des sparsamen Regelungs-

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1 Vgl. Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 97 Rn. 61 f. mit Nachweisen in Fn. 143; OLG Köln, Beschluss vom 6.5.2013 – 6 W 72/13; mit Schärfe gegen die Gleichstellung Teplitzky Kap. 49 Rn. 26. 2 FS für Loschelder S. 139 Fn. 1. 3 Berneke Rn. 60.

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werkes und der großen praktischen Bedeutung bedingt erhebliche Anforderungen an die beteiligten Anwälte und Richter. Streitfragen gibt es zuhauf; das Fehlen einer Revisionsinstanz (§ 542 Abs. 2 ZPO) begünstigt eine föderalistische Vielfalt sowohl der Terminologie als auch der Problemlösung. Welche brisanten Interessenkonflikte es zu bewältigen gibt, zeigt das Gesetz selbst auf. Es ermöglicht einerseits – eine Todsünde des Erkenntnisverfahrens – einen vollstreckbaren Titel ohne Anhörung des Schuldners (vgl. §§ 921, 922 ZPO). Es setzt andererseits den siegreichen Verfügungsgläubiger einer kein Verschulden verlangenden Risikohaftung aus (§ 945 ZPO), so wie wenn er ein gefährliches Produkt auf den Markt gebracht hätte. Darin offenbart sich das Spannungsverhältnis, das über dem Eilverfahren liegt, weil es nach einem plastischen Wort Leipolds4 Rechtsschutz ohne vollwertigen Prozess gewährt. Das Verfahrensrecht ist nicht in demselben Ausmaß wie das materielle Recht stän2 digen Änderungen durch den novellierenden Gesetzgeber ausgeliefert. Insoweit macht sich der geringere unionsrechtliche Anpassungsdruck bemerkbar. Dennoch weicht die Bearbeitung des Verfügungsverfahrens in dieser Auflage in zahlreichen Einzelheiten von der Kommentierung Schultz-Süchtings in der Vorauflage ab. Das liegt nicht allein an der Verschiedenheit der Verfasser, sondern ist in erheblichem Ausmaß dem Zeitgeist geschuldet, den es auch im Wettbewerbsverfahrensrecht nicht zu unterschätzen gilt. In der Vorauflage sind an vielen Stellen gute Argumente zusammengetragen, die eine Sachbehandlung aus Sicht des Verfügungsgläubigers sehr plausibel machten. Inzwischen ist – nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Arbeiten Teplitzkys – die Sensibilität für die nicht zu missachtenden Belange des Schuldners deutlich gewachsen. Auf eine ausgewogene Verfahrensbalance wird heute allenthalben mehr geachtet als vor 20 Jahren. Dem Bemühen um einen sachgerechten Ausgleich der Interessen der Parteien des Eilverfahrens fühlt sich die nachfolgende Kommentierung in besonderer Weise verpflichtet, ohne dem Verfügungsgläubiger seine Waffen vollends aus der Hand schlagen zu wollen. II. Zuständigkeit II. Zuständigkeit Für den Erlass einstweiliger Verfügungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig (§ 937 ZPO). Diese Vorschrift hat eine unterschiedliche Bedeutung, je nachdem, ob die Hauptsacheklage bereits erhoben ist oder noch nicht. 3

1. Antrag ohne vorherige Klage. Im Regelfall ist eine Hauptsacheklage noch nicht eingereicht, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt wird. Dann gilt für die Gerichtszuständigkeit all das, was auch bei der Erhebung einer Hauptsacheklage zu beachten wäre. Insofern sind alle Ausführungen in diesem Kommentar5 zur örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der bei Klagen angerufenen Gerichte unverändert auf das Eilverfahren übertragbar. Von einer danach bestehenden Wahlfreiheit kann somit auch der Antragsteller im Verfügungsverfahren Gebrauch machen.6 Erwähnung verdienen nur zwei Gesichtspunkte: Eine nachträgliche Hauptsacheklage berührt nicht die einmal begründete Zustän4 digkeit des angerufenen Gerichtes.7 Der Antragsteller hätte es sonst in der Hand, bei ungünstigem Verlauf des Verfügungsverfahrens die Hauptsacheklage bei einem anderen Gericht zu erheben und – weil das Verfügungsgericht jetzt unzuständig geworden wäre –

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ZZP 90 (1977), 258, 260. Zülch zu §§ 13, 14. Fezer/Büscher § 12 Rn.109; Köhler/Bornkamm § 12 Rn.3.4; Teplitzky Kap. 54 Rn. 7: allg.M. Vorauflage Schultz-Süchting § 25 Rn. 26; Stein/Jonas/Grunsky § 919 ZPO Rn. 10: allg.M.

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die Verweisung des Eilverfahrens an das Hauptsachegericht zu beantragen. Der Gedanke des § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ist daher sinngemäß anwendbar. Zum Zweiten ist anzumerken, dass § 937 Abs. 1 ZPO nur besagt, dass die Zuständig- 5 keit im Eilverfahren der Zuständigkeit im Hauptsacheverfahren folgt. Umgekehrt gilt das nicht. Die in einem Eilverfahren begründete Zuständigkeit hat auf die gesetzliche Zuständigkeitsregelung für das Hauptsacheverfahren keinen Einfluss.8 2. Antrag nach Auslandsklage? Liegt bei Einreichung des Verfügungsantrags eine 6 Hauptsacheklage bereits vor, so versteht sich die Vorschrift des § 937 Abs. 1 ZPO dahin, dass dem Antragsteller eine nach den allgemeinen Zuständigkeitsbestimmungen an sich gegebene Möglichkeit, zwischen mehreren Standorten eine Auswahl zu treffen, genommen ist. Er muss den Verfügungsantrag dort einreichen, wo er auch sein Hauptsachebegehren verfolgt wissen will. Dabei ist folgendes im Auge zu behalten: Vorgreiflich ist allein eine im Inland9 eingereichte Klage. Das ist freilich dem Wort- 7 laut des § 937 Abs. 1 ZPO nicht zu entnehmen. Dem deutschen Gesetzgeber fehlt indessen schlicht die Kompetenz, einem im Ausland befindlichen Gericht einen – noch dazu ausschließlichen – Gerichtsstand zuzuweisen. Das Ergebnis, wonach eine im Ausland erhobene Hauptsacheklage die innerstaatlich gegebenen Zuständigkeiten für ein korrespondierendes Eilverfahren nicht berührt, befindet sich im Einklang mit Art. 31 EuGVVO, wonach die im Recht eines Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen bei den Gerichten dieses Staates auch dann beantragt werden können, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitgliedstaates zuständig ist. 3. Antrag nach Einreichung, vor Erhebung der Klage. Nach allgemeiner Ansicht 8 kommt es zur Vorgreiflichkeit des Gerichtsstandes der Hauptsache nicht erst mit der Erhebung der Klage, also dem Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten, sondern bereits mit dem Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage, also der Einreichung der Klageschrift bei Gericht.10 Selbstverständlich ist das nicht. Hat ein Kläger nach der gesetzlichen Ausgangslage die Wahl zwischen mehreren ihm angebotenen Gerichtsorten, so ist das Wahlrecht nach § 35 ZPO erst verbraucht, wenn die Klage bei dem angerufenen Gericht rechtshängig geworden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger die Möglichkeit, ein anderes Gericht aus der Palette der Wahlzuständigkeiten anzurufen und die zuvor woanders eingereichte Klage zurückzunehmen. Auch ist eine Klage unzulässig nur bei anderweitiger Rechtshängigkeit, nicht bei anderweitiger Anhängigkeit. Soweit sich Begründungen finden, warum demgegenüber in § 937 Abs. 1 ZPO auf die Anhängigkeit der Klage abzustellen sein soll, sind sie von nur verhaltener Durchschlagskraft. Ein Fingerzeig mag sich daraus ergeben, dass nach § 943 ZPO als Gericht der Hauptsache das Berufungsgericht anzusehen ist, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist oder anhängig gewesen ist.11 Indessen spielt in den Rechtsmittelinstanzen der Unterschied zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit keine Rolle. Das eingereichte Rechtsmittel ist dem Rechtsmittelgegner zuzustellen und es beginnen alsdann Fristen mit prozessualen Obliegenheiten zu laufen; damit hat es aber sein Bewenden.

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8 Ahrens/Ahrens Kap. 48 Rn. 12; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 357; Teplitzky Kap. 54 Rn. 8 mit Hinweis auf eine isoliert gebliebene Gegenmeinung von Pastor, Der Wettbewerbsprozess S. 282 und 545. 9 Stein/Jonas/Grunsky § 919 ZPO Rn. 9; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 359. 10 Stein/Jonas/Grunsky § 937 ZPO Rn. 3; Zöller/Vollkommer § 937 ZPO Rn. 3; Wieczorek/Schütze/ Thümmel § 937 ZPO Rn. 4; Fezer/Büscher § 12 Rn. 106. 11 Vgl. Teplitzky Kap. 54 Rn. 2 Fn. 3.

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In der Vorauflage ist die Auffassung, es komme nur auf die Anhängigkeit der Hauptsacheklage an, mit der Erwägung begründet worden, dass auch eine zugleich mit dem Verfügungsantrag erhobene Hauptsacheklage zuständigkeitsbegründend sei, sie zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei Gericht aber noch nicht zugestellt sein könne.12 Dieses Argument erschöpft sich in einem Zirkelschluss. Die Zuständigkeitsbegründung der zeitgleich erhobenen Hauptsacheklage, die es zu Grunde legt, entfällt, wenn die Anhängigkeit der Hauptsacheklage nicht genügt, sondern die Rechtshängigkeit erforderlich ist. Der damit nicht zwingend begründeten und wohl auch nicht zwingend begründbaren allgemeinen Auffassung sollte dennoch gefolgt werden. § 937 Abs. 1 ZPO beruht auf der prozessökonomischen Erwägung, neben dem Hauptsacheverfahren mit den dort zu gewinnenden Erkenntnissen nicht hinterher ein anderes Gericht in ein weiteres Verfahren zu schicken, in welchem summarische Einsichten genügen. Ferner hat der Gläubiger von der ihm eingeräumten Option, zwischen mehreren Gerichtsständen den ihm angenehmsten auszusuchen, mit der Wahl des Klagestandortes bereits Gebrauch gemacht; diese Wahl soll auch für das Eilverfahren verbindlich sein. Diese Überlegungen sind nicht erst mit der Rechtshängigkeit der Klage legitim. 9

4. Antrag bei Klage in höherer Instanz. Wie sich aus § 943 Abs. 1 ZPO unmittelbar ergibt, ist das erstinstanzliche Gericht für das Eilverfahren zuständig, wenn die Hauptsache noch in der ersten Instanz schwebt. Aus der Vorschrift folgt darüber hinaus, dass das Berufungsgericht für den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zuständig ist, wenn sich das Hauptsacheverfahren in der zweiten Instanz befindet. Dies hat zur Folge, dass das Verfügungsverfahren in dieser Instanz seinen Anfang nimmt und sein Ende findet (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO). Das ist im Eilverfahren nichts Ungewöhnliches. Wird der Verfügungsantrag vom erstinstanzlichen Gericht ohne Zustellung der Antragsschrift und Anhörung des Gegners zurückgewiesen, so beginnt auf die Beschwerde – sofern auch sie nicht kurzerhand zurückgewiesen wird – das kontradiktorische Verfahren ebenfalls erst in der zweiten Instanz. 943 ZPO enthält keine Regelung für den Fall, dass sich das Hauptverfahren beim 10 BGH befindet. Eine Zuständigkeit des BGH für das Verfügungsverfahren scheidet nach dem Sinngehalt des § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO aus. Das Revisionsgericht wäre sonst gehalten, sich mit der Tatsachenermittlung zu befassen. Bei dieser Konstellation ist vielmehr wieder das Gericht der ersten Hauptsacheinstanz dazu berufen, über den Verfügungsantrag zu entscheiden.13 Gegen die Erörterung dieser Frage scheint sich der Einwand aufzudrängen, es handele sich um ein Glasperlenspiel erfindungsreicher Kommentatoren. Es sei doch schlechterdings unvorstellbar, die Dringlichkeit eines Eilverfahrens noch zu bejahen, nachdem sich das Hauptverfahren bereits in der höchsten Instanz befinde. Indessen können neue Verstöße, welche der Antragsteller nun eilig unterbunden wissen will, im Sachverhalt leicht variieren, so dass sich die Frage stellt, ob es sich um ein kerngleiches Wettbewerbsverhalten handelt oder nicht; letzterenfalls wäre die Frage des Verfügungsgrundes nicht tangiert. Es überrascht daher nicht, dass es in der Rechtsprechung bereits Anlass gegeben hat, die Problematik zu behandeln.14

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12 § 25 Rn. 26. 13 Berneke Rn. 113; Fezer/Büscher § 12 Rn. 111; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 352; Teplitzky Kap. 54 Rn. 6 Fn. 18. 14 OLG Köln GRUR 1970, 220, 221; OLG Karlsruhe 1980, 314.

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5. Antrag nach abgeschlossenem Klageverfahren. Gericht der Hauptsache im 11 Sinne des § 937 Abs. 1 ZPO ist immer nur ein Gericht, das mit der Hauptsache aktuell befasst ist. Ist das Hauptsacheverfahren rechtskräftig abgeschlossen, ist die Wahl des vormaligen Gerichtsortes für die Zuständigkeitsregelung im Eilverfahren ohne Bedeutung. Eine Aussetzung des Hauptverfahrens ändert dagegen nichts daran, dass das Verfahren bei dem aussetzenden Gericht weiter anhängig ist. Dem steht es gleich, wenn in dem Instanzverfahren innezuhalten ist, weil nach einer Vorlage zum EuGH dessen Entscheidung abgewartet wird.15 Eine Zuständigkeit des EuGH für die Entscheidung über den Eilantrag zu begründen liegt genauso fern wie die oben behandelte und abgelehnte Zuständigkeit des BGH für den Fall, dass sich das Hauptsacheverfahren in der Revisionsinstanz befindet. Ein Anlass, dem Antragsteller stattdessen wegen der Vorlage an den EuGH die volle Wahlfreiheit unter verschiedenen Gerichtsstandorten wiederzugeben und ihm die Bindung an § 937 ZPO zu nehmen, besteht nicht. 6. Antrag nach negativer Feststellungsklage. Das bedeutsamste Problem betrifft 12 die Frage, ob § 937 ZPO voraussetzt, dass die Parteirollen im Hauptsacheverfahren und im Eilverfahren gleich verteilt sind, oder ob die Bestimmung auch dann Anwendung findet, wenn sich der Verfügungsschuldner zum Kläger des Hauptsacheverfahrens macht und eine negative Feststellungsklage erhebt. Die Frage ist außerordentlich umstritten. Teilweise wird sie in der Rechtsprechung und im Schrifttum vorbehaltlos bejaht.16 Das hat zum Ergebnis, dass der Gläubiger den Verfügungsantrag nur bei dem Gericht stellen kann, bei dem der Schuldner die negative Feststellungsklage eingereicht hat. Damit hat es der Schuldner in der Hand, dem Gläubiger den von ihm gewünschten Gerichtsstand aufzuzwingen. Im Wettbewerbsrecht ist dieser Umstand besonders misslich, weil der Gläubiger den Schuldner zur Vermeidung von Kostennachteilen vor Einleitung des Gerichtsverfahrens abzumahnen hat und für den so unterrichteten Schuldner der Gegenschlag der negativen Feststellungsklage wohlfeil ist. Es war das ausdrückliche Anliegen des BGH in der Entscheidung Parallelverfahren II,17 diese Konsequenz zu vermeiden und es dem Verletzer zu verwehren, nach einer Abmahnung durch die Erhebung einer negativen Feststellungsklage den endgültigen Standort für das Hauptsacheverfahren festlegen zu können. In der Rechtsprechung hat man vereinzelt gemeint, das sei alles nicht beklagens- 13 wert, weil der Antragsteller eine Hauptsacheklage erheben könne, bei der er nach der Entscheidung Parallelverfahren II an den vom Schuldner gewählten Gerichtsstand für dessen negative Feststellungsklage gerade nicht gebunden sei.18 Das ist indessen kein guter Ausweg. Der daraus resultierende Zwang für den Antragsteller, fast zeitgleich mit dem Verfügungsverfahren auch das Hauptsacheverfahren anzustrengen, konterkariert die allfälligen Bemühungen der Rechtsprechung, eine leichtfertige Gleichzeitigkeit von Eilverfahren und Klageverfahren über das Institut des Rechtsmissbrauchs zu vermeiden.19 Zum anderen wäre es auch ein abstruses Ergebnis, die Notwendigkeit gleich meh-

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15 Teplitzky Kap. 54 Rn. 6; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 352. 16 OLG Frankfurt GRUR 1997, 485; OLG Schleswig, SchHA 1955, 134; LG Bonn Beck RS 2006, 15269; Musielak/Huber § 937 ZPO Rn. 3; Stein/Jonas/Grunsky § 919 ZPO Rn. 3; Zöller/Vollkommer § 937 ZPO Rn. 1; Wieczorek/Schütze/Thümmel § 937 ZPO Rn. 2; Schuschke/Walker § 937 Rn. 2. 17 BGH 7.7.1994 – I ZR 30/92 – GRUR 1994, 846, 848 = WRP 1994, 810. 18 OLG Frankfurt GRUR 1997, 485; ebenso Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 29. 19 BGH 6.4.2000 – I ZR 76/98 – BGHZ 144, 165 = GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH 6.4.2000 – I ZR 67/98 = GRUR 2001, 82 – Neu in Bielefeld I; BGH 6.4.2000 – I ZR

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rerer Gerichtsverfahren zu postulieren, um die Auslegungsergebnisse bei einer Vorschrift erträglich zu machen, die aus prozessökonomischen Gründen die Bündelung des Eilverfahrens und des Hauptsacheverfahrens an einem Gerichtsstandsort vorsieht. 14 Die im Wettbewerbsrecht am häufigsten anzutreffende Meinung vertritt zur Vermeidung dieser Resultate die Auffassung, ein durch ein Feststellungsverfahren begründeter Gerichtsstand der einstweiligen Verfügung sei für den Gläubiger nur fakultativ.20 Zwar treffe es im Grundsatz zu, dass eine negative Feststellungsklage Hauptsache im Sinne des § 943 ZPO sei. Der Gläubiger sei aber im Wettbewerbsprozess berechtigt, den Verfügungsantrag überall dort einzureichen, wo er nach den gesetzlichen Bestimmungen auch die Hauptsacheklage erheben dürfe. Damit ist ein richtiges Ergebnis erzielt; eine tragfähige Begründung ist aber nicht zu erkennen. Die Wortwahl der nur fakultativen Bindung ist eine sprachliche Raffinesse, die zu verschleiern versucht, dass dem Gesetz schlicht der Gehorsam verweigert wird. Fast immer wird der Antragsteller ohnehin die Möglichkeit haben, den für die negative Feststellungsklage ausgewählten Standort nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen auch für den eigenen Verfügungsantrag zu bevorzugen. Für den Normalfall kommt daher im Verständnis der h.M. § 943 ZPO im Wettbewerbsverfahrensrecht bei der Feststellungsklage keinerlei Bedeutung zu. Für diese Fallkonstellation wäre dann § 943 ZPO nicht fakultativ anwendbar, sondern obsolet. Die (wohl sehr theoretische) Möglichkeit, dass der Antragsteller an dem von dem Verletzer gewählten Gerichtsstand der negativen Feststellungsklage an sich keinen Verfügungsantrag einreichen konnte, weil es dort nicht zu einer Verletzungshandlung gekommen war, dort aber sein eigener Wohnsitz- Gerichtsstandort liegt, würde allerdings in der Tat einen weiteren fakultativen Gerichtsstandort begründen. Dann hätte es die Auslegungskunst fertig gebracht, dem Hauptsachekläger für das Eilverfahren einen zusätzlichen Gerichtsstandsort im Rahmen einer Vorschrift zu verschaffen, welche seine Wahlfreiheit (eigentlich) einschränken wollte. Wenn denn – was von der h.M. vorausgesetzt wird – aus 943 ZPO zu folgern ist, dass auch eine negative Feststellungsklage den Gerichtsstand für das Eilverfahren grundsätzlich festlegt, so hat das auch für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten zu gelten. Mit Steinbeck21 verdient die Auffassung den Vorzug, dass unter die „Hauptsache“ im Sinne des § 943 ZPO die negative Feststellungsklage von vornherein nicht fällt. Sind die Parteirollen im Verfügungsverfahren und im Hauptsacheverfahren gleich verteilt, liegt die von § 943 ZPO verordnete Beschneidung der Wahlfreiheit für den Gerichtsstandsort des Eilverfahrens auf der Hand. Der Gläubiger hat das ihm eingeräumte Wahlrecht bei der Einreichung der Hauptsacheklage einmal ausgeübt. Sein Interesse, aus irgendwelchen taktischen Erwägungen heraus für das Eilverfahren woanders vorzugehen, hat hinter dem Gedanken der Prozessökonomie zurückzutreten. Diese Erwägungen gelten bei einer dem Eilverfahren vorausgeschickten negativen Feststellungsklage gerade nicht. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist daher bei der negativen Feststellungsklage nicht eröffnet. Auf den formalen Gesichtspunkt, dass bei der Feststellungsklage spiegelverkehrt über das Bestehen eines identischen Anspruchs entschieden wird, kommt es nicht an.

_____ 114/98 = GRUR 2001, 84 – Neu in Bielefeld II; BGH 20.12.2001 – I ZR 215/98 = GRUR 2002, 715, 716 f. – Scanner-Werbung; dazu Teplitzky 100 Jahre Wettbewerbszentrale S. 195, 202 f. 20 KG Magazindienst 2006, 351; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.3; Fezer/Büscher § 12 Rn. 107; Melullis Rn. 186; Berneke Rn. 111 i.V.m. Rn. 112; Schuschke/Walker § 937 Rn. 2; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 97 Rn. 21. mit Fn. 43; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 355. 21 NJW 2007, 1783; ebenso LG Düsseldorf GRUR 2006, 611; OLG Hamburg WRP 2001, 361 – als obiter dictum; Fritze GRUR 1996, 571; befürwortend auch Teplitzky Kap. 54 Rn. 3.

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Nach einer insbesondere in der Vorauflage dieses Kommentars vertretenen Mei- 15 nung22 soll die Anhängigkeit der Hauptsacheklage die sachliche Zuständigkeit für das Eilverfahren dann nicht begründen, wenn sie bei einem eindeutig unzuständigen Gericht eingelegt und nur deswegen erhoben worden ist, um die Zuständigkeit des Gerichtes für das Eilverfahren rechtsmissbräuchlich zu erschleichen. In dieser Allgemeinheit ist dem nicht beizupflichten, weil die Gerichtszuständigkeit von dem schwammigen Begriff einer „evidenten Unzuständigkeit“ abhängig gemacht wird. Die insoweit herangezogene Referenzentscheidung OLG Hamburg WRP 1981,325 handelt auch nur von dem Sonderfall, dass das Hauptsachegericht trotz anderweitig gegebener Rechtshängigkeit desselben Streitgegenstandes angerufen worden war. Bei einem derartigen, in der Tat rechtsmissbräuchlichen Vorgehen des Klägers ist das gewünschte Ergebnis indessen mit der einfachen Erwägung zu erreichen, dass § 943 ZPO nur eine einzige Hauptsacheklage im Blick hat und nicht bei gleichzeitigen mehreren Klagen diverse Zuständigkeiten für das Eilverfahren begründen will. Mit der Erhebung einer ersten Hauptsacheklage erwächst dort eine Zuständigkeit auch für das Eilverfahren; nachfolgende weitere (wegen schon anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässige) Klagen eröffnen den Weg für ein Eilverfahren nicht. 7. Rechtshängigkeit eines Erstantrags. Keine Zuständigkeitsfragen sind aufgeru- 16 fen, wenn ein Verfügungsantrag eingereicht wird , welcher mit identischem Streitgegenstand bereits bei einem anderen Gericht anhängig ist. Das später angerufene Gericht hat den Antrag als unzulässig abzuweisen, weil er bereits anderweitig anhängig ist, nicht aber, weil die eigene Zuständigkeit fehlt. 8. Dringlichkeitsanspruch des Amtsgerichts. Nach § 942 ZPO „kann das Amtsge- 17 richt, in dessen Bezirk sich der Streitgegenstand befindet“, in dringenden Fällen eine einstweilige Verfügung erlassen. Die Vorschrift hat für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten keine nennenswerte praktische Bedeutung erlangt. Sie ist mit dem Pferdefuß verbunden, dass das Amtsgericht mit dem Erlass der Verfügung eine Frist zu bestimmen hat, innerhalb derer der Antragsteller die Ladung des Gegners zur mündlichen Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung bei dem Gericht der Hauptsache zu beantragen hat. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist hat das Amtsgericht die erlassene Verfügung auf Antrag aufzuheben (Abs. 3). III. Inadäquater Verf.-Anspr. III. Inadäquater Verfügungsanspruch Die in einem Eilverfahren ergangenen Urteile unterscheiden in der Regel zwischen 18 der Behandlung des Verfügungsgrundes, der sich mit der Zulässigkeit des Antrags befasst, und dem Verfügungsanspruch, der die Begründetheit des Anspruchs erörtert. In den Kommentierungen des wettbewerbsrechtlichen Eilverfahrens findet sich hingegen regelmäßig ein Gliederungspunkt, der mit Verfügungsanspruch überschrieben ist, sich aber nicht über die Begründetheit von Ansprüchen verhält, sondern allein über die Frage, ob der geltend gemachte Anspruch für eine Zuerkennung in einem Eilverfahren taugt. Es ist nach dem Grundgedanken des vorläufigen Rechtsschutzes nicht der Fall, wenn ein stattgebendes Urteil zu vollendeten Tatsachen führt, die anschließend nicht mehr aus der Welt zu schaffen sind. Das wäre mit der Philosophie des Eilverfahrens, nur eine später wieder revisible vorläufige Regelung zu treffen, unvereinbar. Unter den „in-

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Schultz-Süchting § 25 Rn. 31.

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adäquaten“ Verfügungsansprüchen werden in diesem Abschnitt also Ansprüche verstanden, die vom Gericht auf ihre Begründetheit hin erst gar nicht geprüft werden, weil sie faits accomplis schaffen. Die Umsetzung der einleuchtenden Grundidee bereitet Schwierigkeiten. Der Vorzeigeanspruch des wettbewerbsrechtlichen Eilverfahrens ist der aus dem UWG resultierende Unterlassungsanspruch; er ist in § 12 Abs. 2 ausdrücklich genannt. Auch die Verurteilung zur Unterlassung bestimmter Handlungen schafft aber vollendete Tatsachen für die vom Erlass der Eilentscheidung bis zu deren späterer Kassation dauernde Übergangszeit. Für diesen Zeitraum sind die Handlungsmöglichkeiten des Unterlassungsschuldners unwiederbringlich dahin. 1. Auskunft. Gänzlich unvereinbar mit dem Grundgedanken, im Eilverfahren nur später noch reparable Anordnungen zu treffen, ist die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft. Mit der erteilten Auskunft wird ein Wissen an den Gläubiger weitergereicht, dass unter keinen Umständen mehr „zurückgeholt“ werden kann. Gleichwohl ist ausgehend von dem 1990 erlassenen Produktpirateriegesetz und verfeinert im Durchsetzungsgesetz ab 1.9.2008 für sämtliche Immaterialgüterrechte gesetzlich geregelt, dass die Auskunft bei „offensichtlicher Rechtsverletzung“ angeordnet werden kann (§ 19 Abs. 7 MarkenG; § 40 Abs. 7 und § 46 Abs. 7 GeschmMG; § 101 Abs. 7 Urhebergesetz; § 140b Abs. 7 PatG; § 24b Abs. 7 Gebrauchsmustergesetz; §§ 7, 30b Abs. 7 und § 37b Abs. 6 Sortenschutzgesetz). Mit dem Erfordernis der „Offensichtlichkeit“ der Rechtsverletzung soll dafür Sorge getragen werden, dass es nicht zu einer späteren Divergenz der Beurteilung durch ein anderes Gericht kommt. Es ist daher zu fordern, dass sowohl die Würdigung der Tatsachen als auch die rechtliche Beurteilung zu einem ganz eindeutigen Ergebnis führen.23 Eine derartige Evidenz kann nur durch eine vorherige Anhörung des Antragsgegners gewonnen werden.24 Eine entsprechende Anwendung dieser spezialgesetzlichen Vorschriften auf Eilver20 fahren, in denen Ansprüche aus dem UWG geltend gemacht werden, ist abzulehnen. Das ist im Grundsatz allgemeine Meinung. Diskutiert wird die Frage allein bei Ansprüchen aus ergänzendem Leistungsschutz (§§ 4 Nr. 9):25 insoweit hat die Rechtsprechung schon seit längerem wegen der Ähnlichkeiten der Fallgestaltung die lauterkeitsrechtliche Schadensberechnung an die Methoden, die bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten angewandt werden, angeglichen. Auch in diesem Bereich ist einer Analogie indessen nicht das Wort zu reden. Die Verurteilung zur Auskunft in einem summarischen Verfahren stellt einen Systembruch dar, den der Gesetzgeber zum Schutz wichtiger Immaterialgüterrechte hingenommen hat. Die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche aus ergänzendem Leistungsschutz in Teilbereichen den Immaterialgüterrechten anzunähern, ist vertretbar und richtig. Eine Gleichstellung in allem und jedem verbietet sich, nachdem der Gesetzgeber im Zuge der Novellierung des UWG 2004 entsprechende Vorschläge nicht aufgegriffen hat.26 19

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23 Vgl. Begründung des RegE BT- Drucks.11/4792, S. 32; OLG Frankfurt MarkR 2002, 296; GRUR-RR 2003, 32 (LS); OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 209, 213; Berneke Rn. 41; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 278; Teplitzky Kap. 54 Rn. 11 Fn. 43; Ahrens/Jestaedt Kap. 56 Rn. 13 bezieht die Eindeutigkeit nur auf die rechtliche Beurteilung. 24 OLG Köln GRUR-RR 2003, 296; Berneke Rn. 43; Retzer a.a.O. 25 Verneinend: OLG Hamburg WRP 2007, 1253; KG GRUR 1988, 403; OLG Frankfurt OLGR 2001, 253; OLG Schleswig GRUR-RR 2001, 70; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.10; Fezer/Büscher § 12 Rn. 95; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 128; Berneke Rn. 42; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 332. 26 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig WRP 2002, 1317, 1323.

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Teplitzky27 hat – eine generelle analoge Anwendung ablehnend – eine entsprechende Anwendung des § 19 Abs. 3 MarkenG dann befürwortet, wenn eine dem Kennzeichenrecht gleichwertige und gleichermaßen schutzwürdige Rechtsposition verletzt sei. Indessen wird man trefflich darüber streiten können, unter welchen Bedingungen das anzunehmen sein soll. Es ist schwer vorstellbar, dass die erforderliche subtile Bewertung zu einem Resultat führt, von dem sich vermuten lässt, dass in einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren eine andere Beurteilung so gut wie ausgeschlossen und daher auch die zu fordernde offensichtliche Richtigkeit der Beurteilung gegeben sei. Eine wieder andere Frage stellt sich dahin, ob eine Auskunftserteilung im Eilverfah- 21 ren dann verlangt werden kann, wenn sonst die Existenzvernichtung des Auskunftsgläubigers droht. Dies hat die Rechtsprechung28 in einem nicht wettbewerbsrechtlichen Fall angenommen, in welchem der Antragsteller des Eilverfahrens Forderungen des insolventen Zedenten und Antragsgegners abgetreten erhalten hatte und befürchten musste, die neuen Schuldner würden an ihre alten Gläubiger mit befreiender Wirkung zahlen, weil er die Namen dieser Schuldner nicht kannte und sie über den Forderungsübergang nicht selbst unterrichten konnte. Tritt man dem für Ansprüche aus dem UWG bei,29 so hat das mit einer – abzulehnenden – Analogie zu den Bestimmungen der Immaterialgütergesetze nichts zu tun, sondern ist allein dem verfassungsrechtlichen Grundsatz geschuldet, dass der Rechtsstaat bei der drohenden Existenzvernichtung eines Gläubigers einen eiligen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen hat. Die Auskunftsverpflichtung kann in derartigen Fällen nur nach einer gründlichen Abwägung der Parteiinteressen ausgesprochen werden. Sie wird nur wieder in evidenten Rechtsverletzungsfällen eine Verurteilung des Schuldners ermöglichen. 2. Willenserklärung. Nicht anders als bei der Auskunft verträgt sich auch die Verur- 22 teilung zur Abgabe einer Willenserklärung nicht mit der Vorläufigkeit des Eilverfahrens. Mit der Abgabe der Willenserklärung ist eine rechtsgestaltende Wirkung verbunden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Derartige Willenserklärungen führen entweder sofort zu einer Rechtsgestaltung oder, wenn weitere gestaltende Mitwirkungsakte erforderlich sind, zur unerlässlichen Vorbereitung einer rechtsgestaltenden Wirkung. § 894 Abs. 1 S. 1 ZPO macht die Fiktion der Abgabe der Willenserklärung nach einer entsprechenden Verurteilung des Schuldners infolgedessen von der Rechtskraft des Urteils abhängig. Es ist keine Gerichtsentscheidung ersichtlich, die für den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes jemals den Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt hätte. Auch das wettbewerbsrechtliche Schrifttum lehnt diese Möglichkeit fast einhellig ab.30 Es soll daher hier der Hinweis genügen, dass für andere Rechtsbereiche die Beurteilung nicht einheitlich ist. Es wird kontrovers diskutiert, ob § 894 ZPO auf Titel aus

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27 FS für Tilmann S. 913, 917 f.; Kap. 54 Rn. 11. 28 OLG Karlsruhe NJW 1984, 1905, 1906; vgl. auch OLG Hamm NJW-RR 1992, 640. 29 Zustimmend: Fezer/Büscher § 12 Rn. 95; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.10; Schuschke/Walker vor § 935 ZPO Rn. 34; Teplitzky FS für Tilmann, S. 913, 917 f.; ders. Kap. 54 Rn. 11 mit Fn. 42; wohl auch Berneke Rn. 39. 30 Berneke Rn. 44; Fezer/Büscher § 12 Rn. 96; Götting/Nordemann/Kaiser § 12 Rn. 184; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.11; Melullis Rn. 148; Ahrens/Jestaedt Kap. 56 Rn. 12; Teplitzky Kap. 54 Rn. 11; vgl. aber auch derselbe JuS 1980, 882, 885 f.; die abweichenden Meinungen außerhalb des gewerblichen Rechtsschutzes wohl nur referierend und nicht übernehmend MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 333; vorsichtig zustimmend Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 281, 282.

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Verfügungsverfahren überhaupt anwendbar ist oder zumindest für Beschlussverfügungen nicht passt.31 23

3. Widerrufsanspruch. Der Widerrufsanspruch als Spezialfall eines Beseitigungsanspruchs hat zum Zweck, den durch eine unzulässige Äußerung in der Vergangenheit entstandenen Schaden auszugleichen. Ein derartiger Schadensausgleich ist grundsätzlich nicht Sache eines Verfügungsverfahrens. Ein Widerruf ist dem Wortsinn nach eine kompromisslose Distanzierung von früheren Äußerungen. Er kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der theoretisch denkbare Widerruf des Widerrufs32 ist dafür schon deshalb nicht geeignet, weil ein Widerruf in der Öffentlichkeit ernst genommen wird, während ein Widerruf des Widerrufs im wesentlichen Kopfschütteln hervorrufen dürfte. Ausnahmen sollten auch nicht gemacht werden, wenn die zu widerrufenden Äußerungen „nur rein wirtschaftliche Vorgänge“ betreffen.33 Damit ist nichts gegen einen von den Gerichten gelegentlich eingeschlagenen Mittelweg gesagt, durch den die Verpflichtung des Antragsgegners ausgesprochen wird, öffentlich zu erklären, dass eine bestimmte Behauptung bis zur endgültigen Klärung durch die Gerichte nicht wiederholt oder derzeit nicht aufrechterhalten wird.34 Dieser Praxis wird zu Unrecht entgegengehalten,35 es handele sich dabei um nichts anderes als um eine verkappte Unterlassungsverfügung. Sie lässt es nämlich nicht dabei bewenden, dass der Schuldner die Behauptung in Zukunft nicht wiederholt, sondern gibt ihm auf, es auch in der Öffentlichkeit deutlich zu machen. Im Auge ist aber zu behalten, dass diesen im Eilverfahren zulässigen Geboten, bestimmte Erklärungen vorzunehmen, die prozessuale Momentaufnahme zu Eigen ist. Mit einem Widerruf haben sie nichts zu tun; dieser Begriff sollte im Verfügungstenor vermieden werden und auch nicht in misslichen Wendungen wie „zeitlich befristeter Widerruf“ auftauchen.

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4. Veröffentlichungsanspruch. Ein weiterer spezieller Unterfall des Beseitigungsanspruchs ist der materiell-rechtliche Veröffentlichungsanspruch. Dieser Anspruch ist nicht zu verwechseln mit der prozessualen, in § 12 Abs. 3 geregelten Veröffentlichungsbefugnis des Gerichtes. Ob diese Bestimmung, die nach ihrem Wortlaut (nur) für Unterlassungsklagen nach dem UWG gilt, in Eilverfahren anwendbar ist, wird an anderer Stelle zu behandeln sein.36 Auf den Veröffentlichungsanspruch kann ein Gläubiger angewiesen sein, weil der Schuldner eine für die Zukunft ausreichende Unterlassungserklärung abgegeben hat, der Schaden aus früheren Veröffentlichungen damit aber nicht behoben ist. Nach diffamierenden Berichten über Personen des öffentlichen Lebens37 mag die Durchsetzung eines derartigen Anspruchs auch in einem Eilverfahren vonnöten seien, um einem brodelnden Hexenkessel Einhalt zu gebieten, weil mit einer Klärung

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31 Vgl. die Nachweise bei Teplitzky Kap. 54 Rn. 11 Fn. 38. 32 So die Formulierung von Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 98 Rn. 7. 33 Anders OLG Stuttgart WRP 1989, 202, 204 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.9; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 109. 34 OLG Freiburg JZ 1951, 751; OLG Stuttgart MDR 1961, 1024; OLG Hamburg AfP 1971, 35; OLG Köln AfP 1972, 331; zustimmend Berneke Rn. 34; Fezer/Büscher § 12 Rn. 94; Schuschke/Walker vor § 935 Rn. 35; Ahrens/Jestaedt Kap. 56 Rn. 19; Fritze FS für Traub S. 113, 115 ff.; Teplitzky Kap. 54 Rn. 12 und JuS 1980, 882, 886; Götting/Nordemann/Kaiser § 12 Rn. 183. 35 Grunsky JurA 1970, 724, 729; Jauernig ZZP 79 (1966) 320, 345. 36 GK-UWG/Feddersen § 12 E. Rn. 17. 37 Vgl. den Beispielsfall – kein Eilverfahren – BGH Urteil v. 25.11.1986 GRUR 1987, 191 (Bezeichnung eines Ministers als „Oberfaschist“). Die Durchsetzbarkeit des Anspruchs im Eilverfahren bejahen Teplitzky Kap. 26 Rn. 26; MünchKommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 600; Ahrens/Bähr Kap. 37 Rn. 29; a.A. Fezer/Büscher § 12 Rn. 202; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 780.

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nach jahrelangem Klageverfahren nicht mehr zu helfen ist. Die Rechtsprechung hat für die Notwendigkeit, auch in UWG- Prozessen Veröffentlichungsansprüche per einstweiliger Verfügung zuzusprechen, bisher kein Anschauungsmaterial liefern können. 5. Allgemeiner Beseitigungsanspruch. Der allgemeine Beseitigungsanspruch 25 überschneidet sich vielfach mit dem Unterlassungsanspruch. Wird der Schuldner verurteilt, eine Werbung zu unterlassen, die auf einem stationär befestigten Werbeträger zu lesen ist, so muss er aktiv tätig werden, um dieser Verpflichtung zu entsprechen. Er hat freilich die Wahl, wie er das Problem löst; er kann die Lesbarkeit der Werbung beseitigen (durch Überkleben oder Verhängen) oder den Werbeträger komplett entfernen. Inwiefern ein Gläubiger in einem Klageverfahren zwischen dem Anspruch auf Unterlassen und Beseitigen wählen kann, ist hier nicht zu erörtern. Für das Eilverfahren ist klar, dass bei mehreren denkbaren Alternativen immer auf eine Interimslösung zuzugreifen ist. Grundsätzlich kann der Gläubiger im Verfügungsverfahren daher nicht den Beseitigungsanspruch, sondern nur den Unterlassungsanspruch verfolgen. 38 In der Vorauflage hat Schultz-Süchting39 (obwohl er im Grundsatz betont hat, dass dem Schuldner die Wahl offen bleiben müsse, welche Vorkehrungen er zur Vermeidung weiterer Verletzungshandlungen treffen wolle) die Ansicht vertreten, im Verfügungstenor solle das Gericht festhalten, welche aktiven Maßnahmen der Schuldner ergreifen müsse, um seiner Unterlassungsverurteilung entsprechen zu können. Diese Hilfestellung sei vonnöten, weil er oft im Unklaren darüber sei, was an aktivem Tun von ihm erwartet werde, um Zwangsgeldmaßnahmen zu entgehen. Dabei war nicht an mangelnde Hinweise rechtlich unverbindlicher Art in den Entscheidungsgründen gedacht, sondern an eine (einen Gläubigerantrag voraussetzende) Tenorierung, die auch zu Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten nach den §§ 887 f. ZPO führen sollte. Dem kann man schwerlich beitreten. Der Grundsatz, dass es Sache des Schuldners ist zu entscheiden, mit welchen eigenen Maßnahmen er künftige Verletzungshandlungen ausschließen will, würde in sein Gegenteil verkehrt. Ihn in dieser Form durch die Gerichte an eine feste Kandare zu nehmen, ist mit dem Grundgedanken eines Eilverfahrens nicht zu vereinbaren. In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt,40 dass es Fälle geben kann, in denen dem Gläubiger mit dem in die Zukunft weisenden Unterlassungsanspruch nicht hinreichend geholfen ist; dann kann nach einer umfassenden Interessenabwägung auch ein Beseitigungsanspruch im Eilverfahren durchsetzbar sein. Ein Hersteller ist daher verurteilt worden, seine Abnehmer aufzufordern, irreführende Angaben auf der gelieferten Ware zu entfernen. Es dürfen aber keine abschließenden Tatsachen geschaffen werden. Eine Löschung von Registereinträgen hat deshalb zu unterbleiben wie auch die Vernichtung von Gegenständen: Im Eilverfahren ist immer nur eine Sequestration zu erreichen.41 6. Feststellungsantrag. Die Zulässigkeit eines (anfänglichen) Feststellungsantrags 26 im Verfügungsverfahren – dass auf ein Feststellungsbegehren umgestellt werden kann, wenn sich das Verfahren (wie durch eine Unterwerfungserklärung des Schuldners)

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38 Vgl. Ahrens/Jestaedt Kap. 56 Rn. 6; Berneke Rn. 33 f.; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 127; Teplitzky Kap. 54 Rn. 11. 39 § 25 Rn. 111. 40 OLG Koblenz, Beschl. vom 16.7.1987, GRUR 1987, 730; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl.vom 19.9.1988, GRUR 1989, 74 (ebenfalls Erklärungen gegenüber Kunden); OLG Naumburg NJWE-WettbR 1996, 155 (Mandatsniederlegung); OLG Hamburg, Beschl. vom 18.9.1997, Magazindienst 1998, 192, 193 f. 41 OLG Frankfurt GRUR 1976, 663, 665; Ahrens/Jestaedt Kap. 56 Rn. 16; Berneke Rn. 34; Teplitzky Kap. 54 Rn. 11.

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zwischenzeitlich erledigt, ist unstreitig42 – ist bislang in der Rechtsprechung nicht anerkannt worden. Sie wird auch im Schrifttum ganz überwiegend abgelehnt43 und dies nur gelegentlich bedauert.44 Zuletzt hat Bernreuther im Zusammenhang mit Abnehmerverwarnungen ein Bedürfnis für negative Feststellungsanträge erblickt.45 Begrifflich ausgeschlossen wäre ein Feststellungbegehren im Eilverfahren nicht. Die Rechtskraft dieser Entscheidung würde eine gegenteilige Beurteilung in einem den nämlichen Streitgegenstand betreffenden Verfügungsverfahren ausschließen, eine andere Beurteilung im Klageverfahren aber selbstverständlich zulassen. Das Problem liegt vielmehr im Verfügungsgrund. Angesichts dessen, dass der Gläubiger ohnehin gehalten ist, seine Ansprüche im Eilverfahren rasch geltend zu machen, wenn er denn auf diese Verfahrensart überhaupt noch zugreifen kann, ist nur schwer ein Rechtsschutzbedürfnis für den Schuldner zu erkennen, seinerseits dem mit einem negativ formulierten Feststellungseilantrag zuvorzukommen. Bernreuther will dieses Interesse des Schuldners mit der Erwägung begründen, eine zu Gunsten des Gläubigers auf dessen Antrag ergangene Eilentscheidung könne unrichtig sein und ein mit dem negativen Feststellungsantrag befasster anderer Richter zu einem besseren Ergebnis kommen. Lägen in derselben Sache zwei divergierende Eilentscheidungen vor, müsste dann die Zwangsvollstreckung aus dem für den Gläubiger ergangenen Unterlassungstitel eingestellt werden. Das kann nicht überzeugen. Für die Korrektur einer unrichtigen Entscheidung ist der Rechtsmittelzug vorgesehen, nicht aber die Anhäufung von divergierenden Erkenntnissen auf derselben instanziellen Ebene. IV. Verfügungsgrund IV. Verfügungsgrund 27

1. Terminologie. Das zuständige Gericht hat über die Zulässigkeit des angestrengten Eilverfahrens zu entscheiden. Ob und wie die Zulässigkeitsvoraussetzungen terminologisch zu gliedern sind, ist streitig. Der Sprachgebrauch variiert. Teilweise findet sich die Zweiteilung Allgemeines Rechtsschutzinteresse – Verfügungsgrund.46 Innerhalb dieses – engeren – Begriffs des Verfügungsgrundes mag dann wieder zwischen einem Zeitmoment und einem Umstandsmoment unterschieden werden. Das Zeitmoment (der Verfügungsantrag ist unzulässig, weil sich der Antragsteller zu viel Zeit gelassen hat) mag man als Frage der Dringlichkeit bezeichnen und den erforderlichen umfassenden Interessenausgleich als Umstandsmoment.47 Im Schrifttum verbreiteter findet sich die Terminologie, wonach der Verfügungsgrund der Oberbegriff für sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen ist, von der Frage der Gerichtszuständigkeit abgesehen.48 Diese Varianten ändern nichts daran, dass die Begriffe Verfügungsgrund und Dringlichkeit wie Synony-

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42 Vgl. Teplitzky Kap. 55 Rn. 24b. 43 Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 283 mit Hinweisen auf unveröffentlichte Rechtsprechung in Fn. 549; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 334; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.11; Melullis Rn. 150. 44 Vgl. Kohler ZZP 103 (1990), 184; Vogg NJW 1993, 1357; differenzierend auch Schuschke/Walker § 938 Rn. 35, der für arbeits- und gesellschaftsrechtliche Fälle Ausnahmen zulassen will. 45 WRP 2010, 1191. 46 Ahrens/Schmukle Kap. 44 Rn. 11 ff. und Rn. 25; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 7 f. und Rn. 22 f.; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 345 sowie Rn. 367 ff.; Schuschke/Walker § 935 Rn. 14 und 23. 47 Kehl FS für Loschelder S. 140 hält die Unterscheidung in UWG-Verfahren – anders als im Markenrecht (S. 141 Fn. 11)– für müßig; Teplitzky spricht von der Dringlichkeit im weiteren und engeren Sinn, vgl. Kap. 54 Rn. 14 und FS für Loschelder S. 394, 398. 48 Vgl Teplitzky Kap. 54 Rn. 14; Berneke Rn. 45 Stein/Jonas/Grunsky vor § 935 ZPO Rn. 17 sowie § 940 ZPO Rn. 7.

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IV. Verfügungsgrund

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me verwendet werden.49 Tut man dies, so kann der Verfügungsantrag als unzulässig mangels Dringlichkeit abzuweisen sein, obgleich der Gläubiger alles getan hat, um das Verfahren zügig einzuleiten. Das kann als unglücklich bedauert werden, weil im allgemeinen Sprachgebrauch dringlich und eilig gleichgesetzt werden und dieses Verständnis verabschiedet wird, wenn dem Dringlichkeitsbegriff der Zeitfaktor genommen wird. Ist der Leser sich über diesen Umstand aber im Klaren, richtet die Terminologie einen Schaden nicht an. Ohnehin gilt, dass die Art, wie Begriffe verwendet werden, keine Vorentscheidung über die Lösung von Sachfragen beinhalten darf. Der nachfolgende Text unterscheidet innerhalb des Verfügungsgrundes zwischen Zeitmomenten und Umstandsmomenten. Letztere betreffen Gesichtspunkte, die mit dem Zeitplan des Antragstellers nichts zu tun haben: beispielsweise den Gläubiger, der in hohem Tempo sein Ziel rechtsmissbräuchlich verfolgt. 2. Prozessvoraussetzung. Ob ein Verfügungsgrund vorliegt, ist nach einer im Wett- 28 bewerbsrecht allgemein vertretenen Auffassung ein Zulässigkeitsproblem, das mit der Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs nichts zu tun hat.50 Im späteren Klageverfahren kommt es auf den Verfügungsgrund nicht an. Er verhält sich demnach über spezielle Voraussetzungen für eine bestimmte Verfahrensart und kann daher mit der Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs nicht zusammenhängen. Er ist eine Prozessvoraussetzung, die von Amts wegen zu prüfen ist. Fehlt sie, ist der Eilantrag unzulässig. Das erkennende Gericht ist allerdings nicht gehalten, den logischen Vorrang der primären Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen stets zu beachten; es kann aus prozessökonomischen Gründen den Antrag als unbegründet abweisen, ohne den Verfügungsgrund geprüft zu haben.51 Sofern im prozessrechtlichen Schrifttum außerhalb des Wettbewerbsrechts die Ansicht vertreten wird, Verfügungs- und Arrestgrund seien keine Sonderformen des Rechtsschutzinteresses, sondern nur eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Begründetheit des Gesuchs, wird das im wesentlichen mit folgender Erwägung begründet: Erst wenn der für die Begründetheit des Gesuchs erforderliche Anspruch geprüft sei, lasse sich feststellen, ob dessen Durchsetzung gefährdet sei. Mit dem Charakter eines Eilverfahrens sei es unvereinbar, wenn selbst bei offensichtlicher Unbegründetheit des Antrags mangels Anspruchs der möglicherweise zweifelhafte Verfügungs – oder Arrestgrund zunächst aufwändig geprüft werden müsse.52 Da nun aber die Gegenmeinung die Primärprüfung des Verfügungsgrundes in den Fällen, in denen evident der Verfügungsanspruch zu verneinen ist, nicht für erforderlich hält, handelt es sich um einen klassischen Streit um des Kaisers Bart. 3. Vermutung des § 12 Abs. 2 für Unterlassungsansprüche. In § 25 a.F. hieß es: 29 „Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können

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49 Teplitzky Kap. 54 Rn.15 und FS für Loschelder S. 391; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 368; Harte/Henning/Retzer Rn. 304; Melullis Rn. 151; Ahrens/Schmukle Kap. 44 Rn. 25 sowie Kap. 45 in der Überschrift und Rn. 8; Götting/Nordemann/Kaiser § 12 Rn. 157; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.12. 50 OLG Frankfurt GRUR-RR 2002, 44; Fezer/Büscher § 12 Rn. 98; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 1; Berneke Rn. 49; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 299; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 23; Melullis Rn. 152; Teplitzky JuS 1981, 122, 123 und Kap. 54 Rn. 15 mit weiteren Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung. 51 OLG Köln GRUR-RR 2005, 228; Berneke Rn. 158; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 369; MünchkommZPO/Drescher § 917 Rn. 2; Fezer/Büscher § 12 Rn. 98; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.12; Teplitzky Kap. 54 Rn. 15; Büscher/Dittmer/Schiwy UWG Rn. 108. 52 Schuschke/Walker § 917 Rn. 1; Stein/Jonas/Grunsky § 917 Rn. 2.

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einstweilige Verfügungen erlassen werden, auch wenn die in den §§ 935, 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen nicht zutreffen“. Der Wortlaut der Vorschrift gestattete ein Verständnis, wonach es für Eilverfügungen im Wettbewerbsrecht eines Verfügungsgrundes überhaupt nicht bedürfe. In der Tat ist diese Auffassung vertreten und in der Vorauflage geteilt worden.53 Damit waren allerdings nun nicht alle Auslegungsprobleme entfallen; sie wurden stattdessen unter dem Stichwort des allgemeinen Rechtsschutzinteresses behandelt.54 Die ganz überwiegend vertretene und in der Rechtsprechung praktizierte Ansicht55 betrachtete den Wortlaut dieser Vorschrift als misslungen und legte ihn dahin aus, dass nicht der Verfügungsgrund entbehrlich sei, sondern allein die Dringlichkeit vermutet werde. Um dies klarzustellen, hat § 12 Abs. 2 bei der Reform 2004 den jetzigen Wortlaut erhalten.56 a) Verteilung der Darlegungslast. Damit ist vom Gesetz die Vermutung aufgestellt, das Bedürfnis für eine eilige Regelung sei bei dem Gläubiger vorhanden. Er braucht dazu in seiner Antragsschrift nichts vorzutragen. Es ist Aufgabe seines Gegners, Tatsachen zu schildern, welche die Vermutung aus der Welt schaffen.57 Ist ihm das gelungen, wäre es wieder die Obliegenheit des Gläubigers, im Einzelnen darzutun, warum ein Verfügungsgrund doch existiert. Hat beispielsweise der Schuldner aufgezeigt, dass der Gläubiger von dem gerügten Wettbewerbsverstoß bereits vor geraumer Zeit erfahren und damit die bei dem angerufenen Gericht ohne weiteres akzeptierten Fristen überschritten hat, so ist es nunmehr an dem Gläubiger vorzutragen, dass er nicht rascher hat vorgehen können, weil er etwa die zur Glaubhaftmachung erforderliche eidesstattliche Versicherung eines Zeugen wegen dessen Auslandaufenthaltes nicht früher hat beibringen können. 31 Diese Verteilung der Darlegungslast schließt es nicht aus, dass die Vermutung bereits durch den eigenen Vortrag des Gläubigers oder durch von ihm beigefügte Unterlagen entkräftet wird.58 Ergibt sich beispielsweise aus einem von dem Gläubiger vorgelegten Abmahnschreiben, das seine Kenntnis von dem gerügten Verstoß geraume Zeit zurückliegt, hat er selbst die Tatsachen beizubringen, aus denen sich der Verfügungsgrund ergibt – gerade so, als wenn es keine gesetzliche Dringlichkeitsvermutung gäbe. Man spricht dann überwiegend von einer Selbstwiderlegung der Vermutung durch den Gläubiger.59

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b) Interessenabwägung. Die vertraute Redewendung von der „Dringlichkeitsvermutung“ legt nahe, dass sich die Vermutung nur auf ein Zeitmoment beziehe. Nach ganz h.M.60 gehört zum Verfügungsgrund neben der Betrachtung des verflossenen Zeitablaufs

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53 Schultz-Süchting § 25 Rn. 16 f. mit Nachweisen. 54 Vgl. Vorauflage/Schultz-Süchting § 25 Rn. 38. 55 Nachweise bei Melullis Rn. 159. 56 BT-Drucksache 15/1487 S. 25. 57 Allgemeine Meinung, vgl. nur zu § 25 a.F.: BGH, Beschl. v. 1.7.1999, GRUR 2000, 151, 152 – Späte Urteilsbegründung; OLG Hamburg WRP 2007, 675, 676; Fezer/Büscher § 12 Rn. 78; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 304; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.13; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 7; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 379; Teplitzky Kap. 54 Rn. 13. 58 Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 304; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 379; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 35. 59 MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 379; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 304. Kritisch zu diesem Ausdruck, weil er die subjektive Sicht des Gläubigers überbetone, Traub GRUR 1996, 707, 708 f., und Teplitzky FS für Loschelder S. 391, 396 Fn. 26. 60 Berneke Rn. 51; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 300; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 368; Melullis Rn. 161; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 5; Retzer GRUR 2009, 329, 332 f; Holzapfel GRUR 2003, 287 ff.

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IV. Verfügungsgrund

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aber auch eine umfassende Interessenabwägung, in welche die Gewissheit der in einem summarischen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse, die Ungewissheit, wie neue Rechtsfragen höchstrichterlich entschieden werden mögen, und vor allem eventuell drohende existenzielle Beschädigungen der jeweiligen Parteien durch die zu treffende Entscheidung einzufließen haben. Soweit in der einschlägigen Kommentarliteratur gelegentlich unerwähnt bleibt, dass der Verfügungsgrund eine Interessenabwägung mit umfasst,61 wird aus diesem Schweigen nicht geschlossen werden dürfen, dass die Abwägung nicht vorgenommen werden dürfe. Spätgens bejaht eine Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, wenn das Eilverfahren den Antragsgegner in eine besonders schlechte Beweisposition bringt oder ihn in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit erheblich beeinträchtigt.62 Andererseits steht er einer konkreten Interessenabwägung skeptisch gegenüber, die den Verfügungsgrund verneint, weil das Verfahren dem Antragsgegner unzumutbare Nachteile zufüge, während es den Antragsteller nur geringfügig belaste.63 Auf diese Weise werde die Dringlichkeitsfrage mit der Entscheidung über die Notwendigkeit der zu treffenden konkreten Anordnung im Sinne des § 938 Abs. 1 ZPO verwoben. Dem wird man entgegenhalten müssen, dass die Frage, ob der Verfügungsgrund zu verneinen und der gestellte Eilantrag daher als unzulässig abzuweisen ist, mit der anderen Aufgabe, bei einem stattgebenden Entscheid sachgerechte und den Schuldner möglichst wenig belastende Maßnahmen zu treffen, nichts zu tun hat. Zudem ist auch der von Spätgens ersonnene Unterschied zwischen einer für bedenklich erachteten konkreten Interessenabwägung und einer allgemeineren Abwägung der Interessen wenig griffig. Ganz überwiegend64 wird mit Recht davon ausgegangen, dass sich die in § 12 Abs. 2 33 aufgestellte Vermutung auch auf die Interessenabwägung beziehe. Lediglich Holzapfel hat in jüngerer Zeit die Meinung vertreten, zwischen dem Verfügungsgrund und der Interessenabwägung sei begrifflich streng zu trennen;65 die in § 12 Abs. 2 aufgestellte Vermutung gelte nur für den Verfügungsgrund, für die Interessenabwägung jedoch nicht. Diese These hat weitere Anhänger nicht gefunden. In der Terminologie der §§ 935–940 ZPO findet sich die von ihm befürwortete strikte Trennung der Begriffe Verfügungsgrund und Interessenabwägung nicht. Vor allem macht ein gesetzlicher Vermutungstatbestand wenig Sinn, der sich nur auf ein einzelnes Moment (Eilbedürftigkeit) bezieht, während die umfassende Abwägung sämtlicher Interessen – die das Ausmaß der Eilbedürftigkeit mit einzubeziehen hätte – von dem Gläubiger unverändert vollständig darzulegen ist. Dem entspricht die gängige forensische Praxis. Die Entscheidungen enthalten regelmäßig keine Ausführungen zu einer grundsätzlichen Interessenabwägung, wenn sich dazu auch der Parteivortrag ausgeschwiegen hatte. Festzuhalten bleibt, dass sich die Dringlichkeitsvermutung auch auf die Interessenabwägung bezieht, die mit dem Zeitablauf bis zur Anrufung des Gerichts nichts zu tun hat; sie ist keine reine Vermutung der Eilbedürftigkeit. c) Analoge Anwendung auf andere UWG-Ansprüche? Nach § 12 Abs. 2 gilt die 34 Dringlichkeitsvermutung nur für die im UWG bezeichneten Ansprüche auf Unterlas-

_____ mit der Maßgabe, Verfügungsgrund und Interessenabwägung streng zu trennen; so will wohl auch Schultz-Süchting in der Vorauflage § 25 Rn. 18 Fn. 20 verstanden werden. 61 Vgl. Fezer/Büscher § 12 Rn. 97–99; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 112 ff. 62 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 51. 63 A.a.O. § 100 Rn. 53 im Anschluss an Ahrens, Wettbewerbsverfahrensrecht S. 303, 310 f. 64 Berneke Rn. 64; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 8; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.13. 65 GRUR 2003, 287, 291 f. im Anschluss an Schultz-Süchting GRUR 1988, 571.

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sung. Eine analoge Anwendung auf andere Ansprüche, die aus dem UWG resultieren, ist abzulehnen. 35

aa) Beseitigungsansprüche. Das gilt zunächst für Beseitigungsansprüche. § 8 unterscheidet ausdrücklich zwischen „Beseitigung“ und „.Unterlassung“. Ein Beseitigungsverlangen belastet den Schuldner grundsätzlich stärker als ein Unterlassungsbegehren, weil ihm bestimmte Handlungen zwingend aufgegeben werden sollen. Ein Beseitigungsanspruch ist daher nur nach sorgfältiger Abwägung im Eilverfahren durchsetzbar.66 Aus diesen Gründen lehnt es die ganz überwiegende Meinung ab, § 12 Abs. 2 auf Beseitigungsansprüche entsprechend anzuwenden.67 Demgegenüber unterscheidet Schuschke68 zwischen isolierten und ausgegliederten Beseitigungsansprüchen; letztere sollen von der Dringlichkeitsvermutung erfasst werden. Ausgegliederte Beseitigungsansprüche sind nach seinem Verständnis Ansprüche, die aus Unterlassungsansprüchen abgeleitet worden sind, weil für den Schuldner nur durch eine konkrete Beseitigungsmaßnahme die Möglichkeit besteht, für die Zukunft seiner Unterlassungsverpflichtung gerecht zu werden. Das überzeugt nicht. Die ausgegliederten Beseitigungsansprüche lassen wie alle Beseitigungsansprüche dem Schuldner keine Wahl, wie er zukünftig die inkriminierte Verletzungshandlung vermeiden will. Sie belasten ihn daher stärker als ein Unterlassungsanspruch,69 so dass die analoge Anwendung der Dringlichkeitsvermutung nicht gerechtfertigt erscheint. Vereinzelte gegenteilige Rechtsprechung70 ist antiquiert.

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bb) Auskunftsansprüche. Erst recht verbietet sich eine analoge Anwendung auf Auskunftsansprüche.71 Ihre Durchsetzung im Verfügungsverfahren kann nur ausnahmsweise zugelassen werden. Werden sie erfüllt, ist die Hauptsache vorweggenommen; es wäre verfehlt, den Gläubiger dann auch noch von der Last zu befreien, das Vorliegen des Verfügungsgrundes darlegen zu müssen. § 12 Abs. 2 ist nach allem wörtlich zu nehmen: Die Vermutung gilt nur für Unterlassungsansprüche. d) Analoge Anwendung auf Ansprüche außerhalb des UWG? Im Hinblick auf eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 2 auf nicht aus Vorschriften des UWG hergeleiteten Ansprüchen gilt Folgendes:

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aa) Entsprechung in § 5 UklaG. § 5 UKlaG ordnet ausdrücklich eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 2 auf die Unterlassungsklagen gegen Vorschriften in Allgemei-

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66 Vgl. Rn. 25, 26. 67 LG Berlin GRUR-RR 2005, 325, 327; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 62; Berneke Rn. 62; Fezer/Büscher § 12 Rn. 75; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 334; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 374; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 3.14; Teplitzy Kap. 54 Rn. 21. 68 Schuschke/Walker vor § 935 ZPO Rn. 88; das will auch Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 29 für möglich halten („ allenfalls“). 69 Vgl. das Beispiel bei Teplitzky Kap. 54 Rn. 21. 70 OLG Frankfurt GRUR 1952, 246, 249; OLG Hamburg WRP 1962, 370, 371. 71 OLG Köln WRP 2003, 1008 und Magazindienst 2004, 80, 81; OLG Hamburg WRP 2007, 1253; Ahrens/ Schmukle Kap. 45 Rn. 62; MünchkommZPO/Drescher § 935 Rn. 106; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 30; Schuschke/Walker vor § 935 ZPO Rn. 87; Teplitzky FS für Tilmann S. 913, 919. Auch in der markenrechtlichen Kommentarliteratur wird – die Geltung der Dringlichkeitsvermutung für markenrechtliche Ansprüche unterstellt – überwiegend verneint, dass davon auch Auskunftsansprüche nach § 19 Abs. 3 MarkenG erfasst würden: Fezer § 19 MarkenG Rn. 73; Ströbele/Hacker § 19 MarkenG Rn. 47; Lange, Rn. 6282; a.A. Ingerl/Rohnke § 19 MarkenG Rn. 54 und v. Schultz Markenrecht § 19 Rn. 18.

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nen Geschäftsbestimmungen an. Eine entsprechende Anwendung der Regelung auf Unterlassungsansprüche, die nicht auf das UWG gestützt werden, ist abzulehnen. bb) Vertragliche Ansprüche. Es ist allgemeine Meinung, dass die Dringlichkeits- 38 vermutung für vertragliche Unterlassungsansprüche nicht gilt.72 Die Gegenposition hat, soweit ersichtlich, noch niemand vertreten. cc) Urheberrecht. Auch die Anwendung des § 12 Abs. 2 auf Ansprüche aus dem Urhe- 39 berrecht wird von der ganz h.M. abgelehnt.73 Die Gegenmeinung74 ist in die Jahre gekommen. Sie beruft sich auf folgendes: Wenn schon Produkte nach dem ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz den § 12 Abs. 2 für sich in Anspruch nehmen könnten, so müsse das erst recht für das Urheberrecht gelten, dass als absolutes Recht geschützt sei. Hält man das für richtig, so wäre auf alle Ansprüche aus absoluten Rechten § 12 Abs. 2 analog anwendbar. Eine solitäre Ausnahmevorschrift würde qua analoger Anwendung flächendeckend gelten. Auch beruht § 12 Abs. 2 nicht auf dem Gedanken, ein besonders robustes Recht schützen zu müssen. Die Vorschrift wurzelt in dem Bewusstsein, im Lauterkeitsrecht gehe es häufig um ein bloßes Tagesgeschehen. Nach einiger Zeit, jedenfalls vor einer erstinstanzlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren, habe die Auseinandersetzung in vielen Fällen für die Parteien das wirtschaftliche Interesse eingebüßt. Wer eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 2 für urheberrechtliche Ansprüche und andere Ansprüche aus Immaterialgüterrechten befürwortet, wird infolgedessen darzulegen haben, dass diese Flüchtigkeit der rechtlichen Interessenlage bei der Verfolgung von Immaterialgüterrechten ebenso die Regel ist. Solange das unterbleibt, wird die analoge Anwendung des § 12 Abs. 2 auf urheberrechtliche Ansprüche mit Recht verneint. Damit hat sich auch das Thema für andere Ansprüche aus Immaterialgüterrechten (Patentrecht, Gebrauchsmusterrecht) oder aus absoluten Rechten wie dem Namensrecht (§ 12 BGB) sowie § 823 Abs. 1 BGB – das Markenrecht zunächst ausgenommen – erledigt. Schuschke hat seine eigenwillige Position, die Analogie für das Urheberrecht zu verneinen, sie aber für Namens – und Firmenrechte, für das Gebrauchsmustergesetz und auch für Unterlassungsansprüche aus § 26 Abs. 2 GWB zu bejahen, nicht begründet.75 dd) Markenrecht. Anders liegen die Dinge im Markenrecht. Unter der Herrschaft 40 des Warenzeichengesetzes und auch in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Markengesetzes befürwortete die h.M. eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 2 auf kennzeichenrechtliche Ansprüche.76 Das entsprach einer verbreiteten obergerichtlichen Rechtsprechung.77 Inzwischen hat sich der Wind gedreht. Das Schrifttum hält jetzt über-

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72 OLG Düsseldorf OLG Report 1999, 143; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 349; Harte/Henning/ Retzer § 12 Rn. 334; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 374; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 62; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 2 und 30; Fezer/Büscher § 12 Rn. 77; Berneke Rn. 62; Teplitzky Kap. 54 Rn. 21 mit Fn. 130; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 113. 73 OLG Hamm GRUR 1981, 130; OLG Frankfurt GRUR 1989, 227; OLG Köln GRUR 2000, 417; KG GRUR-RR 2003, 262; OLG Hamburg Magazindienst 2006, 475; OLG Naumburg GRUR-RR 2013, 135; OLG Stuttgart OLGR 2009, 633; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 66; Berneke Rn. 62; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 375; Schuschke/Walker vor § 935 Rn. 87 a.E. 74 OLG Karlsruhe GRUR 1994, 726, 728; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 347. 75 Schuschke/Walker vor § 935 Rn. 87. 76 Schultz-Süchting Vorauflage Rn. 347 mit Nachw. in Fn. 976, der auf der Gegenposition lediglich Teplitzky ausmacht. 77 KG WRP 2001, 551; OLG Bremen GRUR 1987, 241; OLG Dresden OLGR 1999, 35; OLG Hamburg GRUR 2002, 446; OLG Köln GRUR 2001, 424 sowie GRUR-RR 2002, 309; OLG Nürnberg WRP 2002, 345; OLG Rostock NJWE-WettbR 2000, 161.

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wiegend eine Analogie für nicht angebracht,78 wobei sich deren Befürworter79 eher in den Kommentierungen zum Markengesetz als zum UWG finden. Die obergerichtliche Rechtsprechung ist inzwischen gespalten.80 Die Bereitschaft zur entsprechenden Anwendung des § 12 Abs. 2 speiste sich ur41 sprünglich aus dem Umstand, dass das Markenrecht teilweise, so beim Schutz der berühmten Marke, aus dem Lauterkeitsrecht entwickelt worden war. Der in § 16 UWG a.F. geregelte Schutz des Unternehmenskennzeichens fand in den §§ 5, 15 MarkenG eine neue Heimat. Es wollte nicht einleuchten, warum diese bloße Standortverlagerung zu verfahrensrechtlichen Änderungen hätte führen sollen. Die Bedeutung dieses Arguments schwächelt von Jahr zu Jahr mehr. Das Markenrecht kann nicht länger als verselbstständigter Ableger des Lauterkeitsrechts betrachtet werden. Wie scharf die Trennungslinie inzwischen geworden ist, erweist sich an der Rechtsprechung des BGH, der eine Störerhaftung im Markenrecht als einem Immaterialgüterrecht unverändert für möglich hält, sie bei UWG – Ansprüchen inzwischen aber ausschließt.81 Der Hinweis, markenrechtliche Ansprüche hätten regelmäßig eine große Nähe zu wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen, taugt angesichts dessen nicht mehr. Schmukle82 begründet sein Eintreten für die analoge Anwendung mit der weiteren Erwägung, die Interessenlage gleiche sich, denn die Unterbindung weiterer Kennzeichenverletzungen werde häufig ebenso eilbedürftig sein wie die Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche. Demgegenüber verweist Teplitzky83 mit Recht darauf, dass der Gesetzgeber die Kurzlebigkeit der jeweiligen Streitsachen unterschiedlich einschätzt. Die aus dem UWG abgeleiteten Ansprüche verjähren in sechs Monaten, die markenrechtlichen Ansprüche verjähren nach § 195 BGB in der Regelfrist von drei Jahren. Damit fehlen hinreichende Gründe für einen Analogieschluss, auch wenn man das weiter gegen ihn vorgebrachte Argument, der Gesetzgeber habe bei seinen vielen Bearbeitungen des Markenrechts eine der Dringlichkeitsvermutung entsprechende Vorschrift trotz des ihm bekannten Streitstandes nicht aufgenommen, nicht für durchschlagskräftig hält, weil den Gesetzgebungsorganen vielleicht nur die Neigung gefehlt hat, herumliegende heiße Eisen anzupacken. Ergänzend sei auf folgendes hingewiesen: Für eine entsprechende Anwendung spra42 chen in der Vergangenheit wenn nicht dogmatische, so doch praktische Gründe. Die von fast allen Instanzgerichten geduldete und vom BGH hingenommene alternative Begrün-

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78 Teplitzky Kap. 54 Rn. 20c bis e sowie WRP 2005, 654, 659 ff. und zuletzt FS für Bornkamm S.1073, 1081 f.; Fezer/Büscher § 12 Rn. 76; Berneke Rn. 62; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 337; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.14; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 376; Büscher/Dittmer/Schiwy vor § 12 UWG Rn. 107 und § 12 UWG Rn. 28; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 31; MünchkommZPO/Drescher § 935 Rn. 60; Thierig GRUR-RR 2013, 370, 371; Zöller/Vollkommer § 940 Rn. 8 – Gewerblicher Rechtsschutz; PG/Fischer § 935 Rn. 9; Lange Rn. 6272; Jestaedt Rn. 1083; Graf Lambsdorff Rn. 176; Traub WRP 2000, 1046, 1047. 79 Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 65 mit breiter Begründung; Fezer, Markenrecht § 14 Rn. 1081 f.; Ströbele/Hacker § 14 Rn. 326; Ingerl/Rohnke, vor §§ 14–19 Rn. 194 f.; Schuschke/Walker vor § 935 Rn. 87; Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß UWG Rn. 106; Melullis Rn. 158; Peters Mitt. 1999, 48, 49 mit sorgfältiger Begründung; nur referierend Götting/Nordemann/Kaiser § 12 Rn. 158 und Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 113. 80 Eine Analogie lehnen ab: OLG Düsseldorf GRUR-RR 2002, 212; OLG Frankfurt WRP 2002, 1457; OLG Hamburg WRP 2010, 953, 954; OLG Hamm K&R 2000, 90; OLG München GRUR 2007, 174 und GRUR-RR 2013, 388, 389 sub 2. Eine Analogie haben unlängst noch befürwortet: OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 73 und 2007, 193; OLG Stuttgart GRUR-RR 2005, 307 und Magazindienst 2013, 764, 766; KG KGR 2008, 551; OLG Zweibrücken GRUR-RR 2008, 346; das OLG Köln hat seit GRUR 2003, 187 die Frage offen gelassen, vgl. zuletzt Urteil vom 16.8.2013 – 6 U 13/13 – WRP 2014, 337. 81 Urteil vom 22.7.2010 – I ZR 139/08 – Kinderhochstühle im Internet – GRUR 2011, 152 Rn. 48. 82 A.a.O. Rn. 65. 83 Kap. 54 Rn. 20.

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dung von Klagen und Verfügungsanträgen mit markenrechtlichen und lauterkeitsrechtlichen Anspruchsgrundlagen schien die Anwendung der Dringlichkeitsvermutung auf beide Ansprüche herauszufordern. Wie konnte dem Gericht die Wahl unter mehreren angebotenen Anspruchsgrundlagen überlassen bleiben, wenn die Ansprüche einem jeweils unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Regime unterworfen waren? Seit dem TÜV-Beschluss des BGH84 sind die markenrechtlichen und lauterkeitsrechtlichen Ansprüche, weil kumulativ oder im Eventualverhältnis gestaffelt, stets selbstständig zu prüfen. Dann fällt es leichter, sie auch prozessual unterschiedlichen Normen zu unterwerfen und bei den einen ausdrücklichen Vortrag zum Verfügungsgrund zu verlangen, bei den anderen nicht. Wer die analoge Anwendung des § 12 Abs. 2 UWG im Markenrecht daher mit Recht 43 verneint, muss von dem Antragsteller eine schlüssige Darstellung verlangen, warum es ihm unzumutbar ist, seine Ansprüche in einem ordentlichen Klageverfahren geltend zu machen. Es hilft ihm nichts, wenn er die bei dem erkennenden Verfügungsgericht praktizierte Regelfrist gewahrt hat. Die Einhaltung der Regelfrist hat nur dort eine Bedeutung, wo die Dringlichkeitsvermutung gilt.85 Wer sie auch im Markenrecht anwendet, ohne sich auf eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 2 UWG gestützt zu haben,86 hat durch die Hintertür doch wieder von der Analogie Gebrauch gemacht.87 4. Fortfall wegen Zeitverlust. Ein Verfügungsgrund besteht nicht, wenn der 44 Antragsteller mit der Einleitung des Eilverfahrens zu lange gewartet hat. Die Beantwortung der Frage, wann er zu lange gewartet hat, hängt von der Beantwortung zweier anderer Fragen ab. Welcher Zeitrahmen steht ihm zur Verfügung? Ab wann beginnt die bemessene Frist zu laufen? a) Grundproblem. Eine Frist für die Antragstellung kennt das Gesetz nicht. Andere 45 Verfahrensvorschriften in der ZPO, die Fristen für die Einlegung von Rechtsmitteln, für eine Begründung von Rechtsmitteln88 oder für ein Wiedereinsetzungsgesuch enthalten, sind nicht verwertbar. Sie haben mit der Frage, wie lange ein Antragsteller seine Waffen schmieden darf, um für den Überfall im Eilverfahren gut gewappnet zu sein, nichts zu tun. Auch die Erwägung, dass sechs Monate grundsätzlich zur Verfügung gestellt werden sollten, weil solange der Anspruch nicht verjährt sei,89 geht fehl. Es leuchtet zwar unmittelbar ein, dass die Geltendmachung verjährter Ansprüche schwerlich eilbedürftig sein kann;90 der umgekehrte Schluss, die Dringlichkeit sei immer dann zu bejahen, solange der Anspruch noch nicht verjährt sei, verfängt indessen nicht. Auf welche Frist man sich festlegen will, unterliegt daher einem weiträumigen richterlichen Ermessen; manche sprechen von willkürlicher Festsetzung.91 Es hat sich bei vielen Wettbewerbsgerichten dennoch einge-

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84 Beschl. vom 24.3.2011 – I ZR 108/09 BGHZ 189, 56 = GRUR 2011, 521 Rn. 6 ff. – TÜV I. 85 OLG München, Urteil vom 15.11.2012 – 29 U1481/12 – GRUR-RR 2013, 125, 126 r. Sp. zu einem auf § 823 Abs. 1 BGB gestützten Anspruch. 86 So aber OLG Köln WRP 2014, 337 – Aufmachung von Waffelschnitten-„Knoppers“. 87 Auch Thierig GRUR-RR 2013, 370, 371 stellt fest, dass sich die Ablehnung der Analogie in der Rechtsprechung auf das Endergebnis nicht auswirkt. 88 Für eine Orientierung an der Zwei-Monatsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO plädiert MünchkommUWG/ Schlingloff § 12 Rn. 397. 89 So früher OLG Hamburg NJW-RR 1986, 716. 90 Melullis Rn. 172 mit Nachw. aus der älteren Rechtsprechung in Fn. 5; auch bei Verjährung das Eilverfahren nicht völlig ausschließen wollen Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 50 und ihm folgend Doepner a.a.O. S. 1332. 91 So Holzapfel GRUR 2003, 287, 289.

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bürgert, der eigenen Rechtsprechung bestimmte Fristen zugrundezulegen, nach deren Ablauf die verfahrensrechtlichen Obliegenheiten des Antragstellers zunehmen. Damit entsprechen sie dem Bedürfnis der Rechtssuchenden, die einen einigermaßen überschaubaren Anhaltspunkt benötigen, wie viel Zeit ihnen zur Vorbereitung des Verfahrens zur Verfügung steht.92 b) Regelfristen. Die damit verbundenen zeitlichen Limits werden oft als Regelfristen bezeichnet. Da es an einer prägenden höchstrichterlichen Rechtsprechung fehlt, segeln unter diesem Begriff mehrere Varianten mit jeweils unterschiedlichem Bedeutungsgehalt. Die Frist kann elastisch gehandhabt werden oder starr. 47

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aa) Elastische Fristen. Die elastische Frist kann partiell oder vollständig flexibel sein. Die partiell flexible Frist versteht sich dogmatisch als einen Zeitraum, nach deren Ablauf die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 widerlegt ist mit der Folge, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für das Vorliegen des Verfügungsgrundes im Einzelnen darzutun hat und nunmehr eine offene Interessenabwägung stattfindet. Es ist dann seine Aufgabe zu schildern, warum die Tücken der Materie eine frühere Einleitung des Verfahrens nicht gestatteten oder jedenfalls untunlich erscheinen ließen. Gelingt ihm das, wird der Verfügungsgrund bejaht, obgleich die Regelfrist überschritten ist. Die Frist wird hingegen nicht flexibel gehandhabt, soweit der Antragsteller sie nicht ausgenutzt hat. Beträgt die bei dem angerufenen Gericht praktizierte Regelfrist einen Monat, so kann er sich fest darauf verlassen, dass ihm kein übergroßer Zeitverlust vorgehalten wird, wenn er den Antrag vier Wochen nach Kenntniserlangung von dem Wettbewerbsverstoß einreicht. Die vollständig flexible Frist ist hingegen mit den Worten Köhlers93 „oben und unten“ offen. Sie gibt nur eine Richtschnur für die bei den durchschnittlich gelagerten Fällen tolerierten Zeiträume. Bei sehr einfach strukturierten Fällen darf diese Frist nicht ausgeschöpft werden, bei schwierigen wird sie verlängert. In dieser Weise praktiziert das KG seine Leitlinie,94 wonach ein Zuwarten, das nicht länger als zwei Monate dauert, regelmäßig nicht als dringlichkeitsschädlich anzusehen sei. Im Einzelfall kann das zu üppig bemessen und die Dringlichkeit nach 7–8 Wochen verloren gegangen sein.95 Dem Antragsteller wird eine derartige beidseitige Flexibilität weniger gefallen, weil er die Einschätzung, ob sein Fall noch sehr einfach gelagert oder schon durchschnittlich ist, auf eigenes Risiko vornimmt und er nicht weiß, was ihn erwartet. 48

bb) Starre Fristen. Die starren Fristen legen fest, dass das Eilverfahren nicht mehr betrieben werden kann, wenn ein bestimmtes Zeitbudget erschöpft ist. Derartige Fristen sind nicht legitim,96 auch wenn sie wie alle schematischen Regelungen die Rechtsprechung vorhersehbar machen.97 Sie laufen auf eine Ergänzung des § 12 Abs. 2 durch einen S. 2 hinaus, der besagt, dass der Verfügungsgrund entfällt, wenn (X) Monate nach

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92 So zutreffend Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 315; Köhler GRUR-RR 2007, 337, 345; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 307; Holzapfel wie zuvor; Klaka GRUR 1979, 596. 93 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.15 unter „Dauer des Zuwartens“. 94 Urteil vom 25.10.2011 – 5 U 23/10 – Magazindienst 2012, 39, 40. 95 Beschl. vom 14.12.2010 – 5 W 225/10 – Magazindienst 2011, 803; so will auch OLG Koblenz WRP 2011, 451, 452 seine Regelfrist verstanden wissen. 96 Dagegen vehement jetzt Doepner WRP 2011, 1384. 97 Vgl. Köhler GRUR-RR 2007, 337, 345; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 307.

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Kenntniserlangung von dem fraglichen Wettbewerbsverstoß (oder einer etwa gleichzustellenden grob fahrlässigen Unkenntnis) vergangen sind, ohne dass ein Antrag bei Gericht eingegangen ist. Es ist nicht die Aufgabe eines Richters, wie ein Gesetzgeber abstrakt geltende Rechtssätze aufzustellen. Auch wenn sich keine Entscheidungen finden, in denen ein Gericht eine derartige Befugnis ausdrücklich für sich reklamiert hätte: Eine Praxis, die dem Antragsteller nach Ablauf der judizierten Frist die Darlegung entschuldigender Umstände fast ausnahmslos abschneidet, läuft im Ergebnis auf dasselbe hinaus. Wird diese Frist dann auch noch schneidig auf einen Monat bestimmt, so wird den verletzten Gläubigern das Eilverfahren bei kompliziert gelagerten Sachverhalten von vornherein aus der Hand geschlagen. Ob es in der Wirklichkeit des Gerichtsalltags gelegentlich zu einem solchen Missstand kommt, kann von außen nicht beurteilt werden.98 Er wäre nur deshalb nicht restlos unerträglich, weil die Gläubiger fast immer die Wahl haben, einen anderen Gerichtsstand aufzusuchen. c) Bemessung der Frist. Wie die Zeitdauer zu bemessen ist, nach deren Ablauf die 49 Dringlichkeitsvermutung nicht mehr gilt, ist eine der großen, oft liebevoll aufbereiteten Fragen des einstweiligen Verfügungsverfahrens. Schultz-Süchting ist ihr in der Vorauflage ausführlich nachgegangen und zu dem Ergebnis gekommen, dass das Sicherungsinteresse für das Eilverfahren bei komplizierten Verfahren nach sechs Monaten noch vorliegen könne, bei einfachen Sachverhalten ohne das Erfordernis einer intensiven Aufbereitung dagegen nach 3–4 Monaten entfallen sei. Er sah es als maßgebenden Gesichtspunkt an, dass ein Eilverfahren so lange zulässig bleiben müsse, wie ein Urteil in einem Hauptklageverfahren mutmaßlich noch nicht habe erstritten werden können.99 Diese Zeitvorstellungen unterschieden sich seinerzeit nicht markant von erheblichen Teilen der Rechtsprechung. Inzwischen steckt die obergerichtliche Rechtsprechung den Rahmen deutlich enger. Etliche Gerichte haben sich in den vergangenen Jahren zu einer Regelfrist von einem Monat bekannt. Wer mit der Einleitung des Verfahrens 3–4 Monate gewartet hat, läuft überall in Deutschland Gefahr, dass die Dringlichkeit seines Antrags verneint wird. Doepner100 hat – unter dem ausdrücklichen Beifall Teplitzkys101 – eine entsprechende 50 Kehrtwende des OLG Koblenz102 im Jahr 2011 zum Anlass genommen, diese Entwicklung hart zu kritisieren. Sie leugne das berechtigte Interesse des Verfügungsgläubigers an einer sorgfältigen Verfahrensvorbereitung, scheue die notwendige Interessenabwägung anhand der konkreten Fallkonstellation und erkläre sich mutmaßlich mit dem richterlichen Bestreben, sich die Arbeit tunlichst vom Hals zu schaffen. Dem ist entgegenzutreten. Dem Gläubiger ist es in der Regel zuzumuten, die Verfahrensvorbereitung mit großer Konzentration zu betreiben. In dem nachfolgenden Eilverfahren wird bei den meisten Gerichten ein hohes Tempo angeschlagen, dessen Druck dann in erster Linie nicht der sorgfältig vorbereitete Gläubiger, sondern der Schuldner zu tragen hat. Der elementare Gesichtspunkt einer einigermaßen gewährleisteten Waffengleichheit der Parteien steht daher einer großzügigen Gewährung von Vorbereitungszeit

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98 Die Ausnahmefreudigkeit der Wettbewerbsgerichte in Bayern – deren geringes Ausmaß verfassungsrechtlichen Bedenken standgehalten hat, Bayerische Verfassungsgerichtshof NJW-RR 1993, 365 – soll sich etwas verbessert haben, vgl. Teplitzky Kap. 54 Rn. 25. 99 § 25 Rn. 42, 48 ff. 100 WRP 2011, 384. 101 10. Kölner Symposium zum Marken- und Wettbewerbsrechts, Tagungsband Teil 2, S. 18 seiner Begleitunterlagen. 102 GRUR 2011, 451.

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vor der Antragstellung entgegen. Fehl geht der Hinweis, die Gerichte unterließen die notwendige Abwägung der Einzelumstände. Das Gegenteil ist richtig. Ist der Vermutungstatbestand der Dringlichkeit durch Zeitablauf der Regelfrist aus der Welt, so steht damit zunächst nur fest, dass es nicht bei der schematischen Bejahung der Dringlichkeit bewenden kann. Vielmehr ist jetzt in die offene Interessenabwägung einzusteigen, ob es nach Lage der Dinge richtig ist, dem Verletzten ein Eilverfahren an die Hand zu geben.103 Umso weniger trägt der Vorwurf, die Monatsfrist sei als Instrument der Arbeitsentlastung erfunden worden, zumal bekannt ist, dass die Verwaltung über einen Pensenschlüssel verfügt und aus anderen Materien hinreichenden Ersatz herbeischaffen kann. Schließlich: Die Monatsfrist kann keinen Wahrheitsgehalt gegenüber einer Zweimonatsfrist für sich beanspruchen. Sie kann aber nicht als abwegig kurz betrachtet werden. Typische Verfahren betreffen nicht beachtete Informationspflichten, Kennzeichnungsfehler, irreführende Werbung etc. mit oft unstreitigem Sachverhalt. Sie sind wesentlich häufiger als Auseinandersetzungen mit pharmakologisch- medizinischem Hintergrund, die nach einer anderen zeitlichen Bewertung verlangen. 51 Die Monatsfrist wäre allerdings dann gefährlich, wenn aus ihr mittelbar eine (leicht höher bemessene) starre Frist abgeleitet würde, die nach dem inneren Gefühl der amtierenden Richter auch bei einer offenen Interessenabwägung nicht überschritten werden könnte – etwa dass die Regelfrist nicht verdoppelt werden dürfte. Wenn sich der Antragsteller nach Lage der Dinge die Zeit genommen hat, die er brauchte, um mit einem hinreichenden Sachvortrag und den notwendigen Mitteln der Glaubhaftmachung an den Start zu gehen, kann ihm der Verfügungsgrund nicht mit der Begründung abgesprochen werden, er sei zu saumselig verfahren. Wer die Frist so versteht, dass sie nur zum Fortfall der Vermutung der Dringlichkeit 52 führt und fortan weiterer Vortrag des Antragstellers mit offenem Ausgang erforderlich ist, kann nicht mit Leidenschaft über die Frage streiten, ob die Frist besser mit einem oder mit zwei Monaten bemessen ist. Wie man sich auch entscheidet: Einen Wahrheitsgehalt hat die Antwort nicht. Mit Leidenschaft ist aber zu betonen, dass die Dauer der dem Antragsteller belassenen Zeit Einfluss auf die richterliche Verfahrensleitung haben muss. Der Richter, der dem Antragsteller auch in einfachen Angelegenheiten einige Monate Zeit lässt, sollte sich gehindert sehen, in dem endlich eingeleiteten Verfahren unter Abkürzung aller Einlassungsfristen Beschleunigungsrekorde aufzustellen, um seine blendende Erledigungsstatistik beizubehalten. 53 Weil die Regelfristen sich nicht aus dem Gesetz ableiten lassen, hat es in der Vergangenheit erhebliche Unterschiede in der Rechtsprechung der deutschen Oberlandesgerichte gegeben, die mangels höchstrichterlicher Zuständigkeiten immer nur zu einer Vereinheitlichung im jeweiligen konkreten Gerichtsbezirk, nicht aber im Bundesgebiet geführt hat. Fast alle kommentierenden Bearbeitungen des Wettbewerbsrechts enthalten Übersichten über die Unterschiede der obergerichtlichen Rechtsprechung. Dabei ist große Vorsicht geboten. Die umfangreichste und sorgfältigste Zusammenstellung stammt von Traub aus dem Jahre 1991, in der insbesondere die Rechtsprechung aus den 1980er Jahren geordnet worden ist. Seitdem haben in den Spruchkörpern mehrere Richtergenerationen den Stab übergeben. Kein Anwalt darf sich ungeprüft darauf verlassen, dass die damalige Rechtsprechung der modernen Praxis immer noch zu Grunde liegt. Zudem werden Entscheidungen leicht falsch verstanden. Beispielsweise hat das OLG Hamburg in einem Beschluss aus dem Jahr 2002104 dem Verletzer nicht sechs Monate

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103 104

So auch das von Doepner kritisierte OLG Koblenz WRP 2011, 384, 385. Beschl. vom 28.2.2002 – 3 U 347/01, GRUR-RR 2002, 277.

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Bedenkzeit nach Kenntnisnahme von der Verletzungshandlung zugebilligt,105 sondern die Dringlichkeit nicht entfallen lassen, obgleich der Verletzte erst sechs Monate nach der Verletzungshandlung von ihr Kenntnis genommen hatte. Auch aktuelle Entscheidungen sind mit Vorsicht zu genießen. Zum einen wird oft 54 nicht deutlich gesagt, ob nur die Dringlichkeitsvermutung widerlegt und damit nur weiterer Vortrag des Antragstellers gefragt ist, oder ob die Dringlichkeit, also der Verfügungsgrund, bereits abschließend verneint ist. Dieser Umstand hat jüngst dazu geführt, dass das OLG Köln den Vorwurf Doepners, in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung lege es jetzt eine starre Monatsfrist zu Grunde,106 mit Unverständnis zurückgewiesen hat.107 Zum zweiten kann undeutlich sein, was ein Gericht unter der von ihm gesetzten Regelfrist versteht – die in Rn. 46–48 aufgeführten Verständnismöglichkeiten müssen enträtselt werden. Unter dem Vorbehalt, dass die geschilderten terminologischen Unzulänglichkeiten 55 zu Missverständnissen einladen, wird folgender Überblick über die obergerichtliche Rechtsprechung als Momentaufnahme gegeben. Dabei wird auf die Erwähnung älterer Entscheidungen bewusst verzichtet.108 In Nordrhein-Westfalen legen die Oberlandesgerichte Hamm109 und Köln110 eine Frist von einem Monat zu Grunde, das Oberlandesgericht Düsseldorf111 eine Frist von zwei Monaten. Es handelt sich jeweils um elastische Fristen, bei deren Überschreiten nicht die Dringlichkeit entfällt, sondern allein der Vermutungstatbestand des § 12 Abs. 2 widerlegt ist. Die Ein-Monatsfrist wird auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte München,112 Nürnberg,113 Karlsruhe,114 Koblenz115 und Thüringen116 praktiziert. Die bayerischen Gerichte sollen einer ausnahmsweisen Bejahung des Verfügungsgrundes trotz Überschreitens dieser Frist besonders zurückhaltend gegenüberstehen.117 Mit einer ZweiMonatsfrist wie das OLG Düsseldorf arbeiten auch das KG118 und das OLG Dresden.119 Das OLG Hamburg120 hat seine in der Vorauflage121 geschilderte Rechtsprechung, dem Antragsteller stets viele Monate Zeit zu lassen, längst aufgegeben. Es arbeitet nicht mit

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105 So aber Ekey/Klippel/Kotthoff/Meckel/Plaß UWG § 12 Rn. 126; der Beschluss ist zutreffend referiert bei Harte/Henning/Retzer Anhang zu § 12 Rn. 951. 106 WRP 2011, 1384 Fn. 28; auch Nordemann, Wettbewerbsrecht Markenrecht Rn. 1559, meinen, die Kölner Frist sei starr. 107 Beschl. vom 14.3.2012 – 6 W 42/12 – GRUR-RR 2012, 480. 108 Umfangreiche Nachweise finden sich bei Schultz-Süchting, Vorauflage § 25 Rn. 41–63; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100, insbesondere Fn. 78, 80; Harte/Henning/Retzer; Anhang zu § 12 Rn. 942 ff.; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG §12 Rn. 115; Berneke Rn. 65–89a. 109 Urteil vom 20.9.2011 – 4 U 73/11 – Magazindienst 2012, 199, 203; Urt. vom 2.12.2012, 4 U 168/11 Magazindienst 2012, 508, 510; Urteil vom 24.1.2013 – 4 U 186/12 – WRP 2013, 1073 Rn. 34 f.; Magazindienst 2014, 511, 514. 110 GRUR-RR 2012, 480; siehe auch GRUR 2000, 167. 111 Urt. 5.10.2010 – I-20 U 126/10, GRUR-RR 2011, 315, 316; Urt. 21.12.2010 – 20 U 129/10, Magazindienst 2011, 220. 112 Magazindienst 2000, 660, 667 f.; 2007, 973, 975 f. 113 MDR 2002, 533. 114 WRP 2007, 822, 823. 115 GRUR 2011, 451 mit zustimmender Anm. von Demuth GRUR 2011, 404. 116 26.11.2010 – 2 U 190/10, Magazindienst 2011, 755. 117 Teplitzky Kap. 54 Rn. 25; Doepner a.a.O., S. 1384, 1385. 118 Vgl. Rn. 89, 90 sowie LG Berlin Magazindienst 2011, 759, 763. 119 So der Bericht von Marx WRP 2004, 970 f. 120 WRP 2007, 675 sowie 2007, 1251, 1252; GRUR-RR 2008, 366, 367. 121 § 25 Rn. 48 mit Fn. 76.

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Regelfristen. Der Antragsteller darf sich in einfach gelagerten Sachen nicht darauf verlassen, acht Wochen Zeit zu haben. Auch das OLG Frankfurt lehnt starre Fristen ab und spricht von einem groben Zeitrahmen von sechs Wochen. 122 Das OLG Zweibrücken spricht von der Maßgeblichkeit des Einzelfalls.123 Von den anderen Oberlandesgerichten sind seit vielen Jahren keine aussagekräftigen Entscheidungen mehr veröffentlicht worden. 56

d) Überschreitung der Regelfrist. Die Gründe, die trotz Überschreitens der bei dem jeweiligen Gericht angewandten Regelfrist nicht zum Dringlichkeitsverlust führen, können vielfältig sein. Je kürzer das Gericht die Frist bemisst, umso eher sollte es Ausnahmen zulassen. Zwischenzeitliche Weihnachtsfeiertage fallen bei einer Ein-Monatsfrist ins Gewicht – sollten aber auch hier unberücksichtigt bleiben, wenn sich der Gläubiger nicht mit einer Abmahnung aufgehalten hat –, bei einer dreimonatigen Spanne nicht.124 Die Beschaffung von eidesstattlichen Versicherungen kann wegen Urlaubs oder Auslandsaufenthaltes maßgeblicher Zeugen zeitraubend sein. Bestimmte Verfahren mit technisch oder wissenschaftlich schwierigen Fragestellungen lassen sich oft nicht erfolgreich betreiben, ohne ein privates Sachverständigengutachten einzureichen.125 In aller Regel wird dem Gläubiger nicht zuzumuten sein, das Verfahren in der Hoffnung zu beginnen, das Gutachten bis zur mündlichen Verhandlung noch nachreichen zu können; das würde die Verteidigungsmöglichkeiten des Gegners zudem beschränken. Wer sich allerdings einen Gutachter auswählt, der deutlich erklärt hat, in den nächsten zwei Monaten mit anderen Arbeiten vollständig ausgelastet zu sein, wird auf Milde nicht hoffen dürfen. Mit der Frist ist auch dann elastisch umzugehen, wenn der Schuldner nach der Abmahnung ein Vergleichsgespräch angeboten und dadurch eine entscheidende Verzögerung bewirkt hat.126 Waren die nachfolgenden Verhandlungen ernsthaft, so erklärt das hinreichend den Zeitverlust. Hat der Schuldner die Gesprächsbereitschaft nur vorgetäuscht und dem Gläubiger eine Falle gestellt, wäre es falsch, ihn dafür mit der Erkenntnis zu belohnen, ein Eilverfahren sei wegen Dringlichkeitsverlust nicht mehr statthaft. Eine zu große Bierruhe des Gläubigers toleriert die Rechtsprechung allerdings nicht.127 Verbraucherschutzverbänden ist bei der Fristbemessung kein grundsätzliches Privileg mit der Begründung einzuräumen, sie verfolgten allgemeine Interessen. Wie andere Gläubiger auch bleibt es ihnen unbenommen, geltend zu machen, sie seien im Einzelfall auf besondere Schwierigkeiten gestoßen.

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5. Fristbeginn schon bei grob fahrlässiger Unkenntnis? Beginnt die Frist mit der Kenntnis des Gläubigers von der Verletzungshandlung zu laufen oder bereits bei grob fahrlässiger Unkenntnis? Lange Zeit war ausgemacht, dass die Kenntnis des Gläubigers maßgeblich sei. Noch in der Vorauflage128 konnte für diese Auffassung eine fast

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122 Beschluss vom 11.6.2013 – 6 W 61/13 – WRP 2013, 1068 Rn. 2. 123 GRUR-RR 2008, 346. 124 Vgl. zur Bedeutung von Feiertagen KG NJWE-WettbR 1999, 15; OLG Thüringen Magazindienst 2011, 755. 125 Daher Verlängerung der Regelfrist: OLG Köln WRP 2013, 98. 126 KG WRP 1980, 491, 492; OLG Köln WRP 1975, 745, 746; 1980, 502, 503; OLG Stuttgart GRUR 1978, 538, 540; Melullis Rn. 171a. 127 KG GRUR 1993, 929 (L); OLG Bremen NJW-RR 1991, 44; OLG Frankfurt GRUR 1979, 325; Berneke Rn. 73. 128 Schultz-Süchting § 25 Rn. 60 mit Fn.118; a.A. früher OLG Stuttgart GRUR 1970, 613, 615; OLG Frankfurt WRP 1972, 532.

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allgemeine Meinung reklamiert werden. 129 Dort wurde lediglich von Gamm130 für die Forderung zitiert, den Fristbeginn auf den Zeitpunkt einer grob fahrlässigen Nichtbeachtung der Verletzungshandlung vorzuverlegen. Nach § 21 Abs. 1 UWG a.F. setzte auch die Verjährungsfrist der Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz mit der Kenntnis des Anspruchsberechtigten von der Verletzungshandlung und der verletzenden Person ein. Seit der UWG-Reform aus dem Jahre 2004 beginnt die Verjährungsfrist nach § 11 Abs. 2 auch dann zu laufen, wenn der Gläubiger die Kenntnis erlangt hätte, sofern er nicht grob fahrlässig die Augen verschlossen hätte. Nun stellt sich die Frage, ob darauf auch bei der Prüfung des Verfügungsgrundes abzustellen ist; sie wird in zunehmendem Maße bejaht.131 Der Diskurs hat erst begonnen. Die jüngere Rechtsprechung lässt die Frage gerne offen;132 gelegentlich wird auch schlicht einer einzigen Kommentarstelle gefolgt.133 Nicht selten ist alles nur ein Streit um Worte, weil in der Beurteilung der Fallgruppen wieder Einigkeit besteht. Relevante Divergenzen in den Ergebnissen wurzeln weniger in dem unterschiedlichen Ansatz „Kenntnis versus grobe Fahrlässigkeit“, sondern in der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß es dem Gläubiger obliegt, den Markt zu beobachten.134 Die nachfolgende Kommentierung stellt Argumente vor, warum es dabei bewenden kann, weiterhin die Frist mit der Kenntnis beginnen zu lassen. a) Marktbeobachtungspflicht. Als noch fast allgemein auf die Kenntnis als Stich- 58 tag abgestellt wurde, wurde in der Kommentierung regelmäßig zusätzlich betont, dass den Gläubiger keine Marktbeobachtungspflicht treffe. Dabei handelte es sich freilich nicht um eine weitere Einsicht. Es war lediglich eine zwingende Folgerung daraus, dass erst die Kenntnis von der Verletzungshandlung die Frist beginnen lassen konnte; denn es machte keinen Sinn, eine Pflicht zur Marktbeobachtung zu postulieren, deren Nichtbeachtung keine Konsequenzen nach sich zog. Führte sie zu Konsequenzen, so war das Beharren auf der positiven Kenntnis ein bloßes Lippenbekenntnis.135 Das ist anders, wenn es auf grobe Fahrlässigkeit ankommen soll. Die Frage, welche fundamentalen Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Gläubigers gestellt sind, gewinnt nun eine zent-

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129 Umfangreiche Rechtsprechungsnachweise aus der damaligen Zeit bei Teplitzky Kap. 54 Rn. 191. 130 WRP 1968, 312, 313 f. 131 OLG Köln, Urteil vom 13.12.2013 – 6 U 100/13 – GRUR-RR 2014, 127; Urteil vom 10.12.2010 – 6 U 112/10 – WRP 2011, 362, 363; anders früher GRUR-RR 2003, 1187, 1188; OLG Frankfurt, Urt. vom 28.5.2013 – 6 U 226/12 – GRUR-RR 393, 394 (sebstverständliche Prüfung der groben Fahrlässigkeit); OLG Stuttgart, Urteil vom 4.7.2013 – 257/12 – Magazindienst 2013, 764, 766; OLG Thüringen, Urt. vom 29.3.2012 – 2 U 82/12, WRP 2012, 846, anders aber noch Urt. vom 20.7.2011 – 2 U 211/11, Magazindienst 2011, 747, 749; OLG Hamm, Beschluss vom 13.1.2011 – 4 W 84/11, Magazindienst 2011, 993, 995; OLG Karlsruhe WRP 2010, 793, 794; OLG Hamburg Magazindienst 2009, 935, 939; OLG München Magazindienst 2007, 973; Teplitzky FS für Loschelder S. 391, 393 f.; Teplitzky Kap. 54 Rn. 28 f.; Kehl FS für Loschelder S. 13 9, 143 ff.; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 19 f.; Gloy/Erdmann/Loschelder/Spätgens § 100 Rn. 45, 47; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 390; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.15; Piper/Ohly/Sosnitza UWG § 12 Rn. 115; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 312, allerdings im Gegensatz zu Rn. 308; Nordemann, Wettbewerbsrecht Markenrecht Rn. 1559; MünchKommZPO/Drescher § 935 Rn. 19. Grobe Fahrlässigkeit lassen nicht genügen: OLG Rostock, Urt. vom 25.5.2011 – 2 U 2/11; Magazindienst 2011, 647, 648; OLG Hamburg WRP 2008, 149, 150; Fezer/Büscher § 12 Rn. 80; Hess in:Ullmann juris PK-UWG/12 Rn. 93; Berneke Rn. 78; Nordemann/Götting/Kaiser § 12 Rn. 161; Kochendörfer WRP 2005, 1459, 1460. 132 OLG Stuttgart Magazindienst 2009, 165, 171. 133 OLG Thüringen Magazindienst 2011, 755. 134 OLG Frankfurt, Urteil vom 28.5.2013 – 6 U 266/12 – WRP 2013, 1380 verneint denn auch im Streitfall eine grobe Fahrlässigkeit, weil keine Marktbeobachtungspflicht hinsichtlich eines sechstägigen TV-Spots bestanden habe. 135 So zutreffend Spätgens a.a.O. Rn. 45, 46 mit Hinweisen auf frühere Rechtsprechung Rn. 114.

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rale Bedeutung. Es macht deshalb bei den Befürwortern der Ansicht, es sei auf grobe Fahrlässigkeit abzustellen, einen markanten Unterschied aus, ob eine Marktbeobachtung in alter Tradition unverändert verneint136 oder jetzt – in welchem Ausmaß auch immer – bejaht wird. Nur dann wird im Ergebnis einer einschneidenden Änderung der alten Rechtsprechung das Wort geredet. 59

b) Indiztatsachen für Kenntnis. Wenn die Kenntnis des Gläubigers entscheidend ist, kann es im Streitfall Nachweisschwierigkeiten geben. Die subjektive Tatsache der Kenntnis muss aus objektiven Indizien abgeleitet werden. Dabei kann ein Richter mutig sein und den Schluss auf die Kenntnis aus den vorhandenen äußeren Tatsachen gegen die Beteuerungen des Gläubigers ziehen; er sollte das tun. Ist er an dieser Stelle sehr ängstlich, so braucht sich der Gläubiger die Kenntnis regelmäßig nur entgegenhalten zu lassen, wenn sie schriftlich dokumentiert ist. Die verschwiegene Kenntnis führt zu unfairen Vorteilen. Kochendörfer137 hat einen Katalog von Indizien aufgestellt, die häufig – Vorsicht vor einer schematischen Anwendung! – einen Rückschluss auf die Kenntnis des Gläubigers zulassen. Dazu zählt er einen langen Zeitraum der Nichtbeanstandung des Wettbewerbsverstoßes, einen beiderseitigen Messeauftritt, die Werbung in Massenmedien, intensive Parteibeziehungen und übersichtliche Marktverhältnisse. Sprechen derartige Umstände gegen den Gläubiger, so ist es seine Sache, plausibel darzulegen und glaubhaft zu machen, warum er trotz allem nicht Bescheid gewusst hat. Die Rechtsprechung arbeitet oft mit der diplomatischen Wendung, der Kenntnis ste60 he es gleich, wenn der Verletzte sich den ihm bekannten Tatsachen „entziehe“. Hier mag die Argumentation leichter fallen, wenn man einerseits die grobe Fahrlässigkeit zum zutreffenden Anknüpfungspunkt erklärt, andererseits aber eine Marktbeobachtungslast ablehnt. Es muss nicht recherchiert werden; wer vor den dennoch zu ihm gelangten Tatsachen die Augen verschließt, tut dies grob fahrlässig. Im Endergebnis gibt das keinen Frontverlauf her. Der Streit gewinnt erst Kontur, wenn der Ansatz „grobe Fahrlässigkeit“ mit der Forderung nach einer einigermaßen strikten Marktbeobachtung des Gläubigers gekoppelt wird. 61

c) Entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 2 UWG. Die entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 2 UWG wird regelmäßig mit dem Hinweis begründet, nur so könnten schwer erträgliche Wertungswidersprüche vermieden werden.138 Der bestechend klingende Satz, ansonsten werde – welches Paradox – die Dringlichkeit verjährter Forderungen bejaht, verfängt jedoch nicht. Es leuchtet ein, dass für verjährte Forderungen kein Eilverfahren verfügbar sein kann. Daher ist für diese geschlossene Fallgruppe die Dringlichkeit zu verneinen, ohne dass es noch auf irgendetwas anderes ankäme. Das ist auch möglich – wir sind die Herren unseres eigenen Gedankengebäudes –, wenn man im Übrigen auf die Kenntnis von der Verletzungshandlung abstellt, und wesentlich besser zu begründen als die Dauer wie auch immer bemessener Fristen. Zudem ist der auf eine verjährte Forderung gestützte Antrag unbegründet und kann daher ohne vorherige Zulässigkeitsprüfung abgewiesen werden – es kommt auf dasselbe hinaus. 62 Die Übertragung des Rechtsgedankens des § 11 Abs. 2 UWG drängt sich nicht auf, weil die jeweiligen Fristen – insbesondere, nachdem die Monatsfrist verstärkt in Mode gekommen ist – sehr unterschiedlich sind. Wenn nach dem Willen des Gesetzgebers die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche gegen den Willen des Schuldners nach dem Ablauf

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Vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2013, 393, 394 a.E. WRP 2005, 1459, 1461 f.; siehe auch Berneke Rn. 71. Vgl. insbesondere Teplitzky, Schmukle, Retzer, jeweils wie Fn. 131.

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von sechs Monaten seit grob fahrlässiger Unkenntnis nicht mehr durchsetzbar sind, ist die Schlussfolgerung, ein oder zwei Monate nach diesem Zeitpunkt sei die Durchführung eines Eilverfahrens nicht mehr zulässig, wenig überzeugend. Wer auf die Kenntnis abhebt, besitzt einen guten Grund, dem Gläubiger bis zur Antragstellung nicht beliebig viel Zeit einzuräumen. Es verstößt gegen den grundlegenden Gedanken der Waffengleichheit, ihn seine Gewehre in Ruhe laden zu lassen, auf das er den Schuldner umso besser durch das Eilverfahren hetzen kann. Wer keine Kenntnis von der Verletzungshandlung hat, schmiedet demgegenüber die Waffen für das Eilverfahren nicht: grobe Fahrlässigkeit hin oder her. d) Obliegenheit zur üblichen Verfolgung des Marktgeschehens? Einen anderen 63 Ansatz haben Spätgens139 und Kehl140 gewählt. Das Internet mache es möglich und notwendig, zur Erhaltung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit die aktuelle Wettbewerbssituation per Mausklick zu beobachten. Jeder Mitbewerber, der materiell und personell entsprechend ausgestattet sei, lasse den Markt selbstverständlich beobachten. Wer das unterlasse, habe ein Eilverfahren nicht mehr verdient. Der Rückgriff auf § 11 Abs. 2 UWG ist dann nur noch eine Begründungshilfe für ein bereits gewonnenes Ergebnis. Zwingend ist diese Überlegung dennoch nicht, weil sie von dem Gedanken eines fairen Streitverfahrens nicht gefordert wird. Dem Gläubiger wird das Eilverfahren verwehrt, weil er selbst nicht ordentlich nachgeforscht oder die Recherchen nicht vernünftig organisiert hat. Warum daraus für ihn nachteilige verfahrensrechtliche Konsequenzen gezogen werden müssen, wäre noch zu begründen; es liegt kein Nachteil für den Schuldner auf der Hand, sofern das Eilverfahren einige Wochen später stattfindet. Obendrein wird mit der notwendigen Abgrenzung, wo die Marktbeobachtung einsetzt und wie weit sie geht, ein Minenfeld betreten. Wann verlangt die materielle und personelle Ausstattung eine Beobachtung des Marktes? Sind kleine und mittelständische Unternehmen141 von der Last der Beobachtung ausgenommen, so dass eine Zweiklassen-Unternehmensgesellschaft zu etablieren wäre? Die Unterscheidung von Kehl, es werde keine Verpflichtung zur Untersuchung des Marktes auf Wettbewerbsverstöße, sondern nur eine Obliegenheit postuliert, das Marktgeschehen wie ein ordentlicher Kaufmann (relativ) sorgfältig zu verfolgen,142 verrät, welch feinsinnige Differenzierungen auf die Gerichte zukommen würden. Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir das Eilverfahren mit Zulässigkeitsproblemen überfrachten. Andererseits ist bezeichnend, dass Kehl143 sich für Beispiele, bei denen eine grobe 64 Fahrlässigkeit zu bejahen sein soll, auf Kochendörfer beruft, wo indessen Indizien gesammelt sind, die den Rückschluss auf die positive Kenntnis zulassen sollen.144 Unabhängig von allen begrifflichen Vorarbeiten ist daher – bevor alles als folgenloses Glasperlenspiel erscheint –bei folgender grundlegender Fallkonstellation Farbe zu bekennen: Ein Unternehmen hat von einer Verletzungshandlung eines relevanten Konkurrenten keine Kenntnis genommen. Bei Einrichtung einer kleinen Beobachtungsabteilung – dazu wäre es materiell und personell unschwer in der Lage gewesen – hätte es frühzeitig alle für eine erfolgreiche Rechtsverfolgung notwendigen Informationen gehabt. Ist jetzt ein Eilverfahren unstatthaft, weil es seine organisatorischen Obliegenhei-

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Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 45–47. FS für Loschelder S. 139, 144 f. Vor deren Überforderung Schmukle a.a.O. Rn. 19 ausdrücklich warnt. A.a.O. S. 145. A.a.O. S. 145 Fn. 32. WRP 2005, 1459.

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ten grob missachtet hat?145 Die Frage sollte verneint werden, weil sich dieses Versäumnis auf die Waffengleichheit im Verfügungsverfahren nicht auswirkt. Teilt man diese Ansicht, kann weiterhin auf die Kenntnis von der Verletzungshandlung abgestellt werden, sofern an der dem Schuldner obliegenden Glaubhaftmachung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden.146 Wer hier anders entscheiden will, ist auf die grobe Fahrlässigkeit als Anknüpfungspunkt für die Verwirkung des Eilverfahrens angewiesen. 65

6. Wessen Kenntnis entscheidet? Es versteht sich, dass die Dringlichkeitsfrist zu laufen beginnt, wenn der Gläubiger selbst oder sein gesetzlicher Vertreter von der Verletzungshandlung Kenntnis erlangt hat. Dabei kann es in großen arbeitsteilig organisierten Unternehmen nicht sein Bewenden haben. Hier kommt es entscheidend auf das Wissen der im eigenen Organisationsbereich tätigen, intern zuständigen Mitarbeiter an. Aber auch die Kenntnis Dritter außerhalb des eigenen Organisationsbereichs kann in Ausnahmefällen zugerechnet werden.

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a) Kenntnis des verantwortlichen Mitarbeiters. Bei der Frage, welches im eigenen Organisationsbereich entstandene Wissen für die Kenntnis von der Verletzungshandlung verwertbar ist, orientiert sich das Schrifttum seit der grundlegenden Untersuchung von Mes147 an den Grundsätzen, die der BGH in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB über die Wissenszurechnung entwickelt hat.148 Die für das rechtsgeschäftliche Handeln zum Zwecke der Verkehrssicherheit entwickelten Regeln sollten, wie Schmukle149 überzeugend dargelegt hat, nicht unverändert auf das Wettbewerbsrecht übertragen werden; sie gehen dort zu weit. Richtiger ist es, auf die Grundsätze abzustellen, die vom BGH im Rahmen des Verjährungsbeginns nach § 852 Abs. 1 BGB erarbeitet worden sind.150 Danach kommt es auf das Wissen der Mitarbeiter an, denen die Entscheidung obliegt, ob wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, und/oder sie die Aufgabe haben, derartige Verstöße festzustellen. Ebenso ist auf die Kenntnis des Anwalts abzustellen, der zur Abwehr einer Abmahnung eingeschaltet worden ist und in diesem Zusammenhang von Verstößen der Gegenseite erfährt.151 Liegt die Entscheidungskompetenz bei mehreren Mitarbeitern, kommt es auf die Kenntnisnahme beim ersten an.152 Ist die Organisation darauf ausgerichtet, dass mehrere Personen zusammenarbeiten, so müssen sie zügig kooperieren. Keinesfalls kann jeder Mitarbeiter die volle Regelfrist jeweils wieder neu für sich selbst beanspruchen. Bedient sich der Prinzipal für die Verfolgung von Rechtsverletzungen bei einem selbständigen Rechtsanwalt als seiner ausgelagerten Rechtsabteilung, so beginnt die Frist nicht etwa erst dann zu laufen, wenn er den Anwalt von der Verletzungshandlung in Kenntnis setzt.153 Es stünde sonst in seinem Belieben, wie er den Start des Eilverfahrens hinaus-

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145 OLG Frankfurt, GRUR-RR 2013, 257 (L S) hat den Verfügungsgrund bei jahrelanger Koexistenz der in Rede stehenden Marken verneint. 146 Teplitzky hält das „ Sichverschließen vor der Kenntnis“ für schwer definierbar und die Arbeit mit dem Begriff der „groben Fahrlässigkeit“ für ehrlicher, FS für Loschelder S. 391, 394. 147 FS für Nirk, S. 661, 672 ff.; Teplitzky Kap. 54 Rn. 29; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 313; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 391; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.15; ebenso OLG Frankfurt WRP 2013, 1068 Rn. 4. 148 BGHZ 132, 30 = NJW 1996, 1339; BGHZ 135, 202 = NJW 1997, 1917. 149 Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 26. 150 BGHZ 134, 343= NJW 1996, 2508; BGHZ 134, 343 =NJW 1997, 1584; BGH NJW 2007, 834. 151 OLG Frankfurt WRP 2013, 1068 Rn. 4. 152 OLG München OLGR 1996, 99. 153 OLG Köln GRUR-RR 2010, 493, 494.

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schiebt. Nach diesen Grundsätzen sind Außendienstmitarbeiter grundsätzlich keine Wissensvertreter.154 Sie sollen akquirieren und die Kunden zufrieden stellen, nicht aber wettbewerbspolizeilich tätig sein. Entsprechendes gilt grundsätzlich für Detektive, Testkäufer,155 Techniker und Einkäufer. Ist allerdings nicht deren Routinegeschäft betroffen, sondern sind sie auf einen speziellen Fall mit konkreten Vorgaben angesetzt worden, wird zu prüfen sein, ob der Streitfall eine andere Beurteilung rechtfertigt. Kontrovers wird seit Jahren eine Entscheidung des OLG Köln aus dem Jahre 1998 de- 67 battiert.156 In der Rechtsabteilung eines Unternehmens war ein Leiter einer so genannten Auswertungstelle installiert, in der die überregionalen Zeitungen und Zeitschriften auf die dort veröffentlichte Werbung von Konkurrenten überprüft werden sollten. Die zu beanstandende Werbung war in dringlichkeitsschädlicher Vorzeit bereits in drei großen deutschen überregionalen Zeitungen in auffälliger Weise erschienen. Das Gericht unterstellt, dass die Vorstandsmitglieder diese Werbung seinerzeit zur Kenntnis genommen hätten, während der verantwortliche Mann der Rechtsabteilung über die Werbung erstmals durch eine weitere Zeitungsveröffentlichung sechs Wochen später ins Bild gesetzt worden sei. Auf dessen Kenntnis komme es jedoch an. Die Vorstandsmitglieder hätten darauf vertrauen dürfen, dass die Auswertungsstelle ihre Informationen selbstständig und zuverlässig sammele. Dem im Schrifttum sehr umstrittenen letzten Satz wird man zustimmen müssen. Ohne Delegation geht es in einem Großunternehmen nicht ab; sie verliert ihren Sinn, wenn die Leitungsebene ihre auf allgemein zugänglichen Kanälen gewonnenen Informationen gleichwohl an die Abteilungen und Unterabteilungen weiterzuleiten hat. Der Schwachpunkt der Entscheidung liegt an einer anderen Stelle. War die Werbung so unübersehbar, dass die Vorstandsmitglieder auf die Tätigkeit ihrer Auswertungsstelle blind vertrauen durften, so war auch ein Vermutungstatbestand für rechtzeitige Kenntnis in dieser Stelle geschaffen.157 Dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Einzelheiten – eine unsubstantiierte eidesstattliche Versicherung durfte nicht reichen – diese Vermutung wieder hat ausgeräumt werden können. b) Kenntnisse Dritter. Die Kenntnisse Dritter außerhalb des eigenen Organisations- 68 bereichs sind dem Gläubiger grundsätzlich nicht zuzurechnen. Das gilt auch für selbständige juristische Personen im Konzernverbund;158 freilich entsteht die bei der Muttergesellschaft verloren gegangene Dringlichkeit nicht wieder neu durch die Gründung einer Tochter.159 Auch versteht es sich, dass es auf die bei einer nach Abschluss des Gründungsvertrages bestehenden Vor-GmbH entstandenen Kenntnisse auch nach der Registereintragung weiter ankommt.160 Anders liegen die Dinge aber, wenn der Dritte einen Mitbewerber mit der Verfolgung der Verletzungshandlung ins Rennen schickt, nachdem er selbst seit deren Kenntnis zu lange gewartet hat. Problematisch ist freilich nicht dieser Rechtssatz, sondern der Umstand, dass von derartigen Vorgängen der Gegner und das Gericht meistens nichts wissen.

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154 OLG Hamburg, 14.2.2013 – 3 U 34/12 – GRUR-RR 2013, 344, 347 sub 4.; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 96; zurückhaltend auch Kehl FS für Loschelder S. 144, allerdings in gewissem Gegensatz zu S. 146 (unter 4.). 155 Vgl. Mes FS für Traub S. 661, 674 f. 156 Urt. vom 13.11.1998 – 6 U 115/98, WRP 1999, 222, 223; ablehnend Kehl FS für Loschelder S. 139, 146 Fn. 34; Teplitzky Kap. 54 Rn. 29 Fn. 206; Zurückhaltung bei Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 26; nur referierend Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 313; eher zustimmend Berneke Rn. 70; Melullis Rn. 167. 157 Vgl. Rn. 58. 158 OLG Stuttgart NJWE-WettbR 1996, 111; Berneke Rn. 70; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 391. 159 OLG Hamburg OLG Report 2000, 259. 160 OLG Köln GRUR 1993, 685.

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Streitig ist die Behandlung der Fälle, in denen ein nach § 8 Abs. 3 UWG legitimierter Verband von einem Mitbewerber des Verletzers, der selbst den Dringlichkeitsverlust zu beklagen hat, unterrichtet wird. Teilweise hat die Rechtsprechung apodiktisch auf die Kenntnis dieses Mitbewerbers abgestellt.161 In der Mehrzahl der einschlägigen Entscheidungen ist dessen Kenntnis nur mit der zusätzlichen Voraussetzung für maßgeblich erklärt worden, dass der Verband von ihm vorgeschoben worden sei und mit dem Verfahren keine eigenen Interessen verfolge.162 Steht die Unterrichtung des Verbandes durch einen Mitbewerber des Verletzers mit Dringlichkeitsverlust fest, sollte der Verband danach darzulegen haben, welche eigenen Interessen ihn zur Rechtsverfolgung animieren.163 Der Schuldner wird dazu regelmäßig nichts beitragen können.164 7. Worauf bezieht sich die Kenntnis? Zu klären bleibt, auf welche Einzelheiten sich das Wissen des Gläubigers erstrecken muss, um von einer Kenntnis der Verletzungshandlung sprechen zu können. 69

a) Kenntnis der relevanten Umstände. Fristen beginnen nur dann zu laufen, wenn der Gläubiger Kenntnis von allen Umständen hat, welche die Beurteilung einer Handlung als wettbewerbswidrig und ein Vorgehen gegen den Verletzer ermöglichen. Nebensächliche Details, die für diese Beurteilung gleichgültig sind, also den Kern der Verletzungshandlung nicht ausmachen, müssen ihm nicht geläufig sein. Es genügt demnach die Kenntnis vom Vertrieb und dem Design eines Produktes, das dem des Gläubigers zum Verwechseln ähnlich ist, wenn aus dem Gesichtspunkt des ergänzenden Leistungsschutzes vorgegangen werden soll. Die Kenntnis vom Vertrieb eines Produktes genügt nicht, wenn der Verletzungstatbestand erfordert, dass es über die notwendige behördliche Zulassung nicht verfügt. Eine die Dringlichkeitsspanne betreffende Kenntnis hat der Gläubiger in einem solchen Fall erst dann, wenn er auch über die fehlende Zulassung unterrichtet ist. Entsprechendes gilt, wenn sich erst im Laufe der Zeit herausstellt, dass eine schon früher veröffentlichte Werbung inhaltlich unrichtig war.165 So liegt es regelmäßig bei Aktionstagen, die mit festen Fristen als einmalige Veranstaltung angekündigt, aber kurze Zeit später wiederholt werden.166 Ist der Gläubiger im Besitz der in diesem Sinne notwendigen Informationen, kommt es nicht darauf an, ob er richtig subsumiert und vom Bestehen eines Unterlassungsanspruchs gegen den Verletzer überzeugt ist, ihn für möglich oder für unwahrscheinlich hält. Auch wer überhaupt nicht auf den Gedanken kommt, dass ein ihm bekanntes Vorgehen wettbewerbsrechtlich bedenklich sein

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161 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 5.5.1993 – 6 W 23./93, GRUR 1993, 697. 162 OLG Hamburg, Urteil vom 14.5.1987 – 38/87, GRUR 1987, 721, 722; OLG Frankfurt, Beschl. vom 19.1.1989 – 6 U 186/88, GRUR 1989, 375 (L); OLG Frankfurt, Beschl. vom 5.2.1991 – 6 W 183/90, GRUR 1991, 471; OLG Köln, Urt. vom 15.1.1993 – 6 U 88/92 GRUR 1993, 698 (L); ebenso im Schrifttum Berneke Rn. 80; Teplitzky Kap. 54 Rn. 35; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.17; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 319; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 44; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 29; Melullis Rn. 162 (als Strohmann eingeschalteter Verband); nur referierend MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 394. 163 So OLG Frankfurt in den zuvor zitierten Beschlüssen; a.A. OLG Köln – Darlegungslast beim Schuldner – GRUR 1993, 698 (L); OLG Hamburg WRP 1992, 186, 187; OLG Celle Magazindienst 2005, 911, 913. Mit einem aus den Besonderheiten des Streitfalls entwickelten Vermutungstatbestand zulasten des Verbandes arbeitet OLG Hamburg GRUR 1987, 721, 722. 164 Im Schrifttum sehen die Darlegungslast beim Antragsgegner Berneke Rn. 80; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.17; AhrensSchmukle Kap. 45 Rn. 29. 165 OLG Frankfurt GRUR 1984, 365; OLG Hamburg WRP 1986, 107; OLG Köln WRP 1997, 872; Ahrens/ Schmukle Kap. 45 Rn. 37; Melullis Rn. 170. 166 Vgl. die Entscheidungen BGH 7.7.2011 – I ZR 173/09 – 10% Geburtstags-Rabatt; 7.7.2011 – I ZR 181/10 – Frühlings-Special.

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könnte, kann nicht mehr zum Eilverfahren greifen, wenn er lange Zeit später über seine Ansprüche belehrt wird.167 b) Kenntnis von der ersten Verletzungshandlung. Die Frist beginnt mit der 70 Kenntnis von der ersten Verletzungshandlung zu laufen. Wird diese Handlung – was in völlig identischer Form zumindest zeitlich nie möglich ist – in kerngleicher Weise wiederholt, beginnt grundsätzlich keine neue Dringlichkeitsfrist. Wer auf ein Vorgehen gegen eine in der FAZ erschienenen Werbung verzichtet hat, kann nicht viele Monate später losschlagen, wenn sie in der TAZ wortgleich wiederholt wird. Von diesem Grundsatz sind indessen Ausnahmen zu machen, wenn die jüngere Verletzungshandlung den Verletzten empfindlicher trifft als es die ältere getan hat. Wer eine Werbung im Bückeburger Landboten hat passieren lassen, darf später noch zum Eilverfahren greifen, wenn eine im Übrigen wortgleiche Anzeige in der Süddeutschen Zeitung erscheint. Vielleicht durfte bei der ersten Verletzungshandlung der Kleinunternehmer noch Narrenfreiheit genießen, während er Monate später als ernsthafter Konkurrent eine Attacke wert ist.168 Trotz Kerngleichheit führt die gesteigerte Intensität der Verletzungshandlung zu einer neuen Kenntnis mit dem Lauf einer neuen eigenen Dringlichkeitsfrist.169 8. Fristbeginn und Erstbegehungsgefahr. Streitig ist, ob die Frist auch dann erst 71 mit der Kenntnis von der Verletzungshandlung zu laufen beginnt, wenn der Gläubiger im einzelnen über Vorbereitungshandlungen informiert war, die eine Erstbegehungsgefahr begründen. In diesem Zusammenhang sind zwei verschiedene Fragestellungen deutlich auseinanderzuhalten. a) Dringlichkeitsfrist bei Erstbegehungsgefahr. Soweit ersichtlich ist es allgemeine Auffassung,170 dass auch mit der Geltendmachung eines auf Erstbegehungsgefahr gegründeten vorbeugenden Unterlassungsanspruchs nicht zu lange gewartet werden darf, wenn ein Eilverfahren noch betrieben werden soll. Die Dringlichkeitsfristen gelten für diesen Anspruch nicht anders als für einen auf Wiederholungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruch. Angebliche Verfechter einer für das Markenrecht gegenteiligen Auffassung bekämpfen bei Licht betrachtet allein die Rechtsprechung, wonach bereits die bloße Markenanmeldung eine Erstbegehungsgefahr für deren Benutzung entstehen lasse;171 wenn dann ein vorbeugender Unterlassungsanspruch überhaupt nicht besteht, kann selbstredend auch keine Dringlichkeitsfrist beginnen. b) Verletzungshandlung nach Erstbegehungsgefahr. Daran schließt sich die 72 nächste Frage an, ob eine neue Frist zu laufen beginnt, wenn es später zu einer Verletzungshandlung kommt und sich der Unterlassungsanspruch jetzt auf die Vermutung der Wiederholungsgefahr stützen kann. Ihre Beantwortung ist in der Rechtsprechung unter-

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167 OLG Hamm WRP 1981, 473; OLG Hamburg WRP 2007, 675; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 24. 168 Vgl. OLG Koblenz WRP 1995, 651, 652. 169 OLG Frankfurt WRP 1978, 467 und WRP 1984, 618; OLG Koblenz WRP 1973, 484 und 1978, 835; OLG Karlsruhe WRP 1976, 713; OLG Köln GRUR 1977, 220 und WRP 1978, 556; OLG Stuttgart WRP 1976, 54 und 1981, 668; KG WRP 1978, 888; Koch/Vykydal WRP 2005, 688 ff.; Berneke Rn. 81 mit weiteren Beispielen; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 58; Teplitzky Kap. 54 Rn. 37 mit Fn. 220; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.19; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 332; Ahrens/Schmukle Kap. 54 Rn. 58; Melullis Rn. 173. 170 OLG Hamburg WRP 1982, 478; KG NJW-RR 2001, 1201; OLG Stuttgart WRP 1997, 60; Berneke Rn. 69; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 36. 171 Wie Schulz WRP 2000, 258, 259 entgegen der Darstellung bei Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 36 mit Fn.107; vgl. a. Eikelau Markenrecht 2001, 41.

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schiedlich ausgefallen.172 Auch das Schrifttum ist geteilter Meinung.173 Teplitzky174 differenziert zwischen verschiedenen Fallgruppen. Bei Markenanmeldungen und Titelschutzanzeigen realisiere sich die Begehungsgefahr häufig nicht; die spätere Benutzung stelle hier regelmäßig eine andere Art von Intensität dar, was den Neubeginn einer Dringlichkeitsfrist rechtfertige. Bei anderen Fallgestaltungen könne es an dieser Intensivierung fehlen und es daher nicht angebracht sein, die Frist neu beginnen zu lassen. Diese abwägende Betrachtungsweise verdient den Vorzug.175 Die auf Erstbegehungsgefahr bzw. Wiederholungsgefahr gestützten Ansprüche stellen unterschiedliche Streitgegenstände dar.176 Um kerngleiche Verletzungshandlungen geht es also nicht. Die Wiederholungsgefahr kann – solange es nicht durch rechtskräftigen Titel geschehen ist – nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung aus der Welt geschafft werden, die Erstbegehungsgefahr schon durch einfache Verpflichtungserklärung oder einen ernst gemeinten actus contrarius.177 Ob das erkennende Gericht die vom Gläubiger gesammelten Indizien für eine Erstbegehungsgefahr ausreichen lässt oder nur von rechtlich noch unbedeutenden Vorbereitungsschritten spricht, kann schwer zu taxieren sein.178 Dann ist es plausibel, eine spätere Verletzungshandlung abzuwarten. Andererseits kann es sich um einen Gläubiger handeln, der – obgleich schon zweifelsfrei im Besitz eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs – frohgemut in der Deckung abgewartet hat, um den Schuldner bei seinem Marktauftritt umso empfindlicher zu treffen. Sich mit dem Schlaghammer für eine strikte Regel zu entscheiden, wäre daher falsch. Der verständliche Wunsch vieler Verfahrensbeteiligter, feste Rahmenbedingungen vorzufinden, kann nicht immer erfüllt werden. 73

9. Fristbeginn bei einem Marktneuling. Nicht unproblematisch ist die Anwendung der unter Rn. 69 dargestellten Grundsätze auf einen Marktneuling, dem ein früheres Vorgehen gegen die bereits längere Zeit zurückliegende Verletzungshandlung verwehrt war, weil es an einem Wettbewerbsverhältnis fehlte. Ihm kann daher der Verfügungsgrund keinesfalls mit der Begründung abgesprochen werden, er habe in Kenntnis von der Verletzungshandlung mit der Durchsetzung seines Anspruchs gewartet.179 Schultz-Süchting180 ist in der Vorauflage dafür eingetreten, eine Endfrist zu setzen, nach

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172 Verneinend (es beginnt keine neue Frist): OLG Frankfurt, Urteil vom 17.1.2013 – 6 U 88/12 – GRURRR 2014, 82, 83; OLG Hamburg 10.6.1982 – 3 U 49/82 – WRP 1982, 478, 479; GRUR 2008, 100, 101; KG NJWE-RR 1001, 1201, 1202; OLG Stuttgart WRP 2009, 447 (L); bejahend (neue Frist beginnt): OLG Hamburg GRUR-RR 1002, 345; OLG München MittdtschPatAnw 1999, 223, 227; MDR 1992, 251. 173 Für neuen Fristbeginn: Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 315; Berneke Rn. 81; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.19; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 60; Nordemann Wettbewerbsrecht Markenrecht Rn. 1559; Ströbele/ Hacker § 14 Rn. 329. Dagegen: Fezer Markengesetz § 14 Rn. 1078; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 41. 174 Kap. 54 Rn. 37; vgl. ders. FS für Loschelder S. 391, 397 f.; WRP 2005, 654, 661. 175 Reserven gegen eine starre Handhabung auch bei Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 315; SchultzSüchting Vorauflage § 25 Rn. 56 f.; Melullis Rn. 170a. 176 BGH 26.1.2006 – I ZR 129/03 – GRUR 2006, 429 Rn. 22 – Schlank-Kapseln; BGH 13.3.2008 – I ZR 151/05 – GRUR 2008, 912 Rn. 17 – Metrosex. 177 Ständige höchstrichterliche Rechtsprechung: BGH 31.5.2001 – I ZR 106/99 – GRUR 2001, 1174, 1176 – Berühmungsaufgabe; BGH 13.3.2008 – I ZR 151/05 – GRUR 2008, 912 Tz 30 – Metrosex; BGH 15.1.2009 – I ZR 57/07 – GRUR 2009, 841Tz 23 – Cybersky; auch im Schrifttum ganz h.M., vgl. Gloy/Loschelder/ Erdmann/Fritzsche § 79 Rn. 47; Teplitzky Kap. 10 Rn. 21 mit weiteren Nachweisen in Fn. 86; Köhler/ Bornkamm § 8 Rn. 127c; a.A. Köhler GRUR 2011, 879. 178 Vgl. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 56. 179 OLG Hamburg GRUR 1977, 161 und OLGR 2001, 136; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 315; Harte/Henning/ Retzer § 12 Rn. 309; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 35. 180 § 25 Rn. 61.

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deren Ablauf ein gleichbleibendes, nicht völlig verstecktes Wettbewerbsverhalten von niemandem mehr mit einer einstweiligen Verfügung angegriffen werden könne. Er hat dafür eine Frist von 2–3 Jahren vorgeschlagen, weil dann auch die Verwirkungseinrede im Hauptklageprozess schon relevant sein könne. Damit hat er zu Recht kein Gehör gefunden. Nur der Gesetzgeber ist legitimiert, starre vom Einzelfall unabhängige Fristen zu setzen, nach deren Ablauf ein bestimmtes gerichtliches Vorgehen ausgeschlossen sein soll.181 Indessen sind prekäre Fälle denkbar, die eine sorgfältige Abwägung der Interessen der Parteien erfordern. Der Marktneuling muss kein unbedarfter Anfänger sein. Ein Unternehmer kann seinen Geschäftsbereich erweitert und das neue Marktsegment vor seinem Start intensiv beobachtet haben. Dann ist er in der Lage, das Eilverfahren von langer Hand zu planen und – bei rechtlich und tatsächlich komplizierten Fallgestaltungen – über Vorteile zu verfügen, gegen die sich der Antragsgegner im Eilverfahren nicht mit gleicher Klinge wehren kann. Droht Letzterer dann noch einen wichtigen Besitzstand einzubüßen, wird die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfallen und der Gläubiger auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden müssen.182 10. Geduldete Verletzungshandlung eines Dritten. Die Frage, ob die Dringlichkeit 74 verloren gehen kann, weil der Gläubiger eine sehr ähnliche Verletzungshandlung von Dritten hingenommen hat, ohne von ihnen Sanktionen einzuholen, ist weniger umstritten. Die ganz herrschende Meinung183 ist der Ansicht, es komme nur auf das Innenverhältnis der jeweiligen Streitparteien an. Der Gläubiger habe am Markt die freie Auswahl, gegen wen er Front mache. Die Rechtsprechung ist dem meistens gefolgt,184 hat von diesem Grundsatz aber namentlich dann Ausnahmen gemacht, wenn es um mehrere Beteiligte in einer Lieferkette ging und der Gläubiger nun gegen einen Händler zu Felde zog, nachdem er in der Vergangenheit davon abgesehen hatte, den Hersteller oder Alleinimporteur in Anspruch zu nehmen.185 Selbst der Umstand, dass der Hersteller seinen Sitz im Ausland hatte, wurde angesichts der Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht zu Gunsten des Gläubigers gewertet.186 Das OLG Karlsruhe hat ein Vorgehen gegen eine Medikamentenwerbung für nicht mehr dringlich erachtet, weil gleich gelagerte frühere Bewerbungen Dritter jeweils zu Stillhalteabkommen geführt hatten. Es mache einen entscheidenden Unterschied aus, ob es die Kräfte eines Gläubigers übersteige, gegen jedwede Verletzungen vorzugehen, oder ob er mit mehreren Konkurrenten vorübergehend paktiere, um gegen andere einzuschreiten.187

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181 Vgl. die ähnliche Problematik oben Rn. 48. 182 Im Ergebnis (über Rechtsmissbrauch) ebenso Schulte-Franzheim WRP 1999, 70 ff.; Melullis Rn. 169 mit Fn. 3. 183 Fezer/Büscher § 12 Rn. 18; Ahrens//Schmukle Kap. 45 Rn. 32; Berneke Rn. 82; Melullis Rn. 161; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 383; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.19; Hess in: Ullmann, Juris PKUWG § 12 Rn. 110; Schuschke/Walker vor § 935 Rn. 80a; referierend Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 320; a.A. Drescher, MünchkommZPO, § 935 Rn. 19. 184 OLG Düsseldorf GRUR 1989, 120; OLG Frankfurt GRUR 2002, 236, 237; OLG Hamburg GRUR 1991, 635 (L); OLG Report 2000, 13; WRP 2013, 1209 Rn. 16; OLG Hamm GRUR 1991, 480 (L); OLG Stuttgart WRP 1996, 147; vgl. a. LG Ulm, Urt. v. 12.9.2013 – 10 O 75/13 KfH – Magazindienst 2013, 1086, 1091 f.: Dringlichkeitsverlust im Streitfall verneint. 185 OLG Koblenz WRP 1988, 479; OLG München OLG Report 1994, 233; vgl. auch OLG Frankfurt NJWEWettbR 1997, 23; OLG München GRUR-RR 2002, 357, 358 sowie Beschl. vom 8.3.2010 – 29 W 901/10, InstGE Bd. 12, 184, 185 – zitiert nach Teplitzky Kap. 54 Fn. 145. 186 OLG Koblenz WRP 1988, 479. 187 11.4.1991 – 4 U 214/80 – WRP 1991, 670, 671.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Nach Teplitzky188 ist zu unterscheiden, ob der Gläubiger ein Immaterialgüterrecht vorweisen kann oder einen Verstoß gegen das UWG ahnden lassen will. Der Inhaber eines Immaterialgüterrechts könne Dritten ein Benutzungsrecht einräumen; es sei daher sein verbürgtes Recht, selektive Maßnahmen zu treffen. Bei lauterkeitsrechtlichen Verstößen erschließe sich aber nicht, warum der Gläubiger, der gleichartige Handlungen eines anderen geduldig hingenommen habe, gleichwohl auf ein summarisches Verfahren zugreifen dürfe. Richtig sei es, von der grundsätzlichen Beachtlichkeit eines Tolerierungsverhaltens gegenüber Dritten auszugehen, von dem Gläubiger angeführte plausible Gründe für sein differenziertes Verhalten aber zu respektieren. Dem ist zuzugeben, dass das Argument, der Gläubiger habe die freie Entscheidung, wen er sich herausgreife, auf tönernen Füßen steht. Es handelt sich dabei um einen schulmäßigen Zirkelschluss, weil die Frage, ob die bewusst hingenommene Verletzungshandlung Dritter die Dringlichkeit beschädigt, ohne inhaltliche Änderung auch so formuliert werden könnte, ob der Gläubiger die freie Wahl habe, wen er sich zum Angriff aussuche. Es verbietet sich indessen eine schematische Betrachtungsweise. Bei einer großen, unübersehbaren überregionalen Werbeanzeige – deren Kenntnis nach den indiziellen Umständen zu vermuten wäre oder die zu übersehen den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigte – wäre ein dreister Verletzer, sofern bei lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen in dieser Fallgestaltung die Dringlichkeit stets verneint werden müsste, ansonsten nach dem Ablauf einer ersten Dringlichkeitsfrist vor Eilverfahren sicher. Bei einer Marktbereinigung mit partiellen Stillhalteabkommen und einzelnen Feldzügen gegen ausgesuchte Gegner wird schon das Institut des Rechtsmissbrauchs helfen. Hat aber der Gläubiger erstmals einen Adressaten, gegen den er einen Titel auch in Deutschland vollstrecken könnte, so sollte ihm die Dringlichkeit nicht abgesprochen werden, weil ihm das Gefecht gegen einen im Ausland beheimateten Verletzer als zu beschwerlich erschienen ist. 11. Zeitlich gebundene Verstöße. Sonderprobleme werfen Verletzungshandlungen auf, die nicht oder jedenfalls nicht zeitnah wiederholt werden können. 75

a) Zeitablauf während des Verfahrens. Bei zeitlich gebundenen Wettbewerbsverstößen, die nicht mehr wiederholt werden können, besteht keine Dringlichkeit, wenn das maßgebliche Ereignis bei Einreichung des Verfügungsantrags bereits abgelaufen ist 189 oder abgelaufen sein wird, bis die Beschlussverfügung eine Vollstreckung erlaubt.190 Tritt die Beendigung während des laufenden Verfahrens ein, ist streitig, ob der Gläubiger das Verfahren nunmehr für erledigt erklären muss191 oder ob die Prozessökonomie dessen Fortsetzung erlaubt.192 Richtig ist es, bei einem zeitlich befristeten Titel eine Erledigungserklärung zur Hauptsache zu verlangen, weil ein erledigendes Ereignis eingetreten ist: Der ursprünglich zulässige Antrag – seine Begründetheit soll hier unterstellt werden – ist unzulässig geworden, weil der Verfügungsgrund entfallen ist. Dem

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188 WRP 2013, 1414 Rn. 3–9; FS für Loschelder S. 391, 395 ff.; Kap. 54 Rn. 24. 189 OLG Hamm WRP 1981, 224; OLG Koblenz GRUR 1978, 718; OLG Rostock 3.1.1993 – 2 U 29/93 (zitiert von Koch WRP 2002, 191, 195); Berneke Rn. 65; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 13; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 333; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 382 und 457. 190 OLG Hamm 5.2.1985 – 4 W 23/85 – WRP 1985, 435 f. 191 OLG Koblenz GRUR 1985, 326; Ulrich GRUR 1982, 19; Berneke wie zuvor; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 182. 192 OLG Düsseldorf WRP 1974, 94; OLG Hamburg WRP 1978, 909; OLG Karlsruhe WRP 1976, 713; OLG Stuttgart WRP 1982, 604; 1988, 398; 1996, 469; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 14; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 39.

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Gläubiger wird von Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums die Fortsetzung des streitigen Verfahrens dennoch gestattet, weil er sonst den in der Vergangenheit erkämpften Titel mit eventuell noch aktuellen Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung verliere.193 Dieses Argument ist indessen seit der jüngeren Rechtsprechung des BGH194 nicht mehr verkehrsfähig, weil sich die Erklärung, der Rechtsstreit sei erledigt, nicht notwendig rückwirkend auf den Verfahrensbeginn beziehen muss, sondern auf die Zeit seit Eintritt des erledigenden Ereignisses beschränkt werden kann. Die früheren zahlreichen Problemfälle speisten sich überwiegend aus den in §§ 7, 8 76 UWG a.F. enthaltenen Sonderregelungen über Schlussverkäufe. Entsprechende Konstellationen sind indessen auch jetzt nicht völlig ausgeschlossen, wenn es sich etwa um eine besondere Werbeaktion für ein Jubiläum, ein außergewöhnliches Sportereignis oder hohe Festtage handelt. Auch dann ist die Falle meist mit einer professionellen Antragstellung zu vermeiden. Ein sehr abstrakt formulierter Antrag kommt mit der Dringlichkeit regelmäßig nicht ins Gehege; er kann allerdings Gefahr laufen, als unbegründet – weil zu weit gefasst – abgewiesen werden. Der ausschließlich auf die konkrete Verletzungsform bezogene Antrag (Fotokopierantrag) bezieht sich auch auf kerngleiche Verletzungshandlungen, so dass das Verbot der Sonderwerbung an Weihnachten oder anlässlich der Fußballeuropameisterschaft eine entsprechende Werbung an den Ostertagen oder anlässlich der in Kürze bevorstehenden Handballweltmeisterschaft mit einschließt. Dann haben wir es zwar mit zeitlich gebundenen Veranstaltungen, aber mit bald wiederholbaren und damit nicht im Sinne unserer Erörterung zeitlich gebundenen Wettbewerbsverstößen zu tun. Kritisch wird es aber dann, wenn in dem vor der konkreten Verletzungsform wiedergegebenen verbalisierten Vorspann die angegriffene Veranstaltung sehr detailliert beschrieben wird oder sogar Daten genannt werden, die vor Beginn oder doch während des Verfahrens ablaufen.195 b) Zeitferne Möglichkeit einer neuen Verletzungshandlung. Wenn es sich bei 77 der Verletzungshandlung nicht um einen schlechterdings unwiederholbaren Vorgang handelt, eine vergleichbare Veranstaltung aber erst in Jahresfrist zu erwarten ist, soll nach einer verbreiteten Auffassung die Dringlichkeit für ein Eilverfahren nicht bestehen, weil bis dahin mutmaßlich auch in einem Hauptsacheverfahren ein erster Titel erstritten worden sei.196 Das ist schon deshalb nicht sonderlich überzeugend, weil der Titel aus einem Hauptsacheverfahren nach § 709 ZPO nur gegen eine Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist. Zudem sind Prognosen über die eventuelle Dauer des Klageverfahrens eine sehr luftige Angelegenheit; wer will vorhersagen, ob eine Beweisaufnahme notwendig wird und wie zeitraubend sie ausfällt? Die Dringlichkeit sollte daher nur der verneinen, der sich gewiss ist, dass bis zur nächstfolgenden Verletzungshandlung auch bereits ein Berufungsurteil erstritten ist. 12. Verfügungsantrag nach Hauptsacheklage. Dem Gläubiger, der ein Eilverfah- 78 ren betreiben möchte, ist dringend davon abzuraten, vorher Klage zur Hauptsache zu erheben. Unabhängig von der – an dieser Stelle nicht zu diskutierenden – Frage, ob es sich um eine rechtsmissbräuchliche Verdoppelung von Verfahren handelt, läuft er damit

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193 Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 14. 194 23.10.2003 – I ZB 45/02 – BGHZ 156, 335 = GRUR 2004, 264 – Euro-Einführungsrabatt. 195 So der Antrag in OLG Hamm WRP 1985, 435. 196 OLG Hamm WRP 1974, 745; OLG Karlsruhe WRP 1974, 691; KG WRP 1981, 211; OLG Saarbrücken WRP 1979, 76; OLG Stuttgart OLGR 1999, 324; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 333; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 14; Berneke Rn. 66; Melullis Rn. 164; anders OLG Köln GRUR-RR 2002, 309.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

nach der Rechtsprechung Gefahr, dass der Verfügungsgrund verneint wird.197 Der Gläubiger habe durch die Klageerhebung zu erkennen gegeben, dass es ihm nicht besonders eilig sei; er habe in Kauf genommen, längere Zeit bis zur Erlangung eines Titels warten zu müssen. Die Dringlichkeit könne nur bei unerwarteten Wendungen im Klageverfahren wieder aufleben. Überzeugen kann das allerdings nicht.198 Eine zusätzliche Klage verlängert das Verfügungsverfahren auch dann nicht, wenn sie ein paar Tage früher als der Verfügungsantrag eingereicht wird. Es kann sinnvoll sein, mit der Einreichung des Verfügungsantrages noch zuzuwarten, weil die erforderlichen Mittel, um den Anspruch glaubhaft zu machen, noch nicht präsent sind. Der Gläubiger kann auch zuerst geschwankt haben, ob er im Eilverfahren das Risiko des § 945 ZPO auf sich nehmen will. Der Satz, dass die Klagerhebung die fehlende Eilbedürftigkeit indiziere, ist daher eine Fiktion. Anders verhält es sich, wenn der Gläubiger eine erhobene Hauptsacheklage zurückgenommen hat. Ein fallengelassenes Rechtsschutzbegehren bedarf keiner vorläufigen Sicherung.199 79

13. Dringlichkeitsverlust im Verfahren. Die Einräumung einer Aufbrauchsfrist im Verfügungsantrag sollte der Dringlichkeit nur in krassen Ausnahmefällen entgegenstehen. Ist die Bewilligung der Frist angebracht, hält sich der Antrag im Rahmen dessen, was dem Gläubiger überhaupt nur zusteht,200 und ohne die Benennung der Aufbrauchsfrist wäre er teilweise abzuweisen. Das Dringlichkeitserfordernis kann nicht die Stellung partiell unbegründeter Anträge verlangen. Zu diskutieren ist nur über Fälle, in denen die im Antrag genannte Aufbrauchsfrist länger ist als die, welche das Gericht eigentlich für angemessen erachtet. Minimale Unterschiede in der Betrachtungsweise sollten keine Rolle spielen. Stellt indessen der Antrag eine nicht mehr nachvollziehbare Großzügigkeit dar, kann er verdeutlichen, dass der Gläubiger auf das Eilverfahren nicht angewiesen ist.

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14. Verfügungsgrund. Ein bei Einleitung des Verfahrens vorhandener Verfügungsgrund kann in dessen Verlauf verloren gehen. Solange der Gläubiger noch nicht im Besitz eines vollstreckbaren Titels ist, ist er gehalten, auf die Beschleunigung des Verfahrens zu achten. Ist er durch einen Titel gesichert, kann er es ruhiger angehen lassen, ohne aber Narrenfreiheit zu genießen. Vereinbarungen, auf die Vollstreckung aus dem Titel für geraume Zeit zu verzichten, sind nicht ratsam.

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a) Grundproblematik. Das Bestreben, die dem Gläubiger vor Einreichung des Verfügungsantrages zustehende Zeit nicht ausufern zu lassen, hat seinen inneren Grund in der Einsicht, den Schuldner nicht mit einem unfairen Vorteil für den Gegner zu konfrontieren, dessen lange Vorbereitungszeit sich mit den kurzen Einlassungsfristen des Eilverfahrens nicht verträgt. Insofern tritt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Schuldner am Verfahren beteiligt wird, ein Paradigmenwechsel ein. Verfahrensverzögerungen sind für

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197 OLG Celle, OLGR 1996, 237; OLG Hamm 20.12.1984 – 4 U 325/84 – GRUR 1985, 454; OLG Karlsruhe 13.9.2000 – 6 U 78/00 –WRP 2001, 425, 426; Berneke Rn. 83; Fezer/Büscher § 12 Rn. 88; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 384; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.19; Nordemann Wettbewerbsrecht Markenrecht Rn. 1560; vgl. auch Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 326. 198 Dagegen auch Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 136 mit Fn. 356. 199 So zutreffend OLG Brandenburg 14.4.2011 – 6 U 79/10 – WRP 2012, 747, 748. 200 Vgl. GK-UWG/Herrmann D Rn. 35 („teilweises Unterliegen“), aber wohl eher zum Dringlichkeitsverlust tendierend, Rn. 38; Teplitzky Kap. 57 Rn. 18: materiellrechtliche Einschränkung; eingehend Rn. 200.

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den Schuldner jetzt, vor allem, wenn ein Titel noch nicht in der Welt ist, eher von Vorteil.201 Er kann die zusätzlich gewonnene Zeit zu weiteren Verteidigungsanstrengungen nutzen. Indessen verfährt die Rechtsprechung mit einem Gläubiger, der bei der Verfahrensbeschleunigung nicht alle denkbaren Anstrengungen walten lässt, obgleich er noch nicht im Besitz eines Vollstreckungstitels ist, seit langem sehr streng. Wenn er – wie die gängige Formel lautet – zu erkennen gegeben hat, dass es ihm selbst nicht eilig ist, wird ihm der Verfügungsgrund regelmäßig abgesprochen. Das wird sich, wenn denn jetzt der Gedanke des Schuldnerschutzes nicht mehr herangezogen werden kann, mit den Besonderheiten der Rechtsschutzart rechtfertigen lassen. Der Staat stellt kein Eilverfahren zur Verfügung, um die Parteien in die Lage zu versetzen, je nach eigener Einschätzung die verfahrensadäquate Tempoverschärfung einzufordern oder einen gemütlichen Spaziergang vorzuziehen. Der Gläubiger kann, wie Kehl202 es treffend formuliert hat, angesichts der gesetzlichen Grundwertung nicht beides erreichen – eine schnelle Entscheidung und eine Risikominimierung, die dem Damoklesschwert des § 945 ZPO zu entgehen sucht. Die Dringlichkeit geht daher zweifelsfrei verloren, wenn die Parteien einvernehmlich das Ruhen des Verfahrens beantragen.203Das muss auch dann gelten, wenn der Gläubiger über einen Titel verfügt.204 Es steht den Parteien nicht frei, über den Verfügungsgrund als einer von Amts wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzung zu disponieren.205 Dabei hat die Rechtsprechung jedoch Augenmaß zu beweisen und vernünftige Verfahrensanträge nicht mit dem Dringlichkeitsverlust zu bestrafen. Erhebliche Verzögerungen, die auf das Konto der Gerichte gehen, sollten nicht dem Gläubiger angelastet werden mit der Folge, dass er zu umso größerer Beschleunigung verpflichtet ist.206Auch sollte die Ansicht, ein zögerliches vorprozessuales Verhalten sei in aller Regel großzügiger zu behandeln, das verschleppende Verhalten im Prozess dagegen strenger,207 auf Skepsis stoßen. Der Satz, jeder Griff in die Trickkiste offenbare das fehlende Eilbedürfnis,208 ist immer dann falsch, wenn dieser Griff nur deshalb erfolgt, um eine sonst gewisse Niederlage zu vermeiden. b) Risikoreiche Prozesshandlungen. Der Gläubiger, der noch keinen Titel hat, 82 muss nach der Rechtsprechung davon ausgehen, dass folgende Verfahrensschritte für ihn tödlich sind: Antrag auf oder Einverständnis mit Terminsverlegung,209 Vertagungsantrag,210 Stellung eines eine angedrohte Vertagung nach sich ziehenden Hilfsantrages211 oder Säumnis im Termin,212 Antrag auf Schriftsatznachlass,213 haltlose – nicht auch die ver-

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201 Vgl. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 52. 202 FS für Loschelder 139, 147. 203 Allgemeine Meinung: Traub GRUR 1996, 707, 711; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 399; Harte/ Henning/Retzer § 12 Rn. 323; Teplitzky Kap. 54 Rn. 27. 204 A.A. OLG Karlsruhe 23.10.1985 – 6 U 155/85 – WRP 1986, 232, 234; Berneke Rn. 89; wie hier beim Parallelfall einvernehmlicher Anträge auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist OLG Frankfurt 5.7.1990 – 6 U 156/88 – NJW 1991, 49. 205 A.A. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 62. 206 So zutreffend Traub wie Fn. 187. 207 Traub a.a.O. S. 710. 208 Vgl.Traub wie zuvor; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.16. 209 OLG Hamm 28.7.1992 – 4 U 83/92 – GRUR 1992, 864; NJWE-WettbR 1996, 164. 210 OLG Düsseldorf 10.7.1997 – 2 U 9/97 – WRP 1997, 968. 211 OLG Hamm WRP 1997, 968, 970. 212 OLG Hamm wie Fn. 197; OLG Frankfurt 20.3.1995 – 6 U 310/93 – WRP 1995, 502. 213 OLG Hamm 2.6.1992 – 4 U 74/92 – GRUR 1993, 512.

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tretbare, obgleich erfolglose – Ablehnung der Richter wegen Befangenheit,214 unsinniger Berichtigungsantrag,215 Terminverlegungsantrag plus Einreichung einer Beschwerdebegründung nach Ablauf der Beschwerdefrist mit einer Gesamtverzögerung von acht Wochen,216Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist..217 Auch der Gläubiger, der im Besitz eines Titels ist, muss aufpassen: Brandgefährlich ist es, bei einer Schubladenverfügung die Vollziehungsfrist auszuschöpfen,218 eine üppige Aufbrauchfrist zu bewilligen219 oder mit einem Vollstreckungsverzicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Eilverfahrens220 einverstanden zu sein. 83

c) Kritik. Diese Rechtsprechung verdient teilweise Kritik. Sie spricht dem Gläubiger den Verfügungsgrund ab, weil er selbst zu erkennen gegeben habe, dass es ihm nicht eilig sei. Ihm wird also angelastet, um die Erlangung eines Titels nicht so beschleunigt bemüht gewesen zu sein, wie es möglich gewesen wäre, oder aber die Vollstreckung auf die zu lange Bank geschoben zu haben. Es verhält sich hier demnach anders als bei dem Begriff der Dringlichkeit, der mit dem anderen Begriff des Verfügungsgrundes synonym verwandt wird und Interessenabwägungen einschließt, die mit dem reinen Zeitbudget nichts zu tun haben. Die nachfolgende distanzierende Betrachtung einiger gerichtlicher Erkenntnisse untersucht nur, ob die Nachteile für den Gläubiger mit dem Denkmuster der Zeitverzögerung zutreffend erfasst sind. Die Verneinung dieser Frage schließt es nicht immer aus, mit anderen Überlegungen zu einem ähnlichen Endergebnis zu gelangen. 83 Es ist nicht gerechtfertigt, jedweden Antrag des Gläubigers, einen Termin ein wenig nach hinten zu verlegen, mit dem Verlust der Dringlichkeit zu ahnden. Bei kurzfristigen Terminierungen kann es Kollisionen mit anderen Verpflichtungen des Anwalts oder der Partei selbst geben, und das Entsenden von Vertretern kann wenig hilfreich sein, wenn der Gegner im Termin Überraschungen bereithält. Die Gepflogenheit erfahrener Anwälte, auf die Terminsladung mit dem Hinweis zu antworten, dass sie leider verhindert seien und der Termin deshalb vorverlegt werden möge in der oft berechtigten Hoffnung, das Gericht werde angesichts der eine Vorverlegung ausschließenden Belastung den Termin nach hinten verschieben, zeigt das Dilemma deutlich auf. Wenn zwischen der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils und seiner Zustellung an die Parteien 40 Tage vergangen sind und nach Eingang der Berufungsbegründung der Termin zur Berufungsverhandlung drei Monate später und mitten in der Urlaubszeit (21. Juli) angesetzt wird, klingt die richterliche Äußerung, der Gläubiger habe selbst zu erkennen gegeben, dass es ihm mit der Erbringung eines Titels nicht eilig sei, weil sein Anwalt gebeten habe, angesichts der eigener Verhinderung den Termin entweder auf ein früheres oder aber späteres Datum zu verlegen, fast zynisch.221

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214 OLG München WRP 2007, 349, 350; OLG Naumburg GRUR-RR 2012, 34, 35; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 323; Teplitzky Kap. 54 Rn. 27 mit Fn. 190. 215 OLG Hamm NJWE-WettbR 1996, 164. 216 OLG Frankfurt, Urteil vom 28.5.20130 – 11 W 13/13 – GRUR-RR 2013, 496 (LS) = Beck RS 2013, 10983 (Volltext). 217 KG MDR 2009, 888, eingehender dazu nachf. unter 8. 218 OLG Düsseldorf 11.3.1999 – 2 U 165/98 – WRP 1999, 865. 219 OLG Düsseldorf Anwaltsblatt 1991, 46; vgl. auch Berneke Rn. 87; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 323. 220 OLG Köln 29.1.2010 – 6 U 177/09 – GRUR-RR 2010, 448, 449 f.; OLG Frankfurt Beck RS 2010, 16885; mit anderem Ergebnis OLG Karlsruhe 23.10.1985 – 6 U 155/85 -WRP 1986, 232, 234 bei einem gerichlichen Zwischenvergleich; ausf. Kehl FS für Loschelder S. 139, 147 f.; Teplitzky Kap. 54 Rn. 27. 221 So die Konstellation bei OLG Hamm GRUR 1992, 864, wo freilich danach um nochmalige Terminsverlegung wegen Verhinderung des Geschäftsführers gebeten wurde.

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d) Säumnis im Termin. Wer einen angesetzten Termin unentschuldigt verpasst, 84 wird sich nicht wundern dürfen, wenn sein Einspruch gegen das daraufhin ergangene Versäumnisurteil mit der Begründung zurückgewiesen wird, der Verfügungsgrund sei entfallen. Dem, der nach einem richterlichen Hinweis bewusst nicht auftritt, um ein abweisendes Urteil fürs Erste zu vermeiden, wird man noch sagen können, er habe das erstinstanzliche Verfahren verzögert und damit auch einen eventuellen Erfolg im Berufungsverfahren. Der Anwalt aber, dem nach erfolgreicher erster Instanz im Berufungsverfahren vom Gericht bedeutet wird, dass der Antrag mangels Aktivlegitimation vor der Abweisung stehe, und der deshalb nicht auftritt, muss sich verhöhnt vorkommen, wenn er in dem Berufungsurteil, mit dem sein Einspruch gegen das Versäumnisurteil zurückgewiesen wird, zu lesen bekommt, er habe selbst zu erkennen gegeben, dass es ihm nicht eilig gewesen sei.222 Sofern in einer derartigen Verfahrenssituation Verspätungsvorschriften nicht greifen sollten, ist das Verfahren eben fortzusetzen. e) Antrag auf Schriftsatznachlass. Nicht anders verhält es sich, wenn der Schuld- 85 ner im zweitinstanzlichen Termin neue Tatsachen vorbringt, die den Verfügungsanspruch, falls sie zutreffen, zu Fall bringen, und dem Gläubiger eine sofortige Antwort nicht möglich ist.223 Der in dieser Situation gestellte Antrag des Gläubigers, ihm einen Schriftsatznachlass zu gewähren, macht wiederum nicht deutlich, dass es ihm nicht eilig ist, den Titel zu erstreiten, sondern lässt im Gegenteil nur erkennen, dass er eine sofortige Niederlage vermeiden möchte. f) Ausschöpfung der Vollziehungsfrist bei Schubladenverfügung. Eine in den 86 letzten Jahren im Schrifttum vorgedrungene Auffassung lässt den Gläubiger, der, ohne den Schuldner abgemahnt zu haben, im Besitz einer Schubladenverfügung ist, den Verfügungsgrund verlieren, wenn er die einmonatige Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO ausschöpft, ohne den Schuldner abzumahnen – dies solle unverzüglich, spätestens nach zehn Tagen geschehen224 – oder ihm die Beschlussverfügung im Parteibetrieb zuzustellen.225 Der Begründungsansatz bei den Verfechtern dieser Meinung ist unterschiedlich. Teils wird das Schwergewicht auf die Obliegenheit zur unverzüglichen Abmahnung gelegt226 und damit der Sache nach verlangt, dass der Schuldner von der erstrittenen Beschlussverfügung alsbald unterrichtet wird; das kann durch die Zustellung dieser Verfügung geschehen. Teils wird der nachträglichen Abmahnung wegen ihrer bloß monetären Motivation – Vermeidung des § 93 ZPO – die Bedeutung abgesprochen, aber eine baldige Vollziehung ohne Ausschöpfung der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO verlangt,227 oder es wird von dem Gläubiger erwartet, den Schuldner sowohl schleunigst abzumahnen als auch sofort danach ihm die Verfügung zuzustellen.228 Das ist alles nicht überzeugend. Warum jetzt ohne unverzügliche Abmahnung der Verfügungsgrund verloren gehen soll, leuchtet nicht ein. Der Gläubiger, der die bei dem angerufenen Gericht praktizierte Regelfrist ohne Abmahnung des Schuldners ausnutzt, hätte danach die Dringlichkeitsvermutung weiter für sich; er hätte den Verfügungsgrund aber eingebüßt, wenn er sich eine

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222 OLG Frankfurt WRP 1995, 502. 223 Fallkonstellation bei OLG Hamm GRUR 1993, 512. 224 Günther WRP 2006, 407, 409. 225 Günther wie zuvor; Ahrens WRP 1999, 1, 4; Teplitzky Kap. 54 Rn. 24a mit Fn. 153; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.16a; Spätgens FS für Loschelder S. 355, 363; Rehart WRP 2011, 1041; a.A. Weisert WRP 2007, 504, 506 f.; Nordemann Wettbewerbsrecht Markenrecht Rn. 1560 (S. 804). 226 Günther wie zuvor. 227 So Rehart a.a.O. S. 1043. 228 So Spätgens a.a.O.

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Woche nach Kenntnis von der Verletzungshandlung eine Schubladenverfügung besorgt und nicht einige Tage später die Abmahnung folgen lässt. Wer hingegen die rasche Vollziehung verlangt, schafft praeter legem für die Fallgruppe der Schubladenverfügungen eine von § 929 Abs. 2 ZPO abweichende Sonderfrist. Das lässt sich nicht mit der Erwägung rechtfertigen,229 die Frage der Dringlichkeit habe mit der Vollziehungsfrist genauso wenig zu tun wie mit den Rechtsmittelfristen. Anders als diese ist die Vollziehungsfrist speziell für das Eilverfahren statuiert und legt fest, wie viel Zeit sich der Gläubiger, der in den Besitz einer Beschlussverfügung gelangt ist, bis zu deren Vollziehung lassen kann. Die Rechtsprechung ist den geschilderten Vorschlägen des Schrifttums denn auch 87 bislang nicht gefolgt.230 Das von ihm gewissermaßen als Kronzeuge aufgerufene Urteil des OLG Düsseldorf231 betraf einen Sonderfall, der zu Unrecht verallgemeinert wird. Dort hatte ein Telefonanbieter in der Werbung angekündigt, an einem bestimmten Sonntag könne bei ihm kostenlos telefoniert werden. Der Konkurrent erhielt drei Tage vorher die beantragte Beschlussverfügung, stellte sie jedoch dem Gegner erst zehn Tage nach der Aktion zu. Das OLG ging davon aus, dass der Antragsgegner eine entsprechende Offerte wegen der großen Kostenintensität erst nach vielen Monaten werde wiederholen können, und erinnerte an den Rechtssatz, dass bei zeitgebundenen Wettbewerbshandlungen die Dringlichkeit für ein Eilverfahren nicht bestehe, wenn bis zum Wiederholungszeitpunkt ein Hauptsacheverfahren in erster Instanz mutmaßlich beendet wäre. Wer vor der ersten Verletzungshandlung eine Verfügung besitze, aber keinen Versuch unternehme, die Handlung zu unterbinden, verliere infolgedessen die Dringlichkeit und müsse auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Aus dieser Entscheidung lässt sich keine generelle Obliegenheit ableiten, als Inhaber einer Schubladenverfügung den Schuldner unverzüglich abzumahnen (noch ist die Kritik berechtigt,232 es laufe der Wertung des Gesetzgebers in § 929 Abs. 2 ZPO diametral zuwider, wenn eine Vollziehung innerhalb einer Frist von zwei Wochen als nicht mehr rechtzeitig erachtet werde). Wäre es daher nicht richtig, dem Inhaber einer Schubladenverfügung eine generel88 le Obliegenheit zur unverzüglichen Abmahnung oder Vollziehung aufzugeben, so ist die andere Frage, ob der Gläubiger die jeweils von einem Gericht angewandte Regelfrist für die Einreichung des Antrags nach Kenntniserlangung von der Verletzungshandlung und die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO schlechthin addieren darf. Das allerdings sollte verneint werden, wenn sonst asymmetrische Vorbereitungszeiten für die Parteien auf die Verhandlung im Eilverfahren entstehen. 89

g) Ausnutzung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist. Die obergerichtliche Rechtsprechung sieht die Dringlichkeit im Allgemeinen nicht als gefährdet an, wenn der in der ersten Instanz unterlegene Gläubiger die gesetzlichen Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung bis zum letzten Tag ausnutzt.233 Das versteht sich

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229 Teplitzky Rn. 24A, Fn. 153; Rehart WRP 2011, 1041, 1043. 230 Ausdrücklich ablehnend KG WRP 2010, 129, 136. 231 11.3.1999 – 2 U 165/98 – WRP 1999, 865. 232 Nordemann wie Fn. 209. 233 OLG Bremen, GRUR-RR 2011, 466; OLG Düsseldorf – 20. ZS – GRUR-RR 2003, 31; OLG Frankfurt GRUR 2002, 236; OLG Hamburg Magazindienst 2002, 500, 503; GRUR-RR 2004, 198, 199; OLG Hamm WRP 1985, 98, 100; OLG Karlsruhe WRP 1979, 811, 812; KG Magazindienst 2005, 140; OLG Koblenz WRP 1978, 835, 837; OLG Köln NJWE-WettbR 1997, 176, 177; WRP 2003, 541; OLG Stuttgart WRP 1982, 604, 605; OLG München 9.8.1990 – 6 U 3296/90 – GRUR 1992, 328 unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren Rechtsprechung; für ausnahmslos volle Fristenausschöpfung auch Traub GRUR 1990, 707, 711; Fezer/ Büscher § 12 Rn. 84; Berneke Rn. 88; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 400; Ahrens/Schmukle Kap. 45

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allerdings nicht von selbst; denn es wird mit Recht betont, dass diese für alle Berufungsverfahren geltenden Bestimmungen mit der besonderen Dringlichkeit in einem Eilverfahren nichts zu tun haben.234 Wenn Sie dennoch mit der Dringlichkeitsfrist parallel behandelt werden, so allein aus pragmatischen Gründen.235 Um dem Gläubiger irgendeine Kalkulationsgrundlage an die Hand zu geben, müssten die einzelnen Berufungsgerichte wie vor der Einreichung des Verfügungsantrags Regelfristen entwickeln; angesichts der Erfahrungen mit den Regelfristen der ersten Generation eine Schreckensvorstellung. Stattdessen kann die starre Bindung an die Rechtsmittelfristen hingenommen werden. Anders als bei der Bemessung der Zeitspannen, die dem Gläubiger vor Einleitung des Verfahrens zugebilligt werden und ihm, je länger sie ausfallen, einen einseitigen Vorteil in der Vorbereitung des Verfahrens verschaffen können, kann jetzt auch der Antragsgegner die Zwischenzeit nutzen, um die eigene Waffenkammer zu bestücken. Es trifft daher nicht zu, dass die in der Rechtsprechung obsiegenden Praktikabilitätsgedanken zu einem Gerechtigkeitsverstoß führen und dem ohnehin bevorteilten Antragsteller weitere zwei Monate „geschenkt“ werden.236 Auf einem anderen Blatt steht, dass ein Richter den Verfügungsbeklagten nicht fair behandelt, der den Gläubiger die Rechtsmittelfristen hat ausnutzen lassen, alsdann aber schneidig terminiert, weil es sich doch um ein eiliges Verfahren handele. Ein vorsichtiger Gläubiger wird in einfach gelagerten Fällen zur Risikominimierung aber nicht bis zum letzten Tag mit der Begründung der Berufung warten wollen: Es könnte sich jedenfalls dann negativ auswirken, wenn andere kleine verzögernde Verfahrensschritte später hinzukommen.237 h) Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Dagegen läuft bei vielen Beru- 90 fungsgerichten ins offene Messer, wer einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stellt mit der Erklärung, der die Sache bearbeitende Anwalt sei überlastet oder die Partei habe sich um die Beschaffung ergänzender Informationen bislang nicht kümmern können.238 Anders liegt es natürlich, wenn der Schriftsatz aufgrund unvorhersehbarer Umstände (Erkrankung etc.) nicht rechtzeitig hat fertiggestellt werden können.239 Teilweise findet sich die missverständliche Formulierung, ein Verlängerungsantrag schade nicht, wenn die verlängerte Frist nicht voll ausgeschöpft werde.240 Offensichtlich kann es aber nicht richtig sein, eine um drei Wochen verlängerte und bis zum letzten Tag ausgenutzte Frist für schädlich und – bei sonst gleich gelagerten Sachverhalten – eine nach drei Wochen vorgelegte Begründung für unschädlich zu halten, weil die Frist antragsgemäß um einen Monat verlängert worden war. Es kann allein darauf ankommen, ob nach der Ansicht des Gerichts die Berufungsbegründung so rechtzeitig ein-

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Rn. 51; a.A. OLG Düsseldorf – 2. ZS – NJWE-WettbR 1997, 27; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 52; Teplitzky Kap. 54 Rn. 27; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.16; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 328. 234 Teplitzky, Köhler, Retzer wie zuvor. 235 Traub GRUR 1990, 707, 711. 236 So aber Teplitzky WRP 2013, 1414, 1417 Rn. 10–18; FS für Bornkamm, S. 1073, 1080 f. 237 Vgl. OLG Hamm GRUR 1993, 512. 238 OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 31; OLG München GRUR 1992, 328; OLG Nürnberg GRUR 1987, 727; KG MDR 2009, 888; anders OLG Hamburg WRP 1996, 27; GRUR-RR 2004, 198; 20.9.2012 – 3 U 53/11 – Magazindienst 2013, 3237 unter d). 239 OLG Karlsruhe 9.6.2005 – 4 U 164/04 – WRP 2005, 1188, 1189 (Erkrankung); OLG Bremen 2.9.2011 – 2U 58/11 – GRUR-RR 2011, 466 (Einschaltung eines Patentanwalts wegen erstinstanzlicher Urteilsbegründung). 240 OLG Karlsruhe wie zuvor.

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gereicht worden ist, dass ein fehlendes Eilbedürfnis daraus nicht abgeleitet werden kann. In der Praxis ist es nicht unüblich,241 entsprechend der Empfehlung von Schlingloff242 91 dem Berufungsführer bei Eintreffen eines schädlichen Verlängerungsantrags einen warnenden Hinweis zu erteilen, falls die Berufungsbegründungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Gerechtfertigt ist das nur dann, wenn nicht bereits in der Stellung des Antrags, sondern erst in der späteren Versäumung der gesetzlichen Begründungsfrist die konkludente Erklärung gesehen wird, es nicht so eilig zu haben, und darüber hinaus Grund zu der Annahme besteht, bei dem aus Kanzleiroutine gestellten Verlängerungsantrag sei übersehen worden, dass es sich um ein noch titelloses Eilverfahren handele. Sonst würde der Richter einseitig zu Gunsten einer Partei in das Verfahren eingreifen. 92

i) Anschlussberufung des Gläubigers. Wer als Gläubiger eine partielle erstinstanzliche Niederlage zunächst hinnimmt und erst nach dem Rechtsmittel der Gegenseite zur Anschlussberufung greift, widerlegt nach der Rechtsprechung des OLG Frankfurt die Dringlichkeitsvermutung selbst.243 Das sollte keine Schule machen. Es berührt die Waffengleichheit im Verfahren diesmal von der anderen Seite, nämlich zulasten des Gläubigers. Der Schuldner, der mit dem erstinstanzlich Erreichten glaubt auskommen zu können, verfügt über die Möglichkeit der Anschlussberufung, der Gläubiger nicht. Auch prozessökonomisch ist es unglücklich, wenn ihm die selbständige Berufung eine Obliegenheit in allen Fällen sein muss, in denen er nicht selbst dem Rechtsmittel jede Erfolgsaussicht abspricht. Auf diese Weise die anfängliche Kompromissbereitschaft des Gläubigers zu bestrafen ist umso weniger geboten, als eine scharfe Anwendung des Dringlichkeitsgedankens zum Schutze des Schuldners in der gegebenen Verfahrenssituation anders als zu Zeiten der einseitigen Aufrüstung des Gläubigers vor Einleitung des Verfahrens nicht mehr notwendig ist.

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j) Hilfsantrag. Eine differenzierende Antwort ist auf die Frage zu geben, ob ein Hilfsantrag eo ipso verrät, dass dem Gläubiger das mit ihm verfolgte Petitum nicht dringlich ist. Das ist zu Recht in einem Fall bejaht worden, in welchem der Gläubiger das Erscheinen einer Zeitschrift unter zwei verschiedenen Aspekten verhindert haben wollte. Der Hauptantrag hatte auf bestimmte Merkmale abgestellt, die zugaberechtlich bedenklich schienen. Mit dem erst während des erstinstanzlichen Verfahrens gestellten Hilfsantrag wurde eine unzureichende Trennung der Werbung vom redaktionellen Inhalt bemängelt. Die Anträge waren abstrakt formuliert; sie richteten sich nicht mit getrennter Begründung gegen das Erscheinen eines bereits konkret konzipierten Heftes, und betrafen daher verschiedene Streitgegenstände. Der Hauptantrag hatte seine Dringlichkeit verloren, weil er nach einem ausdrücklichen Hinweis des Gerichts eine Vertagung erforderlich machte, der Gläubiger aber auf den Hilfsantrag gleichwohl nicht verzichten wollte. Dem Hilfsantrag wurde die Dringlichkeit vor allem deshalb abgesprochen, weil der Gläubiger hauptsächlich mit einem anderen Begehren, nämlich dem Hauptantrag, habe durchdringen wollen und schon damit zu erkennen gegeben habe, dass es ihm mit dem Hilfsantrag nicht eilig sei.244 Die Entscheidung war richtig, weil die abstrakt gehaltenen Anträge verschiedene Anliegen verfolgten und sich auch partiell nicht überschnitten; sie

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241 Vgl. den (erfolglosen) Hinweis bei OLG Nürnberg wie Fn. 216. 242 MünchkommUWG § 12 Rn. 401. 243 17.1.2012 – 6 U159/11 – GRURPrax 2012, 197 (L). 244 OLG Düsseldorf 10.7.1997 – 2 U 9/97 – WRP 1997, 968, 970, 972 unter 3; dagegen Ekey/Klippel/ Kotthoff/Meckel/Plaß § 12 Rn. 131; reserviert auch Teplitzky Kap. 54 Rn. 27 bei Fn. 185.

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hätten kumulativ geltend gemacht werden müssen, um dem Dringlichkeitsgebot gerecht zu werden. Anders werden die Fälle zu entscheiden sein, in denen der Gläubiger darauf abzielt, 94 eine konkret eingeblendete Werbemaßnahme, ein Kennzeichen oder ein bestimmtes Produkt aus dem Markt zu nehmen. Der identisch formulierte Unterlassungsantrag kann oft auf mehrere Anspruchsgrundlagen gestützt werden, die unterschiedliche Streitgegenstände abgeben – Urheberrecht, Geschmacksmusterrecht, Markenrecht, Lauterkeitsrecht. Sie können nach den TÜV-Entscheidungen des BGH245 dem Gericht nicht mehr alternativ angeboten werden. Die Ansprüche kumulativ geltend zu machen, macht im Eilverfahren in aller Regel keinen Sinn. Auf Unterschiede in der jeweiligen Schadensberechnung kommt es bei den allein in Rede stehenden Unterlassungsansprüchen nicht an. Soweit bei den verschiedenen Anspruchsgrundlagen unterschiedliche Veränderungen aus dem jeweiligen Schutzbereich heraus führen, ist auch das oft nicht von ausschlaggebender Bedeutung: Es geht im Eilverfahren allein darum, die momentane Konfiguration zu bekämpfen. Es ist also das Gebot der Stunde, Haupt- und Hilfsanträge zu stellen. Angesichts des identischen Petitums sollten die Hilfsanträge nicht als unzulässig mit der Begründung abgewiesen werden, ihre mangelnde Eilbedürftigkeit gehe aus ihrem Charakter als bloßer Hilfsantrag hervor. Als Anträge mit alternativen Streitgegenständen noch für hinreichend bestimmt erachtet wurden, ist niemand auf den Gedanken gekommen, einen entsprechenden Verfügungsantrag als unzulässig abzuweisen, weil der Antragsteller bei jeder einzelnen Anspruchsgrundlage zu erkennen gegeben habe, so eilig sei es nicht: Er habe ja dem Gericht die freie Auswahl überlassen. Es wäre merkwürdig, wenn eine Änderung der Rechtsprechung zur Bestimmtheit von Verfahrensanträgen, die mit dem Eilverfahren nichts zu tun hatte, dort zu neuen Erkenntnissen in der Dringlichkeitsfrage führen würde. k) Getrennte Angriffe gegen verschiedene Aussagen in einer konkreten Verlet- 95 zungshandlung. Das gilt mit umgekehrtem Vorzeichen für die Fallgestaltungen, in denen im Lauterkeitsrecht nach Änderungen in der Rechtsprechung zum Streitgegenstand verschiedene Angriffe gegen unterschiedliche Textpassagen in einer Werbeschrift nur noch einen Streitgegenstand betreffen.246 Greift ein Antrag eine bestimmte Preisangabe in einer Werbebroschüre als irreführend in der Weise an, dass dieser Umstand im Antrag selbst umschrieben wird und nicht nur eine empfohlene Begründung für einen Fotokopiererantrag darstellt,247 so wäre ein später gestellter weiterer Antrag, mit dem eine andere Angabe in derselben Broschüre, die einen unrichtigen Vergleich mit den Konkurrenten enthält, gesondert auf die Dringlichkeit zu prüfen.248 Nicht entscheidend ist, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung jetzt davon ausgeht, dass insoweit nur ein einziger Streitgegenstand gegeben ist. Die Angriffe richten sich jeweils gegen verschiedene Bestandteile, die isoliert attackiert werden können. Wer einzelne dieser Aussagen, und sei es auch zeitgleich mit dem Hauptantrag, nur mit Hilfsanträgen angreift, macht deut-

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245 Beschl. v. 24.3.2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 6 ff. – TÜV I; Urt. v. 17.8.2011 – I ZR 108/09 WRP 2011, 1454 Rn. 30 – TÜV II. 246 Urt. vom 30.6.2011 – I ZR/10 GRUR 2012, 184 – Branchenbuch Berg mit Anm. Heil; Urt. vom 13.9.2012 – I ZR 230/11 – WRP 2013, 472 – Biomineralwasser mit Anm. von Teplitzky GRUR 2013, 408. Vgl. auch Teplitzky WRP 2012, 261; Ahrens WRP 2013, 129; Stieper WRP 2013, 561. 247 Dann kann das Gericht sich unter den verschiedenen Begründungen eine herausgreifen: OLG Hamburg, Urt. vom 3.5.2012 – 3 U 155/10. 248 Nach der in WRP 2013, 135 dargestellten Auffassung des Verfassers hätte es sich bei dem ersten Antrag um eine Teilklage respektive im Eilverfahren um einen Teilantrag gehandelt.

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lich, dass er mit ihnen noch eine Zeit lang leben kann und insoweit auf ein Eilverfahren nicht angewiesen ist. Davon strikt zu unterscheiden ist die Situation, in der sich der Antrag gegen eine konkrete Textpassage richtet und mit im Laufe des Verfahrens ergänztem Sachvortrag dargelegt wird, dass das Verbot nicht nur auf den schon in der Antragsschrift herangezogenen rechtlichen Gesichtspunkt, sondern auf eine weitere Verletzungsnorm gestützt werden könne. Dann steht nicht die Dringlichkeitsproblematik in Rede,249 sondern die ganz andere Frage, ob das nachgeschobene Vorbringen irgendwelchen Präklusionsregeln unterliegt. 96

15. Forum Shopping. Der Verfügungsgrund kann dem Gläubiger fehlen, auch wenn ihm kein Tempoverlust anzukreiden ist. Es ist immer dann der Fall, wenn die Interessenabwägung ergibt, dass es nicht richtig wäre, dem Gläubiger die Verfolgung seiner Ziele in einem Eilverfahren zu gestatten. Das derzeit brisanteste Problem betrifft die Frage, ob ein Gläubiger, der zwischen mehreren Gerichtsständen wählen kann, berechtigt ist, ein Eilverfahren nacheinander bei mehreren Gerichten anzustrengen, bis er schließlich einen Richter gefunden hat, der seinem Antrag wohl gesonnen ist. Nach einem plastischen, erstmals von Spätgens250 benutzten Bild mag man die erste freie Auswahlentscheidung forum shopping, den mehrmaligen Versuch bei verschiedenen Standorten forum hopping nennen.

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a) Problemlage. Bei einer Hauptsacheklage ist es allgemeine Meinung, dass die einmal getroffene Wahl mit der Zustellung der Klage an den Beklagten für das begonnene Verfahren verbindlich ist – ein Verweisungsantrag von dem angerufenen zuständigen Gericht zu einem anderen (ursprünglich) zuständigen Gericht ist nicht möglich. Es besteht aber auch Einigkeit darüber, dass mit einer Klagerücknahme die ursprüngliche Wahlfreiheit wieder auflebt mit der Folge, dass der Kläger es nun an einem anderen Standort versuchen darf.251 Bei Übertragung dieser Grundsätze auf das Eilverfahren hätte der Gläubiger bei einem zweiten und dritten Versuch wieder die freie Wahl. Das kann im Eilverfahren zu deutlich unerfreulicheren Konsequenzen als bei den Klagen führen. Substanzielle richterliche Hinweise ergehen in den Hauptsacheverfahren in aller Regel erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klage nicht mehr ohne Zustimmung des Gegners zurückgenommen werden kann oder eine auf die Rücknahme sich anschließende erneute Klage an einem anderen Gerichtsstandort wegen der inzwischen abgelaufenen kurzen lauterkeitsrechtlichen Verjährungsfrist nicht mehr attraktiv ist. Im Verfügungsverfahren sieht das anders aus.252 Hier wird der Antragsteller oft auf etwaige Bedenken gegen den Erfolg seines Antrags sehr zeitnah hingewiesen. Ihm erscheint es dann reizvoll, die schnelle, von der Zustimmung des Gegners nicht abhängige Antragsrücknahme mit dem sofortigen Gang zu einem anderen Gericht zu verbinden. Den Antragstellern, die so ver-

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249 Anders OLG Hamburg – 13.9.2012 – 3 U 107/11– Magazindienst 2013, 39, 43 f.; aus den in WRP 2013, 127 allein abgedruckten Leitsätzen erschließt sich der Sachverhalt nicht. Zutreffende Kritik an dieser Entscheidung von Krüger WRP 2013, 140, 142 f. 250 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 88 i.V.m. Fn. 166. 251 MünchkommZPO/Patzina § 35 Rn. 3; Stein/Jonas/Roth § 35 Rn. 6, 7; Zöller/Vollkommer § 35 Rn. 3; Musielak/Heinrich § 35 Rn. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege § 35 Rn. 3 252 Die von Schmidhuber/Haberer WRP 2013, 436, 440 Tz 24 gestellte Frage, ob etwas missbräuchlich sein könne, was im Klageverfahren als unbedenklich gelte, ist damit beantwortet. Vgl. zu diesem Beitrag die zutreffende Erwiderung von Teplitzky WRP 2013, 839.

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fahren, bläst seit einiger Zeit indessen der Wind verstärkt ins Gesicht,253 und zwar mit Recht. b) Bewertung. Der Versuch, dem Gläubiger die geschilderten Optionen zu nehmen, 98 ist anfänglich mit dem – auch hier wieder unglücklichen – Satz begründet worden, er habe durch die Rücknahme des ersten Verfügungsantrages selbst zu erkennen gegeben, dass es ihm nicht eilig sei.254 Diese Erklärung ist immer dann wenig hilfreich, wenn das Vorgehen des Gläubigers dadurch bestimmt ist, dass er einer vom Gericht angekündigten und kurz bevorstehenden Niederlage entgehen möchte. Nur mit dieser Niederlage ist es ihm nicht eilig, den angestrebten Titel so schnell wie möglich zu erstreiten ist ihm ein Anliegen. Daher ist mit Teplitzky255 zu betonen, dass das tief sitzende Unbehagen, dem Gläubiger die geschilderte Taktik zu gestatten, auf der unfairen Kartenverteilung an die beiden Kontrahenten beruht. Der jedenfalls bei Verfahrensbeginn ohnehin bevorteilte Gläubiger hätte dann nicht nur die Wahl des Gerichtsortes, sondern darüber hinaus bis zum Ende der Regelfrist einen sich wiederholenden Griff in die Lotterietrommel, ob er nicht doch das Gewinnlos zieht. Deshalb ist dem Gläubiger der Verfügungsgrund abzusprechen, wenn er nach einem Hinweis des zunächst angerufenen Gerichts oder einer Antragsabweisung – nur dann! – den Antrag zurücknimmt und woanders den nächsten Test startet. Weniger bedeutsam ist, ob dieses Ergebnis unter dem Etikett des besonderen Rechtsschutzinteresses256 oder des Rechtsmissbrauchs257 verbucht wird – ein bei Letzterem zu forderndes subjektives Element kann angesichts des intensiven Diskussionstandes zum forum shopping nicht zu verneinen sein. Betrachtet man mit einigen obiter dicta aus der Biomineralwasserentscheidung des BGH258 den nicht weiter differenzierten Angriff gegen die konkrete Verletzungshandlung einerseits und andererseits Anträge, die Einzelformen aus derselben Verletzungshandlung verbalisieren, als unterschiedliche Streitgegenstände, wird die Argumentation gegen ein forum shopping allerdings deutlich erschwert.259 Den Argumenten gegen ein forum shopping lässt sich nicht entgegenhalten, dass 99 auch der Gläubiger ein Anspruch auf ein faires Verfahren habe und die auf richterlichen Hinweis vorgenommene Rücknahme des Erstantrags mit einem Neustart bei einem ande-

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253 Gegen die Zulässigkeit eines Zweitantrags: OLG Frankfurt WRP 2001, 716; GRUR 2005, 972; WRP 2014, 479 (kein Verfügungsgrund bei noch nicht rechtskräftiger Abweisung eines kerngleichen Antrags bei einem anderen Gericht, was allerdings besser mit Unzulässigkeit wegen anderweitiger Rechtshängigkeit begründet worden wäre); OLG München 27.12.2010 – 6 U 4816/10 – WRP 2011, 364, 365 f.; OLG Hamburg (5. ZS) GRUR 2007, 6 14 f.; OLG Hamburg (3. ZS) WRP 2010, 790, 792 für die Fallgestaltung, dass die Rücknahme des Erstantrags erst nach Anhängigkeit des Zweitantrags erfolgt; Teplitzky GRUR 2008, 34, 36 ff.; WRP 2013, 839; Danckwerts GRUR 2008, 763, 766 f.; Laucken/Oehler ZUM 2009, 824, 829; Retzer GRUR 2009, 329, 332; Berneke Rn. 84; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.16a; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Spätgens § 100 Rn. 88; Ekey/Klippel/Kotthoff/Plaß § 12 Rn. 128; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 117; Zöller/ Vollkommer § 935 Rn. 5, § 940 Rn. 8; Musielak/Huber § 140 Rn. 25; Göttingen/Nordemann/Kaiser § 12 Rn. 166; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 399 mit Fn. 277. Für die Zulässigkeit: OLG Hamburg GRURRR 2002, 226; OLG Düsseldorf GRUR 2006, 782, 785; Beyerlein WRP 2005, 1463, 1466 f.; Klute NJW 2008, 2965, 2971; Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 49; Schuschke/Walker vor §§ 916–945 Rn. 30. 254 OLG Frankfurt WRP 2001, 716, 717 zu Beginn der Begründung; OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 226; OLG Düsseldorf GRUR 2006, 782, 785; Beyerlein wie zuvor. Der kritischen Bewertung dieses Arguments durch Schmidhuber/Haberer WRP 2013, 436, 439 Tz. 22 ist beizupflichten. 255 WRP 2013, 839 Rn. 3 ff. 256 Dafür Teplitzky Kap. 54 Rn. 24b und Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.16a. 257 Dafür Vollkommer und Huber wie Fn. 253. 258 Urteil vom 13.9.2012 – I ZR 230/11 – GRUR 2013, 401 Rn. 25 = WRP 2011, 78. 259 Vgl. Danckwerts AnwBl. 2013, 252, 254; Schwippert WRP 2014, 8 Rn. 13.

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ren Gericht dem wohlverstandenen Interesse der Partei entspreche.260 Es ist nicht zu sehen, inwiefern der Gläubiger kein faires Verfahren zur Verfügung hat, der den Prozess am Gerichtsort seiner Wahl beginnt, ihn bis zu dem für ihn guten oder schlechten Ende durch die Instanzen führen oder bei mutmaßlicher Erfolglosigkeit den Antrag Kosten sparend zurücknehmen kann. Es ist auch kein gutes Gegenargument,261 darauf hinzuweisen, dass § 269 Abs. 1 ZPO, der die Rücknahme der Hauptsacheklage nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung von der Zustimmung des Beklagten abhängig macht, im Verfügungsverfahren nach h.M. nicht anwendbar ist. Denn die Probleme, um die es geht, fußen gerade auf der Kombination262 dieser allfälligen Rücknahmemöglichkeit und gerichtlichen Hinweisen, die eine einigermaßen verlässliche Prognose gestatten, wie das angerufene Gericht zu entscheiden gedenkt. 100

16. Verfügungsgrund bei neuer Verletzungshandlung nach rechtskräftigem Titel. Scheinbar einfach ist die Frage zu beantworten, ob dem Gläubiger ein Verfügungsgrund (im Gewand des besonderen Rechtsschutzinteresses) zuzubilligen ist, wenn er bereits über einen formell rechtskräftigen Titel verfügt, sei es aus einem vorangegangenen Eilverfahren, sei es aus einem Klageverfahren. a) Problemlage. Es drängt sich die dogmatisch unangreifbare Antwort auf, dass der Einwand der res iudicata ein neues Verfahren unzulässig mache. Indessen lehrt die Erfahrung, dass es auch unter alten Wettbewerbsjuristen streitig sein kann, ob der in einem anderen Verfahren ergangene Titel mit dort anderen Begleitumständen dennoch als kerngleich anzusehen ist und damit denselben Streitgegenstand betrifft. Dann läuft der Gläubiger, der sich für ein Zwangsvollstreckungsverfahren entschieden hat, Gefahr, dort mit einer Niederlage zu enden, weil das Vollstreckungsgericht die Kerngleichheit verneint. Nach der zweitinstanzlichen Abweisung des Ordnungsmittelantrags kann es für einen neuen Verfügungsantrag zu spät sein. Ob der Gläubiger auf ein Gericht trifft, dass die sonst von ihm angewandte Regelfrist während der Dauer des Vollstreckungsverfahrens als gehemmt ansieht – was es tun sollte – ist sehr zweifelhaft. Beginnt der Gläubiger zuerst ein Verfügungsverfahren, und würde das angerufene Gericht den Antrag als unzulässig abweisen, weil es die Kerngleichheit des neuen Verstoßes bejaht, so ist der Sieg in einem nachfolgenden Vollstreckungsverfahren dennoch nicht sicher. Das Vollstreckungsgericht hat selbstständig zu prüfen, ob der gerügte neue Verstoß dem vorhandenen Titel unterfällt. Diese Probleme treffen den Gläubiger auch dann, wenn evident ist, dass die neue Verletzungshandlung gegen geltendes Recht verstoßen hat. Eine puritanisch gepflegte Dogmatik kann daher zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen führen.

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b) Der Stand der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung, die zum Schutze des Gläubigers immer wieder Ausnahmen von dem Grundsatz ne bis in idem gestattet hat,263 hat daher bei objektiv ernsthaften Zweifeln, ob die neue Zuwiderhandlung mit einem Vollstreckungsverfahren aus einem vorliegenden Titel geahndet werden kann, den Verfügungsgrund für ein neues Eilverfahren bejaht.264 Die daran in der Zwischenzeit geäu-

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260 Fezer/Büscher § 12 Rn. 87. 261 Bei Ahrens/Schmukle Kap. 45 Rn. 47. 262 Was von Schmidhuber/Haberer WRP 2013, 436, 440 Tz 24 f. nicht hinreichend beachtet wird; vgl. auch Teplitzky WRP 2013, 839, 840 f. 263 BGHZ 4, 314, 321; 93, 287, 289; BGH 4.5.2004 – X ZR 234/02 GRUR 2004, 755, 757 – Taxameter. 264 OLG Karlsruhe WRP 1977, 41, 43; OLG Düsseldorf WRP 1993, 487, 488; OLG Hamm WRP 1994, 46; OLG Frankfurt 1997, 51; grundsätzlich zustimmend das Schrifttum mit allerdings unterschiedlicher Bereitschaft, Ausnahmen zuzulassen: Berneke Rn. 58; Ahrens/Ahrens Kap. 36 Rn. 123 f.; Ahrens/Schmukle

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ßerten Zweifel265 werden in der Praxis voraussichtlich verstummen, nachdem der BGH266 die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise (zur Vermeidung des Verjährungseintritts) bejaht hat267 – freilich mit verhaltener Stringenz unter dem Stichwort Rechtsschutzinteresse, das schon deshalb nicht zu verneinen war, weil zuvor betont worden war, dass die Rechtskraft der alten Entscheidung wegen eines anderen Streitgegenstandes die Zulässigkeit des neuen Verfahrens nicht beeinflussen könne.268 c) Kritik. Indessen ist dem Gläubiger in den Arm zu fallen, der die neue Zuwider- 102 handlung zu einem Geschäft machen will, indem er zunächst einen durch die Abschlusserklärung des Schuldners gesicherten neuen Verfügungstitel erstreitet, um anschließend das Zwangsvollstreckungsverfahren aus dem alten Titel mit der Begründung zu starten, die neue Zuwiderhandlung befinde sich in dessen Verbotsbereich.269 Ein schnell erstinstanzlich zu Gunsten des Gläubigers abgeschlossenes Vollstreckungsverfahren, in welchem objektiv unrichtig die neue Verletzungshandlung dem Schutzbereich des alten Titels zugeordnet worden ist, wird umgekehrt diesen hindern, anschließend noch ein neues Eilverfahren zu beginnen; die vorzunehmende Interessenabwägung würde ergeben müssen, dass kein Verfügungsgrund besteht, auch wenn die regelmäßige Dringlichkeitsfrist noch nicht abgelaufen sein sollte. Werden beide Verfahrensarten begonnen, wird das länger dauernde Verfahren für erledigt erklärt werden müssen, sobald das andere formell rechtskräftig abgeschlossen ist. Dagegen kann dem OLG Frankfurt270 in seiner Auffassung nicht beigepflichtet werden, dass das bei zweifelhafter Rechtslage an sich bestehende Rechtsschutzinteresse des Gläubigers für einen neuen Unterlassungstitel entfalle, wenn der Schuldner eindeutig erkläre, es liege ein Verstoß gegen den bereits bestehenden Titel vor. Derartige Parteierklärungen können das Vollstreckungsgericht in seiner Auffassung nicht binden; das Risiko des Gläubigers verringert sich dadurch nicht. 17. Kein Kriterium: Eignung des Verfahrens. Wer sich zu der Auffassung bekennt, 103 dass in die Prüfung des Verfügungsgrundes eine umfassende Abwägung der Interessen der Parteien integriert ist, hat keinen Platz für eine weitere Prüfung, ob das Verfügungsverfahren für den geltend gemachten Anspruch geeignet ist. Teilweise werden im Schrifttum unter dieser Kategorie Fälle erfasst, die im tatsächlichen oder rechtlichen Bereich außerordentlich schwierig sind.271 Für die tatsächlichen Schwierigkeiten wird namentlich angeführt, dass eine notwendige Klärung durch wissenschaftliche Gutachten im Verfügungsverfahren nicht möglich sei. Sofern das Gericht derartige Fragen nicht selbst

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Kap. 44 Rn. 16; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 372; Melullis Rn. 558 iVm Rn. 553a bis c; Teplitzky Kap. 57 Rn. 16a ff. (Zurückhaltung anmahnend). 265 Kehl WRP 1999, 46; Zurückhaltung auch bei OLG Köln 19.11.2001 – 6 WF 81/01 – Magazindienst 2002, 293; 25.7.2003 – 6 U 32/03 – Magazindienst 2003, 1147, 1148 f.; OLG Stuttgart 13.11.2008 – 2 U 39/08 – Magazindienst 2009, 88, 89 f.; OLG Rostock 16.6.1999 – 2 U 91/98 sowie 2 U1/99, mitgeteilt von Koch WRP 2002, 191, 200 f.; Teplitzky GRUR 1998, 320, 322 f. 266 19.5.2010 – I ZR 177/07 GRUR 2010, 855 Tz. 23 – Folienrollos; 7.4.2011 – I ZR 34/09 – GRUR 2011, 742 Tz. 20 – Leistungspakete im Preisvergleich. 267 Vgl. OLG Frankfurt 24.1.2011 – 6 U 219/10; OLG Köln 24.8.2012 – 6 U 72/12 – Magazindienst 2013, 128; 14.12.2012 – 6 U 219/12. 268 GRUR 2011, 742 Rn. 19. 269 Fallkonstellation OLG Köln Magazindienst 2002, 293. 270 24.1.2011 – 6 U 209/10. 271 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 1–6; Ahrens/Schmukle Kap. 44 Rn. 6, 7; auch Doepner WRP, 2011, 1384, 1392 a. E. misst der Geeignetheit des Verfahrens ersichtlich ein selbstständiges Kriterium bei; ebenso LG Aschaffenburg Magazindienst 2014, 285, 290 (ungeeignet wegen Komplexität).

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beurteilen kann und ihm der Gläubiger kein vernünftiges Privatgutachten an die Hand gegeben hat, ist der Verfügungsantrag indessen als unbegründet abzuweisen, weil dem Antragsteller die ihm obliegende Glaubhaftmachung der entscheidungserheblichen Tatsachen nicht gelungen ist. Soweit die Streitentscheidung die Beantwortung hoch umstrittener, höchstrichterlich noch unbeantworteter Fragestellungen erfordert, wird das erkennende Gericht wie sonst auch seine eigene Linie finden müssen. Die notwendige Interessenabwägung kann allerdings zu dem Resultat führen, dass dem Schuldner mit dem Erlass der Verfügung ein gewaltiger Schaden droht, eine anderslautende spätere höchstrichterliche Beurteilung der Rechtsfrage mit ungefähr ausgeglichenen Chancen zu erwarten ist und der Gläubiger in seiner Existenz nicht bedroht ist, wenn er auf einen Titel im Hauptsacheverfahren zu warten hat. In Anbetracht dessen leistet eine selbstständige Kategorie Eignung der Verfahrensart keine zusätzliche Erkenntnis.272 Ihre weitere Verwendung stiftet nur Schaden, weil sie diese Nützlichkeit suggeriert. V. Das Gerichtsverfahren V. Das Gerichtsverfahren 104

1. Verfahren ohne mündliche Verhandlung. Mit Eingang des Verfügungsantrags bei Gericht wird das Eilverfahren rechtshängig.273 a) Rechtshängigkeit mit Antragseingang. Es verhält sich hier anders als bei der Einreichung einer Klage, die nur die Anhängigkeit des Verfahrens bewirkt und deren vom Gericht veranlasste Zustellung an den Beklagten zur Rechtshängigkeit führt. Die Rechtshängigkeit erst mit der formellen Beteiligung des Antragsgegners am Verfahren entstehen zu lassen, ist nicht möglich, weil das Gericht nach § 937 Abs. 1 ZPO berechtigt sein kann, ohne Anhörung des Antragsgegners durch Beschluss zu entscheiden. Ein Beschluss in einer Sache, die nicht rechtshängig ist, wäre ein wunderliches Phänomen. Das hat zur Folge, dass später eingereichte Anträge bei anderen Verfügungsgerichten – sofern nicht der erste Antrag zuvor zurückgenommen worden ist – unzulässig sind, weil ihnen nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegensteht.274 Für spätere Eilanträge bei demselben Gericht gilt nichts anderes.275

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b) Alleinentscheidung des Vorsitzenden. Nach § 937 Abs. 2 ZPO kann ohne mündliche Verhandlung – also durch Beschluss – entschieden werden, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist, sonst nur „in dringenden Fällen“. Eine dem Antrag auch nur teilweise entsprechende Entscheidung des Spruchkörpers ist demnach nur gestattet, wenn Not am Mann ist.

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272 Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 343; Ahrens/Jestaedt Kap. 47 Rn. 2; Berneke Rn. 53 bemerkt zutreffend, die Bezeichnung „ungeeignet“ bedeute, dass die Interessenabwägung das Fehlen eines Verfügungsgrundes ergebe. Plastisches Beispiel OLG Frankfurt 5.1.1989 – 6 W 1/89 – GRUR 1989, 227, 228 – „Opernaufführung“: Keine Glaubhaftmachung , Verfügungsgrund fehlt, Eilverfahren nicht geeignet. 273 BGH 19.12.2002 – I ZB 24/02 GRUR 2003, 549 – Arzneimittelversandhandel; OLG Hamburg WRP 1977, 495; OLG Düsseldorf NJW 1981, 2824; OLG München WRP 1983, 358; KG GRUR 1985, 325; OLG Köln GRUR 2001, 424, 425; Berneke Rn. 91; Harte/Henning/Retzer Rn. 369; Teplitzky Kap. 55 Rn. 1; Zöller/Vollkommer § 920 Rn. 12. 274 OLG Koblenz GRUR 1981, 91, 93; OLG Karlsruhe WRP 1982, 44; OLG Hamm WRP 1996, 581; Berneke Rn. 92; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 372; Teplitzky Kap. 55 Rn. 1; Schuschke/Walker, vor §§ 916–945 Rn. 22; Zöller/Vollkommer, vor § 916 Rn. 5. 275 OLG Koblenz GRUR 1980, 1022, 1023;Teplitzky Kap. 55 Rn. 1; MünchkommZPO/Becker-Eberhard § 261 Rn. 4.

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V. Das Gerichtsverfahren

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Überraschenderweise heißt es in § 944 ZPO, dass der Vorsitzende in dringenden Fällen über den Antrag allein entscheiden kann. Offensichtlich hat die schon in § 937 Abs. 2 ZPO identisch benutzte Wendung nicht in beiden Vorschriften die nämliche Bedeutung. Vielmehr sind drei Dringlichkeitsstufen auseinanderzuhalten. Die Ausgangsstufe ist beim Verfügungsgrund anzutreffen: Ohne spezifisches Eilbedürfnis ist das Verfügungsverfahren nicht zulässig. Nur wenn ein noch intensiveres Eilbedürfnis vorliegt, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen; und allein bei einer darüber noch hinausgehenden Zeitnot ist der Vorsitzende zur Alleinentscheidung ermächtigt.276 Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 bezieht sich allein auf die Ausgangsstufe und betrifft die in §§ 937 Abs. 2 und 944 ZPO geregelten Verfahrensgestaltungen nicht.277 Der Vorsitzende ist dann befugt, über den Antrag anstelle der gesamten Kammer 106 oder des gesamten Senates allein zu beschließen, wenn die Entscheidung zu spät käme, falls die nächstmögliche Zusammenkunft des vollständigen Gremiums abgewartet würde. Spätgens278 hat als Faustregel zutreffend formuliert, dass § 937 Abs. 2 ZPO die Zumutbarkeit von Tages- und Wochenfristen, § 944 ZPO die von Stundenfristen im Blick habe. Praktische Bedeutung hat § 944 ZPO vor allem für die Vorsitzenden der Kammern für Handelssachen.279 Streitig ist, ob die Vorschrift dem Vorsitzenden nur eine stattgebende Entscheidung gestattet oder ihn auch ermächtigt, den Antrag im Beschlusswege zurückzuweisen. Letzteres wird von der wohl überwiegenden Meinung ausnahmsweise bejaht, falls der Antragsteller ersichtlich auf eine rasche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angewiesen sei.280 Indessen liegt der Sinn des § 944 ZPO darin, dem Gläubiger noch rechtzeitig einen Titel zu verschaffen, bevor er ihm nichts mehr nützt, nicht aber darin, zügiger den Instanzenzug abzuschließen.281 Es wäre daher keinesfalls gerechtfertigt, wenn der Vorsitzende kurz vor Beginn des Wochenendes den Antrag allein zurückweist, damit am nächsten Arbeitstag das Beschwerdegericht anstelle der Kammer über den Antrag befinden kann. Denkbar bleiben danach lediglich Fälle, in denen fundamentale Mängel des Geschäftsverteilungsplans einem zügigen Zusammentreffen des Gremiums selbst unter Berücksichtigung von Vertretungsregelungen entgegenstehen. Entschieden abzulehnen ist die Auffassung von Scharen, der Vorsitzende könne al- 107 lein beschließen, dass nicht ohne vorherige mündliche Verhandlung entschieden werden solle.282 Dann kann die Angelegenheit nämlich weder besonders dringlich sein noch ist dieses Vorgehen damit zu vereinbaren, dass § 944 ZPO das Entscheidungsrecht des Vorsitzenden auf die Erledigung der Fälle beschränkt, die eine mündliche Verhandlung nicht erfordern.

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276 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 92; Teplitzky Kap. 55 Rn. 2 bei Fn. 25; Ahrens/Scharen Kap. 54 Rn. 25; Schuschke/Walker § 944 Rn. 3; Zöller/Vollkommer § 944 Rn. 1; a.A. Ahrens, Wettbewerbsverfahren S. 175. 277 Fezer/Büscher § 12 Rn. 121; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 375; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 90; Teplitzky GRUR 1978, 286 f. und Kap. 55 Rn. 2; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 82; Zöller/Vollkommer § 944 Rn. 1. 278 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 92. 279 Vgl. LG Zweibrücken NJW-RR 1980, 715; Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 27; Stein/Jonas/Grunsky § 944 Rn. 1. 280 KG, Beschluss vom 28.8.2012 – 5W 175/12 – Magazindienst 2013, 507; OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 1206; Schuschke/Walker § 944 Rn. 4; MünchkommZPO/Drescher § 944 Rn. 4; Stein/Jonas/Grunsky § 944 Rn. 4; Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 29 in Verbindung mit Fn. 71 (allerdings im Gegensatz zu Rn. 24 a.E.); Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 93; Teplitzky Kap. 55 Rn. 2 in Verbindung mit Fn. 26. 281 Die Frage verneinen daher Stein/Jonas/Grunsky § 944 Rn. 1; Zöller/Vollkommer § 944 Rn. 1. 282 Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 24.

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§ 12

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c) Voraussetzungen der Beschlussverfügung. Die Zurückweisung des Antrags durch einen Beschluss ist möglich, wenn sich aus der Begründung des Antrags ergibt, dass er entweder unzulässig ist oder der geltend gemachte Verfügungsanspruch nicht besteht. Bei einem schlüssigen Vortrag des Verfügungsanspruchs kann eine Zurückweisung des Antrags nicht darauf gestützt werden, dass die maßgeblichen Tatumstände nicht glaubhaft gemacht sind. Nur streitige Tatsachen müssen, wie in Klageverfahren, bewiesen oder, wie in Eilverfahren, glaubhaft gemacht werden. Bei fehlender Glaubhaftmachung ist daher in jedem Fall die Anhörung des Gegners erforderlich um herauszufinden, was streitig ist und was nicht.283 Wer aus der Vorschrift des § 920 Abs. 2 ZPO entnimmt, dass der Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund zwingend bereits im Antrag glaubhaft zu machen sind, gelangt dennoch zu demselben Endergebnis, wenn er die sofortige Zurückweisung durch Beschluss bei behebbaren Mängeln für unangemessen hält.284 Das moderne Schrifttum – die ältere Auffassung, wettbewerbsrechtliche Ansprüche 109 seien immer besonders dringlich,285 ist seit langem nicht mehr verteidigt worden – ist sich darüber einig, dass gemäß § 937 Abs. 2 ZPO eine Entscheidung nach mündlicher Verhandlung die Regel und eine stattgebende Entscheidung ohne vorherige Anhörung des Gegners die Ausnahme darstellen soll.286 In den beiden Paradebeispielen für den Ausnahmefall verbietet sich die Anhörung des Schuldners, weil entweder ernsthaft zu besorgen ist, dass er sie zum Anlass nehmen würde, um belastendes Material beiseite zu schaffen, oder weil sonst die Verfügung nicht mehr zu einem Zeitpunkt vollzogen werden könnte, der für eine Unterbindung der inkriminierten Handlung geeignet wäre. Aus praktischen Erwägungen wird der Erlass einer Beschlussverfügung ohne vorherige Anhörung des Gegners darüber hinaus für sinnvoll erachtet, wenn sich aus einer von dem Gläubiger vorgelegten Antwort auf das Abmahnschreiben oder der eingereichten Schutzschrift ergibt, dass die Einwände des Schuldners allesamt nicht greifen.287 Auch mag gelegentlich eine sich bereits bei den Akten befindende Werbemaßnahme so evident irreführend sein, dass ein erheblicher Verteidigungseinwand kaum vorstellbar scheint. In all diesen Fällen kann eine sofortige Beschlussverfügung im Interesse des Schuldners liegen, der einsehen muss, dass er sich auf hoffnungslosem Terrain bewegt, und die Niederlage bei geringer Kostenlast akzeptiert.288 Auch wenn er sich später gegen die Verfügung zur Wehr setzt, weil er an der Verletzungshandlung nicht beteiligt gewesen ist, erwächst ihm kein unmittelbarer Schaden, nachdem ihm das Gericht nur etwas untersagt hat, was er ohnehin nicht tun durfte und zu tun beabsichtigte.289 Gleichwohl ist das Verfahren mit der Bestimmung des § 937 Abs. 2 ZPO kaum zu vereinbaren. Die von der Vorschrift geforderte besondere Dringlichkeit hat mit einer bereits weitgehend abgesicherten Erkenntnis, die Verteidigung des Antragsgegners sei hoffnungslos, nichts zu

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283 OLG Stuttgart WRP 1998, 433; KG WRP 2011, 611; Teplitzky Kap. 54 Rn. 43; Schuschke/Walker § 920 Rn. 20; Zöller/Vollkommer vor § 916 Rn. 6a. 284 So wie Berneke Rn. 97, 120 in Verbindung mit Rn. 135. 285 Engelschall GRUR 1972, 103; Borck WRP 1978, 641; Pietzcker GRUR 1970, 520; Klaka GRUR 1979, 593; OLG Hamburg WRP 1995, 854 neben anderen tragenden Gründen. 286 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.23; Fezer/Büscher § 12 Rn. 121; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 374; Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 2; Teplitzky WRP 1980, 373, 374 und Kap. 55 Rn. 2 mit Fn. 29; Schuschke/ Walker § 922 Rn. 5; MünchkommZPO/Drescher § 937 Rn. 5. 287 Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 4; Melullis Rn. 197; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 435; SchultzSüchting Vorauflage § 25 Rn. 84; Götting/Nordemann/Kaiser § 12 UWG Rn. 195. 288 Vgl. Deutsch GRUR 1990, 327; Berneke Rn. 134; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 83–90; Ahrens/ Scharen Kap. 51 Rn. 4, 5; Melullis Rn. 196, 197; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 91. 289 Dieses Argument betont insbesondere Danckwerts im Anschluss an Borck MDR 1988, 908, 912.

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tun. Teplitzky hat die Lage prägnant beschrieben, indem er von einer diskutablen Zulässigkeit der sofortigen Beschlussverfügung „extra legem“ gesprochen hat.290 Es ist seit langem ein Allgemeinplatz, dass das theoretische Regel – Ausnahmever- 110 hältnis von mündlicher Verhandlung und Beschlussverfügung ohne Anhörung des Gegners mit einer Wirklichkeit kontrastiert, in der die Beschlussverfügung die Regel und die mündliche Verhandlung die Ausnahme darstellt.291 An diesem Befund wird sich vermutlich solange nichts ändern, wie diese Verfahrensweise die effizienteste Arbeitsweise ist. Die Erledigungsquote war in der Vergangenheit immer hoch, weil viele Antragsgegner die Beschlussverfügung per Abschlusserklärung akzeptieren oder es bei einem Kostenwiderspruch belassen.292 Der rasche Griff zur Beschlussverfügung ist oft mit dem Argument gerechtfertigt 111 worden, die hohe Arbeitsbelastung des Spruchkörpers lasse eine häufige mündliche Verhandlung in den Verfügungsverfahren nicht zu.293 In der Tat kann bei der Beurteilung der Frage, ob die besondere Dringlichkeit für eine Beschlussverfügung vorliegt, die Möglichkeit einer zeitnahen Terminierung unter Berücksichtigung des übrigen Arbeitsanfalls nicht außer Acht gelassen werden. Je größer der zeitliche Abstand zur nächstmöglichen Verhandlung ist, umso eher kann es dann für einen praktisch noch verwendbaren Titel des Gläubigers zu spät sein. Andererseits ist im Auge zu behalten, dass damit ein System der sich selbst erfüllenden Prophezeiung geschaffen ist. Je häufiger ein Gericht den Titel im Beschlusswege hergibt, desto höher wird die Attraktivität dieses Gerichtsstandortes für die Antragsteller mit der Folge, dass die Zahl der Eingänge weiter steigt und es immer schwieriger wird, in einer beträchtlichen Zahl von Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Unerlässlich bleibt daher eine sorgfältige Abwägung der sich gegenüberstehenden Parteiinteressen.294 Der Erlass einer Beschlussverfügung ohne vorherige Anhörung der Gegenseite sollte sich immer dann verbieten, wenn nicht ersichtlich ist, dass der Schuldner von dem Gläubiger mit dem Vorwurf einer Verletzungshandlung überhaupt konfrontiert worden ist, ohne dass glaubhaft gemacht wäre, in diesem Fall drohe eine Beweisvereitelung.295 Ein besonders geringer Anlass, dem Gläubiger unverzüglich mit einer Beschlussverfügung beizustehen, besteht dann, wenn er eine bei dem angerufenen Gericht großzügig bemessene Regelfrist nach frühzeitiger Kenntnis von der Verletzungshandlung weitgehend ausgeschöpft hat. Das Gericht beurteilt nach § 937 Abs. 2 ZPO selbstständig, ob die Dringlichkeit der 112 Angelegenheit eine Beschlussverfügung erfordert. Es ist daher berechtigt, den Beschluss zu erlassen, auch wenn der Gläubiger den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung nicht beantragt hatte.296 Ein dennoch gestellter „Antrag“ ist lediglich eine – aus taktischen Gründen oft sinnvolle297 – Anregung, die nur dann Substanz hat, wenn mit ihr die Umstände glaubhaft gemacht sind, die ein längeres Abwarten für den Gläubiger nicht

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290 Kap. 55 Rn. 2. 291 Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 83; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 375. 292 Eingehend Schultz-Süchting wie zuvor; Berneke Rn. 134. 293 Insbesondere Deutsch GRUR 1990, 327 r. Sp.; Klaka GRUR 1979, 598; Berneke Rn. 134. 294 Berneke Rn. 133; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 91; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 376; Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 4. 295 Teplitzky Kap. 55 Rn. 2; Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 4; vgl. auch Schulz WRP 2009, 1472, 1473 und Fn. 5. 296 Missverständlich die Formulierungen bei Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 138; Berneke Rn. 138 und Melullis Rn. 197. 297 Vgl. ausführlich und zutreffend Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 81; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Spätgens § 101 Rn. 90; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 377; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 418.

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zumutbar erscheinen lassen.298 Von der Glaubhaftmachung ausgenommen sind freilich die Verzögerungen, die aufgrund des bei dem angerufenen Spruchkörper angefallenen Arbeitsanfalls eine zeitnahe mündliche Verhandlung ausschließen.299 Das erkennende Gericht weiß über diese internen Vorgänge besser Bescheid als der Antragsteller. d) Schriftliche Stellungnahme des Schuldners. § 937 Abs. 2 ZPO schweigt zu der Frage, ob auf eine mündliche Verhandlung (zunächst) verzichtet, der Antragsgegner aber dennoch von dem Antrag unterrichtet und zur Stellungnahme aufgefordert werden kann. Sie wird von der ganz überwiegenden Meinung bejaht,300 ist aber strittig.301 Zunächst erscheint die Annahme verwunderlich, es könne verboten sein, rechtliches Gehör zu gewähren. Indessen kann dafür mit einer gewissen Plausibilität die Bestimmung des § 922 Abs. 3 ZPO ins Feld geführt werden, die es dem Gericht untersagt, den Beschluss, durch den ein Antrag zurückgewiesen wird, dem Gegner mitzuteilen.302 Dagegen muss offenbar verstoßen werden, wenn der Zurückweisung des Antrags eine Anhörung des Gegners vorangegangen ist. Ersichtlich macht es keinen Sinn, ihn nicht von dem Ausgang eines Verfahrens zu unterrichten, an dem er zuvor offiziell beteiligt worden ist. Dem wird entgegengehalten, dass § 922 Abs. 3 ZPO auf das Arrestverfahren zugeschnitten ist und für die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsverfügung nicht passt.303 Es kommt folgendes hinzu: Die gesetzliche Regelung bietet dem Gläubiger keine Gewähr, dass eine seinen Antrag zurückweisende Entscheidung dem Gläubiger nicht zur Kenntnis gelangt. Die aktive Beteiligung des Schuldners am Verfahren liegt in der Hand des Richters, der unabhängig darüber zu befinden hat, ob die Dringlichkeit des Falles diese Beteiligung erlaubt. Ein von vornherein abweisungsreifer und abgewiesener Antrag des Gläubigers hat gewissermaßen dessen Geheimnis zu bleiben – mehr besagt § 922 Abs. 3 ZPO nicht. Diese eher exotische Bestimmung verträgt keine erweiternde Auslegung dahingehend, dass sie – einen elementaren Verfassungsgrundsatz überwindend – die Versagung des rechtlichen Gehörs einfordern würde, obgleich die Zeit für eine schriftliche Stellungnahme des Schuldners vorhanden wäre. Eine schriftliche Anhörung des Schuldners ohne Bestimmung einer mündlichen Ver114 handlung erweist sich im Nachhinein als besonders praktikabel, wenn der Antragsgegner nichts Erhebliches vortragen kann. Die darauf folgende Beschlussverfügung wird in aller Regel von dem Schuldner nicht mit einem Widerspruch angegriffen werden, sofern er nicht verspätet bemerkt, dass er seine Verteidigung noch auf ein anderes Standbein stellen kann, oder sich die Befassung des Beschwerdegerichts mit ungeklärten Rechtsfragen lohnt. Macht der Antragsgegner hingegen erhebliche Einwendungen glaubhaft, wird es ausgeschlossen sein, den Verfügungsantrag durch Beschluss zurückzuweisen; vielmehr muss dem Gläubiger Gelegenheit zur Erwiderung gegeben werden.304 Nunmehr 113

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298 Melullis Rn. 195. 299 Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 3. 300 OLG Hamburg WRP 1977, 495 und GRUR 2007, 614, 616; OLG Frankfurt GRUR-RR 2011, 31, 32; Danckwerts GRUR 2008, 763, 765; Schote/Lührig WRP 2008, 1281; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 90; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.23 und 3.40; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 378; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Spätgens § 101 Rn. 82; Büscher/Dittmer/Schiwy vor § 12 UWG Rn. 120; Zöller/Vollkommer § 922 Rn. 1; Stein/Jonas/Grunsky § 922 Rn. 1; MünchkommZPO/Drescher § 922 Rn. 4; Schuschke/Walker § 937 Rn. 6; PG/Fischer § 922 Rn. 6; Teplitzky Kap. 55 Rn. 3 und 3a m.w.N. 301 Verneinend Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 19–23; Melullis Rn. 283; Borck MDR 1988, 908, 912 f.; Nirk/ Kurtze Rn. 324. 302 Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 4 (besonders ausführlich); Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 91; vgl. auch – in anderem Zusammenhang – OLG Düsseldorf WRP 1980, 561, 562. 303 Namentlich Teplitzky Kap. 55 Rn. 3; Danckwerts GRUR 2008, 763, 765. 304 So zutreffend Danckwerts GRUR 2008, 763, 765 f.; Teplitzky Kap. 55 Rn. 3 Fn. 40.

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wird Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt werden müssen, weil ein weiteres schriftliches Verfahren mit dem Risiko behaftet wäre, immer wieder neu die jeweils andere Seite hören zu müssen.305 e) Ankündigung, dass nicht ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. 115 Bei den Wettbewerbsgerichten ist es eine verbreitete Übung, durch einen Beschluss darauf hinzuweisen, dass nicht ohne mündliche Verhandlung entschieden werden soll.306 Erfahrungsgemäß verlieren alsdann nicht wenige Antragsteller die Lust, das Verfahren weiter zubetreiben, weil sie von seinem erfolgreichen Ausgang nicht länger überzeugt sind. Sie nehmen ihren Antrag zurück – eine bereits mit der Antragsschrift aufschiebend bedingte Rücknahmeerklärung für den Fall eines solchen Beschlusses ist nicht wirksam307 – oder zeigen, wenn in dem Beschluss ausgeführt ist, dass ohne eine entsprechende Anregung des Antragstellers kein Termin bestimmt wird, so lange keine Reaktion, bis das Verfahren nach der Aktenordnung als erledigt betrachtet wird. Anders als bei einer Klage, die später mit Aussicht auf Erfolg weiterbetrieben werden kann, ist das bei einem Verfügungsantrag nicht möglich: Er wäre, wenn der Gläubiger nach Monaten wieder aktiv würde, als unzulässig abzuweisen, weil die Dringlichkeit verloren gegangen ist. Es ist allgemeine Meinung, dass ein derartiger Beschluss von den Gerichten erlassen 116 werden darf. Es handelt sich dabei um einen Hinweis nach § 139 ZPO. Die Vorschrift ist auch in einem einseitigen Verfahren anwendbar; es kann sich auch hier als nötig erweisen, dass das Gericht die Partei belehrt, weil die Antragsschrift offensichtlich behebbare Schwachstellen aufweist und eine kommentarlose Zurückweisung des Antrags nicht sachgerecht wäre.308 Die Gegenmeinung, welche der Vorschrift im anfänglich einseitigen Stadium des Verfügungsverfahrens die Geltung abgesprochen hat, ist schon seit geraumer Zeit nicht mehr neu verlautbart worden.309 Auf § 139 ZPO basierende Hinweise führen allerdings nicht zu einer Selbstbindung des Gerichts. Es darf sich daher nach einem weiteren Vorbringen des Gläubigers dazu bewegen lassen, entgegen der ursprünglichen Verfahrensplanung die Beschlussverfügung dennoch zu erlassen.310 Nicht einvernehmlich wird beurteilt, ob der Beschluss dem Antragsgegner zuzulei- 117 ten ist, zugeleitet werden darf oder ob das durch § 922 Abs. 3 ZPO untersagt wird. Die Gerichte teilen die Entschließung, da der Antragsgegner formell am Verfahren noch nicht beteiligt ist, in aller Regel nur dem Antragsteller mit.311 Das ist auf Kritik gestoßen, weil es den Antragsteller in die Lage versetzt, den Antrag zurückzunehmen und bei einem anderen Gericht neu einzureichen, ohne dass der Antragsgegner in der Lage wäre, dem ein missbräuchliches forum shopping entgegenzuhalten – er hat von dem zuerst

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305 Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 378; a.A. Danckwerts, wie zuvor, der noch eine schriftliche Replik des Antragstellers abwarten will. 306 Vgl. Teplitzky, FS für Bornkamm, S. 1073, 1085; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 94. 307 H.M.: Teplitzky Kap. 55 Rn. 5b; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 377; MünchkommZPO/Drescher § 929 Rn. 3; Zöller/Vollkommer §§ 921 Rn. 1; Wieczorek/Schütze/Thümmel § 921 Rn. 7; Thomas/Putzo/Reichold § 921 Rn. 1; a.A. Schuschke/Walker § 922 Rn. 8. 308 Teplitzky GRUR 2008, 34, 36 f.; Kap. 55 Rn. 5a; besonders ausführlich Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 7– 18; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 94; Danckwerts GRUR 2008, 763, 766; Guhn WRP 2014, 27, 28 ff. 309 Zuletzt Borck WRP 1977, 457, 458; Brückmann WRP 1983, 656. 310 OLG Stuttgart NJW 1956, 1931; Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 9; Berneke Rn. 140 geht von einer Bindung nur bei unveränderter Sachlage aus; a.A. Nirk/Kurtze Rn. 344; ebenso im Ergebnis Teplitzky Kap. 55 Rn. 5a. 311 Vgl. Berneke Rn. 137.

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eingeleiteten Verfahren keine Kenntnis.312 Teilweise wird daher verlangt, den Beschluss dem Antragsgegner unverzüglich zuzuleiten,313 teilweise wird gefordert, den Antragsgegner jedenfalls von einer nachfolgenden Antragsrücknahme des Gläubigers zu unterrichten.314 § 922 Abs. 3 ZPO verbietet es, den Antragsgegner über den für den Antragsteller ne118 gativen Ausgang des einseitig gebliebenen Verfahrens in Kenntnis zu setzen. Die Vorschrift bezweckt, für den Gläubiger bei einem weiteren Vorgehen gegen den Schuldner – sei es im Weg des Rechtsmittels, sei es über einen zulässigen neuen Antrag – den Vorzug des Überraschungseffekts zu erhalten und eine Vorwarnung des Schuldners zu vermeiden.315 Dieser Grundgedanke ist nicht mehr berührt, wenn das Gericht befunden hat, das Verfahren nur unter Beteiligung der Gegenseite fortzuführen. Dann droht keine den Antrag zurückweisende Entscheidung, die mit einer Beschwerde angreifbar wäre. Auf dem Boden der Auffassung, dass ein neuer Antrag an einem anderen Gerichtsort nach dem Hinweis im Erstverfahren, den erwünschten Verfügungsbeschluss nicht erstreiten zu können, unzulässig ist,316 kann auch die Erwägung keine Rolle mehr spielen, dass der Schuldner wegen eines denkbaren Zweitverfahrens nicht vorgewarnt werden dürfe. Die den Grundsatz des rechtlichen Gehörs beschneidende Bestimmung des § 922 Abs. 3 ZPO ist infolgedessen bei dieser Verfahrensgestaltung nicht anwendbar, da eine teleologische Reduktion geboten ist. Der gerichtlichen Praxis ist indessen eindringlich zu empfehlen, den Beschluss so eindeutig zu fassen, dass in dem Gläubiger nicht die Erwartung geweckt werden kann, entsprechend früheren Gepflogenheiten werde – gewissermaßen als Entgegenkommen für eine geräuschlose Erledigung – der Beschluss und auch eine spätere Antragsrücknahme vor dem Schuldner geheim gehalten. Einem Vorschlag von Spätgens317 folgend sollte daher in dem Beschluss klargestellt werden, dass der Schuldner spätestens von einer nachfolgenden Antragsrücknahme (oder auch, was wegen der entfallenden Sperrwirkung des § 922 Abs. 3 ZPO zulässig wäre: sofort von dem Beschluss) unterrichtet werde. 119 Hinweise an die antragstellende Partei brauchen nicht im Beschlusswege zu erfolgen. Sie sind auch durch eine Verfügung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters möglich, sofern dem eine interne Entscheidung des gesamten Spruchkörpers zu Grunde liegt,318 und angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten der Kommunikation auch dann praktikabel, wenn keine Zeit verloren werden darf. Nach § 139 Abs. 4 ZPO sind die Hinweise aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Mit der Kopie eines Faxes oder einem Ausdruck der Mail ist dem unschwer nachzukommen. Heikler sind die Hinweise, die per Telefon erteilt werden. Gegen diese als Telefonseelsorge319 bezeichnete Art der Beratung hat sich insbesondere Teplitzky mit Entschiedenheit ausgesprochen.320 Der Begriff der Telefonseelsorge über-

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312 Vor allem Teplitzky FS für Bornkamm, S. 1073, 1084 f.; GRUR 2008, 34, 38; Kap. 55 Rn. 5a; Ahrens/ Scharen Kap. 51 Rn. 9; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 88, 94 mit Fn. 189; für eine Interessenabwägung plädiert Guhn WRP 2014, 27, 30. 313 Teplitzky wie zuvor. 314 Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 4; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 91. 315 Schuschke/Walker § 922 Rn. 27 mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien in Fn. 82; MünchkommZPO/Drescher 922 Rn. 13 a.E.; Wieczorek/Schütze/Thümmel § 922 Rn. 13; Zöller/Vollkommer § 922 Rn. 1. 316 Vgl. Rn. 93 ff. 317 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 88. 318 Zöller/Greger § 139 Rn. 12; Wieczorek/Schütze/Smid, 4. Aufl., § 139 Rn. 56–58. 319 AK-ZPO/Schmidt § 139 Rn. 56. 320 GRUR 2008, 34, 38 f. sowie Kap. 55 Rn. 5a mit jeweils umfangreichen Nachweisen von eine telefonische Beratung ablehnenden Stimmen im Schrifttum.

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geht allerdings, dass die Richter häufiger zum Hörer greifen, um den Gläubigervertreter zur Rücknahme seines Antrags zu bewegen als einem unschlüssigen Begehren in den Sattel zu helfen.321 Auch wäre gegen einen geschäftsmäßig gehaltenen kurzen Hinweis, mit dem das Gespräch begonnen und sogleich beendet ist und der sich in einem Aktenvermerk wortgetreu festhalten lässt, nichts Fundamentales einzuwenden. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass es dabei meistens nicht sein Bewenden hat. Die gewohnten Höflichkeitsformen, mitunter auch persönliche Bekanntschaften, führen dazu, dass der kurze Anfangshinweis zu einer telefonischen Sachdiskussion mutiert, die einer einigermaßen zuverlässigen Dokumentation in einem Aktenvermerk nicht mehr zugänglich und schon deshalb unzulässig ist.322 Die Hinweiserteilung per Mail anstelle des telefonischen Gesprächs ist angesichts dessen unbedingt vorzuziehen. Der von Teplitzky geforderten Benachrichtigung des Antragsgegners323 über den (wie auch immer) erteilten Hinweis steht, wenn er zweifelsfrei im Stadium des einseitigen Verfahrens erteilt worden ist, § 922 Abs. 3 ZPO entgegen. Der weitere Verfahrensfortgang ist vollständig offen: Die Rücknahme des Antrags, eine erfolgreiche Ergänzung des Vorbringens oder das Beharren des Antragstellers auf einer sofortigen Entscheidung mit der Folge einer abweisenden Beschlussverfügung sind allesamt möglich. Der von § 922 Abs. 3 ZPO garantierte Überraschungseffekt bei einer zweitinstanzlichen Beschwerde muss gewahrt bleiben. f) Schutzschrift. Der Schuldner, der den Erlass einer gegen ihn gerichteten einst- 120 weiligen Verfügung befürchtet, hat die Möglichkeit, bei Gericht vorsorglich eine schriftliche Darstellung der Gründe einzureichen – eine so genannte Schutzschrift –, die aus seiner Sicht dem Erlass einer einstweiligen Verfügung entgegenstehen. Sie kann tatsächliche Behauptungen und/oder rechtliche Erwägungen enthalten. Sie unterliegt ebenso wenig wie der Verfügungsantrag dem Anwaltszwang.324 Die Schutzschrift ist im Wettbewerbsverfahrensrecht seit vielen Jahrzehnten anerkannt. Sie ist eine Präventivmaßnahme gegen die nicht auszuschließende Bestätigung des vom Gläubiger reklamierten Anspruchs ohne Anhörung des Schuldners und außerhalb des Gesetzes entwickelt worden in dem Bestreben, die gerichtlichen Titulierungen ohne vorherige Gewährung des rechtlichen Gehörs zu reduzieren, Sie war schließlich so verbreitet und respektiert,325 dass von einem gewohnheitsrechtlich verankerten Institut gesprochen wurde.326 Inzwischen hat der Gesetzgeber das Rechtsinstitut ausdrücklich anerkannt.327 Der 121 Bundestag hat am 10.10.2013 das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten beschlossen328 und die ZPO um einen § 945a (Einreichung von Schutzschriften) ergänzt. Nach dessen Abs. 1 führen die Länder ein zentrales, länder-

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321 Vgl. die Darstellung bei Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 34 über die frühere Praxis bei Wettbewerbskammern in Düsseldorf und Köln. 322 Vgl. Schulz WRP 2009, 1472, 1473 mit Fn. 3. 323 GRUR 2008, 34, 38 f. und Kap. 55 Rn. 5a. 324 Allgemeine Meinung, vgl. nur Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 610; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG § 12 Rn. 93; Fezer/Büscher § 12 Rn. 117; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 97 Rn. 26. 325 Teplitzky NJW 1980, 1667 und Kap. 55 Rn. 52; Schulz WRP 2009, 1472; Wehlau, Die Schutzschrift, Rn. 10; Wehlau/Kalbfus WRP 2012, 395; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 606; Ahrens/Spätgens Kap. 6 Rn. 1 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 97 Rn. 26 ff.; Fezer/Büscher § 12 Rn. 116 f.; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 406 f.; Piper/OhlySosnitza § 12 Rn. 133; Berneke Rn. 125 mit ausführlicher Begründung, warum die Zulässigkeit der Schutzschrift nicht mit § 937 Abs. 2 ZPO kollidiert. 326 Melullis Rn. 43; Hess in: Ullmann Juris PK-UWG § 12 Rn. 93. 327 Vgl. dazu im Einzelnen Schwippert MarkenR 2014, 6. 328 BGBl. I Nr. 62, 3786.

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übergreifendes elektronisches Register für Schutzschriften, die als vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf Arrest oder einstweilige Verfügung definiert werden. Nach dessen Abs. 2 gilt eine Schutzschrift als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder eingereicht, sobald sie im Schutzschriftenregister eingestellt ist. Sie ist sechs Monate nach ihrer Einstellung zu löschen. Die Gerichte erhalten Zugriff auf das Register über ein automatisiertes Abrufverfahren (Abs. 3). Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt (§ 945b ZPO), durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Detailbestimmungen zu treffen. Als flankierende Maßnahme ist in die BRAO ein neuer § 49c eingefügt worden, der den Rechtsanwalt verpflichtet, Schutzschriften ausschließlich zum Schutzschriftenregister nach § 945a ZPO einzureichen. Eine Verletzung dieser standesrechtlichen Vorschrift wird freilich nichts daran ändern, dass eine bei einem Gericht in Papierform eingereichte Schutzschrift wirksam vorgelegt worden ist.329 Die notwendigen Umsetzungsmaßnahmen erfordern Zeit. § 945a ZPO tritt nach Art. 26 Abs. 5 des Gesetzes am 1.1.2016 in Kraft. Die anwaltliche Verpflichtung, Schutzschriften nur bei den neuen elektronischen Registern einzureichen, setzt erst mit dem 1.1.2017 ein (Art. 26 Abs. 6). Bis dahin regiert noch der alte Zustand. 122 Einen Anlass für eine Schutzschrift hat der Schuldner nur, sofern er konkrete Anhaltspunkte für ein gerichtliches Vorgehen des Gläubigers besitzt. In aller Regel wird das nur bei einer vorherigen Abmahnung der Fall sein.330 Zudem steht der Schuldner vor der Schwierigkeit, dass er nicht weiß, welchen von den ihm meist zur Verfügung stehenden mehreren Gerichtsstandorten der Gläubiger auswählt. Es obliegt ihm dann – solange nicht die Vorschriften des neuen Gesetzes in Kraft sind –, die Schutzschrift bei allen ernsthaft infrage kommenden Gerichten zu hinterlegen.331 Das ist nicht nur ein logistischer Aufwand; die Kosten für die Einreichung der Schutzschrift werden nur bei dem Gericht erstattet, bei dem ein korrespondierender Verfügungsantrag tatsächlich eingereicht wird.332 Auch kann der Aufbau einer Gegenargumentation schwierig sein, weil die knapp gehaltene Abmahnung manches offen gelassen hat, oder weil die Antragsschrift unbekannte Variationen gegenüber dem Abmahnschreiben enthält.333 Das erkennende Verfügungsgericht muss sich mit dem Inhalt der Schutzschrift in al123 len rechtlich relevanten Punkten, auch den Fragen der Zulässigkeit, auseinandersetzen,334 und auch einen dort gestellten Antrag auf Verweisung an die Kammer für Handelssachen berücksichtigen.335 Organisatorische Probleme bereitet das bei den großen Wettbewerbsgerichten, soweit ersichtlich, nicht mehr.336 Die Geschäftsstellen erfassen die

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329 Vgl. Schwippert MarkenR 2014, 6, 7. 330 Zu Ausnahmen Vgl. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 173; Schulz WRP 2009, 1472, 1473 f.; Harte/ Henning/Retzer § 12 Rn. 608. 331 Wehlau/Kalbfus WRP 2012, 395, 397; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 97 Rn. 30; die heftige Kritik von Herr GRUR 1986, 436 an dieser Praxis hat Teplitzky Kap. 55 Rn. 52 bei Fn. 287 mit Recht zurückgewiesen. 332 OLG Hamburg, Beschluss vom 23.10.2013 – 4 W 100/13 – GRUR-RR 2014, 96. 333 BGH, 13.2.2003 – I ZB 23/02, GRUR 2003, 450 – Kosten der Schutzschrift I. 334 BGH wie zuvor; OLG Düsseldorf WRP 1995, 499; Ahrens/Spätgens Kap. 6 Rn. 21 mit zahlreichen Nachweisen zur älteren obergerichtlichen Rechtsprechung; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 97 Rn. 27; Teplitzky Kap. 55 Rn. 52; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu §§ 935 B. Rn. 4; a.A. früher Nirk/Kurtze Rn. 157. 335 Heil WRP 2014, 24 ff. gegen eine von ihm beobachtete neue Rechtsprechung des LG Hamburg. 336 Vgl. Teplitzky Kap. 55 Rn. 53.

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eingehenden Schutzschriften,337 und die Vorsitzenden verfügen beim Eingang eines neuen Antrags standardmäßig, eine etwa vorhandene Schutzschrift vorzulegen. Weitere Hilfen bietet in der verbleibenden Übergangszeit ein von der Europäischen EDV-Akademie des Rechts eingerichtetes Zentrales Schutzschriftenregister im Internet (www.schutzschriftenregister.de), dass die bundesdeutschen Landgerichte aber – da deren Teilnahme freiwillig ist – nicht vollständig erfasst.338 Wird eine Schutzschrift mit erheblichen Einwendungen übersehen und aufgrund dessen eine Beschlussverfügung erlassen, wird der darin liegende Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs im anschließenden Widerspruchsverfahren im allgemeinen geheilt. Irreparabel ist jedoch ein Schaden, der dem Antragsgegner dadurch entsteht, dass er das gerichtliche Verbot in der Zeit zwischen seiner Zustellung an ihn und seiner Aufhebung nach der mündlichen Verhandlung zu beachten hatte. Alsdann kommt ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 BGB in Betracht, der jedenfalls dann nicht am Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 S. 1 BGB scheitert, wenn, wie es regelmäßig der Fall sein dürfte, für die Unachtsamkeit ein Beamter auf der Geschäftsstelle verantwortlich war.339 Zu hoffen ist, dass die seinerzeitige Kritik von Borck,340auf telefonischen Anruf wür- 124 den die Geschäftsstellen der Gerichte allzu bereitwillig Auskunft erteilen, ob in einer bestimmten Sache eine Schutzschrift vorliege, aufgrund eines gestiegenen datenschutzrechtlichen Bewusstseins heute nicht mehr begründet ist. Bereitwillige Auskünfte setzten die Antragsteller seinerzeit in den Stand, vor Einreichung eines Antrags bequem herauszufinden, wo eine Schutzschrift nicht hinterlegt war, um dann dort den Gerichtsstand zu wählen. Eine Übermittlung der Schutzschrift an den Antragsteller vor Eingang eines Verfügungsantrages hat daher zu unterbleiben.341Allerdings haben die Gläubiger die Möglichkeit, die das bei Gericht geführte allgemeine Register darauf durchzusehen, ob in ihm eine Schutzschrift des Kontrahenten geführt wird.342 Ein Recht, die Schutzschrift einzusehen, haben sie nicht. § 299 ZPO ist nicht anwendbar, weil noch kein Prozessrechtsverhältnis besteht.343 Enthält die Schutzschrift erhebliche Einwendungen, so kann der entsprechende 125 Tatsachenvortrag, auch wenn er mit tauglichen Mitteln glaubhaft gemacht ist, nicht einfach einer abweisenden Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Vielmehr hat jetzt der Antragsteller Anspruch auf die Gewährung rechtlichen Gehörs. Die Schutzschrift ist ihm nun zuzuleiten – anfängliche Überlegungen, das müsse unverzüglich nach ihrem Eingang bei Gericht geschehen, sind überholt344 – und zwar verbunden mit einer

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337 Zur geschäftsmäßigen Behandlung ausführlich Ahrens/Spätgens Kap. 6 Rn. 13 und Wehlau Rn. 150–155. 338 Nähere Einzelheiten bei Schulz WRP 2009, 1472, 1474 f.; Wehlau Rn. 51–62; Wehlau/Kalbfus WRP 2012, 395, 398; vgl. a. Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 613a, 614; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 B. Rn. 2. 339 Vgl. dazu Wehlau Rn. 156–159, der m.E. aber zu Unrecht für möglich hält, dass über die Anwendung einer zu § 945 ZPO entwickelten Rechtsprechung – die mit der verschuldensabhängigen Amtshaftung nichts zu tun hat – Schäden, die allein auf einen fehlenden Verfügungsgrund zurückzuführen seien, nicht ersatzfähig sein könnten. 340 WRP 1978, 262, 263 unter IIIb. 341 Wehlau Rn. 167 f. mit anschließender ausführlicher Darstellung von Informationsrechten; Ahrens/ Spätgens Kap. 6 Rn. 15 f. 342 Wehlau Rn. 169 f. 343 Wehlau Rn. 171 f.; MünchkommZPO/Drescher § 937 Rn. 10. 344 Die Frage ist von Schultz-Süchting in der Vorauflage § 25 Rn. 170 noch ausführlich erörtert, aber schon damals verneint worden.

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Terminsbestimmung oder der Aufforderung zu einer befristeten schriftlichen Erwiderung.345 Andererseits können mit einer Schutzschrift auch Eigentore geschossen werden.346 Auf eine ungenügende Glaubhaftmachung in der Antragsschrift kommt es nicht mehr an, wenn sich nach der Lektüre der Schutzschrift der relevante Sachverhalt als unstreitig erweist und die beantragte Verfügung daher entgegen der ersten Einschätzung ohne mündliche Verhandlung erlassen werden kann.347 Keinesfalls kann aber wegen des Inhalts einer Schutzschrift ein dem Antrag stattgebender Beschluss bei einem unschlüssigen Gläubigervortrag ergehen.348 126 Die moderne Kommentarliteratur erörtert mit unterschiedlichem Ergebnis die Frage, ob erhebliche Einwendungen in der Schutzschrift dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn ein besonderes Eilinteresse des Antragstellers eine sofortige Entscheidung gebietet.349 Die Frage wird rein abstrakt erörtert, weil offenbar die Judikatur verwertbares Fallmaterial bisher nicht an den Tag gebracht hat. Die Diskussion ist daher wenig fruchtbar. Es wird im Streitfall eine Interessenabwägung erforderlich sein, deren Ausgang offen ist.350 Insbesondere wäre ein Auge darauf zu richten, inwiefern einerseits die Eilbedürftigkeit eminent sein kann, andererseits aber eine Schutzschrift des Antragsgegners vor dem Verfügungsantrag bei Gericht eingetroffen ist; es gilt dann, den Verdacht auszuräumen, der Antragsteller habe mit der Einreichung des Antrags solange gewartet, bis die unabweisbare Dringlichkeit eine Berücksichtigung gegnerischer Einlassungen schlechthin nicht mehr erlaube. Gelingt das nicht, wird die Interessenabwägung schwerlich zu Gunsten des Antragstellers ausfallen können. Weil die Schutzschrift ohne vorgegebenes gesetzliches Korsett entwickelt worden 127 ist, sind der Fantasie bei ihrer Gestaltung keine engen Grenzen gesetzt. Der Spielraum für taktische Überlegungen bei ihrer Abfassung ist groß. Die aus anwaltlicher Sicht anzustellenden Überlegungen sind in der Vorauflage von Schultz-Süchting ausführlich dargestellt worden.351 128

g) Glaubhaftmachung. Der Antragsteller hat nach den §§ 920 Abs. 2, 936 ZPO den Verfügungsgrund und den Verfügungsanspruch glaubhaft zu machen. Es besteht weitgehend Einigkeit, dass unter „Verfügungsgrund“ in dieser Vorschrift entgegen dem engen Wortlaut sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen zu verstehen sind, insbesondere auch die Prozessführungsbefugnis.352

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345 Hilgard, Die Schutzschrift im Wettbewerbsrecht, S. 39 f.; Teplitzky Kap. 55 Rn. 52; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.40; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 97 Rn. 27; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 B Rn. 5; zur regelmäßigen mündlichen Verhandlung tendieren Berneke Rn. 129; Melullis Rn. 47; KG WRP 1999, 547, 548 in einer kostenrechtlichen Entscheidung; Borck MDR 1988, 908, 912. 346 Vgl. Wehlau/Kalbfus WRP 2012, 395, 400 unter Z. 4a. 347 Deutsch GRUR 1990, 327, 328; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 168; Teplitzky Kap. 55 Rn. 52; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 620; Berneke Rn. 129; a.A. Borck MDR 1988, 908, 913. 348 So zutreffend Melullis WRP 1982, 249, 250 mit dem in Fn. 11 allerdings unrichtig belegten Vorwurf an einige Obergerichte, diesen Grundsatz missachtet zu haben. 349 Nicht zu berücksichtigen: Berneke Rn. 129; immer zu berücksichtigen: Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 623; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 B. Rn. 4. 350 MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 409. 351 § 25 Rn. 167–169. 352 OLG Koblenz GRUR 1979, 496, 498; Teplitzky JuS 1981, 122, 124 sowie Kap. 54 Rn. 44; Harte/Henning/ Retzer § 12 Rn. 416; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.21; Ahrens/Scharen Kap. 50 Rn. 2–15 mit großer Ausführlichkeit zur Prozessführungsbefugnis; Schuschke/Walker § 920 Rn. 18; Stein/Jonas/Grunsky § 936 Rn. 3; Zöller/Vollkommer § 936 Rn. 2; a.A. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes im zivil-, verfassungs-und verwaltungsgerichtlichen Verfahren, 1971, S. 52 ff. (volle Beweisführung).

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Unstreitig ist, dass aus § 920 Abs. 2 ZPO eine doppelte Botschaft abzuleiten ist. Zum 129 einen sind eidesstattliche Versicherungen zugelassen – von Zeugen, der antragstellenden Partei und deren Anwalt353 –, die im einseitigen Verfahren die nicht mögliche Vernehmung von Zeugen und Parteien vollständig ersetzen. Zweitens genügt statt der sonst notwendigen Überzeugung des Richters von der Wahrheit einer streitigen Begründung die Feststellung einer gewissen Wahrscheinlichkeit.354 Im einseitigen Verfahren kann die Darlegungs – und Glaubhaftmachungslast nicht 130 genauso verteilt werden wie die Darlegungs – und Beweislast bei einer Klage. Der Umstand, dass der Schuldner am Verfahren nicht beteiligt ist, gebietet es, dem Verfügungsgläubiger mehr an Darlegung und Glaubhaftmachung aufzubürden als dem Kläger an Darlegung und Beweis. Es herrscht inzwischen nahezu Einverständnis, dass in der Antragsschrift auch darzulegen (und glaubhaft zu machen) ist, dass Einwendungen, die nach den Umständen des Falles nahe liegen, tatsächlich nicht bestehen.355 In vielen Erläuterungswerken werden den Einwendungen Einreden wie selbstverständlich gleichgestellt.356 Andere Autoren machen für die Einreden, auf die sich der Schuldner berufen muss, ausdrücklich eine Ausnahme.357 Nach ihrer Auffassung kann eine Verjährungseinrede im einseitigen Verfahren nur berücksichtigt werden, wenn sie bereits aktenkundig ist – sei es durch eine von dem Antragsteller selbst vorgelegte Erwiderung auf die Abmahnung, sei es durch eine Schutzschrift. In der vorliegenden Kommentierung ist bei der Erörterung des Verfügungsgrundes die Auffassung vertreten worden, dass die Dringlichkeit stets fehlt, wenn der geltend gemachte Anspruch schon verjährt ist, ohne dass es auf die Erhebung der Verjährungseinrede ankäme.358 Wer dem folgt, hat es in dem jetzt behandelten Kontext nicht mit einer Einrede zu tun, die erst erhoben werden muss, um Beachtung zu finden, sondern mit einer die Zulässigkeit des Antrags vernichtenden Einwendung. Legen mithin die bekannten Daten die Annahme nahe, die Forderung sei verjährt, hat der Gläubiger darzutun, dass dem nicht so ist, wenn er eine Beschlussverfügung erstreiten will. Der Streit, ob es im späteren zweiseitigen Verfahren bei der Verteilung der Darlegungslast, wie sie im einseitigen Verfahren vorgenommen worden ist, bleibt,359 soll hier noch nicht interessieren. Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen der Antrag abgewiesen wurde, weil ein 131 Vortrag des Gläubigers zum Ausschluss naheliegender Einwendungen fehlte, sind allerdings rar. In dem von dem OLG Celle entschiedenen Schulfall360 hatte der Antragsteller zu einer gezielten Behinderung des Antragsgegners, der nach einer beworbenen Rabattaktion die verbilligten Fernsehgeräte des Antragstellers vollständig aufgekauft hatte, schlüssig vorgetragen. Nach den Umständen des Falles war es aber plausibel, dass er mit

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353 OLG Köln GRUR 1986, 196; Ahrens/Scharen Kap. 50 Rn. 30; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 73. 354 Vgl. Zöller/Vollkommer § 294 Rn. 1; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 74. 355 Teplitzky WRP 1980, 373, 374 sowie Kap. 54 Rn. 45; Kur GRUR 1982, 663, 668; Berneke Rn. 107; Fezer/Büscher § 12 Rn. 103; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 100 Rn. 75; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 418; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.21; Melullis Rn. 191a; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 445; Stein/Jonas/Grunsky § 920 Rn. 11; Schuschke/Walker §§ 920 Rn. 22; mit Vorbehalten referierend allerdings Zöller/Vollkommer vor § 916 Rn. 6a; a.A. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 80; Ulrich GRUR 1985, 210, 211. 356 Differenzierter Teplitzky JuS 1981, 122, 125. 357 Ahrens/Scharen Kap. 50 Rand Nr. 18 bei Fn. 74; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 445; Schuschke/Walker § 920 Rn. 22. 358 Vgl. Rn. 59. 359 Vgl. Ahrens/Scharen Kap. 50 Rn. 19 (nein); Hirtz NJW 1986, 110, 112 f. (ja). 360 WRP 1974, 277, 279.

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seinem von dem Antragsgegner ausgenutzten Zeitungsinserat ein unzulässiges Lockvogelangebot geschaltet hatte, gegen das sein Konkurrent nicht zu beanstandende Abwehrmaßnahmen ergriffen hatte. Der Verfügungsantrag blieb ohne Erfolg, weil nicht dargelegt und glaubhaft gemacht sei, dass kein Lockvogelangebot vorgelegen habe. Für den Antragsteller ist die Lage im einseitigen Verfahren auch dann schwierig, 132 wenn die Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit einer Handlung von Einzelheiten abhängt, über die nur der Antragsgegner zuverlässig Bescheid weiß – weil er beispielsweise Vorzüge des eigenen Unternehmens gerühmt hat –, so dass Letzteren eine sekundäre Darlegungslast trifft. Kann der Antragsteller keine Indiztatsachen vortragen, die den gewünschten Schluss zulassen, wird eine Beschlussverfügung nicht in Betracht zu ziehen sein.361 Schultz-Süchting hat die Auffassung, der Gläubiger habe im einseitigen Verfahren 133 die nahe liegenden Einwendungen auszuräumen, mit der Begründung abgelehnt, es sei nur schwer auszumachen, wo eine Grenze zwischen den nahe liegenden und den nicht nahe liegenden Einwendungen gezogen werden könne.362 Das ist richtig; gleichwohl sind schwierige Differenzierungen tägliches juristisches Brot und verdienen den Vorzug gegenüber einem Ergebnis, dass dem Gläubiger zu einem raschen Titel verhilft, obgleich unschwer vorauszusehen ist, mit welcher Einwendung der im Widerspruchsverfahren angehörte Schuldner den Anspruch zu Fall bringen wird. Indessen offenbart sich die Problematik an der seit langem vorgetragenen Forderung von Teplitzky,363 der Gläubiger habe, sofern weitere Gerichtsstände in Betracht kämen, darzulegen und glaubhaft zu machen, also eidesstattlich zu versichern, dass der Verfügungsantrag nur bei dem angerufenen Gericht anhängig gemacht worden sei. Der Vorschlag beruht auf dem verständlichen Wunsch, den Missgeburten des forum shopping Einhalt zu gebieten. Es fragt sich aber, ob es tatsächlich „nahe liegt“, dass demnächst der Schuldner mit seinem Einwand erfolgreich sein wird, der Gläubiger habe die ihm ermöglichte Standortwahl zu einer mehrfachen Einreichung des gleichen Antrags und damit zum versuchten Prozessbetrug genutzt. Der Umstand, dass derartige Praktiken schon festzustellen waren, ändert nichts an der (hoffentlich begründeten) Vermutung, dass es sich bei statistischen Ermittlungen um eine verschwindend geringe Prozentzahl handeln würde. Es ist daher verständlich, dass sich Teplitzkys Vorschlag im Gerichtsalltag bislang nicht durchgesetzt hat. h) Förmlichkeiten des Antrags. Der das Verfügungsverfahren einleitende Antrag kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden (§§ 920 Abs. 3, 936 ZPO). Angesichts dessen unterliegt er nach § 78 Abs. 5 ZPO nicht dem Anwaltszwang. Die Vollstreckung einer Unterlassungsverfügung, wie sie im Wettbewerbsrecht ty135 pisch ist, setzt nach § 890 Abs. 2 ZPO die vorherige Androhung eines Ordnungsmittels voraus. Der Verfügungsantrag ist wirksam, auch wenn er diesen für die Vollstreckung bedeutsamen Antrag nicht enthält. Gleichwohl ist es zu empfehlen, den Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln zugleich mit dem Verfügungsantrag zu stellen, weil die Zustellung einer einstweiligen Verfügung, welche die Androhung noch nicht enthält,

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361 Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 78; Ahrens/Scharen Kap. 50 Rn. 20; Berneke Rn. 107 sieht sich zu diesen Autoren im Gegensatz (vgl. Fn. 409), verlangt selbst aber auch die Angabe und Glaubhaftmachung von „Anhaltspunkten“ (mit weniger Aussagekraft als Indiztatsachen?). 362 Vorauflage § 25 Rn. 80 bei Fn. 176. 363 WRP 1980, 373, 374 und Kap. 54 Rn. 45 Fn. 250; ebenso Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 3; Danckwerts GRUR 2008, 763, 767; damit sympathisierend MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 445.

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nach gesicherter Rechtsprechung keine wirksame Vollziehung im Sinne des § 929 ZPO darstellt.364 Für die Fassung des Verfügungsantrages bestehen gegenüber der Fassung des Kla- 136 geantrags keine Besonderheiten. Er hat den Anforderungen an die Bestimmtheit des Antrags im Sinne des §253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen.365 Antragsfehler, die im Eilverfahren noch ungerügt geblieben sind, können sich in einem über § 926 Abs. 1 ZPO eingeleiteten Hauptsacheverfahren nachteilig auswirken, weil die nach dieser Vorschrift gesetzte Frist nur mit einem dem Verfügungsantrag inhaltlich entsprechenden Klageantrag gewahrt werden kann.366 Nicht ganz unstreitig ist, inwieweit die Bestimmung des § 938 Abs. 1 ZPO dazu führt, 137 dass bei einer wettbewerbsrechtlichen Leistungsverfügung der Richter an den gestellten Antrag entgegen der Vorschrift des § 308 Abs. 1 ZPO nicht vollständig gebunden ist. Auch die Autoren, die eine gewisse Loslösung des Richters von der Antragsfassung für richtig halten, betonen aber, dass Grundlage der Entscheidung immer ein dem Bestimmtheitserfordernis entsprechender Antrag zu sein hat.367 Eine andere Auffassung ist zuletzt 1983 vertreten worden mit dem Hinweis, es sei in deutschen Gerichtssälen weithin üblich, in einem wettbewerbsrechtlichen Verfügungsverfahren keinen Antrag zu stellen, sondern es bei einer Anregung zu belassen, wie das Gericht zweckmäßigerweise den Tenor ausformulieren könne. Da die Übung sehr verbreitet sei, so war das tragende Argument, müsse sich auch eine Rechtfertigung im Gesetz finden.368 i) Abweisender Beschluss. Das Gericht kann das einseitige Verfahren durch einen 138 Beschluss (zunächst) beenden. Wenn der Verfügungsantrag unzulässig oder unschlüssig begründet ist, wird er ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen (§ 937 Abs. 2 ZPO). Dieser Beschluss muss aus rechtsstaatlichen Gründen mit einer Argumentation versehen werden, woran das Begehren gescheitert ist. Der Antragsteller ist darüber zu informieren, mit welchen Gegengründen es sich lohnt, die nächste Instanz anzurufen, und das Beschwerdegericht muss wissen, welche Gedanken es zu bestätigen oder zu verwerfen hat.369 j) Stattgebenden Beschluss. Wird die beantragte Verfügung erlassen, weil das Ge- 139 richt eine besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit annimmt, bedarf der Beschluss grundsätzlich keiner Begründung.370 Das folgt aus § 922 Abs. 1 S. 2 ZPO, der eine Begründungspflicht (nur) für Entscheidungen vorsieht, die im Ausland geltend gemacht werden

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364 BGH 2.11.1995 – IX ZR 141/94 – BGHZ 131, 141= WRP 1996, 104, 105 – einstweilige Verfügung ohne Strafandrohung; OLG Hamm GRUR 1991, 336, 337; OLG Hamburg GRUR 1997, 147, 148; eine teilweise gegenteilige ältere Rechtsprechung, z.B. OLG Celle GRUR 1987, 66, ist nach der eben zitierten Entscheidung des BGH nicht wiederbelebt worden. Das Schrifttum stimmt der Rechtsprechung inzwischen einhellig zu, vgl. Ahrens WRP 1999, 1, 5; Teplitzky Kap. 54 Rn. 41 mit vielen weiteren Nachweisen; auch schon Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 104. 365 OLG Koblenz WRP 1993, 343, 344; OLG Celle Magazindienst 2010, 708, 710; Fezer/Büscher § 12 Rn. 113; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 367; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.6; Teplitzky Kap. 54 Rn. 38 mit vielen weiteren Nachweisen zur älteren Rechtsprechung in Fn. 232. 366 BGH 1.4.1993 – I ZR 70/91 – BGHZ 122, 172, 176 = GRUR 1991, 998, 999 – Verfügungskosten; Harte/ Henning/Retzer § 12 Rn. 563; Teplitzky Kap. 54 Rn. 39. 367 Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 103; Ahrens/Jestaedt Kap. 56 Rn. 3. 368 Brückmann WRP 1983, 656. 369 Melullis Rn. 209a; Berneke Rn. 174. 370 H.M.: Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 41; Berneke Rn. 171; Fezer/Büscher § 12 Rn. 123; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 106; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 390; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.23; Teplitzky Kap. 55 Rn. 5.

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sollen.371 Etwas Gegenteiliges lässt sich weder aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts372 noch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte373 ableiten, weil es um eine vorläufige Entscheidung in einem Eilverfahren ohne Beteiligung des Gegners geht, der aber die Möglichkeit hat, gegen diese Entscheidung noch in derselben Instanz vorzugehen. Freilich war es schon vor 1988, als § 922 Abs. 1 S. 2 ZPO in das Gesetz eingefügt wurde, gängige Praxis, einen dem Antrag in vollem Umfang stattgebenden Beschluss im Regelfall nicht zu begründen.374 Sie entsprach den Anforderungen der Prozessökonomie in einem Eilverfahren375 und erleichterte es den beteiligten Richtern, in einem Widerspruchsverfahren die von dem Antragsgegner vorgetragenen Gesichtspunkte unbefangen zu prüfen, ohne schriftlich festgelegte Positionen wieder revidieren zu müssen.376 Dennoch sollte der Beschluss (nobile officium) eine wenigstens stichwortartig skiz140 zierte Begründung enthalten, wenn der Schuldner schon in diesem Stadium des Verfahrens (sei es in der Schutzschrift, sei es in einer vom Gericht angeforderten Stellungnahme) zu Gehör gekommen ist. Er hat einen kurzen Hinweis verdient, warum seine Einwände nicht greifen. In vielen Fällen, in denen im Unterlassungsantrag (Fotokopierantrag) wie im Verfügungstenor nur die konkrete Verletzungsform eingeblendet ist, empfiehlt es sich, als mittelbare Begründung des Gerichts dem Beschluss die Antragsschrift beizufügen, damit der Antragsgegner über den vom Antragsteller angeführten und vom Gericht ersichtlich übernommenen Grund für die Wettbewerbswidrigkeit der angegriffenen Handlung ins Bild gesetzt wird.377 141 Die Beifügung der Antragsschrift alleine genügt aber nicht, wenn darin das erstrebte Verbot alternativ auf verschiedene Gesichtspunkte, wie etwa eine gleichzeitige Irreführung über verschiedene Umstände, gestützt worden ist. Dann hat das Gericht in einer zusätzlichen Begründung deutlich zu machen, welcher der vorgebrachten Aspekte zum Erlass der Verfügung geführt hat.378 Erst damit wird dessen Schutzumfang erkennbar. Unterbleibt dieser Hinweis, ist der Beschluss zwar nicht unwirksam:379 Er umschreibt hinreichend bestimmt, welche konkrete Maßnahme der Antragsgegner nicht wiederholen darf. Der Schuldner gelangt aber aus dem Schutzbereich des Verbotes heraus, wenn er die vom Gläubiger angegriffene Wettbewerbshandlung so variiert, dass sie (nur) eine der vom Gläubiger in der Antragsschrift wahlweise attackierten Angriffsflächen nicht mehr bietet. Ordnungsmittel können dann gegen diese neue Maßnahme nicht verhängt werden, obgleich sie möglicherweise den Verletzungstatbestand wiederholt, der das Gericht zum Erlass des Verbotes veranlasst hat – was aber mangels richterlicher Begründung durch keine Auslegungsmethode zu ermitteln ist. Eine bei derartigen Fallgestaltungen fehlende Begründung führt, wie alle Erfahrung lehrt, oft zu praktischen Turbulenzen, weil die Parteien und das Vollstreckungsgericht den Rätsel aufgebenden Beschlusstenor in

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371 Herr NJW 1993, 2287; Melullis Rn. 209. 372 So allerdings Nägele NJW 1993, 1045, 1046; dagegen zutreffend Herr NJW 1983, 2286; insoweit Herr zustimmend Lippold NJW 1994, 1110. 373 So allerdings Lippold NJW 1994, 1110,der sich auf die Hadjanastassiou – Entscheidung des EGMR (NJW 1993, 1697) beruft, wo es um eine erstinstanzliche militärstrafrechtliche Verurteilung ging; dagegen zutreffend Melullis Rn. 209. 374 Vgl. OLG Nürnberg NJW 1976, 1101; OLG Düsseldorf GRUR 1984, 78. 375 Vgl. Melullis Rn. 209; Herr NJW 1983, 2286. 376 Vgl. die Erwägungen bei Schultz-Süchting Vorauflage § 12 Rn. 125. 377 Zöller/Vollkommer § 920 Rn. 10 hält dass bei fehlender Begründung stets für notwendig; ähnlich MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 439; vgl. a. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 125. 378 Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 125; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 390. 379 Zutreffend OLG Hamburg Urteil vom 3.5.2012 – 3 U 155/10.

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der Weise interpretieren, dass sie alle in der Antragsschrift wahlweise genannten Verbotsgründe kumulativ verwerten. Der Antragsteller erhält dann de facto das Verbot in einem deutlich weiteren Umfang, als er es beantragt hat. k) § 938 Abs. 1 ZPO. Im modernen Schrifttum380 und in der Rechtsprechung381 über- 142 wiegt die Auffassung, dass auch im wettbewerbsrechtlichen Eilverfahren ungeachtet der Vorschrift des § 938 Abs. 1 ZPO das Verbot gilt (§ 308 Abs. 1 ZPO), dem Antragsteller mehr oder etwas anderes zuzusprechen als er beantragt hat. Das letztgenannte aliudVerbot wird im zivilprozessualen Schrifttum zur Regelungs- und Sicherungsverfügung nicht schlechthin anerkannt; es gilt aber uneingeschränkt für den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch, dessen zeitweise Befolgung durch den Schuldner stets zu einer partiellen Erfüllung führt. § 938 Abs. 1 ZPO gestattet hier keine größeren Freiheiten. Erlaubt ist lediglich die redaktionelle Glättung sprachlicher Fehler oder offensichtlicher Falschbezeichnungen. Meinungsverschiedenheiten bei den zeitgenössischen Autoren bestehen im wesent- 143 lichen nur darin, ob bei diesen Korrekturarbeiten im Eilverfahren ein etwas größerer Spielraum besteht als im Klageverfahren382 oder ob das nicht der Fall ist, weil § 938 Abs. 1 ZPO im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverfügung vollständig unanwendbar ist.383 Gegen diese enge Bindung des Wettbewerbsrichters im Eilverfahren an den gestellten Antrag haben Schulz-Süchting384 und Jestaedt385 Stellung bezogen. Sie haben eine Fallgestaltung im Auge, in der sich der gestellte Antrag auf die konkrete Verletzungsform beschränkt, das Gericht aber zu einer angemessenen Verallgemeinerung greift (und greifen dürfen soll), die ein abstrahiertes Verbot enthält und die konkrete Verletzungsform nur in einem mit „insbesondere“ eingeleiteten Nachsatz aufnimmt. Beide sehen offenbar – was nicht zutreffen dürfte – in der abstrahierten Antragsfassung kein weitergehendes Petitum als in dem auf die konkrete Verletzungsform beschränkten Begehren, da sie übereinstimmend der Meinung sind, dass Verbot dürfe auch unter der Regie des § 938 Abs. 1 ZPO nicht weiter reichen als der gestellte Antrag. Unabhängig davon stellt sich die Frage, inwiefern das Gericht zulasten des Antragsgegners ein verallgemeinertes Verbot auszusprechen berechtigt sein darf, das zu beantragen der Gläubiger selbst nicht riskiert hat. Auf der anderen Seite erhöht das Gericht bei dieser Vorgehensweise das Risiko des Gläubigers, in einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren mit dem abstrahierten Antrag zu unterliegen – obgleich die konkrete Verletzungshandlung rechtswidrig war – und alsdann einem Schadensersatz nach § 945 ZPO ausgesetzt zu sein.386 Das alles spricht dagegen, aus § 938 Abs. 1 ZPO die Befugnis des Richters abzuleiten, das beantragte Verbot der konkreten Verletzungsform in ein abstrakt formuliertes Verbot zu transferieren.

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380 Fezer/Büscher § 12 Rn. 113; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 368; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.6; Teplitzky Kap. 54 Rn. 38. 381 OLG Koblenz WRP 1993, 343, 344; OLG Celle Magazindienst 2010, 708, 710; weitere Nachweise zur älteren Rechtsprechung bei Teplitzky Kap. 54 Rn. 38 Fn. 232. 382 So Teplitzky Kap. 54 Rn. 38. 383 So Schuschke/Walker § 938 Rn. 9. 384 Vorauflage § 25 Rn. 103. 385 Bei Ahrens Kap. 56 Rn. 3, 4; vgl. a. ders. GRUR 1985, 480 ff. 386 Die von beiden Autoren für ihre Auffassung bemühten Entscheidungen (Schultz-Süchting bei Fn. 256, Jestaedt bei Fn. 14) BGH GRUR 1991, 772 und KG GRUR 1988, 78 bekräftigen allein den bekannten Umstand, dass abstrahierte Anträge mit einem insbesondere-Zusatz zulässig sind und geben für eine richterliche Gestaltungsfreiheit nichts her.

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l) Formblatt bei Tenorierung mit Vervollständigung durch Geschäftsstelle. Es war lange Zeit forensischer Alltag, für die Beschlussverfügung ein Formblatt zu benutzen, bei dessen Ausfüllung sich der Richter die vollständige Arbeit bei der Wiedergabe der streitenden Parteien und des Antrags ersparte, indem er auf entsprechende Seiten der Akten verwies (einrücken wie Blatt …). Die zuvor streitige Frage, ob diese ökonomische Vorgehensweise rechtlich zulässig ist, hat der BGH 2003 verneint.387 Einer nachgeordneten, zur Entscheidungsfindung nicht befugten Person könne die Anweisung, die fehlenden Angaben eigenverantwortlich nachzuholen, nicht übertragen werden. Das ist überzeugend; am Ende scheint es aber meistens nur ein Glasperlenspiel zu sein, weil der Fehler nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses führt und aus ihm die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, zumal der offensichtliche Fehler einer Berichtigung nach § 319 Abs. 1 ZPO zugänglich ist.388

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m) Zustellung des Beschlusses. Weist der Beschluss den gestellten Antrag in vollem Umfang zurück, oder gibt er dem Antrag nur unter der Voraussetzung statt, dass der Gläubiger vor der Vollstreckung eine Sicherheitsleistung erbringt, ist er dem Antragsteller zuzustellen (§ 329 Abs. 3 ZPO), da er mit der sofortigen Beschwerde gemäß § 567 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angegriffen werden kann. Der Antragsgegner erhält von ihm nach § 922 Abs. 3 ZPO keine Mitteilung. Diese Bestimmung setzt ein bis dahin einseitiges Verfahren voraus. Ist der Schuldner durch schriftliche Anhörung am Verfahren formell beteiligt worden, darf er auch von dessen Ausgang unterrichtet werden. Wird dem Verfügungsantrag entsprochen, ist auch dieser Beschluss nur dem Antragsteller zuzustellen (vgl. § 329 Abs. 2 S. 2 ZPO, 929 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 ZPO).389

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n) Rechtsmittelverfahren. Wird der Antrag durch Beschluss zurückgewiesen, steht dem Antragsteller nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO die sofortige Beschwerde zur Verfügung, die innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses einzulegen ist (§ 569 Abs. 1 ZPO). Zunächst hat das Ausgangsgericht zu prüfen, ob die Beschwerde begründet ist. Bejaht es das, so kann es entweder der Beschwerde abhelfen und seine erste Entscheidung ändern oder auch einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen und damit die Vorgehensweise wählen, die § 937 Abs. 2 ZPO zur Regel macht.390 Die Begründung der in der Kommentarliteratur gelegentlich vertretenen Gegenmeinung,391 wonach die Abhilfeentscheidung in derselben Entscheidungsart ergehen müsse wie die angefochtene Entscheidung, ist sehr formalistisch und führt zu einer wenig sinnhaften Verlagerung einer gebotenen mündlichen Verhandlung in die zweite Instanz. 147 Hält es die Beschwerde für unbegründet, so ist sie unverzüglich an das Beschwerdegericht weiterzuleiten (§ 572 Abs. 1 ZPO). Solange das Verfahren einseitig bleibt, richtet es sich nach denselben Grundsätzen wie in der ersten Instanz. Das Beschwerdegericht

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387 Beschluss vom 27.6.2003 – IXa ZB 72/03 – NJW 2003, 3136, 3137. 388 Wenn ausnahmsweise eine Berichtigung nicht möglich ist (Ausscheiden des Richters, Ablauf der 5– Monatsfrist der §§ 517, 548 ZPO), wird eine Feststellungsklage begründet sein, dass der Beschluss keinen wirksamen Titel darstellt (vgl. Teplitzky Kap. 55 Rn. 5 Fn.46 mit präziser Begründung und Nachweisen, allerdings auch der anderen Auffassung, der Beschluss sei auf Anfechtung aufzuheben). 389 Teplitzky Kap. 55 Rn. 5; Schuschke/Walker § 922 Rn. 13; Stein/Jonas/Grunsky § 922 Rn. 5b; Zöller/ Vollkommer § 122 Rn. 11. 390 OLG Hamburg, Urteil vom 27.2.2013 – 8 U 10/13 – Magazindienst 2013, 843 unter Hinweis auf einen Beschluss des KG vom 19.8.2003 – 2 W 154/03 Rn. 5. 391 Stein/Jonas/Grunsky ZPO § 922 Rn. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO § 922 Rn. 9.

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kann den Antragsgegner zu einer schriftlichen Stellungnahme auffordern und hat im Übrigen nach § 937 Abs. 2 ZPO zu verfahren.392 Es stellen sich einige Fragen, die nicht einheitlich beantwortet werden: § 572 Abs. 1 ZPO sieht ein regelmäßiges Abhilfeverfahren durch den Erstrichter vor. 148 Die nach § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO zulässige Einlegung des Rechtsbehelfs beim Beschwerdegericht führt daher zu einer Verzögerung des Verfahrens, weil die Beschwerdeschrift zunächst dem Ausgangsgericht zuzuleiten ist, damit es über die Abhilfe befinden kann. Ausnahmen, die das Abhilfeverfahren entbehrlich machen, werden im Gesetz nicht erwähnt. Es wird deshalb die Auffassung vertreten, die primäre Abhilfeentscheidung des Ausgangsgerichts sei auch in dringenden Fällen obligatorisch.393 Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Vorschriften der §§ 567ff. gelten für sämtliche Beschwerden, die in der ZPO geregelt sind; sie sind nicht auf spezielle Eilverfahren zugeschnitten. Die Vorschriften über das Verfahren der einstweiligen Verfügung räumen dem Prinzip des effektiven Rechtsschutzes bei großer Zeitnot absoluten Vorrang ein, so dass fundamentale Grundsätze wie die Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 937 Abs. 2 ZPO) und des gesetzlichen Richters (§ 944 ZPO) Einschränkungen erfahren. Das generelle Abhilfeverfahren in § 572 Abs. 1 ZPO beruht auf dem Bestreben, zu einer Entlastung der Beschwerdegerichte beizutragen. Im Konfliktfall hat der Aspekt des schonenden Einsatzes von Ressourcen hinter dem in den speziellen Vorschriften normierten und rechtsstaatlich geforderten Gebot der Rechtsschutzgewährung hintanzustehen. Das Beschwerdegericht ist daher berechtigt, über die bei ihm eingegangene Beschwerde sogleich selbst zu befinden, wenn es dies unter dem Blickwinkel der Dringlichkeit für sachgerecht erachtet.394 Heftig umstritten ist seit langem die Frage, ob die Beschwerde dem Anwaltszwang 149 unterliegt. Das ist deshalb zweifelhaft, weil nach § 920 Abs. 3 i.V.m. § 936 ZPO der Verfügungsantrag vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden kann, wozu eine Partei keinen Anwalt benötigt (§ 78 Abs. 5 ZPO). Auch die sofortige Beschwerde kann durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess zu führen ist oder war (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die überwiegende Meinung zieht daraus den Schluss, dass die Einlegung der Beschwerde vom Anwaltszwang befreit ist.395 Die Gegenmeinung396 hat seit jeher den Gedanken bemüht, dass § 920 Abs. 3 ZPO nur einen einzigen Verfahrensschritt vom Anwaltszwang ausnimmt. Dem ist indessen stets mit Recht entgegengehalten worden, dass bei einem in erster Instanz durch sofortigen Beschluss abgewiesenen Antrag, der durch Protokollerklärung gestellt werden kann, der Antragsteller insgesamt in der ersten Instanz einen Anwalt nicht benötigt. Das OLG Frankfurt397 hat vor kurzem die Debatte mit der Erwägung bereichert, auch eine vom Gericht angeordnete Beschwerdeerwiderung könne, wenn die Beschwerde vom Anwaltszwang befreit sei, gemäß § 571 Abs. 4 S. 2 ZPO zu Pro-

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392 Teplitzky Kap. 55 Rn. 6, 7. 393 Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 396. 394 Im Ergebnis ebenso Schmidt MDR 2010, 725; Fezer/Büscher § 12 Rn. 129; Teplitzky Kap. 55 Rn. 7 bei Fn. 68; Zöller/Vollkommer § 572 Rn. 4. 395 KG GRUR 1991, 944, 945; OLG Karlsruhe GRUR 1993, 697; OLG München NJW 1994, 2414; OLG Dresden GRUR 1997, 856; Schultz-Süchting Vorauflage §§ 25 Rn. 359; Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 7; Berneke Rn. 180; Fezer/Büscher § 12 Rn. 128; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 1; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 394; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 166; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.38; Melullis Rn. 282; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 465; Teplitzky Kap. 55 Rn. 7 mit Fn. 65 (referierend); MünchkommZPO/Drescher § 922 Rn. 15; Schuschke/Walker § 922 Rn. 31; Stein/Jonas/Grunsky § 922 Rn. 8; Thomas/Putzo/Reichold § 922 Rn. 7; Zöller/Vollkommer § 922 Rn. 13. 396 OLG Stuttgart WRP 1982, 604; OLG Frankfurt MDR 1983, 233; OLG Hamm MDR 2008, 708; ebenso im Ergebnis OLG Köln, Beschluss vom 12.5.2014 – 6 W 63/14. 397 GRUR-RR 2011, 31 f.

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tokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden. Das schriftliche Beschwerdeverfahren damit insgesamt aus dem Anwaltszwang herauszunehmen, während erstinstanzlich allein das Gesuch ohne Anwalt erklärt werden könne, sei widersprüchlich. Dieses Ergebnis, das in der Tat unbefriedigend wäre, ist jedoch nicht nur dadurch zu vermeiden, dass die Beschwerdeeinlegung dem Anwaltszwang unterworfen wird, sondern noch einfacher dadurch, dass § 571 Abs. 4 S. 2 ZPO auf die erstinstanzliche schriftliche Erwiderung entsprechend angewandt wird, weil die Vorschrift die Waffengleichheit anordnet: Solange sich der Antragsteller selbst vertreten kann, darf es der Antragsgegner auch.398 Die Diskussion hatte in der Vergangenheit allerdings einen anderen praktischen Stellenwert, als mit diesem Ergebnis – die Einlegung der Beschwerde ist anwaltsfrei – der Hausanwalt, der nicht über die erforderliche Simultanzulassung verfügte, die Dinge regeln konnte. Heute geht es nur noch darum, eine von der Partei selbst verfasste Beschwerde zuzulassen, die erfahrungsgemäß eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen nur sehr selten enthält. Im Meinungskampf steht auch die Frage, ob die Beschwerde zulässig ist, wenn der 150 erstinstanzliche Verfügungsantrag nicht weiterverfolgt wird, sondern das Verfahren mit dem Ziel einer den Antragsgegner belastenden Kostenentscheidung für erledigt erklärt wird.399 In einem Berufungsverfahren ist ein derartiges Vorgehen anerkanntermaßen möglich.400 Seine Zulässigkeit im Rahmen der Beschwerde wird teils mit wenig einleuchtenden, teils mit guten Gründen verneint. Unbefriedigend ist der Hinweis, mit der Zurückweisung des Antrags sei zunächst kein Verfahren mehr anhängig gewesen, in dem eine Erledigung hätte eintreten können.401 Vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist war das Verfahren nicht formell rechtskräftig abgeschlossen und mithin noch anhängig; wäre das Argument tragfähig, müsste es für das Berufungsverfahren in gleicher Weise gelten. Die weitere Überlegung, es fehle jetzt der Verfügungsgrund, weil das Ringen um eine günstige Kostenentscheidung nie dringlich sein könne,402 überzeugt ebenfalls nicht. Bei einer Erledigungserklärung kommt es immer nur darauf an, ob der Verfügungsgrund bis dato bestanden hat;403 für Kostenentscheidungen nach § 91a ZPO wäre sonst in Eilverfahren nie Raum. Die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise sollte dennoch verneint werden, wenn der Antragsgegner am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt gewesen ist. Es macht keinen Sinn, ihn erstmals – und darin liegt der Unterschied zu einem Berufungsverfahren – in der zweiten Instanz in ein Verfahren hineinzuziehen,404 von dem er erstinstanzlich nicht unterrichtet worden ist und nicht unterrichtet werden durfte (§ 922 Abs. 3 ZPO). 151 Wer für diese Konstellation die Möglichkeit einer Beschwerde mit einem Erledigungsantrag und dem Wunsch einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO ablehnt, wird auch keine Beschwerde verbunden mit dem Antrag einer über die analoge Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ermöglichten Kostenentscheidung für zulässig halten können.405

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398 Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 359 hat mit diesem Argument die seinerzeit noch nicht existente Bestimmung des § 571 Abs. 4 S. 2 ZPO gewissermaßen vorweggenommen. 399 Unzulässig: OLG Hamm WRP 1985, 227, 228; OLG Karlsruhe WRP 1998, 429, 430; OLG Stuttgart NJWE-WettbR 1998, 91; OLG Bamberg, OLGR 2002, 462, 463; OLG Koblenz OLGR 2003, 144; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 3.38; Melullis Rn. 281; Teplitzky Kap. 55 Rn. 6; Schuschke/Walker § 935 Rn. 34. Zulässig: OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 493; Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 73; Berneke Rn. 176; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 397; Zöller/Vollkommer § 922 Rn. 4. 400 Vgl. Zöller/Vollkommer § 511 Rn. 15 mit Nachweisen. 401 Einziges Argument bei Schuschke/Walker § 935 Rn. 34. 402 Vgl.Teplitzky Kap. 55 Rn. 7 bei Fn. 63. 403 Das betont mit Recht Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 397. 404 So die zutreffende Argumentation bei OLG Hamm WRP 1985, 227, 228. 405 Anders Teplitzky Kap. 55 Rn. 6 bei Fn. 63.

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Auch dann würde der notwendigerweise anzuhörende Schuldner erstmals in der zweiten Instanz mit einem Verfahren befasst, in dem es allein um die erstinstanzlichen Kosten geht. Der Antragsteller hat daher, wenn sich sein Petitum zwischenzeitlich erledigt hat, die Niederlage im Eilverfahren hinzunehmen und etwaige Schadensersatzansprüche gesondert geltend zu machen, wenn der Verfügungsanspruch in Wirklichkeit doch bestanden hatte. Ist – was nur ausnahmsweise vorkommt – der Antragsgegner erstinstanzlich vom Gericht zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert worden und der Antrag danach durch Beschluss zurückgewiesen worden, besteht allerdings kein Grund mehr, eine mit der Erledigungserklärung verbundene Beschwerde als unzulässig anzusehen. Ein tragfähiger Unterschied zu der mit der Berufung verbundenen Erledigungserklärung besteht dann nicht mehr. 2. Widerspruchsverfahren. Ist die einstweilige Verfügung durch Beschluss erlas- 152 sen worden, kann der Schuldner dagegen Widerspruch einlegen. Damit beginnt das zweiseitige Verfahren, wenn der Antragsgegner nicht ausnahmsweise bereits vorher angehört worden ist. a) Zuständiges Gericht. Der Widerspruch ist im Grundsatz bei dem Gericht einzule- 153 gen, dass die einstweilige Verfügung erlassen hat. Davon gibt es zwei Ausnahmen: Hat aufgrund einer erfolgreichen Beschwerde das Beschwerdegericht die einstweilige Verfügung erlassen, so ist der Widerspruch dennoch an das Ausgangsgericht zu richten.406 Aus dem Gesetz ergibt sich das nicht. Es ist aber seit Jahrzehnten eine von den Gerichten geübte und daher gewohnheitsrechtlich407 abgesicherte Praxis, weil es sonst bei einer Verhandlung vor dem Beschwerdegericht bliebe und den Parteien eine Instanz verloren ginge. Das kann sich vor allem für den Antragsgegner ungünstig auswirken, weil er manchmal eine zweite Instanz benötigt, um in der Schnelle der Zeit seinen Sachvortrag und die Mittel zur Glaubhaftmachung auf die Reihe zu bekommen.408An eine in der Beschwerdeentscheidung (die eine Begründung enthalten sollte, um nicht im Widerspruchsverfahren zum Rätselraten der Verfahrensbeteiligten zu führen) geäußerte Rechtsauffassung ist das Ausgangsgericht nicht gebunden.409 Es kann infolgedessen die Beschwerdeentscheidung abändern, auch wenn sich seither an den tatsächlichen Grundlagen nichts geändert hat. Zur zweiten Ausnahme kommt es, wenn die einstweilige Verfügung nach § 942 Abs. 1 ZPO vom Amtsgericht erlassen worden ist. In diesem Fall ist das Gericht der Hauptsache für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig.410

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406 Weit überwiegende Meinung: OLG Düsseldorf MDR 1984, 324; OLG Hamm MDR 1987, 593; KG NJWRR 2008, 520; OLG Hamburg, Magazindienst 2013, 843; Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 78; Berneke Rn. 183; Fezer/Büscher § 12 Rn. 135; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 3; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 470; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG § 12 Rn. 169; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 184; Teplitzky JuS 1981, 435 sowie Kap. 55 Rn. 8; PG/Fischer § 924 Rn. 8; Stein/Jonas/Grunsky § 924 Rn. 18; Thomas/Putzo/ Reichold § 924 Rn. 2; Zöller/Vollkommer § 924 Rn. 6; a.A. Schuschke/Walker § 924 Rn. 9. 407 Teplitzky Kap. 55 Rn. 8; Schuschke/Walker § 924 Rn. 9. 408 Gegen Schuschke/Walker § 924 Rn. 9; Stein/Jonas/Grunsky § 922 Rn. 9 hält es deshalb für notwendig, bei einer Widerspruchsentscheidung durch das Beschwerdegericht dennoch ein Berufungsverfahren zuzulassen! 409 Allg. Meinung, vgl. nur Berneke Rn. 183; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 3; Harte/ Henning/Retzer § 12 Rn. 470; Schuschke/Walker § 924 Rn. 9, der darüber Unbehagen empfindet. 410 OLG Schleswig NJW-RR 1997, 829; Teplitzky Kap. 55 Rn. 8; Zöller/Vollkommer § 942 Rn. 4.

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b) Anwaltszwang. Findet das Widerspruchsverfahren bei einem Landgericht statt, ist der Widerspruch schriftlich durch einen Anwalt einzulegen. Dieser sonst allgemein vertretenen Auffassung411 hat Schultz-Süchting in der Vorauflage widersprochen.412 Die Einlegung des Widerspruchs durch den Hausanwalt des Antragsgegners müsse genügen, wenn sich nicht schnell genug ein bei dem Widerspruchsgericht zugelassener Rechtsanwalt finde. Diese Erwägung hat sich mit den Änderungen des anwaltlichen Zulassungsrechts erledigt.

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c) Fristenfreiheit. Der Widerspruch ist an keine Frist gebunden. Gelegentlich hält es ein Schuldner für taktisch klug, den Gläubiger zunächst in Sicherheit zu wiegen und mit der Einlegung des Widerspruchs so lange zu warten, bis der in Rede stehende Unterlassungsanspruch verjährt ist.413 Das ist seit der Einführung des § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB zeitaufwendiger als früher, nach § 204 Abs. 2 BGB aber unverändert denkbar. Es ist auch möglich, einen Widerspruch zurückzunehmen und zu einem späteren Zeitpunkt neu einzulegen.414 Nun ist es allerdings paradox, ein Eilverfahren zu betreiben, für das sich die Parteien jahrelang nicht interessiert haben. Die Gerichte haben denn auch die Möglichkeit eines Widerspruchs als verwirkt angesehen, wenn sich der Antragsgegner zweieinhalb oder mehr Jahre mit seinem Rechtsbehelf Zeit gelassen hat.415 Mit einem auf der Gegenseite entstandenen Vertrauensschutz, auf den es sonst beim Verwirkungstatbestand ankommt, kann das allerdings nur dann etwas zu tun haben, wenn der Schuldner den Gläubiger durch verzichtsähnliche Erklärungen416 von weiteren Maßnahmen abgehalten hat: Der Gläubiger hat es sich sonst selbst zuzuschreiben, wenn er nicht über ein Abschlussschreiben und eine Hauptsacheklage für eine Klärung der Verhältnisse sorgt.

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d) Widerspruch vor Zustellung. Der Schuldner, der von der einstweiligen Verfügung bereits erfahren hat, obgleich sie ihm vom Gläubiger noch nicht zugestellt worden ist, kann nach richtiger Auffassung den Widerspruch einlegen, ohne erst die Zustellung abwarten zu müssen.417 Gegen ihn ist ein Titel in die Welt gesetzt worden, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. Er hat ein Interesse an der Beseitigung dieses Titels und muss den Beginn der Vollstreckung nicht abwarten. Dagegen wird eingewandt, eine wirksame einstweilige Verfügung sei erst mit der Zustellung gegeben und das Fehlen der Vollziehung sei von Amts wegen zu beachten.418 Diese Überlegung geht fehl. Aus § 929 Abs. 2 ZPO folgt nicht, dass eine einstweilige Verfügung erst mit der Parteizustellung an den Schuldner wirksam wird, sondern allein, dass mit ergebnislosem Ablauf der Monatsfrist die Verfügung ihre Wirksamkeit verliert und von ihr vollstre-

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411 OLG Koblenz NJW 1980, 2589; OLG München MDR 1977, 1067; Berneke Rn. 184; Harte/Henning/ Retzer § 12 Rn. 471; Zöller/Vollkommer § 924 Rn. 7. 412 § 25 Rn. 354. 413 Vgl. KG Magazindienst 1988, 547, 550. 414 OLG München MDR 1997, 1067; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 471; Schuschke/Walker § 924 Rn. 16; Zöller/Vollkommer § 924 Rn. 8. 415 OLG Celle GRUR 1980, 945; KG GRUR 1985, 237; vgl. Berneke Rn. 185; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.38; Teplitzky Kap. 55 Rn. 8 mit Fn. 69; Schuschke/Walker § 924 Rn. 14; Stein/Jonas/Grunsky § 924 Rn. 11. 416 Vgl. Schuschke/Walker § 924 Rn. 14, der zusätzlich eine Verwirkung für möglich hält, wenn der Schuldner untätig bleibt, obwohl er vernünftigerweise etwas zur Rechtswahrung hätte unternehmen müssen. 417 MünchkommZPO/Drescher § 924 Rn. 8; Schuschke/Walker § 924 Rn. 13; Stein/Jonas/Grunsky § 994 Rn. 10; Zöller/Vollkommer § 924 Rn. 4; a.A. Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 50; Berneke Rn. 185. 418 Vgl. Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 50.

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ckungsrechtlich kein Gebrauch mehr gemacht werden kann. Wenn, was unstreitig ist,419 nach dem Ablauf der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO ein Widerspruch zulässig ist und wegen der unterbliebenen Parteizustellung zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung führt, kann ein Widerspruch vor der erfolgten, aber noch fristgerecht möglichen Zustellung nicht mit der Begründung für unzulässig erklärt werden, eine rechtlich wirksame einstweilige Verfügungen existiere noch überhaupt nicht. e) Widerspruchsbegründung. Der Antragsgegner hat nach §§ 924 Abs. 2, 936 ZPO 157 in dem Widerspruch die Gründe darzulegen, die er für die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung geltend machen will. Im Schrifttum ist unstreitig, dass die Bestimmung nicht die spätere Ergänzung mit Argumenten ausschließt, die in der Widerspruchsschrift noch nicht angeklungen sind.420 Es wäre nicht zu rechtfertigen, dem Gläubiger eine ordentliche Vorbereitungszeit vor der Antragstellung zuzubilligen und eine spätere Ergänzung des Vortrages bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu gestatten, den Antragsgegner aber auf ein Vorbringen in einem einzigen Schriftsatz zu beschränken. Streitig ist indessen, ob der völlig unbegründete Widerspruch die Unwirksamkeit des eingelegten Rechtsbehelfs mit sich bringt.421 Obgleich die Versäumung irgendwelcher Fristen damit nicht droht, ist die Frage von praktischer Bedeutung, weil ein unwirksamer Widerspruch den Richter nicht zu einer Terminierung der Sache verpflichten422 und – zutreffender! – berechtigen kann. Der Verzicht auf eine Begründung für die Wirksamkeit des Rechtsbehelfs macht aus § 924 Abs. 2 S. 1 ZPO eine Kannvorschrift, ohne dass der Wortlaut der Bestimmung dazu eine Handhabe gäbe. Auch der systematische Zusammenhang mit der in § 924 Abs. 2 S. 2 geregelten Verpflichtung, nach Eingang des begründeten Widerspruchs Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen, spricht für eine Begründungspflicht, weil das Fehlen jeglicher Begründung eine sinnvolle Terminsvorbereitung für den Gläubiger und den Richter ausschließt. f) Terminsbestimmung. Im Hinblick auf die Terminierung finden sich Klagen über 158 die Gewohnheiten mancher Gerichte, die Angelegenheit nach dem Erlass der Verfügung für nicht mehr besonders eilig zu halten und weiträumig zu planen. Auf diese Weise werde das Interesse des Schuldners an einer raschen Beseitigung des gegen ihn ergangenen Titels sträflich vernachlässigt.423 Dem kann nur mit Einschränkungen zugestimmt werden. In tatsächlich einfach gelagerten Fällen wird es dem Schuldner in der Tat mit der Terminsbestimmung nicht schnell genug gehen können. Es gibt aber Verfahren, in denen ein komplizierter Sachverhalt aufzubereiten ist, die zur Verteidigung notwendige eidesstattliche Versicherung eines Zeugen nicht sofort beschafft werden kann oder die Hilfestellung eines privaten Sachverständigen vonnöten ist, um dem Gericht technische

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419 Schuschke/Walker § 929 Rn. 37; Zöller/Vollkommer § 929 Rn. 22; auch Berneke Rn. 187, 322 – ebenso Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 56 –, der gleichwohl einen Widerspruch vor Zustellung für unwirksam erachtet. 420 Vgl. Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 54; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 472, obgleich sie den nicht begründeten Widerspruch für unwirksam halten. A.A. allein LG München WRP 1996, 252, 253, wo dem Widerspruchsführer das Nachschieben von bereits bei Widerspruchseinlegung bekannten Gründen über Treu und Glauben verwehrt wird. 421 Dafür Retzer und Scharen wie eben; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 186; anders die überwiegende Meinung: Berneke Rn. 189; Fezer/Büscher § 12 Rn. 134; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 4; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 471; Schuschke/Walker § 924 Rn. 12; Stein/Jonas/ Grunsky § 924 Rn. 21; Wieczorek/Schütze/Thümmel § 924 Rn. 5; Zöller/Vollkommer § 924 Rn. 7; Vorbehalte gegen die letztgenannte Ansicht auch bei Teplitzky Kap. 55 Rn. 8 Fn. 70. 422 So Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 472. 423 Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 185; Teplitzky Kap. 55 Rn. 8 Fn. 76.

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oder wissenschaftliche Vorfragen verständlich zu präsentieren. Je umfangreicher die Vorbereitungszeit für den Antragsteller bemessen worden ist, um so eher kann in solchen Konstellationen eine schneidige Terminierung zu einer schiefen Schlachtordnung führen.424 Dem Antragsgegner ist anzuraten, in der Widerspruchsschrift deutlich zu machen, ob ihm an einem baldigen Termin gelegen ist oder ob er für ein waffengleiches Gefecht eine gewisse Vorbereitungszeit benötigt. Wird das plausibel begründet, sollte der Termin nicht auf den nächstfolgenden Sitzungstag bestimmt werden; dass es ein Eilverfahren bleibt und sich ein Termin im nächsten Quartal verbietet, ist selbstverständlich. 159

g) Verfahrensgrundsätze. Für das Widerspruchsverfahren gelten im Übrigen die allgemeinen Regeln des Zivilprozessrechts. Der Widerspruch muss die einstweilige Verfügung nicht vollständig angreifen, sondern kann die Anfechtung auf individualisierbare Teile beschränken.425 Maßgebend für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. 426 Liegt dann eine strafbewehrte Unterlassungserklärung des Antragsgegners vor, die die Wiederholungsgefahr beseitigt hat, besteht der Verfügungsanspruch nicht mehr. Der Antragsteller ist gehalten, zur Vermeidung einer Niederlage das Verfahren für erledigt zu erklären,427 um über § 91a ZPO eine günstige Kostenentscheidung zu erstreiten. Ist der Schuldner vor Einleitung des Verfahrens nicht abgemahnt worden, kann er sich auf § 93 ZPO aber nur berufen, wenn die Unterwerfungserklärung der Widerspruchsschrift beigelegen hat;428 von einem „sofortigen“ Anerkenntnis kann sonst nicht gesprochen werden.

h) Kostenwiderspruch. Der Antragsgegner hat die Möglichkeit, einen bloßen Kostenwiderspruch einzulegen mit dem Ziel, die einstweilige Verfügung ausschließlich in ihrer Kostenentscheidung mit einem auf das Kosteninteresse reduzierten Streitwert anzugreifen. Das ist für ihn sinnvoll, wenn er eine weitergehende Rechtsverteidigung nicht für aussichtsreich hält oder an einer Wiederholung der untersagten Wettbewerbshandlung wirtschaftlich nicht interessiert ist. Die Kostenentscheidung kann gleichwohl zu Gunsten des Schuldners über § 93 ZPO zu korrigieren sein, wenn er vom Gläubiger nicht abgemahnt worden ist. § 99 Abs.1 ZPO steht der Zulässigkeit eines Kostenwiderspruchs nicht entgegen, weil die Beschlussverfügung nicht auf einer mündlichen Verhandlung beruht und der Widerspruch kein Rechtsmittel ist.429 Die Zulässigkeit des Kostenwiderspruchs steht nicht mehr im Streit.430 Mit dem Kostenwiderspruch wird zumindest konkludent die Erklärung verbunden, 161 den Beschluss in der Sache nicht anzugreifen. Darin liegt ein Verzicht auf die Möglich-

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424 So im Ausgangspunkt zutreffend auch Hirtz NJW 1986, 100, 113 mit der allerdings sehr weit gehenden Forderung, die Darlegung und Glaubhaftmachung sämtlicher anspruchsbegründender Tatsachen dem Antragsteller aufzuerlegen. 425 Unstreitig, vgl. ausführlich Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 51. 426 Dazu ausf. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 180; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 7, 8. 427 OLG Köln GRUR 2001, 424, 425; OLG Hamburg NJW-RR 2002, 215, 216 und Magazindienst 2005, 1355, 1358; Teplitzky Kap. 55 Rn. 10. 428 Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 64. 429 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 10 mit Nachweisen. 430 BGH 22.5.2003 – I ZB 38/02 – WRP 2003, 1000 – Prozessgebühr beim Kostenwiderspruch; vgl. auch schon Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 193 mit Fn. 561; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 10 mit umfangreichen Nachweisen; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 480; Hess in: Ullmann juris PKUWG § 12 Rn. 171; a.A. früher OLG München WRP 1975, 180, 181 sowie GRUR 1985, 327, aber aufgegeben seit OLG München GRUR 1990, 482; von Gamm NJW 1961, 1048, 1050.

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keit des Vollwiderspruchs. Wer den Widerspruch zweifelsfrei auf die Kosten beschränkt hat, hat diesen Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung nicht mehr zu Verfügung. Wird er trotzdem eingelegt, ist er als unzulässig zurückzuweisen. Das ist unstreitig.431 Unstreitig ist auch geworden, dass die Beschränkung auf den Kostenwiderspruch 162 nicht notwendig eine Anerkennung des materiell-rechtlichen Anspruchs zur Hauptsache beinhaltet. Die Erklärung, gegen den im Eilverfahren ergangenen Titel sachlich nichts einwenden zu wollen, sagt für sich genommen nichts darüber, dass auch im Hinblick auf ein Klageverfahren die Waffen gestreckt werden. Für diese Verfahrensart können die Aussichten wegen anderer Beweismöglichkeiten und eines anderen Instanzenzuges günstiger zu prognostizieren sein. Auf einem ganz anderen Blatt steht, dass die Kostenwiderspruchsschrift weitere Erklärungen enthalten kann, aus denen auf ein Anerkenntnis auch des Hauptsacheanspruchs zu schließen ist. Wer gegen seine Kostenlast ins Feld führt, einer vorherigen Abmahnung hätte er mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung entsprochen, macht hinreichend deutlich, dass er auf die Rechte aus § 926 ZPO nicht zurückkommen und auch keine negative Feststellungsklage erheben werde. Die früher auch von der Rechtsprechung häufig geäußerte Ansicht, einen derartigen konkludenten Verzicht enthalte ein Kostenwiderspruch immer dann, wenn diese Rechte nicht ausdrücklich vorbehalten würden,432 wird inzwischen nur noch von Spätgens vertreten.433 Wer sich auf den Kostenwiderspruch beschränkt, kann nicht mehr geltend machen, 163 er müsse die Kosten des Verfahrens schon deshalb nicht tragen, weil der Antrag unzulässig gewesen sei oder der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe.434 Gehör finden nur noch Gründe, die trotz eines Unterliegens in der Sache die Überbürdung der Kostenlast auf den Antragsteller rechtfertigen, also die Anwendbarkeit des § 93 ZPO tragen. Einwendungen zur Dringlichkeit oder zum Verfügungsanspruch mit dem Kostenwiderspruch vorzubringen ist indessen nicht nur nutzlos, sondern auch gefährlich. Es kann beim Gericht Zweifel aufkommen lassen, ob nicht doch in Wirklichkeit ein Vollwiderspruch beabsichtigt ist.435 Führt die Auslegung der Widerspruchsschrift zu diesem Ergebnis, können spätere Erläuterungen, der Antragsgegner beschränke sich jetzt auf einen Kostenwiderspruch, nicht mehr helfen; es würde sich nicht mehr um ein „sofortiges“ Anerkenntnis handeln.436 Über den Kostenwiderspruch ist mündlich zu verhandeln (§ 925 Abs. 1 ZPO) und da- 164 nach durch Urteil zu entscheiden. Die Entscheidung kann nach § 99 Abs. 2 ZPO mit der

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431 BGH wie zuvor; OLG Hamburg WRP 1996, 442; OLG Hamm GRUR 1991, 633, 634; Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 56; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 479; Teplitzky Kap. 55 Rn. 11. 432 OLG Frankfurt WRP 1976, 618, 622 und 1982, 226; OLG Koblenz WRP 1978, 664, 665; OLG Frankfurt WRP 1982, 226; KG WRP 1982, 465, 467. 433 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 16, der die Erwähnung des § 93 ZPO für den konkludenten Verzicht genügen lässt, sich dafür aber in Fn. 60 zu Unrecht auf zahlreiche Mitstreiter beruft; früher noch Liesegang JR 1980, 95 ff.; Nieder WRP 1979, 350, 351; a.A. – konkludenter Verzicht verlangt weitergehende Erklärungen: Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 57; Teplitzky Kap. 55 Rn. 11, 12; Harte/ Henning/Retzer § 12 Rn. 484; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 198; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 480; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 148; Fezer/Büscher § 12 Rn. 136; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.42; Melullis Rn. 248; Berneke Rn. 186. 434 Allgemeine Meinung: OLG Frankfurt WRP 1985, 563; OLG Stuttgart WRP 1987, 406, 407; OLG Hamburg WRP 1996, 442, 443; OLG Hamm OLGR 2003, 232; Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 61; Berneke Rn. 200; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 480; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 193. 435 OLG Schleswig GRUR 1986, 840; OLG Stuttgart WRP 1987, 406, 407; LG Duisburg WRP 2002, 1196; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 11; Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 61. 436 Ausführlich Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 196; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 12; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 173.

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sofortigen Beschwerde angegriffen werden.437 Eine Berufung ist nach einhelliger Meinung nicht möglich.438 Ein mit „Berufung“ bezeichneter Schriftsatz kann in eine sofortige Beschwerde umgedeutet werden, falls das angesichts der unterschiedlichen Rechtsmittelfristen (§ 569 Abs. 1 S. 1 ZPO einerseits und § 517 ZPO andererseits) einen Sinn macht.439Anders verhält es sich allerdings dann, wenn eine gemischte Sach-/Kostenentscheidung getroffen worden ist, weil der Verfügungsbeschluss verschiedene individualisierbare Verbote ausgesprochen hat, die teilweise mit einem Vollwiderspruch, teilweise mit einem Kostenwiderspruch angegriffen worden sind. In diesem Fall kann die Partei, die vollständig unterlegen ist, die gesamte Entscheidung mit der Berufung angreifen.440 Es gilt dann einheitlich die Frist des § 517 ZPO. Gibt es bei der Sachentscheidung und dem Kostenpunkt unterschiedliche Sieger, kann die bei den Kosten unterlegene Partei (soweit sie auf den Kostenwiderspruch entfallen) diese Niederlage wieder allein mit der sofortigen Beschwerde anfechten. Bei einer Berufungseinlegung durch den Gegner sind die beiden Verfahren in entsprechender Anwendung des § 147 ZPO miteinander zu verbinden.441 165

i) Anfechtbarkeit der Terminierung. Die Terminbestimmung kann als verfahrensrechtlicher Zwischenschritt im Grundsatz nicht angefochten werden. Die Rechtsprechung hat ausnahmsweise – sogar in Hauptsacheverfahren – eine Beschwerde für zulässig angesehen, wenn die mündliche Verhandlung so weit hinausgeschoben worden war, dass sie erst nach dem Ereignis stattfinden konnte, auf dessen Unterbindung der Antrag abzielte.442

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j) Richterliche Vorbereitungsmaßnahmen. Auch im Verfügungsverfahren gilt die Ladefrist des § 217 ZPO, die aber auf Antrag ohne vorherige Anhörung der Gegenseite abgekürzt werden kann (§ 226 Abs. 1 ZPO). Einlassungsfristen gibt es nicht. § 132 ZPO ist nicht anwendbar. In der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung kann daher kein Vorbringen als verspätet zurückgewiesen werden. 443 Vorbereitende richterliche Maßnahmen nach § 273 ZPO sind, wie die Ladungen von schriftsätzlich benannten Zeugen – deren Ausbleiben im Termin nicht zu einer Vertagung führen kann (§ 294 Abs. 2 ZPO) –, rechtlich zulässig; von dieser Möglichkeit wird in wettbewerbsrechtlichen Verfahren

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437 OLGR Zweibrücken 2007, 262; MünchkommZPO/Drescher § 924 Rn. 7 mit weiteren Nachweisen zur älteren Rechtsprechung in Fn. 19; Schuschke/Walker § 924 Rn. 11; a.A. Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann § 925 Rn. 15 und § 99 Rn. 5: Es sei kein Rechtsmittel statthaft, weil schon der Widerspruch kein Rechtsmittel gewesen sei. 438 Vgl. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 201; Teplitzky Kap. 55 Rn. 13, beide mit umfangreichen Nachweisen zur wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung; Zöller/Vollkommer § 924 Rn. 5, § 925 Rn. 11. 439 KG Magazindienst 2011, 499; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 29; MünchkommUWG/ Schlingloff § 12 Rn. 482; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 486; Melullis Rn. 255; Fezer/Büscher § 12 Rn. 138; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 177; die Möglichkeit einer Umdeutung bezweifelt Teplitzky Kap. 55 Rn. 13 Fn. 94. 440 OLG Hamm GRUR 1988, 933 (LS); KG GRUR 1988, 933 (LS); OLG Hamm NJW-RR 1987, 426; Berneke Rn. 208; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 487; Ahrens/Bähr Kap. 53 Rn. 1; MünchkommZPO/Drescher § 925 Rn. 11. 441 Vgl. Ahrens/Bähr Kap. 53 Rn. 3; Stein/Jonas/Bork § 99 Rn. 14. 442 OLG Köln NJW 1981, 2263; OLG Schleswig NJW 1982, 246; OLG Stuttgart WRP 1983, 711; OLG Düsseldorf OLGR 2007, 533; KG MDR 2008, 226; Teplitzky Kap. 55 Rn. 17; Berneke Rn. 142; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 3.25; Fezer/Büscher § 12 Rn. 99; Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 6; Stein/Jonas/Roth § 216 Rn. 32; Zöller/Stöber § 216 Rn. 21. 443 Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 440; Teplitzky Kap. 55 Rn. 19; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.25; a.A. E. Schneider MDR 1988, 1024; differenzierend Stein/Jonas/Grunsky § 922 Rn. 23 (Verspätungsvorschriften sind nur bei einer nicht sofort möglichen Beweisaufnahme unanwendbar).

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jedoch so gut wie nie Gebrauch gemacht. Das Fehlen von Einlassungsfristen führt dazu, dass die Entwicklung des Streitstandes bis zur mündlichen Verhandlung oft unkalkulierbar ist und Vorbereitungsmaßnahmen infolgedessen „regelmäßig Stückwerk“444 bleiben. Mit der Struktur eines Eilverfahrens ist die Vertagung der mündlichen Verhandlung 167 oder die Gewährung eines Schriftsatznachlasses zu neuem Sachvortrag grundsätzlich unvereinbar.445 Es gehört daher zu den dringenden Obliegenheiten in einem Verfügungsverfahren, sich für denkbare neue Entwicklungen in der mündlichen Verhandlung zu munitionieren und sachkundige Personen am Terminstag für den Notfall bereitzuhalten. Den Anwalt, der zu neuem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung redlicherweise nichts erwidern, aber es auch nicht mit Nichtwissen bestreiten kann, wenn seine Partei einschlägige Kenntnisse hat (§ 138 Abs. 4 ZPO), ohne Beistand in die Verhandlung zu entsenden, zeugt von Leichtsinn. Gelegentlich werden diese Grundsätze trickreich dazu genutzt, um – nachdem Vortrag und Glaubhaftmachung vorher bewusst unterblieben sind – die Gegenseite in der mündlichen Verhandlung auszukontern. Gegen solche Überrumpelungsmanöver mag gelegentlich helfen, dass die maßgeblichen Tatsachen den eigenen Wahrnehmungsbereich der betroffenen Partei nicht berühren, so dass sie mit Nichtwissen bestritten werden können (§ 138 Abs. 1 ZPO), und dass bei der Würdigung, ob die Glaubhaftmachung der strittigen Tatsache gelungen sei, etwaige Zweifel wegen des auffallend prozesstaktischen Verhaltens besonders ins Gewicht fallen (§ 286 ZPO).446 Wenn auf diesem Weg ein befriedigendes Ergebnis nicht zu erzielen ist, kann ein rechtsmissbräuchlich zurückgehaltenes Vorbringen unberücksichtigt bleiben.447 Damit ist freilich nicht zu helfen, wenn plausibel gemacht werden kann, dass der neue und überraschende Vortrag mangels hinreichender Kenntnisse nicht früher hat präsentiert werden können; die Beweislast für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchstatbestandes hat der, der sich auf ihn beruft.448 Kann dann der Gegner nicht auf der Stelle parieren, ohne dass dafür eine ungenügende Terminsvorbereitung die Ursache ist, wird das Gericht ausnahmsweise zu einer kurzfristigen Vertagung oder einem Schriftsatznachlass449 mit der latenten Möglichkeit einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung greifen müssen. Wenn das Prinzip der Eilbedürftigkeit des Verfahrens mit dem Postulat des rechtlichen Gehörs kollidiert, verlangt das Erfordernis des Gehörs den Vortritt (vgl. § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).450 k) Ruhendes Verfahrens. Das Ruhen des Verfahrens gemäß § 251 ZPO kann auch 168 bei Einverständnis der Parteien nicht angeordnet werden. Das würde die gesamte Verfahrensstruktur konterkarieren. Im Grundsatz scheidet auch eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO aus. Es ist prinzipiell ausgeschlossen, den Ausgang anderer Prozesse zur Beantwortung vorgreiflicher Fragen abzuwarten. Es sind aber zwei denkbare Ausnahmefälle zu erörtern:

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444 Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 12. 445 Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 11, 30; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 441, 442; Teplitzky Kap. 55 Rn. 19. 446 Davon verspricht sich einiges Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 29. 447 OLG Koblenz GRUR 1987, 319, 322; Klute GRUR 2003, 34, 36; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 429; Teplitzky Kap. 55 Rn. 19. 448 Klute GRUR 2003, 34, 37. 449 Dafür plädieren Schote/Lührig WRP 2008, 1281, 1283 f. 450 Berneke Rn. 145; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 443; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 422; Teplitzky Kap. 55 Rn. 19; a.A. Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 18.

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aa) Vorlage an den EuGH. Die Entscheidung über den Verfügungsantrag kann die Beantwortung ungeklärter europarechtlicher Fragen erfordern. Nachdem der EuGH schon früh entschieden hatte,451 dass Art. 234 EGV – heute Art. 267 AEUV – seine Einschaltung in Eilverfahren nicht zwingend erfordere, hat sich in Deutschland die Auffassung durchgesetzt, dass die Vorlage zu unterbleiben und das Verfügungsgericht über die Fragen des Europarechts selbst zu befinden habe.452 Mit einer Entscheidung des EuGH im ersten Jahr nach der Vorlage ist nicht zu rechnen. Dieser Zeitaufschub ist im Eilverfahren nicht akzeptabel.

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bb) Vorlage an das Bundesverfassungsgericht. Nicht abschließend geklärt ist die richtige Antwort auf die Frage, wie sich Art. 100 Abs. 1 GG mit den Prinzipien des Eilverfahrens verträgt. Der Wortlaut der Vorschrift sieht zwingend eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht vor, wenn es nach Auffassung des Fachgerichts für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Anwendung einer Norm ankommt, die es selbst für verfassungswidrig erachtet. Die Vorlage in einem einstweiligen Verfügungsverfahren scheitert nicht bereits an der in § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG geforderten vorherigen Erschöpfung des Rechtsweges. Entscheidungen im Eilverfahren sind grundsätzlich selbstständig mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar; der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde kann nur im Einzelfall etwas anderes gebieten, wenn eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung im Hauptsacheverfahren aussichtsreich erscheint.453 Die Vorlagepflicht kann wiederum mit der Forderung nach einem effektiven Rechtsschutz, die gleichfalls Verfassungsrang hat, in einen nicht auflösbaren Widerspruch geraten. Bis die Entscheidung des Verfassungsgerichts vorliegt, kann die Zeit das Anliegen des Antragstellers überholt haben. Wenn das zu befürchten ist und die Vorlage aus diesem Grund unterbleibt, stellt sich die weitere Frage, ob das Fachgericht zur Anwendung des einfachrechtlichen Gesetzes verpflichtet ist oder in Abkehr von Art. 100 Abs. 1 GG über dessen Verfassungswidrigkeit selbst befinden darf. 171 Das Bundesverfassungsgericht454 hat in einem Fall, der eine presserechtliche Gegendarstellung betraf, die in einem Eilverfahren erfolgte Vorlage des Fachgerichts für zulässig erklärt, weil das Gegendarstellungsrecht kein Hauptverfahren kenne und eine verfassungsrechtliche Kontrolle durch das dafür vorgesehene Gerichtsorgan ausnahmslos entfalle, wenn die Vorlage im Verfügungsverfahren nicht zulässig sei. Die Möglichkeit, dass die Entscheidung im Ausgangsverfahren schließlich zu spät komme (zwischen dem Vorlagebeschluss und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lagen rund sechs Monate), müsse hingenommen werden. Daraus lässt sich für ein Eilverfahren, dem ein Hauptverfahren folgen kann, nichts gewinnen, zumal auch die bejahte Zulässigkeit einer erfolgten Vorlage noch nicht die Pflicht zur Vorlage umfasst. Es verbleibt daher bei den vom Bundesverfassungsgericht zuvor aufgestellten Grundsätzen, dass in Eilverfahren die Vorlage durch die Fachgerichte jedenfalls dann zu erfolgen habe, wenn die beantragte Regelung die endgültige Entscheidung weitgehend vorwegnehmen und damit etwas gewähren würde, auf das ein im Hauptsacheverfahren durchsetzbarer Anspruch nach Auffassung des Fachgerichts wegen Verfassungswidrigkeit der zugrunde zu legen-

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451 WRP 1977, 598, 600; NJW 1983, 2751. 452 OLG Frankfurt GRUR-RR 2001, 250; OLG Saarbrücken OLGR 2001, 453; OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 360; Berneke Rn. 153 mit vielen Nachweisen zu älterer Rechtsprechung in Fn. 96; Harte/Henning/ Retzer § 12 Rn. 445; Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 20; Teplitzky Kap. 55 Rn. 21; Zöller/Vollkommer vor § 916 Rn. 11. 453 BverfGE 42, 163, 168 = NJW 1976, 1680; NJW 1991, 3023, 3024. 454 BverfGE 63, 161 = NJW 1983, 1179.

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den Norm nicht bestehe.455 Inwieweit die mit jedem Unterlassungsgebot verbundene partielle Vorwegnahme der Hauptsache als „weitgehend“ im Sinne dieser Rechtsprechung anzusehen ist, muss im Einzelfall geprüft werden.456 Relativ undiskutiert ist die Frage, von welchen Rechtsgrundlagen das Fachgericht 172 auszugehen hat, wenn die Vorlage aus Zeitgründen unterbleibt. Es herrscht die Auffassung vor, das Fachgericht könne die einstweilige Verfügung nicht auf eine Norm stützen, die es für verfassungswidrig halte;457 sie führt zur Abweisung des Antrags als unbegründet. Für die unterlegene Partei hält Bähr den Trost bereit, ihr Schutz sei gewahrt, weil sie die Rechtsmittel im Eilverfahren habe und gegen die letzte fachgerichtliche Entscheidung im Verfügungsverfahren Verfassungsbeschwerde eingelegt werden könne. War nach Lage der Dinge eine Aussetzung des Verfahrens aus Zeitgründen untunlich, wird eine nachträgliche Verfassungsbeschwerde allerdings nicht mehr viel helfen können. Schuschke/Walker458 ist der Ansicht, wegen der „mit einer an sich erforderlichen Aussetzung verbundenen Verzögerung“ bestehe kein Rechtsschutzinteresse mehr an der Durchführung des Eilverfahrens. Das Rechtsschutzinteresse mit dem Ergebnis bestimmter materiell-rechtlicher Überlegungen des erkennenden Gerichts entfallen zu lassen wäre freilich eine Novität, auf die verzichtet werden sollte. l) Verweisung. Die Verweisung des Eilverfahrens wegen gegebener Unzuständig- 173 keit an ein zuständiges anderes Gericht (§ 281 ZPO) ist unproblematisch möglich, solange noch kein Vollstreckungstitel in die Welt gesetzt worden ist.459 Hoch streitig ist dagegen die Frage, wie zu verfahren ist, wenn sich erst im Widerspruchs- oder Berufungsverfahren (nach stattgebendem erstinstanzlichen Urteil) die Unzuständigkeit des titulierenden Gerichts herausstellt. Eine starke Mindermeinung460 lehnt für diese Fälle die Möglichkeit einer Verweisung nach § 281 ZPO ab. Die mit einer Verweisung verbundene Verzögerung führe dazu, dass die Eilanordnung für einen unter Umständen längeren Zeitraum aufrechterhalten bleibe, obwohl sie von einem unzuständigen Gericht getroffen worden sei. Diese Auffassung führt notwendig zur Aufhebung des Titels mit der Abweisung des Verfügungsantrags als unzulässig. Mehrheitlich wird die Ansicht vertreten, auf den entsprechenden Antrag des Gläubigers sei die Verweisung auszusprechen. Sie findet sich aber in drei verschiedenen Varianten. Der Verweisungsbeschluss kann nämlich verbunden werden mit der Aufhebung der erlassenen Verfügung461 oder der Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung (§§ 924 Abs. 3 S. 2, 936, 707 Abs. 1 S. 1 ZPO im Widerspruchsverfahren, §§ 719 Abs. 1 S. 1, 707 Abs. 1 ZPO im Berufungsverfahren);462 er kann schließlich auch isoliert ergehen,463 so dass alle weiteren Maßnahmen dem Adressatgericht überlassen bleiben.

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455 BverfGE 46, 43, 51 = NJW 1978, 27. 456 Teplitzky Kap. 55 Rn. 22 meint, das sei „meist“ der Fall. 457 OLG Hamburg JZ 1983, 67 mit Anm. von Goerlich JZ 1983, 57; Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 22; Harte/ Henning/Retzer § 12 Rn. 446; aus dem staatsrechtlichen Schrifttum vgl. Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfau/Müller-Terpitz, Grundgesetz, 11. Aufl., 2008, Art. 100 Rn. 20; Epping/Hillgruber/Morgenthaler Grundgesetz, 2009, Art. 100 Rn. 18. 458 Vor § 916–945 Rn. 45. 459 Allg. Meinung, vgl. nur Berneke Rn. 115; Teplitzky Kap. 55 Rn. 20; Schuschke/Walker vor § 916–945 Rn. 42. 460 Teplitzky DRiZ 1982, 41, 42; Schuschke/Walker vor § 916–935 ZPO Rn. 42 und § 924 Rn. 10; Alternativkommentar ZPO/Damm § 924 Rn. 4; Musielak/Huber § 925 Rn. 5. 461 So LG Berlin BB 1972, 337; LG Arnsberg NJW-RR 1993, 319. 462 Das hält Teplitzky Kap. 55 Rn. 20 Fn. 117 für „allenfalls vertretbar“. 463 H.M.: Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 34; Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 40, 41; Berneke Rn. 115; Stein/Jonas/Grunsky § 924 Rn. 19; Zöller/Vollkommer § 924 Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Thümmel § 924 Rn. 4; Thomas/Putzo/Reichold § 925 Rn. 1.

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Die erste Spielart läuft mit der Aufhebung der getroffenen Anordnung im Wesentlichen auf dasselbe hinaus, was mit der Verneinung der Verweisungsmöglichkeit erreicht wird. Diese Lösung befriedigt in den Fällen nicht, in denen das wettbewerbswidrige Verhalten des Antragsgegners offen zu Tage liegt und er sich im Ergebnis gratulieren kann, das weitere Zuwiderhandlungen bis zu einem neuen Erlass der Anordnung durch das zuständige Gericht sanktionslos bleiben.464 Andererseits impliziert die Verweisung nach der Schaffung eines Titels die Erkenntnis, dass die vorausgegangene Entscheidung unhaltbar ist, weil sie ein unzuständiges Gericht getroffen hat. Mit der Verweisung ist daher die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung zu verbinden. Dem Schuldner ist nicht zuzumuten, dass der Titel solange vollstreckbar bleibt, bis sich das neu mit der Sache befasste Gericht in den Streitstoff eingearbeitet hat. 174

m) Glaubhaftmachung. Es ist die Aufgabe des Antragstellers, den Verfügungsgrund und den Verfügungsanspruch glaubhaft zu machen. Einen Vollbeweis braucht er nicht zu führen. Diese Erleichterung gilt für sämtliche Prozessvoraussetzungen.465 Nach § 294 Abs. 1 ZPO sind Versicherungen an Eides statt zugelassen. Nur präsente Beweismittel dürfen verwertet werden (§ 294 Abs. 2 ZPO). Sind sie präsent, kommt die gesamte Palette der in der ZPO genannten Beweismittel infrage, mithin die Vernehmung von Zeugen – auch der Anwälte, soweit sie über eigene Kenntnisse verfügen –, Sachverständigen, der Parteien, die Einnahme des Augenscheins und der Einblick in vorhandene Urkunden. Bei Letzteren kann es sich auch um Vernehmungsprotokolle von Zeugen in anderen Verfahren handeln.466

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aa) Verteilung der Darlegungslast. Im Verfahren der einstweiligen Verfügung richtet sich, sobald der Antragsgegner rechtliches Gehör erhalten hat, die Verteilung der Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast nach denselben Regeln, die für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im ordentlichen Klageverfahren gelten.467 Teile der älteren Rechtsprechung468 und frühere Autoren469 haben es zur Herstellung der Waffengleichheit für erforderlich gehalten, dem mit dem Eilverfahren regelmäßig überforderten Antragsgegner zu helfen. Der Antragsteller müsse daher, wie es auch der Wortlaut des § 920 Abs. 2 ZPO bereits nahelege, die Darlegungslast für alles haben, also auch für das Nichtbestehen von in Betracht kommenden Einreden und Einwendungen. Die Lastenverteilung, wie sie allgemein für richtig gehalten wird, solange das Verfahren betrieben wird, ohne dem Schuldner rechtliches Gehör zu geben, wäre dann perpetuiert. Nachdem Hirtz470 im Jahr 1986 für diese Auffassung noch einmal lebhaft plädiert hatte, hat sich zu ihrer Verteidigung niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Gerichte haben mit Augenmaß

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464 Zutreffendes Argument von Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 41. 465 OLG Frankfurt GRUR 1990, 58; KG WRP 1989, 234; OLG Koblenz WRP 1989, 120; Ahrens/Scharen Kap. 50 Rn. 1; Berneke Rn. 98; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 416; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.21; Teplitzky JuS 1981, 122, 124 und Kap. 54 Rn. 44; Münchkomm/ZPO/Drescher § 920 Rn. 12; Schuschke/Walker § 920 Rn. 18; Stein/Jonas/Grunsky § 920 Rn. 15. 466 OLG Braunschweig WRP 2012, 747. 467 OLG Karlsruhe WRP 1983, 170; WRP 1988, 631 (LS); OLG Stuttgart WRP 1991, 268, 269; OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 174, 175; Teplitzky WRP 1980, 373, 374; JuS 1981, 122, 124; Kap. 54 Rn. 45; Ahrens/Scharen Kap. 50 Rn. 19; Berneke Rn. 108; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.21; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 444; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 419; 1981, 122, 124; Schuschke/Walker § 920 Rn. 21, 22; Zöller/ Vollkommer vor § 916 Rn. 6a. 468 RG JW 1907, 750; OLG Düsseldorf GRUR 1959, 550 und 606; OLG Stuttgart GRUR 1962, 526; OLG Celle WRP 1974, 277. 469 Pastor, Der Wettbewerbsprozess, 3. Aufl. (1980), S. 294, 298; Fenge JurA 1970, 561. 470 NJW 1986, 110 ff.

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darauf zu achten, dass sich der Antragsgegner vernünftig verteidigen kann. Eine Änderung der Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast mit der Folge, dass der Antragsteller alle von seinem Gegner vorgebrachte Einwendungen und Einreden – ein Spiel mit vielen taktischen Möglichkeiten – auszuräumen hat, bedarf es dazu nicht.471 bb) Mittel der Glaubhaftmachung. Von den Mitteln der Glaubhaftmachung weist 176 besondere Schwachpunkte die eidesstattliche Versicherung von Zeugen auf. Über deren Persönlichkeitsstruktur und Erinnerungsvermögen kann sich das Gericht kein persönliches Bild machen. Wenn die Versicherung, wie es nahezu die Regel ist, von dritter Seite ganz oder teilweise vorformuliert worden ist, hat sie allein dann eine relevante Aussagekraft, wenn sie plastische Details enthält, die vermutlich nicht erfunden worden sind.472 Es empfiehlt sich daher aus anwaltlicher Vorsorge stets, die Zeugen im Termin präsent zu halten, auch wenn bereits eine von ihnen unterzeichnete eidesstattliche Versicherung vorgelegt worden ist. Auf einem anderen Blatt steht, dass gerade die neutralen Zeugen, die weder beruflich noch privat einer der beiden Parteien besonders verbunden sind, oft nicht bereit sind, ohne gerichtliche Ladung freiwillig zum Termin zu erscheinen. cc) Wahrscheinlichkeitsgrad. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn eine 177 überwiegende Wahrscheinlichkeit für sie spricht.473 Es können mehr Zweifel verbleiben als bei einem Vollbeweis im Hauptsacheverfahren. In einer Pattsituation, in der das Gericht das eine so gut für möglich hält wie das andere, ist die Glaubhaftmachung nicht gelungen. Sie ist aber auch dann gescheitert, wenn für den Sachvortrag des Antragstellers nur ein wenig mehr spricht als für den des Gegners.474 Das folgt mittelbar aus § 921 S. 1 ZPO, wonach ein Arrest (und über § 936 ZPO eine einstweilige Verfügung) gegen Sicherheitsleistung auch dann angeordnet werden kann, wenn die Glaubhaftmachung nicht gelungen ist. Die Vorschrift geht ersichtlich davon aus, dass nicht jede über 50 % liegende Wahrscheinlichkeit zur Glaubhaftmachung genügt; sie ist nämlich nicht anwendbar, wenn mehr für das Vorbringen des Antragsgegners spricht.475 Nach ganz überwiegender Meinung hängt der Grad der Wahrscheinlichkeit, der für 178 die Glaubhaftmachung erforderlich ist, von dem Gewicht ab, den die Eilentscheidung für die Parteien hat.476 Bei einer existenziellen Bedeutung des Verbotsausspruchs für den Antragsgegner dürfen die bestehenden Zweifel weniger laut sein als dann, wenn der Verbotsausspruch den Antragsgegner nicht einschneidend belastet, für den Antragsteller hingegen von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist. Feste Prozentsätze für die hinreichende Wahrscheinlichkeit sind nicht errechenbar. Ein Gericht wird daher niemals Anlass haben auszuführen, an sich verlange es zur ausreichenden Glaubhaftmachung eine Gewissheit von 70%, es begnüge sich aber im Streitfall mit einem etwas geringeren Pro-

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471 Gegen Hirtz auch Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 80 bei Fn. 177; Berneke Rn. 108. 472 Zu besonderer Vorsicht mahnen auch Teplitzky JuS 1981, 122, 125 und Kap. 54 Rn. 49 bei Fn. 263; Melullis Rn. 193; Berneke Rn. 105; Ahrens/Scharen Kap. 50 Rn. 31; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 429; geringere Zurückhaltung bei Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 72. 473 BGH 11.9.2003 – IX ZB 37/03 – BGHZ 156, 139 = NJW 2003, 3558; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn.74; Ahrens/Scharen Kap. 50 Rn. 25 mit weiteren umfangreichen Nachweisen in Fn. 91. 474 H.A., vgl. nur Schuschke/Walker § 920 Rn. 15. 475 MünchkommUWG/Drescher § 929 Rn. 2; SchuschkeWalker § 929 Rn. 4; Stein/Jonas/Grunsky § 921 Rn. 5. 476 So auch: OLG Köln GRUR 1977, 220; KG NJWE-WettbR 1998, 111; OLG Frankfurt GRUR 2002, 236; Jestaedt GRUR 1981, 153, 155; Ulrich GRUR 1985, 201, 210; Berneke Rn. 53, 98 und FS für Tilmann S. 755, 765; MünchkommZPO/Drescher § 9 20 Rn. 16; Schuschke/Walker § 935 Rn. 9; Stein/Jonas/Grunsky § 935 Rn. 9; Zöller/Vollkommer § 935 Rn. 8. Dagegen: Krüger WRP 1921, 6 8, 71; Ahrens/Scharen Kap. 50 Rn. 25.

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zentsatz. Der das summarische Verfahren beherrschende Gedanke einer umfassenden Interessenabwägung kommt bei der Entscheidung, ob ein Tatsachenvortrag glaubhaft gemacht worden ist oder nicht, zum Tragen. dd) Gegenstand der Glaubhaftmachung. Nur Tatsachen können glaubhaft gemacht werden. Die anstehenden Rechtsfragen sind von dem Gericht nicht summarisch zu überprüfen, sondern mit derselben Gründlichkeit wie in einem Hauptsacheverfahren.477 Bei Zeitknappheit hat eine radikale Straffung der schriftlich niedergelegten Begründung Vorrang vor einer amputierten rechtlichen Prüfung. 180 Anzuwendendes ausländisches Recht hat das Gericht nach § 293 ZPO selbständig zu ermitteln. Es gibt Fälle, in denen über das eigene Kommentarstudium eine einigermaßen verlässliche Gewissheit, wie die fremde Rechtsordnung den Streitfall lösen würde, nicht zu gewinnen ist. Ein Sachverständigengutachten zur Klärung der Frage, das alsdann eigentlich erforderlich wäre, kann im Eilverfahren nicht eingeholt werden. Die antragstellende Partei ist gut beraten, für diese Konstellationen ein Privatgutachten einzureichen. Wie zu verfahren ist, wenn das nicht geschieht, ist umstritten. Die Ladung eines Sachverständigen zum Verhandlungstermin, in dem er sein Gutachten mündlich erstattet, ist rechtlich zulässig;478 ob sich ein Sachverständiger finden lässt, der in der Kürze der Zeit eine verantwortbare Stellungnahme zu dem maßgeblichen ausländischen Recht erarbeiten kann, ist eine andere Frage. Der Ausweg, dass sich die Parteien übereinstimmend auf eine bestimmte Rechtsanwendung des ausländischen Rechts in dem maßgeblichen Punkt einigen, wird sich nur ausnahmsweise eröffnen. In der dann entstehenden Not empfehlen einige Autoren, als letztes Mittel deutsches Recht zugrundezulegen.479 Das kann gerade in Fällen des gewerblichen Rechtsschutzes nicht befriedigen.480 Wenn es hier auf die Besonderheiten des nationalen Rechts ankommt, weil kein harmonisiertes Recht anzutreffen ist, steht entweder materiell-rechtlich die Rechtsordnung in einem Land infrage, das nicht zu den unmittelbaren Nachbarn zählt und daher große Unterschiede zu dem deutschen Rechtssystem haben kann, oder es geht um verfahrensrechtliche Besonderheiten, bei der die Anwendung des deutschen Rechts keine Treffsicherheit bietet, ob sie mit den Resultaten des ausländischen Rechts übereinstimmt. So wäre die Annahme, das Wettbewerbsverfahrensrecht in Russland kenne wie das deutsche einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch gegen den Störer, nichts anderes als russisches Roulette.481 Dann erscheint es richtiger, in entsprechender Anwendung des § 294 Abs. 1 ZPO den Verfügungsantrag zurückzuweisen.482 Der Antragsteller hätte die Möglichkeit gehabt, durch die Vorlage eines überzeugenden Privatgutachtens für Klarheit zu sorgen; wenn er das unterlässt, hat er die Konsequenzen wie bei einem nicht glaubhaft gemachten Tatsachenvortrag zu tragen. 179

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477 Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 75; Schuschke/Walker § 920 Rn. 18 mit zahlreichen Nachweisen in Fn. 56. 478 Zutreffend Ahrens/Scharen Kap. 50 Rn. 45, der in Fn. 198 aber zu Unrecht Berneke Rn. 155 für die gegenteilige Auffassung zitiert. 479 Brannekaemper WRP 1994, 661, 667 ff.; Sammerlad/Schrey NJW 1991, 1377, 1381, 1382; Kreuzer NJW 1983, 1943, 1945 ff.; Berneke Rn. 155; Ahrens/Scharen Kap. 50 Rn. 45. 480 Deutliches Unbehagen auch bei Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 437. 481 Vgl. BGH 25.4.2012 – I ZR 235/10 – GRUR 2012, 1263 Rn. 25, 26 – Clinique happy. 482 Ebenso OLG Frankfurt GRUR 1979, 35 und GRUR 1993, 161; OLG Hamburg VersR 1989, 1164; OLG Hamm WRP 1970, 77; Berneke Rn. 155, bei dem aber die Konsequenzen der nicht erfolgten Glaubhaftmachung im Dunkeln bleiben, weil er „äußerstenfalls“ deutsches Recht anwenden will; wohl auch Melullis Rn. 204.

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n) Antragsrücknahme. Der Verfügungsantrag kann in jeder Lage des Verfahrens ohne Einwilligung des Antragsgegners zurückgenommen werden. § 269 Abs. 1 ZPO, der mit dem Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache die Wirksamkeit der Rücknahme von einer Einwilligung des Beklagten abhängig macht, findet im Eilverfahren keine entsprechende Anwendung.483 Die Bestimmung beruht auf der Erwägung, dass der Beklagte ein schützenswertes Interesse an einer rechtskräftigen, den Klageanspruch ein für alle Mal aus der Welt schaffenden Entscheidung hat. Im Verfügungsverfahren findet sich dafür keine Entsprechung, weil der Antragsteller nach der Rücknahme des Antrags ohnehin noch auf das Klageverfahren zugreifen darf und auch die Rechtskraft einer abweisenden Eilentscheidung den Antragsteller nicht hindert, denselben Antrag bei veränderter Sachlage erneut zu stellen.484 Der Antragsgegner bedarf des Schutzes umso weniger, je breiter sich die in Rn. 96–99 befürwortete Auffassung durchsetzt, dass ein zweiter Verfügungsantrag unter dem Aspekt des missbräuchlichen forum shopping unzulässig ist, wenn der zunächst gestellte Antrag nach einem richterlichen Hinweis zurückgenommen worden ist. Mit der Rücknahme des Antrags ist das Verfahren als nicht anhängig geworden anzusehen. Ein bereits ergangenes Urteil oder eine Beschlussverfügung werden mit der Rücknahme wirkungslos; eine Aufhebung der Entscheidung ist nicht notwendig und hat nur deklaratorischen Charakter. § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO findet entsprechende Anwendung. Aufgrund der Rücknahme hat der Antragsteller grundsätzlich die Kosten des Verfahrens zu tragen; es stößt auf keine Bedenken, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO entsprechend anzuwenden. Bei dieser Kostenregelung bleibt es auch dann, wenn ein nachfolgendes Hauptsacheverfahren zu Gunsten des vormaligen Antragstellers ausgeht.485 Dagegen ist streitig, ob auf das Verfügungsverfahren auch die Vorschrift des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO entsprechend angewendet werden kann.486 Die Analogie bereitet schon deshalb Schwierigkeiten, weil die Bestimmung darauf abstellt, dass der Anlass zur Einreichung der Klage vor Eintritt der Rechtshängigkeit entfallen ist. Die Rechtshängigkeit einer Klage beginnt mit der Zustellung der Klageschrift (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO). Ist die Klage zugestellt, und entfällt jetzt erst der Anlass für die Klageerhebung, kann der Kläger sein Kosteninteresse wahren, indem er das Verfahren, an welchem der Beklagte inzwischen beteiligt ist, für erledigt erklärt. Daher beschränkt das Gesetz die Möglichkeit einer Billigkeitsentscheidung über die Kosten auf die Fälle, in denen der Anlass für die Klage vor Rechtshängigkeit entfällt. Das Verfügungsverfahren wird bereits mit der Einreichung des Antrags rechtshängig.487 Die Rechtshängigkeit fällt nicht mit der formellen Beteiligung des Gegners am Verfahren zusammen. Das erklärt, warum bei den Befürwortern einer analogen Anwendung zwei Spielarten anzutreffen sind. Zum einen kann die Analogie auf die Fälle beschränkt

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483 Ganz h.M.: OLG Düsseldorf NJW 1982, 2452; OLG Frankfurt WRP 2001, 716; OLG Koblenz OLGR 1998, 500; 1999, 45; OLG Saarbrücken GRUR-RR 2014, 91; anders noch OLG Koblenz WRP 1980, 646, 648 in einem begründungslosen obiter dictum; Beyerlein WRP 2005, 1463, 1466; Berneke Rn. 225; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 97; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 460; MünchkommUWG/ Schlingloff § 12 Rn. 450; Teplitzky Kap. 55 Rn. 1a; MünchkommZPO/Drescher § 920 Rn. 11; Schuschke/ Walker § 920 Rn. 12; Zöller/Vollkommer § 920 Rn. 13; a.A. Ahrens/Jestaedt Kap. 49 Rn. 15; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 99; Fürst BB 1975, 890. 484 Schuschke/Walker § 920 Rn. 12; Berneke Rn. 225. 485 BGH NJW-RR 1925, 425; Teplitzky Kap. 550 Rn. 1a mit Fn.11; ZöllerVollkommer § 920 Rn. 13. 486 Grundsätzlich ablehnend Teplitzky Kap. 55 Rn. 1a bei Fn. 9; grundsätzlich befürwortend die überwiegende Meinung: OLG Karlsruhe WRP 2012, 591, 592; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 460; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG § 12 Rn. 103; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 450; MünchkommZPO/Drescher § 920 Rn. 11; Schuschke/Walker § 920 Rn. 12; Zöller/Vollkommer § 920 Rn. 13. 487 Teplitzky Kap. 55 Rn. 1; vgl. in dieser Kommentierung Rn. 104.

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werden, in denen der Klagegrund bereits vor Eintritt der Rechtshängigkeit, also dem Eingang des Verfügungsantrags, entfallen ist.488 Sie kann zum anderen erweitert werden bis zu dem Augenblick, in dem der Antragsgegner formell am Verfahren beteiligt wird489 – sei es durch Zustellung des Verfügungsbeschlusses, durch Ladung zu der mündlichen Verhandlung oder durch schriftliche Anhörung, weil das auch der Zeitpunkt ist, auf den das Gesetz mit dem bei der Klage anderen Begriff der Rechtshängigkeit abstellt. 185 Diese erweiterte analoge Anwendung ist schon wegen des Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke abzulehnen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit einer Kostenregulierung über § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bei einer Klagerücknahme mit dem Eintritt der Rechtshängigkeit enden lassen, weil der Kläger bei einem erledigenden Ereignis, das danach eintritt, seine Kosteninteressen mit einer Erledigungserklärung durchsetzen kann. Da nach inzwischen weit überwiegender Auffassung490 im Eilverfahren eine einseitige Erledigungserklärung bereits dann zum Erfolg führt, wenn das erledigende Ereignis im Stadium des einseitigen Verfahrens, mithin zwischen Einreichung des Antrags und Beteiligung der Gegenseite, eintritt, bedarf der Antragsteller keines weiteren Flankenschutzes.491 Die engere Analogie ist hingegen zu befürworten. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO findet seinem Wortlaut entsprechend auch dann Anwendung, wenn sich die Klage bereits vor ihrer Einreichung erledigt hat.492 Entsprechendes hat dann auch bei einem Verfügungsantrag zu gelten. Von der Antragsrücknahme ist der Antragsgegner zweifelsfrei zu unterrichten, wenn 186 er am Verfahren durch Zuleitung von Schriftstücken oder einer Terminsladung bereits beteiligt war. Erfolgt die Rücknahme in einem Verfahrensstadium, in dem es einseitig geführt wurde, kollidiert die Unterrichtung des Antragsgegners mit dem Wortlaut des § 922 Abs. 3 ZPO.493 Wenn der Beschluss, mit dem der Antrag zurückgewiesen wird, dem Gegner nicht mitzuteilen ist, scheint das für die einseitige Beendigung durch Antragsrücknahme gleichfalls zu gelten. Die moderne gegenteilige Auffassung494 hält aber eine Mitteilung an den Antragsgegner dann für notwendig, wenn der Gläubiger den Antrag nach einem für ungünstig erachteten gerichtlichen Hinweis zurückgenommen hat, damit der Schuldner bei einem von dem Antragsteller eingeleiteten Zweitverfahren über das Argument des missbräuchlichen forum shopping verfügen kann. Dem steht bei der angebrachten teleologischen Reduktion die Bestimmung des § 922 Abs. 3 ZPO nicht entgegen. Aus den in Rn. 118 dargestellten Gründen geht es in dieser Vorschrift um die Vermeidung einer obligatorischen Vorwarnung des Schuldners vor einer dem Antrag des

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488 Vgl. OLG Brandenburg Baurecht 2012, 556 gegen die Analogie; OLG Karlsruhe WRP 2012, 591 dafür, wenn der Anlass des Antrags zwischen dessen Aufgabe zur Post und dem Eingang bei Gericht entfällt und der Antragsteller davon erst nach Einreichung des Antrags erfährt. 489 Gegen die Analogie KG WRP 2009, 765; OLG Brandenburg Baurecht 2012, 556; MünchkommZPO/ Drescher § 920 Rn. 11; Musielak/Huber § 922 Rn. 10a. Für die Analogie OLG Stuttgart NJW-RR 2007, 527; LG Freiburg 7.5.2012 – 12 U 39/12; Schuschke/Walker § 920 Rn. 12; Schuschke/Walker § 935 Rn. 30; Zöller/Vollkommer § 920 Rn. 13. Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 460 und MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 450 erwähnen die Möglichkeit dieser erweiterten Analogie nicht. 490 OLG Köln GRUR 2001, 424, 425; Ahrens/Schmukle Kap. 54 Rn. 6; Berneke Rn. 238; Teplitzky Kap. 55 Rn. 24a mit weiteren Nachweisen. 491 Zutreffend MünchkommZPO/Drescher § 920 Rn. 11. 492 Elzer NJW 2002, 2006, 2008; Zöller/Greger § 269 Rn. 18d. 493 Ebenso im Ausgangspunkt Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 100, der allerdings in den forumshopping Fällen für die Unterrichtung des Schuldners plädiert: § 101 Rn. 88. 494 Federführend Teplitzky GRUR 2008, 34, 37; FS für Loschelder S. 391, 398–401; Kap. 55 Rn. 1b; ebenso Ahrens/Scharen Kap. 51 Rn. 9 i.V.m. Rn. 34; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 88.

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Gläubigers stattgebenden Entscheidung. Zu diesem von dem Gläubiger angestrebten Resultat kann es nach der Antragsrücknahme und der zum unzulässigen forum shopping entwickelten Regeln indessen nicht mehr kommen, so dass der „normale“ und selbstverständliche Grundsatz, einen formell am Verfahren Beteiligten von dessen Ausgang zu unterrichten, sein Recht beansprucht. o) Erledigungserklärung. Für die übereinstimmende und die einseitige Erledi- 187 gungserklärung gelten im Grundsatz die Regeln, wie sie für das Klageverfahren entwickelt worden sind. Geht sie im Verfügungsverfahren zu einem Zeitpunkt bei Gericht ein, zu dem der Antragsgegner über dessen Gang noch nicht informiert worden war, so hat das einseitige Verfahren jetzt ein notwendiges Ende gefunden. Antragsschrift und Erledigungserklärung sind dem Antragsgegner zuzuleiten, damit er eine Stellungnahme abgeben kann, ob er sich der Erledigungserklärung anschließt oder ihr widerspricht.495 aa) Zeitliche Differenzierung. Dabei kann die vom BGH496 eröffnete Möglichkeit, 188 die Erledigungserklärung im Hinblick auf einen Unterlassungsantrag zeitlich zu teilen, besondere Bedeutung gewinnen. Verfügte der Antragsteller bereits über einen vollstreckbaren Titel, als durch eine Unterwerfungserklärung des Antragsgegners die Wiederholungsgefahr entfiel und der Unterlassungsanspruch damit erlosch, ist es nicht in seinem Interesse, den Rechtsstreit insgesamt für erledigt zu erklären. Tut er dies und schließt sich der Gegner der Erledigungserklärung an,497 verliert er die Vollstreckungsmöglichkeit auch für die Vergangenheit und kann zwischenzeitliche Zuwiderhandlungen des Antragsgegners nicht länger ahnden.498 Es empfiehlt sich daher für ihn, das Verfahren erst ab dem Zeitpunkt für erledigt zu erklären, in welchem die Unterwerfungserklärung ihre Wirksamkeit entfaltete.499 Bislang nicht abschließend geklärt ist freilich die Frage, wie es sich mit dem nicht für erledigt erklärten Teil des Verfahrens verhält. Es kann nicht beendet worden sein, weil sich die Erledigungserklärung auf einen fest umrissenen Zeitraum aus der Vergangenheit ausdrücklich nicht bezieht.500 Der alte Unterlassungsantrag kann indessen nicht mehr aufrechterhalten werden, weil er sprachlich notwendig auf ein Geschehen in der Zukunft gerichtet war. Der BGH hat davon gesprochen, dass „Gegenstand des anhängig gebliebenen Teils des Verfahrens das Bestehen eines Anspruchs auf Sicherung des materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs für die Zeit bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses“ sei. Diese Umschreibung des Streitgegenstandes kann nicht als Vorschlag einer Antragsformulierung verstanden werden. Sinn macht nur ein geänderter Klageantrag mit dem Feststellungsbegehren, dass der Verfügungsantrag in der Vergangenheit bis zu einem bestimmten Datum begründet gewesen ist.501 Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass ein Feststellungsantrag im summarischen Ver-

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495 Ahrens/Schmukle Kap. 54 Rn. 6; Berneke Rn. 238 mit Nachweisen zu nicht mehr vertretenen Gegenmeinungen; Teplitzky Kap. 55 Rn. 24a; Schuschke/Walker § 935 Rn. 30. 496 23.10.2003 – I ZB 45/02 BGHZ 156, 335 = WRP 2004, 235, 238 – Euro-Einführungsrabatt. 497 Anders bei einer einseitigen Erledigungserklärung, die eine gerichtliche Entscheidung über die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses nach sich zieht, BGH 23.2.2012 – I ZB 28/11 – WRP 2012, 829 Rn. 10 f. mit Anm. von Teplitzky S. 831. 498 BGH wie Fn. 476; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 112 Rn. 38; Teplitzky Kap. 57 Rn. 38; Schuschke/Walker § 890 Rn. 13. 499 Nach BGH, wie zuvor, ist das im Zweifel anzunehmen; demgegenüber verlangen eine eindeutige Erklärung OLG Frankfurt 29.10.2009 – 6 W 170/09; Ruess NJW 2004, 485, 488; Teplitzky LM 2004, 53, 54; Schuschke/Walker § 890 Rn. 14; Stein/Jonas/Brehm § 890 Rn. 29. 500 Vgl. Ruess und Schuschke/Walker, jeweils wie zuvor. 501 Dieser Feststellungsantrag im Eilverfahren ist nicht zu verwechseln mit der von Melullis Rn. 958 bei Fn. 2 empfohlenen Feststellungsklage des Schuldners.

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fahren ausscheide, weil er nicht eilbedürftig sein könne. Es handelt sich um einen der Ausnahmefälle, die einen Übergang aus einem eiligen Verfahren in ein Feststellungsbegehren gestatten.502 189

bb) Bezug zum Hauptsacheverfahren. Die Erklärung, dass das Verfügungsverfahren in der Hauptsache erledigt ist, ist nicht mit der Erklärung zu verwechseln, dass ein daneben anhängiges Hauptsache (Klage-)Verfahren erledigt ist.503 Die Erledigungserklärung ist eine Prozesshandlung, die sich ausschließlich auf das Verfahren bezieht, in dem sie vorgenommen wird. Wird im Rahmen einer vergleichsweisen Gesamtbereinigung auch eine Erledigungserklärung hinsichtlich des Klageverfahrens ausgesprochen, ist damit die im Klageverfahren notwendige Prozesshandlung noch nicht vorgenommen. Es handelt sich lediglich um eine innerparteiliche obligatorische Verbindlichkeit, eine entsprechende Erklärung im Hauptprozess unverzüglich abzugeben.

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cc) Erledigung vor Antragseinreichung. Bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung prüft das Gericht weder im Hauptsacheverfahren noch im Verfügungsverfahren, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Dann spielt der Zeitpunkt der Erledigung keine Rolle.504 Eine erfolgreiche einseitige Erledigungserklärung im Klageverfahren setzt voraus, dass das erledigende Ereignis erst nach der Rechtshängigkeit des Anspruchs, also nach Zustellung der Klageschrift eingetreten ist.505 Die Rechtshängigkeit der einstweiligen Verfügung beginnt bereits mit der Einreichung des Antrags. Daraus folgert die ganz überwiegende Auffassung, dass eine einseitige Erledigungserklärung im Verfügungsverfahren nur verlangt, dass das erledigende Ereignis nicht schon eingetreten war, als der Antrag eingereicht wurde.506 Das hat zur Folge, dass ein zuvor noch einseitiges Verfahren zur Entscheidung über die nicht dringliche Kostenfrage in ein Verfahren unter Beteiligung des Antragsgegners überführt wird. Der Gläubiger kann daher wählen, ob für ihn eine summarische Entscheidung über die Kostenlast im Eilverfahren günstiger ist oder ob er den Verfügungsantrag mit der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 ZPO zurücknimmt und die Kostennachteile als Schadensposten mit einer Hauptsacheklage erstattet verlangt.

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dd) Erledigendes Ereignis. Ein Erledigungsereignis ist jeder Umstand, der einen zuvor zulässigen und begründeten Antrag unzulässig oder unbegründet macht. Ist ein derartiger Umstand eingetreten, so ist es eine Obliegenheit des Antragstellers, das Verfahren für erledigt zu erklären; anderenfalls wird der Antrag mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abgewiesen. Mit einer die Wiederholungsgefahr beseitigenden Unterwerfungserklärung kann der Antragsgegner in jeder Lage des Eilverfahrens507 daher den An-

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502 Mit den Worten des BGH WRP 2004, 235, 238 kommt es nur darauf an, dass die Dringlichkeit für die Anspruchssicherung in dem Zeitraum gegeben war, um den jetzt noch gestritten wird. Vgl. auch Bernreuther WRP 2010, 1191 ff.; Teplitzky Kap. 55 Rn. 24 mit weiteren Nachweisen in Fn. 136. 503 Das ist allgemeine Meinung, vgl. nur Ahrens/Schmukle Kap. 54 Rn. 5; Berneke Rn. 237; Teplitzky Kap. 55 Rn. 24. 504 Allgemeine Meinung, vgl. nur Zöller/Vollkommer § 91a ZPO Rn. 6, 16 mit Nachweisen. 505 Ständige Rechtsprechung des BGH seit dem Urteil vom 15.1.1982 – V ZR 50/81 BGHZ 83, 12, 14 = NJW 1982, 1598; vgl. auch Jacobs Vorauflage vor § 13 Rn. 283; Teplitzky Kap. 46 Rn. 40 mit weiteren Nachweisen in Fn. 226. 506 OLG Köln GRUR 2001, 424, 425; Ahrens/Schmukle Kap. 54 Rn. 6; Berneke Rn. 230; Teplitzky Kap. 55 Rn. 24a; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 451; Zöller/Vollkommer § 922 Rn. 4. 507 H.M.: KG NJW 1991, 499; OLG Bamberg WRP 2003, 102; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 304; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.107–1.109; Teplitzky Kap. 8 Rn. 32 mit umfangreichen weiteren Nachweisen in

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tragsteller praktisch zu einer Erledigungserklärung zwingen. Ob eine der Parteien und gegebenenfalls welche für den Eintritt des Erledigungsereignisses ursächlich geworden ist, spielt bei Beantwortung der Frage, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, keine Rolle.508 Hat der Antragsteller, ohne im Besitz eines Titels zu sein, das Verfahren zögerlich betrieben und mit Anträgen auf Vertagung oder Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist den Verlust der Dringlichkeit verursacht, darf der Antragsgegner einer folgenden Erledigungserklärung nicht widersprechen. Der Antragsteller hätte sonst mit seinem nach der Erledigungserklärung verfolgten Feststellungsantrag, dass sein Petitum ursprünglich zulässig und begründet war, Erfolg, wenn sich das Gericht von der Begründetheit des Antrags überzeugt zeigt. Der spätere Dringlichkeitsverlust würde bei dieser Entscheidung ohne Relevanz sein. Schließt sich in dieser Situation der Antragsgegner hingegen der Erledigungserklärung an, würde die jetzt nach § 91a ZPO zu treffende Kostenentscheidung zu seinen Gunsten ausfallen müssen. Es entspräche allein der Billigkeit, mit den Kosten den Antragsteller zu belasten, weil er es selbst zu verantworten hatte, dass sein Antrag im Laufe des Verfahrens unzulässig geworden ist.509 Eine klassische Streitfrage des Klageverfahrens betrifft das Problem, ob die Erhe- 192 bung der Verjährungseinrede während des Verfahrens ein erledigendes Ereignis auch dann darstellt, wenn die Verjährung des eingeklagten Anspruchs schon vor Verfahrensbeginn eingetreten war. Für das Verfügungsverfahren kann sich die Frage nicht stellen, wenn – wie in dieser Kommentierung510 – die Auffassung vertreten wird, die Geltendmachung eines verjährten Anspruchs schließe die Dringlichkeit aus, oder wenn angenommen wird, der Lauf der maßgeblichen Dringlichkeitsfristen setze analog § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bereits mit der grob fahrlässigen Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umstände ein.511 Bei den Verfechtern der Ansicht, die Dringlichkeitsfrist beginne stets nur bei nachgewiesener Kenntnis des Gläubigers zu laufen, erscheint theoretisch eine Fallgestaltung512 nicht ausgeschlossen, dass ein in zulässiger Weise geltend gemachter und begründeter Anspruch erst durch die Erhebung der Verjährungseinrede zu Fall gebracht wird. Dann stellt die Erhebung dieser Einrede ein erledigendes Ereignis dar;513 wäre sie nicht erhoben worden, hätte der Verfügungsantrag Erfolg haben müssen. Eine einseitige Erledigungserklärung führt daher zu einer für den Antragsteller günstigen Kostenentscheidung, so dass dem Antragsgegner dringend zu raten ist, sich der Erledigungserklärung anzuschließen. Ob bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung der frühe Verjährungseintritt zulasten des Antragstellers berücksichtigt werden kann – und wenn ja in welchem Umfang – war vor der Einführung des § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB sehr umstritten. Auf das seinerzeit weit verbreitete Argument,514 der Gläubiger habe die Kosten zu

_____ Fn. 237; a.A. namentlich Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 7–9 und Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 111 Rn. 11 mit nicht speziell auf das Eilverfahren zugeschnittenen Argumenten. 508 BGH 13.5.1993 – I ZR 113/91 GRUR 1993, 768, 770 f.; BGH 27.1.2010 – VIII ZR 58/09 NJW 2010, 2422 Rn. 30; Teplitzky Kap. 55 Rn. 26; dagegen wurde in BGH 6.12.1984 – VII ZR 64/84 NJW 1986, 588, 589 (unter 3.) noch darauf abgestellt, dass die Verursachung der Erledigung durch den Kläger deshalb unschädlich sei, weil bei der gegebenen Fallgestaltung seine zum Verlust der Klageforderung führende Aufrechnung einer Zahlung durch die Beklagte gleich zu erachten sei. 509 Vgl. BGH wie zuvor in GRUR 1993, 768, 771. 510 Vgl. Rn. 59. 511 Vgl. Teplitzky Kap. 55 Rn. 31. 512 Von Teplitzky Kap. 55 Rn. 31 Fn. 153 nicht zu Unrecht als „absurd“ bezeichnet. 513 BGH 27.1.2010 – VIII ZR 58/09 NJW 2010, 2422 Rn. 26 mit umfangreichen Nachweisen zum seinerzeitigen Streitstand in Rn. 20–22; Teplitzky Kap. 55 Rn. 29, 30. 514 Zu diesem inzwischen nur noch historisch bedeutsamen Streit vergl. Teplitzky Kap. 55 Rn. 32 mit Nachweisen in Fn. 154–159. Das OLG Köln, Beschluss vom 2.9.2013 – 6 W 114/13 – (Porzellanhasen) hat eine grundsätzliche „Pflicht zur Klageerhebung in der Hauptsache“ in einem Fall abgelehnt, in dem

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tragen, weil es ihm zuzumuten gewesen sei, den Verjährungseintritt durch Erhebung der Hauptsacheklage abzuwenden, kann heute nicht mehr zurückgegriffen werden. Es sollte flexibel auf die jeweiligen Besonderheiten des Streitfalles reagiert werden. So kann es für eine relevante Beteiligung des Antragsgegners an den Kosten sprechen, wenn er in einer eingehenden Antwort auf die Abmahnung den bereits eingetretenen Verjährungseintritt mit keinem Wort erwähnt hat. p) Anerkenntnis. Gegenüber dem Verfügungsanspruch kann nach allgemeiner Auffassung ein Anerkenntnis in entsprechender Anwendung des § 307 ZPO abgegeben werden.515 Ist bereits eine parallele Klage erhoben,516 betrifft das Anerkenntnis schon deshalb nur das Verfügungsverfahren, weil es eine Prozesshandlung darstellt, die sich allein auf den Streitgegenstand des Verfahrens beziehen kann, in welchem sie vorgenommen wird.517 Strebt der Schuldner eine Gesamtbereinigung durch ein zweifaches Anerkenntnis an, muss er ein förmliches Anerkenntnis auch im Klageverfahren erklären. Unabhängig davon kann der Schuldner auch gute Gründe haben, im summarischen Verfahren die Waffen zu strecken, sich aber mit anderen Beweismöglichkeiten gegenüber der Klage weiter zur Wehr zu setzen.518 Ein im Eilverfahren abgegebenes Anerkenntnis stellt daher im Zweifel auch keine Verpflichtung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger dar, durch entsprechende Erklärung im Hauptsacheverfahren den Klageanspruch gleichfalls anzuerkennen.519 Wenn das im Einzelfall dennoch gewollt ist, ist es vom Schuldner unmissverständlich herauszustellen. Als praktikable Lösung gegenüber einem „doppelten Anerkenntnis“ hat Spätgens520 vorgeschlagen, das Anerkenntnisurteil im Verfügungsverfahren durch eine Abschlusserklärung einem Hauptsachetitel gleichzustellen. Praktikabler ist das freilich nicht, weil dann das Hauptsacheverfahren durch andere Prozesserklärungen als das Anerkenntnis des Beklagten beendet werden muss: entweder durch eine Klagerücknahme oder, was näher läge, durch eine übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien. 194 Bei teilbaren Ansprüchen kann sich das Anerkenntnis auf einen Teil des Anspruchs beziehen.521 Dagegen ist es nicht möglich, bestimmte Entscheidungsvoraussetzungen, die das Gericht bei einem vollständigen Anerkenntnis nicht zu prüfen hat, auszufiltern und das Anerkenntnis damit unter die Bedingung zu stellen, es solle nur gelten, wenn diese Rechtsfrage vom Gericht geprüft und zulasten des Anerkennenden beurteilt werde. Daher kann das Bestehen des Verfügungsgrundes nicht aus dem Anerkenntnis ausgenommen und zur Nachprüfung durch das Gericht gestellt werden.522 Der Verfügungs193

_____ offenbar, aber nicht ausdrücklich erwähnt, die Verjährung über § 204 Abs. 2 ZPO erst während des Verfahrens eingetreten war. 515 Berneke Rn. 230; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 461; Teplitzky Kap. 55 Rn. 33; Zöller/ Vollkommer § 307 Rn. 2; Stein/Jonas/Grunsky vor § 916 Rn. 22. 516 MünchkommZPO/Drescher vor §§ 916 ff. Rn. 22 erörtert nur das Anerkenntnis im Eilverfahren für den Fall, dass ein Hauptverfahren überhaupt noch nicht eingeleitet ist. Dann gelten die obigen Textausführungen erst recht. 517 Teplitzky Kap. 55 Rn. 33 bei Fn. 164; anders Berneke Rn. 230. 518 Melullis Rn. 146. 519 OLG Hamm WRP 1986, 500, 501; OLG München WRP 1986, 507; Berneke Rn. 230; Teplitzky Kap. 55 Rn. 33; Schuschke/Walker vor § 916 Rn. 35; Stein/Jonas/Grunsky vor § 916 Rn. 23. 520 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 157. 521 Vgl. OLG Hamm WRP 1986, 500. 522 So auch Schuschke/Walker vor § 916 Rn. 35; MünchkommZPO/Drescher vor §§ 916 ff. Rn. 22; Stein/ Jonas/Grunsky vor § 916 Rn. 22; a.A. Berneke Rn. 231.

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grund ist nämlich keine Prozessvoraussetzung, deren Prüfung auch bei einem Anerkenntnis unabdingbar ist.523 q) Vergleich. Im Verfügungsverfahren können die Parteien einen Vergleich schlie- 195 ßen, mit dem ihr Streit abschließend beigelegt wird; insoweit spielt es keine Rolle, ob ein Klageverfahren schon anhängig gemacht worden ist oder nicht. Häufig enthält der Vergleich eine Erklärung des Schuldners, mit der er sich strafbewehrt zur künftigen Unterlassung verpflichtet, und eine Kostenvereinbarung, die im Innenverhältnis der Parteien auch eine verbindliche Regelung über die Kosten eines schwebenden Hauptsacheverfahrens enthalten kann. Den Parteien steht es aber auch frei, ihre Vereinbarung auf die Beendigung des Eilverfahrens zu beschränken.524 Der Schuldner kann versprechen, einen schon vom Gläubiger erstrittenen Titel ganz oder teilweise bis zu einer rechtskräftigen abweichenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu beachten, oder eine vorläufige Unterlassungsverpflichtung abgeben, die mit seinem Erfolg im Hauptsacheverfahren endet.525 Damit wird nicht selten in der Praxis die weitere Vereinbarung verbunden, die Kosten des Verfügungsverfahrens sollten entsprechend der abzuwartenden Kostenentscheidung im Klageverfahren verteilt werden. Das ist grob fehlerhaft, wenn die in den beiden Verfahren gestellten Anträge schon zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht identisch sind, weil die Klage die üblichen Annexanträge mit umfasst. Die Anwälte, die sich darauf einlassen, handeln aber auch dann fahrlässig, wenn die Anträge in den Verfahren aktuell die gleiche Fassung haben;526 niemand kann den Kläger hindern, seine Klageanträge später aufgrund neuer Einsichten zu ändern oder auch die Klage gegen weitere Personen zu richten. In der Folge kann es zu komplexen Auslegungsproblemen bei der Interpretation des Kostenvergleichs kommen, der – wegen Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage – möglicherweise unwirksam ist. In der Vorauflage527 hat daher Schultz-Süchting empfohlen, einen Vergleich mit dieser Kostenregelung ausdrücklich als Zwischenvergleich zu titulieren und das Verfügungsverfahren nach § 251 Abs. 1 ZPO zum Ruhen zu bringen. Dieser Ausweg weist indessen ebenfalls empfindliche Schwachstellen auf. Nach einem Zwischenvergleich muss das Verfahren wieder aufgenommen werden, um entweder eine endgültige Kostenregelung zu treffen oder es übereinstimmend für erledigt zu erklären und einen Kostenbeschluss des Gerichts zu erhalten, dessen Inhalt zum Zeitpunkt des Abschlusses des Zwischenvergleichs niemand prognostizieren kann. Streiten die Parteien nach Abschluss eines Vergleichs, der sich ausschließlich auf 196 das Eilverfahren bezieht, über dessen Wirksamkeit, ist das Verfügungsverfahren fortzusetzen528 und vorgreiflich die Frage zu klären, ob es durch den Vergleich beendet worden ist oder nicht. Verneint das Gericht diese Frage, hat es über den Verfügungsantrag zu befinden, sofern eine neue Einigung zwischen den Parteien nicht gelingt. Keinesfalls ist über die Wirksamkeit des Vergleiches eine Entscheidung durch eine Feststellungsklage herbeizuführen mit dem denkbaren widersinnigen Ergebnis, dass nach dessen rechtskräftigem Abschluss einige Jahre später das Eilverfahren seine Fortsetzung finden müsste.

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523 Das räumt auch Berneke, wie zuvor, und mit weiteren Nachweisen, ein. 524 Vgl. GK-UWG/Herrmann § 12 A Rn. 772. 525 Ausf. dazu Gloy/Erdmann/Loschelder/Spätgens § 101 Rn. 158–160. 526 Vgl. die Warnungen von Teplitzky Kap. 55 Rn. 34 mit Fn. 167; Berneke Rn. 250; Hermann wie Fn. 524; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens verbindet die Empfehlung dieser Kostenregelung in § 101 Rn. 144 mit der Weitergabe der Warnung in Fn. 280. 527 § 25 Rn. 100. 528 KG, Beschluss vom 4.12.2013 – 24 W 92/13 – Magazindienst 2014, 124, 125.

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Anders ist es aber, sofern der Vergleich zur Hauptsache Regelungen trifft oder Rechtsverhältnisse der Parteien behandelt, die nicht Streitgegenstand des Eilverfahrens waren. Dann ist nach ganz einhelliger Meinung der Streit über die Wirksamkeit des Vergleiches in einem neuen ordentlichen Erkenntnisverfahren auszufechten.529 197

r) Urteil. Streitig ist, ob ein in Analogie zur Widerklage (§ 33 ZPO) entwickelter Antrag auf Erlass einer Gegenverfügung als zulässig angesehen werden sollte.530 Sie kann der raschen Erledigung des Verfügungsantrags entgegenstehen und läuft daher dem Gedanken des Eilverfahrens zuwider. Weber531 hat den Gegenverfügungsantrag treffend als Sprengsatz bezeichnet. Es spricht für sich, dass die Befürworter der Zulässigkeit eines derartigen Antrags sonst im Verfügungsverfahren abgelehnte Vertagungen empfehlen532 oder die sofortige Abtrennung des neuen Antrags für ratsam halten.533

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aa) Probleme der Tenorierung. In dem erstinstanzlichen Urteil wird der Widerspruch, wenn ihn das Gericht für erfolglos hält, auf Kosten des Antragsgegners534 zurückgewiesen. Es verbleibt damit bei der Vollstreckbarkeit des Anordnungsbeschlusses. Im Hinblick auf die ergänzende Kostenentscheidung ergibt sich die Vollstreckbarkeit aus der Natur des Eilverfahrens.535 Auf einen begründeten Widerspruch wird der Verfügungsbeschluss aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kostenpflichtig zurückgewiesen. Ist der mündlichen Verhandlung kein Widerspruchsverfahren vorausgegangen, wird die Anordnung erstmals erlassen oder der Verfügungsantrag abgewiesen. Sind mehrere Ansprüche geltend gemacht oder ein teilbarer Anspruch, besteht die Möglichkeit gemischter (also teils abweisender, teils zusprechender) Entscheidungen nicht anders als in einem Klageverfahren. Es ist allgemeine Ansicht, dass die Eilentscheidungen keinen Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit zu enthalten haben. Wird der Verfügungsantrag abgewiesen oder die zuvor getroffene Anordnung aufgehoben, folgt das unmittelbar aus § 708 Nr. 6 ZPO. Im Übrigen soll es bereits aus der Natur des Eilverfahrens resultieren.536 Jedenfalls liegt die Vorstellung einer selbstverständlichen Vollstreckbarkeit auch der Vorschrift des § 929 Abs. 1 ZPO (i.V.m. § 936 ZPO) zu Grunde, die für den Normalfall auch die Erteilung einer Vollstreckungsklausel ohne weitere Vorbedingungen für entbehrlich erklärt. Schließlich ist auch eine im Beschlusswege getroffene Anordnung in entsprechender Anwendung des § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ohne weiteres vollstreckbar.537 Es wäre verwun-

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529 KG, wie zuvor, Magazindienst 2014, 12 4, 125 mit umfangreichen Nachweisen zu älterer und teilweise nicht veröffentlichter Rechtsprechung; Schuschke/Walker § 794 Rn. 15; Stein/Jonas/Münzberg § 794 Rn. 63; Zöller/Greger § 794 Rn. 15d. 530 Bejahend: Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 16; Berneke Rn. 148; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 461 mit Nachweisen zur Rechtsprechung in Fn. 1025; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 427; Stein/Jonas/ Grunsky § 922 Rn. 24. Verneinend: OLG Frankfurt GRUR-RR 2012, 88 mit Anm. Gramsch GRURPrax 2011, 544; G. Weber WRP 1985, 527; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG § 12 Rn. 130; MünchkommZPO/Drescher § 936 Rn. 9 i.V.m. § 922 Rn. 21; Teplitzky 11. Kölner Symposium zum Marken- und Wettbewerbsrecht, Tagungsband Teil 2 S. 28. 531 WRP 1985, 527, 529. 532 Retzer wie Fn. 508. 533 Berneke und Schlingloff, jeweils wie Fn. 508. 534 Die von Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 172 bejahte Frage, ob sich die Kostentenorierung besser auf das gesamte Verfahren beziehen soll, hat keine praktische Bedeutung. 535 Melullis Rn. 207; Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 34. 536 Melullis Rn. 207; Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 34; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 192; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 431. 537 Vgl. Zöller/Vollkommer § 794 Rn. 20; MünchkommZPO/Drescher § 922 Rn. 9; Musielak/Huber § 922 Rn. 5.

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derlich, wenn es für eine durch mündliche Verhandlung besser abgesicherte Entscheidung anders wäre. Der Verfügungsbeschluss kann auch bei ausreichender Glaubhaftmachung mit der 199 Maßgabe erlassen werden, dass seine Vollstreckung von einer von dem Gläubiger zu erbringenden Sicherheitsleistung abhängig gemacht wird (§§ 921, 936 ZPO).538 Wenn der Beschluss einen derartigen Vorbehalt nicht enthielt, die Erkenntnisse aus dem Widerspruchsverfahren eine Sicherheitsleistung aber nahe legen, muss es möglich sein, den Widerspruch mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beschluss um den Ausspruch der Sicherheitsleistung ergänzt wird. Diese Befugnis kann entweder unmittelbar aus § 938 Abs. 1 ZPO oder aus einer entsprechenden Anwendung des § 929 S. 2 ZPO abgeleitet werden. V. Das Gerichtsverfahren Schwippert C. Einstw. Verf., Abschlusserkl. u. -schreiben § 12 Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

bb) Aufbrauchsfrist. Auf den ersten Blick abwegig erscheint der Gedanke, die ge- 200 gen den Schuldner ergehende Anordnung mit einer Aufbrauchsfrist539 zu verbinden. Es klingt paradox, dem Gläubiger bei der Dringlichkeitsprüfung die Eilbedürftigkeit seines Anliegens zu attestieren, die Anordnung aber mit einem weiteren Zeitaufschub zu verbinden. 540 An der Kollision dieser beiden Aspekte wird die Bewilligung einer Aufbrauchsfrist im Eilverfahren in der Tat oft scheitern. Indessen wird das gesamte Verfügungsverfahren von einer Interessenabwägung beherrscht, die stets berücksichtigt, dass die unter einem summarischen Regime gefundene Entscheidung eine geminderte Richtigkeitsgarantie hat, und die im Rahmen der Dringlichkeitsprüfung bei der Beantwortung der Frage, ob der Gläubiger einen eiligen Rechtsschutz überhaupt verdient, zu einem anderen Ergebnis kommen kann als bei der Frage nach der Aufbrauchsfrist.541 In Konstellationen, in denen das sofortige Verbot den Schuldner ungleich schwerer trifft als vergleichsweise der Gläubiger benachteiligt wäre, wenn er das Wettbewerbsverhalten noch einige Tage542 hinnehmen muss, kann die Bewilligung einer Aufbrauchsfrist daher eine angemessene, durch § 242 BGB ermöglichte Maßnahme sein. Darüber besteht inzwischen ein weitestgehender Konsens.543 Die aktuell544 nicht mehr vertretene Gegenmeinung stützte sich, soweit sie nicht auf die Unverträglichkeit mit dem Dringlichkeitserfordernis abstellte, auf die nicht mehr gut nachvollziehbare Erwägung, anders als in einem Hauptsacheverfahren stehe der vorläufige Charakter des Eilverfahrens der Fristbewilligung entgegen.545 Jedenfalls habe das für eine mit der Berufung angreifbare Instanzentscheidung zu gelten, wo dem Rechtsmittelgericht die Entscheidung über die Einstellung der Zwangsvollstreckung überlassen blei-

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538 Teplitzky Kap. 55 Rn. 4; Zöller/Vollkommer § 936 Rn. 2. 539 Zu deren denkbaren Anlässen vgl. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 112; zur rechtlichen Begründung und Herleitung vgl GK-UWG/Herrmann § 12 D Rn. 5 ff.; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 38 ff. 540 Aus diesem Grund eine Aufbrauchsfrist strikt ablehnend: OLG Düsseldorf WRP 1986, 92, 94; OLG Frankfurt GRUR 1988, 46, 49; OLG Koblenz WRP 1991, 599, 602. 541 Das Argument des OLG Düsseldorf WRP 1986, 92, 94, eine mehrfache Interessenabwägung könne nicht einmal zu Gunsten und einmal zulasten des Gläubigers ausfallen – diese Vorstellung liegt ersichtlich auch dem Lösungsvorschlag von GK-UWG/Herrmann § 12 D Rn. 38 zu Grunde – geht daher fehl. 542 KG WRP 1971, 436 hält den Rekord mit fünf Monaten: Der Fall ist lesenswert. 543 OLG Stuttgart WRP 1989, 832, 833; OLG Karlsruhe GRUR-RR 2008, 407, 410; OLG Naumburg 29.5.2009 – 10 U 56/08 – Magazindienst 2009, 678;Ulrich GRUR 1991, 26, 28 f.; Berlit WRP 1998, 250, 251 f.; Teplitzky Kap. 57 Rn. 23; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.68; Fezer/Büscher § 8 Rn. 126; Piper/Ohly/Sosnitza § 8 Rn. 46; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 143; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 91 Rn. 13; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Spätgens § 98 Rn. 29, 30; Ahrens/Bähr Kap. 38 Rn. 16; Ahrens/Schmukle Kap. 54 Rn. 19, 20; Berneke Rn. 162. 544 Vgl. Fn. 515: zuletzt OLG Koblenz WRP1991, 499, 502. 545 Baumbach/Hefermehl Einleitung UWG Rn. 487.

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ben müsse.546 Das leuchtet bereits vom Ansatz her nicht ein, weil das summarische Verfahren mit seiner Interessenabwägung für die zeitliche Kompromisslösung einer Aufbrauchsfrist im Gegenteil eher taugt als das Klageverfahren.547 Die Erwägung ist überdies dogmatisch unhaltbar, wenn die Bewilligung der Aufbrauchsfrist eine materiell-rechtliche Beschränkung des Anspruchs des Gläubigers wiederspiegelt548 und zu einer teilweisen Klageabweisung führt. Mit diesem Ausgangspunkt kann im Hauptsacheverfahren keinesfalls mehr zugesprochen werden als im Verfügungsverfahren, und im Verfügungsverfahren erster Instanz kann nicht mehr zuerkannt werden als dem Gläubiger materiellrechtlich zusteht, weil die nächste Instanz befugt sei, die Zwangsvollstreckung einzustellen. Die Bewilligung der Aufbrauchsfrist hängt nicht von einem Antrag des Schuldners 201 ab.549 Ihre Bewilligung setzt aber voraus, dass dem Gericht die Umstände bekannt sind, die eine sofortige Verbotsanordnung als unangemessen erscheinen lassen. Derartige Kenntnisse werden in der Antragsschrift regelmäßig nicht durch den Gläubiger vermittelt. Sie können sich aber aus dem von ihm vorgelegten Abmahnschreiben, einer Schutzschrift oder einer Stellungnahme des Schuldners bei der schriftlichen Anhörung ergeben, so dass es auch bei einer Beschlussverfügung und nicht erst in einem Urteil zur Bewilligung der Aufbrauchsfrist kommen kann.550 Eine in einem Verfahren bewilligte Aufbrauchsfrist stellt für den Schuldner lediglich einen noch unsicheren Teilerfolg dar, wenn mehrere Gläubiger seinen Wettbewerbsverstoß sanktioniert haben wollen.551 Der Verstoß kann verschiedene Gläubiger unterschiedlich belasten, so dass auch die jeweils neu vorzunehmende Interessenabwägung zu einem anderen Ergebnis führen kann. Im Hinblick auf den Zeitraum, für den die Aufbrauchsfrist bewilligt worden ist, kann der Unterlassungsanspruch Dritter auch nicht durch den Wegfall der Wiederholungsgefahr erloschen sein. Die in nur einem Verfahren erstrittene Aufbrauchsfrist nützt dann dem Schuldner nichts. 202

s) Berufungsverfahren. Für das Berufungsverfahren gelten im Grundsatz die Regelungen der §§ 511–541 ZPO.552 Problematisch ist aber die Anwendbarkeit der Vorschriften, welche die Kompetenz des Berufungsgerichts zur Überprüfung des angefochtenen Urteils in tatsächlicher Hinsicht und die Zulässigkeit neuen Vorbringens betreffen. Zudem ist streitig, ob im Berufungsverfahren ein neuer Streitgegenstand, sei es im Wege der Antragsänderung oder der Antragserweiterung, eingeführt werden kann.

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546 Das Argument stammt von Pastor, Der Wettbewerbsprozess, 3. Aufl. S. 890 f.; KG WRP 1971, 326, 327 nur referierend, da wegen Besonderheiten im Streitfall ohnehin anders zu entscheiden war; gegen diese Überlegungen Ahrens/Bähr Kap. 38 Rn. 16; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 98 Rn. 29 (anders als in der Vorauflage, vgl. dort Fn. 68). 547 Im Ergebnis ebenso Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 1.68, weil der vom Verfügungsverfahren oft überraschte Schuldner vorher nicht habe anderweit disponieren können. 548 Wie es die heute weit überwiegende Meinung annimmt, vgl. die ausführliche Darstellung bei Teplitzky Kap. 57 Rn. 18 mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 87. 549 Jetzt als Ergebnis der materiellrechtlichen Herleitung weit überwiegende Meinung: Teplitzky Kap. 57 Rn. 19 mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 93; GK-UWG/Herrmann D Rn. 32; a.A. noch Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 112; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 432 hält einen Antrag „in der Regel“ (?) für erforderlich. 550 Vgl. GK-UWG/Herrmann D Rn. 39; Ulrich GRUR 1991, 26, 29; Ahrens/Schmukle Kap. 54 Rn. 20; Berneke Rn. 87, 162; Teplitzky Kap. 57 Rn. 23. 551 So die Fallgestaltung in OLG Karlsruhe WRP 1991, 995, 998. 552 MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 484; Teplitzky Kap. 55 Rn. 36; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Spätgens § 101 Rn. 33.

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aa) Anwendung von Verspätungsvorschriften. § 513 ZPO besagt, dass die Beru- 203 fung neben der Rüge einer Rechtsverletzung nur darauf gestützt werden kann, dass die nach § 529 zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit keine konkreten Richtigkeitszweifel bestehen. Die Bestimmungen passen schon von ihrem Wortlaut her nicht auf Eilverfahren, weil in dem erstinstanzlichen summarischen Verfahren keine Tatsachen festgestellt werden. Ihre analoge Anwendung ist nicht gerechtfertigt.553 Der Grad der Wahrscheinlichkeit, den ein Gericht für die Glaubhaftmachung genügen lassen kann oder für erforderlich halten muss, liegt nicht starr fest, sondern ist vom Ergebnis einer Interessenabwägung abhängig. Tatsächliche und rechtliche Nachprüfung gehen in diesem Punkt ineinander über. § 531 Abs. 1 ZPO läuft in seinem Anwendungsbereich weitgehend leer. Wenn es für 204 die erste Instanz des Eilverfahrens keine Präklusion für verspätetes Vorbringen gibt, kann sich die Frage, wie sich die Zurückweisung des Vorbringens auf das Berufungsverfahren auswirkt, nicht stellen.554 Der Wortlaut der Bestimmung erfasst indessen auch die Zurückweisung einer erstinstanzlichen Behauptung, weil sie in rechtsmissbräuchlicher Weise zunächst zurückgehalten worden ist. Trifft der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu, muss es über § 531 Abs. 1 ZPO beim Ausschluss dieser Behauptung bleiben. Streitig ist, ob nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO neue Angriffs- und Verteidigungsmittel ausgeschlossen sind, die erstinstanzlich schon hätten geltend gemacht werden können, wegen einer Nachlässigkeit der Partei aber nicht geltend gemacht worden sind.555 Die Frage sollte bejaht werden. Der Einwand, in der Kürze der Zeit stünden Informationen überhaupt nicht oder nicht in dem zur Substantiierung notwendigen Umfang bereit,556 enthält eine zutreffende Beobachtung, ist aber kein tragfähiges Argument, weil dann eine zum Ausschluss des neuen Vorbringens führende Nachlässigkeit der Partei zu verneinen ist. Berneke557 hat gegen die Anwendung der Vorschrift darüber hinaus vorgebracht, die oft schwierige Frage, ob einer Partei ein Verschulden anzulasten sei, weil es zu dem Vortrag trotz der ungünstigen Bedingungen eines Eilverfahrens nicht bereits in der ersten Instanz gekommen ist, solle das Eilverfahren nicht belasten. Lässt man jedoch sämtliches neues Vorbringen zu und lehnt gleichzeitig die Vertagung einer Berufungsverhandlung im Eilverfahren ab, ist mit der Situation umzugehen, dass eine Partei im letzten Moment ein Vorbringen präsentiert, auf das die Gegenseite nicht vorbereitet sein musste; hier will Berneke558 mit dem Institut des Rechtsmissbrauchs helfen. Dieses Steuerungsinstrument wird jedoch nicht einfacher zu handhaben sein als die Frage einer prozessualen Nachlässigkeit, wie sie sich bei § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO stellt. Für einen teleologischen Ausschluss der Bestimmung im Eilverfahren bestehen daher keine hinreichenden Gründe. Bei ihrer Anwendung ist es freilich geboten, die Besonderheiten des Verfügungsverfahrens im Auge zu behalten. Eine für ein Hauptsacheverfahren zu kons-

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553 Berneke FS für Tilmann S. 755, 759 f.; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.43. 554 Die Anwendbarkeit der Bestimmung im Eilverfahren wird daher oft rundweg verneint, Berneke FS für Tilmann S. 755, 764; ders. Rn. 220; Ahrens/Bähr Kap. 53 Rn. 5; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.43; nach MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 487 spielt die Vorschrift im Verfügungsverfahren „keine wesentliche Rolle.“ 555 Gegen den Ausschluss: OLG Frankfurt GRUR-RR 2005, 299, 301; Schote/Lührig WRP 2008, 1281, 1285; Berneke FS für Tilmann S. 755, 764 ff.; ders. Rn. 220; Musielak/Huber § 925 Rn. 10. Für den Ausschluss: OLG Hamburg GRUR-RR 2003, 135, 136; OLG Köln GRUR-RR 2014, 65, 67 sub 2.a cc; Ahrens/Bähr Kap. 53 Rn. 5; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 495.; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 487. 556 So Berneke FS für Tilmann und Schote/Lührig, beide wie zuvor. 557 FS für Tilmann S. 755, 765. 558 FS für Tilmann S. 755, 766 unter C.

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tatierende Fahrlässigkeit wird in der Hast des Eilverfahrens oft keinen Vorwurf rechtfertigen.559 Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich die Präklusion nicht auf ein Vorbringen bezieht, dass unstreitig wird.560 Zu einem neuen Vorbringen kann sich die Gegenseite daher nicht ausschweigen (§ 138 Abs. 1, 2, 4 ZPO).561 § 530 ZPO schränkt über die entsprechende Anwendbarkeit des § 296 Abs. 1 und 4 205 ZPO weiteres Vorbringen der Parteien ein, dass nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist oder der mit der Terminbestimmung nach § 529 Abs. 2 ZPO gesetzten Berufungserwiderungsfrist präsentiert worden ist. Die Zurückweisung eines danach verspäteten Vorbringens setzt nach § 296 Abs. 1 ZPO voraus, dass sich die Erledigung des Rechtsstreits durch dessen Berücksichtigung verzögern würde. Zu einer Verzögerung kann es indessen nicht kommen, wenn das Dogma, es könne im Eilverfahren keine Vertagung geben, strikt durchgehalten wird.562 Die Kombination dieses Dogmas mit einem Ausschluss des § 530 ZPO führt abermals zu der Konfliktlage, dass der Gegner auf sehr spätes und unerwartetes Vorbringen des Gegners in der Berufungsverhandlung nicht vernünftig reagieren kann und nur mit der Keule des Rechtsmissbrauchs unerträgliche Ergebnisse zu vermeiden sind. Auch wird eingewandt, die Verfügungsverfahren seien in zweiter Instanz ebenso eilig wie in der ersten Instanz, die Parteien unverändert in der Not, sich das erforderliche Tatsachenmaterial rechtzeitig zu beschaffen und richterliche Fristsetzung für schriftsätzlichen Vortrag daher unverändert fehl am Platz.563 Dieser Befund widerspricht der forensischen Alltagserfahrung. In der Mehrzahl der Fälle werden vom Berufungskläger die gesetzlich bestimmten Fristen zur Einlegung und Begründung des Rechtsmittels weitgehend ausgeschöpft. Das geschieht häufig auch dann, wenn es sich um eine Berufung des erstinstanzlich unterlegenen Antragsgegners handelt, der mit keiner Dringlichkeitswaffe zu einer Beschleunigung gezwungen werden kann. Das Verfahren ist zwangsläufig in ein ruhigeres Fahrwasser geraten,564 und es ist sachgerecht, seinen weiteren Verlauf auch mit Fristen für das Vorbringen zu ordnen. Lässt das Rechtsmittel erkennen, dass Not am Mann ist und die Partei mit dem angefochtenen Urteil nicht glaubt leben zu können, wird das Gericht darauf bei der Terminierung Rücksicht nehmen und auf Fristsetzungen verzichten, weil sie zu dem angeschlagenen Tempo des Verfahrens nicht passen. 206

bb) Antragserweiterung. Von einer Mindermeinung wird die Ansicht vertreten, im Verfügungsverfahren sei die Einführung eines neuen Streitgegenstandes in der zweiten Instanz generell ausgeschlossen. Für den Erlass einstweiliger Verfügungen sei nach den §§ 937, 943, 802 ZPO nur das erstinstanzliche Gericht funktionell zuständig – mit der einen Ausnahme, die Hauptsache schwebe bereits in der Berufungsinstanz.565 Die über-

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559 Vgl. OLG Hamburg Magazindienst 2003, 1269, 1271; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 487. 560 Gesicherte Rechtsprechung, die für Eilverfahren keine Ausnahme duldet: BGH 21.10.2004 – IX ZB 205/03 – BGHZ 161, 138 = NJW 2005, 291, 292 f.; BGH 23.6.2008 – GSZ 1/08 – NJW 2008, 3434, 3435 mit weiteren Nachweisen. 561 Vgl. Ahrens/Bähr Kap. 53 Rn. 6; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 487. 562 Die Anwendbarkeit des § 530 ZPO daher ablehnend: Ahrens/Bähr Kap. 53 Rn. 5; Berneke Rn. 220; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 487. 563 Berneke FS für Tilmann S. 755, 764. 564 Anders z.B. Ahrens/Bähr Kap. 53 Rn. 5; Berneke Rn. 220; Teplitzky Kap. 55 Rn. 36. 565 Ahrens/Bähr Kap. 53 Rn. 9; in der Rechtsprechung, soweit ersichtlich OLG Hamm GRUR 1989, 457 LS und Urt. v. 13.4.2010 – 4 U 7/10 – juris Rn. 36; OLG Naumburg, Urt. v. 23.4.2010 – 10 U 54/09 (Hs) 10 – juris Rn. 47 f.

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wiegende Meinung ist mit Recht anderer Auffassung.566 Die Vorschriften über die erstinstanzliche Zuständigkeit der Gerichte und die Möglichkeit von Antragserweiterungen in höheren Instanzen ergänzen sich auch sonst. Warum es im einstweiligen Verfügungsverfahren anders sein sollte, erschließt sich nicht, zumal dort im Beschwerdeverfahren die Möglichkeit des erstmaligen Erlasses der Anordnung durch das Gericht zweiter Instanz außer Frage steht. cc) Probleme der Tenorierung. Es ist umstritten, wie der Tenor zu fassen ist, wenn 207 das Landgericht eine zunächst erlassene Beschlussverfügung nach mündlicher Verhandlung aufgehoben hat und das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, die Aufhebungsentscheidung korrigieren zu müssen. Es findet sich häufig die Wendung, dass die Beschlussverfügung unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils „bestätigt“ werde. Diese Formulierung wäre inhaltlich geboten, sofern das erstinstanzliche Urteil erst mit seiner Rechtskraft die Beschlussverfügung außer Kraft setzen würde.567 Auf diese Weise würde indessen der regelmäßig ohne Anhörung der Gegenseite erlassenen Beschlussverfügung bis auf weiteres der Wirkungsvorrang gegenüber dem nach einem kontradiktorischen Verfahren gewonnenen Urteil eingeräumt.568 Deshalb vertritt die inzwischen weitaus herrschende Auffassung569 die Ansicht, dass die Beschlussverfügung ihre Wirkung zugleich mit der auf den Widerspruch folgenden Aufhebungsentscheidung verliert. Dennoch wird eine „Bestätigung“ der Beschlussverfügung mit der wenig überzeugenden Begründung, das Berufungsgericht müsse genauso tenorieren wie die erste Instanz, wenn dort richtig entschieden worden wäre, von einer starken Meinung sogar für allein richtig gehalten.570 Diese Formulierung gilt es jedoch zu vermeiden; stattdessen ist das Verfügungsverbot vom Berufungsgericht neu auszusprechen.571 Ansonsten kann bei dem Gläubiger das Missverständnis provoziert werden, die Beschlussverfügung sei mit Wirkung ex tunc revitalisiert worden, so dass mit ihrer vormaligen Zustellung die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO gewahrt sei. Das wäre ein verhängnisvoller Irrtum. Der einmal aufgehobene Beschluss kann nicht wieder in Kraft gesetzt werden; das vom Berufungsgericht neu erlassene Verbot wirkt nur für die Zukunft und muss neu vollzogen werden.572

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566 OLG Frankfurt WRP 1983, 212; Berneke Rn. 218; Teplitzky Kap. 55 Rn. 36 mit Fn.174; wohl auch MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 489, aber mit unklaren Einschränkungen; nur referierend Hess in: Ullmann jurisPK-UWG Rn. 200. 567 So heute als Mindermeinung Wieczorek/Schütze/Thümmel § 925 Rn. 11; Gaul/Schilken/BeckerEberhard 77 Rn. 36; früher OLG Hamburg WRP 1976, 777 (aufgegeben mit WRP 1977, 53, 54); KG WRP 1982, 96; OLG Celle WRP 1986, 612. 568 S. Teplitzky WRP 1987, 149 f.; OLG Düsseldorf WRP 1995, 732, 735; OLG Hamburg WRP 1997, 53, 55. 569 Neben den zuvor genannten vgl. OLG Celle GRUR 1989, 541; OLG München NJWE-WettbR 2000, 147; OLG Frankfurt WRP 2002, 334; OLG Düsseldorf NJW – RR 2002, 138; KG WRP 2010, 12 9, 137; SchultzSüchting Vorauflage § 25 Rn. 190; Ahrens/Bähr Kap. 52 Rn. 42; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 6; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 476 und 501; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.42; MünchkommUWG/ Schlingloff § 12 Rn. 478; Teplitzky Kap. 55 Rn. 15; Schuschke/Walker § 925 Rn. 11; Stein/Jonas/Grunsky § 925 Rn. 19; Zöller/Vollkommer § 925 Rn. 10, Rn. 12. 570 Vgl. OLG Düsseldorf WRP 1981, 278, 280; KG WRP 1982, 95, 96 – dessen weiteres Argument, die Beschlussverfügung habe ihre Wirksamkeit nicht verloren, weil die Aufhebungsentscheidung nicht rechtskräftig geworden sei, von Teplitzky WRP 1987, 149, 150 widerlegt worden und inzwischen nicht mehr vorzufinden ist; OLG Karlsruhe WRP 1978, 830, 832; Berneke Rn. 221 mit zusätzlichen Nachweisen in Fn. 238; Ahrens/Bähr Kap. 53 Rn. 17; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 105 Rn. 36. 571 Zutreffend Teplitzky WRP 1987, 149, 150 und Kap. 55 Rn. 15a mit weiteren Nachweisen in Fn. 105; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 501. 572 Allgemeine Meinung: MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 490; Schuschke/Walker § 929 Rn. 13; Ahrens/Bähr Kap. 53 Rn. 17–20; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG § 12 Rn. 145, 201.

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VI. Anordnung der Klageerhebung (§ 926 ZPO) VI. Anordnung der Klageerh. 208

1. Verteidigungsmöglichkeiten außerhalb des Verfahrens. Neben den Rechtsbehelfen im Verfügungsverfahren oder nach dessen für ihn negativen Ausgang stehen dem Schuldner noch andere Möglichkeiten offen, um sich gegen das Ansinnen des Gläubigers zur Wehr zu setzen. Er kann eine negative Feststellungsklage erheben,573 über § 926 ZPO den Gläubiger zur Erhebung der Klage in der Hauptsache zwingen oder nach dem Eintreten veränderter Umstände einen Aufhebungsantrag nach § 927 ZPO stellen. Ein Antrag nach § 926 Abs. 1 ZPO bietet dem Schuldner den Vorteil,574 dass er vorerst in der Deckung verharren und abwarten kann, wie sich der Gläubiger innerhalb der ihm gesetzten Frist entscheidet. Meidet dieser das Risiko einer Klage, so schließt sich lediglich noch ein Antragsverfahren nach § 926 Abs. 2 ZPO an.

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2. Formalien des Antrags und Zuständigkeit. Der Antrag, eine Frist zur Erhebung der Klage zu setzen, kann zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt oder schriftlich eingereicht werden. Er unterliegt nicht dem Anwaltszwang.575 Er ist an keine Frist gebunden, kann – bis zur mündlichen Verhandlung im Verfahren nach § 926 Abs. 2 ZPO ohne Zustimmung des Gläubigers – zurückgenommen und wieder neu eingereicht werden.576 Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag liegt nach fast einhelliger Meinung bei dem erstinstanzlichen Verfügungsgericht, und zwar auch dann, wenn die Verfügung vom Berufungs- oder Beschwerdegericht erlassen worden ist.577 In der Vorauflage578 ist die gegenteilige Meinung mit dem Wortlaut des § 926 Abs. 1 ZPO begründet worden, wonach die Fristenanordnung dem Arrestgericht obliegt. Darunter ist indessen zwanglos das in § 919 ZPO bezeichnete, erstinstanzliche Arrestgericht zu verstehen, und die Ressourcen des Berufungsgerichts müssen nicht mit den schlichten formalrechtlichen Fragen der Fristsetzung belastet werden. Die Entscheidung ist nach § 20 Nr. 14 RpflG dem Rechtspfleger zugewiesen;579 wie immer kann der Richter in wirksamer Weise die Aufgabe an sich ziehen (§§ 6, 8 RpflG).

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3. Antrag vor Beginn des Verfügungsverfahrens. Nach dem Wortlaut des § 926 Abs. 1 ZPO (i.V.m. § 936 ZPO) setzt die Fristsetzung für die Klage voraus, dass das Hauptsacheverfahren noch nicht anhängig und bereits ein Verfügungsbeschluss erwirkt ist. Der Schuldner kann den Antrag aber auch schon vor Erlass des Verfügungsbeschlusses stellen, sobald er von dem eingeleiteten Eilverfahren Kenntnis erhalten hat;580 er steht dann unter der zulässigen, innerprozessualen aufschiebenden Bedingung, dass der Beschluss später gefasst wird. Ein vorzeitiger Antrag bringt für den Schuldner, der für das

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573 Ahrens/Ahrens Kap. 61 Rn. 2; Schuschke/Walker § 926 Rn. 2, beide mit Nachweisen. 574 Vor einem vorschnell gestellten Antrag warnen Ahrens/Ahrens Kap. 61 Rn. 5; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG § 12 Rn. 181. 575 Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 180; MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 3; PG/Fischer § 926 Rn. 3; Schuschke/Walker § 926 Rn. 4a; Zöller/Vollkommer § 926 Rn. 8. 576 Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 208. 577 Fezer/Büscher § 12 Rn. 139; Teplitzky Kap. 56 Rn. 4; Ahrens/Ahrens Kap. 61 Rn. 2; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Spätgens § 107 Rn. 4; Schuschke/Walker § 926 Rn. 9; Stein/Jonas/Grunsky § 926 Rn. 5; Zöller/ Vollkommer § 925 Rn. 6; MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 4. OLG Koblenz WRP 1995, 416 geht von einer kumulativen Zuständigkeit des Berufungsgerichts aus, dass mit dem Verfügungsverfahren gerade befasst ist. 578 Schultz-Süchting § 25 Rn. 214 mit Fn. 622. 579 Statt aller MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 4. 580 Teplitzky Kap. 56 Rn. 4; Stein/Jonas/Grunsky § 926 Rn. 3; Schuschke/Walker § 926 Rn. 4a; wohl auch Ahrens/Ahrens Kap. 61 Rn. 5 mit Fn. 20.

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Eilverfahren schlechtere Karten als für ein Hauptsacheverfahren hat, den Vorteil eines Zeitgewinns. Das Gericht kann die Entscheidung über den Antrag an sich ziehen und den Verfügungsbeschluss mit der Fristsetzung nach § 926 Abs. 1 ZPO verbinden. Der Antrag kann sich indessen zum eigenen Nachteil des Schuldners als vorschneller Schuss aus der Hüfte erweisen. Er nimmt dem Schuldner eine nach § 93 ZPO bestehende Chance einer günstigen Kostenentscheidung. Er nötigt die Parteien in ein Klageverfahren, ohne dass die Entwicklung des Eilverfahrens abgewartet worden ist, dessen Fortgang für den Schuldner zu der Selbsterkenntnis führen kann, dass sich weiterer Widerstand nicht lohnt.581 Streitig ist, ob der Antrag auch schon in einer Schutzschrift gestellt werden kann. Die h.M. lehnt das ab.582 Das Hauptargument, dieser Antrag mit offensiver Stoßrichtung – erster Einwand: Er ist deutlich defensiver als eine negative Feststellungsklage oder ein Aufhebungsantrag – sei mit Sinn und Zweck der Schutzschrift als eines vorbeugenden defensiven Mittels unvereinbar,583 ähnelt allerdings einer scholastischen Ableitung aus dem Wesen eines Begriffes. Ein anderer Grund fällt stärker ins Gewicht. Mit der Fristsetzung wird dem Gläubiger aufgegeben, demnächst eine Klage zu erheben, deren Antrag mit dem Verfügungsantrag übereinstimmt. Bei Abfassung der Schutzschrift kennt der Schuldner den vom Gläubiger eingereichten oder demnächst zu stellenden Verfügungsantrag nicht. Er muss infolgedessen den von ihm vermuteten Antrag selbst in Worte kleiden, und sein eigener Antrag auf Fristsetzung stünde dann unter der weiteren Bedingung, dass der von dem Schuldner erwartete und der vom Gläubiger gestellte Verfügungsantrag inhaltsgleich sind. Die rechtliche Prüfung, ob sprachliche Abweichungen in den Anträgen unbedeutender redaktioneller Natur sind oder essenzielles Gewicht haben, kann im Ausgang ungewiss sein und daher nicht zur Bedingung einer Prozesshandlung wie dem Antrag nach § 926 Abs. 1 ZPO gemacht werden. 4. Anhörung des Gläubigers. Die Fristsetzung nach § 926 Abs. 1 ZPO stellt eine für 211 den Gläubiger nachteilige Entscheidung dar, weil er gezwungen wird, eine Klage zu erheben oder in Kauf zu nehmen, die Ernte aus dem Eilverfahren nicht einfahren zu können. Die Anhörung des Gläubigers vor der Entscheidung über den Antrag ist daher zwingend geboten,584 um ihm insbesondere Gelegenheit zu geben darzulegen, dass dem Antrag das Rechtsschutzinteresse fehlt. Die noch heute vertretene Gegenmeinung585 ist allein dann schlüssig begründet, wenn sich – wie nicht, dazu sofort mehr – die Prüfungskompetenz des Rechtspflegers vor einer Fristsetzung auf einen Einblick in die Akte des Verfügungsverfahrens zu beschränken hat, ob ein wirksamer Verfügungsbeschluss existent sei.586

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581 Diese Risiken beschreiben zutreffend Ahrens/Ahrens Kap. 61 Rn. 6; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG Rn. 181. 582 Teplitzky Kap. 56 Rn. 4 unter Berufung auf May, Die Schutzschrift im Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren, 1983, S. 38 f.; ihm folgend Berneke Rn. 257 mit Fn. 5; Fezer/Büscher § 12 Rn. 140; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.45; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 550; Büscher/Dittmer/Schiwy, vor § 12 UWG Rn. 143; Nordemann/Götting/Kaiser § 12 Rn. 261. A.A.: Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 209; Melullis Rn. 262; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 520; Musielak/Huber § 926 Rn. 4. 583 Gegen dieses Argument auch Melullis Rn. 262. 584 Teplitzky Kap. 56 Rn. 17 mit Fn. 34; Berneke Rn. 261; Fezer/Büscher § 12 Rn. 141; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Spätgens § 107 Rn. 5; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 549. 585 Schuschke/Walker § 926 Rn. 9; Stein/Jonas/Grunsky § 926 Rn. 7; Zöller/Vollkommer § 926 Rn. 15. 586 So Schultz-Süchting Vorauflage Rn. 210, 215 mit Fn. 628, nicht aber die in der Fn. zuvor Genannten.

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5. Vorheriger Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Der Antrag ist als unzulässig abzuweisen, wenn die Hauptsacheklage anhängig ist.587 Das ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 926 Abs. 1 ZPO. Dem stellt das Schrifttum den Fall gleich, dass das Hauptsacheverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen ist.588 Diese Folgerung scheint auf einem zwingenden gedanklichen Erst-Recht-Schluss zu beruhen und überdies notwendig zu sein, um den Gläubiger nicht zu einer unzulässigen Klage zu nötigen.589 Demgegenüber ist folgendes zu bedenken: Praktisch bedeutsam ist nicht die Konstellation, dass nach einem zeitgleichen Start das Klageverfahren früher als das Eilverfahren endet. Es kommt allein dann zum Schwur, wenn über die Identität des Streitgegenstandes eines rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahrens und des Eilverfahrens (von der Differenz der Streitgegenstände wegen der unterschiedlichen Verfahrensarten ist hier abzusehen) Meinungsverschiedenheiten bestehen, weil das ältere Klageverfahren andere Begleitumstände bei möglicherweise gleichem Kerngeschehen betraf. Das Verfügungsgericht muss die Identität verneint haben, weil es sonst die Verfügung nicht hätte erlassen können. Der Schuldner hat ein dringendes Interesse, diese Frage in einem neuen Klageverfahren klären zu lassen. Sein Antrag darf nicht abgewiesen werden.

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6. Antrag nach Aufhebung der Beschlussverfügung. Der Wortlaut des § 926 Abs. 1 ZPO setzt die vorherige Erwirkung eines vollstreckbaren Befehls voraus. Damit stellt sich die Frage, ob der Antrag auf Fristsetzung zulässig ist, wenn die getroffene Anordnung im erstinstanzlichen Urteil wieder aufgehoben worden ist, über die Richtigkeit dieser Entscheidung aber im Berufungsverfahren noch gestritten wird oder gestritten werden kann. Die h.M. bejaht diese Frage und verneint die Zulässigkeit des Antrags nur bei einer rechtskräftigen Aufhebung des Verfügungsbeschlusses, was sich dann allerdings auch von selbst versteht.590 Dem ist entgegenzutreten. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Aufhebung des Verfügungsbeschlusses sofort ex tunc wirkt591 und dessen spätere Bestätigung durch das Berufungsgericht einen neuen Erlass der einstweiligen Verfügung darstellt. Die Beschlussverfügung ist definitiv beseitigt. Die Lage ist nicht anders, als wenn zum Zeitpunkt des Antrags nach § 926 Abs. 1 ZPO im laufenden Verfügungsverfahren ein Titel überhaupt noch nicht erstritten worden ist. Die h.M. schickt den Gläubiger in ein Klageverfahren, obgleich er keinen Titel im Eilverfahren besitzt, aus dem er die Vollstreckung betreiben könnte, und ungewiss ist, ob er ihn noch erstreiten wird. Der nach dem Halbzeitstand des Eilverfahrens siegreiche Schuldner bedarf nicht des Schutzes über § 926 Abs. 1 ZPO.592

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587 Auch bei einer Auslandsklage, wenn das Urteil in Deutschland anzuerkennen ist, OLG Frankfurt MDR 1981, 237; TeplitzkyKap. 56 Rn. 5; Zöller/Vollkommer § 926 Rn. 10. 588 Berneke Rn. 258; Fezer/Büscher § 12 Rn. 140; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 551; Teplitzky Kap. 56 Rn. 5; Schuschke/Walker § 926 Rn. 7; Zöller/Vollkommer § 926 Rn. 23. 589 Argument von Schuschke/Walker § 926 Rn. 7. 590 Berneke Rn. 259 mit unzutreffendem Hinweis auf OLG Düsseldorf WRP 1971, 328 (Verfügungsverfahren war mit wirksamer einseitiger Erledigungserklärung des Antragstellers vorher beendet worden) und OLG Hamburg WRP 1976, 777 (Verfahren nach § 926 Abs. 2 und mit der überholten, von Berneke – Rn. 221 – selbst für unrichtig gehaltenen Begründung, das Aufhebungsurteil beseitige die Wirksamkeit des Verfügungsbeschluss erst mit seiner Rechtskraft); Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 551; Schuschke/Walker § 926 Rn. 6; Zöller/Vollkommer § 926 Rn. 23; Wieczorek/Schütze/Thümmel § 926 Rn. 15. 591 Vgl. hier nur Teplitzky Kap. 55 Rn. 15 mit den Nachweisen in Fn. 99. 592 Teplitzky Kap. 56 Rn. 5 sowie Fn. 9 hält den Fristsetzungsantrag nach der Aufhebung der einstweiligen Verfügung im Widerspruchsverfahren jedenfalls solange für unzulässig, wie deren neuer Erlass mit der Berufung noch nicht neu beantragt sei; Fezer/Büscher § 12 Rn. 140 Rn. 3 spricht im Text der Kommentierung von der Unzulässigkeit des Antrags nach Aufhebung der Verfügung. Die Belegstellen in Fn. 346 ergeben aber ein verwirrendes Bild.

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7. Rechtsschutzinteresse für den Antragseingang. Zu einem Tummelplatz von 214 Problemen hat sich die Prüfung des Rechtsschutzinteresses für den Antrag entwickelt. Ursprünglich galt als ausgemacht, dass das Anordnungsverfahren einen bloß formalen Charakter und das Eilgericht vor der Fristsetzung nur zu prüfen habe, ob ein Vollstreckungsbefehl erwirkt und die Hauptsache nicht anhängig sei.593 Zur Kehrtwende kam es 1974 durch eine unglücklich begründete Entscheidung des BGH,594 ohne deren Kenntnis nicht nachzuvollziehen ist, warum die Kommentierung des scheinbar schlichten Fristsetzungsverfahrens im einschlägigen Schrifttum einen breiten Raum einnimmt.595 In dem damaligen Fall war ein Politiker im Landtagswahlkampf 14 Tage vor dem Wahlsonntag gegen den Verantwortlichen eines Wahlplakates vorgegangen und hatte einen Verfügungsbeschluss erwirkt. Der sofort eingelegte Widerspruch wurde mit einem Antrag nach § 926 Abs. 1 ZPO verbunden. Die mündliche Verhandlung fand nach der Wahl statt; der Antragsteller erklärte deshalb das Verfahren einseitig für erledigt. Die Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage wurde antragsgemäß gesetzt. Der Antragsteller im Verfügungsverfahren erhob die Klage fristgerecht mit dem auch im Eilverfahren ursprünglich formulierten Unterlassungsantrag, den er wegen Fortfalls der Wiederholungsgefahr selbst für unbegründet hielt. Er stellte deshalb einen Hilfsantrag, mit dem er festgestellt wissen wollte, dass die einstweilige Verfügung bis zum Wahlsonntag begründet gewesen sei. Dem Kläger erging es nicht gut. Der Hauptantrag wurde zurückgewiesen, weil, wie beide Parteien übereinstimmten, die Wiederholungsgefahr nicht mehr bestand. Der Hilfsantrag wurde als unzulässig abgewiesen, weil er lediglich auf eine Klärung abgeschlossener Rechtsverhältnisse in der Vergangenheit abziele. Ein Rechtsschutzinteresse für den Hilfsantrag könne auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Kläger der Fristsetzung gemäß § 926 Abs. 1 ZPO habe entsprechen müssen, um der Aufhebung der Verfügung mit der daraus resultierenden Schadensersatzpflicht nach § 945 ZPO zu entgehen. Das sei nämlich bereits durch die Stellung des Hauptantrags, auf dessen Begründetheit es insoweit nicht ankomme, gelungen. Das für den Kläger niederschmetternde Ergebnis sei vermeidbar gewesen, da er die Fristsetzung habe angreifen können. Dem Antrag habe das Rechtsschutzinteresse gefehlt, weil mit dem Ablauf des Wahlsonntags die Wiederholungsgefahr ersichtlich entfallen sei – damit war der rein formale Charakter des Anordnungsverfahrens beerdigt – und der Antragsteller dies mit der Erledigungserklärung im Verfahren auch eindeutig zum Ausdruck gebracht habe.596 Seitdem bemüht sich das Schrifttum um ein gedankliches Gerüst, mit dessen Hilfe die Gefahr gering gehalten werden kann, dass der Schuldner mit seinem Antrag, ohne ein eigenes schützenswertes Interesse im Rücken zu haben, den Gläubiger in ein Rennen schicken kann, das mit dessen Niederlage enden muss. Folgende Fallgruppen sind auseinanderzuhalten: Der Schuldner des Verfügungsverfahrens hat kein Rechtsschutzinteresse für einen 215 Antrag nach § 926 Abs. 1 ZPO, wenn der Gläubiger aus dem erwirkten Titel keine Vollstreckung mehr betreiben kann, weil das Verfahren durch Erledigungserklärung beendet

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593 OLG Hamburg MDR 1965, 49, 50; weitere Nachweise bei Mädrich, Das Verhältnis der Rechtsbehelfe des Antragsgegners im einstweiligen Verfügungsverfahren S. 58 Fn. 313; auch noch Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 215; vgl. auch die Darstellung bei Teplitzky Kap. 56 Rn. 7 mit Fn. 13; spürbare Zurückhaltung bei der Einbeziehung materiellrechtlicher Fragen im modernen Schrifttum bei Ahrens/ Ahrens Kap. 61 Rn. 34 ff.; MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 7. 594 NJW 1974, 503, 504. 595 Vgl. Ahrens/Ahrens Kap. 61 Rn. 32–45; Teplitzky Kap. 56 Rn. 4–16. 596 Vgl. zu der nach der zwischenzeitlichen Entwicklung der Rechtsprechung angemessenen Lösung Rn. 219.

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worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger auf sämtliche Rechte aus dem Verfügungstitel verzichtet hat.597 Gelegentlich sieht ein Gläubiger ein, dass ihm der zugebilligte Unterlassungsanspruch nicht zusteht; er nimmt aber bei seinem Verzicht auf den Titel die Kostenentscheidung ausdrücklich aus. Eine frühere obergerichtliche Rechtsprechung,598 das Rechtsschutzinteresse sei in diesem Fall nicht gegeben, weil das Verfahren des § 926 Abs. 1 ZPO auf die materiell-rechtlichen Überprüfung angelegt sei, ist inzwischen nicht mehr aufrecht zu erhalten. Der BGH hat 1993 entschieden,599 dass die Aufhebungsklage gemäß § 927 ZPO das alleinige Ziel haben könne, den belastenden Kostenausspruch aus dem Verfügungsverfahren zu beseitigen. Entsprechendes hat für das Verfahren des § 926 Abs. 1 ZPO zu gelten.600 Überwiegend wird darüber hinaus die Meinung vertreten, es komme auf die förmli216 che Verzichtserklärung des Gläubigers nicht an, wenn der Unterlassungsanspruch nach dem Vortrag beider Parteien nicht (mehr) existiere und das auch zweifelsfrei sei.601 Andere verlangen, dass der Gläubiger zusätzlich klarstellen muss, von dem Titel keinen Gebrauch mehr zu machen.602 217 Schließlich gibt es Meinungsverschiedenheiten bei der Beantwortung der Frage, wie die Forderungen zu behandeln sind, die der Gläubiger nicht mehr durchsetzen kann, weil ihnen die Einrede der Verjährung entgegensteht. Auch hier wird das Rechtsschutzinteresse überwiegend verneint, zumeist einschließlich der weiteren Variante, in der die Forderung zweifelsfrei verjährt, eine entsprechende Einrede aber noch nicht erhoben, sondern nur angekündigt ist.603 218 Diese Überlegungen sind für den praktischen Alltag wenig von Nutzen. Ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch evident entfallen, wird nur ein miserabel beratener Gläubiger den Verzicht auf den Titel verweigern. Die in der Rechtsprechung bekannt gewordenen Fälle kreisen denn auch samt und sonders um schwierige Abgrenzungsfragen: Ist die Wiederholungsgefahr ausnahmsweise auch ohne strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt worden604 oder hat sich die Sache durch Zeitablauf endgültig erledigt,605 weil ein kerngleicher Streit auch bei einer demnächst bevorstehenden ähnlichen Veranstaltung nicht wieder entstehen kann? Für diese Fälle bietet die heute

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597 BGH NJW 1974, 503, 504; Teplitzky Kap. 56 Rn. 8; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 107 Rn. 1; Fezer/Büscher § 12 Rn. 140; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.45; unklar allerdings MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 7 mit widersprüchlichem Text vor den Fn. 29 und 32. 598 OLG Karlsruhe WRP 1980, 713, 714; OLG Düsseldorf WRP 1988, 247, 248; OLG München Magazindienst 1987, 1230, 1231. 599 Urt. vom 1.4.1993 – I ZR 70/91 – GRUR 1993, 998, 990– Verfügungskosten. 600 OLG Köln GRUR-RR 2005, 101; OLG Nürnberg WRP 2005, 1034; Teplitzky Kap. 56 Rn. 8; Zöller/ Vollkommer § 926 Rn. 12, 26; a.A. Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 552; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 522, wie Retzer unter Berufung auf Berneke Rn. 258, wo aber die Streitfrage nicht behandelt ist; wohl auch Ahrens/Ahrens Kap. 61 Rn. 43 mit Fn. 78. 601 Melullis Rn. 264; Teplitzky Kap. 56 Rn. 9, 14; Berneke Rn. 259; Fezer/Büscher § 12 Rn. 140; Harte/ Henning/Retzer Rn. 552 f.; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 522; Stein/Jonas/Grunsky § 926 Rn. 7; Schuschke/Walker § 926 Rn. 8. 602 OLG Düsseldorf WRP 1988, 247; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.45; Ahrens/Ahrens Kap. 61 Rn. 43; die h.M. und die frühere Gegenmeinung von Pastor, Der Wettbewerbsprozess, 3. Auflage S. 508 wohl nur referierend Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 107 Rn. 1. 603 Teplitzky Kap. 56 Rn. 11; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 552; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 522, der aber nur die schon erhobene Einrede erwähnt; Schuschke/Walker § 926 Rn. 8; Zöller/ Vollkommer § 926 Rn. 12 (anders Rn. 14); a.A. – Rechtsschutzinteresse entfällt nur bei zusätzlichem förmlichen Verzicht – Ahrens/Ahrens Kap. 61 Rn. 44; MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 7; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Spätgens § 107 Rn. 1 a.E. 604 So in OLG Stuttgart WRP 1981, 231; OLG Köln GRUR-RR 2005, 101. 605 So in BGH WRP 1974, 503; OLG Düsseldorf WRP 1971, 328; OLG Karlsruhe WRP 1980, 713.

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herrschende Meinung keine Hilfestellung. Es wird daher hier dafür plädiert, zu dem ursprünglich angenommenen formalen Charakter des Festsetzungsverfahrens zurückzukehren. Damit sind brauchbare Ergebnisse zu erzielen, ohne die Untersuchung des Rechtsschutzinteresses mit der Evidenzprüfung materiell-rechtlicher Fragen zum Wasserkopf zu machen. In dem oben geschilderten Wahlplakatfall hätte eine Formalprüfung ausgereicht, 219 um das Rechtsschutzinteresse für den Fristsetzungsantrag zu verneinen. Der Gläubiger hatte das Verfügungsverfahren nämlich für erledigt erklärt, und der Schuldner brauchte nichts weiter zu tun, als sich dieser Erledigungserklärung anzuschließen, um dem Verfügungsbeschluss die Wirkung zu nehmen. Das war ein einfacherer Weg als jener über § 926 Abs. 1 ZPO. Entfällt die Wiederholungsgefahr während des Eilverfahrens, kann der Gläubiger den von ihm geltend gemachten Unterlassungsanspruch zukünftig für erledigt erklären und im Übrigen zu dem Feststellungsantrag übergehen, dass der Anspruch bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses begründet war.606 Gegen diesen Antrag kann der Schuldner freilich nach § 926 Abs. 1 ZPO vorgehen. Mit der dann vom Gläubiger zu erhebenden spiegelgleichen Feststellungsklage, die nicht im Eilverfahren zulässig und im Klageverfahren mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig sein kann,607 wird der Gläubiger nicht in ein aussichtsloses Rennen geschickt. Fällt die Wiederholungsgefahr erst nach dem Abschluss des Eilverfahrens fort, ob- 220 liegt es dem Gläubiger, spätestens im Zuge seiner obligatorischen Anhörung im Anordnungsverfahren für die Zukunft auf alle Rechte aus dem Titel zu verzichten mit der Folge, dass dem Antrag auch bei einer formalen Prüfung das Rechtsschutzinteresse genommen ist. Die angesprochene Problematik verjährter Ansprüche kann sich unter der Herrschaft des § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB erst nach dem Abschluss des Eilverfahrens stellen (§ 204 Abs. 2 S. 1 BGB). Auch dann hat der Gläubiger die Möglichkeit, bei seiner Anhörung auf die Rechte aus dem Titel ab Verjährungseintritt zu verzichten. Warum eine förmliche Verzichtserklärung für den seit dem Verfügungsverfahren ohnehin anwaltlich vertretenen Gläubiger unzumutbar sein sollte,608 erschließt sich nicht. 8. Entscheidung über den Antrag und Rechtsbehelfe. Die Entscheidung über den 221 Antrag ergeht durch Beschluss. Die vom Rechtspfleger getroffene stattgebende Entscheidung ist mit der befristeten Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 RpflG angreifbar; gegen seinen zurückweisenden Beschluss oder auch gegen eine nach seiner Meinung zu üppig bemessene Frist kann der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RpflG i.V.m. § 567 ZPO vorgehen. Die ausnahmsweise durch Richter erfolgte Zurückweisung des Antrags ist unanfechtbar. Der zurückweisende Richterbeschluss kann nicht mit der sofortigen Beschwerde nach § 567 ZPO angegangen werden.609 Hält der Gläubiger die richterlich festgesetzte Frist für zu kurz, kann er einen auf § 224 Abs. 2 ZPO gestützten Verlängerungsantrag stellen.610

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606 BGH 23.10.2003 – I ZB 45/02 – BGHZ 156, 335 = WRP 2004, 235, 238 – Euro-Einführungsrabatt; vgl. oben Rn. 188. 607 Insoweit ist, was man bislang übersehen hat, BGH NJW 1974, 503 durch BGHZ 156, 335 überholt. 608 Was tendenziell bei Teplitzky Kap. 56 Rn. 9 zum Ausdruck kommt. 609 Vgl. dazu im Einzelnen Schuschke/Walker § 926 Rn. 12; MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 10, 11. 610 Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 556; Teplitzky Kap. 56 Rn. 17; Zöller/Vollkommer § 926 Rn. 18; Schuschke/Walker § 996 Rn. 12.

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9. Bemessung der Klagefrist. Die Bemessung der Frist darf nach §§ 276 Abs. 1 S. 2, 277 Abs. 3 ZPO (entsprechend) zwei Wochen nicht unterschreiten. Im Wettbewerbsrecht wird für den Regelfall eine Frist von rund vier Wochen als angemessen angesehen.611 Das TRIPS-Übereinkommen sieht in Art. 50 Abs. 6 eine Höchstfrist von 31 Kalendertagen oder 20 Arbeitstagen vor. Auch auf das UWG gestützte Ansprüche können in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, wenn mit ihrer Hilfe Rechte des geistigen Eigentums geschützt werden.612 Ob die Bestimmung in Deutschland eine unmittelbare Wirkung entfaltet, ist aber umstritten.613 Die gesetzte Frist ist eingehalten, wenn in Anwendung des § 167 ZPO die Zustellung 223 demnächst erfolgt.614 Auch ein rechtzeitig eingereichter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage reicht aus, wenn dem Antrag in der Folgezeit stattgegeben wird.615 Ist die Frist definitiv versäumt, kann noch eine Heilung über § 231 Abs. 2 ZPO erfolgen, indem bis zum Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung im Aufhebungsverfahren die Klage erhoben wird.616 Bei dieser Konstellation kommt eine Anwendung des § 167 ZPO nicht in Betracht, weil sonst so lange eine oder mehrere Vertagungen notwendig werden können, bis abschließend zu beurteilen ist, ob die endlich erfolgte Zustellung der Klage noch als „demnächst“ angesehen werden kann.617 224

10. Klage nach Aufhebung der Verfügung. Einer einmal getroffenen Anordnung hat der Gläubiger durch Klageerhebung zu entsprechen, wenn er die Folge des § 926 Abs. 2 ZPO vermeiden will. Diese Sanktionsmöglichkeit entfällt allerdings, sobald die einstweilige Verfügung rechtskräftig aufgehoben worden, das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt oder auf eine einseitige Erledigungserklärung ein entsprechendes Feststellungsurteil rechtskräftig geworden ist.618 Der Gläubiger kann alsdann selbst-

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611 Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 216; Teplitzky Kap. 56 Rn. 17 mit weiteren Nachweisen zur ZPOKommentarliteratur in Fn. 36; Fezer/Büscher § 12 Rn. 142; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.46 (3–4 Wochen); Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 101 Rn. 5 (mindestens drei Wochen). 612 Ahrens/Ahrens Kap. 61 Rn. 4 mit Nachweisen. 613 Vgl. BGH 2.5.2002 – I ZR 45/01 – BGHZ 150, 377, 385 = GRUR 2002, 1046, 1048 – Faxkarte –, wonach die Vorschriften des Dritten Teils des Übereinkommens „nicht ohne weiteres unmittelbar anwendbar“ sind, die Inlandsbestimmungen aber in einer Weise auszulegen seien, dass „mit ihrer Hilfe den Anforderungen des Übereinkommens Genüge getan“ werde. In der Tendenz ebenso OLG Hamburg GRUR 2003, 873; OLG Frankfurt NJOZ 2004, 874, 876; verneinend Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 155; Fezer/Büscher § 12 Rn. 142 mit Nachweisen auch zur Gegenansicht in Fn. 355, beide aber unter nicht zutreffender Berufung auf die vorgenannte Entscheidung des BGH; vgl. a. Ahrens/Ahrens Kap. 61 Rn. 4; ausführlich und für die Beachtung der im Abkommen genannten Höchstfrist MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 322. Steigüber/Kaneko WRP 2013, 873 halten Art. 50 Abs. 6 des Übereinkommens nicht für unmittelbar anwendbar, den deutschen Gesetzgeber aber für verpflichtet, § 926 ZPO im Sinne eines automatischen Verfalls der Verfügung nach Ablauf der Höchstfrist zu ändern. 614 OLG Köln OLGR 1999, 400; OLG Celle MDR 2007, 1280; Berneke Rn. 265; Fezer/Büscher § 12 Rn. 145; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 560; Stein/Jonas/Grunsky § 926 Rn. 12 a; a.A. OLG Koblenz WRP 1995, 416, 417 mit unzutreffenden Belegstellen für weitere Anhänger dieser Meinung, vgl. die Anm. von Schmid ab S. 418. 615 H.M.: OLG Frankfurt MDR 1989, 272; Musielak/Huber § 926 Rn. 7; MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen für diese Ansicht in Fn. 53; a.A. OLG Hamm OLGR 1989, 322; OLG Düsseldorf MDR 1987, 771; Schuschke/Walker § 926 Rn. 14; Thomas/Putzo/Reichold § 926 Rn. 7; MünchkommZPO/Heinze, 2. Aufl. § 926 Rn. 17. 616 Unstreitig, vgl. statt aller Teplitzky Kap. 56 Rn. 18. 617 So die weit überwiegende Meinung, vgl. KG WRP 1976, 378, 379; OLG Frankfurt GRUR 1987, 650, 651; Fezer/Büscher § 12 Rn. 145; Teplitzky Kap. 56 Rn. 18 mit weiteren Nachweisen; MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 17; a.A. Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 560. 618 Vgl. OLG München Magazindienst 1987, 1229; Teplitzky Kap. 56 Rn. 18 mit Fn. 40.

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verständlich Klage erheben, wenn er sich davon einen Erfolg verspricht. Das nur zu tun, um die Anordnung zu befolgen, ergibt keinen Sinn. 11. Gerichtsstand für Hauptsacheklage. Die ihm vom Gesetz gegebenen Möglich- 225 keiten, einen Gerichtsstand zu wählen, kann der Gläubiger frei nutzen; er ist wie auch sonst bei der Erhebung der Hauptsacheklage nicht an den für das Eilverfahren gewählten Gerichtsort gefesselt. Ein ausländischer Gerichtsstand führt zur Befolgung der getroffenen Anordnung indessen nur dann, wenn die Auslandsentscheidung im Inland anerkannt wird.619 Liegt eine wirksame Schiedsgerichtsvereinbarung vor, ist sie für die Bestimmung des zuständigen Hauptsachegerichts maßgeblich.620 Über eine Verweisung nach § 281 ZPO ist auch eine fristwahrende Klage bei einem unzuständigen Gericht möglich.621 12. Identität von Klageantrag und Verfügungsantrag. Der Anordnung der Klage- 226 erhebung kommt nur ein Klageantrag nach, der dem Verfügungsantrag inhaltlich entspricht. Rein redaktionelle Bearbeitungen der Sprachfassung schaden nicht und können im Einzelfall doch Probleme bereiten, wenn Streit darüber entsteht, wo die redaktionelle Verbesserung endet und eine inhaltliche Korrektur beginnt. Eine Antragserweiterung bringt keine Nachteile mit sich, sofern sich der Verfügungsantrag im Klageantrag wieder findet.622 Ein auf die konkrete Verletzungsform bezogener Verfügungsantrag wäre in einem abstrakt formulierten Klageantrag, an den sich ein insbesondere-Zusatz mit der konkreten Verletzungsform anschließt, als minus enthalten. Wird bei einer Teilbarkeit des im Eilverfahren geltend gemachten Anspruchs der Verfügungsantrag nur partiell mit der Klage aufgegriffen, unterliegt der nicht übernommene Teil des Verfügungsantrags der Aufhebung nach § 926 Abs. 2 ZPO.623 13. Glaubhaftmachung rechtzeitiger Klageerhebung. Der Gläubiger hat die tat- 227 sächlichen Voraussetzungen, aus denen die Erkenntnis der rechtzeitigen Klagerhebung resultiert, glaubhaft zu machen. Das betrifft die Daten der Einreichung und der Zustellung der Klage, der Fassung der Klageanträge und, wenn deren Auslegung von der Klagebegründung abhängt, auch deren Vorlage. In diesem Sinne hat er auch die Übereinstimmung des Anspruchs des Verfügungsverfahrens mit dem der Hauptsacheklage glaubhaft zu machen, und wenn das von ihm gelieferte Tatsachenmaterial keine abschließende Beurteilung erlaubt, gehen Zweifel zu seinen Lasten.624 Ist das Tatsachenmaterial hinreichend unterbreitet, ist es Sache des Gerichts, sich eine endgültige Meinung über die Identität der gestellten Anträge zu bilden.

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619 OLG Frankfurt MDR 1989, 272; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 561; Teplitzky Kap. 56 Rn. 20; MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 12; Stein/Jonas/Grunsky § 926 Rn. 11; Schuschke/Walker § 926 Rn. 14. 620 Berneke Rn. 263; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 561; Teplitzky Kap. 56 Rn. 19; MünchkommZPO/ Drescher § 926 Rn. 12. 621 OLG Hamm OLGR 1994, 142; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 561; Teplitzky Kap. 56 Rn. 20; Zöller/ Vollkommer § 926 Rn. 32. 622 BGH 1.4.1993 – I ZR 70/91 – BGHZ 122, 172, 176 = GRUR 1993, 998, 999 – Verfügungskosten; OLG Koblenz WRP 1983, 108, 109; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 107 Rn. 14; Teplitzky Kap. 56 Rn. 21; Berneke Rn. 263. 623 OLG Köln 18.9.2009 – 6 U 79/09 – Magazindienst 2010, 410, 413; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Spätgens § 107 Rn. 14; Teplitzky Kap. 56 Rn. 21; MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 13; Schuschke/Walker § 926 Rn. 15. 624 OLG Frankfurt MDR 1981, 237; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 565; Teplitzky Kap. 56 Rn. 29; Zöller/ Vollkommer § 926 Rn. 24.

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14. Zulässigkeit des Aufhebungsantrags. Der Aufhebungsantrag gemäß § 926 Abs. 2 ZPO unterliegt nach § 78 ZPO dem Anwaltszwang, wenn er beim Landgericht gestellt wird, beim Amtsgericht kann er zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden.625 Zuständig ist das Gericht, das die Frist zur Klageerhebung angeordnet hat.626 Der Antrag kann in dem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfügungsverfahren und auch in einem bereits anhängig gemachten Aufhebungsverfahren gemäß § 927 ZPO gestellt werden.627 Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Vollstreckungsbefehl noch existiert. Ist der Be229 fehl in der Zeit zwischen der gerichtlichen Anordnung nach § 926 Abs. 1 ZPO und der mündlichen Verhandlung des Aufhebungsverfahrens im weiteren Verlauf des Verfügungsverfahrens außer Kraft gesetzt worden, sei es durch Rücknahme, Aufhebung oder beiderseitiger Erledigungserklärung, geht dem Antrag das Rechtsschutzinteresse ab.628 Letzteres wir nunmehr umfassend überprüft; die Einschränkungen des Anordnungsverfahrens – gleichgültig wie sie dort im Streit der Meinungen gezogen werden – gelten jetzt nicht.629 Über den Aufhebungsantrag ist durch Urteil zu entscheiden, dem daher eine not230 wendige mündliche Verhandlung vorauszugehen hat. Die Terminbestimmung erfolgt von Amts wegen. Es handelt sich um ein besonderes Verfahren innerhalb des einstweiligen Rechtsschutzes, so dass unverändert kein Vollbeweis zu führen ist, sondern es ausreicht, die einschlägigen Tatsachen glaubhaft zu machen.630 231

15. Begründetheit des Aufhebungsantrags. Der zulässige Antrag hat Erfolg, sofern der Gläubiger die angeordnete Klage nicht erhoben, wieder zurückgenommen oder für erledigt erklärt hat, sowie bei einer Abweisung der Klage als unzulässig.631 Ohne Bedeutung für die Entscheidung nach § 926 Abs. 2 ZPO ist, ob die rechtzeitig und in zulässiger Weise erhobene Hauptsacheklage in der Sache auch Erfolg gehabt hat. Die als unbegründet abgewiesene Hauptsacheklage rechtfertigt keine Aufhebung der einstweiligen Verfügung.632

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16. Rechtsfolgen der Aufhebung. Die rechtskräftige Aufhebung der einstweiligen Verfügung hat rückwirkende Kraft und kann eine Schadensersatzpflicht nach § 945 ZPO auslösen.633 Streitig ist, ob ein nicht rechtskräftiges erstinstanzliches Urteil wie bei der Aufhebungsentscheidung im Verfügungsverfahren nach einem Widerspruch die Verfügung auf der Stelle ex-tunc vernichtet,634 oder ob diese Wirkung erst mit der Unanfechtbarkeit

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625 Statt aller MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 19. 626 OLG Dresden, Urteil vom 23.10.2003 – 21 1294/02 – OLGR 2004, 39; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 184. 627 OLG Hamburg WRP 1978, 907, 908; OLG Koblenz WRP 1983, 108, 109; Teplitzky Kap. 56 Rn. 22. 628 OLG Frankfurt GRUR 1987, 650, 65; Schuschke/Walker § 926 Rn. 21a; MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 18. 629 Berneke Rn. 266. 630 Schuschke/Walker § 926 Rn. 23; MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 21. 631 OLG Frankfurt NJW 1972, 1330; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 564; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 527; Teplitzky Kap. 56 Rn. 22; MünchkommZPO/Drescher § 926 Rn. 20; Schuschke/Walker § 926 Rn. 22; Stein/Jonas/Grunsky § 926 Rn. 13 f.; Zöller/Vollkommer § 926 Rn. 10. 632 BGH NJW 1974, 503, 504; die scheinbar gegenteilige Auffassung von Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 154 beruht, geht es nach den Belegstellen, auf einem Redaktionsversehen. 633 Berneke Rn. 272; Schuschke/Walker § 926 Rn. 24; Thomas/Putzo/Reichold § 926 Rn. 15. 634 So die h.M.: Berneke Rn. 272; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 234; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 527; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 107 Rn. 22; Zöller/Vollkommer § 926 Rn. 27.

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VII. Der Aufhebungsantrag

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der Entscheidung eintritt.635 Die letztgenannte Auffassung verdient zweifelsfrei den Vorzug. Die zweitinstanzliche Korrektur geht sonst ins Leere. Das Berufungsgericht des Aufhebungsverfahrens ist nämlich anders als das Verfügungsgericht nicht befugt, die einstweilige Verfügung neu zu erlassen; ein derartiger Antrag des Gläubigers ist nicht zur Entscheidung gestellt und würde in das System des Verfahrens nach § 926 ZPO nicht passen. Die in dem Urteil nach § 708 Nr. 6 ZPO anzuordnende vorläufige Vollstreckbarkeit hat demnach nur zur Folge, dass auf der Stelle weitere Vollstreckungsmaßnahmen aus der einstweiligen Verfügung unzulässig sind.636 Mit der Abänderung der aufhebenden Entscheidung durch das Berufungsurteil entfällt diese Vollstreckungssperre. Mit der Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung wird die einstweilige Verfügung wirkungslos. VII. Der Aufhebungsantrag VII. Der Aufhebungsantrag (§ 927 ZPO) 1. Verfahrensgrundsätze und Rechtsbehelfsmöglichkeiten. Während über § 926 233 Abs. 1 ZPO die Beseitigung einer einstweiligen Verfügung erreicht werden kann, weil der Gläubiger das parallele Klageverfahren scheut oder eine zulässige Klage nicht zu Stande bringt, kommt es über § 927 ZPO zur Aufhebung des ausgesprochenen Verbots, weil sich nach dessen Erlass maßgebliche Umstände geändert haben. Auch in diesem – wiederum summarischen637 – Verfahren wird nicht untersucht, ob die einstweilige Verfügung zu Recht oder zu Unrecht erlassen worden ist.638 Der an keine Frist gebundene, gegebenenfalls aber einer Verwirkung unterliegende639 Antrag darf nicht deshalb zum Erfolg führen, weil das mit dem Antrag befasste Gericht das Vorliegen relevanter neuer Umstände zwar verneint, insgeheim aber zu der Erkenntnis gelangt, die Verfügung hätte überhaupt nicht erlassen werden dürfen. Der Weg über § 927 ZPO bietet sich vor allem dann an, wenn das Verfügungsverfah- 234 ren formell rechtskräftig abgeschlossen ist. Er genießt dann als einfachere Möglichkeit den Vorrang vor einer Abänderungsklage nach § 323 Abs. 1 ZPO640 oder jedenfalls einen praktischen Vorzug gegenüber einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO.641 Ist das einstweilige Verfügungsverfahren noch rechtshängig, hat der Schuldner die Wahl, ob er sich in diesem Verfahren mittels Widerspruch oder Berufung weiter zur Wehr setzen will oder lieber über einen Aufhebungsantrag vorgehen möchte.642 Ersteres verdient den Vorzug, wenn der Schuldner weiterhin damit argumentieren will, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch von Anfang an nicht bestanden hat und nur hilfsweise geltend machen möchte, jedenfalls sei er durch später eingetretene Umstände entfallen. Der

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635 So Schuschke/Walker § 926 Rn. 24. 636 Vgl. Schuschke/Walker § 926 Rn. 24. 637 MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 537; Schuschke/Walker § 927 Rn. 20. 638 OLG Nürnberg GRUR 1985, 237; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 1. 639 KG Magazindienst 1989, 22, 29 f.; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 578; Melullis Rn. 274; Teplitzky Kap. 56 Rn. 35. 640 MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 2; Schuschke/Walker § 927 Rn. 4. 641 Es ist unbestritten, dass die Möglichkeit einer Vollstreckungsabwehrklage dem Aufhebungsantrag nicht das Rechtsschutzinteresse nimmt. Wie sich die Möglichkeit eines Aufhebungsantrages auf das Rechtsschutzinteresse für eine Vollstreckungsabwehrklage auswirkt, ist hingegen sehr streitig, vgl. OLG Karlsruhe GRUR 1979, 571; OLG Koblenz GRUR 1986, 590; Berneke Rn. 274 mit Nachweisen in Fn. 1; Teplitzky Kap. 57 Rn. 52, 53 mit Nachweisen in Fn. 254 und 255. 642 Weit überwiegende Meinung: OLG Köln WRP 1987, 567; OLG Koblenz GRUR 1989, 373, 374; OLG Hamburg OLGR 1994, 472, 473; OLG Frankfurt 2.5.2005 – 6 WF 55/05 – Magazindienst 2005, 930, 931; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.60; Teplitzky Kap. 56 Rn. 24; Schuschke/Walker § 924 Rn. 4 mit weiteren Nachweisen in Fn. 11.

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Aufhebungsantrag empfiehlt sich stattdessen, wenn nur auf den späteren Fortfall des Anspruchs die Verteidigung ernsthaft gestützt werden kann oder dieses Argument so evident durchgreift, dass mit der über § 927 ZPO erzielten Straffung des Streitstoffes eine schnellere Erledigung zu erreichen ist. Die Ansicht, der Schuldner verfüge allein über den Rechtsbehelf des Widerspruchs, solange er ihn einlegen könne,643 hat sich daher mit Recht nicht durchgesetzt. Die Wahlmöglichkeit des Schuldners besagt aber – wie weiter unten unter dem Stichwort Rechtsschutzinteresse auszuführen sein wird – nicht, dass das Widerspruchsverfahren und das Aufhebungsverfahren nebeneinander betrieben werden können. 235

2. Zuständigkeit. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag liegt gemäß § 927 Abs. 2 ZPO bei dem Gericht der Hauptsache, sofern sie schon anhängig ist, ansonsten bei dem Gericht, das die einstweilige Verfügung angeordnet hat. Bei Anhängigkeit der Hauptsache soll die Kenntnis des mit ihr befassten Gerichts vom Streitstoff nutzbar gemacht werden; Gericht der Hauptsache ist daher das Instanzgericht, das mit ihr bei der Einleitung des Aufhebungsverfahrens befasst ist: Auf diese Weise kann der Antrag unmittelbar beim Berufungsgericht einzureichen sein.644 Dieser Grundsatz lässt sich nicht durchhalten, wenn sich die Hauptsache bereits im Revisionsverfahren befindet, weil dort die Prüfung tatsächlicher Verhältnisse nicht stattfinden kann. Dann ist das Gericht für den Antrag zuständig, das über die Hauptsache in erster Instanz entschieden hat.645 Ein vereinbarungsgemäß angerufenes Schiedsgericht ist nicht „Gericht der Hauptsache“, weil ihm die Befugnis abgeht, die Entscheidung eines staatlichen Gerichtes abzuändern.646 Die Hauptsache gilt dann im Sinne des § 927 Abs. 2 ZPO als noch nicht anhängig. Dagegen sieht, was der Wortlaut des § 927 Abs. 2 ZPO nicht unmittelbar vermuten lässt, die h.M. stets – mag die Verfügung auch vom Berufungsgericht erstmals erlassen worden sein – das erstinstanzliche Gericht des Eilverfahrens als das Gericht an, das in der Sprache des Gesetzes die Anordnung getroffen hat.647 Auf diese Weise wird vermieden, dass das Aufhebungsverfahren in der letzten Instanz beginnt.

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3. Rechtsschutzinteresse. Für den Antrag muss ein Rechtsschutzinteresse bestehen. Es fehlt, wenn sich der Schuldner auch (gleichgültig ob früher oder später) mit dem Widerspruch oder der Berufung gegen den Bestand der einstweiligen Verfügung zur Wehr setzt. Er kann dort alles vortragen, womit sich auch der Aufhebungsantrag begründen lässt, und kann überdies die Änderung der dort ergangenen Kostenentscheidung erreichen, was im Aufhebungsverfahren grundsätzlich (zu Ausnahmen später) nicht möglich ist.

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643 Mädrich S. 42 ff., S. 87 ff.; dem früher zustimmend Teplitzky DRiZ 1982, 41, 45 und AcP 181 (1981), 253, siehe jetzt aber Kap. 56 Rn. 24 bei Fn. 66. 644 BGH WM 1976, 134; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 530; Teplitzky Kap. 56 Rn. 25; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 190; Schuschke/Walker § 927 Rn. 9; Stein/Jonas/Grunsky § 927 Rn. 12. 645 BGH WM 1970, 134; BGH WM 1976, 1201; Teplitzky Kap. 56 Rn. 25; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 190; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 10. 646 Ganz h.M.: Teplitzky Kap. 56 Rn. 25; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 574, von Teplitzky zu Unrecht der Gegenansicht zugeordnet; Schuschke/Walker § 927 Rn. 9; Zöller/Vollkommer § 927 Rn. 10; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 10; a.A. Stein/Jonas/Grunsky § 927 Rn. 12. 647 OLG Hamm MDR 1987, 593; Berneke Rn. 284; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.54; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 574; Teplitzky Kap. 56 Rn. 25; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 10.

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Das Rechtsschutzinteresse fehlt, sofern der Schuldner aus der in der Welt befindli- 237 chen einstweiligen Verfügung keine Nachteile mehr zu erwarten hat.648 Sie kann sich ausnahmsweise durch bloßen Zeitablauf erledigt haben.649 Praktisch bedeutsamer sind die Fälle, in denen der Gläubiger in der Zwischenzeit auf alle Rechte aus dem Titel förmlich verzichtet und, was zusätzlich erforderlich ist, den Titel an den Schuldner herausgegeben hat.650 Das Rechtsschutzinteresse ist hingegen, obgleich eine Zwangsvollstreckung aus 238 dem Titel nicht mehr droht, gleichwohl zu bejahen, wenn das Aufhebungsverfahren für den Schuldner die einzige Möglichkeit darstellt, die im Eilverfahren ergangene formell rechtskräftige Kostenentscheidung anzugreifen. Zwar hat sich grundsätzlich die dort zu treffende Entscheidung nur über die Aufhebung des Sachtitels und nicht über die Kostenentscheidung des Verfügungsverfahrens zu verhalten.651 Das ist aber z.B. anders bei rechtskräftiger Abweisung der Hauptsacheklage als von Anfang an unbegründet, einer Versäumung der nach § 929 Abs. 2 ZPO bestehenden oder nach § 926 Abs. 1 ZPO gesetzten Frist652 und einer rechtskräftigen Löschung der Verfügungsmarke wegen eines von Anfang an bestehenden Eintragungshindernisses.653 Dieses Kosteninteresse rechtfertigt den Aufhebungsantrag auch dann, wenn der Gläubiger den Titel bei förmlichem Verzicht an den Schuldner herausgegeben hat. 4. Begründetheit des Antragseingang. Der Antrag ist begründet, wenn nach dem 239 Erlass der einstweiligen Verfügung veränderte Umstände eingetreten sind, welche die stattgebende Entscheidung hätten anders ausfallen lassen, wenn sie schon damals vorgelegen hätten. Folgende Fallgruppen sind hauptsächlich im Spiel: a) Rechtskräftige Abweisung der Hauptsacheklage. Das Hauptsacheverfahren ist 240 rechtskräftig abgeschlossen. Ist die Klage als unbegründet abgewiesen worden, ist der Aufhebungsantrag das geeignete Instrument, falls der Gläubiger den Titel nicht freiwillig herausgibt. Er ist dann notwendig, um die Verfügung aus der Welt zu schaffen; sie ist nicht etwa durch das klageabweisende Urteil automatisch gegenstandslos geworden.654 Ein vorschneller Antrag ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Gläubiger kann bei dessen sofortigem Anerkenntnis über § 93 ZPO allerdings in einem Fiasko bei der Kostenentscheidung enden.

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648 OLG Frankfurt ZIP 1981, 210, 211; Schuschke/Walker § 927 Rn. 13; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 11. 649 Vgl. Schuschke/Walker § 927 Rn. 13. 650 OLG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 96; OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 20, 22; OLG Hamm GRUR 1992, 888; OLG Köln GRUR 1992, 476; OLG München WRP 1984, 434; entgegen Berneke Rn. 287 bei Fn. 25 auch OLG Karlsruhe WRP 1980, 713, 714 unter b, das den Verzicht allein nicht hat ausreichen lassen; Ahrens/ Ahrens Kap. 60 Rn. 40; Fezer/Büscher § 12 Rn. 148; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 108 Rn. 7; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 576; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 192; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.55; Melullis Rn. 274a; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 11; ZöllerVollkommer § 927 Rn. 3; a.A. OLG München NJW-RR 1986, 998 mit der fernliegenden Begründung, der aufgegebene Titel könne weiter als Muster dienen. 651 Allgemeine Meinung: Ahrens/Ahrens/Kap. 60 Rn. 37 mit umfangreichen Nachweisen der obergerichtlichen Rechtsprechung in Fn. 64; Berneke Rn. 291; Teplitzky Kap. 56 Rn. 37; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.58; Stein/Jonas/Grunsky § 927 Rn. 16. 652 BGH 1.4.1993 – I ZR 70/91 GRUR 1993, 998, 1000 – Verfügungskosten; Ahrens/Ahrens Kap. 60 Rn. 37; Teplitzky Kap. 56 Rn. 38 mit umfangreichen Nachweisen in den Fn. 118–121. 653 LG Hamburg, Urteil vom 25.10.2012 – 327 O 9/06 Magazindienst 2013, 73, 75 f. 654 BGH 9.10.1986 – I ZR 158/84 GRUR 1987, 125, 126 – Berühmung; BGH GRUR 1993, 998 – Verfügungskosten; Teplitzky Kap. 56 Rn. 32 mit weiteren Schrifttumsnachweisen in Fn. 86.

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Ist die Klage als unzulässig abgewiesen worden, kommt es darauf an, ob der prozessuale Mangel bei einem neuen Anlauf zu beheben wäre.655 Ist das der Fall, liegt ein verändernder Umstand im Sinne des § 927 ZPO nicht vor. Das Prozessurteil kann aber das letzte Wort in der Sache gewesen sein. So wäre es, wenn eine nach § 926 Abs. 1 ZPO gesetzte Frist endgültig verstrichen ist oder der mit dem Verfügungsantrag wörtlich übereinstimmende Klageantrag zur Unzulässigkeit geführt hat, weil er dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht entspricht. Der Aufhebungsantrag kann auch dann gestellt werden, wenn der Kläger im rechtskräftig abgeschlossenen Hauptsacheverfahren erfolgreich gewesen ist. Der Gläubiger ist auf den Titel aus dem Eilverfahren nicht länger angewiesen, so dass der Verfügungsgrund entfallen ist.656 Der Schuldner besitzt ein Rechtsschutzinteresse an seinem Antrag, weil er es nicht auf Dauer hinnehmen muss, zwei gleichlautende Titel gegen sich zu haben.657 Unter einigermaßen vernünftigen Parteien sollte sich dieses Problem freilich lösen lassen, ohne dass gerichtliche Hilfe beansprucht werden muss. 241

b) Hauptsacheklage mit stattgebendem, nicht rechtskräftigen Instanzurteil. Ein stattgebendes, für vorläufig vollstreckbar erklärtes Instanzurteil bietet keine dem Verfügungstitel gleichwertige Vollstreckungsmöglichkeit. Es kann nie zur Aufhebung des Verfügungstitels führen,658 weil sich dann die Rechtslage des Gläubigers durch ein obsiegendes Urteil im Klageverfahren paradoxerweise verschlechtert hätte.

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c) Nicht rechtskräftige Abweisung der Hauptsacheklage. Anders liegen die Dinge, wenn die Klage durch ein noch nicht rechtskräftiges Urteil abgewiesen worden ist. Jetzt kommt es auf eine Prognose des mit dem Aufhebungsantrag befassten Richters an, ob die denkbaren Rechtsmittel im Klageverfahren eine Chance haben, zu einer Abänderung der Entscheidung zu führen.659 Das kann mit großer Gewissheit zu verneinen sein, weil etwa die dort durchgeführte Beweisaufnahme zu dem eindeutigen Ergebnis geführt hat, dass die summarische Tatsachenfeststellung im Eilverfahren nicht länger haltbar ist. Für die Beschreibung des Ausmaßes der Prognosesicherheit werden unterschiedliche Formulierungen verwendet: die Aufhebung habe zu erfolgen, wenn der erkennende Richter den Erfolg eines Rechtsmittels als unrealistisch660 oder unwahrscheinlich661 ansehe oder mit diesem Erfolg nicht zu rechnen sei.662 Das sind rein semantische Unterschiede, solange sich, was nicht erkennbar ist, die Geister bei der Beurteilung eines konkreten Falles scheiden. Gefährlich ist hingegen die auch anzutreffende Wendung, die

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655 Zutreffend Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 108 Rn. 11 (S. 2573); Ahrens/Ahrens Kap. 60 Rn. 28; Stein/Jonas/Grunsky § 927 Rn. 6. 656 OLG Hamm OLGR 1988, 321; Ahrens/Ahrens Kap. 60 Rn. 24; MünchkommZPO/Drescher § 9 27 Rn. 6; nach OLG Hamburg WRP 1979, 135 und Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 108 Rn. 11 (S. 2574) ist die Verfügung wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses aufzuheben. 657 OLG Hamburg WRP 1979, 135; Teplitzky Kap. 56 Rn. 33. 658 OLG Hamm NJW-RR 1990, 1536; OLG Frankfurt ZIP 1980, 922; KG WRP 1979, 547; Ahrens/Ahrens Kap. 60 Rn. 25; Teplitzky Kap. 56 Rn. 33 m.w. Schrifttumsnachweisen. 659 BGH WM 1976, 134; OLG Düsseldorf GRUR 1985, 160; WRP 1987, 252, 253; GRUR 1988, 241 (LS); OLG Hamburg GRUR-RR 2001, 143, 144; OLG München NJW-RR 1987, 761; Teplitzky WRP 1987, 149, 151; Berneke Rn. 281; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 583; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 187; Melullis Rn. 272 (S. 206); MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 534; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.56; Fezer/Büscher § 12 Rn. 159; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 5; Zöller/Vollkommer § 927 Rn. 5. 660 Schuschke/Walker § 927 Rn. 13. 661 Teplitzky Kap. 56 Rn. 32; auch Schuschke/Walker in einem Atemzug mit „unrealistisch“. 662 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 108 Rn. 11; Ahrens/Ahrens Kap. 60 Rn. 30, der hinzufügt, dass eine offenbare Aussichtslosigkeit nicht zu fordern sei.

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Verfügung sei aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht länger glaubhaft gemacht seien.663 Sie könnte das Missverständnis hervorrufen, schon bei einer Einschätzung des Rechtsmittelerfolgs mit 50 zu 50 sei die früher angenommene überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des Verfügungsanspruchs entfallen und dem Aufhebungsantrag stattzugeben. Bei ernstem Zweifel am Enderfolg des Schuldners im Hauptsacheverfahren verbietet sich die Aufhebung. Es gilt zu verhindern, dass die zu Recht ergangene einstweilige Verfügung wegen eines später für unrichtig erkannten Instanzurteils ihre Wirkung verliert. Das Verfahren ist entweder bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens gemäß § 148 ZPO auszusetzen664 oder der Antrag als zur Zeit unbegründet abzuweisen. d) Markenverletzungsverfahren und nachträgliche Markenlöschung. Eine an- 243 dere Konstellation ist zu beurteilen, wenn der Antragsteller eine einstweilige Verfügung in einem Markenverletzungsverfahren erwirkt hat, in welchem die Bindung des Verletzungsrichters an die Tatbestandswirkung der Eintragung der Marke eine entscheidende Rolle gespielt hatte. Der Aufhebungsantrag ist unproblematisch begründet, sobald die Marke rechtskräftig gelöscht ist. Wird er aber schon vorher eingereicht und darauf gestützt, dass der BGH im patentamtlichen Löschungsverfahren eine die Markeneintragung bestätigende Entscheidung des Bundespatentgerichts aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen hat,665 stellt sich nicht die Frage nach einer Prognose über den Ausgang des Hauptsacheverfahrens, sondern eines präjudiziellen Registerrechtsstreits. Würde sie dem Richter im Aufhebungsverfahren gestattet, wäre der im Klageverfahren nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung666 einschränkungslos geltende Grundsatz der Bindung des Verletzungsrichters an die Markeneintragung außer Kraft gesetzt,667 ohne dass dies mit Besonderheiten des Aufhebungsverfahrens zu rechtfertigen wäre. Eine Aussetzung des Aufhebungsverfahrens wird auch der, der sie für grundsätzlich möglich erachtet, in dieser Lage kaum für zweckmäßig halten: Die rechtskräftige Löschung der Marke würde einen neuen Antrag nach § 927 ZPO ermöglichen, der nach menschlichem Ermessen aber nicht gestellt zu werden braucht, weil dem früheren Markeninhaber nichts übrig bleibt, als alle Positionen freiwillig zu räumen. e) Ablauf der Vollziehungsfrist. Die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO ist ab- 244 gelaufen, ohne dass der Gläubiger den Titel dem Schuldner hat zustellen lassen. Die einstweilige Verfügung verliert damit ihre Wirkung und wird gegenstandslos.668 Der Titel ist noch formell bestandskräftig, wenn auch für den Gläubiger nichts mehr wert. Gegen

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663 So Stein/Jonas/Grunsky § 927 Rn. 6; vgl. a. MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 534 und die Warnung vor diesem Ausdruck bei Teplitzky Kap. 56 Rn. 32. 664 Es ist streitig, ob eine Aussetzung zulässig ist: dagegen OLG München WRP 1986, 507, 508; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 537, weil dem die Eilbedürftigkeit wie im Ausgangsverfahren entgegenstehe; mit Recht dafür, weil die Eilbedürftigkeit geringer zu veranschlagen ist als im Ausgangsverfahren: OLG Düsseldorf GRUR 1984, 757 und 1985, 160; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 263 mit Fn. 759; Melullis Rn. 272 (S. 207); Teplitzky Kap. 56 Rn. 32. 665 So die Fallgestaltung in OLG Köln GRUR 2005, 1070, 1071 – Instanzenfortschritt. 666 Vgl. BGH 5.6.2008 – I ZR 169/05 – WRP 2008, 1202 Rn. 14 – POST mit weiteren Nachweisen älterer Entscheidungen; a.A. Sosnitza , 50 Jahre Bundespatentgericht, S. 770, 775; Rohnke GRUR 2001, 696, 702. 667 Das lässt Ahrens/Ahrens außer acht, der eine Prognose des Aufhebungsrichters über den Ausgang des Löschungsverfahrens für unproblematisch zulässig und die gegenteilige Auffassung des OLG Köln für zu apodiktisch hält; Teplitzky Kap. 56 Rn. 32 Fn. 89 lässt ebenfalls unerwähnt, dass eine Prognose des Ausgangs des Löschungsverfahrens und nicht des Hauptsacheverfahrens in Rede stand. 668 Vgl. statt aller Teplitzky Kap. 55 Rn. 37; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 53; Hess in: Ullmann juris PKUWG § 12 Rn. 193, 196.

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diese formelle Bestandskraft kann sich der Schuldner mit dem Aufhebungsantrag wenden.669 Gleiches gilt, wenn innerhalb der Vollziehungsfrist eine angeordnete Sicherheitsleistung nicht erbracht worden ist (§§ 927 Abs. 2, 925 Abs. 2 ZPO).670 245

f) Ablauf der nach § 926 Abs. 1 gesetzten Frist. Der Gläubiger hat die ihm nach § 926 Abs. 1 ZPO gesetzte Frist verstreichen lassen. Die Vorauflage hat darin keinen verändernden Umstand im Sinne des § 927 Abs. 1 ZPO erblicken können.671 Das moderne Schrifttum nimmt einhellig das Gegenteil an.672 In der Regel wird es sich allerdings nicht empfehlen, bei Versäumung der Frist auf das dafür in § 926 Abs. 2 ZPO vorgesehene Verfahren zu verzichten und stattdessen eine Aufhebung über § 927 ZPO vorzuziehen. Letztere nimmt der Verfügung die Wirkung nur für die Zukunft und beseitigt nicht die im Eilverfahren getroffene Kostenentscheidung. Es ist allerdings dann vorteilhaft, auf den Aufhebungsantrag zurückgreifen zu können, wenn dieses Verfahren mit einer anderen Begründung bereits eingeleitet worden war. Der Umstand der Fristversäumung kann dann hier eingebracht und ein doppelgleisiges Vorgehen vermieden werden.673

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g) Erlöschen des Verfügungsanspruchs. Der Verfügungsanspruch ist erloschen. Das Schulbeispiel im Wettbewerbsrecht ist die ordnungsgemäße Unterwerfungserklärung des Schuldners, die die Wiederholungsgefahr beseitigt hat. Das ist unproblematisch und allgemeine Meinung, solange die Unterwerfungserklärung unbedingt abgegeben worden ist.674 Unübersichtlicher wird es, wenn die Unterwerfungserklärung von einer (aufschiebenden oder auflösenden) Bedingung abhängig gemacht wird. Eine aufschiebende Bedingung beseitigt nach allgemeiner Meinung675 die Wiederholungsgefahr nicht; eine so formulierte Unterwerfungserklärung lässt den Verfügungsanspruch unberührt und vermag keinen Aufhebungsantrag zu rechtfertigen. Hingegen ist die Verbindung der Unterwerfungserklärung mit einer auflösenden Bedingung möglich, welche die Unterlassungsverpflichtung in dem Augenblick entfallen lässt, in dem zu Gunsten des Schuldners eine verbindliche Klärung der Rechtslage durch eine Gesetzesänderung oder die höchstrichterliche Rechtsprechung erfolgt.676 Diese Erklärung beseitigt die Wiederholungsgefahr und mit ihr den Verfügungsanspruch. Der Weg für den Aufhebungsantrag ist sofort frei,677 weil die Rechte des Gläubigers gewahrt

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669 OLG Dresden NJWE-WettbR 1997, 277, 279; OLG Düsseldorf WRP 1993, 327, 328; OLG Frankfurt WRP 1992, 248 und NJW-RR 2000, 1236; OLG Hamm NJW-RR 1990, 1214 und AfP 2011, 377; OLG Karlsruhe NJWWettbR 1999, 39, 40; Ahrens/Ahrens Kap. 60 Rn. 11 mit weiteren umfangreichen Nachweisen der Rechtsprechung vor 1990 in Fn. 17; Teplitzky Kap. 56 Rn. 28; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.56; Fezer/Büscher § 12 Rn. 149; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 535; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 6; Schuschke/ Walker § 927 Rn. 17. 670 OLG Frankfurt WRP 1980, 422; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.56; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 108 Rn. 11; Schuschke/Walker § 927 Rn. 17; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 6. 671 Schultz-Süchting § 25 Rn. 269. 672 Berneke Rn. 279; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 592; Teplitzky Kap. 56 Rn. 28 bei Fn. 77; früher schon OLG Frankfurt WRP 1980, 423, 424. 673 Schuschke/Walker § 927 Rn. 4. 674 Vgl. Teplitzky Kap. 56 Rn. 31 mit Nachweisen in Fn. 84. 675 BGH 1.4.1993 – I ZR 136/91 GRUR 1993, 677, 679 – Bedingte Unterwerfung; BGH 9.11.1925 I ZR 212/93 GRUR 1996, 290, 291 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH 16.11.1995 – I ZR 229/93 – GRUR 1990, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; GK-UWG/Feddersen § 12 B Rn. 120; Köhler Vorauflage, § 13 Rn. 37; Teplitzky Kap. 8 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen in Fn. 56; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 Rn. 6. 676 BGH – Bedingte Unterwerfung wie zuvor; BGH 26.9.1996 I ZR 194/955 BGHZ 133, 331 = GRUR 1997, 386; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.129; Harte/Henning/Brüning § 12 Rn. 166; Teplitzky Kap. 8 Rn. 8. 677 So auch Teplitzky Kap. 56 Rn. 30.

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bleiben. Bis zum Eintritt der Bedingung kann er Zuwiderhandlungen des Schuldners mit den im Unterwerfungsvertrag vorgesehenen Sanktionen ahnden. Diese Möglichkeit entfällt ersatzlos mit dem Eintritt der Bedingung. Der Gläubiger hat das hinzunehmen, weil ihm jetzt kein Anspruch mehr zusteht. Inwieweit eine Unterwerfungserklärung wirksam mit Fristen versehen werden kann, 247 die entweder den Beginn der vertraglichen Verpflichtung nach hinten verschieben oder die sogleich beginnende Unterlassungsverpflichtung zu einem späteren Datum enden lassen, ist eine offene, im Rahmen einer Kommentierung des Eilverfahrens nicht zu klärende Frage.678 Wird eine befristete Unterwerfungserklärung zum Anlass eines Aufhebungsantrags genommen, ist im ersten Schritt wieder zu prüfen, ob die Befristung zur Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geführt hat. Ist das zu bejahen, bleibt der Aufhebungsantrag erfolglos. Ist es zu verneinen und daher die Erklärung grundsätzlich geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, kommt es darauf an, ob Fristbeginn oder Fristende eingetreten sind. Bei der beendenden Frist wäre der Aufhebungsantrag sofort begründet, bei der aufschiebenden Frist erst mit deren Beginn. h) Erhebung der Verjährungseinrede. Aufgrund der vom Schuldner erhobenen 248 Einrede der Verjährung ist der im Verfügungsverfahren gesicherte Unterlassungsanspruch endgültig nicht mehr durchsetzbar. Eine Klage des Gläubigers zur Hauptsache müsste abgewiesen werden. Der Schuldner kann die Verfügung aufheben lassen. Deshalb dürfte eine Überlegung von Teplitzky, der Verfügungsgrund könne – ein verändernder Umstand – nachträglich entfallen, wenn der Gläubiger nach Erwirkung der einstweiligen Verfügung längere Zeit verstreichen lässt, ohne für die endgültige Sicherstellung seines Anspruchs zu sorgen, keine praktische Bedeutung erlangen. Denn entweder ist in der Zwischenzeit der Anspruch über § 11 UWG i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 2 BGB verjährt, so dass ein Aufhebungsantrag mit dieser Begründung Erfolg hat. Ist aber die Verjährung noch nicht eingetreten, provoziert der Schuldner mit dem Aufhebungsantrag den Gläubiger, seinen Dornröschenschlaf zu beenden und die Hauptsacheklage zu erheben. i) Änderung der Gesetzeslage oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung. 249 Aufgrund einer Änderung der Gesetzeslage, die auch auf der Nichtigkeitserklärung einer entscheidungserheblichen Norm durch das Bundesverfassungsgericht beruhen kann,679 oder neuer Erkenntnisse der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht eindeutig fest, dass der in Rede stehende Unterlassungsanspruch nicht (mehr) besteht. Nachdem geklärt worden ist, dass Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung über § 767 Abs. 2 ZPO auch einem endgültigen Titel im Klageverfahren entgegengehalten werden können,680 hat das für die Möglichkeit eines Aufhebungsantrages nach § 927 ZPO erst recht zu gelten.681 Schultz-Süchting682 ist dem in der Vorauflage für den Re-

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678 Vgl. dazuGK-UWG/Feddersen § 12 B Rn. 121; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.132; Teplitzky Kap. 8 Rn. 13; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 Rn. 7; zur Zulässigkeit einer aufschiebenden Befristung siehe BGH 31.5.2001 – I ZR 82/99 GRUR 2002, 180 – Weit-Vor-Winter-Schlussverkauf. 679 Allgemeine Meinung: BGH 21.4.1988 – I ZR 129/86 GRUR 1988, 787, 788 – Nichtigkeitsfolgen der Preisangabenverordnung; KG GRUR 1985, 236; OLG Köln GRUR 1985, 458, 459; Fezer/Büscher § 12 Rn. 149; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.56; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 4. 680 BGH 2.7.2009 – I ZR 146/07 BGHZ 181, 373 Rn. 15 = GRUR 2009, 1096 – Mescher weis. 681 KG WRP 1990, 331, 332 f.; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 585; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 536; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 108 Rn. 9; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 160 (4); Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 193; Fezer/Büscher § 12 Rn. 149; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 4; Teplitzky Kap. 56 Rn. 34 unter e) mit weiteren Nachweisen zur ZPO-Kommentarliteratur in Fn. 102. 682 Vorauflage § 25 Rn. 264.

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gelfall entgegengetreten, weil dadurch das Prinzip der Unabhängigkeit des Richters verletzt werde,683 oft zweifelhaft sein könne, inwieweit sich die Rechtsprechungsänderung auf den Streitfall tatsächlich auswirke, und dann auch eine Änderung der OLG-Rechtsprechung zu berücksichtigen wäre. Eine Ausnahme wollte er nur zulassen für Fälle, in denen eine gefestigte Rechtsprechung des BGH unerwartet aufgegeben worden und mit absoluter Sicherheit davon auszugehen sei, dass bei Kenntnis der neuen Rechtsprechung die einstweilige Verfügung nicht erlassen worden wäre. Diese Einwendungen greifen nicht durch. Allein die evidenten Erklärungen der Rechtslage durch die Rechtsprechung des BGH dürfen den Aufhebungsantrag begründen. Der erkennende Richter, der diese Rechtsprechung für falsch hält und deshalb über den Verfügungsantrag heute wie damals in gleicher Weise entscheiden würde, bleibt in seiner verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit selbstredend frei, den Antrag seiner Überzeugung entsprechend abzuweisen. Keinesfalls sollten die verändernden Umstände im Sinne des § 927 Abs. 1 ZPO nur angenommen werden, sofern eine Änderung einer vorher gefestigten Rechtsprechung zu konstatieren ist. Die Belange des Verfügungsschuldners sind ebenso betroffen, wenn eine im früheren Streit der Meinungen vertretbare Ansicht des Verfügungsgerichtes seit der erstmaligen Klärung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung der aktuellen rechtlichen Wirklichkeit nicht mehr gerecht wird. Dem Schuldner ist dann nämlich ein Verhalten untersagt, das seinen Mitbewerbern ringsum gestattet ist. Diesen Wettbewerbsnachteil hat er nicht hinzunehmen.684 250

j) Neue Tatsachen, neue Mittel der Glaubhaftmachung. Dem Schuldner sind neue Tatsachen bekannt geworden oder es stehen ihm neue Möglichkeiten zur Verfügung, schon im Verfügungsverfahren vorgetragene Tatsachen nunmehr glaubhaft machen zu können. Dagegen – und gegen die insoweit schon damals herrschende Meinung685 – ist in der Vorauflage angeführt worden, sie führe zu einer dauernden Wiederaufrollung desselben Sachverhalts mit stets wechselnden Glaubhaftmachungsmitteln als ständig wiederholtem Instanzenzug. Dieser Standpunkt lässt außer Acht, dass im Gegenteil ein summarisches Eilverfahren die Möglichkeit späterer Korrekturen vorsehen muss, um per Saldo einen rechtsstaatlichen Interessenausgleich zu gewährleisten. Das Verfügungsverfahren birgt die Gefahr in sich – umso stärker, je stringenter das Gericht auf den Charakter als Eilverfahren achtet – dass der Schuldner von der Geschwindigkeit überrollt wird und einen negativen Ausgang akzeptieren muss, der bei aller Anstrengung nicht zu verhindern war, obgleich er der Sach- und Rechtslage nicht entsprach.686 Keinesfalls wird indessen zu akzeptieren sein, dass mit dem Aufhebungsantrag alles vorgebracht werden kann, was bei sorgfältiger Prozessführung bereits im Verfügungsverfahren hätte präsentiert werden können.687 Das Verfahren nach § 927 ZPO ist kein Kor-

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683 Um die sich auch Melullis Rn. 272 (S. 205) sorgt. 684 So das zutreffende Argument in BGH – Mescher weis Tz. 24. 685 Die heute im Schrifttum allgemein vertreten wird: Ahrens/Ahrens Kap. 60 Rn. 7; Berneke Rn. 275; Fezer/Büscher § 12 Rn. 123; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 586; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.56; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Spätgens § 108 Rn. 8 und 10; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 533; Teplitzky Kap. 56 Rn. 34; Büscher/Dittmer/Schiwy, vor § 12 UWG Rn. 147; Nordemann/Götting/Kaiser § 12 Rn. 279; Schuschke/Walker § 927 Rn. 11; Stein/Jonas/Grunsky § 927 Rn. 4; Wieczorek/Schütze/Thümmel § 927 Rn. 14; Zöller/Vollkommer § 927 Rn. 4; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 4 mit weiteren Nachweisen, auch zu früheren Gegenansichten. Ebenso in der Rechtsprechung OLG Koblenz GRUR 1986, 94; OLG Köln WRP 1985, 362, 363. 686 So im Kern auch Berneke Rn. 258. 687 So auch besonders deutlich Schuschke/Walker § 927 Rn. 14.

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rekturbetrieb zum Ausgleich früherer Saumseligkeiten; ihm ist die Anwendung von – ungeschriebenen –Verspätungsvorschriften immanent. 5. Aufrechterhaltung der Eilentscheidung mit anderer Begründung. Grundsätz- 251 liche Meinungsverschiedenheiten bestehen bei der Antwort auf die Frage, ob der Richter im Aufhebungsverfahren befugt ist, den Antrag zurückzuweisen, weil zwar die in der Verfügungsentscheidung genannte tragende Begründung nachträglich entfallen ist, das Ergebnis mit einer anderen Begründung aber gerettet werden kann. Damit sind nicht die Fälle angesprochen, in denen die Eilentscheidung kumulativ auf mehrere argumentative Standbeine gestellt worden ist. Sie kann nur aufgehoben werden, wenn das gesamte Kartenhaus zusammenbricht.688 Stehen die Dinge aber so, dass das einzige in der Eilentscheidung angeführte Argument aufgrund veränderter Umstände seine Tauglichkeit verloren hat, beginnt der Streit. Am weitesten ist Melullis689 gegangen, der für die Zulassung neuer, im Anordnungsverfahren nicht erwähnter Ansprüche plädiert und zur Begrenzung lediglich gefordert hat, es müsse sich um eine im Wortinhalt gleiche Verfügung handeln. Auf diese Weise hat er das Aufhebungsverfahren mit einem eigenständigen neuen Anordnungsverfahren kombiniert, ohne dazu in der gesetzlichen Systematik eine Rechtfertigung zu finden. Dagegen hält die herrschende Meinung das Auswechseln der Begründung dann und nur dann für erlaubt, wenn es sich um denselben Streitgegenstand handele und der schlüssige Sachvortrag samt Glaubhaftmachung bereits im Verfügungsverfahren erfolgt sei,690 mag auch der neue Anspruch aus einem unstreitigen Sachverhalt herzuleiten sein.691 Dem ist zuzustimmen. Ein Antragsteller hat oft die Möglichkeit, durch Abstrahie- 252 rung unter Verzicht auf die konkrete Verletzungsform oder durch einen mehrere Angriffsflächen erfassenden verbalisierten Vorspann vor der konkreten Verletzungsform den Schutzumfang des angestrebten Verbotes so weit zu fassen, wie es ihm angemessen erscheint. Wählt er zur Risikominimierung eine enge Antragsfassung, darf es nicht die Sache des Aufhebungsrichters sein, sich Gedanken darüber zu machen, welche Modifizierungen den Antrag gegenüber der späteren Entwicklung krisenfester gemacht hätten. Erweiterungen oder Änderungen des Streitgegenstandes haben unter der Herrschaft des § 308 ZPO tabu zu sein. Es ist deshalb ausgeschlossen, eine unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr erlassene einstweilige Verfügung nach dem Erlöschen des darauf beruhenden Unterlassungsanspruchs durch einen neuen, auf eine

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688 OLG Saarbrücken NJW 1971, 946; siehe auch BGH NJW 1978, 2157; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Spätgens § 108 Rn. 11 (S. 2573); MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 5; Zöller/Vollkommer § 927 Rn. 5. 689 Rn. 273. 690 OLG Frankfurt GRUR 1997, 484, wo die fehlende Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels auf verschiedene Gründe gestützt worden war; wohl auch KG WRP 1990, 330, 332, das in dem Anspruch aus § 6e UWG a.F. einerseits und dem Irreführungstatbestand andererseits unterschiedliche Streitgegenstände gesehen (wie später BGH GRUR 1995, 518, 519 – Versäumte Klagenhäufung) und angenommen hat, die Irreführung sei im Anordnungsverfahren vom Antrag nicht erfasst gewesen; Ahrens/Ahrens Kap. 60 Rn. 33; vgl. a. (referierend) Teplitzky Kap. 56 Rn. 34 unter f), der in Fn. 104 ebenso wie Ahrens in Fn. 58 annimmt, die soeben erwähnte Entscheidung des KG habe jeglichem Austausch der Begründung eine Absage erteilt; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 587; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 537; Schuschke/Walker § 927 Rn. 12; Stein/Jonas/Grunsky § 927 Rn. 6; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 5. 691 Was nach OLG Saarbrücken NJW 1971, 946 das Auswechseln der Gründe für sich genommen rechtfertigt; dagegen mit Recht Teplitzky Kap. 56 Rn. 34 unter f); Melullis Rn. 273.

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Erstbegehungsgefahr gestützten Anspruch – also einen anderen Streitgegenstand692 – zu ersetzen.693 Anders liegt es, wenn die dem Gericht unterbreiteten tatsächlichen oder rechtlichen Varianten nur eine mehrfache Begründung für einen identischen Antrag darstellen.694 Wehrt sich der Gläubiger etwa dagegen, dass ein Konkurrent in einer nach § 7 UWG unzulässigen Weise telefonisch Acquise betreibt und führt er zur Begründung zwei Gespräche mit verschiedenen Kunden an, darf sich das Gericht darauf beschränken, zur Begründung des stattgebenden Beschlusses auf ein glaubhaft gemachtes Gespräch zu verweisen. Wird die Glaubhaftmachung mit dem Aufhebungsantrag erschüttert, weil der Schuldner vielleicht inzwischen von der Demenz des Zeugen erfahren hat, ist im Aufhebungsverfahren zu prüfen, ob das zweite Kundengespräch die Aufrechterhaltung des Verbots gestattet. Das wäre bereits im Verfügungsverfahren zu untersuchen gewesen, wenn die Schwächen der Glaubhaftmachung des anderen Kundengesprächs schon bekannt gewesen wären. Genauso verhält es sich bei der Anspruchskonkurrenz. Ist für die Begründetheit des 253 Verfügungsantrags sowohl die Irreführung der Verbraucher als auch der Rechtsbruchstatbestand des §§ 4 Nr. 11 in Verbindung mit Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes ins Feld geführt worden695 und hat das Gericht dem Antrag unter dem letztgenannten Aspekt entsprochen, so muss im Aufhebungsverfahren nach einer (hier im Beispiel unterstellten) Änderung des Personenbeförderungsgesetzes geprüft werden, ob der Antrag seinerzeit auch aus § 5 UWG Erfolg gehabt hätte.696 Zusätzlich ist freilich darauf zu schauen, ob der Verfügungsgrund immer noch zu bejahen ist. 254

6. Wirkung der Aufhebungsentscheidung. Da in der Regel lediglich geprüft wird, ob die einstweilige Verfügung durch später eingetretene Umstände ihre anfängliche Berechtigung verloren hat, hat die Aufhebung im Grundsatz keine rückwirkende Kraft. Sie wirkt ex nunc. Davon gibt es Ausnahmen, die teils unstreitig, teils streitig sind, und die sich – wie noch darzustellen sein wird – auf die Kostenentscheidung auswirken. Die Aufhebung wirkt nach einhelliger Auffassung ex tunc, wenn die Klage zur Hauptsache rechtskräftig als von Anfang an unbegründet abgewiesen worden war,697 der Gläubiger die ihm nach § 926 Abs. 1 ZPO gesetzte Frist versäumt hat698 oder die Anspruchsnorm, auf der der Verfügungsanspruch beruhte, nachträglich vom Bundesverfassungsgericht für

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692 So jedenfalls die ständige Rechtsprechung des BGH: 26.1.2006 – I ZR 121/03 – GRUR 2006, 429 Rn. 22 – Schlank-Kapseln; 30.4.2009 – I ZR 191/05 GRUR 2009, 852 Rn. 58 – Elektronischer Zolltarif. 693 So aber OLG Hamburg Magazindienst 2002, 490, 492 und Berneke Rn. 289 im Widerspruch zu seiner dort ebenfalls festgehaltenen Erkenntnis, der Streitgegenstand müsse identisch bleiben; siehe auch Schultz- Süchting Vorauflage § 25 Rn. 259; gegen OLG Hamburg auch Teplitzky Kapitel 56 Rn. 54 bei Fn. 103. 694 Wie bei OLG Frankfurt GRUR 1997, 484, wo die fehlende Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels auf verschiedene Gründe gestützt worden war. 695 Vgl. den Fall BGH 24.11.2011 – I ZR 154/10 WRP 2012, 817 – Mietwagenwerbung. 696 Soweit ersichtlich strukturell (nicht ausdrücklich das im Text gewählte Beispiel betreffend) allgemeine Meinung: BGH NJW 1978, 2157; Berneke Rn. 289; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 108 Rn. 11 (S. 2573); Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 587; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 5; Zöller/ Vollkommer § 927 Rn. 5; Stein/Jonas/Grunsky § 927 Rn. 6; Schuschke/Walker § 927 Rn. 13. 697 BGH 1.4.1993 – I ZR 70/91 – BGHZ 122, 172, 178 f.= WRP 1993, 764, 766 – Verfügungskosten; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 17; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 162; Teplitzky Kap. 56 Rn. 38 mit weiteren umfangreichen Nachweisen zu Rechtsprechung und Schrifttum in Fn. 118. 698 OLG Hamm NJW-RR 1990, 1214; Berneke Rn. 292; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 108 Rn. 14; Teplitzky Kap. 56 Rn. 38; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 599; Nordemann/Götting/Kaiser § 12 Rn. 281; Schuschke/Walker § 927 Rn. 22; Stein/Jonas/Grunsky § 927 Rn. 16.

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nichtig erklärt worden ist.699 Die h.M. bejaht das auch in den Fällen, in denen der Gläubiger die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO hat verstreichen lassen.700 Die rückwirkende Aufhebung entspricht in der Tat der Interessenlage, falls der Gläubiger auf die Einhaltung der Frist keinen Wert mehr gelegt oder sie einfach verschludert hat. Der Gläubiger sieht jedoch in seinem eigenen wohlverstandenen Interesse von einer Vollziehung der Verfügung ab, wenn bereits vorher (z.B. Unterwerfungserklärung, Rechtsprechungsänderung) ein Umstand eingetreten ist, der den Schuldner zu einem Aufhebungsantrag mit ex nunc Wirkung berechtigt. Es wäre unsinnig, den Gläubiger zur Vollziehung der Verfügung zu nötigen mit dem alleinigen Nutzen, bei dem zu erwartenden Aufhebungsverfahren der Rückwirkung zu entgehen. In der Kollisionslage mit früher entstandenen Aufhebungsgründen sollte es daher trotz einer auf § 929 Abs. 2 gestützten Aufhebung bei einer Wirkung für die Zukunft bleiben.701 Es heißt aber das Kind mit dem Bade auszuschütten, wenn man deshalb mit einer Mindermeinung702 generell von einer ex nunc Wirkung ausgehen wollte. Ein weiterer, zuvor nicht diskutierter Grund für eine rückwirkende Aufhebung ist 255 durch eine neue Entscheidung des LG Hamburg ins Spiel gebracht worden. Er besteht in der rechtskräftigen Löschung der Marke, die den Verfügungsanspruch hergegeben hat, wegen eines von Anfang an bestehenden Eintragungshindernisses.703 7. Kostenentscheidung. Die Kostenentscheidung bezieht sich im Regelfall allein 256 auf die Kosten, die durch das Verfahren nach § 927 ZPO entstanden sind.704 Das gilt auch dann, wenn in dem Urteil die im Verfügungsverfahren ergangene Anordnung aufgehoben wird. Die Kostenentscheidung bleibt unangetastet, weil die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der erlassenen Verfügung nicht Gegenstand des Aufhebungsverfahrens war. Das ist (nur) in den soeben erörterten Fällen anders, in denen die Anordnung mit rückwirkender Kraft aufgehoben wird. Alsdann ist auch der Kostenausspruch des Verfügungsverfahrens zulasten des Gläubigers abzuändern.705 Es gelten die Bestimmungen der §§ 91–93 ZPO. Es ist eine Obliegenheit des Schuldners, den Gläubiger vor der Einreichung des Aufhebungsantrages zum Verzicht auf die

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699 OLG Köln GRUR 1985, 458, 460; KG WRP 1990, 330, 331; Ahrens/Ahrens Kap. 60 Rn. 9; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Spätgens § 108 Rn. 14; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 162; Teplitzky Kap. 56 Rn. 38; Zöller/Vollkommer § 927 Rn. 12. 700 OLG Celle WRP 1991, 586, 587; OLG Düsseldorf WRP 1993, 327, 329 sowie NJW-RR 2000, 68; OLG Frankfurt WRP 2002, 334; OLG Hamburg GRUR 1997, 147, 148; OLG Hamm GRUR 1989, 931, 932; OLG Karlsruhe WRP 1996, 120, 121; OLG Köln WRP 1983, 702, 703; OLG Koblenz WRP 1990, 330, 333; Ulrich WRP 1996, 84, 86; Teplitzky Kap. 56 Rn. 38 mit umfangreichen weiteren Nachweisen in Fn. 119; Piper/Ohly/ Sosnitza § 12 Rn. 162. 701 Zutreffend die Überlegungen in OLG Karlsruhe WRP 1996, 120, 121; dem zustimmend Teplitzky Kap. 56 Rn. 38 Fn. 119. 702 OLG München NJW-RR 1990, 998, 999 f., WRP 1996, 1052 mit schwer nachvollziehbarer Begründung; Ahrens WRP 1999, 1 f.; Ahrens/Ahrens Kap. 60 Rn. 12–14 mit unrichtiger Berufung auf OLG Köln WRP 1986, 353 in Fn.20; Schuschke/Walker § 927 Rn. 22; Zöller/Vollkommer § 927 Rn. 12. 703 Urteil vom 25.10.2012 – 327 O 9/06 – Magazindienst 2013, 73, 78; zustimmend Teplitzky 11. Kölner Symposium zum Marken- und Wettbewerbsrecht 2013, Tagungsband Teil 2, S. 29, unter XI. 704 Allgemeine Meinung: BGH 21.4.1988 – I ZR 129/86– GRUR 1988, 787, 788; Hess in: Ullmann juris PKUWG § 12 Rn. 194; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.58; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 278; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 16; ZöllerVollkommer § 927 Rn. 12, alle mit weiteren Nachweisen. 705 Allgemeine Meinung: Teplitzky Kap. 56 Rn. 38; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 594; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Spätgens § 108 Rn. 14; Ahrens/Ahrens Kap. 60 Rn. 37 mit umfangreichen Nachweisen zur obergerichtlichen Rechtsprechung in Fn. 65; Berneke Rn. 291; Fezer/Büscher § 12 Rn. 151; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 195; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 539; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 16.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Rechte aus der einstweiligen Verfügung und zur Herausgabe des Titels aufzufordern. In den besagten Fällen, bei denen die Aufhebung der im Verfügungsverfahren getroffenen Anordnung wegen ihrer ex-tunc-Wirkung auch mit einer Korrektur der Kostenentscheidung verbunden ist, hat sich die Aufforderung des Schuldners auch auf einen Verzicht des Gläubigers auf diese Kostenentscheidung zu erstrecken; unterbleibt das, kann der Gläubiger (der Antragsgegner des Aufhebungsantrags) mit einem umgehenden Anerkenntnis erreichen, dass die Kosten des Aufhebungsverfahrens dem Schuldner angelastet werden. In der Vorauflage hat Schultz-Süchting die Ansicht vertreten,706 die Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO werde überspannt, wenn auch nach eingetretener Verjährung, mangelnder Vollziehung gemäß § 929 Abs. 2 ZPO oder rechtskräftiger Entscheidung im Hauptklageverfahren der Schuldner gehalten wäre, entsprechende Erklärungen des Gläubigers vor der Stellung des Aufhebungsantrags einzufordern. Die Anwendung des § 93 ZPO sei nur gerechtfertigt, falls der Schuldner wie bei einer Unterwerfungserklärung die Ursache für einen erfolgreichen Aufhebungsantrag selbst gesetzt habe. Diese zusätzliche Differenzierung – die wie alle Verästelungen das Recht komplizierter macht – sollte nicht weiterverfolgt werden.707 Eine Anfrage des seit dem Verfügungsverfahren ohnehin anwaltlich vertretenen Schuldners bei dem Gläubiger ist auch in diesen Fällen vor Einleitung des Aufhebungsverfahrens zumutbar. 257

8. Vollstreckbarkeit des Aufhebungsurteils. Das Urteil, das die einstweilige Verfügung aufhebt, ist nach § 708 Nr. 6 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Mit Verkündung der Entscheidung kann aus der einstweiligen Verfügung nicht mehr vollstreckt werden.708 Die Aufhebung von in der Vergangenheit getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen setzt die Rechtskraft des Urteils voraus.709 Wird bei einer Verbindung von Widerspruchsverfahren und Aufhebungsantrag der Verfügungsbeschluss wegen des begründeten Widerspruchs aufgehoben, verbleibt es allerdings bei der damit verbundenen Rückwirkung der Aufhebungsentscheidung.710 § 924 Abs. 3 S. 2 ZPO ist entsprechend anwendbar, wenn der Erfolg des Aufhebungsantrages absehbar ist.711 VIII. Das Abschlussschreiben VIII. Das Abschlussschreiben

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1. Grund des Abschlussschreibens. Der in einem einstweiligen Verfügungsverfahren erstrittene Titel bleibt selbst nach dessen formell rechtskräftigem Abschluss eine fragile Errungenschaft. In sechs Monaten setzt sich der Lauf der Verjährungsfrist fort (§ 204 Abs. 2 S. 1 BGB). Der Titel kann über §§ 926, 927 ZPO angegriffen werden. Die Er-

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706 Vorauflage § 25 Rn. 283 mit nicht zutreffenden Belegen in Fn. 808: Die dort angeführten Entscheidungen OLG Koblenz WRP 1986, 298 und OLG Hamburg WRP 1989, 403 behandeln jeweils nur die Folgen der Verjährungseinrede im laufenden Verfügungsverfahren. 707 Ersichtliche Zurückhaltung auch bei Teplitzky Kap. 56 Rn. 37. 708 Allgemeine Meinung, siehe Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.57; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 602; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 163; Fezer/Büscher § 12 Rn. 150; Teplitzky Kap. 56 Rn. 41; Wieczorek/Schütze/ Thümmel § 927 Rn. 16. 709 Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3. 57; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 538; Schuschke/Walker § 927 Rn. 24; a.A. Wieczorek/Schütze/Thümmel. 710 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 108 Rn. 14 mit zutreffenden Erwägungen in Fn. 61; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 18; Zöller/Vollkommer § 927 Rn. 14; Stein/Jonas/Grunsky § 927 Rn. 18; Schuschke/Walker § 927 Rn. 25. 711 Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 602; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 538; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.57; Teplitzky Kap. 56 Rn. 41.

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VIII. Das Abschlussschreiben

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kenntnisse aus dem Verfügungsverfahren können andererseits den Schuldner, der die Abmahnung noch kampfeslustig zurückgewiesen hat, zu einer pessimistischeren Sicht der eigenen forensischen Chancen veranlasst haben, so dass seine Kompromissbereitschaft erheblich gestiegen ist. Es herrscht ein Interimszustand, mit dem auf Dauer beide Parteien nicht zufrieden sein können. Mit dem Abschlussschreiben des Gläubigers und der Abschlusserklärung des Schuldners hat die wettbewerbsrechtliche Praxis probate Mittel gefunden, den Streit der Parteien ohne ein weiteres Gerichtsverfahren einer abschließenden Klärung zuzuführen, wo immer beiden Seiten daran gelegen ist. Das Abschlussschreiben weist etliche Parallelen zu dem Institut der Abmahnung 259 auf.712 Es ist wiederum ein (letztes) Mittel des Gläubigers herauszufinden, ob sich die Inanspruchnahme der Gerichte vermeiden lässt. Es ist ebenfalls keine Zulässigkeitsvoraussetzung für ein nachfolgendes Gerichtsverfahren;713 ohne diese vorherige Kontaktaufnahme droht aber über § 93 ZPO eine trotz Erfolges in der Sache ungünstige Kostenentscheidung.714 2. Notwendiger Inhalt. Mit dem Abschlussschreiben verlangt der Gläubiger von 260 dem Schuldner, Erklärungen abzugeben, mit denen dafür Sorge getragen wird, dass der Titel aus dem Verfügungsverfahren in seiner Bestandskraft einem Titel aus dem Hauptsacheverfahren gleichgestellt wird. Eine menschenfreundliche höfliche Bitte genügt dazu ebenso wenig wie bei der Abmahnung. Es ist vielmehr eine Fristsetzung zur Abgabe der Abschlusserklärung erforderlich715 mit der mindestens konkludenten Drohung,716 nach deren ergebnislosem Ablauf ein Gericht anzurufen.717 Auf der Verwendung bestimmter Vokabeln ist nicht zu bestehen. Der Text ist aber insgesamt so zu formulieren, dass der Schuldner die Warnung nicht missverstehen kann. Wie bei der Abmahnung in Bezug auf die Unterwerfungserklärung kann – es ist eine bloße Option – mit dem Abschlussschreiben ein Vorschlag für den Wortlaut der Abschlusserklärung unterbreitet werden.718 Dem mit dieser Vorgehensweise bei der Abmahnung verbundenen Vorzug, mit einem vom Schuldner geforderten Vollmachtsnachweis besser zurecht zukommen,719 kann das Abschlussschreiben in aller Regel nicht haben, weil seit dem Verfügungsverfahren die Bevollmächtigung geklärt ist.

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712 Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 41; Berneke Rn. 343; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 652; Hess in: Ullmann juris PK § 12 Rn. 155; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 182; a.A. Spehl, Abschlussschreiben und Abschlusserklärung im Wettbewerbsverfahrensrecht, 1987, S. 43 ff.; gegen ihn zutreffend Teplitzky WRP 1989, 349, 351 sowie Kap. 43 Rn. 19 in Fn. 69. 713 Allgemeine Meinung, siehe nur Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 111 Rn. 6; Teplitzky Kap. 43 Rn. 27; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 13. 714 OLG Celle GRUR-RR 2001, 200 (LS); OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 274, 278 f.; Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 39; Hess in: Ullmann juris PK-UWG Rn. 157; Teplitzky Kap. 43 Rn. 27 mit weiteren Nachweisen in Fn. 85. 715 H.M.: Ahrens/Ahrens Kap. 60 Rn. 44; Berneke Rn. 351; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 111 Rn. 2; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.71; Fezer/Büscher § 12 Rn. 178; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 654; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 17; a.A. OLG Zweibrücken GRUR-RR 2002, 344; nicht eindeutig Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 157 („sollte gesetzt werden“); Teplitzky Kap. 43 Rn. 22 („sollte eine Frist enthalten“) mit Fn. 74 – keine unerlässliche Wirksamkeitsvoraussetzung – i.V.m. Rn. 24 („muss“ Androhung enthalten, dass bei Fristversäumung Klage erhoben wird). 716 Zutreffend Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 16. 717 Die Androhung verlangen: Spehl S. 77 ff.; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 656; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.71; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 548; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 184; Teplitzky Kap. 43 Rn. 24; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 111 Rn. 2. Die Androhung halten für verzichtbar, weil sie sich nach den Begleitumständen (immer?) von selbst verstehe: Fezer/Büscher § 12 Rn. 178; Berneke Rn. 351. 718 Berneke Rn. 351; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 16. 719 Vgl. BGH 19.5.2010 – I ZR 140/08– GRUR 2010, 1120 – Vollmachtsnachweis.

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Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

3. Eventuelle Begründungspflicht. Eine Begründung für das an den Schuldner gerichtete Ansinnen braucht das Abschlussschreiben nicht zu enthalten.720 Im Schrifttum wird allerdings teilweise für möglich gehalten, dass einem ersichtlich unerfahrenen, nicht anwaltlich beratenen Antragsgegner erläutert werden müsse, warum der Gläubiger mit dem bisher erreichten Zustand noch nicht zufrieden sein könne und eine endgültige Absicherung benötige.721 Das ist übertrieben. Der Schuldner, der das Selbstvertrauen besitzt, sich im amtsgerichtlichen Eilverfahren selbst zu vertreten, einen Titel gegen sich hat und ein Abschlussschreiben, dessen Sinn er nicht versteht, ignoriert , ohne sich spätestens jetzt um anwaltliche Hilfe zu kümmern, hat bei der nachfolgenden Klage eine fürsorgende Behandlung mit Hilfe des § 93 ZPO nicht verdient. Dass hinzugefügte Erläuterungen ein vernünftiges taktisches Mittel sein können, um den unkundigen Schuldner zum Einlenken zu bewegen oder überraschenden Entwicklungen einer in dieser Frage bislang nicht existierenden Rechtsprechung vorzubeugen, ist ein anderes Thema.722

4. Form und Zeitpunkt des Abschlussschreibens. Das Abschlussschreiben ist an keine Form gebunden, kann auch per Mail oder Fax verschickt und könnte entgegen seinem Namen auch mündlich verfasst werden:723 was wegen der dann entstehenden Beweisschwierigkeiten aber niemand macht. Das Abschlussschreiben kennt auch kein bestimmtes Zeitfenster. Es setzt lediglich 263 voraus, dass der Gläubiger über einen im Verfügungsverfahren erstrittenen vollstreckbaren Titel verfügt, und ist in der Praxis besonders häufig anzutreffen, wenn der Schuldner noch nicht von seinem ebenfalls nicht fristgebundenem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht hat, um den Schwebezustand zu beenden. Ein Abschlussschreiben macht keinen Sinn, während die Frist zur Einlegung einer Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil noch läuft; die kurz bevorstehende Entscheidung des Schuldners über die Einlegung des Rechtsmittels gilt es abzuwarten. Nach dem formell rechtskräftigen Abschluss des Verfügungsverfahrens ist ein zeitnahes Abschlussschreiben die Regel und sollte spätestens dann versandt werden, wenn demnächst der Eintritt der Verjährung des titulierten Unterlassungsanspruchs droht. 262

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5. Bemessung der Frist zur Beantwortung. Die von dem Gläubiger gesetzte Frist ist so zu bemessen, dass sie dem Schuldner einen vernünftigen zeitlichen Rahmen für die von ihm verlangte Entscheidung einräumt. Eine zu kurz bemessene Frist setzt wie auch sonst die angemessene Frist in Lauf.724 Welche Frist im Einzelfall angemessen ist, hängt von dem Gewicht der im Spiel befindlichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen, der ökonomischen Tragweite der Entscheidung für den Schuldner und vor allem von dem Umstand ab, wie viel Zeit der Gläubiger nach der Beendigung des Verfahrens bis

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720 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 111 Rn. 2; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 184; Berneke Rn. 351. 721 Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 655; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 546 mit Fn. 817; Teplitzky Kap. 43 Rn. 20 mit der Einschränkung „allenfalls“ und dem Hinweis, die Rechtsprechung wende auch im Zusammenhang § 93 ZPO die GoA – Grundsätze an; das belegen die Nachweise in Fn.71 jedoch nicht, weil es sowohl in BGH GRUR 1973, 384, 385(goldene Armbänder) als auch in OLG Stuttgart WRP 1984, 230, 232 allein um den materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch ging; unklar Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.71 („ Begründung kann (im Hinblick auf § 93 ZPO) zweckmäßig sein, ist aber nicht notwendig“). 722 Vgl. Teplitzky Kap. 43 Rn. 21; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 16. 723 Vgl. statt aller Teplitzky Kap. 43 Rn. 26 mit Nachweisen in Fn. 84; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Spätgens mit Fn. 7; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 18. 724 KG NJW RR 1987, 814 und WRP 1978, 451; Berneke Rn. 352; Fezer/Büscher § 12 Rn. 179; Ahrens/ Ahrens Kap. 58 Rn. 37; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 18.

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VIII. Das Abschlussschreiben

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zum Abschlussschreiben hat verstreichen lassen.725 Auch kurz vor Eintritt der Verjährung726 sollte das Tempo aber nicht beliebig erhöht werden dürfen; denn der Gläubiger trägt selbst die Verantwortung, wenn er erst kurz vor dem Abgrund aufgewacht ist. In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird teilweise eine grundsätzliche, nur in Ausnahmefällen zu verkürzende Mindestfrist von einem Monat befürwortet,727 die sich offenbar an der Berufungsfrist orientiert hat.728 Dem wird man sich für Fälle anschließen müssen, in denen der Gläubiger einen Verfügungsbeschluss ohne vorherige Abmahnung erwirkt und dessen erfolgreiche Zustellung nur wenige Tage abwartet, um das Abschlussschreiben folgen zu lassen. Hat sich der Gläubiger nach der Zustellung des Verfügungsbeschlusses bei ausbleibendem Widerspruch oder nach dem Ende des Verfahrens vier Wochen Zeit gelassen, kann auch eine zweiwöchige Frist genügen.729 Nicht selten findet sich die Faustregel, es sollten jedenfalls vier Wochen ab Zustellung der einstweiligen Verfügung und zwei Wochen ab Zugang des Abschlussschreibens zugebilligt werden.730 Kürzere Fristen als zwei Wochen731 sind in der Rechtsprechung, soweit ersichtlich, bislang nirgends akzeptiert worden.732 Wird die einstweilige Verfügung am Ende der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens erlassen, muss dem Schuldner genügend Zeit zur Überlegung bleiben, nachdem er die schriftliche Begründung zur Verfügung gestellt bekommen hat.733 6. Formulierungsvorschlag für die Abschlusserklärung. Entschließt sich der 265 Gläubiger, sein Abschlussschreiben mit einem ausformulierten Vorschlag für die Abschlusserklärung des Schuldners zu verbinden, können verschiedene Fragen auftauchen. Die geforderte Abschlusserklärung kann über das Ziel hinausschießen, indem sie den Gläubiger besser stellt als er stehen würde, wenn er im Besitz eines rechtskräftigen Titels aus dem Hauptsacheverfahren wäre: etwa weil nach seinen Vorstellungen die Abschlusserklärung auch einen uneingeschränkten Verzicht auf die Rechte aus § 767 Abs. 1 ZPO beinhalten sollte. Daraus entstehen keine Probleme, sofern der Schuldner den überschießenden Passus streicht. Es handelt sich alsdann um eine einwandfreie Abschlusserklärung, die eine nachfolgende Klage unzulässig macht. Gibt der Schuldner hingegen die von ihm geforderte zu weit gehende Erklärung unnötigerweise ab, würde einer Klage ebenfalls das Rechtsschutzinteresse fehlen und sich in der Folgezeit nur das andere

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725 Vgl. das besonders sorgfältig begründete Urteil des OLG Hamburg vom 6.2.2014 – 319/13 – WRP 2014, 483; ausf. auch Teplitzky Kap. 43 Rn. 22. 726 Siehe dazu Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 306; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 111 Rn. 2; Melullis Rn. 750 (weniger als zwei Wochen); Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 17. 727 OLG Celle WRP 1996, 757; KG WRP 1978, 213; WRP 1978, 451; WRP 1986, 87, 89; OLG München NJWEWettbR 1998, 255 f.; Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 44; Hess in: Ullmann juris PK UWG § 12 Rn. 157; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 17; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 111 Rn. 2; Fezer/Büscher § 12 Rn. 179. 728 Vgl. Berneke Rn. 352; Steinmetz, Der kleine Wettbewerbsprozess S. 116. 729 Teplitzky Kap. 43 Rn. 23. 730 OLG Hamburg WRP 2014, 483, 485, Rn. 37 (zwei Wochen als Regelfrist); OLG Hamm, GRUR-RR 2010, 267, 268; OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 274, 278 f.; OLG Frankfurt WRP 2003, 1002; KG WRP 1989, 659, 661; Fezer/Büscher § 12 Rn. 152; Hess in: Ullmann, juris PK-UWG § 12 Rn. 157; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.71; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 183. 731 Das ist die von Melullis Rn. 750 befürwortete Regelfrist. 732 Vgl. OLG Köln WRP 1987, 188 (zwölf Tage reichen nicht); OLG Stuttgart WRP 1996, 152, 155 f. ist (kritisiert von Teplitzky Kap. 43 Rn. 22 in Fn. 76) auf die Wirksamkeit einer Zehn-Tages-Frist nicht weiter eingegangen, weil aus seiner Sicht der geltend gemachte Anspruch aus anderen Gründen nicht bestand. 733 Vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2006, 111, 112.

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Problem stellen können, ob auf die Rechte aus § 767 Abs. 1 ZPO vorab verzichtet werden kann.734 Der Schuldner wäre hingegen schlecht beraten, wenn er in der Erkenntnis, die Forderungen des Gläubigers gingen zu weit, das Abschlussschreiben einfach ignorieren würde. Er ist unterrichtet worden, dass nach Ablauf der ihm mitgeteilten Frist die Klagerhebung zu erwarten ist, und er hat sich den § 93 ZPO verscherzt,735 als er gemeint hat, die Angelegenheit reaktionslos aussitzen zu dürfen. 266 Denkbar ist auch die gegenteilige Variante, dass die vom Gläubiger verfasste Abschlusserklärung hinter dem Standard zurückbleibt, indem sie beispielsweise an den Verzicht auf den Rechtsbehelf des § 926 Abs. 1 ZPO gedacht, § 927 Abs. 1 ZPO aber außer Acht gelassen hat.736 Das hindert den Schuldner selbstredend nicht, eine eigene handwerksgerechte Erklärung abzugeben. Übernimmt er hingegen den vorgeschlagenen Text, stellen sich schwierige Auslegungsfragen. Der Gläubiger wird an sein Versprechen, nach Abgabe der von ihm geforderten Erklärung keine Klage zu erheben, zunächst gebunden sein. Der Schuldner wird nach Treu und Glauben gehindert sein, postwendend der Abschlusserklärung eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung folgen zu lassen, um darauf den Aufhebungsantrag zu stützen. Es wäre auch unbillig, dem Gläubiger bis zum Eintritt der Verjährung jede Klageerhebung zu verwehren und dem Schuldner mit der dann erhobenen Einrede wieder die Aufhebungsklage zu ermöglichen. Die Absprache der Parteien wird je nach den Begleitumständen dahin zu verstehen sein, dass entweder der Schuldner konkludent auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat oder bei bevorstehender Verjährung der Gläubiger berechtigt ist, den Verzicht auf die Einrede nachträglich noch einzufordern und andernfalls Klage erheben zu können.737 In der veröffentlichten Rechtsprechung ist diese Problematik, soweit ersichtlich, bisher nicht behandelt worden. 267

7. Notwendigkeit des Abschlussschreibens zur Vermeidung des § 93 ZPO. Die Antwort auf die Frage, wann ein Abschlussschreiben notwendig ist, um die Kostenfolge des § 93 ZPO zu vermeiden, ist nicht einfach; es geht auch nicht lediglich um ungeklärte Details. In der Vorauflage738 hat Schultz-Süchting mit Recht gefordert, ein in sich stimmiges Gedankengebäude zu errichten. Dessen Statik hängt entscheidend davon ab, ob es dem Gläubiger gestattet ist, nach erfolgloser Abmahnung das Verfügungsverfahren und das Verfahren zur Hauptsache sogleich nebeneinander einzuleiten. Wird ihm das für den Normalfall als rechtsmissbräuchlich verwehrt 739 und ihm gar erst nach der formell rechtskräftigen Beendigung des Verfügungsverfahrens ermöglicht, ist es ein in sich schlüssiges Gesamtkonzept, eine an den Schuldner gerichtete Warnung vor Einleitung des Klageverfahrens zum Ausschluss des § 93 ZPO zu verlangen. Geht man hingegen mit der zur Zeit des Erscheinens der Vorauflage als weithin selbstverständlich angenommenen740 und nach zwischenzeitlichen Irritationen jetzt wie-

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734 Vgl. dazu weiter unten bei H.3. 735 OLG Köln WRP 2000, 226, 230; Teplitzky Kap. 43 Rn. 19; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 654; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Spätgens § 111 Rn. 3. 736 Vgl. das in BGH WRP 1973, 263 (goldene Armbänder) wiedergegebene Abschlussschreiben. 737 In der Vorauflage Rn. 297–305 ist Schultz-Süchting intensiv auf die Problematik modifizierender Erklärungen eingegangen; seineAuslegungsergebnisse können auf die heutige Zeit aber schon deshalb nicht einfach übertragen werden, weil zwischenzeitlich höchstrichterlich geklärt ist, welchen Inhalt die Abschlusserklärung haben sollte, siehe dazu unten. 738 § 25 Rn. 290. 739 Vgl. OLG Nürnberg GRUR-RR 2004, 336. 740 Vgl. KG WRP 1981, 583, 584; OLG Hamm WRP 1991, 496, 497.

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VIII. Das Abschlussschreiben

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der herrschenden Meinung741 davon aus, dass der Gläubiger auf der Stelle zweigleisig vorgehen und sich der Schuldner in beiden Verfahren nicht auf ein sofortiges Anerkenntnis berufen kann, weil er die Abmahnung nicht respektiert hat,742 entsteht ein Problem. Wenn eine zeitlich versetzte Hauptsacheklage zur Vermeidung von Kostennachteilen ein zweites Warnschreiben – jetzt Abschlussschreiben genannt743 – erfordert, muss in der Zwischenzeit etwas geschehen sein, das die Beurteilung zulässt, die erste Abmahnung habe ihre Strahlkraft verloren. Diese Annahme liegt nach einem durch zwei Instanzen geführten Eilverfahren freilich nahe. Die in dem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse können die Einsichten des Schuldners geläutert haben, so dass die frühere Reaktion auf die anfängliche Abmahnung jetzt keinen Fingerzeig für sein weiteres Verhalten mehr ermöglicht. Die Annahme ist aber nicht gerechtfertigt, wenn sich der Schuldner gegen den gerade vom Gläubiger erkämpften Titel mit Widerspruch oder Berufung zur Wehr gesetzt und damit zu erkennen gegeben hat, dass er ihn nicht akzeptiert.744 Es versteht sich auch von selbst, dass der Schuldner keine weitere Warnung in Form eines Abschlussschreibens benötigt, nachdem er den Antrag gestellt hat, dem Gläubiger eine Frist zur Klageerhebung (§ 926 Abs. 1 ZPO) zu setzen745 oder eine negative Feststellungsklage erhoben hat.746 Ein Abschlussschreiben sollte aber auch dann für verzichtbar gehalten werden, wenn ein Schuldner in zwei Instanzen des Verfügungsverfahrens rigide auf seinem Standpunkt beharrt und in der Berufungsverhandlung zu erkennen gegeben hat, dass er die gegnerische Position keinesfalls hinnehmen wird. Falls er sich durch die schriftliche Urteilsbegründung doch eines Besseren belehren lässt, ist es seine Obliegenheit, von sich aus an den Gläubiger heranzutreten und ihn von seiner Kehrtwende ins Bild zu setzen.747 8. Erfordernis eines zweiten Abschlussschreibens. Die herrschende Meinung im 268 Schrifttum,748 der auch die Rechtsprechung749 anscheinend überwiegend folgt, verlangt grundsätzlich ein zweites Abschlussschreiben, sofern das erste Abschlussschreiben unmittelbar nach Erwirkung des Verfügungsbeschlusses ergebnislos geblieben ist. Häufig bestimme der Umstand, dass die erstmals im Widerspruchsverfahren vorgebrachte Rechtsverteidigung ohne Erfolg geblieben sei oder dass nach dem erstinstanzlichen Gericht auch das Berufungsgericht den Verfügungsantrag für begründet erachtet habe, den

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741 Vgl. die Darstellung bei Teplitzky, 100 Jahre Wettbewerbszentrale S. 195, 202 f. mit umfangreichen Nachweisen zum aktuellen Meinungsstand in Fn. 54. 742 Vgl. OLG Hamm WRP 1991, 496, 497. 743 Schultz-Süchting Vorauflage Rn. 290 spricht stets (inhaltlich nicht zu Unrecht) von dem Erfordernis einer zweiten Abmahnung, so auch KG WRP 1981, 583, 584 r.Sp. 744 So zutreffend OLG Hamburg GRUR 1989, 458 (LS); ebenso das Schrifttum: Berneke Rn. 346; Fezer/ Büscher § 12 Rn. 174; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 658; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.70; Piper/Ohly/ Sosnitza § 12 Rn. 182; Teplitzky Kap. 43 Rn. 28; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 19. 745 Mit Recht allgemeine Meinung, vgl. Teplitzky Kap. 43 Rn. 29 mit Nachweisen in Fn. 92. 746 OLG München OLGR 2001, 283; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 19. 747 A.A.: OLG Frankfurt GRUR-RR 2006, 111, 112, das entsprechende Verlautbarungen des Schuldners erst dann zur Abwendung des § 93 ZPO genügen lässt, sofern sie in Kenntnis der schriftlichen Urteilsbegründung erfolgt sind. 748 Berneke Rn. 346; Fezer/Büscher § 12 Rn. 175; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 659; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 156; Melullis Rn. 753; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 19; a.A. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 290 mit Fn. 824; Teplitzky Kap. 43 Rn. 28 hält die h.M. gleichfalls für „wohl zu schuldnerfreundlich“. 749 OLG Düsseldorf WRP 1991, 479; OLG Frankfurt GRUR-RR 2006, 111, 112; weitere Nachweise zu nicht veröffentlichter Rechtsprechung bei Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 659 in Fn.1517; a.A. ausdrücklich KG WRP 1984, 545 f.

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Antragsgegner, die Eilmaßnahme nunmehr doch als endgültige Regelung hinzunehmen.750 Das ist eine zutreffende Beobachtung; sie erklärt aber nicht, warum der Gläubiger nach der Abmahnung und einem Abschlussschreiben gehalten sein soll, bereits zum dritten Mal beim Schuldner vorstellig zu werden, um einen etwaigen Gesinnungswandel zu erforschen. Richtiger wäre es auch in dieser Fallkonstellation, die Obliegenheiten beim Schuldner zu suchen und ihm anzusinnen, innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist nach Erhalt der schriftlichen Urteilsbegründung dem Gläubiger mitzuteilen, dass er jetzt zu einer Abschlusserklärung bereit sei. Zwei obergerichtliche Entscheidungen,751 die für die herrschende Meinung ins Feld geführt werden und dieser Einschätzung durch die Formulierung von Leitsätzen auch nachgekommen sind, haben denn auch in ihren Entscheidungsgründen entscheidend nicht auf die Notwendigkeit eines zweiten Abschlussschreibens, sondern darauf abgestellt, dass die Klage erhoben wurde, ohne eine Erklärung des Schuldners innerhalb einer kurzen Überlegungsfrist nach Zustellung der Urteilsgründe abzuwarten. In einer weiteren Referenzentscheidung der h.M. wurde die Klage vor Ablauf der Berufungsfrist im Verfügungsverfahren erhoben.752 269 Erst recht sollte ein weiteres Abschlussschreiben nicht für erforderlich gehalten werden, wenn der schon vorher kontaktierte Schuldner seinen Widerspruch753 oder die Berufung754 kommentarlos zurücknimmt, oder nach einem erfolglosen, während des Berufungsverfahrens abgesandten Abschlussschreiben später die Berufung zurückgewiesen wird.755 270

9. Darlegungs und Beweislast für Zugang des Abschlussschreibens. Bestreitet der Schuldner im nachfolgenden Hauptsacheverfahren nach seinem Anerkenntnis den Zugang des Abschlussschreibens, trägt er – da er sich auf die prozessuale Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO beruft – die primäre Darlegungs- und Beweislast. Es können insoweit keine anderen Grundsätze Anwendung finden als die, welche der BGH756 für die Beweislast beim umstrittenen Zugang des Abmahnschreibens entwickelt hat. Hier wie dort hat der Gläubiger die sekundäre Darlegungs- und Beweislast für die in seinem Verantwortungsbereich liegenden Umstände, also die Abfassung und Absendung des Schreibens.757 Macht hingegen der Gläubiger einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erstattung der 271 ihm durch das Abschlussschreiben entstandenen Anwaltskosten geltend, spielt § 93 ZPO keine Rolle. Der Kläger muss wie bei einer Klage auf Erstattung der Abmahnkosten758

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750 Berneke Rn. 347; Fezer/Büscher § 12 Rn. 175; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.70; Melullis Rn. 753; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 549; eher distanziert referierend Teplitzky Kap. 43 Rn. 28. 751 OLG Hamburg WRP 1986, 289, 290; OLG Köln WRP 1987, 188, 190 f. 752 OLG Düsseldorf GRUR 1991, 479, 480 a.E. (oft unrichtig mit WRP 1991, 479 zitiert). 753 So auch OLG Hamm NJW-RR 1999, 577 f.; KG Magazindienst 2000, 566 f. 754 KG WRP 1984, 545 f.; bei beiden Varianten zustimmend, die Praxis aber zur Vorsicht mahnend Teplitzky Kap. 43 Rn. 28; lediglich referierend Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 659; Schuschke/Walker/ Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 19; a.A. Berneke Rn. 347 mit unzutreffendem Hinweis in Fn. 37 auf KG WRP 1984, 545, 547; Melullis Rn. 753. 755 Für die Notwendigkeit eines weiteren Abschlussschreibens Melullis Rn. 753. 756 21.12.2006 – I ZB 17/06 – GRUR 2007, 629 Rn. 10–13 – Zugang des Abmahnschreibens. 757 Teplitzky Kap. 43 Rn. 29; Fezer/Büscher § 12 Rn. 177; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 157; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.72; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 661; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 18; unklar und ohne Bezugnahme auf BGH (Zugang des Abmahnschreibens) Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 46; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 111 Rn. 2 und 6; die Beweislast beim Gläubiger sieht Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 185 unter Hinweis auf die eigene Kommentierung der Beweislastregeln bei der Abmahnung, die aber in § 12 Rn. 13 im Hinblick auf BGH (Zugang des Abmahnschreibens) zu einem anderen Ergebnis kommt. 758 Vgl. Teplitzky Kap. 41 Rn. 88a mit weiteren Nachweisen in Fn. 495.

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die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen und trägt das Risiko eines Verlustes auf dem Postweg. 10. Kosten des Abschlussschreibens. Die Kosten des Abschlussschreibens sind 272 keine Kosten des Verfügungsverfahrens. Sie werden von der dort getroffenen Kostenentscheidung auch dann nicht erfasst, wenn das Schreiben während des Verfahrens herausgegangen ist. Das erklärt sich zwanglos aus seinem Zweck abzuklären, ob eine nachfolgende Klage vermeidbar ist oder nicht.759 In einem anschließenden Hauptsacheverfahren sind die Kosten eines erfolglosen, aber notwendigen Abmahnschreibens als Vorbereitungskosten zu ersetzen.760 Erübrigt sich die Klage durch die Reaktion des Schuldners, richtet sich der Aufwendungsersatzanspruch des Gläubigers nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB).761 Dieser Weg verdient den Vorzug gegenüber der im Schrifttum stattdessen erwogenen analogen Anwendung des § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.762 Zum einen fehlt es an einer die Analogie rechtfertigende Regelungslücke;763 zum anderen ist auch die Vergleichbarkeit der beiden Sachverhalte nicht hinreichend gegeben. Die der Kostenerstattungsregelung in § 12 Abs. 1 S. 2 vorausgehende Sollvorschrift für die Abmahnung ließe sich auf das Abschlussschreiben nicht übertragen. Dessen Notwendigkeit hängt zu sehr von dem individuellen Verhalten des jeweiligen Schuldners nach der Abmahnung und während des Verfügungsverfahrens ab, um einem Soll-Erfordernis zugänglich zu sein. Erstattungsfähig sind nur die Kosten eines notwendigen Abschlussschreibens. 273 Das Schreiben ist zweifelsfrei nicht notwendig, wenn die Drohung mit der Klage ins Leere geht, weil der Gläubiger in diesem Verfahren unterliegen würde. So verhält es sich, wenn der Schuldner die Abschlusserklärung bereits abgegeben hat,764 so dass die nachfolgende Klage mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig wäre, oder durch eine Unterwerfungserklärung, und sei es auch wirksam gegenüber einem Dritten,765 der Unterlassungsanspruch entfallen ist.766

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759 Ständige Rechtsprechung seit BGH 2.3.1973 – I ZR 5/72 GRUR 1973, 384 – goldene Armbänder; zuletzt BGH 4.3.2008 – VI ZR 176/07 WRP 2008, 805 Rn. 9 – Abschlussschreiben eines Rechtsanwalts; BGH 12.3.2009 – IX ZR 10/08 WRP 2009, 744 Rn. 8; 4.2.2010 – I ZR 30/08 – GRUR 2010, 1038 Rn. 27 – Geschäftsgebühr eines Rechtsanwalts; im Schrifttum allgemeine Meinung, vgl. nur Gloy/Loschelder/ Erdmann/Spätgens § 111 Rn. 8; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 662; Teplitzky Kap. 43 Rn. 30; SchultzSüchting Vorauflage § 25 Rn. 313; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 158. 760 BGH GRUR 1973, 384, 385 – goldene Armbänder; BGH WRP 2008, 805, 806; OLG Hamburg WRP 1982, 477; OLG Karlsruhe WRP 1985, 40, 41; Fezer/Büscher § 12 Rn. 181; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 662; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 662; Teplitzky Kap. 43 Rn. 30; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 556. 761 BGH GRUR 2010, 1038 Tz. 26 – Geschäftsgebühr eines Rechtsanwalts; BGH GRUR 2012, 184 Tz. 31 – Branchenbuch Berg; vgl. a. BGH 12.12.2006 – VI ZR 188/05 GRUR 2007, 621 Rn. 8 – Abschlussschreiben außerhalb des Wettbewerbsrechts; Fezer/Büscher § 12 Rn. 181; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 662; Hess in: Ullmann Juris BK-UWG, 3. Aufl., Rn. 158 in Abkehr von 2. Aufl. Rn. 139; Teplitzky Kap. 43 Rn. 30; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 556; a.A. Einsiedler WRP 2003, 354. 762 Nill GRUR 2005, 740, 741; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.73; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.78 bis zur 29. Aufl., seither noch sympathisierend (Analogie nicht abwegig); Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 50, der sogar eine unmittelbare Anwendung des § 12 Abs. 1 S. 2 für möglich hält, was angesichts der gefestigten und auch dem Gesetzgeber im Jahr 2004 bekannten Unterscheidung zwischen Abmahnung und Abschlussschreiben nicht überzeugt. 763 Dazu Teplitzky Kap. 43 Rn. 30 mit weiteren Nachw. 764 BGH 8.12.2005 – IX ZR 188/04 – GRUR 2006, 349 – Hinweis auf unaufgeforderte Abgabe einer Abschlusserklärung; OLG Stuttgart WRP 2007, 688. 765 Vgl. BGH 2.12.1982 – I ZR 129/80 – GRUR 1983, 186 – Wiederholte Unterwerfung I; Teplitzky Kap. 8 Rn. 38. 766 OLG Stuttgart WRP 2007, 688; Fezer/Büscher § 12 Rn. 183; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.73; Teplitzky Kap. 43 Rn. 33; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 ZPO D. Rn. 21.

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Ein Abschlussschreiben entspricht auch dann nicht den Interessen des Schuldners, wie es der GoA-Anspruch verlangt, wenn es zur Unzeit abgeschickt wird. Es ist heute anerkannt, dass dem Schuldner, der in den Besitz der Urteilsbegründung gelangt ist,767 eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige, angemessene Frist zu verbleiben hat,768 in der er sich schlüssig werden kann, ob er mittels Abschluss- oder Unterwerfungserklärung der Auseinandersetzung ein endgültiges Ende bereitet. Als Faustregel kann eine zweiwöchige Frist gelten;769 kürzere Fristen als zwölf Tage770 und längere Fristen als ein Monat771 werden fast allgemein verworfen. Entsprechend sollten unmotivierte Abschlussschreiben in einem Verfahrensstadium behandelt werden, in denen es nicht sinnvoll ist, von dem Schuldner eine Entscheidung zu erwarten, wie etwa kurz vor der mündlichen Verhandlung oder in dem Zeitraum zwischen dem Verhandlungstermin und einem mit Geduld bestimmten Verkündungstermin.772 Auch beim Abschlussschreiben gilt, dass Anwaltskosten nicht zu erstatten sind, so275 fern der Gläubiger auf die anwaltliche Hilfe nicht angewiesen war. Das kann insbesondere für Wirtschaftsverbände und Wettbewerbsvereine zutreffen,773 auch für sich selbst vertretende Rechtsanwälte,774 nach der Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch nicht für Unternehmen mit oder ohne eigene Rechtsabteilung, die sich darauf beschränken dürfen, die Rechtmäßigkeit des eigenen Geschäftsfeldes zu beobachten und sich nicht im Hinblick auf das Verhalten der Konkurrenz auch in wettbewerbsrechtliche Fragen einarbeiten müssen.775

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767 OLG Frankfurt GRUR-RR 2006, 111, 112; vgl. a. OLG Köln WRP 1987, 188, 190; Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 52; Teplitzky Kap. 43 Rn. 31. 768 OLG Frankfurt WRP 2003, 1002; OLG Hamburg WRP 1981, 58, 59 und WRP 1983, 449, 451; KG WRP 1978, 451; OLG Köln GRUR 1986, 96; OLG Stuttgart WRP 2007, 688; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 557; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 664; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.73; a.A. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 307. 769 OLG Hamburg Magazindienst 1999, 983; OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 274, 277 und WRP 2003, 1002; Berneke Rn. 404; Teplitzky Kap. 43 Rn. 31 bei Fn.121; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 557; Fezer/Büscher § 12 Rn. 155; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 664; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 186; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 159; Melullis Rn. 750; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 21; BGH 19.5.2010 – I ZR 177/07 – GRUR 2010, 855 – Folienrollos – hat eine Zeitspanne von 16 Tagen zwischen Zustellung der Verfügung und Absendung des Schreibens mit Selbstverständlichkeit ausreichen lassen . 770 Vgl. Krenz GRUR 1995, 31, 38 (länger als zehn Tage); Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 664; Teplitzky Kap. 43 Rn. 31. 771 OLG Karlsruhe WRP 1977, 117, 119 hält einen Monat für die Mindestfrist. Steinmetz S. 116 tritt für eine Regelfrist von einem Monat ein. 772 Vgl. die Gegebenheiten im Fall OLG Köln WRP 1987, 188, 190 f. 773 OLG Köln WRP 2000, 226, 230 (zumindest bei durchschnittlichen Sachen); OLG Stuttgart WRP 2007, 688; offen gelassen in BGH 12.12.2006 – VI ZR 188/05 GRUR 2007, 621 Rn. 11 – Abschlussschreiben außerhalb des Wettbewerbsrechts; Fezer/Büscher § 12 Rn.184; Teplitzky Kap. 43 Rn. 32; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.73; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 665 i.V.m. Rn. 86; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 161; a.A. Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 51. 774 KG NJW-WettbR 1999, 293, 294; so bei der Abmahnung BGH 6.5.2004 – I ZR 2/03 – GRUR 2004, 789 – Selbstauftrag und BGH – Abschlussschreiben außerhalb des Wettbewerbsrechts –, wie zuvor Rn. 11; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 556; Teplitzky Kap. 43 Rn. 32 mit Fn. 128; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.73; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 22; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 161. 775 BGH 4.2.2010 – I ZR 30/08 – GRUR 2010, 1038 Rn. 23 f.– Geschäftsgebühr für Abschlussschreiben; Teplitzky Kap. 56 Rn. 32 mit weiteren Nachweisen zur gefestigten älteren Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Abmahnung in Fn.129; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.73; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 22; jetzt auch Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 665 unter ausdrücklicher Aufgabe der in der Vorauflage vetretenen Meinung.

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IX. Die Abschlusserklärung

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IX. Die Abschlusserklärung IX. Die Abschlusserklärung 1. Anlass für eine Abschlusserklärung. Der Schuldner kann sich zu einer Ab- 276 schlusserklärung entschließen, wann immer gegen ihn ein Verfügungstitel in die Welt gesetzt worden ist. Er muss dazu keineswegs durch ein vorheriges Abschlussschreiben aufgefordert worden sein. Während ein Abschlussschreiben nach Erhebung der Hauptsacheklage sinnlos ist, wäre eine Abschlusserklärung während eines laufenden Klageverfahrens nicht abwegig. Sie würde der Klage das Rechtsschutzinteresse nehmen mit der Folge, dass sie für erledigt erklärt werden müsste. Da der Beklagte danach mit einer ungünstigen Kostenentscheidung nach § 91a ZPO rechnen muss, ist das allerdings wirtschaftlich kein optimales Vorgehen; es wäre für ihn billiger gewesen, den Klageanspruch anzuerkennen. 2. Wahl zwischen Abschluss- und Unterwerfungserklärung. Sobald der Schuld- 277 ner einen Verfügungstitel gegen sich hat und nicht weiter kämpfen möchte, hat er immer die Wahl zwischen einer Abschlusserklärung und einer Unterwerfungserklärung. Sie wird ihm nach richtiger Auffassung durch ein vorangegangenes Abschlussschreiben des Gläubigers nicht genommen.776 Berechtigte Interessen des Gläubigers werden durch diese Wahlmöglichkeit nicht tangiert. Die Abschlusserklärung beseitigt das Rechtsschutzinteresse für die Klage in der Hauptsache, die Unterwerfungserklärung deren Begründetheit, weil sie mit dem Wegfall der Wiederholungsgefahr den Unterlassungsanspruch erlöschen lässt. Einen Anspruch darauf, gerade einen gerichtlichen Titel mit staatlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bei Zuwiderhandlungen in die Hand zu bekommen, anstatt auf Sanktionen aus dem Vertragsstrafeversprechen angewiesen zu sein, hat der Gläubiger zu keinem Zeitpunkt vor oder während eines Verfahrens.777 3. Inhalt der Abschlusserklärung. Schultz-Süchting hat in der Vorauflage778 aus- 278 führlich und klug die Frage erörtert, welchen Inhalt die Abschlusserklärung idealiter haben sollte. Daran ist zu erkennen, dass auch im Wettbewerbsverfahrensrecht, das anders als das materielle Wettbewerbsrecht dem europäischen Harmonisierungsdruck wenig ausgesetzt ist, zwei Jahrzehnte eine lange Zeit sind. Er begegnete der forensischen Alltagspraxis, in der der Schuldner mit der Abschlusserklärung kurz und bündig auf die Rechte aus den §§ 924, 926, 927 ZPO verzichtete. Dagegen hatte er gut begründete Bedenken, soweit damit ein Aufhebungsantrag auch dann nicht möglich sein sollte, wenn die Zukunft Entwicklungen mit sich brachte, mit denen zum Zeitpunkt der Abschlusserklärung niemand gerechnet hatte und die gegenüber einem Titel in der Hauptsache nach § 767 ZPO hätten vorgebracht werden können. Er schlug deshalb eine Erklärung vor, mit der der Schuldner je nach Lage der Dinge auf einen Widerspruch oder eine Berufung gegen den Verfügungstitel verzichten und zusätzlich versichern sollte, selbst keine nega-

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776 H.M.: OLG Bamberg WRP 2003, 102; OLG Frankfurt WRP 1998, 895, 897; OLG Hamburg NJWEWettbR 2000, 71; OLG Hamm WRP 1982, 592; OLG Karlsruhe NJWE-WettbR 1998, 140; KG NJW 1991, 499; Bernreuther GRUR 2001, 400, 401; Schultz-Süchting Vorauflage Rn. 304; Teplitzky Kap. 43 Rn. 37; Harte/ Henning/Brüning § 12 Rn. 171; Melullis Rn. 626, 653; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 1.108; Schuschke/Walker/ Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 12; a.A. OLG Köln WRP 1996, 333 im Leitsatz, nicht aber 338 in den Entscheidungsgründen; dort wird der Unterwerfungserklärung die Wirksamkeit wegen einer nachfolgenden neuen Verletzungshandlung abgesprochen; OLG Köln WRP 2002, 738, beschränkt auf das Berufungsverfahren; Ahrens WRP 1997, 907, 908; Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 7; Gloy/Loschelder/ Erdmann/Spätgens § 111 Rn. 11. 777 Ahrens Kap. 58 Rn. 9 hält dieses Ergebnis aus nicht nachvollziehbaren Gründen für unerträglich. 778 § 25 Rn. 296.

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tive Feststellungsklage und keinen Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO geltend zu machen sowie keinen Aufhebungsantrag wegen veränderter Umstände zu stellen, sondern sich bei später eintretenden Veränderungen auf eine Verteidigung im Rahmen des § 767 ZPO zu beschränken.779 Er meinte indessen selbst, die Komplexität dieser Erklärung schrecke die eigene Mandantschaft von ihr ab. Die alternative Gepflogenheit, es wegen des nicht zufrieden stellenden Komplettver279 zichts auf die Rechte aus § 927 ZPO in der Abschlusserklärung auf einem Verzicht auf die Rechte aus §§ 924, 926 ZPO zu belassen, war freilich auch nicht sattelfest. Schon im Hinblick auf die Verjährung musste nun mit einem konkludenten Teilverzicht auf die Rechte auf den Aufhebungsantrag gearbeitet werden.780 Dem hält Ahrens heute noch mit Recht entgegen, es sei verfehlt, ein Problem mit konkludenten Erklärungen lösen zu wollen, weil man mit den schriftlichen Formulierungen nicht zurande gekommen sei.781 Die streitige Frage, ob auf die Rechte aus § 927 ZPO überhaupt vollständig – nämlich auch im Hinblick auf nicht erwartete zukünftige Entwicklungen – verzichtet werden kann,782 war auf diesem Wege nicht zu lösen. 280 Diese Probleme gehören inzwischen der Vergangenheit an. Der BGH783 hat überzeugend begründet, dass bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungstiteln Gesetzesänderungen und höchstrichterliche Leitentscheidungen, nach denen das untersagte Verhalten eindeutig als rechtmäßig zu beurteilen wäre, Einwendungen im Sinne des § 767 ZPO darstellen. Da die Abschlusserklärung den Gläubiger genauso, aber auch nicht besser stellen soll, wie wenn er in der Position eines rechtskräftigen Titels im Hauptsacheverfahren wäre, kann der Schuldner den Verzicht auf die Rechte aus § 927 ZPO mit der Einschränkung verbinden, dass dies für Gründe nicht gelten soll, die er gegen einen rechtskräftigen Titel im Hauptsacheverfahren vorbringen dürfe.784 In diesem Sinne hat der BGH die damalige Abschlusserklärung verstanden, in der auf die Rechte aus den §§ 924, 926 und 927 ZPO unter der „auflösenden Bedingung einer auf Gesetz oder höchstrichterliche Rechtsprechung beruhenden eindeutigen Klärung des zu unterlassenden Verhaltens als rechtmäßig“ verzichtet worden war.

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779 Dem vergleichbar sind die Vorschläge von Ahrens WRP 1997, 907, 909 f. und Ahrens/Ahrens Kap. 48 Rn. 44. 780 Vgl. exemplarisch die Schwierigkeiten von Schultz-Süchting in der Vorauflage § 25 Rn. 274 und 295. 781 Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 14. 782 Gegen die Möglichkeit eines vollständigen Verzichts am deutlichsten Scherf WRP 1969, 393, 397; Ahrens WRP 1997, 907, 910 und Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 17–19; damit offenbar sympathisierend, aber ohne endgültige Festlegung Schuschke/Walker § 927 Rn. 6; Schultz-Süchting, oft als Gegner eines vollständigen Verzichts zitiert (vgl. nur BGH GRUR 2009, 1096 Rn. 16, wo die Frage offen gelassen wurde) hielt in der Vorauflage Rn. 274 a.E. den vollständigen Verzicht für zulässig, sofern er expressis verbis auch unerwartete Umstände erfassen sollte, und wollte im übrigen mit den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage helfen; ähnlich Köhler/Bornkamm Rn. 3.74; MünchkommZPO/Drescher § 927 Rn. 13, der den privatautonom vereinbarten totalen Verzicht ausdrücklich für zulässig hält, aber per Auslegung die Möglichkeit von Beschränkungen sieht; die Wirksamkeit bejahend Spehl S. 55 ff., 153 ff.; Teplitzky Kap. 43 Rn. 6. 783 2.7.2009 – I ZR 146/07 – GRUR 2009, 1096 Tz. 17–24 – Mescher weis. 784 BGH GRUR 2009, 1096 Tz. 27; ähnlich Nordemann, Wettbewerbsrecht, Markenrecht Rn. 1598; Hess in: Ullmann Juris PK-UWG § 12 Rn. 162 und der grundlegende Formulierungsvorschlag von Teplitzky Kap. 43 Rn. 8, „den Verfügungstitel nach Bestandskraft und Wirkung einem entsprechenden Hauptsachetitel gleichwertig anzuerkennen und auf alle Möglichkeiten eines Vorgehens gegen diesen Titel und/oder gegen den durch ihn gesicherten Anspruch zu verzichten, die auch im Falle eines rechtskräftigen Hauptsacheurteils ausgeschlossen wären“. Demgegenüber hält Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 22 unverändert eine Formulierung für geboten, in der die rein prozessualen Verzichtserklärungen und die materiellrechtlichen Ergänzungen deutlich auseinandergehalten werden.

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IX. Die Abschlusserklärung

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4. Teilweise Abschlusserklärung. So wie eine aufgrund der Fristsetzung nach 281 § 926 ZPO erhobene Hauptsacheklage inhaltlich identisch den zuerkannten Verfügungsanspruch aufgreifen muss, hat sich auch die Abschlusserklärung inhaltlich mit dem zugesprochenen Verfügungsanspruch zu decken. Allerdings ist es möglich, sie auf individualisierbare Teile eines Anspruchs785 oder, falls es sich um eine Antragshäufung mit mehreren Streitgegenständen handelt, auf einen Streitgegenstand zu beschränken.786 Es verhält sich insoweit nicht anders als bei einer teilweisen Unterwerfung. Eine derartige partielle Abschlusserklärung belässt dem Gläubiger die Möglichkeit der Hauptsacheklage in den von jener nicht betroffenen Bereichen. Was eine Abschlusserklärung jedoch nicht leisten kann, macht wie ein Schulfall die 282 „statt-Preis“-Entscheidung des BGH787 deutlich. Der dortige Schuldner hatte in einer Werbeanzeige einen herausgestellten niedrigen Einführungspreis beworben, der statt eines wesentlich höheren bezifferten anderen Preises gelten sollte. Die Werbung war irreführend, weil es für den Leser ein Rätsel blieb, was es mit diesem höheren Preis auf sich hatte. Der Gläubiger erwirkte eine einstweilige Verfügung mit einem nicht an der konkreten Verletzungsform orientierten, abstrakt formulierten Antrag, mit der eine Werbung mit einem statt-Preis untersagt wurde, ohne deutlich und unübersehbar darauf hinzuweisen, welcher Preis zu Vergleichszwecken herangezogen werde. Der Schuldner gab unter Bezugnahme auf diese Verfügung eine Abschlusserklärung mit der Maßgabe ab, dass sie sich auf Art und Gestaltung der konkret beanstandeten Anzeige beziehe und kerngleiche Verletzungen mit umfasse. Dem war das Angebot hinzugefügt, im Austausch mit der Abschlusserklärung eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben. Der Gläubiger hielt das alles für unzureichend und führte das Hauptsacheverfahren mit einem Verfügungsverfahren entsprechenden Klageantrag durch. Dieser Antrag war jedoch zu unbestimmt. Das Klagevorbringen hatte indessen deutlich gemacht, dass es dem Klägerin bei einem Scheitern der abstrakt formulierten Anträge zumindest auf eine Verurteilung nach der konkreten Verletzungsform ankam. Um ihm Gelegenheit zu geben, einen entsprechenden Antrag in der Berufungsinstanz neu zu formulieren, verwies der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurück. Das hätte nun allerdings keinen Sinn ergeben, wenn diesem Antrag das Rechtsschutzinteresse aufgrund der Abschlusserklärung der Beklagten, die eben diese konkrete Verletzungsform aufgegriffen hatte, gefehlt hätte. Dem war aber nicht so, weil sich der Inhalt der Erklärung im Tenor der einstweiligen Verfügung nicht wiederfand und kein Teil des Verfügungstenors hätte abgetrennt werden können, der als endgültig vollstreckbar wie ein Titel im Hauptsacheverfahren hätte gelten können. In einer Situation, in der der Schuldner nicht den im Verfügungsverfahren zuerkannten Hauptantrag, sondern allein den nicht tenorierten Hilfsantrag akzeptieren möchte, hat er nur die Möglichkeit, eine Unterwerfungserklärung abzugeben; sie war in dem damaligen Streitfall nur angeboten worden. 5. Bedingte Erklärungen. Abschlusserklärungen werden in einem missverständli- 283 chen Sprachgebrauch oft als bedingungsfeindlich oder unwirksam bezeichnet.788 Das

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785 Vgl. dazu Schwippert WRP 2013, 135 Rn. 13 ff. 786 Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 312; Harte/Henning/Retzer Rn. 644; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 7. 787 Urteil vom 4.5.2005, WRP 2005, 1009. 788 Vgl. Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 30 mit nachfolgender Klarstellung; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 552; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 nennt eine auflösend bedingte Erklärung unwirksam, ohne Einschränkungen zu machen; auch der Text bei Berneke Rn. 341 erweckt den Eindruck, als sei eine mit einer Bedingung versehene Erklärung schlechthin unwirksam.

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darf keinesfalls in dem Sinne verstanden werden, dass die unter eine aufschiebende oder auflösende Bedingung gestellte Erklärung gegenstandslos und nichtig sei. Richtig ist lediglich, dass eine in dieser Weise bedingte Abschlusserklärung nie auf der Stelle das Rechtsschutzinteresse des Gläubigers für die Klage zur Hauptsache beseitigt. Bei einer aufschiebenden Bedingung versteht sich das unmittelbar von selbst, weil die Abschlusserklärung aus sich heraus besagt, dass die einstweilige Verfügung vorerst nicht wie ein endgültig wirksamer Titel akzeptiert werden. Mit Eintritt der Bedingung entfällt indessen das Rechtsschutzinteresse für eine Klage. War sie schon erhoben, als die Bedingung eintrat, ist die dadurch unzulässig geworden Klage vom Kläger für erledigt zu erklären;789 von der nach § 91a ZPO zu treffenden Kostenentscheidung darf sich der Beklagte nichts versprechen. Steht irgendwann fest, dass es zum Bedingungseintritt nicht mehr kommen wird, handelt es sich in der Tat um eine Abschlusserklärung, die zu keinem Zeitpunkt eine Wirkung entfaltet hat. Auch eine auflösende Bedingung beseitigt das Rechtsschutzinteresse für die Klage zunächst nicht. Es kann später zum Bedingungseintritt kommen und der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, die Klage erst in einer ferneren Zukunft einzureichen, in der vielleicht Beweismittel nicht mehr greifbar sind und die Verjährungseinrede erhoben wird.790 Die Abschlusserklärung unter auflösender Bedingung beseitigt das Rechtsschutzinteresse für die Klage daher erst dann, wenn feststeht, dass die Bedingung nicht mehr wird eintreten können. So ist es, wenn die Abschlusserklärung unter die auflösende Bedingung gestellt worden ist, dass der Schuldner in einem parallelen Hauptsacheprozess gegenüber einem anderen Gläubiger rechtskräftig obsiegen werde, in dem Moment, in dem seine Niederlage rechtskräftig feststeht.791 284

6. Erklärung ohne Kostenübernahme. Der Wirksamkeit einer Abschlusserklärung steht es nicht entgegen, wenn sie auf weitere von dem Gläubiger geforderte Zusagen nicht eingeht. Dessen oft anzutreffendes Verlangen, die mit dem Abschlussschreiben verbundenen Kosten zu übernehmen, braucht die Abschlusserklärung nicht aufzugreifen.792

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7. Schriftform? Der gelegentlich anzutreffende Satz, die Abschlusserklärung bedürfe der Schriftform und eine lediglich mündliche Erklärung sei nicht wirksam,793 ist nicht ganz korrekt. Aus dem Gesetz lässt sich ein Schriftformerfordernis nicht ableiten. Sofern sich der Gläubiger mit einer mündlichen Abschlusserklärung zufrieden gibt, fehlt ihm das Rechtsschutzinteresse für eine dennoch eingereichte Klage. Ein gut beratener Gläubiger wird zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten aber immer auf einer schriftlich ausformulierten Erklärung794 bestehen; angesichts der Feinheiten der Erklärung, die sonst unliebsamen Interpretationen Tür und Tor öffnet, wäre alles andere eine sträfliche Vernachlässigung der eigenen Interessen. Der Gläubiger hat daher auf eine schriftliche Bestätigung der Erklärung einen Anspruch.795 Kommt dem der Schuldner nicht nach, wird

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789 Vgl. Teplitzky Kap. 43 Rn. 13; Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 30. 790 BGH 5.7.1990 – I ZR 148/88 – GRUR 1991, 76, 77 – Abschlusserklärung. 791 BGH wie zuvor. 792 Allgemeine Meinung: Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 642; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.74; Teplitzky Kap. 43 Rn. 12. 793 Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 310; Harte/Henning/Retzer Rn. 645. 794 Eine Erklärung zu Protokoll des Gerichts steht dem gleich, Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 645; Teplitzky Kap. 43 Rn. 14 in Fn. 56. 795 Fritzsche Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage, 2000 S. 627; Fezer/Büscher § 12 Rn. 168; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.75; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 553; Berneke Rn. 340; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 162; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 8.

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IX. Die Abschlusserklärung

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im Nachhinein deutlich, dass ihm von Anfang an der Wille für eine ernst gemeinte Erklärung abzusprechen ist.796 In Zeitnot abgegebene mündliche Erklärungen sind daher zunächst vom Gläubiger zu respektieren, verlieren aber ihre Bedeutung, wenn die sogleich versprochen oder nachträglich geforderte schriftliche Bestätigung ausbleibt.797 Hat der Gläubiger im vorangegangenen Abschlussschreiben keinen Zweifel daran gelassen, dass ihn nur eine schriftliche Abschlusserklärung von einer Klage abhalten werde, wird er eine gleichwohl nur mündlich abgegebene Erklärung allenfalls dann beachten müssen, wenn nachhaltige Entschuldigungsgründe798 (Erkrankung, Auslandsreise) das Verhalten des Schuldners verständlich machen. 8. Beweislast für Zugang. Die Abschlusserklärung kann ihre Aufgabe, das Rechts- 286 schutzinteresse für eine Klage entfallen zu lassen, nur erfüllen, wenn der Gläubiger von ihr auch Kenntnis hat. Es ist deshalb der Zugang der Erklärung erforderlich, damit sie ihre Wirkungen entfalten kann.799 Beweispflichtig für den Zugang ist der Schuldner,800 weil er sich auf einen prozessualen Ausnahmetatbestand beruft. Grundsätzlich hat jeder Gläubiger das Recht, nach einem Verfügungsverfahren das Klageverfahren zur Hauptsache durchzuführen; der Schuldner wendet ein, dies sei ausnahmsweise wegen der von ihm abgegebenen und dem Gläubiger zugegangenen Abschlusserklärung nicht möglich. 9. Erfordernis der Annahme der Erklärung? Die Abschlusserklärung, die der Me- 287 scher-weis-Entscheidung des BGH folgt und sich auf prozessuale Verzichtserklärungen beschränkt, bedarf keiner Annahme durch den Gläubiger. Anders kann es sein, wenn das Schreiben des Schuldners zugleich materiell-rechtliche Erklärungen wie eine kausale Schuldbestätigung801 enthält. Ist dem ein entsprechendes Abschlussschreiben vorausgegangen, bedeutet allerdings die Abschlusserklärung bereits die Vertragsannahme.802 Zudem ist schwer vorstellbar, dass über § 139 BGB die Abschlusserklärung auch in ihrem prozessualen Verzichtsteil zum Einsturz gebracht werden kann, weil der Gläubiger das Angebot der kausalen Schuldbestätigung – vermutlich dem Grundsatz von Treu und Glauben zuwider – nicht angenommen hat. 10. Rechtsfolgen der ordnungsgemäßen Abschlusserklärung. Eine inhaltlich 288 ordnungsgemäße Abschlusserklärung beseitigt nicht nur das Rechtsschutzinteresse für eine dem Verfügungsantrag entsprechende Klage in der Hauptsache, sondern auch für eine neue Klage wegen einer anderen, aber im Kern gleichen Verletzungshandlung. Darin beweist sich, dass der im Verfügungsverfahren erstrittene Titel einem im Hauptsacheverfahren gelungenen Erfolg aufgrund der Abschlusserklärung gleichsteht. In einer wegen des komplizierten Sachverhalts nicht rasch verständlichen Entscheidung, die eine Abschlusserklärung zum Gegenstand hatte, hat der BGH803 entschieden,

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796 So zutreffend Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 37; Berneke Rn. 340. 797 Vgl. Teplitzky Kap. 43 Rn. 14; Fezer/Büscher § 12 Rn. 168. 798 Zutreffend Teplitzky wie zuvor. 799 Allgemeine Meinung: siehe nur Teplitzky Kap. 43 Rn. 9; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 646; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 553. 800 Ebenfalls allgemeine Meinung, vgl. zusätzlich zu den Belegen in der vorangegangenen Fn. Fezer/Büscher § 12 Rn. 169; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.76; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 8. 801 Vgl. Ahrens/Ahrens Kap. 58 Rn. 32. 802 Darauf weist Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.76 zutreffend hin. 803 19.5.2010 – I ZR 177/07 – GRUR 2010, 855 Rn. 18–23 – Folienrollos mit zustimmender Anm. von Teplitzky LM. 2010, 306927.

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dass das Rechtsschutzinteresse für eine auf einer neuen Verletzungshandlung beruhenden Klage auch dann zu verneinen ist, wenn diese gegenüber dem Streitgegenstand des Eilverfahrens eine zusätzliche Verletzungsvariante enthält, solange sich der Klageantrag mit dem Verbot der konkreten Verletzungsform bescheidet. Dann soll nur eine Klage zulässig sein, mit der allein die Verletzungsvarianten angegriffen werden, die im Verfügungsverfahren noch nicht Gegenstand der Auseinandersetzung gewesen sind. Diese Lesart ist nicht zwingend; sie soll hier aber nicht weiter kommentiert werden, da sie nichts mit Besonderheiten des Eilverfahrens oder der Abschlusserklärung zu tun hat, sondern einer bestimmten Auffassung geschuldet ist, in welcher Form unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform zwei aufeinanderfolgende Klagen geführt werden können, bei denen sich die Verletzungsformen teilweise, aber nicht vollständig überlappen. 289 Ein rechtskräftiges, der Klage stattgebendes Urteil in der Hauptsache schließt eine nachfolgende negative Feststellungsklage – res iudicata – wie auch eine begründete Schadensersatzklage nach § 945 ZPO aus, da rechtskräftig feststeht, dass der im Eilverfahren erstrittene Titel zu Recht bestanden hat. Dieselben Wirkungen treten demzufolge auch durch eine Abschlusserklärung ein.804 Dagegen geht von einem in einem Hauptsacheverfahren ergangenen rechtskräftigen Unterlassungsurteil für eine nachfolgende Schadensersatzklage keine Bindungswirkung aus.805 Der im ersten Verfahren bejahte Verletzungstatbestand ist im zweiten Verfahren unabhängig neu zu prüfen. Bei einer Abschlusserklärung verhält es sich – selbstverständlich – ebenso.806 Ein rechtskräftiger Unterlassungstitel in einem Hauptsacheverfahren beseitigt, so290 lange es nicht zu neuen Verstößen kommt, die Wiederholungsgefahr nicht nur gegenüber dem Titelgläubiger, sondern auch gegenüber Dritten, sofern sich nur diesen gegenüber der Schuldner auf den von ihm zu beachtenden Titel beruft.807 Infolgedessen kann ein Schuldner den an ihn heran tretenden Dritten die Abschlusserklärung vorlegen und sie belehren, dass sie über den geltend gemachten Unterlassungsanspruch mangels Wiederholungsgefahr nicht mehr verfügen.808 X. Vollziehung der einstw. Verf. X. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung 291

1. Grundgedanke. Nach §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO ist die Vollziehung eines Verfügungsbefehls nicht mehr statthaft, wenn seit dem Tage, an dem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt worden ist, ein Monat verstrichen ist. Es handelt sich um eine Vorschrift zum Schutz des Schuldners, die der Gesetzgeber für erforderlich erachtet hat, um zu verhindern, dass der Gläubiger zunächst die Zeit ins

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804 H.M.: Steinmetz S. 112; Berneke Rn. 334; Fezer/Büscher § 12 Rn. 163; Gloy/Loschelder/Erdmann/ Spätgens § 111 Rn. 10; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 647; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.77; Teplitzky Kap. 43 Rn. 11; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 9. Autoren, die einen ausdrücklichen Verzicht auf die negative Feststellungsklage und die Schadensersatzklage nach § 945 ZPO für notwendig halten, müssen bei einem Fehlen dieser Erklärungen die Klagen natürlich weiterhin für zulässig erachten, siehe die Nachweise bei Teplitzky, wie eben, in Fn. 41. 805 So BGH 2.5.2002 – I ZR 45/01 – Faxkarte – BGHZ 150, 377 = GRUR 2002, 1046. 806 OLG Jena GRUR RR 2008, 92; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 650; Teplitzky Kap. 43 Rn. 11. 807 BGH 19.12.2002 – I ZR 160/00 – GRUR 2003, 450 – Begrenzte Preissenkung; ausführliche und überzeugende Begründung bei Bornkamm FS für Tilmann S. 769 ff. 808 Weitaus h.M.: Fezer/Büscher § 12 Rn. 171; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 554; Teplitzky Kap. 43 Rn. 11a; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 648; Büscher/Dittmer/Schiwy, vor § 12 UWG Rn. 166; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.77; Schuschke/Walker/Kessen Anhang zu § 935 D. Rn. 11; a.A. Ahrens/Ahrens Kap. 55 Rn. 31.

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X. Vollziehung der einstw. Verf.

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Land gehen lässt und später den Verfügungsbefehl unter veränderten Umständen vollstreckt. Die Regelung stellt sicher, dass der Schuldner, der vom Erlass der Verfügung Kenntnis erhalten hat, nicht über längere Zeit im Ungewissen bleibt, ob er aus dem Titel noch in Anspruch genommen wird. Sie stellt einen verfassungsrechtlich unbedenklichen809 Ausgleich dafür dar, dass die sonstige Ausgestaltung des Eilverfahrens den Gläubiger in den Stand setzen kann, unter (sehr) erleichterten Bedingungen zu einem vollstreckbaren Titel zu gelangen. Die Vollziehung des erstrittenen Titels innerhalb einer Monatsfrist ist dem Gläubiger umso selbstverständlicher zuzumuten, als er auf die Vergünstigungen des staatlichen Eilverfahrens mit der Erklärung zugegangen ist, die Angelegenheit sei für ihn zu dringend, um das Ergebnis einer Klage abwarten zu können.810 Die Vollziehung des Verfügungsbefehls ist der Beginn seiner Vollstreckung; von daher ist es ein organischer Aufbau, sie – wie hier – erst im Anschluss an das Abschlussverfahren und die Möglichkeiten, die Verfügung aufheben zu lassen, darzustellen. Auf der anderen Seite ist die Vollziehung notwendig, um die einstweilige Verfügung bei Bestand zu lassen, in diesem Sinne also Wirksamkeitsvoraussetzung. Wegen dieses Januskopfes werden die Fragen der Vollziehung daher meist vor den Anträgen, die der nachträglichen Beseitigung des Verfügungsbefehls dienen, behandelt.811 2. Notwendigkeit. Die Notwendigkeit der Vollziehung hängt nach dem Wortlaut 292 des § 929 Abs. 2 ZPO nicht davon ab, ob die Anordnung in einem Beschluss oder in einem Urteil enthalten war. Dennoch war lange streitig, ob die durch Urteil erlassenen einstweiligen Verfügungen nicht aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift vollständig herauszunehmen seien812 oder – falls das zu verneinen war – die von Amts wegen veranlasste Zustellung des Urteils an den Schuldner zur Vollziehung genügen sollte.813 Insoweit gab es nicht lediglich unterschiedliche Meinungen im Schrifttum,814 sondern auch ein – mittlerweile beendetes815 – Schisma in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Diese816 geht inzwischen einhellig in Übereinstimmung mit der ganz h.M. im Schrifttum817 davon aus, dass über § 929 Abs. 2 ZPO ausnahmslos und auch bei Urteilsverfügungen von dem Gläubiger eine Initiative verlangt wird, mit der deutlich wird, dass er von dem erstritte-

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809 BVerfG Beschluss vom 27.4.1988 – 1 BvR 549/87 – NJW 1988, 3141. Walker, Der einstweilige Rechtsschutz Rn. 566 hält die Vorschrift darüber hinaus rechtsstaatlich für geboten. 810 Vgl. Schuschke/Walker § 929 Rn. 6. 811 Vgl. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 143 ff.; Teplitzky Kap. 55 Rn. 37 ff. und Kap. 56 Rn. 1 ff. 812 So OLG Hamburg WRP 1973, 346 und WRP 1980, 341; OLG Bremen WRP 1979, 791; OLG Oldenburg WRP 1992, 412. 813 So OLG Stuttgart WRP 1981, 291 und 1983, 647 (LS); OLG Celle NJW-RR 1990, 1088; vgl. die Darstellung von Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 157; Teplitzky Kap. 55 Rn. 38. 814 Gegen die Notwendigkeit einer Parteizustellung früher Castendiek WRP 1979, 527; Weber BB 1981, 877, 879; Knieper WRP 1997, 815, 817; Gleußner, Die Vollziehung von Arrest und einstweiliger Verfügung in ihren zeitlichen Grenzen, 1999, S. 435, 436. 815 Das übersieht Wüstenberg WRP 2010, 1237 mit antiquierten Belegen in Fn. 2. 816 Vgl. BGH 22.10.1992 – IX ZR 36/92 – BGHZ 120, 73, 78 f.= GRUR 1993, 415, 416 f. mit Anm. Teplitzky; unter ausdrücklicher Aufgabe des früher vertretenen gegenteiligen Standpunktes OLG Hamburg WRP 1997, 53, 54; OLG Stuttgart WRP 2009, 338; OLG Oldenburg WRP 2011, 508, 509; OLG Celle NJW-WettbR 1998, 1, 2 – anders OLG Celle NJW-RR 1990, 1088; kontinuierliche Rechtsprechung bei OLG Dresden NJWWettbR 1997, 277, 279; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 94; OLG München NJWE-WetttbR 1998, 282 f. 817 Teplitzky WRP 1998, 935 ff.; Kap. 55 Rn. 38; Ahrens WRP 1999, 1, 4 f.; Bork WRP 1989, 360, 364; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 497; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 164; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.61; Fezer/Büscher § 12 Rn. 155; Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 142; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 521; Büscher/Dittmer/Schiwy § 12 Rn. 156; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 12; Berneke Rn. 312; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Spätgens § 103 Rn. 9; Schuschke/Walker § 929 Rn. 28; a.A. jetzt noch Wüstenberg WRP 2010, 1237 ff.; Zöller/Vollkommer § 929 Rn. 12, 18.

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nen Titel Gebrauch machen und das Risiko einer späteren Haftung gemäß § 945 ZPO in Kauf nehmen will. Das gilt für die Urteilsverfügung nicht anders als für die Beschlussverfügung und kann nicht durch eine Amtszustellung des Urteils ersetzt werden, die von dem Gläubiger nicht veranlasst ist und die er nicht verhindern kann.818 3. Wiederholte Vollziehung. Eine wiederholte Vollziehung wird erforderlich, sofern die Beschlussverfügung im erstinstanzlichen Widerspruchsverfahren aufgehoben und vom Berufungsgericht die Anordnung erneut getroffen wird. Da die Aufhebungsentscheidung der ersten Instanz die Verfügung rückwirkend vernichtet hat, stellt die Berufungsentscheidung keine Bestätigung des ursprünglichen Beschlusses dar. Infolgedessen ist eine abermalige Vollziehung unabdingbar.819 Hat der Gläubiger im Laufe des Verfahrens sein Petitum erfolgreich erweitert, muss 294 er den erweiternden Titel neu vollziehen, um sich dessen Wirksamkeit zu sichern.820 Anders ist es, falls den Gläubiger im Verfahrensverlauf das Schlachtenglück teilweise verlassen hat und ein trennbarer Teil des geltend gemachten Anspruchs abgewiesen wird. Die erneute Vollziehung des verbliebenen Titels mit dem aufrechterhaltenen Minus ist entbehrlich.821 Zweifelsfrei handelt es sich um ein Minus, wenn bei mehreren zunächst kumulativ erfolgreichen Anträgen im weiteren Verfahrensfortgang ein Antrag der Abweisung unterliegt. Von einem eine neue Vollziehung nicht erfordernden Weniger geht die Rechtsprechung auch dann aus, wenn die Abstrahierung eingeschränkt und das Verbot stärker auf die konkrete Verletzungsform bezogen wird.822 Falls es dabei aber zu einer Umformulierung kommt, können rasch Zweifel entstehen, ob es sich um unschädliche redaktionelle Korrekturen handelt oder sie doch als Änderungen in der Sache anzusehen sind.823 Mit Recht trifft der Anwalt daher auf den verbreiteten Ratschlag, lieber die Kosten für eine zweite Vollziehung zu riskieren.824 Eine Entscheidung, die einen Widerspruch oder die Berufung zurückweist, braucht nicht erneut vollzogen zu werden,825 und zwar auch dann nicht, wenn die ältere Begründung modifiziert wird.826 293

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4. Sicherheitsleistung. In der Rechtsprechung und modernen Kommentarliteratur wird allgemein die Auffassung vertreten, eine Entscheidung, mit der nachträglich eine Sicherheitsleistung des Antragstellers angeordnet werde, bedürfe der erneuten Vollzie-

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818 Vgl. Schuschke/Walker § 929 Rn. 23. 819 OLG Hamburg WRP 1997, 53, 54; OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 68; Berneke Rn. 303; Teplitzky Kap. 55 Rn. 49a; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 514; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 498; MünchkommZPO/Drescher § 929 Rn. 7; Stein/Jonas/Grunsky § 929 Rn. 6; Schuschke/Walker § 929 Rn. 13; Schultz-Süchting Vorauflage § 12 Rn. 159. 820 Allgemeine Meinung: OLG Köln GRUR 1999, 89; OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 152, 155; Teplitzky Kap. 55 Rn. 49; Fezer/Büscher § 12 Rn. 159; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.65. 821 H.M.: Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 514; Schuschke/Walker § 929 Rn. 11; MünchkommUWG/ Schlingloff § 12 Rn. 498; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 22; a.A. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 159 mit Fn. 440. 822 Vgl. OLG Karlsruhe WRP 1997, 57; OLG Karlsruhe NJW-WettbR 1999, 39, 40; OLG Frankfurt WRP 2001, 66; OLG Köln WRP 2002, 738, 739. 823 Vgl. OLG Saarbrücken GRUR-RR 2014, 91, 92 („neue Zustellung der bestätigenden Urteilsverfügung nur bei inhaltlicher Änderung“). 824 Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 159 Fn. 440; Teplitzky Kap. 55 Rn. 49; Schuschke/Walker § 929 Rn. 15. 825 Schuschke/Walker § 929 Rn. 11. 826 KG NJW-WettbR 2000, 197; OLG Köln OLGR 2002, 50, 51; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 498; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 22; Teplitzky Kap. 55 Rn. 49 Fn. 261; a.A. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 159.

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hung. Es handele sich nicht lediglich um eine Einschränkung der Anordnung, sondern um eine inhaltliche Änderung. Auch die Sicherheitsleistung müsse innerhalb der Vollziehungsfrist erbracht werden.827 Die im Zuge einstweiliger Maßnahmen nach den §§ 707, 719, 924 Abs. 3 S. 2 ZPO angeordnete Sicherheitsleistung berühre dagegen den Inhalt der einstweiligen Verfügung und das Vollziehungserfordernis nicht.828 Diese Auffassung ist in doppelter Hinsicht problematisch. Die Differenzierung zwischen der mit einer einstweiligen Maßnahme angeordneten und der in der Verfügungsentscheidung selbst bestimmten Sicherheitsleistung ist (nur) formal korrekt, innerlich aber nicht zu rechtfertigen. Der Gläubiger kann sich nur gratulieren, wenn er von dem Zufall profitiert, dass die Sicherheitsleistung nicht mit der Verfügungsentscheidung verbunden worden ist. Dann kann er den Titel vollziehen und sich seinen Bestand erhalten, ohne die Sicherheitsleistung sofort erbringen zu müssen. Richtiger wäre es, mit der Zustellung des Beschlusses, der die Sicherheitsleistung anordnet, eine neue Vollziehungsfrist beginnen zu lassen, innerhalb derer die Sicherheit erbracht werden muss. Zum zweiten basiert die Auffassung, die erstmalige Anordnung der Sicherheitsleistung in einer sonst bestätigenden Entscheidung erfordere eine neue Vollziehung, unausgesprochen auf der Vorstellung, der eine Sicherheitsleistung anordnende Verfügungsbeschluss habe gleichfalls zur Folge, dass innerhalb der Vollziehungsfrist auch die Sicherheitsleistung erbracht werden müsse. Das droht in allen Fällen zu einem nicht akzeptablen Ergebnis zu führen, in denen der Gläubiger die von ihm für falsch gehaltene Anordnung der Sicherheitsleistung – sei es mit sofortiger Beschwerde oder mit der Berufung – angreift und zu deren Erbringung entweder nicht in der Lage oder nur unter Opfern fähig ist, die ihm den weiteren Einsatz nicht lohnend erscheinen lassen. Kann er die zweitinstanzliche Entscheidung nicht noch innerhalb der Vollziehungsfrist erreichen – was allein bei einer sofortigen Beschwerde gegen die Beschlussverfügung gelingen mag – droht sein Rechtsmittel leerzulaufen, auch wenn es formal erfolgreich ist und zur Beseitigung der Sicherheitsleistung führt. Die Verfügung scheint nämlich insgesamt unwirksam zu sein, weil sie nicht fristgerecht vollzogen worden ist. Dieses unhaltbare Ergebnis829 lässt sich nur vermeiden, indem man, wie es die herrschende Meinung auch tut, mit einem erfolgreichen Angriff gegen die Sicherheitsleistung eine neue Vollziehungsfrist beginnen lässt.830 Abzulehnen ist die einschränkende Ansicht, eine neue Vollziehungsfrist allein dann starten zu lassen, wenn das Rechtsmittel innerhalb der ersten Vollziehungsfrist eingelegt worden ist.831 Das würde den Gläubiger bei einem nicht sogleich eingelegten Widerspruch regelmäßig vor vollendete Tatsachen stellen. Gelingt die Beseitigung der Sicherheitsleistung freilich nicht, unterliegt die nicht vollzogene einstweilige Verfügung der Aufhebung.832

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827 OLG Celle OLGR 2006, 378 f.; OLG Frankfurt WRP 1980, 423; OLG Hamm OLGR 1994, 244; OLG München NJW-RR 1988, 1466; OLG Oldenburg OLGR 2000, 44; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 103 Rn. 36; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 499; Schuschke/Walker § 929 Rn. 11. 828 KG NJW-RR 1986, 1127; Berneke Rn. 302. 829 Zu dem aber Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 156 gekommen ist, der eine doppelte Vollziehung für unabdingbar hielt. 830 So zutreffend Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 21; Berneke Rn. 307; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 512; Teplitzky Kap. 55 Rn. 41; ebenso OLG Stuttgart WRP 1982, 50, 51, wo sich der ausländische Gläubiger devisenrechtlich außer Stand erklärt hatte, die geforderte Bankbürgschaft zu leisten. 831 So aber Zöller/Vollkommer § 929 Rn. 7 a.E.; Stein/Jonas/Grunsky § 929 Rn. 7; MünchkommZPO/ Drescher § 929 Rn. 7. 832 Vgl. die in der vorletzten Fußnote genannten Autoren.

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5. Entbehrlichkeit der Vollziehung. Die Vollziehung ist – was sich dem Wortlaut des § 929 Abs. 2 ZPO nicht entnehmen lässt – nicht erforderlich, wenn der titulierte Anspruch erloschen ist.833 Das kann auf einer Unterwerfungserklärung des Schuldners oder darauf beruhen, dass er den Anspruch erfüllt hat, indem er etwa einer Beseitigungsverfügung vor dem Beginn von Zwangsmaßnahmen entsprochen hat.834 In dieser Lage macht die Androhung der Vollstreckung keinen Sinn; auf Aufforderung des Schuldners hätte der Gläubiger den Titel an ihn herauszugeben.835 Ist er dazu nicht bereit, kann der Schuldner einen Aufhebungsantrag nach § 927 ZPO einreichen, ihn mit dem Erlöschen des Anspruchs als einem verändernden Umstand begründen und den Titel aus dem Verfügungsverfahren mit ex tunc-Wirkung aufheben lassen.836 Dagegen ist er nicht berechtigt, den Aufhebungsantrag auf die ausgebliebene Vollziehung zu stützen mit der Folge, dass der Verfügungstitel rückwirkend beseitigt würde.837 Die Vollziehung ist auch nach einer Abschlusserklärung entbehrlich.838 Der Verfügungstitel ist jetzt so viel wert wie ein Titel aus einem Hauptsacheverfahren; die für das Eilverfahren geltenden Sondervorschriften spielen keine Rolle mehr.

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6. Erste Vollziehungsmaßnahme. Die erste Vollziehungsmaßnahme ist der Beginn der Zwangsvollstreckung; sie unterliegt je nach Art des vollstreckbaren Anspruchs besonderen Regeln. a) Parteizustellung beim Unterlassungsanspruch. Bei dem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch bereitet der Satz, die Vollziehung sei der Beginn der Zwangsvollstreckung, erhebliches Kopfzerbrechen. Im Regelfall verstößt der Schuldner nicht schon in der Vollziehungsfrist gegen das gerichtliche Gebot. Eine Zuwiderhandlung ist indessen Voraussetzung für den Antrag nach § 890 ZPO, mit dem die Zwangsvollstreckung zur Erzwingung von Unterlassungen beginnt. Ein unbedingter Gehorsam gegenüber der Begrifflichkeit hätte das absurde Resultat, dass eine Vollziehung gegenüber einem in der Vollziehungsfrist die Anordnung respektierenden Schuldner nicht möglich wäre839 und eine Verfügung nur gegenüber widerspenstigen Schuldnern bei Bestand bleiben könnte. Um das zu vermeiden, genügt zur Vollziehung von Unterlassungsansprüchen nach heute allgemeiner Meinung die Parteizustellung der gerichtlichen Entscheidung, sofern diese – was auf Antrag des Gläubigers zu geschehen hat – die Androhung von Ordnungsmitteln enthält.840 Werden die Ordnungsmittel danach in einem gesonderten Beschluss angedroht, ist dessen Zustellung innerhalb der Vollziehungsfrist erforder-

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833 Fezer/Büscher § 12 Rn. 152; Melullis Rn. 220; Berneke Rn. 298; Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 146. 834 Vgl. den vom OLG Hamburg Magazindienst 1998, 192 entschiedenen Fall; zustimmend Teplitzky Kap. 55 Rn. 38 bei Fn. 181. 835 Im Ergebnis ebenso Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 510 mit der allerdings nicht gut nachvollziehbaren Begründung, es bedürfe in diesen Fällen der Vollziehung nicht, weil die Frist „vom Gesetz sozusagen zur Disposition gestellt“ werde und es einer „Bekundung eines entsprechenden Gebrauchmachens“ nicht mehr bedürfe. 836 Vgl. Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 146. 837 Vgl. oben Rn. 254; OLG Hamm WRP 1979, 563; OLG München GRUR 1994, 83. 838 Vgl. Berneke Rn. 298; Fezer/Büscher § 12 Rn. 153. 839 Teplitzky Kap. 55 Rn. 41; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.62; Schuschke/Walker § 929 Rn. 28. 840 BGH 13.4.1989 – IX ZR 148/88 – WRP 1989, 514, 517; BGH 2.11.1925 – IX ZR 141/94 – BGHZ 131, 141= WRP 1996, 104; OLG Köln GRUR 2001, 456; Teplitzky Kap. 55 Rn. 41; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.62; Fezer/ Büscher § 12 Rn. 155; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 500; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 520; Piper/ Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 163; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 9–14.

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lich.841 Dagegen genügt es nicht, dass innerhalb der Vollziehungsfrist ein Antrag auf nachträgliche Ordnungsmittelandrohung bei Gericht gestellt wird; damit ist nicht die fristgerechte Unterrichtung des Schuldners verbunden, dass der Gläubiger ernst machen will.842 b) Schuldlose Fristversäumung. Es kommt gelegentlich vor, dass der Schuldner 298 gegen den Verfügungsbefehl sofort nach dessen Wirksamkeit verstößt, weil er es nicht geschafft hat, den störenden Zustand schnell genug zu beseitigen – insbesondere bei Internetauftritten gelingt die nachhaltige Beseitigung im Netz oft nicht auf Anhieb. Der Gläubiger ist dann in der Lage, innerhalb der Vollziehungsfrist einen Zwangsgeldantrag nach § 890 ZPO einzureichen und diesen Antrag dem Schuldner zuzustellen. Es unterliegt heute keinem Zweifel mehr843 und hätte es auch bei Licht betrachtet schon früher keine Zweifel aufwerfen dürfen,844 dass diese originäre Zwangsvollstreckungsmaßnahme als klassische Vollziehungsmöglichkeit nicht zusätzlich noch die Zustellung des Urteils oder der Beschlussverfügung im Parteibetrieb erfordert. Hier wurde zwischenzeitlich vergessen, dass die Parteizustellung als Notbehelf erfunden worden ist, um die Vollziehung bei Fehlen einer Zuwiderhandlung des Schuldners und der Unmöglichkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in die Wege leiten zu können. c) Fristbeginn. Seit einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1989845 wird im 299 Schrifttum breit und ganz überwiegend bejahend846 die Frage erörtert, ob neben der Parteizustellung der Verfügungsentscheidung und neben dem formellen Beginn der Zwangsvollstreckung weitere Maßnahmen denkbar sind, mit denen der Gläubiger seine Absicht, von dem Titel Gebrauch zu machen, deutlich zum Ausdruck bringt. Das sollen Maßnahmen sein, die hinreichend formalisiert, beispielsweise urkundlich belegt oder in anderer Weise leicht und sicher feststellbar sind.847 Dafür ist in der Vergangenheit – zur

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841 BGH 2.11.1925 – IX ZR 141/94 – NJW 1996, 198, 199 mit zahlreichen Nachweisen; OLG Köln GRUR-RR 2001, 71; Teplitzky Kap. 55 Rn. 41; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 500; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 522. 842 A.A. Schuschke/Walker § 929 Rn. 29; vgl. a. die Formulierungen bei OLG Hamburg GRUR 1997, 147, 148, wo allerdings angesichts des völligen Fehlens eines Ordnungsmittelantrags eine genauere Differenzierung zur Entscheidung des Falles nicht erforderlich war. 843 BGH 13.4.1989 – IX ZR 148/88 – WRP 1989, 514, 516 unter 2a bb; OLG Hamburg WRP 1993, 822, 823; OLG Dresden WRP 1997, 577, 582; KG WRP 1998, 410, 411 f.; Vohwinkel GRUR 2010, 977, 979; Teplitzky Kap. 55 Rn. 42; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 522; Melullis Rn. 216; Fezer/Büscher § 12 Rn. 155; Köhler/ Bornkamm § 12 Rn. 3.62; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 164; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 15; Gloy/ Loschelder/Erdmann/Spätgens § 103 Rn. 10. 844 A.A. früher OLG Frankfurt OLGR 1982, 346, 348; OLG Düsseldorf WRP 1985, 640, 641; Borck WRP 1977, 556 ff.; Ulrich WRP 1991, 361, 366, 368. 845 13.4.1989 – IX ZR 148/88 – WRP 1989, 514, 516 f.; die Entscheidung will ausschließlich begründen, warum Vollstreckungsmaßnahmen für die Vollziehung nicht unabdingbar sind. Der in diesem unmittelbaren Zusammenhang formulierte Satz: „Es reicht aus, dass der Verfügungskläger durch Parteizustellung innerhalb der Vollziehungsfrist seinen Willen äußert, von der einstweiligen Verfügung Gebrauch zu machen“, wurde in der Folgezeit so interpretiert, als könnten die Worte „durch Parteizustellung“ ersatzlos entfallen (vgl. insbesondere Altmeppen WM 1989, 1157, 1160, 1163, dessen Folgerungen Ulrich WRP 1991, 361, 366 – unter V.3. – „verständlich“ fand). 846 Fezer/Büscher § 12 Rn. 155; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 523; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.62; Berneke Rn. 313; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 15; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 164; Teplitzky Kap. 55 Rn. 42; Büscher/Dittmer/Schiwy vor § 12 UWG Rn. 157; Nordemann/Götting/Kaiser § 12 Rn. 300; a.A. Vohwinkel GRUR 2010, 977, 979 und früher Ulrich WRP 1991, 361, 366, 368. 847 Das beruht auf den Formulierungen von BGH 22.10.1992 – IX ZR 36/92 – GRUR 1993, 415, 418 l. Sp. mit Anm. von Teplitzky. Dort ging es bei der Fallentscheidung allein darum, fernmündliche Erklärungen als unbeachtlich auszuweisen.

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ersten Ausnahme sogleich – nirgendwo ein konkretes Beispiel genannt worden.848 Die in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung betraf samt und sonders Fälle, in denen die hinreichende Formalisierung und mit ihr eine wirksame Vollziehung verneint worden sind, sei es bei mündlichen Hinweisen,849 der Telefaxübermittlung eines Teils des Verhandlungsprotokolls mit dem Urteilstenor850 oder der Übersendung einer Urteilsverfügung als Anlage eines privaten Anwaltsschreibens.851 Keinesfalls trifft es zu, dass der BGH einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsgeld zusammen mit einem gescheiterten Versuch der Parteizustellung hat genügen lassen, um die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO einzuhalten.852 Vielmehr wahrt die Zustellung eines Antrags auf Festsetzung von Ordnungsgeld die Vollziehungsfrist allein, was sie allerdings nicht länger vermag, wenn der Antrag anschließend wieder zurückgenommen wird. Alsdann hilft auch eine misslungene Parteizustellung im Rahmen des § 929 Abs. 2 ZPO nicht weiter; der BGH853 hat lediglich im Rahmen des § 945 ZPO den daraus resultierenden Vollstreckungsdruck ausreichen lassen und schon damals mit der unterschiedlichen Behandlung des Begriffs der Vollziehung in den §§ 929 Abs. 2 und 945 ZPO begonnen.854 300 Farbe zu bekennen ist freilich bei Beantwortung der Frage, ob die Vollziehung auch dann im Sinne der Fristwahrung als misslungen zu bezeichnen ist, wenn es zu einer Parteizustellung gekommen, entgegen der Bestimmung des § 724 Abs. 1 ZPO dabei aber keine Ausfertigung,855 sondern lediglich eine Abschrift des Urteils ausgehändigt worden ist. Das OLG München856 hat jetzt diese fehlerhafte Zustellung zur Wahrung der Vollziehungsfrist für ausreichend erachtet, weil das Urteil zuvor in einer öffentlichen Sitzung verkündet und dem Verfügungsbeklagten auch bereits von Amts wegen zugestellt worden war. Die Annahme, die Entscheidung habe ihm ohne Vollziehungswillen lediglich zur Kenntnis gebracht werden sollen, sei daher abwegig. Auch wer dem zustimmt, wird bei der Parteizustellung einer bloßen Abschrift einer Beschlussverfügung anders entscheiden müssen, weil sie dem Antragsgegner keine überprüfbare Möglichkeit der Authentizität des ihm zugestellten Exemplars ermöglicht und dessen Annahme, die Zustellung erfolge nicht zwecks Vollziehung, sondern allein zu seiner Kenntnisnahme, nicht als fernliegend bezeichnet werden kann. 301

d) Heilung von Mängeln. Wird die Vollziehungsfrist durch Vollstreckungsmaßnahmen gewahrt, ist die Vorschrift des § 929 Abs. 3 ZPO im Auge zu behalten. Sie gestattet es, die Vollziehung vor der Zustellung des Verfügungsbefehls vorzunehmen, macht aber zur Wirksamkeitsvoraussetzung, dass dessen Zustellung innerhalb einer Woche

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848 Den Ausführungen von Vohwinkel GRUR 2010, 977, 979 f., auch zur fehlerhaften Interpretation der Rechtsprechung, ist in vollem Umfang zuzustimmen. 849 BGH GRUR 1993, 415, 418; OLG Düsseldorf WRP 1993, 327, 329. 850 OLG Frankfurt WRP 1995, 45, 46. 851 KG WRP 1995, 325, 327. 852 So allerdings MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 502; ebenso Ulrich WRP 1991, 361, 368 unter 9., allerdings in evidentem Gegensatz zu S. 365 f. unter 4.; missverständlich in der Kürze auch Teplitzky Kap. 55 Rn. 42. 853 WRP 1989, 514, 516. 854 Diese Rechtsprechung ist markant fortgesetzt in BGH 21.1.2009 – I ZB 115/07 – BGHZ 180, 72 = GRUR 2009, 890 – Ordnungsmittelandrohung, wonach die durch Urteil erlassene Verbotsverfügung, sofern sie eine Ordnungsmittelandrohung enthält, den Beginn der Vollziehung nach § 945 ZPO, nicht aber nach § 929 Abs. 2 ZPO darstellt. 855 Vgl. dazu Schultz-Süchting, Vorauflage § 25 Rn. 144; Hess in: Ullmann juris-UWG § 12 Rn. 139. 856 Urteil vom 25.4.2013 – 29 U 194/13 – GRUR-RR 2013, 403, 404 l. Sp.

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und zusätzlich innerhalb der Vollziehungsfrist erfolgt.857 In diesem Zusammenhang wird die Frist auch durch eine von Amts wegen erfolgte Zustellung des Urteils gewahrt.858 § 929 Abs. 3 ZPO macht nämlich eine Ausnahme von dem in § 750 Absatz 1 ZPO festgehaltenen Grundsatz, dass der Schuldner vor oder mit dem Beginn der gegen ihn gerichteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen den Grund für diesen staatlichen Hoheitsakt zur Kenntnis nehmen kann.859 Als Vollstreckungsvoraussetzung lässt § 750 ZPO indessen eine amtliche Zustellung ausreichen; das geht zweifelsfrei aus seinem Abs. 1 S. 2 hervor, wonach (auch) eine Zustellung durch den Gläubiger genügt.860 Bleibt die fristgerechte Zustellung aus, verliert die vorangegangene Vollziehungsmaßnahme ihre Wirkung. Ist aber die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 noch nicht abgelaufen, kann sie durch eine abermalige Vollziehungsmaßnahme noch gewahrt werden.861 e) Fristwahrung über § 167 ZPO. Die Parteizustellung des erstrittenen Titels ist 302 nicht allein bei Unterlassungsverfügungen die gebotene Vollziehungsmaßnahme, sondern in gleicher Weise immer dann, wenn die Zulässigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen erst die Folge einer neuen Pflichtwidrigkeit des Schuldners ist. Die Verurteilung zur Zahlung einer monatlichen Rente ist ein klassisches Beispiel außerhalb des Wettbewerbsrechts.862 Bei pünktlicher Zahlung der ersten Monatsrate besteht keine Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung einzuleiten. Wie bei den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverfügungen bleibt nur die Möglichkeit, auf die von der Partei betriebene Zustellung der einstweiligen Verfügung als Maßnahme der Vollziehung auszuweichen. Die Parteizustellung zum Angelpunkt der Vollziehung zu machen, bietet einige Vorteile. Anders als ein Vollstreckungsantrag kann sie nicht zurückgenommen und daher nicht ex tunc unwirksam werden; außerdem entfällt das Problem, ob der Eingang des Vollstreckungsantrags bei dem zuständigen Organ der maßgebliche Zeitpunkt der Vollziehung ist oder der Zeitpunkt, in dem der Schuldner davon unterrichtet wird.863 Aus diesen Gründen wurde dafür plädiert, die Parteizustellung zu einer geeigneten Vollziehungsmaßnahme auch außerhalb der Unterlassungsverfügungen zu erklären: also auch bei der Anordnung realer Maßnahmen wie bei der Sequestration, eines Beseitigungsbefehls oder der angeordneten Erteilung einer Auskunft. In dieser Allgemeinheit ist die Auffassung indessen nicht vertretbar. Das Gesetz unterscheidet, wie allein schon aus dem Wortlaut des § 929 Abs. 3 ZPO hervorgeht, unmissverständlich zwischen der Vollziehung und der Zustellung der Eilanordnung. De lege lata ist es daher ausgeschlossen, diesen Unterschied nicht nur in einer Zwangslage, sondern generell zu nivellieren.864

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857 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 103 Rn. 5; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 522; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 501. 858 OLG Celle FamRZ 1988, 524; Zöller/Vollkommer § 929 Rn. 24; Wieczorek/Schütze/Thümmel § 929 Rn. 21. 859 Vgl. Schuschke/Walker § 929 Rn. 43. 860 Vgl. Schuschke/Walker § 750 Rn. 24. 861 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 103 Rn. 5; Zöller/Vollkommer § 9 29 Rn. 25; Schuschke/Walker § 929 Rn. 47. 862 Vgl. Schuschke/Walker § 929 Rn. 26; allerdings verlangt Musielak/Huber § 936 Rn. 6 auch bei dieser Fallgestaltung einen (aussichtslosen) Antrag beim zuständigen Vollstreckungsorgan. 863 Vgl. die Philippika von Ulrich WRP 1991, 361, 367 gegen die Tauglichkeit eines Ordnungsmittelsantrags als Vollziehungsmaßnahme. 864 Im modernen Schrifttum allgemeine Meinung: Teplitzky FS für Kreft, S. 163, 166 ff., wo sich die intensivste Auseinandersetzung mit der Problematik findet; Teplitzky WRP 2005, 654, 661 f. sowie Kap. 55 Rn. 40a; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 8; Berneke Rn. 299a; Fezer/Büscher § 12 Rn. 156; Büscher/Dittmer/ Schiwy vor § 12 UWG Rn. 156; Melullis Rn. 213 (S. 161); Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.62; Gloy/Loschelder/

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f) Auslandszustellung. Eher diskutabel ist die von Teilen der Rechtsprechung aufgegriffene Ansicht, jedenfalls bei der angeordneten Auskunftserteilung sei es allein interessengerecht, auf die Parteizustellung als geeignete Vollziehungsmaßnahme zurückgreifen zu können. 865 Eine ordnungsgemäße Auskunftserteilung könne für den Schuldner zeitaufwendig sein. Die anschließenden Überprüfung durch den Gläubiger, ob er die vorgelegten Informationen als ordnungsgemäße Erfüllung der Auskunftspflicht akzeptieren wolle, gehe gleichfalls nicht leicht von der Hand. In einer relevanten Anzahlung von Fällen sei es nicht gewährleistet, dass diese Vorgänge innerhalb der Vollziehungsfrist mit der angezeigten Sorgfalt abgewickelt werden könnten, zumal die Einreichung des Vollstreckungsantrags allein nicht genüge, sondern dessen Zustellung an den Schuldner innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO hinzutreten müsse. Es sei nicht sinnvoll, den Gläubiger zur Wahrung der Vollziehungsfrist zu einem verfrühten Vollstreckungsantrag zu zwingen, der sich kurz darauf als ungerechtfertigt erweise und kostenpflichtig zurückgenommen werden müsse.866

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g) Einstellung der Zwangsvollstreckung. Dem steht, wie Teplitzky überzeugend dargelegt hat,867 als dogmatisches Hauptargument entgegen, dass die Parallele zur Unterlassungsverfügung nicht trägt. Dort wird nach gefestigter Rechtsprechung868 die Parteizustellung eines Vollstreckungsbefehls allein dann als Vollziehungsmaßnahme anerkannt, wenn dieser Befehl zugleich die Androhung von Zwangsmitteln enthält. Im Zusammenhang mit der angeordneten Verpflichtung zur Erteilung einer Auskunft scheidet diese Androhung der Zwangsmittel aber aus (§ 888 Abs. 2 ZPO). Hier ausnahmsweise gleichwohl die bloße Zustellung des Urteils im Parteibetrieb für ausreichend zu erklären, würde eine Lage voraussetzen, die ansonsten weithin nicht hinnehmbare Ergebnisse zur Folge haben würde. Das aber ist nicht zu erkennen. Der durch die regelmäßige Anhörung im Verfahren869 vorgewarnte Schuldner ist gehalten, seine Unterlagen unter Hochdruck zu sichten und zu ordnen, um die Auskunft erteilen zu können; ein eiliges Gerichtsverfahren verträgt keine gemächliche Vollstreckung. Der Gläubiger kann dem Schuldner auf der Stelle Fristen setzen, nach deren fruchtlosem Ablauf er mit der Zwangsvollstreckung beginnen kann. Ihm selbst ist es oblegen, alle Vorkehrungen zu treffen, um eine rasche Überprüfung der erteilten Auskunft zu gewährleisten. Niemand will ausschließen, dass die Vollziehungsfrist von einem Monat trotz hinreichender Bemühungen beider Seiten ausnahmsweise zu kurz sein kann, um die Dinge abschließend zu klären. Diese eher entfernte Möglichkeit rechtfertigt es nicht, den gesetzlichen Unterschied zwischen der Vollziehung der Entscheidung und ihrer Zustellung außer Acht zu lassen.

_____ Erdmann/Spätgens § 103 Rn. 4; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 543, der die Parteizustellung bei Ansprüchen auf Sicherstellung oder Sequestration ausdrücklich für ungenügend erachtet, bei Rn. 541 und 542 für die Beseitigungsverfügung und die Auskunft den Streitstand aber nur referiert; MünchkommUWG/ Schlingloff § 12 Rn. 503; Schuschke/Walker § 929 Rn. 26; Stein/Jonas/Grunsky § 938 Rn. 30; MünchkommZPO/Drescher § 938 Rn. 52; Musielak/Huber § 936 Rn. 5. 865 OLG Frankfurt WRP 1998, 223, 224; OLG Celle OLGR 2001, 261; LG Koblenz WRP 1997, 986; OLG München NJW-RR 1989, 180 und OLGR 2002, 390, beide zur presserechtlichen Gegendarstellung; bei der Auskunft im Schrifttum ebenso Ahrens WRP 1991, 1,6; Ulrich WRP 1996, 1017; Graf Lambsdorff Rn. 225; Fezer/Hirsch, Handbuch der Markenpraxis Rn. 355. 866 So in einer sorgfältigen Begründung OLG Frankfurt wie zuvor. 867 FS für Kreft, S. 163, 166 ff. sowie die weiteren zuvor genannten Belegstellen. 868 BGH 2.11.1995 – IX ZR 141/94 – BGHZ 131, 141, 145= WRP 1996, 104, 105 – einstweilige Verfügung ohne Strafandrohung. 869 Eine erst nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs kann die zuvor erzwungener Auskunftserteilung nicht mehr ungeschehen machen, vergl. OLG Köln Magazindienst 2004, 80, 81; Berneke Rn. 43; Teplitzky Kap. 54 Rn. 11 bei Fn. 46.

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7. Vollziehungsfrist. Die Fragen, wann die Vollziehungsfrist beginnt und wann sie 305 endet, sind weitgehend geklärt. a) Keine Dispositionsbefugnis. Der Beginn und die Dauer der Vollziehungsfrist unterliegen nicht der Dispositionsbefugnis der Parteien.870 Ein von ihnen geschlossener verfahrensrechtlicher Zwischenvergleich, in welchem der Schuldner dem Gläubiger günstigere Kautelen zusagt, als sie das Gesetz in § 929 Abs. 2 ZPO vorsieht, wäre unwirksam. Von einer im Schrifttum verbreiteten Meinung871 wird allerdings die Ansicht vertreten, die Parteien könnten nach § 224 Abs. 1 ZPO die Frist abkürzen. Diese für das Erkenntnisverfahren gedachte Bestimmung, die in diesem Punkt zwischen Notfristen und anderen Fristen zentral unterscheidet, passt indessen nicht für das die staatlichen Zwangsmaßnahmen im 8. Buch der ZPO regelnde Vollstreckungsrecht, in dem der Terminus einer Notfrist an keiner Stelle auftaucht und nur für die allgemeinen Regeln unterliegenden Rechtsmittel (vgl. § 793 in Verbindung mit § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) eine Notfrist besteht. Auf einem anderen Blatt steht, dass grundsätzlich Vollstreckungsvereinbarungen zu Gunsten des Schuldners getroffen werden können. Der Gläubiger kann sich verpflichten, aus dem Titel nicht mehr zu vollstrecken, wenn er damit nicht binnen einer bestimmten Frist – die kürzer bemessen sein kann als die gesetzliche Vollziehungsfrist – Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat. Beginnt er mit der Vollstreckung nach dem vereinbarten Fristablauf, kann dem der Schuldner eine vertragliche Einrede, nicht aber die mangelnde Statthaftigkeit nach § 929 Abs. 2 ZPO entgegenhalten.872 Auch das Gericht hat keine Möglichkeit, an der Vollziehungsfrist – etwa im Rahmen des § 938 Abs. 1 ZPO – irgendetwas zu ändern, § 224 Abs. 2 ZPO.873 b) Schuldlose Fristversäumung. Da die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO keine Notfrist ist, 306 scheidet bei schuldloser Versäumung der Frist ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 233 ZPO aus.874 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Konsequenz für verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen, weil der Gläubiger einen neuen Verfügungsantrag stellen könne.875 An fehlender Dringlichkeit wird der neue Antrag in der Tat nicht scheitern können, sofern ihm die Versäumung der Vollziehungsfrist – etwa weil das Gericht ihn nicht rechtzeitig eine Ausfertigung des schon verkündeten Urteils zugeleitet hat – nicht anzulasten ist. Das OLG Saarbrücken876 hat in einer neuen Entscheidung – in einer zum Leitsatz erhobenen Hilfserwägung – diese Probleme anders gelöst.

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870 BGH 22.10.1992 – IX ZR 36/92 – BGHZ 120, 73 = GRUR 1993, 415, 418 r. Sp. – Straßenverengung; OLG Köln GRUR 1987, 404, 405 mit weiteren Nachweisen; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 509; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 51; Teplitzky Kap. 55 Rn. 50; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 172. 871 Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 103 Rn. 17; Zöller/Vollkommer § 929 Rn. 3; Schuschke/Walker § 929 Rn. 7; Musielak/Huber § 929 Rn. 3; MünchkommZPO/Drescher § 929 Rn. 8; wohl nicht nur referierend, sondern zustimmend MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 505 mit Fn. 639. 872 Demgegenüber geht Schuschke/Walker § 929 Rn. 7 davon aus, dass die Vollstreckungsvereinbarung über § 224 Abs. 1 ZPO die Frist des § 929 Abs. 1 ZPO unmittelbar abändern kann. 873 Allgemeine Meinung, siehe nur Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 103 Rn. 17; Zöller/Vollkommer § 929 Rn. 3; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 51; Teplitzky Kap. 55 Rn. 50; Musielak/Huber § 929 Rn. 3; Schuschke/Walker § 929 Rn. 7. 874 Allgemeine Meinung: BGH 22.10.1992 – IX ZR 36/92 – BGHZ 120, 73, 86 = GRUR 1993, 415, 418– Straßenverengung; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 51; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 505; Harte/ Henning/Retzer § 12 Rn. 509; Fezer/Büscher § 12 Rn. 160; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 103 Rn. 17; Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 172; Schuschke/Walker § 929 Rn. 7; Zöller/Vollkommer § 929 Rn. 3. 875 NJW 1988, 3141. 876 Urteil vom 25.9.2013 – 1 U 42/13 – GRUR-RR 2014, 91, 92.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

Im dortigen Streitfall hatte der Antragsteller die ihm zugestellte Abschrift des Urteils auf Anforderung des Gerichts zwecks Anbringung eines Zustellvermerks aus der Hand gegeben und erst nach Ablauf der Vollziehungsfrist zurückerhalten. Wegen der im gerichtlichen Verantwortungsbereich liegenden Umstände könne die Versäumung der Monatsfrist der Gläubigerin nicht zum Nachteil gereichen. Das sollte nicht Schule machen. Wir sind es zwar gewohnt, von Staats wegen zu verantwortende Verzögerungen sich nicht zulasten einer Partei auswirken zu lassen, wenn der Gläubiger die staatlichen Organe innerhalb einer Frist mit einer Zustellung beauftragt hat, die erst nach Fristablauf („demnächst“) bewirkt wird. Feste gesetzliche Fristen verlieren aber ihren Sinn, wenn sie sich bei einem fehlenden Verschulden dessen, der sie einzuhalten hatte, irgendwie (um welche jeweils im Einzelfall zu ermittelnde Zeit?) verlängern. 307

c) Fristbeginn. Bei dem Beginn der Frist ist zu unterscheiden, ob die einstweilige Verfügung durch einen Beschluss oder durch ein Urteil erlassen worden ist. Im Falle eines Urteils beginnt die Vollziehungsfrist mit dessen Verkündung.877 Auf die Kenntnis des Gläubigers von der Verkündung kommt es nicht an. Die auf die Verkündung folgende, nach § 317 ZPO obligatorische Amtszustellung ist für den Lauf der Frist bedeutungslos.878 Eine Beschlussverfügung ist dem Gläubiger von Amts wegen förmlich zuzustellen (§§ 936, 929 Abs. 2, 329 Abs. 2 S. 2 ZPO). Mit der Zustellung beginnt die Vollziehungsfrist zu laufen.879 Dem förmlichen Zustellungserfordernis wird auch die Aushändigung einer Ausfertigung des Urteils an den Gläubiger oder seinen Prozessbevollmächtigten auf der Geschäftsstelle des Gerichts gerecht (§ 173 ZPO).880 Der Zeitpunkt der Zustellung ist auf der Ausfertigung und in den Gerichtsakten zu vermerken.

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d) Heilung von Mängeln. Es war lange Zeit sehr umstritten, ob ein Fehler beim Zustellungsvorgang die Zustellung definitiv unwirksam machte oder der Mangel geheilt werden konnte, indem der Gläubiger in den Besitz der vollständigen Urteilsfassung geriet.881 Mit der Novellierung des § 189 ZPO im Jahre 2002 haben sich die Fronten zunehmend begradigt.882 Nach der jetzt maßgeblichen Regelung gilt ein Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem (namentlich genannten oder richtigen) Adressaten tatsächlich zugegangen ist, sofern sich seine formgerechte Zustellung – die Zustellungsurkunde kann verloren gegangen sein – nicht nachweisen lässt oder zwingende

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877 Allgemeine Meinung, vgl. nur Fezer/Büscher § 12 Rn. 161; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 517; Piper/ Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 171; Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 103 Rn. 15. 878 Schuschke/Walker § 929 Rn. 9; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 50. 879 Allgemeine Meinung: Gloy/Loschelder/Erdmann/Spätgens § 103 Rn. 15; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 516 mit zahlreichen Hinweisen auf die obergerichtliche Rechtsprechung der 80er Jahre, in denen die Frage noch ausdrücklich behandelt wurde; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 504; Fezer/Büscher § 12 Rn. 161. 880 Teplitzky Kap. 55 Rn. 37; MünchkommZPO/Drescher § 929 Rn. 5; Zöller/Vollkommer § 929 Rn. 5. 881 Zum früheren Streitstand vgl. ausführlich Schultz-Süchting Vorauflage § 25 Rn. 162; OLG Hamburg WRP 1993, 822, 894. 882 Die Anwendbarkeit des § 189 ZPO auf die Vollziehungsvorschriften ist inzwischen weitaus h.M.: OLG Dresden NJW-RR 2003, 1721, 1722; OLG Hamm Magazindienst 2003, 892, 895; KG Magazindienst 2005, 278, 279 sowie WRP 2011, 612, 613; Anders WRP 2003, 204, 206; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 40; Berneke Rn. 315; Fezer/Büscher § 12 Rn. 158; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 539; Köhler/Bornkamm § 12 Rn. 3.64; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 514; Musielak/Huber § 929 Rn. 9; Zöller/Vollkommer § 929 Rn. 14; Stein/Jonas/Roth § 189 Rn. 14; wohl auch („in Betracht zu ziehen“) Hess in: Ullmann juris PK-UWG § 12 Rn. 136; distanzierte Billigung bei Teplitzky Kap. 55 Rn. 47a; unklar Klute GRUR 2005, 924, 927, der dort unter 4. im ersten Absatz eine Heilung generell auszuschließen scheint, sie im dritten Absatz für bestimmte Fallgruppen aber doch zulässt.

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Zustellungsvorschriften verletzt worden sind. Anders als nach der früheren Regelung in § 187 S. 1 ZPO liegt es danach nicht mehr im richterlichen Ermessen, wann von einer Heilung auszugehen ist.883 Unter den Tatbestandsvoraussetzungen des § 189 ZPO steht die Heilung mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs des relevanten Dokumentes fest. Ist der Zeitpunkt des Zugangs streitig, ist er notfalls durch eine Beweisaufnahme zu klären; verbleibende Zweifel gehen zulasten des beweispflichtigen Gläubigers.884 Dem früher durchschlagenden Argument, eine Heilung von Zustellungsmängeln bei der Beschlussverfügung sei ausgeschlossen, weil die Zustellung insoweit Wirksamkeitsvoraussetzung sei mit der Folge, dass das in der Verfügung ausgesprochene Gebot ab sofort von dem Schuldner bei Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen zu unterlassen sei, und dass dies alles nicht von einer Ermessensentscheidung abhängig gemacht werden könne, ist damit der Boden entzogen. Die vom Wortlaut her auf § 929 Abs. 2 ZPO zweifelsfrei anwendbare Vorschrift des § 189 ZPO kann daher nicht länger über eine teleologische Reduktion aus dem Vollziehungsrecht herausgehalten werden.885 Das Stichwort der Heilung eines Zustellungsmangels ist allerdings missverständlich, da es zu suggerieren scheint, die ursprünglich fehlerhafte Zustellung werde rückwirkend durch einen nachfolgenden Akt wirksam. Das ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 189 ZPO nicht der Fall: Die Zustellung gilt erst mit dem späteren tatsächlichen Zugang des Dokuments als bewirkt. Ein von der generellen Bejahung der Anwendbarkeit des § 189 ZPO im Zusammen- 309 hang mit § 929 Abs. 2 ZPO strikt zu unterscheidendes Problem betrifft die Frage, wie die Tatbestandsvoraussetzungen zu verstehen sind, die § 189 ZPO aufstellt. Insoweit ist vor gelegentlich anzutreffenden Kurzfassungen zu warnen, wonach infolge der Neuregelung die Kenntnis vom Inhalt des Schriftstücks oder dessen tatsächlicher Zugang zur Heilung ausreichend sein sollen.886 Vielmehr verlangt § 189 ZPO nach übereinstimmender Auffassung für die Heilung einen Zustellungswillen des zuständigen Organs.887 Die Amtszustellung eines Urteils kann daher nie durch eine von der Geschäftsstelle veranlasste Übersendung des vollständigen Urteils per E-Mail oder Telefax ersetzt werden.888 Das Schriftstück muss so in den Machtbereich des Adressaten gelangt sein, dass er es behalten kann.889 Fernmündliche Unterrichtung über den Inhalt des Schriftstückes oder eine Kenntnisnahme durch Einsicht in fremde Akten genügen nicht.890 In der Streitfrage,891 ob eine mangelhafte Amtszustellung durch die Kenntnisnahme qua Parteizustellung ersetzt werden kann, hat der BGH892 eine Heilungsmöglichkeit wegen des fehlenden Zustellungswillens der maßgeblichen Behörde verneint. Eine fehlerhafte Parteizustellung einer Urteilsverfügung kann daher im Rahmen des § 929 Abs. 2 ZPO nicht über § 189 ZPO durch

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883 Allgemeine Meinung, vgl. unter den zuvor genannten Teplitzky und Anders. 884 Statt aller MünchkommZPO/Häublein § 189 Rn. 9; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 514. 885 Vgl. die zutreffenden Erwägungen von Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 40. 886 Vgl. die von Klute GRUR 2005, 924, 926 angeführte, teilweise unveröffentlichte Rechtsprechung sowie beispielhaft die Formulierungen bei Berneke Rn. 31; MünchkommUWG/Schlingloff § 12 Rn. 504; Anders WRP 2003, 204, 206 und Piper/Ohly/Sosnitza § 12 Rn. 168. 887 MünchkommZPO/Häublein § 189 Rn. 3; Musielak/Wittschier § 189 Rn. 2; PG/Kessen § 189 Rn. 5; Stein/Jonas/Roth § 189 Rn. 5; Wieczorek/Schütze/Rohe § 189 Rn. 23; Zöller/Stöber § 189 Rn. 2; Thomas/ Putzo/Hüßtege § 189 Rn. 7; Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 538. 888 PG/Kessen § 189 Rn. 5. 889 Musielak/Wittschier § 182 Rn. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege § 929 Rn. 8. 890 MünchkommZPO/Häublein § 189 Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Rohe § 189 Rn. 28; Stein/Jonas/Roth § 189 Rn. 5. 891 Für Heilung: Stein/Jonas/Roth § 189 Rn. 14; Zöller/Vollkommer § 929 Rn. 14; gegen Heilungsmöglichkeit Zöller/Stöber § 189 Rn. 3; MünchkommZPO/Häublein § 189 Rn. 3. 892 Urteil vom 19.5.2010 – IV ZR 14/08 – MDR 2010, 885.

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§ 12

Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

eine Amtszustellung gerettet werden.893 Mit der Geltung des § 189 ZPO ist indessen zweifelsfrei, dass eine Weiterleitung des fälschlich an die Partei persönlich zugestellten Verfügungsbeschlusses an seinen Prozessbevollmächtigten die Vollziehungsfrist wahrt, sofern er diesem rechtzeitig zugeht.894 Angesichts der in § 174 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO getroffenen gesetzlichen Bewertung sollte das auch dann gelten, wenn das Dokument nicht im Original weitergereicht wird, sondern per Fax oder E-Mail zugeht.895 Im wettbewerbsrechtlichen Schrifttum wird einhellig angenommen, § 189 ZPO betreffe nur Mängel im Zustellungsvorgang selbst, nicht aber Unvollständigkeiten im Dokument.896 Im ZPO-Schrifttum sind die Meinungen indessen geteilt,897 und es wird abzuwarten sei